„Cinderella“ ist die jüngste, flotte, junge, streckenweise mitreißende Musicalproduktion von „teatro“ im Mödlinger Stadttheater. Eine Woche nach der furiosen Premiere des hierzulande zu wenig bekannten Stoffes „Anne of Green Gables“ nun für das noch jüngere Publikum eine Adaption eines der bekanntesten Grimm’schen Märchens, das allerdings auch auf anderen Sammlungen beruht. Bei Grimm heißt es Aschenputtel, in älteren Versionen Aschenbrödel; es gibt – wie das umfangreiche, informative Programmheft (stets Teil von teatro-Produktionen) kundtut, auch die neapolitanische Sammlung Pentameron von Giambattista Basile (16. Jahrhundert) sowie Charles Perraults Cendrillon ou la Petite Pantoufle de verre (Aschenputtel oder der kleine Glasschuh).
Die reichlich anachronistisch Grundgeschichte – böse Stiefmutter samt ihren vielleicht noch bösartigeren Töchtern, die die Hauptfigur mobben, demütigen und die diesem Martyrium nur durch die Heirat mit dem Prinzen entkommt – wird hier doch ein bisschen moderner frisiert: Buch: Norbert Holoubek, Regie, Buch-Ergänzungen: Peter Faerber, Musik: Norberto Bertassi
Erstens ist das „böse“ Trio angeführt vom Hausdrachen Corinna Schaupp zur Karikatur überzeichnet, insbesondere die Stiefschwestern (Clarissa: Carolina Murg, Celestine: Sophie Rosenitsch) geben sich brillant ständig der Lächerlichkeit Preis. Zweitens ist Cinderella (Emily Fisher) nicht ganz allein, hat hier sieben starke Freund:innen und Helfer:innen – vier bunte Tauben (Konstantin Pichler, Anastasia Mila Krstić, Lydia Kodym und Leonhard Schwaiger) und drei groß(artig)e Mäuse (Cati Rachoner, Kaela Hitsch, Hanna Auerböck), die tragende Rollen mit eigenen unterschiedlichen Persönlichkeiten, spielen. Und drittens hat sich Cinderella selbst wenigstens ein bisschen Widerstandsgeist bewahrt. Die anonyme Begegnung mit dem Prinzen (David Mannhart) am Ball verleiht ihr zwar Auftrieb, gibt ihr aber „nur“ mehr Kraft im Kampf gegen die Tyrannei des Trios. Was vielleicht am treffendsten in einem der Dialoge gegen Ende gipfelt, als die Stiefmutter giftig fragt: „Was ist denn bloß in dich gefahren“ und Cinderella kontert: „Ich bin in mich gefahren!“
Eine besondere Erwähnung verdient – eigentlich bei jedem teatro-Stück – die Kostümbildnerin. Brigitte Huber tüftelt jeweils an einem Gesamtkonzept für alle Kleidungsstücke der Figuren im jeweiligen Stück und schafft darüber hinaus immer wieder auch totale Gustostückerln. So tanzt Emily Fisher als Cinderella auf dem Ball in einer himmelblauen Robe mit vielen Rüschenreihen. Aus den 20 Meter Stoff schneiderte die Kostümbildnerin so 180 (!) Meter Saum. Und sie bemerkte sofort, dass beim ersten Auftritt Fishers bei der Premiere, eine der Rüschen aufgegangen war, was durchaus Stolpergefahr beim Tanz bedeuten hätte können. Ruckzuck fixierte Brigitte Huber das im Bühnenhintergrund, bevor es auf zum Ball-Tanz ging. „Ein bisschen schwer ist das Kleid schon, aber es dreht wunderbar“, so Emily zu KiJuKU.at
Zu einem ausführlichen Interview mit ihr geht es hier unten:
Gegenspielerinnen Cinderellas (Emily Fisher – ein eigenes Interview mit ihr ist unten verlinkt) sind – gemeinsam mit ihrer autoritären Mutter (Corinna Schaupp) – die beiden Stiefschwestern Clarissa (Carolina Murg) und Celestine (Sophie Rosenitsch). Sie sind nicht nur – wie es das Märchen vorgibt böse und gemein, sondern auch mehr als tollpatschig., bereiten beim Ball dem Prinzen (David Mannhart) „schmerzhafte Begegnungen“ mit versuchten Tanzschritten mit denen sie ihm auf die Füße trampeln und noch hinpurzeln.
Letztere ist neu in der „teatro“-Familie, „fühl mich da aber von Anfang an sehr wohl. Ich hab mich beworben und diese Rolle macht mir viel Spaß, weil sie so witzig ist.“ Ihre „Schwester“ war schon in teatro-Produktionen („Peter Pan“ sowie „Anne Frank“) zu erleben und hatte genau so viel Freude daran, die Böse zu mimen. „Das Lustige ist, dass wir beide mit Emily (Cinderella) privat befreundet sind und ihr gleich als wir für diese Rollen eingeteilt waren, geschrieben haben, dass wir uns freuen, sie im Musical „ärgern“ zu dürfen!“, vertrauen sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … an.
Cinderella hat in dieser Musical-Versionen von teatro gleich mehr als zwei – hier bunt gefiederte – Tauben als Freund:innen und Helfer:innen und dazu noch drei Mäuse, jedes der „Tiere“ mit eigenem Namen und eigener persönlicher Note. Alle sieben verwandeln sich für die Fahrt zum und beim Ball in Lakaien (Diener:innen), der nun prächtig gewandeten Cinderella. Und dieses Septett spielt mehr als nur Nebenrollen, sie verleihen den insgesamt nicht ganz zwei Stunden (einschließlich einer längeren Pause) sehr humorvolle Würze und lassen die gemobbte Cinderella praktisch nie allein und im Stich.
Eine dieser Mäuse, die namens Stubs spielt Kaela Hitsch – „13, fast schon 14!“. Seit sieben Jahren ist sie bei „teatro“, „zuerst in der MAB – Musical Academy Brigittenau – und seit „Bambi“ (2021) bei den großen Sommerproduktionen. Ich mag mein Rolle sehr, obwohl’s im Mauskostüm schon sehr heiß ist. Als Lakai tanzen wir in der sicher schwierigsten Choreografie des ganzen Stücks am Ball, da müssen wir die drei Bösen von Cinderella und dem Prinzen fernhalten. Und in dieser Choreo haben wir auch Bocksprünge drinnen. Das ist wirklich cool.“ Wie viele andere ihrer Kolleg:innen, die schon lange, manche auch, die erst kurz dabei sind, „möchte ich Musical-Darstellerin werden.“ Sie besucht den Musikzweig des Wiener Gymnasiums Boerhaavegasse, spielt Geige und Klavier.
Taube Ringel gespielt von Leonhard Schwaiger, findet „vor allem cool, dass wir als Tauben im Dialekt sprechen dürfen, das liebe ich auch an dieser Rolle“, sagt er in der Pause, schon im Lakaien-Kostüme, in dem die sieben Diener:innen am Beginn des zweiten Aktes zunächst Cinderella in der schon knapp davor zur Kutsche umgebauten Ofen (in Form eines riesigen Fasses) zum Schloss begleiten. „So richtig bin ich hier erst seit zwei Jahren, war aber schon vorher ungefähr zwei Jahre auf Bühnen und bei Workshops“, so der 12-Jährige zu Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…
Auch er will „jedenfalls später was mit Musical machen“.
Schorschi ist der Figurenname der frechsten unter den vier Tauben. In diese Rolle schlüpft der 13-jährige Konstantin Pichler. Und hat sichtlich und hörbar auch außerhalb der Bühne große Freude damit. „Obwohl zu Hause bin ich nicht frech, sondern nur aufgeweckt, würde ich sagen“, meint er von KiJuKU darauf angesprochen, ob das auch seinem Naturell entspreche. „Seit ich acht bin, mach ich bei teatro mit, in Mödling auf der Stadttheaterbühne erst seit Bambi (2021), wo ich ein Streifenhörnchen war.“
Seit eben auch dieser Produktion ist Anastasia Mila Krstić mit dabei, „zwar erst das dritte Jahr, aber schon mein fünftes Stück“, so die Darstellerin der Taube Wickerl zum Reporter. „Ich mag diese Rolle und bin überhaupt dankbar, dass ich seit Bambi in jedem der Musicals – Bambi, Schneewittchen, heuer Cinderella und zwei Mal bei der Weihnachtsgeschichte – mitspielen, -singen und -tanzen durfte.“
Nach der vielumjubelten Premiere von „Conderella“ der Musiktheatergruppe „teatro“ im Stadttheater von Mödling mit standing ovations, konnte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… ein ausführliches Interview mit der Hauptdarstellerin Emily Fisher führen. Zu einer Stückbesprechung und mehreren kurzen Interviews geht es in einem Link am Ende dieses Interviews.
KiJuKU: Ich habe gelesen, du bist sehr musikalisch und nimmst schon seit Jahren Klavier- und Gesangsunterricht. Welche Rolle spielt Musik in deinem Leben?
Emily Fisher: Eine riesige Rolle. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich zu singen begonnen habe, aber ich habe immer schon gerne gesungen. Zuerst in Schul-Chören und habe dann irgendwann, das war schon relativ spät, mit 16, mir gedacht: Ich möchte mehr machen, denn ich liebe es so sehr. Dann habe ich das erste richtige Kindermusical gemacht und ich dachte mir: Das ist es. Ich habe seitdem auch nichts anderes mehr verfolgt.
KiJuKU: Also bist du durch die Musik zu „teatro“ gekommen, könnte man das so sagen?
Emily Fisher: Ja voll. Es war eigentlich ein lustiger Zufall. Ein Freund von mir, mit dem ich das erste Kinder- und Jugendmusical gespielt habe, war bei „teatro“ und hat eine Rolle nicht spielen können, weil er etwas anderes gespielt hat. Dann hat er mich gefragt, ob ich einspringen könnte. Der Norberto (Bertassi, Begründer dieses Musiktheaters für junges Publikum) hat mich irgendwann angerufen , ich kannte ihn nicht. Er hat mich gefragt, ob wir uns treffen können. Dann hat er mir alles gezeigt und ich habe innerhalb von so drei Tagen das Ganze, das war eine Rolle in „Pinocchio“ (der Volkshochschule Brigittenau) schnell gelernt. Im gleichen Jahr habe ich die Audition für „Alice“ gemacht. Ja, so war das.
KiJuKU: Dann habe ich noch gelesen, du studierst Pädagogik und arbeitest auch als Volksschullehrerin, stimmt das? Wieso gerade Pädagogik?
Emily Fisher: Ja, das stimmt. Ich hätte auch Logopädie studieren können, denn ich wurde bei beidem aufgenommen und habe mir beides angeschaut. Als Plan B ist es sehr schön. Man kann sich kreativ ausleben. Ich singe jetzt schon ganz viel mit den Kids und versuche Musik so oft es geht, in den Unterricht zu integrieren.
KiJuKU: Das wäre eigentlich auch meine nächste Frage gewesen, ob du beides verbindest…
Emily Fisher: Bei „teatro“ ist es ganz leicht, weil wir haben unsere Kinder im Ensemble. Das ist schön, mit Kindern zu arbeiten, denn sie sind immer ehrlich und faken nicht. Sie haben meistens einfach total viel Freude, keine Hemmungen und sind total verrückt, manchmal. Das ist so, wenn du das Schulhaus betrittst. Du wirst sofort mit hundert Emotionen überflutet und das ist hier auch so.
KiJuKU: Cinderella hält an ihren Träumen trotz aller Schwierigkeiten fest. Manchmal zweifelt sie auch und manchmal ist sie hoffnungslos, aber im Großen und Ganzen hält sie daran fest. Was sind deine Träume für die Zukunft, beruflich wie privat?
Emily Fisher: Mein großer Traum ist, dass ich weiterhin auf der Bühne stehen darf und Theater machen darf. Solange ich das machen kann, bin ich glücklich.
KiJuKU: Es gibt beim Ball im Stück diese Szene, wo alle beginnen, voll Freude zu tanzen. Ist das Tanzen auch eine Leidenschaft von dir?
Emily Fisher: Ich liebes es zu tanzen. Es macht so viel Spaß. Ich bin eine von diesen Menschen, wenn ich mal mies drauf bin, drehe ich meine Lieblingsmusik auf und tanze wild. Das ist pure Freude.
KiJuKU: Welche Figur bzw. Figuren außer Cinderella gefallen dir sehr?
Emily Fisher: Ich finde die Mäuse und Tauben ganz großartig. Sie zeigen einfach, wie es ist, wenn man zusammenhält und den Kopf auch nicht hängen lässt. Man tendiert ja manchmal dazu, sich selbst ein bisschen zu sehr leid zu tun. Die Tauben sagen: „Lass dich nicht so owezahn (runterziehen), du musst die Traurigkeit wegtanzen!“ Da haben sie voll recht.
KiJuKU: Hast du irgendein künstlerisches Vorbild?
Emily Fisher: Eigentlich jede Person, die ich treffe, die diesen Beruf auslebt, wird für mich sofort ein Vorbild, weil ich bewundere das so, dass man seinen Träumen nachgeht. Man kann diesen Beruf nicht ausüben, wenn man es nicht liebt und wenn man nicht die größte Leidenschaft dafür hat. Ich habe zum Beispiel beim „Glöckner“ mitspielen dürfen im Chor und alle, sowohl die Hauptdarsteller als auch die Ensemble-Leute, habe ich angehimmelt, weil ich dachte mir so „Wowh, ihr macht das, wovon ich träume“:
KiJuKU: Denkst du, dass alle Wünsche wahr werden können und wenn ja, welche Kriterien müssen erfüllt werden? Braucht man da wirklich eine gute Fee oder wie genau ist die Figur der guten Fee im echten Leben?
Emily Fisher: Ich glaube, es müssen nicht einmal alle Wünsche erfüllt werden. Aber im echten Leben braucht man definitiv manchmal eine gute Fee. Das kann eine Freundin sein, die dich aufbaut, wenn du gerade einen tiefen Moment hast, ein Haustier oder ein Lied, das gerade im Radio läuft, und du denkst „O mein Gott, genau dieses Lied habe ich gerade hören müssen“. Dann kriegst du neuen Mut und neue Hoffnung. Ich glaube, wenn man versucht, sich in seinem Leben treu zu bleiben, ehrlich zu sein und nicht aufzugeben, dann gehen die Träume schon in Erfüllung.
Das Interview führte Stefanie Kadlec, 17, die derzeit bei KiJuKU in den Journalismus hineinschnuppert.