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Sujetfoto zu "Konradine und Effi" in der Klassenzimmertheaterversion der neuen bühne villach

Ist es mehr als „nur“ enge Freundschaft?

Freitagnachmittag, die Schule wirkt schon ziemlich leer, kaum Stimmen zu vernehmen. Ein wenig eigenartig war das Erlebnis beim Stella-Festival in Kärnten / Koroška in dem Klassenzimmer in der Sportmittelschule Villach-Lind schon. Klassenzimmertheater aber ohne Schülerinnen und / oder Schüler. Ausschließlich erwachsenes Festival-Publikum. Auch wenn die beiden Schauspielerinnen an einigen Stellen zwischen den Sitzreihen durchgehen, das eine oder andere Mal auch auf die Schultische steigen – das hätte unter diesen auch in einem Theaterraum stattfinden können.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Konradine und Effi“ im taO, dem Theater am Ortweinplatz, Graz

Preisgewürdigt

Das tut aber weder Stück noch Schauspiel Abbruch. War auch eine nette Wanderung in einen anderen Teil der Stadt an der Drau /Drava. Mit „Konradine und Effi“ war die Stückautorin Hanna Valentina Röhrich vor drei Jahren für den Retzhofer Dramapreis nominiert. Das taO, Theater am Ortweinplatz in Graz, spielt es im Februar 2025 (wieder – siehe Infoblock). Dieses Stück gewann dann noch den ersten DramatikerInnenpreis der neuebühnevillach, die daraus ein Stück eben für Klassenzimmer (Regie: Greta Lindermuth) entwickelte.

Konradine (Irina Lopinsky) kommt hektisch rötlich gekleidet mit einer ähnlichen großen Decke und einigem Zeugs in die Klasse. Bewegt und raumgreifend erobert sie das Geschehen zwischen Tafel, Waschbecken und den Tischen. Da steht ihre Kollegin Martina Martins als Effi vorerst ein wenig im Abseits. Die kommt erst später wirklich ins Spiel. Konradine lässt ihre Erinnerungen an die einstige enge Freundin, die für sie auch noch mehr als ein bisschen mehr war.

Erinnerungen werden lebendig

Die Erinnerungen werden lebendig und die beiden spielen die vertrauten, mitunter durchaus auch „ver-rückten“ Szenen der vergangenen intensiven (Ver-)Bindung. Hin und wieder kommen sie dabei auch nicht nur nah, sondern auch direkt ans Publikum. So sprechen sie einen – üblicherweise Schüler – als „Viktor“ an, den sie in eine schräge Aktion zu verwickeln versuchen.

„Das ist ganz unterschiedlich gelungen oder eben auch nicht“, erzählt Martina Martins am Abend am Rande der Stella-Gala Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Wir hatten Vorstellungen wo dieser Junge voll mit in die Szene eingestiegen ist und mitgespielt hat und andere, wo sich der entsprechende Schüler richtig weggeduckt hat.“

Im Zentrum steht aber die enge Freundschaft, in der Konradine mehr und auch direkt ausgesprochen Verliebtheit verspürt. Effi lässt hin und wieder ansatzweise Ähnliches aufblitzen, spürt und empfindet aber (möglicherweise) nicht so. Wobei das Spiel durchaus offen lässt, ob sie wirklich „nur“ Freundschaft empfindet oder sich „nur“ nicht mehr eingestehen will.

kijuku_heinz

Compliance-Hinweis: Zur Berichterstattung vom Stella-Festival wurde KiJuKU.at von der ASSITEJ-Austria eingeladen.

Per KI (künstlicher Intelligenz) erstellte Fotomontagen bei Eingabe der Titel der Stücke in dieser Saison sowie des Begriffs Theater der Jugend und Wien

Düsterem Herbst mit Zusammenhalt-Werten entgegenspielen

Als hätte der Dramaturg es inszeniert, fand das Saison-Mediengespräch des Theaters der Jugend nach dem rekordheißen Sommer am Tag des Temperatursturzes statt. Gerald Maria Bauer, auch stellvertretender künstlerischer Leiter des TdJ in Wien vertrat den erkrankten Direktor Thomas Birkmeir und begann düster: „Wir erleben gerade einen sehr dunklen Herbst: Es wurde ein Superwahljahr angekündigt, und das Resultat ist Demokratieverdrossenheit und radikalisiertes Wahlverhalten: aus Protest, aber auch aus – bewusst geschürter – Angst erwächst ein Klima der Ausgrenzung und unschöner Aggression, die bereits in unserem Alltag spürbar ist.“

Plakat zur neuen Saison und filmischer Ausschnitt
Plakat zur neuen Saison und filmischer Ausschnitt

Freiheit, Toleranz, Anders-Sein

Den laufenden Krisen mit Kriegen und Klimakatastrophen will das Theater der Jugend, das sich zunehmend auch als Theater der Generationen versteht, „besonnen darauf blicken, was im Umgang miteinander Not tut und mögliche Perspektiven eröffnet“ und programmierte so, „dass unser Theater der Generationen ein Ort des öffentlichen Diskurses ist, der öffentlichen Gewahrwerdung von Zusammenhängen und der gemeinsamen Übereinkunft, dass es sich lohnt, für Konzepte wie Vernunft, individuelle Freiheit, Toleranz und Fortschritt einzutreten“ und Werte zu vermitteln „die unumstößlich sind, damit wir uns nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen und die wir auch unseren Kindern und Kindeskindern mitgeben müssen, damit sie ein gutes Leben haben. Und wir können feststellen, dass diese Werte nicht zwangsläufig angeboren sind, sondern zusätzlich erlernt und unterstützt werden müssen. Von klein auf.“
In diesem Sinne brachte Bauer den neuen Spielplan auf die Kürzestformel: „Vielfalt ist Trumpf!“

Und so zitierte Bauer den berühmten Autor Erich Kästner, dessen „Emil und die Detektive“ als Plädoyer für Solidarität die neue Saison (ab 4. Oktober im großen Haus, Renaissancetheater) eröffnet: „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“

„Große Vielfalt“ – allerdings Werbespruch einer Backwaren-Kette

Schlüsselloch-Roman

Die weiteren sieben Stücke sind in der Folge kürzest angeführt – jeweils mit den entsprechenden vorab aufgenommenen Sujet-Fotos. Hervorzuheben sei vielleicht eine Produktion für Jugendliche, wo dem Theater der Jugend sozusagen auch ein Coup gelungen ist: Tonio Schachinger und sein Verlag gewährten die Rechte für die Umsetzung des Schlüsselloch-Romans eines privaten Wiener Elitegymnasiums „Echtzeitalter“ für die Bühne (9. Jänner bis 28. März 2025 im kleineren Haus, dem Theater im Zentrum), das übrigens ein Monat davor – ab 6. Dezember – schon in einer anderen Version im Grazer Schauspielhaus zu erleben sein wird.

Mehr Publikum

Erfreuliches konnte der kaufmännische Direktor, Ronald Hora, berichten: Die Zahl der Abonnent:innen hat sich von 20.600 in der Saison 2022/23 auf 28.344 im Vorjahr erhöht, die Gesamtzahl der Besucher:innen von 165.000 auf 184.439 gesteigert. Die Subventionen seien einigermaßen ausreichend, die Gespräche mit Stadt Wien und Bund derzeit gut. Das Theater der Jugend erwirtschaftet mit Karten und Abos einen Eigendeckungsgrad von knapp mehr als einem Drittel (34 %). Eine Schwierigkeit – neben steigenden Energie- und anderen Kosten seien auch die deutlich teurer gewordenen Busfahrten für Schüler:innen aus Niederösterreich – und die stellen immerhin rund 40 % der Besucher:innen.

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Überblick über die Saison 2024/25

Sujetfoto zu
Sujetfoto zu „Emil und die Detektive“

Emil und die Detektive
von Erich Kästner in einer Fassung von Sarah Caliciotti und Frank Panhans
Regie: Frank Panhans; ab 6 Jahren; 4. Oktober bis 10. November 2024 Renaissancetheater

Sujetfoto zu
Sujetfoto zu „Funken“

Funken
von Till Wiebel
Regie: Karin Drechsel; ab 11 Jahren; 10. Oktober bis 8. Dezember 2024
Theater im Zentrum

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Sujetfoto zu „Heidi“

Heidi
nach dem Roman von Johanna Spyri von Thomas Birkmeir
Regie: Claudia Waldherr; ab 6 Jahren; 3. Dezember 2024 bis 19. Jänner 2025
Renaissancetheater

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Sujetfoto zu „Echtzeitalter“

Echtzeitalter
von Tonio Schachinger in einer Bearbeitung von Gerald Maria Bauer
Regie: Gerald Maria Bauer; ab 13 Jahren; 9. Jänner bis 28. März 2025
Theater im Zentrum

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Sujetfoto zu „Miranda im Spiegelland“

Miranda im Spiegelland
von Alan Ayckbourn
Regie: Nicole Claudia Weber; ab 6 Jahren; 12. Februar bis 9. März 2025
Renaissancetheater

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Sujetfoto zu „Mythos Ragnarök“

Mythos Ragnarök
Gastspiel von Ed Gamester nach Sagen der nordischen Mythologie in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Regie: Ed Gamester; ab 13 Jahren; 26. März bis 28. April 2025
Renaissancetheater

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Sujetfoto zu „Mitten im Gesicht“

Mitten im Gesicht
Musical von Gerald Schuller (Musik) und Peter Lund (Text)
Regie: Peter Lund; ab 11 Jahren; 26. April bis 21. Juni 2025
Theater im Zentrum

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Sujetfoto zu „Die sieben Wünsche“

Die sieben Wünsche
von Henry Mason
Regie: Henry Mason; ab 6 Jahren; 17. Mai bis 21. Juni 2025
Renaissancetheater

Szenenfoto aus "Der König, der alles hatte"

Der Alles-haben-Woller und die Gerechtigkeit

Die ganze Bühne eine schräge Bettfläche weiß mit dünnen roten Strichen, die ein groß-kariertes Muster ergeben. Mittendrin ein üppiger König mit kleiner roter Krone. Der zählt Pölster – „61, 62, 63, 61, 64, 65“. Zeigt sich verwundert. Zählt noch einmal und noch einmal. Ist verärgert. Er hatte doch 66 Kissen, irgendwer hat wohl eines geklaut. Der König trägt einen außergewöhnlichen Namen, der schon den Kern der Geschichte aussagt: „Die Schachtel, die alles hat, alles darf und nichts muss“.
Und alles heißt, wenn er 66 Pölster hatte, dann will er genau die haben und nicht einen weniger.

Folgerichtig schreit er herrschsüchtig nach dem Diener. Auch der heißt nicht alltäglich: Törtchen, stets zu Diensten. Natürlich kommt der für des Königs Geschmack zu langsam – und darf nicht wirklich die Wahrheit sagen, dass sich sein und aller Herren verzählt hat. Muss also los, um ein 66. Kissen aufzutreiben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Schachteldrama

Soweit der Beginn des Stücks „Der König, der alles hatte“ im Grazer Jugendtheater Next Liberty. Verena Richter, Kabarettistin, Musikerin und Autorin hat es geschrieben unter dem Titel „Schachteldrama“ – vor drei Jahren im Rahmen des Retzhofer Dramapreises, in einer Kombination aus Workshops und Wettbewerb. Und ihr Text ist mit Wortwitz(en) gespickt, nicht wenige eher für erwachsenes (Begleit-)Publikum.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Dir fehlt was

Zurück zur nunmehrigen Inszenierung (Regie: Anja Michaela Wohlfahrt). Während also der König (Martin Niederbrunner), der alles für sich haben will, dabei aber nicht nur beim Zählen ein bisschen dümmlich wirkt und sein Diener (Helmut Pucher), der nie an den Aufträgen verzweifelt und heiter bleibt, um den 66. Polster eilen will, läutet es an der Tür (EU-Hymne). Eine Gästin von weit her – jenseits der Schuldenberge, hinter den Gierschluchten aus einem Land, wo die Menschen (fast) nichts haben. Darauf weist Cassandra Schütt die „Schachtel, …“ hin. Dieses Ungleichgewicht von Reichtum und Armut führt aber auch dazu, so die Gästin, dass dem König doch etwas fehle: Gerechtigkeit.

Hoppla, das kann doch nicht sein, dass der Herrscher nicht alles hat. Hat er doch nicht nur 66 Pölster, 12 luxuriöse Badewannen, einen vorderasiatischen Rückenkratzer, sondern sogar königsblaue Eierschalen-Sollbruchstellen-Verursacher… Aber tatsächlich, auf der Liste seines Hab und Gutes gebe es kein Gereuchtigbumms. Also müsse er auch das haben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Verkäufer für alles …

Da trifft es sich gut, dass wieder die Europa-Hymne erklingt; ein Paket wird geliefert. Überzeugender Überzeuger (Simone Leski) mit Jacqueline, der Krawatte der Überzeugung um den Hals, üppig kostümiert (Ausstattung: Helene Payrhuber), trifft ein.
Endlich Gerechtighummsdipummsdi?
Naja, doch irgendwie nicht.

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Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Einen Bewunderer braucht er mindestens

Die Figur tritt in der Folge noch zwei Mal auf – immer anders, ziemlich schräg kostümiert, um angeblich so ein Gerecht-, Gereucht, also so was zu bringen, das die Schachtel noch nicht hat. Und verlangt dafür immer mehr. Beim zweiten Mal den Diener – den will der König nicht hergeben. Dann bliebe ja gar keiner mehr, der ihn bewundern und bedienen könne – wobei da schon ein bisschen mitschwingt, dass er auch nicht ganz allein bleiben will.

Zuletzt ist der König bereit zu zahlen „koste es, was es wolle“. Bühne wird leer geräumt. Doch nicht ganz, einen Polster hält er noch in Händen – und den teilt er sich nun als Sitzgelegenheit mit Törtchen, stets zu Diensten.
Happy End, Vorhang zu. Applaus.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Ansatzlose Veränderung

Ob zuvor die einkassierten Kissen als Symbol für alles, überhaupt an die Armen im Land der Gästin jenseits der Gierschluchten gehen oder erst recht nur an einen anderen Gier-Raffer, den überzeugenderen Überzeuger? Und wie der König sich überhaupt veränderte? In der Stunde, oder vielleicht auch nur den 55 bis 58 Minuten vor dem geteilten Polster, ist keine wirkliche Entwicklung erlebbar. Mehr oder minder bleibt die Schachtel in ihrer alles haben wollen-Mentalität. Da braucht’s eben auch das Gerechtigkeitsdings. Womit die drei Aufritte der fantasievoll ausgestatteten Überzeugenderen Überzeuger dennoch more of the same (mehr vom Gleichen) bleiben – und in etwa ab der Hälfte des Stücks ein Gutteil des Kinderpublikums unruhig zu werden beginnt.

Außerdem schwebt über dem Polster-Teilen nicht nur ein neues Königs-Gefühl, sondern vielleicht eher noch das alte: Ich will wenigstens einen Bewunderer und Diener.

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Szenenfoto aus „Der König, der alles hatte“

Live-Musiker

Neben dem Wortwitz aus dem Text und dem Spielwitz der Schauspieler:innen ist unbedingt noch der Live-Musiker Reinhard Ziegerhofer zu erwähnen. Mit Gitarre, Kontrabass, den er an passenden Stellen zum Percussion-Instrument umfunktioniert und Melodica ist er ständig auf der Bühne präsent. Als „Teil des Ganzen“ kriegt er manches Mal vom König Anweisungen, dass er schneller oder anders zu spielen habe. Und dennoch vermittelt er eine gewisse Unabhängigkeit.

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Reaktion der Autorin

Etliche Tage nachdem diese Stückbesprechung erschienen ist, meldete sich Autorin Verena Richter und meinte in einer eMail: „Ich teile in vielen Punkten deine Ansicht. Auch ich finde u.a., dass keine Entwicklung stattfindet und das Stück ab der Hälfte stagniert. Ich habe das Bedürfnis dir zu schreiben, dass an meinem Text ohne mein Wissen Änderungen vorgenommen wurden, Teile gestrichen und an anderen Stellen Text hinzugefügt wurde, der nicht von mir stammt.“

Compliance-Hinweis: Das Dramatiker:innen-Festival in Graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zur Berichterstattung eingeladen.

Zwei der hier beschriebenen Kurz-Versionen sind beim Festival am Freitagvormittag im taO! zu sehen

Szenenfoto aus "SagdochmalLuca"

Eine gebrochene Nase und viele Wahrheiten

Schon der erste Blick auf die Bühne (Imelda Kuntner) vermittelt, worum es im Stück „SagdochmalLuca“ geht: Da ist einiges durcheinander geraten. Zwei der Spinde in Schieflage. Links und rechts von mehreren Tribünen-Ebenen.

Ein Schrei

Luca, so heißt es, hat in der Garderobe der Turnhalle Luis mit einer Eisenstange die Nase gebrochen. Die beiden sind seit ewig freundschaftlich eng verbunden. Was wirklich passiert ist, hat niemand gesehen. Nur Luis’s Schrei war zu hören und danach zu sehen, wie Luca fürsorglich, fast zärtlich Blut aus Luis Gesicht gewischt hat. Schon als klar war, dass der Krankenwagen kommt, war Luca weg.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „SagdochmalLuca“

Dramapreis

Zehn (sehr) junge Schauspieler:innen, die meisten aus dem „Stall“ des Grazer Jugendtheaters taO! – Theater am Ortweinplatz, spielen dieses Stück, mit dem Lena Gorelik im Vorjahr den Retzhofer Dramapreis in der Kategorie „für junges Publikum“ gewonnen hat. Außer Luca (Ennio Resnik), Luis (Marlon Zaar) und Alessia (Ronja Abl), die mit beiden befreundet ist, haben die anderen sieben Spieler:innen keine Rollen-Namen. Immer wieder tritt die eine oder der andere in den Vordergrund – oder drängt sich ins Rampenlicht, um das Geschehene aus ihrer oder seiner Sicht zu erzählen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „SagdochmalLuca“

Viele verschiedene Sichtweisen

Und sie agieren dabei auch sozusagen als Regisseur:innen der jeweiligen Szene. In unterschiedlicher Art und Weise bitten sie die Mitschüler:innen – oder ordnen diesen an, wie und wo sie sich platzieren sollen, um den jeweiligen Ablauf durchzuspielen. Nicht nur den unmittelbar rund um den Nasen-Bruch, sondern auch von einem früheren Ausflug oder einer Party. Immer steht im Zentrum das Verhältnis von Luis und Luca – übrigens einer non-binären Figur. Was immer wieder zu Korrekturen von Kolleg:innen führt, wenn wer er oder ihn, also damit falsche Pronomen verwendet.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „SagdochmalLuca“

Immer anders

Aber welche Szene auch immer rekapituliert wird – stets fällt irgendeiner oder -einem auf – hoppla, du warst doch gar nicht dabei. Bist erst später dazugekommen. Naja, ganz so war das nicht. Luca und Luis sind doch eng befreundet, Luca kenne gar keine Aggression. Was Luca selbst in einer Situation aber Lügen straft. Und dann wiederum doch nicht, oder schon, oder…?

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Szenenfoto aus „SagdochmalLuca“

Allgegenwärtig

Das spannende an dem gut gebauten Stück selbst – und der Inszenierung (Regie: Manfred Weissensteiner – taO!; Dramaturgie: Dagmar Stehring – Next Liberty) – ist eben dieses ständige Infrage-Stellen, was da nun wirklich passiert ist, oder viel mehr sein könnte – denn letztlich wird das echte Geschehen nie aufgeklärt. Wer hat was (nicht) gesehen? Mit fast jeder neuen Schilderung kann sich die Perspektive verändern … – Losgelöst von dem Ausgangs-Wickel im Stück steht „SagdochmalLuca“ so krass dafür, wie und was sich gerade in aufgeheizten Konflikten – potenziert durch Social-Media-Kommentare – abspielt – und dass es vielleicht nicht das Schlechteste wäre, nicht die erste oder lauteste Schilderung für bare Münze zu nehmen, sondern viele Seiten zu hören/sehen und zu hinterfragen – wer hat welche Wahrnehmung… Und könnte vielleicht das eine oder andere nicht den schon im eigenen Kopf vorgefassten Meinungen widersprechen?

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Compliance-Hinweis: Das Dramatiker:innen-Festival in Graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zur Berichterstattung eingeladen.

Zwei der hier beschriebenen Kurz-Versionen sind beim Festival am Freitagvormittag im taO! zu sehen

Szenenfoto aus "Muttertier" im Vestibül des Wiener Burgtheaters

(Sprach-)spiele rund um möglichen Untergang von Mutterrolle

Ein schwerer Brocken: Drei Töchter rund um das Bett der sterbenskranken Mutter. Und doch sind die eineinhalb Stunden „Muttertier“ – die natürlich immer wieder vor dem Hintergrund von Ernst und Schwere spielen, von Verspieltheit getragen – schon von der rhythmisch-musikalischen Sprache der Autor:in Leonie Lorena Wyss mit so manchen Sprach- und Gedankenspielen und noch viel mehr vom verspielten Schauspiel von Laura Dittmann, Claudia Kainberger und Lara Sienczak (Regie: Mia Constantine).

Szenenfoto aus

Das Stück feierte Samstag (10. Februar 2024) die vielumjubelte Premiere in der kleinsten Spielstätte des Burgtheaters, im Vestibül. Der Text – unter dem Titel „Wie von Mutterhand“ -gewann im Vorjahr den renommierten Nachwuchsbewerb Retzhofer Dramapreis. Neben dem Geldpreis (5.000 €) ist der wahrscheinlich sogar noch größere Lohn die Uraufführung durch das Burgtheater.

Die Mutter, von der die Rede ist und um die sich viel dreht, ist nur in Worten, in Gedanken, im Spiel präsent. Das aber – na hallo. Das war für die seinerzeitigen Kinder, die nun am Krankenbett schon erwachsen sein dürften, nicht nur Honiglecken. Nett war sie schon irgendwie. Aber durchaus auch – naja anstrengend. Ist sie auch jetzt noch, wo sie auf Betreuung angewiesen ist.

Hallenbad und „Titanic“

In erster Linie erinnern sich die drei – zu Beginn als Klein (Laura Dittmann), Mittel (Lara Sienczak) und Groß (Claudia Kainberger) vorgestellt, erst irgendwann mittendrein fällt mehrmals der Name Rosa (für Klein) und der Begriff „Die Bestimmerin“ für Groß – an einen Ausflug in ein Hallenbad, noch viel mehr und öfter aber ans TV-Schauen und da an den Film „Titanic“. Natürlich fällt da mehrfach das vielleicht berühmteste Filmzitat „ich bin der König der Welt“ von Jack (Leonardo DiCaprio) aus dem Drama um den Untergang des unsinkbaren Schiffs. Nur den Jack, den fanden die drei eher lächerlich. Die Rose (Kate Winslet) aber, die wollten sie alle drei spielen. Balgen sich lustvoll darum, um zu beschließen, dann sind wir halt alle drei „die Königinnen der Welt“.

Witz im Ernst

Immer wieder tauchen sie in unterschiedlichste, teils körperliche Spiele ein, rufen heftige Lacher hervor, wenn sie sich beim „Film-Schauen“ Flips in den Mund stecken, mehr und immer mehr, wodurch ihre Worte immer unverständlicher werden – ohne sich wirklich was in den Mund zu schieben.

Den an sich sehr kleinen Bühnenraum im Vestibül lässt Johann Brigitte Schima (auch für Kostüme verantwortlich) durch vier an Bilderrahmen erinnernde sozusagen ineinander passender verschachtelter Rahmen, die damit verschiedene Ebenen eröffnen, überraschend groß wirken – mit viel Platz in der Mitte.

In die geschilderte „Rahmenhandlung“ bauen Autor:in und Spielerinnen diese in Rückblenden angesprochenen Erinnerungen an ihre Erziehung sowie die Beziehung zur Mutter und untereinander ein. Liefern in einer Szene aber auch die Muttersicht – sei es die der eigenen oder hat eine von ihnen selber schon ein Kind geboren? Und so ein Kind das ist dann immer da. Also auch kein Entkommen der Mutterrolle – um doch wieder die „andere“ Seite des Trios anzusprechen. …

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Jugendliche Schauspieler:innen mit Tiermasken kommen aus dem Wald auf den Tour-Bus zu...

Eintagsfliegen, Waldtiere, Grönlandhaie bis ins Innere von Gehirn und Seele

Würden nicht alle hier beim Hinterausgang des erst wenige Jahrzehnte jungen, aber schon dem Abriss preisgegebenen Unigebäudes der Grazer „Vorklinik“ hier darauf warten, in den kleinen Bus zu einer szenischen Tour einzusteigen, könnte das Geschehen tatsächlich Verwirrung stiften. Ein Mann mit großer, breiter weißer Halskrause tobt ein wenig herum, bettelt und schreit um ein Ticket. Natürlich ist allen klar: Das muss dann wohl Teil der szenischen Tour sein. Ist es auch. Der Halskrause-Mann spielt den Mond in „Luna Volante. Die Nacht, in der der Mond verschwand“. Die Stimme einer KI, also Künstlichen Intelligenz, meldet sich auch noch aus einem Lautsprecher.

Im Bus selber folgen auf einer Tour bis in den Wald oberhalb von Graz fünf weitere – und danach kreuz und quer durch das Vorklinik-Gebäude noch sechs Szenen mit dem Ende im großen, steil ansteigenden Hörsaal. In dem wurde auch Tage zuvor das siebente Dramatiker:innen-Festival eröffnet. Alle zwölf Szenen sind Kürzest-Auszüge aus den nominierten Beiträgen für den diesjährigen Retzhofer Dramapreis für junges Publikum. Am Ende des Beitrages in der Infobox sind alle Szenen, ihre Autor:innen sowie die Darsteller:innen angeführt.

„Fellmonster“ als Illustration zur Hör-Szene „Wer hat Angst vorm bösen Wolf?“

Dramapreise

Alle zwei Jahre wird der mittlerweile sehr renommierte Retzhofer Dramapreis – für szenisches Schreiben an Nachwuchs-Autor:innen – vergeben, heuer zum elften Mal. Zum zweiten Mal gibt es auch einen solchen Preis im Bereich junges Publikum. Dafür waren aus den Einsendungen zwölf Autor:innen ausgewählt worden. Im Verlauf mehrerer Monate konnten sie die eingereichten Szenen in gemeinsamen Workshops mit Profis zu fertigen Stücktexten be- und ausarbeiten. Und daraus wiederum haben Vertreter:innen der beiden Grazer Jugendtheater – taO! (Theater am ortweinplatz) und Next Liberty – Kürzest-Auszüge szenisch eingerichtet.

Im Rahmen des Dramatiker:innen-Festivals an dessen Ende die Jury ihre Entscheidungen über Preisträger:innen bekannt gibt, gab es eine Bus- sowie eine Tour durch das diesjährige Festivalzentrum in der „Vorklinik“, bei denen je sechs Szenen bzw. szenische Lesungen knappe Einblicke in die zur Auswahl stehenden Texte lieferten.

Jugendliche Schauspieler:innen mit Tiermasken kommen aus dem Wald auf den Tour-Bus zu...
Jugendliche Schauspieler:innen mit Tiermasken kommen aus dem Wald auf den Tour-Bus zu…

Tierisch

Im Bus selber steig dann eine jugendliche Schauspielerin auf einen Sitz und erklärte dass sie – als Emily – einfach keine Gefühle habe, noch nie gehabt habe und das für sie – eigentlich – auch kein Problem wäre. Mehrere der Texte der zwölf Autor:innen drehen sich um Tiere bzw. das Verhältnis dieser zu Menschen, vor allem deren nachteilige Veränderungen für die Lebensräume Ersterer. Manche Geschichten fließen über Kopfhörer in die Ohren der Busgäst:innen, andere erfolgen wieder in Szenen – etwa am Rande eines Waldweges oberhalb von Graz in den de Bus einfährt. Zwischen den Bäumen tauchen junge Schauspieler:innen mit Tiermasken auf, andere sprechen deren Stimmen direkt in die Ohren. So unterhalten sich Maulwurf, Eichelhäher und andere, wie das mit der an den Wald immer näher heranrückenden Stadt sei…

Fast aufgelegt ist eine wieder neue Version „Wer hat Angst vorm bösen Wolf“ und wohl sozusagen am „Rande“ der Tierwelt angesiedelt, spielt in einer der Geschichten Drachen eine Rolle, der auf einem Hochhaus lebt.

„Tier“ auch im Bus

Medizinisch und psychologisch

In der Vorklinik selber drehen sich manche der Szenen um Medizin bzw. Psychologie. In „Wundertütenhirnmagie“ wandern zwei Protagonist:innen vorbei an länglichen mit Jahreszahlen beklebten Kästen – ungeordnet. Eine Stimme aus dem Off vermittelt, dass sie – und damit auch die mitwandernden Zuschauer:innen – sich im Inneren eines Gehirns befinden, in Erinnerungen kramen und so eine sprunghafte Zeitreise machen. Hin und wieder eine Lautsprecherdurchsage, u.a. „Bitte nichts anfassen, es könnte zu Langzeitschäden kommen“.

Ins Innere – aber auf andere Art – dringt ein Video, das der junge Darsteller des Protagonisten per Beamer über die Wände tanzen lässt. Die Schauspielerin im Video spricht als wäre sie eine Computerstimmer, also wieder einmal eine KI. Er fühlt sich mehr und mehr getestet. Wofür? Sie wolle wissen, ob er sich für einen Langzeitflug zur Erkundung anderer Planeten eignen würde – „Space Explorers“.

Kurz und lang

Das Publikum wird später – im Foyer der Vorklinik – i einen Sesselkreis gebeten, eingeladen zu einer Gruppentherapiesitzung mit zwei jungen Protagonist:innen – hier wird’s ein bissl heftig, bevor es in den schon genannten Hörsaal geht, wo zwei Szenen auf dem Programm stehen. In „Hektor und die Fliegen“ dozieren zwei Professor:innen über ihre ziemlich gegensätzlichen – und doch verbindenden – Forschungsgebiete: Eintagsfliegen einer- und Grönlandhaie andererseits. Sehr kurzes (keine Stunde, wenige Tage) vs. sehr langes (400 und mehr Jahre) Leben und so „nebenbei“ auch noch immer herr-schende strukturelle Machtgefälle und -gehabe zwischen forschenden Frauen und Männern verhandelt werden.

Schulsituation

Last but not least spielen im oberen Teil der Hörsaalreihen jungen Schauspieler:innen in „SagdochmalLuca“ die Szene einer Klasse, in der eine/r der Jugendlichen sich als non-binär outet und wie eine Lehrerin darauf unsensibel reagiert, sich aber anschließend (angeblich) entschuldigt hätte…

Die Preise

Zum Abschluss des aktuellen Dramatiker:innenFestivals in Graz wurden die eingangs hier genannten Retzhofer Dramapreise vergeben – im Bereich für junges Publikum zum zweiten Mal und da auch wieder zwei Preise. Diese gingen an Lena Gorelik für „SagdochmalLuca“ und an Marisa Wendt für „Emily weint doch nie“.

Außerdem wurde natürlich auch der – seit 2003 vergebene Retzhofer Dramapreis für einen Stücktext für Erwachsene vergeben – an Leonie Lorena Wyss für „Wie von Mutterhand“.

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Compliance-Hinweis: Das Dramatiker:innen-Festival in Graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für drei Tage zur Berichterstattung eingeladen.

Jugendliche Schauspieler:innen mit Tiermasken kommen aus dem Wald auf den Tour-Bus zu...
Jugendliche Schauspieler:innen mit Tiermasken kommen aus dem Wald auf den Tour-Bus zu…