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Szenenfoto aus "Qualitier"

Vermenschlichte Tiere oder tierische Menschen

Der Zugang im – vom Publikum aus gesehen – rechten Hintergrund, über den die Schauspieler:innen die Bühne betreten, ist verbarrikadiert. Sieben weiße Sitzwürfel verstopfen ihn. Der erste „Durchbruch“ des Abends: Katharina Farnleitner als Esther „zimmert“ aus den Würfeln ihr Home-Office, ihr Kollege Jonas Deckenbach spielt einen, meist auf zwei Beinen gehenden, Hund. Rent a dog – ein gemieteter Profi. Was wohl dem 20-Minüter der vier Kurzstücke des aktuellen, 17. Nachwuchsbewerbs im Theater Drachengasse, den Titel „Qualitier“ gab (Text, Regie: Sophie Bischoff).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Qualitier“

Qualitier

Den Miethund namens Frank brauch die Esther genannte Kopfarbeiterin, um besser, sprich produktiver, werken zu können, ihr Pensum zu erledigen. Doch der hat wie Arbeitskräfte auch Feierabend. Davor aber gibt’s noch Troubles mit einem Laienhund des Nachbarn (Flo Sohn). Und eine Debatte über toxische Mensch-Tier-Beziehungen, Widersprüche zwischen „Hunde wollen ohnehin unterworfen sein“ vs. Emanzipation von (Haus-)Tieren.

Diese erste von vier Kurzproduktionen des Bewerbs verkörpert die Ausschreibung unter dem Titel „Automaten mit Fell“. In der heißt es gleich zu Beginn: „Ob Fell, Federn, Schuppen, ob Schnauze, Schnabel, Sackkiefer, ob herrschaftliche Menagerie oder Tierhortung: Nicht erst seit der Corona-Pandemie nimmt die Haustierpopulation stetig zu. Vom Affenpinscher bis zur Zwergbartagame, vom Koi bis zum Catfluencer erfüllen Haustiere die Funktion eines Statussymbols, eines repräsentativen Ziergegenstands oder schnell verfügbaren Trostautomaten zur emotionalen Wiederherstellung des vereinzelten spätkapitalistischen Subjekts.“

Grafik zum 17. Nachwuchsbewerb von Theater Drachengasse: Motto: Automaten mit Fell
Grafik zum 17. Nachwuchsbewerb von Theater Drachengasse: Motto: Automaten mit Fell

Fünf Dutzend Projekte, mehr als 200 Beteiligte

Insgesamt 224 Theatermacher:innen – zwischen 18 und 50 Jahren – hatten für den aktuellen Nachwuchswettbewerb 64 Projekte eingereicht; fast die Hälfte schlugen Sprechtheater-Stücke (47%), knapp weniger (46%) Performance – der Rest verteilte sich auf Live-Hörspiel, Musik- sowie Puppentheater. Aus den Einreichungen wurden in einem mehrstufigen Verfahren die genannten vier Projekte ausgewählt.
Regisseurin Karin Koller stand den Teams als Dramaturgin und Coach zur Verfügung.

Rund zwei Wochen wurden Abend für Abend die rund 20-minütigen Kurz-Versionen oder Szenen gespielt. Am letzten Spieltag (31. Mai) werden nach der Vorstellung die zwei Gewinner:innenprojekte des Wettbewerbs bekannt gegeben, die einerseits aus dem Publikums-Voting (1000 € Preisgeld) und andererseits der Jury-Entscheidung (10.000 €, um daraus eine abendfüllende Produktion weiter zu entwickeln) ermittelt werden.

Ich hab dich zum Fressen gern

Den jahrhundertelangen klassischen Zugang (sehr) vieler Menschen zu Tieren stemmt Georg Weislein in der Rolle eines Fleischhauers (da vier von zehn der teilnehmenden Künstler:innen aus Deutschland kommen und gar 53 % dort wohnen, wird er in der Beschreibung „natürlich“ Metzger genannt) in Form von Stoff-Würsten, -Schweinshaxen und so weiter auf die Bühne (Konzept, Text, Dramaturgie, Sound: Sarah Calörtscher; Konzept, Text, Do-Regie: Melanie Durrer; Konzept, Bühne, Kostüm: Veronika Müller-Hauszer; Konzept, Text, Dramaturgie, Co-Regie: Laura Ritzenfeld; der Schauspieler steuerte ebenfalls zu Konzept, Text und Co-Regie bei).

Ausgehend von den Schweine-Teilen werden in „Ich hab dich zum Fressen gern“ die bekannten Themen von zu viel Fett auf menschlichen Rippen, Kalorienzählung, Figurbewusstsein thematisiert.

„Zum Fressen gern“ wird oft ja nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinn verwendet, um Zuneigung auszudrücken. Und so sind viele Haustiere ja „des Menschen liebste Freund:innen“. Sind es für die meisten Hund oder Katz, so tummeln sich bei den „Reichen und Schönen“ eher Mini-Ferkel oder Raubkatzen – sicher mit viel Auslauf, dennoch wohl selten artgerecht.

Verfalls-Stadien

Das was eine Badewanne zu sein scheint, entpuppt sich als Sarg oder Grab. In „Nine Stages of Decay“ (Neun Stadien des Verfalls) sinniert zunächst Florenze Schüssler und später mit ihr Valerie Madeleine Martin über das Jenseits. Oder das Leben im Allgemeinen. Und gibt’s da noch Erinnerungen an das Leben vor dem Tod? „Ich erinnere mich an nichts!“ oder ist es an Nichts?

„Du wurdest als Schauspielerin ausgezeichnet“ – soll der Satz ein fishing für einen der beiden Preise sein? Fällt der Ausbruch von der Bühne – nackt durchs Publikum – auch darunter? Oder ist es eine Anspielung, dass nach dem Tod das sprichwörtliche Hemd keine Taschen hat und daher auch kein Hemd nötig ist? (Konzept, Text: Sunan Gu; Bühne, Kostüm: Feng Li; Konzept, Dramaturgie: Rongji Liao; Musikkomposition, Videoprojektion: Deniz Deli; Konzept, Text, Produktionsleitung,

Lichtdesign, Regie: Nathalie Rosenbaum; die beiden schon genannten Schauspielerinnen haben auch konzeptionell an den Verfalls-Stadien mitgearbeitet.

Klugscheißen wörtlich

Deutlich näher am Tier-Mensch-Verhältnis spielt sich die chronologisch vierte Performance des 17. Nachwuchs-Bewerbs-Abends ab (wobei die Reihenfolge sich aus dem bestmöglichen technischen Ablauf ergibt). „Food, Friend or forced Labour“ (Essen, Freunde oder Zwangsarbeit) beginnt nach einem Auftritt der Schauspieler:innen durch den Mittelgang der Publikumsreihen auf der Bühne mit einer vermeintlichen „Sauerei“, weshalb gleich eine große Folie aufgezogen wird: Ausstreuen und verteilen von Erde. Alle drei Schauspieler:innen – Sophie Kirsch, Mila Mila Lyutskanova und Moritz Praxmarer – zeichnen auch für Konzept und Regie verantwortlich.

Mit dem Ausstreuen der Erde beginnen sie Abhandlungen über die Tiere darin – in einer Handvoll frischer Erde sind es mehr als eine Milliarde Lebewesen – von Regenwürmern bis zu Mikroorganismen wie Pilzen. Übrigens, und damit kommen die drei Performer:innen zu unser aller nächsten „Haus“tieren, vielmehr solchen, die in unseren Körpern wohnen – viele davon im Darm. Gedankenspiele über Shit-Transplantationen und die seit vielen Jahren immer wieder gezogenen Parallelen und Vergleichen zwischen Darm und Hirn dürfen nicht fehlen.

Wobei die vielleicht treffendste witzige dazu stammt von de bekannten deutschen Bühnen- und TV-Satirikerinnen, Sarah Bosetti: „Das Gehirn sieht aus wie ein in Kopfform gepresster Dickdarm. Und dann kam mir der Gedanke, dass Gott vielleicht bei einigen Menschen genau diese beiden Dinge … Und dann hat man plötzlich Menschen, die nur Scheiße denken, aber dafür klugscheißen können… wie logisch einem die Welt erscheint, wenn man das im Kopf behält! Beziehungsweise im Darm, je nachdem, zu welcher Sorte man gehört.“

kijuku_heinz

Schnecke auf Rasierklinge - für sie dank des Schleims kein Problem - Sujet des Theaters Drachengasse in dieser Saison
Schnecke auf Rasierklinge – für sie dank des Schleims kein Problem – Sujet des Theaters Drachengasse in dieser Saison
Theresa Schmerold bei der Preisverleihung

Wollte einen Text über Realität mit den Gedanken in meinem Kopf dazu

KiJuKU: Wann und wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Theresa Schmerold: Bei mir hat’s auch relativ früh angefangen.

KiJuKU: Relativ früh heißt?
Theresa Schmerold: Schon in der Volksschule hab ich mit meiner Schwester Geschichten erfunden. Generell hab ich sehr viele kreative Hobbies.

KiJuKU: Und zwar?
Theresa Schmerold: Basteln, malen, singen, schreiben eben

Bei der Lesung der Texte wurden immer Fotos der jewiligen Jugendlichen projiziert
Bei der Lesung der Texte wurden immer Fotos der jewiligen Jugendlichen projiziert

KiJuKU: Wie schreiben Sie dann – mir kommt eine Idee, ich setz mich hin oder Notizen sammeln, oder …?
Theresa Schmerold: Bei mir ist das sehr ambivalent. Normalerweise oder sehr oft hab ich Ideen, wann ich gerade nicht schreiben kann, da mach ich mir dann Notizen am Handy. Wenn die aneinandergereiht wären, ergäb‘ das wahrscheinlich gut zwei Kilometer. Und aus Stichwörtern und längere Notizen zieh ich dann meine Ideen für Texte heraus. Aber ich bin auch relativ spontan beim Schreiben und versuch, dass ich mir nicht allzu viel Druck mache. Es kommt oft auch vor, dass ich mich hinsetze und drauf los schreibe. Das funktioniert für mich eigentlich am besten.

KiJuKU: Zu Ihrem nun ausgezeichneten Text haben Sie auf der Bühne gesagt, ein Todesfall in der Familie war der Ausgangspunkt sich mit diesem Thema zu beschäftigen?
Theresa Schmerold: Genau, und zwar die Art des Todes – nicht so romantisiert wie es oft beschrieben wird, jemand ist entschlafen oder so, sondern real, nicht beschönigt, sondern die Natur wie sie leibt und lebt…

KiJuKU: … und stirbt?
Theresa Schmerold: Ja, das interessiert mich generell. Dass man Sachen beschreibt wie sie wirklich sind – und den Gedankenprozess dazu mitmacht; Welten aufbaut, die auch fantasievoll sind. Ausschlaggebend sind dafür Szenen, die ich in meinem Kopf hab, die ich dann beschreibe – desto lebhafter wird der Text. KiJuKU: Ist Schreiben eine Berufsperspektive für Sie?
Theresa Schmerold: Ich bin am Überlegen, was ich machen möchte. Ich glaub, dass ich nicht aufhören werde zu schreiben, auch wenn es nur als Hobby ist, aber es würde mich schon interessieren – unter anderem.

kijuku_heinz

texte.wien -> Text der Zweitplatzierten

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Doppelseite aus "Ein Berg ein Sturz ein langes Leben"

Das „Schicksal“ ausgetrickst ;)

Ein älterer Mann wandert eines Tages aus seiner in den Bergen gelegenen Behausung wieder einmal in die nächste Stadt. Dazwischen liegt der „Berg des Grauens“ wie er von den Menschen der Gegend genannt wird. Dieser Samnyeongogae (3-Jahres-Bergpass) ist mit einer gruseligen Legende verknüpft: Wer auf diesem Berg hinfällt, hat nur mehr drei Jahre zu leben.

Dies ist ein altes koreanisches Volksmärchen (wobei ähnlich Geschichten auch in Japan rund um Tempel und Friedhöfe erzählt werden). Dayen Auh, geboren in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, studierte an zwei deutschen Kunstunis und hat diese Legende neu erzählt und gleich noch illustriert. „Ein Berg, ein Sturz, ein langes Leben“ ist kürzlich im Nord-Süd-Verlag erschienen.

Mit unterschiedlichen Techniken – bis hin zu fast kinderzeichungs-artigen Vögel, die rund um diesen besagten Berg fliegen – lässt sie fast fantasie-mäßige Bäume wachsen.

Und natürlich – aber das ist schon in der alten Geschichte selbst angelegt, stirbt der alte Mann nach seinem Sturz nicht nach drei Jahren. Im Volksmärchen ist es der Arzt, hier nicht einmal die Ärztin, sondern die Enkelin des Mannes, die einen Trick weiß, wie aus dem Hinfallen ein langes Leben werden kann, wie es im Titel des Bilderbuchs heißt.

Und der sie ganz sicher hier nicht verraten. Nur so viel: Es geht darum, sich nicht abergläubischen Voraussagen zu unterwerfen.

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Ein Berg ein Sturz ein langes Leben“
Doppelseite aus dem Bilderbuch "Du fehlst so, Hase!"

Schildkröte und Hase – außergewöhnliche Freundschaft und ein großes Loch

Ostern – da fallen einem leicht Hasen ein. Und in diesem Bilderbuch spielt ein Hase eine wichtige Rolle. Und doch ist es ganz anders.

Zunächst einmal erlebst du den Hasen Leo und die Schildkröte Cleo – praktisch unzertrennliche Freund:innen. Und das obwohl ja der eine urschnell und die andere, naja nicht ganz so flott unterwegs ist – von ihren unterschiedlichen Naturen aus. Doch die beiden: Ganz anders.

„Die Schildkröte und der Hase hier /kannten kein ICH, waren einfach WIR“, beginnt der Text auf der ersten Seite. Und so wie der sind auch die folgenden gereimt (Original: John Dougherty, Übersetzung aus dem Englischen Katja Frixe). Natürlichhalfen die beiden wo es nur ging – Leo der Cleo beim Klettern und diese wiederum ihrem Kumpel wenn’s ins Wasser ging.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Du fehlst so, Hase!“

Ein Leben in friedlich, freundschaftlicher Zweisamkeit. Klar, irgendwann braucht’s zwecks Spannung sozusagen einen Plot-Twist, eine Wendung. Könnte ein Streit sein. Ist es aber nicht. Schon der Titel des Bilderbuchs deutet ja einiges an: „Du fehlst so, Hase!“

Aber nein, Leo haut nicht ab und macht sich aus dem Staub. Er ist einfach eines Tages weg. „Für Schildkröte Cleo war es schwer zu fassen: Hase Leo hat nur ein Loch dagelassen. … Sie blickte ins Nichts und ums Nichts herum, / doch das Loch ohne Leo wartete stumm.“

Die folgenden Doppelseiten der tiefen Traurigkeit sind eine Meisterleistung des Illustrators Thomas Dougherty, der die Seiten meist in pastelligen Farben sanft und weich malt: Das sprichwörtliche Loch tauch da und dort und immer wieder als dunkelblaue Fläche in Hasenform auf, fast wie ein Loch in der Seite.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Du fehlst so, Hase!“

Ohne es direkt auszusprechen, pardon zu schreiben, ist natürlich klar, was passiert ist. Leo kann nie mehr zurückkommen. Otto, der Bär, umarmt Schildkröte Cleo und hilft ihm – und vielleicht auch dir, wenn du einen Verlust betrauern musst: „Du wirst es nie los, das Loch wird bleiben… / kannst das Loch füllen, ihm etwas geben. / Denk an eure Freundschaft zurück, / die schöne Zeit und euer Glück. / Und denk auch an all die lustigen Sachen, / die Freude, den Spaß und an Leos Lachen…“

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Du fehlst so, Hase!“

Und so fliegen in Gedankenblasen Bilder von früheren gemeinsamen Aktivitäten einerseits und andererseits füllt der Zeichner das vormalige Loch, das auch jetzt noch beispielsweise auf der Wiese sitzt, steht oder geht, von Seite zu Seite mit zunehmend mehr Farben.

Insofern als „Wiederauferstehung“ doch ein österliches Bilderbuch 😉

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Du fehlst so, Hase!“
Szenenfoto aus "Schwarz ist eine Art von Bunt"

Platz für Trauer – und für viel Lebensfreude

Auf einer Seite der Bühne steht eine Frau in kunterbunt geflecktem Body-Suit und spielt Keyboard (Julia Schreitl), auf der anderen Seite sitzt ihre Schauspielkollegin Regina Picker in baugleichem, aber schwarzen, Overall. Sie kramt in einem lila Köfferchen, zieht eine weiße Vogelfeder heraus, betrachtet sie andächtig, riecht daran. Später holt sie ein Kuscheltier hervor. Mit diesem wagt sie erstmals verschämte Blicke ins Publikum.

So beginnt das jüngste Stück der Musiktheatergruppe „Grips’n’Chips“; dessen Titel „Schwarz ist eine Art von Bunt“. Nein hier geht’s, obwohl sich die Gruppe beispielsweise mit „Zuckerl Gurkerl Kackalarm“ der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse über Verdauung widmete, nicht um Naturwissenschaften – also nicht darum, dass du ganz schön viele Farben entdecken kannst, wenn du mit einem schwarzen Filzstift auf ein Papier malst und dieses nass machst.

Intensive Vorarbeit

Schon im Untertitel nennen die Künstlerinnen das doch ernstere Thema „über das Trauern, den Tod und das Leben“. Es gibt zwar mittlerweile eine ganze Reihe sehr guter, brauchbarer Kinderbücher und -Theaterstücke rund um diese Themen – siehe dazu auch einige der Links am Ende dieses Beitrages. Aber die „Grips’n’Chips“-Macherinnen – zu den beiden auf der Bühne gehört noch Johanna Jonasch dazu – wollten etwas in ihrer Art entwickeln: Verbindung von Theater und Musik, Ernst und Spaß, Wissen und Gefühle.

Dafür holte sich das Trio Verstärkung durch eine dramaturgische Begleitung von Lorenz Hippe und bei der Stückentwicklung ebenfalls mit dabei Kostümbildnerin Sophie Meyer. Außerdem redeten die Theatermacherinnen zuerst einmal recht ausführlich untereinander über Tod und Trauer, dann viel mit Fachleuten und vor allem immer wieder mit Kindern. So manche der dabei eingesammelten Fragen und Aussagen von Kindern werden an manchen Stellen im Stück eingespielt. Und sie dien(t)en nicht selten als Ausgangspunkt für die eine oder andere Szene.

Immer wieder wenden sich die beiden Theaterfrauen während des Stücks direkt ans Publikum, wollen das eine oder andere wissen oder laden einige Kinder ein, kurzzeitig auf der Bühne zu spielen.

Aufführungsserie in Oberösterreich

Bevor es zu einer Aufführungs-Serie im Wiener WuK (Werkstätten- und Kulturhaus) im Jänner 2024 kommt, spiel(t)e die Gruppe – derzeit (gegen Ende November 2023) in mehreren oberösterreichischen Städten und Orten. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… besuchte eine Aufführung in der Musikschule im oberösterreichischen Kirchdorf an der Krems. Dort boten die Künstler:innen übrigens danach – erweitert etwa um einen Tanzlehrer dieser Musikschule – Workshops an, in denen Kinder rund um Trauer, Tod, aber generell Gefühle zeichnen, tanzen, musizieren und in Rollen schlüpfen können. Außerdem stehen Trauerbegleiterinnen bereit, wenn wer durch das Stück getriggert wird.

Tod vs. Königin

Was ist nach dem Sterben, wie schaut’s dort aus? Keine/r weiß es. Und doch machen sich viele Gedanken – seit Jahrtausenden. Welche Wörter, Umschreibungen oder Bezeichnungen gibt es fürs Sterben – vom Löffel abgeben bis zur letzten Reise… – da geht schon bald nach Beginn der Ball ans Publikum. Wie stell(t)en sich Menschen den Tod vor. Regina Picker schlüpft in einen edel-roten Umhang, als Königin bestimmt sie, wer über die Klinge springen soll. Bis Julia Schreitl im klassisch schwarzen Kapuzenumhang ihr den Garaus macht.

Zombie-Tanz

Da sie ja nun tot ist, kramt ihre Kollegin Skelett-Teile aus Karton aus einer der Kisten, klettet die ans Gewand der „Verstorbenen“ und diese hüpft als Art Zombie mit Spring-Augen wieder in den aufrechten Stand. Zeit für einen Zombie-Song.

Wie mit Trauer unterschiedlich umgegangen werden kann, wird in Szenen ebenso angespielt wie das Bühnenduo mögliche Trostspender:innen erfragt. Immer wieder beziehen die beiden die Zuschauer:innen ein – etwa mit ewig langen Tüll-Bahnen, die sie ins Publikum reichen, auf dass dieses in einem Großen Ganzen verbunden ist.

Diverse Klänge

Farbenprächtig wandert gegen Ende Regina Picker als Art plüschiges Regenbogen-Monster durch die Publikumsreihen. Obwohl das Ausgangsthema Tod war/ist, steht im Zentrum des rund einstündigen Stücks das Leben – es zu schätzen und wirklich zu leben in all seiner Buntheit und Vielfalt – da wär vielleicht noch ein bisserl mehr drin: Zwar bringt Julia Schreitl mit einer Shrutibox, einem aus Indien kommenden Musikinstrument, diverse Klänge in das Stück, aber vielleicht könnten wenigstens ansatzweise verschiedene Trauerkulturen angespielt werden. Oder bei der Abfrage nach weiteren Begriffen fürs Sterben auch solche in verschiedenen Sprachen erwünscht sein.

Aber insgesamt schafft das Stück das, was sich im Vorfeld Kinder gewünscht hatten: Ein Stück über Trauer und Tod „sollte lustig, aber nicht zu lustig, ein bisschen traurig sein, sonst passt das nicht zusammen und cool muss es sein. Und ein Fest soll es geben, weil wir jetzt leben.“ (Aus FAQs – Frequently Asked Questions/ häufig gestellte Fragen zum Stück)

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