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Szenenfoto aus "Salome" der jungen Gruppe "Augentheater der Zukunft" im Dschungel Wien
Szenenfoto aus "Salome" der jungen Gruppe "Augentheater der Zukunft" im Dschungel Wien
13.04.2023

Komm ich aus der Gewaltspirale dieser Familie raus?

„Salome“ nach dem Stück von Oscar Wilde, das Basis für die Richard-Strauss-Oper war, in einer Fassung und Inszenierung einer sehr jungen, leidenschaftlichen Theatergruppe – im Dschungel Wien.

Achtung! Vorsicht! Eine heftige Geschichte. Vielleicht noch heftiger gespielt. Von einem Ensemble theaterbegeisterter, spielfreudiger Nachwuchs-Schauspieler:innen – samt ebensolchem Team rund um und im Hintergrund. Reißt mit, lässt den Atem stocken. Und sogar am Ende zögern, ob gerade die letzte Szene applaudieren lässt oder wenigstens eine Pause brauch, um zu schnaufen, zu verdauen, wenngleich die Leistung der sehr jungen, leidenschaftlichen Gruppe „Augentheater der Zukunft“ natürlich nach kräftigem Beifall „schreit“.

Klingt, pardon liest sich, wohl ein wenig kryptisch. Wobei die Unterzeile ja schon verraten hat, worauf sich dieser erste Absatz bezieht. Dennoch sie – vor einer kurzen Beschreibung des Plots – genannt. Das Stück heißt „Salome“ – nach dem – im Original auf Französisch verfassten – gleichnamigen, zur Entstehungszeit umstrittene, teilweise zensurierte, Einakter von Oscar Wilde (1891), das wiederum die Basis für die ebenfalls so benannte Oper von Richard Strauss (1905) bildet. Die ist viel bekannter als Wildes Stück. Und wie so oft bei Opern oder auch bei Pop- und Rocksongs beispielsweise in englischer oder einer anderen Sprache geht der Text, der Inhalt (fast) unter.

Der Plot

Also Salome, Tochter der Herodias, ist Jugendliche an der Schwelle zur Erwachsenen. Ja, der Name täuscht nicht, ein unmittelbarer Vorfahre des Paares war der der berühmte biblische Massen-Kinder-Mörder, weil er Angst hat, seinen Thron an den Messias zu verlieren. Die Jugendliche beginnt sich gegen Ver- und Gebote aufzulehnen, eigene Wege gehen zu wollen. Außerdem ist ihre Mutter mit ihrem Onkel in zweiter Ehe verheiratet, der sie seinem Bruder noch dazu geraubt hat. Und die Stieftochter dauernd mehr als lüstern betrachtet. Sie entfernt sich vom königlichen Empfang und Fest, wandert im Freien – hier (Stückfassung und Inszenierung: Sebastian Kranner, Dramaturgie: Anna Blei) auf und rund um eine Kegel-Bahn (Ausstattung: Laura Hörmann, Anfertigung Bühnenbild: Katja Banović) – und entdeckt den in einen Brunnen eingesperrten Propheten Johanaan (der in anderen Erzählungen Johannes dem Täufer entspricht). Der äußert sich immer und immer wieder in Dauerschleife mehr als abfällig über die Herodias. Salome findet Gefallen an ihm, verspürt Lust nach seinem Körper, erfährt von ihm aber nur Ablehnung. Als ihr Stiefvater von ihr mehr verlangt als sie nur anzuglotzen, sondern für ihn zu „tanzen“ und auch das noch nicht alles ist, willigt sie widerwillig ein, aber nur wenn er sein Versprechen halte, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Nach vollzogenem sexuellem Missbrauch verlangt sie den Kopf des Propheten auf einem Silbertablett – um dessen Mund zu küssen. Wird das Opfer selber zur Täterin? Oder?

„Nur“ im Kopf?

Diese Inszenierung hat dann dabei noch eine heftige Überraschung parat, die hier nicht verraten sei. „Aber alles spielt sich nur in Salomes Kopf ab“, beruhigt der junge Regisseur im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Ich wollte genau dieses Stück machen, weil ich etwas gesucht habe, dass das Erwachsenwerden einer Jugendlichen, dem aufkommenden auch sexuellen Begehren, dem Nicht-Befolgen der elterlichen Regeln, der Reflexion des Erlebten und dem Versuch, eigenständig zu werden, zum Inhalt hat. Und Oscar Wildes Stück bietet so viele Möglichkeiten der Interpretation.“ Zwei Jahre der Vorbereitung, der Beschäftigung liegen zwischen der ersten Idee und der nunmehrigen Premiere (KiJuKU sah die Generalprobe) im Dschungel Wien – zu erleben bis 15. April 2023).

In anderen Welten

Für Salome – wie in einer eigenen Welt agierend Lea Witeschnik – hat diese Inszenierung noch eine Art Alter Ego/beste Freundin/Schutzengel erfunden. Hannah Rehrl ist noch vor Salome, die fast akrobatisch aus einer hochgelegenen Nische des Theatersaals auf die Spielfläche kommt, auf der Bühne – und verschwindet in dem Moment, als sich am Ende Salome von ihrer Mutter (Rebecca Richter), die sie zwar gegen den Stiefvater aufmuntert, aber dann doch nicht handelt, als er ihr Gewalt antut, befreit.

Apropos „Engel“: Auf der Anzeige der Kegelbahn erscheinen immer wieder sogenannte Engelszahlen: 333, 000, 555,666, 777, 999. Diese aus er esoterischen Numerologie kommenden 3-Ziffernfolgen stehen für Begriffe wie Gedanken & Gefühle, Potenziale, Veränderung, Reflexion usw., die zur jeweiligen Szene passen (sollen).

Noch stärker als Salome-Darstellerin Witeschnik ist Colin Johner in der Rolle als in einem Lichtkreis gefangener Prophet in einer anderen Sphäre, irgendwie ver-rückt. Den herrschsüchtigen, machtgeilen Onkel, der gleichzeitig nun Stiefvater ist, gibt Filipp Peraus recht beängstigend.

Live-Cam

Auf – und teilweise neben der Bühne agiert immer wieder auch Andrea Gabriel Video – mit einer Live-Kamera, in der sie Salome beispielsweise auf Gängen hinter der Bühne filmt, was groß auf die Rückwand der Bühne projiziert wird. Aber auch in Szenen auf der Bühne wird vor allem Salomes Gesicht damit riesig, detailreich sichtbar.

Follow@kiJuKUheinz

Über „Fräulein Else“, ein früheres Stück dieser jungen Gruppe -> damals noch im Kinder-KURIER

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Salome

Nach Oscar Wilde in einer Fassung von Sebastian Kranner
„Augentheater der Zukunft“
Schauspiel; ab 16 Jahren; 1 ½ Stunden

Salome: Lea Witeschnik
Herodias: Rebecca Richter
Herodes: Filipp Peraus
Johanaan: Colin Johner
Salomes Alter Ego bzw. „Schutzengel“: Hannah Rehrl

Kleine Salome im Video: Millicent Jenkins

Inszenierung: Sebastian Kranner
Ausstattung: Laura Hörmann
Video, Live-Kamera: Andrea Gabriel
Dramaturgie: Anna Blei
Anfertigung Bühnenbild: Katja Banović
Regieassistenz: Isabelle Papst
Ausstattungsassistenz: Lioba Libardi
Regie-Hospitanz: Susanna Schlesier
Video-Hospitanz: Malva Dziubas

Wann und wo?

12. bis 15. April 2023
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> Salome