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Schauspielerin Stefanie Reinsperger (re.) und Journalistin Alexandra Stanić (li.)).

„Zu viel, zu laut, zu Frau“

Sich von mehr Gewicht nicht aufhalten lassen, postuliert die bekannte und vielseitige Theater- und Filmschauspielerin Stefanie Reinsperger in einer TV-Doku, die zum internationalen Frauentag (8. März) auf 3Sat (Gemeinschafts-TV-Programm der drei öffentlich rechtlichen Sender ORF, ZDF /Deutschland und SRG SSR / Schweiz) erstmals ausgestrahlt wird. Online ist „Zu viel, zu laut, zu Frau – Ein Film über Frauen, die manchen zu viel sind“ bereits ab Mitte Februar – ein Jahr lang – abrufbar (Details in der Info-Box am Ende des Beitrages.

Äußerlichkeiten

Egal wie überzeugend Reinsperger, die nun fix im Ensemble des Burgtheaters in Wien engagiert ist, spielt, immer wieder wird sie auf ihr Gewicht, ihren Körper angesprochen – und das ist noch harmlos formuliert. Als sie 2017 und im Jahr danach bei den Salzburger Festspielen im Jedermann die Buhlschaft spielte, wurde sie von Shitstorms überhäuft – immer den Körper betreffend. Noch verletzender fand und findet sie, wenn diese Körper-Kommentar von Frauen kommen. Ähnliche Körper bei Männern hingegen würden niedlich empfunden, ein „Bärli“.

Reinsperger geht – auch – in diesem Beitrag darauf ein, dass ihr hin und wieder vorgehalten wird, dass Übergewicht ungesund sei. Das gelte auch für Rauchen und Alkohol trinken, aber werde allen die rauchen oder trinken das immer vorgehalten?

Schauspielerin Stefanie Reinsperger im Wiener Burgtheater
Schauspielerin Stefanie Reinsperger im Wiener Burgtheater

„Ganz schön wütend“

Als Catharina Kleber die Idee über „zu viel“ zu wälzen, stieß sie auch auf das Buch „Ganz schön wütend“ von Reinsperger, in dem sie (2022 erschienen) vieles davon thematisierte. „Ich hab die Steffi schon einmal vor ungefähr zehn Jahren interviewt, angerufen und gefragt, ob mit dem Buch für sie nun das Thema abgeschlossen sei und als sie gemeint hat, das beschäftige sie weiter und sie werde sich damit immer wieder zu Wort melden, hab ich beschlossen, ich überlasse ihr die Stimme in dieser Doku“, erzählt die Filmemacherin Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wenige Tage bevor der rund halbstündige Film on Air ging.

Schauspielerin Stefanie Reinsperger (li.) und Gexi Tostmann (re.), Trachtenmode-Unternehmerin.
Schauspielerin Stefanie Reinsperger (li.) und Gexi Tostmann (re.), Trachtenmode-Unternehmerin.

Autorin, Fotografin, Modell, Unternehmerin

Und so spricht Stefanie Reinsperger nicht nur über sich und ihre Erfahrungen, sondern interviewt, Kamera begleitet, weitere Frauen, die über „zu“ laut, frech, kritisch, wütend und was auch noch immer im lockeren Gespräch erzählen. Dazu zählen die Journalistin und Fotografin Alex Stanić, die Autorin Mareike Fallwickl, Sängerin, Schauspielerin, Modell und Content Creatorin Phenix sowie die Unternehmerin Gexi Tostmann. Letztere ist für ihre Dirndl und Trachtenmodengeschäfte in Wien und Salzburg seit Jahrzehnten bekannt und mit mehr als 80 Jahren nach wie vor hellwach und neugierig.

Nur weiß

Es sollten – so die Auswahl der Dokumentarfilmerin – „möglichst unterschiedlichen Frauen sein, um zu zeigen, dass es viele bis alle trifft, kein Nischenthema ist.“ Die Protagonistinnen kommen aus verschiedenen Berufswelten – wenngleich schwerpunktmäßig aus künstlerischen Bereichen -, mit unterschiedlichen Backgrounds, sind von ziemlich jung bis doch älter. „Woran wir gescheitert sind – alle sind weiß“, gesteht Catharina Kleber, von der die Idee ebenso wie das Drehbuch stammt, die Regie geführt und den Beitrag geschnitten hat.

Frauen von der Straße

Außerdem kommen immer wieder auch Frauen von der Straße in Kurz-Interviews zu Wort. Dies war für die Filmemacherin – von KiJuKU befragt, „was mich am meisten überrascht aber auch erschreckt hat. Obwohl sie dieses Format, „einem Menschen ein Mikro vors Gesicht zu halten gar nicht so mag, haben wir das gemacht, um neben den Prominenten auch andere Frauen zu Wort kommen zu lassen. Und es ist jeder Frau etwas eingefallen. Und das sogar schnell. Jede hatte was zu sagen, dass sie in diesem oder jenem als zu… abgetan wird.“

Brennender Stöckelschuh
Brennender Stöckelschuh

Als Filmemacherin sei sie natürlich froh gewesen, „aber sehr unglücklich über die Tatsache, dass ausnahmslos jede Frau sofort Beispiele verschiedenster Abwertungen parat hatte.“

In jeder der einzelnen Passagen beschreiben – sowohl die groß Interviewten Protagonistinnen als auch die auf der Straße Interviewten – meist helle Bälle (aus einem Bällebad) mit etwas, das ihnen oft vorgehalten wird, was sie „zuviel“ seien, wo andere, meist aber nicht nur, Männer ihnen ihre Normen (Schönheits-)Ideale und (Geschlechter-)Rollen überstülpen wollen.

Was zu von sich werfen

Wie sie darauf gekommen sei, wollte KiJuKU wissen. „Ich hatte relativ früh die Idee, etwas zu suchen, das am Ende von sich, also weggeworfen werden kann. Und so kam ich auf die Bälle und deren Beschriftung.“ Was am Ende ein eindrucksvolles Bild ergibt, das hier aber nicht verraten wird.

Zerstörungsvideos

Aber auch zwischen den einzelnen Passagen der größeren Interviews und Porträts sind Anti-Frust-Sequenzen zu sehen: Zerstörungsvideos, die zu den jeweiligen Protagonistinnen passen. Der brennende Stöckelschuh kann gespoilert werden – den gibt’s ja auch als Foto aus der Doku. Andere – lassen Sie sich / lass dich überraschen.

„Das habe ich selber im Keller der Produktionsfirma machen dürfen – mit Baseballschläger, Rohr und Böller durfte ich meinen Teil des Frusts über diese einschränkenden Abwertungen von Frauen ausleben“, lächelt Kleber zufrieden während des Interviews.

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Schauspielerin Stefanie Reinsperger in einem Wiener Kaffeehaus
Schauspielerin Stefanie Reinsperger in einem Wiener Kaffeehaus

Doppelseite aus "Unterwegs mit Billy und Lilly"

Willy schickt Billy und Lilly auf Fantasie-Reise

Auch wenn es sich – noch dazu um bunte – Hasen handelt, beginnt diese fantasievolle Bilderbuchgeschichte zu Weihnachten. Da bekommt Anna auf der ersten Doppelseite (rechts die gemalten Bilder, links jeweils der wenige Zeilen starke Text) eine rote Häsin als Kuscheltier geschenkt – und nennt sie offenbar Lilly. Die kann sie aber nicht überall mitnehmen. Was tun, soll sich Lilly doch nie einsam fühlen.

Und da lässt der Autor und Illustrator in Personalunion, Willy Puchner, Anna im Traum einen Spielgefährten für ihre Lilly erscheinen, den roten Hasen Billy. Und da entfaltet Puchner – wie in vielen anderen Bildern und Büchern – seine Fantasie voll: Dieser Billy schwebt in einer Art Gondel, die von einem riesigen Wal getragen wird, über Annas Bett.

Doppelseite aus
Doppelseiten aus „Unterwegs mit Billy und Lilly“…

Bevor dieser Billy endlich gegen Ende auf Lilly trifft, lässt ihn Puchner auf vielen Seiten die ver-rücktesten Abenteuer erleben. So trifft der rote Hase unter anderem auf einen Mini-Tiger im Sonnenblumen-Wald, sieht ein vielköpfiges Monster, versteckt sich hinter Schnee-Eulen, trifft einen Clown sowie einen Zauberer und…

Gemeinsam mit Lilly tauchen sie dann in Musik ebenso ein wie ins Tanzen. Allerdings geht bei Vielem die Initiative eher von ihm aus als von ihr. Als hätte sie fast wie Dornröschen auf die Erlösung durch – in dem Fall einen tierischen – Prinzen gewartet.

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Unterwegs mit Billy und Lilly“

Abgesehen von diesen eher überkommenen Geschlechter-Rollen nimmt der Autor und Illustrator dich mit Bildern und Texten mit auf eine (tag-)träumerische Fantasie-Reise. Du kannst die (Gedanken-)Bilder weiterspinnen und vielleicht auch Lilly aktiver werden und so manch schräge Abenteuer erleben lassen.

kijuku_heinz

Titelseite von
Titelseite von „Unterwegs mit Billy und Lilly“
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Vor und nach dramatischem Ende – zweite Chance für die Liebe?

Viel poetische Romantik versprüht schon das Ambiente von „Davor / Danach“, einem Experiment im 41. Jahr des kleinen, feinen, engagierten „Theaters Spielraum“ (seit 22 Jahren im ehemaligen Erika-Kino in der Wiener Kaiserstraße). Experiment, weil zum ersten Mal ein Musical gespielt wird. Mit viel Liebe, Wärme, aber auch so manchem Beziehungsstress und nicht selten auch Komik im Schauspiel und dem vollen, warmen, mitunter eben brüchigem, traurigem Klang in den Stimmen der beiden Protagonist:innen. Und vollem musicalischen Tönen des Live-Musik-Trios.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Ach ja, das Ambiente: Ein riesiger, einfacher Baum mit vielen kleinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen auf seinem Stamm, den Ästen und sogar den Wurzeln (Bühne: Raoul Rettberg). Darunter bzw. dazwischen sitzen drei Musiker:innen, die die knapp mehr als zwei Stunden (eine Pause) live – Piano, Gitarre und Cello – spielen, und das schauspielende und singende Duo begleiten.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Jetzt und Einst – aber (noch) nicht für beide

„Davor / Danach“, vor zehn Jahren von zwei Briten für ein japanisches Theater geschrieben und komponiert, erzählt die Geschichte des Liebespaares Ami und Ben. Zu Beginn erleben wir sie, wie sie bei diesem Baum – auf einem Hügel mit Weitblick – aufeinander treffen. Sie erkennt ihn, für ihn ist sie eine neue Begegnung. Sie waren schon früher ein Paar, er hatte einen Autounfall mit nachfolgendem Gedächtnisverlust.

Das sagt sie ihm aber (noch und viel zu lange) nicht, weil sich eine neue Romanze auftut und sie Angst hat, die zerstören zu können durch die Erinnerung an früher. Dürfte – wird auch später gespielt und gesungen – nach intensiver Zweisamkeit schief gegangen sein. Das weiß das Publikum aber noch nicht die männliche Figur.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Schwarz-weiß vs. bunt

Immer wieder pendelt das Stück zwischen dem Jetzt, sozusagen dem Danach, und dem Davor, also der Vergangenheit. Der Einfachheit halber hat Anna Pollack Denise Jastraunig (Ami) und Florian Sebastian Fitz (Ben) fürs Davor schwarz-weiß gekleidet mit leichter Verwandelbarkeit in ein buntes Danach (ein blumenartig farbenprächtiger Wickelrock für sie und ein abendsonnenfärbiges Sakko für ihn. Die drei Musiker:innen sind in weiße Anzüge mit schwarzen Strichen – fast gezeichnet – gehüllt. Musikalische Leitung und Live-Piano: Bernhard Jaretz, an der Gitarre am Premieren-Abend Patrick Henriquez (der sich bei Vorstellungen mit Niko Georgiades abwechselt sowie Margarethe Vogler (Cello; die alternierend mit Maike Clemens streicht).

Farben bzw. keine auch in Teilen der Bühne. Der große, schräg an der Wan im Hintergrund hängende Bilderrahmen bleibt die gesamte Zeit leer, die Rahmen an den Seitenwänden sind eine Art Reminiszenz an den Suprematismus-Maler der sowjetischen Avantgarde Kasimir Malewitsch (weltberühmt für sein schwarzes bzw. weißes Quadrat). Auf den Stufen des Podests (Hügel) hängen an den Treppen ebenso wie auf dem Baum viele Schwarz-Weiß-Zeichnungen – vom schon genannten Bühnenbildner sowie der Assistentin für alle Bereiche, Alice Gonzalez-Martin.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Tiefe Emotionen

Der Hügel und der Baum waren übrigens DER Platz des Liebespaares im „Davor“. Sie eine starke Business-Frau, er ein unbekannter Maler mit Brot-Job als Kellner, unter anderem. Im Restaurant, wo er arbeitete und sie an ihrem Geburtstag versetzt wurde, kommen sie über ein Missgeschick einander nahe, danach immer näher, doch … – Details seien nicht gespoilert, auch wenn der Abend weniger von den durchaus spannenden Wendungen als von den tiefen gespielten und gesungenen Emotionen lebt. Und von dem Versuch einer Art zweiter Chance – mit unterschiedlichen Start-Positionen.

Das Originalkonzept, die Musik sowie die Songtexte stammen von Stuart Matthew Price, der sie im kapitelweisen Hin- und Herschicken mit Timothy Knapman (Buch und ergänzende Songtexte) vor rund zehn Jahren innerhalb weniger Wochen verfasst bzw. komponiert hatte. Für die – gerade angesichts von Songtexten nicht leichte – Übersetzung ins Deutsche sorgte Robert G. Neumayr, der auch Regie führte.

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Rollen-Klischees

So gut gespielt – sowohl Musik als auch Schauspiel – und gesungen, so berührend die dargestellten Gefühls-Auf und Abs, so bleibt doch als bitterer Wermutstropfen sehr altbacken klischierte Frauen- bzw. Männer-Rollen. Der frei schwebende, Zeit und Raum vergessende, Künstler und die dienende, sich um alles aufopfernd kümmernde Frau. Im Davor handelt sie zunächst immer nach den Wünschen des Vaters – der sie via „Fernwartung“ zu allen Unzeiten am Handy dirigiert. Im Versuch sich aus dieser Umklammerung ein wenig zu befreien, landet sie in der Romanze und tiefen Liebe zu Ben. Obwohl sie Power ausstrahlt, ordnet sie sich dessen Zeit-Missmanagement unter.

Nach Trennung, seinem Unfall und der zufälligen Wieder-Begegnung, kämpft sie sanft darum, dass er wieder sein Gedächtnis findet, massiver dafür, dass er seine Bilder in ihrem nunmehrigen Geschäft, einer Galerie ausstellt…

In ähnlicher Struktur kracht’s wieder. Knapp vor dem Ende der Moment, wo er gehen will, weil er erkennt, ihr zu schaden. Das wäre ein schöner Schluss gewesen – beide gehen mit der Erinnerung sowohl in Herzen als auch in Hirnen an schöne Zeiten. Doch nein, ein klassisches „Happy End“, es wird wieder…

Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum

Der Autor …

… war bei der Premiere anwesend, der Komponist und Songtexter wird zu einer der letzten Wiener Aufführungen kommen. Timothy Knapman meinte nach der Premiere, es sei die beste Version ihres Stücks gewesen. „Und das sagen Sie, obwohl Sie ja gar nicht Deutsch verstehen?“, fragte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… danach den Stück- und einige Songtexte-Schreiber. „Stimmt, aber am Ende hatte ich Tränen in den Augen“, verrät Knapman. Auf die Kritik an den klischierten Frau-Mann-Rollen meinte er: „Wir haben auch ein anderes Stück mit genderfluiden Rollen, aber hier wollten wir nicht Rollen schreiben, wie wir sie uns wünschen, sondern wie es sie noch immer gibt.“

Im Übrigen verriet er dem Journalisten, dass dieses Musical bisher viel öfter in anderen Ländern als in ihrer englischen Heimat gespielt worden ist. Fünf Jahre lief es in Japan, auch in den Niederlanden war es zu sehen, in England bisher nur ganz am Anfang wenige Male und während der Pandemie als aufgezeichneter Stream.

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Szenenfoto aus Davor/Danach im Wiener Theater Spielraum
Verbeugung der Künstler:innen
Verbeugung beim Schluss-Applaus…
Doppelseite aus dem Bilderbuch "Raffi & Juli - Ein neues Zuhause"

Raffi muss ein Zimmer räumen – und gewinnt dann dabei…

Der farbenfrohe, glitzernde Moderator deutscher Fernsehsendungen und Autor Riccardo Simonetti hat im Vorjahr sein zweites Kinderbuch veröffentlicht. In eine einfach erzählte Geschichte verpackt er auch dieses Mal das Thema Menschlichkeit, Toleranz und offene Arme bzw. einen ebensolchen Geist rund um seine Hauptfigur Raffi.

Dieses Mal – in „Raffi & Juli – Ein neues Zuhause“ bitten ihn seine Eltern, vorübergehend sein Zimmer zu räumen und zu seiner Schwester zu ziehen. Sein Zimmer wird gebraucht, um eine Familie, die flüchten musste, unterzubringen. Das gefällt Raffi anfangs so gar nicht wirklich. Wohin mit all seinem Zeugs. Und dann soll er sich noch ein bisschen um Juli, die Tochter der neuen Mitbewohner:innen kümmern – sie auf dem Weg zu seiner und nun auch ihrer Schule zu begleiten und so weiter…

Natürlich Wende zum Guten

Natürlich wendet sich das Blatt, irgendwann kriegt Raffi in der Schule erst Mitleid mit Juli, weil sie zu weinen beginnt, nachdem sie sich gar nicht auskennt und zurechtfindet. Sie kann ja noch nicht seine und die Sprache seiner Mitschüler:innen. Und dann wird daraus eine richtige Freundschaft und er ist sogar traurig, als die Familie ihr neues Zuhause bei Raffi und seiner Familie gegen eine eigene Wohnung tauscht…

Bub im Rock

Im ersten Buch – „Raffi und sein pinkes Tutu“ – erleben wir den Fußballbegeisterten Buben, der am liebsten sein rosa Tutu anhat und mit einer Puppe spielt, wie er dafür in der Schule von fast allen ausgelacht wird. In seiner Trauer hilft ihm, dass ihn der Vater in einem ebensolchen rosa Tanz-Röckchen abholt. Und noch viel mehr, dass nach und nach immer mehr Kinder seiner Klasse aufhören ihn zu mobben und nichts dagegen haben, dass er eben das anzieht, was er gerne mag….

Neben den beiden Hauptgeschichten baut der Autor noch weitere kleine Toleranz-Elemente ein – alles soll hier nicht gespoilert werden. Aber so viel schon: Beide Büchern leben nicht nur vom Text, sondern mindestens ebenso von den farbenfrohen, Illustrationen von Lisa Rammensee. Die verpackt so manch weitere Vielfalt ausstrahlende Figur in ihren Zeichnungen.

Simonetti hat übrigens bisher auch zwei Bücher für Erwachsene geschrieben: „Mein Recht zu funkeln“ und „Mama, ich bin schwul“ – gemeinsam mit seiner Mutter.

Anregung, sollte er noch weitere Bilderbuchtexte rund um Raffi verfassen: Vielleicht könnte seine (Raffis) Schwester vielleicht nicht weiter namenlos bleiben müssen 😉

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sohn-und-vater-rock-en-gegen-rollenklischees <- noch im Kinder-KURIER

Interview mit Nils Pickert <- noch im KiKu

Über Martin Auers Prinzessin mit Bart <- auch nch im KiKu

Besprechung eines weiteren Schnecken-Kinderbuchs – von Thomas Schmidigner <- ebenfalls noch im Kinder-KURIER

Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Raffi und sein pinkes Tutu“
Szenenfoto aus der Performance "Who wants to be the mum?" von Planetenparty Prinzip

Kinderwunsch oder nicht? Und wenn, wer übernimmt welche Elternrolle?

Zwei Paare – ein reales sowie ein schauspielendes – betreuten vor rund einem Jahr für mehrere Tage High-Tech-Baby-Puppen, die auch weinen und ähnliches simulieren können. Kinder haben wollen oder nicht und wenn ja, wie dann umgehen mit elterlichen Rollen – das sind Fragen, die in der Live-Performance „Who wants to be the mum?“ (Regie: Miriam Schmid) gipfelten. Nach einer Aufführungsserie im Herbst in Graz ist die Produktion vom Performance Kollektiv „Das Planetenparty Prinzip“ (Theaterstücke, Performances, hybride interaktive Spiele) nun in Wien im Theater am Werk/Petersplatz zu erleben – Details siehe Info.

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus der Performance „Who wants to be the mum?“ von Planetenparty Prinzip

Auf der Bühne – komplett in der Einheitsfarbe gräulich-bläulich gehalten, andere empfinden’s fast als türkis, – spielen Alexander Benke, Victoria Fux, Nora Köhler (alphabetisch nachnamensmäßig sortiert; in den Videos als Vierter im Bunde: Jakob Kolb) Familie der 90er Jahre mit Wählscheibentelefon und so. Abwechselnd schlüpfen die drei in die Rollen eines auf dem Boden knieenden, malendes Kindes, einer kochenden Mutter, und des freudig von der Arbeit nach Hause kommenden Vaters. Das Trio hebt sich in der Kleidung von der Wohnzimmerlandschaft mit integriertem Küchenblock ab: Knallpink und orange (Bühne und Kostüm: Lisa Horvath).

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus der Performance „Who wants to be the mum?“ von Planetenparty Prinzip

Rollenwechsel

Immer wieder wechseln die Schauspieler:innen die Rollen. Und doch bleibt der Ablauf mehr oder minder der Gleiche – lange Zeit. Immer und immer wieder. Was wechselt ist das „Gekochte“, stets aber fischig. Und vor allem die Zeichnungen des Kindes – nicht zu sehen, wie alles sind auch Zeichenblätter, ja selbst Zeitungsseiten in der nämlichen Einheitsfarbe, sogar die senkrechten Jalousien, die die drei Wände bilden.

Dass es nicht immer so weitergehen kann, ist klar – eine bricht aus. Ist es eine oder einer? Wie sich das Stück – in dem es immer wieder Video-Rückblenden (Kamera: Vincent Seidl, David J. Wimmer) auf die Phase mit und rund um die Simulationspuppen und deren Betreuung gibt – weiterentwickelt, sei hier nicht gespoilert.

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus der Performance „Who wants to be the mum?“ von Planetenparty Prinzip

Das Private ist politisch

„Kinder oder keine – entscheiden wir alleine!“, war schon ein Slogan bei Demos der Frauenbewegung in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Nach erkämpftem Wahlrecht nach der vorvorigen Jahrhundertwende, wurde nicht zuletzt im Gefolge der 68er-Bewegung der Zusammenhang zwischen privatem und politischem Verhalten intensiv diskutiert. Gleichberechtigung wurde zum Thema auch in Bezug auf Beziehungen, „halbe – halbe“ zur Forderung, zum Ziel. Und dennoch hat sich trotz einiger Änderungen in diese Richtung (noch) nicht allzu viel getan. Abgesehen davon, dass gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit – in Österreich beispielsweise – noch in weiter Ferne sein dürfte, liegt der Anteil von Männern in Karenz bei 2 von zehn Paaren.

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus einem der Videos aus der Phase der Proben für die Performance

Und auch in der Performance ist der Mann, wenn er sich die Schürze umbindet und kocht, „Mom“ und nicht „Dad“. Und selbst als Vater einmal Mutter anbietet, selbst nach dem Essen abzuräumen, um ihr Freizeit zu gönnen, meint sie: „Du weißt ja gar nicht, wo alles hingehört“. Das jeweilige „Kind“ hingegen ist schon viel weiter. Auf die Frage von „Mom“, was es denn da gezeichnet habe, zählt es jedes Mal unterschiedliche Familien auf – beispielsweise einmal eine mit drei Papas.

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus der Performance „Who wants to be the mum?“ von Planetenparty Prinzip

Ironie

Die gängigen Rollenklischees – trotz jahrzehntelangen Diskussionen, Forderungen, Versprechen bleibt der überwiegende Anteil unbezahlter „Care“-Arbeit an Frauen hängen – durchbricht dies das Trio vor allem durch leicht überdrehtes, ironisch-parodistisches Schauspiel – das damit immer wieder für Lacher in den rund 1 ¼ Stunden führt.

Was vielleicht ein wenig abgeht – Ausgangspunkt in den Videos war die Frage: Kinderwunsch oder nicht – ist ein vor allem unter Jugendlichen sehr wohl diskutierter Aspekt: Kinder in diese Welt angesichts von Kriegen, Klimakrise, Perspektivlosigkeit?

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Szenenfoto aus der Performance
Szenenfotos aus der Performance „Who wants to be the mum?“ von Planetenparty Prinzip…
Angeschnittenes 'Foto einer Doppelseite aus "Der Prinz auf der Erbse und andere umgekrempelte Märchen"

Schneewittich, Zwerginnen, gestiefelte Katze…

Der Schöne und die Bestie“, „Herr Rapunzel“ oder „Die gestiefelte Katze“ – die Titel der zwölf Märchen dieser Sammlung – noch dazu gleich mit dem Titel „Der Prinz auf der Erbse“ sagen praktisch schon alles. Karrie Fransman & Jonathan Plackett haben in ihrem auch märchenhaft illustrierten Buch „nichts anderes“ gemacht, als die Rollen vertauscht. Aus Prinzessinnen wurden Prinzen, aber auch aus Hexen Hexer und so weiter. Und siehe da – mitunter kommt das jeweils altbekannte Märchen sogar ein wenig gewöhnungsbedürftig daher. Gut so.

In einem umfangreichen Vorwort schildern beide, wie sie auf die Idee gekommen sind und wie sie’s – mit Hilfe eines Computerprogramms – gemacht haben.

Jonathan Plackett, unter anderem Programmierer, erinnert sich an seine Kindheit. Sein Vater habe ihm und der Schwester am Abend Geschichten vorgelesen – und einfach die Geschlechter der handelnden Figuren vertauscht. Als Erwachsener, mit der Comic-Autorin und Künstlerin Karrie Fransman verheiratet und gemeinsam Eltern einer Tochter „wollen (wir), dass sie in einer Welt aufwächst, in der kleine Mädchen stark sein und kleine Jungen ohne Zorn zu ihren Verletzlichkeiten stehen dürfen“.

Dafür nutzte er seine Fähigkeit: Es „ist mir schließlich gelungen, ein benutzerfreundliches Computerprogramm zu entwickeln, das in jedem Text, mit dem man es füttert, die Gender-Verteilung umkrempelt“, schreibt er im Vorwort.

Jonathan Plackett und Karrie Fransman,
Jonathan Plackett und Karrie Fransman, „Eltern“ von „Der Prinz auf der Erbse und andere umgekrempelte Märchen“

Neue Technik mit alten Texten

Karrie Fransman schildert dort: „Als Jonathan mir den Algorithmus zeigte, war ich begeistert, und wir überlegten gemeinsam, was wir damit machen könnten. Ich schlug vor, ihn auf Märchen anzuwenden. Uns reizte die Idee, klassische Texte und moderne Technologie zu kombinieren und die Geschichten für zeitgenössische Leserinnen und Leser upzudaten. Auch als Comiczeichnerin war ich gespannt darauf, wie der Algorithmus die weltbekannten Märchen verwandeln würde, und mir dann die neuen Geschichten in Bildern vorzustellen.“

Das Duo entschied sich für Märchen, weil die weit verbreitet sind, viele Kinder damit aufwachsen – und in der Regel fest gängige Rollenklischees einlernen. Fransman und Plackett wählten zwölf sehr bekannte Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm, von Hans Christian Andersen oder nach Gabrielle-Suzanne Barbot de Villeneuve (Schöne und Biest) aus, einige wurden schon eingangs genannt. Dazu gesellen sich noch unter anderem „Schneewittich“, „Rotkäppchen und die böse Wölfin“, „Rumpelstelze“, „Gretel und Hänsel“ sowie „Aschenpeterl oder der gläserne Pantoffel“, „Hanna und die Bohnenranke“, „Dornrösling oder der schlafende Schöne im Walde“ sowie „Däumchen“.

Wobei manche Märchen von den beiden auch noch weiter verändert wurden – was sich nicht immer ganz erschließt. Der Bub mit dem roten Käppchen darf offenbar keinen Wein im Korb zu – in dem Fall – dem Großvater bringen. Und die Wölfin darf sich dafür des Fressens von Opa und Enkel erfreuen. Denn so endet diese Version vom „Rotkäppchen“. Keine Jägerin ;(

Im Märchen ist doch vieles möglich

Und warum auch nicht – Karrie Fransman schreibt im Vorwort unter anderem: „Märchen sind auch voller Magie und Feenstaub. Wenn wir uns eine Welt vorstellen können, in der Harfen singen und Ratten Kutscher werden, können wir uns dann nicht auch eine Welt vorstellen, in der sich Könige Kinder wünschen und alte Frauen keine Hexen sind?“

Und nicht nur „nebenbei“ merkt sie noch an, Wir behaupten keineswegs, dass es nur zwei Geschlechter gibt. … Viele Menschen identifizieren sich als non-binär, queer, transgender, genderfluid, agender, other-gender und vieles mehr. Trotzdem spielt die Unterscheidung in »weiblich« und »männlich« im Denken der meisten Menschen noch eine Rolle, und auch in der Sprache. Indem wir die beiden dominanten Gender-Konstrukte vertauschen, wollen wir ihre Eindeutigkeit aufbrechen und die Menschen dazu bringen, die Annahmen zu hinterfragen, mit denen wir das soziale Geschlecht in unserer Gesellschaft aufladen.“

„Neben“effekte

Jonathan Plackett schreibt weiter: „Als wir ein paar Märchen durch den Gender-Swap-Algorithmus laufen lassen hatten, war uns klar, dass wir auf etwas Interessantes gestoßen waren. Vor unseren Augen entstanden faszinierende neue Figuren, und Stereotypen wurden aufgedeckt. Wir sahen Prinzessinnen in glänzender Rüstung, die zur Rettung schlafender Prinzen eilten… Manche Veränderungen waren vorhersehbar, aber andere offenbarten Feinheiten, die mir bisher nicht aufgefallen waren, zum Beispiel, dass Frauen nun automatisch zuerst genannt wurden, »Schwestern und Brüder« oder »Gretel und Hänsel«. Das Beste aber war, dass Frauen endlich Macht und eine Vielfalt an Rollen zur Verfügung hatten, während Männer die Chance bekamen, zu ihrer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit zu stehen und für ihr gutes Herz belohnt zu werden.“

Vorreiterin

Und vielleicht regt dieses Buch ja auch an, in anderen Märchen, weiteren Geschichten oder möglicherweise sogar einmal in aktuellen Nachrichten sich die handelnden Figuren vertauscht vorzustellen. Was übrigens schon vor Jahrzehnten (1974) die DDR-Schriftstellerin Irmtraut Morgner in dem Kapitel „Kaffee verkehrt“ in ihrem 680 Seiten-Buch „Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz…“ (siehe Buch-Infos; übrigens kein Kiknderbuch!) schon gemacht hat, indem sie die Rollen in einem Kaffeehaus am Alexanderplatz vertauscht hat: „Als neulich unsere Frauenbrigade im Espresso am Alex Kapuziner trank, betrat ein Mann das Etablissement, der meinen Augen wohltat. Ich pfiff also eine Tonleiter rauf und runter und sah mir den Herrn an, auch rauf und runter. Als er an unserem Tisch vorbeiging, sagte ich „Donnerwetter“. Dann unterhielt sich unsere Brigade über seine Füße, denen Socken fehlten, den Taillenumfang schätzen wir auf siebzig, Alter auf zweiunddreißig… Ich ließ ihm und mir einen doppelten Wodka servieren und prostete ihm zu… In der Tür ließ ich meine Hand wie zufällig über eine Hinterbacke gleiten, um zu prüfen, ob die Gewebestruktur in Ordnung war…“

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Interview mit Nils Pickert <- noch im KiKu

Über Martin Auers Prinzessin mit Bart <- auch nch im KiKu

Besprechung eines weiteren Schnecken-Kinderbuchs – von Thomas Schmidigner <- ebenfalls noch im Kinder-KURIER

Titelseite von
Titelseite von „Der Prinz auf der Erbse und andere umgekrempelte Märchen“
Szenenfoto aus "In allen Farben des Regenbogens"

Schnecken-Reporterin auf der (Schleim-)Spur natürlicher Vielfalt

„Wer gehört zu deiner Familie?“, ertönt die erwachsene Stimme aus dem Off. „Zur kleineren oder zur größeren?“, fragt die – ebenfalls eingespielte Kinderstimme. Die Bühne ist noch mehr oder minder schwarz in schwarz mit Ausnahme eines kleinen Regenbogenfähnchens, einer ebenso bunten großen Halskette, einer großen roten Brille und einigen Kuscheltieren in einer Ecke vorne am Bühnenrand. „In allen Farben des Regenbogens“ thematisiert in einer ¾ Stunde im Wiener Niedermair (bekannt vor allem als Kabarett-Location) die Vielfalt von Kinder-, Familien- und anderer Leben. „Queere Kindergeschichten für alle ab 4 Jahren“ heißt der Nachmittag im Untertitel.

Inspirieren ließen sich die beiden Schauspielerinnen Anna Kramer und Julia Schranz von einigen (Bilder-)Büchern. Den meisten Raum nimmt die Geschichte von Schnecke Sam ein. Julia Schranz setzt sich einen Haarreifen mit zwei pinken Stielaugen auf – schon ist sie die/der Schneck‘.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In allen Farben des Regenbogens“

Alles ganz natürlich

Samantha oder Samuel – bei Schnecken ist das ja eben ganz natürlich nicht eindeutig! Und so kriecht die Schnecke für ihre Reportage, die ihr Magda Wasserschwein, die Schulpsychologin, als Hausübung gegeben hat, zu allen möglichen Tieren, wo es auch ganz natürlich ist, dass ein Weibchen mehrere Männchen hat, Fische ihr Geschlecht wechseln usw. Alles nicht erfunden, nicht willkürlich, sondern schlicht und einfach ganz natürlich. Sogar die Lehrerin, die die Klasse zuerst in Mädchen und Buben einteilen wollte und damit Sami in eine mehr als peinliche Situation gebracht hat, entschuldigt sich. Und jene Tierkinder, die darüber zuerst gelacht haben – sind nun auch viel g‘scheiter. Und offener. Sam kann sich nun in der Klasse wohlfühlen – checkt aber auch die Absicht, die die Psychologin verfolgt hat und sagt ihr diese auf den Kopf zu. Womit der pädagogische Hintergedanke offengelegt wird 😉 Link zu einer Buchbesprechung am Ende dieses Beitrages.

Dieses Bilderbuch aus Polen, für das die Weinviertlerin Ewelina Rockenbauer, die es übersetzt hat, sogar eigens einen Verlag gründete, um es veröffentlichen zu können, gibt es, weil Co-Autor Jakub Samałek Rollenklischees in vielen Büchern störten und Co-Autorin Maria Pawłowska als Biologin das nötige, fundierte Fachwissen einbrachte.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In allen Farben des Regenbogens“

Bub im Kleid

Kramer und Schranz haben Elemente aus weiteren (Bilder-)Büchern verarbeitet – unter anderem über Felix, der gern Röcke anzieht, weil ihm das beim Tanzen mehr Beinfreiheit lässt. Im neuen Kindergarten wird er dafür aber verspottet. Sein Vater stärkt ihn, indem er selber in einem Kleid mit dem Sohn durch die Stadt geht.

Letzteres beruht übrigens auf einer wahren Geschichte: Das Foto von Nils Pickert mit seinem Sohn – dieser im Kleid, der Vater im Rock – ging so krass viral, dass der Autor und Journalist das Buch „Prinzessinenjungs“ (vor allem für Eltern und Pädagog:innen) schrieb – Links zu einer Buchbesprechung und einem Interview mit Pickert, der übrigens daraufhin das Kinderbuch „Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“ verfasste, ebenfalls unten.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In allen Farben des Regenbogens“

Spiel

Das besagte Foto – das Pickert dann auch als Cover für „Prinzessinnenjungs“ verwendete, war übrigens für Hüseyın Tabak der Ausgangspunkt für seinen Kinofilm „Oskars Kleid“. Das Motiv vom Buben im Kleid spielt auch die zentrale Rolle in Jens Thieles „Jo im roten Kleid“, das von österreichischen Theaterleuten schon mehrfach – unterschiedlich dramatisiert wurde – Links zu Stückbesprechungen unten.

Wobei letztere die Geschichte wirklich in szenisches Spiel umgesetzt haben – etwas das Anna Kramer und Julia Schranz leider stark vermissen lassen. Deutlich viel mehr Schauspiel statt der über weite Strecken eher Erzählung mit einigen schauspielerischen Einsprengseln würde der Aufführung guttun und die Kinder im Publikum sicher länger bei der Geschichte dranbleiben lassen. Am Spielerischsten wurde es bei der Premiere am ehesten in jenen Phasen als ein Mädchen in den ersten Reihen immer wieder vorschlug, welches der Kuscheltiere in welche Rolle für nachgestellte Fotos schlüpfen sollte.

Übrigens sind die angespielten/angesprochenen Geschichten weit mehr als „queer“, einfach Vielfalt und Toleranz – und damit von vornherein für alle.

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Interview mit Nils Pickert <- noch im KiKu

Über Martin Auers Prinzessin mit Bart <- auch nch im KiKu

Besprechung eines weiteren Schnecken-Kinderbuchs – von Thomas Schmidigner <- ebenfalls noch im Kinder-KURIER

Szenenfoto aus
Szenenfotos aus „In allen Farben des Regenbogens“…
Szenenfoto aus "Muttertag" im Theater Forum Schwechat

„I sog’s glei, i woar’s ned!” – „Muttertag” kehrt auf die Bühne zurück

„Die härtere Komödie“ – so bezeichnet das Internetlexikon wikipedia „Muttertag“, den mittlerweile zum Kult gewordenen Film, der (fast) jedes Jahr rund um diesen zweiten Sonntag im Mai im österreichischen TV läuft und heuer seinen 30. Geburtstag feiert. Dass rund zwei Jahre vor dem Film dieses nummernkabarettistische bitterböse Stück mit überzeichneten Klischee-Figuren ein Bühnenwerk der Gruppe Schlabarett (Eva Billisich, Alfred Dorfer, Roland Düringer, Andrea Händler, Reinhard Nowak) war, weiß kaum noch wer. Auch nicht, dass der danach gedrehte Low-Budget-Film in den Kinos eher floppte.

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Szenenfotos aus „Muttertag“ im Theater Forum Schwechat…

Aber auch Kottan oder Mundl hatten anfangs alles andere als Erfolg. Die Bekanntheit des Kultfilms im Fernsehen und seine jährliche Wiederholung lockt(e) auch viele Zuschauer:innen ins Theater Forum Schwechat. Seit der Premiere beschert „Muttertag“ dem Theater knallvolle Publikumsreihen und Vorbestellungen. Noch wird (ca. 2 Stunden, eine Pause) bis 24. Mai gespielt – und es gibt nur mehr Restkarten.

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Szenenfotos aus „Muttertag“ im Theater Forum Schwechat…

„Wiedaschauauaun!“

Jene Altersschichten, die den Film – viele sicher mehrfach – gesehen haben, kommen mitunter schon mit dem einen oder anderen Spruch daraus ins Theater wie „I sog’s glei, i waor’s ned!“. Spätestens bei den Verabschiedungen wird das „Wiedaaschauauaun“ entsprechend lang gezogen mit einem sarkastischen Unterton – aufgefrischt durch die Aufführung, die auch einige jüngere Zuschauer:innen ins Theater lockt, die bei der Geburtsstunde des Kabarettprogramms noch gar nicht auf der Welt, meist nicht einmal noch geplant waren.

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Szenenfotos aus „Muttertag“ im Theater Forum Schwechat…

Das Bühnenstück in Schwechat spielt nicht 1:1 den Film, aber auch nicht die alte Kabaretttheater-Version nach, orientiert sich aber sehr daran, auch am Ablauf als aneinander gereihte Nummern, die dennoch einen dramaturgischen Bogen ergeben. Das alte Postamt mit Wählscheiben-Telefon und gleichzeitig Sparkassa feiert ebenso fröhliche Urstände wie das Treffen der Jungschargruppe mit den pubertierenden Jugendlichen und der strengen auf Seriosität bedachten Gruppenleiterin oder der Drogeriemarkt, in dem die Frau Neugebauer vom Detektiv als Ladendiebin entlarvt wird, während ein anderer „Konsument“ mit prall gefülltem Mantel „nur schauauaun“ war. Als Abschluss und sozusagen Höhepunkt die „Muttertagsfeier“ von Ehemann, Sohn und Opa für „Trudl“ Neugebauer auf dem Balkon der Gemeindwohnhausanlage Schöpfwerk (im Film, in Wien-Meidling). Wo alles aus dem Ruder läuft. Und gut und gern auch gespoilert werden könnte, ist doch den meisten alles bekannt. Aber vielleicht gibt’s doch die eine oder den anderen, wer’s noch nicht weiß, und trotzdem auch noch Spannungsmomente erleben möchte – daher seien die Eskalationen doch nicht verraten!

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Szenenfotos aus „Muttertag“ im Theater Forum Schwechat…

Von der Chefin bis zum Oldie

Zu sehen und erleben sind – in der Regie von Andy Hallwaxx: Die künstlerische Leiterin des Theaters, Manuela Seidl, die die legendäre Postbeamtin, die eher auf Sperrschluss pocht, die Jungscharleiterin sowie Trudl, die Ehefrau, Mutter und Schwiegertochter der Familie Neugebauer spielt. Evelyn Schöbinger, mit der alle Männer gern eine Affäre hätten/haben, wird von Adriana Zartl verkörpert, die u.a. auch in die Rolle einer der Jungschar-Jugendlichen schlüpft.

Hubert Wolf – der wie seine Kolleg:innen und wie seinerzeit die Ur-Besetzung viele Rollen dasrstellt, überzeugt vor allem als Opa Neugebauer mit (vorgegebener) Schwerhörigkeit, (gespielter) Senilität und bitterböser Wehr gegen die drohende Abschiebung ins Heim sowie das Auseinanderfliegen der Familie. Seinen Enkel Mischa und damit Sohn von Trudl und Edwin Neugebauer gibt Olivier Lendl, der u.a. auch den Dieb mit weitem Mantel, der „nur schaut“, spielt.

Last but not least zu nennen ist Reinhard Nowak, der auch schon in der Original-Partie vor 32 Jahren auf Bühnen und dann zwei Jahre später im Film dabei war – und hier in seine alten Rollen schlüpft, vor allem den Kaufhausdetektiv Übleis sowie Edwin Neugebauer, der auf braver Ehemann tut und dennoch eifersüchtig auf seinen Kumpel Garry ist, der mit Evelyn Schöbinger – so wie er selbst – eine Affäre hat.

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Szenenfotos aus „Muttertag“ im Theater Forum Schwechat…

Realsatire

Gerade die Balkonszene am Schluss lässt trotz ihrer bitterbösen Ironie die Frage aufkommen, ob hier (Geschlechter-)Rollenklischees lächerlich bloßgestellt oder gar „nur“ lustig weitergetrieben werden?

Wie auch immer: Im Programmzettel zu „Muttertag“ kündigt Theater Forum Schwechat an: „Wir schreiben eine Fortsetzung – Vatertag – die Frauen schlagen zurück. Realsatire: Was die Männer können, können die Frauen schon lange und wenn sich der Opa auf den Willi setzt, macht die Oma ihn mit ihren Gesangskünsten fertig. Eine Antwort auf Muttertag, nur über 30 Jahre später! Alles hat sich geändert, die Emanzipation hat Einzug gehalten, es wird gegendert, was das Zeug hält, aber haben wir uns tatsächlich weiterentwickelt?“
Sogar die Premiere ist schon angekündigt: 4. Mai 2024, 20 Uhr

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Doppelseite aus dem Bilderbuch "Seeräubermädchen uind Prinzessinnenjungs"

Seeräuberin und Prinzess

Dieses Bilderbuch hat zwei Hauptfiguren: Mara und Milo. Anfangs kennen sie einander noch gar nicht. Ihr Autor, Nils Pickert widmet die ersten beiden Abschnitte – illustriert von Lena Hesse – der Vorstellung von Mara und Milo.

Erstere ist Seeräuberin. Sie spielt fast nichts anderes, taucht voll in diese Welt ein. Von der Oma hat sie zum fünften Geburtstag sogar einen selber geschnitzten Holzsäbel gekriegt. Wo immer sie einen Überfall plant, versteckt sie erst die Waffe. Meistens will sie von ihrem Vater „Goldtaler“ rauben, köstliche Kartoffelpuffer, die er zubereitet. Ach ja, und sie hat drei Enterhaken – für unterschiedliche Zwecke.

Aller guten Dinge sind drei…

Drei von einem Lieblingsding hat auch Milo, und zwar glitzernde Krönchen – auch für verschiedene Anlässe. Überhaupt steht er auf bunt, glitzer, Röcke, Kleider und vor allem Tanzen.

Natürlich ist von Anfang an klar, dass Autor und Zeichnerin die beiden aufeinander treffen. Das passiert auf Maras Spielplatz, wo ihr liebster Platz ein großes hölzernen Schiff ist. Milo und seine Eltern sind neu in die Gegend gezogen und zum ersten Mal auf diesem Spielplatz, dem Begegnungsort der beiden. Die werden rasch so etwas wie ein Herz und eine Seele, beste Freund:innen.

Und damit ein bisschen Spannung in die Geschichte kommt, braucht’s was (fast) Dramatisches. Mara und ihr Papa verreisen für zwei Wochen. Und das führt bei beiden zu Trübsal, Traurigkeit – „eine schreckliche Vermissung“ steht als eines der wenigen doppelseitigen Bildern zwischen den Textseiten wie sich das für Mara bzw. Milo anfühlt – die über Mara sind übrigens immer himmelblau, jene über Milo lila gedruckt.

Und – wie zu erwarten – lassen Pickert und Hesse es natürlich nicht dabei bleiben. Wiedersehen folgt. Aber da wirkt die „Vermissung“ noch einige Tage nach.

Wie es zu diesem Buch gekommen ist

„Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“ ist sozusagen gegen noch immer vorhandene Rollenklischees „gestrickt“. Und eigentlich eine Folge dessen, dass der Autor sich schon lange dafür einsetzt, dass Buben auch Gefühle zeigen dürfen und sollen, unter anderem schreibt er seit Jahren gegen Rollen- und Geschlechter-Schubladen auf der Website pinkstinks mit Sprüchen über die eigenen Anliegen wie „Rosa für alle“ oder „Vielfalt ist schön“.

Berühmt wurde er vor rund zehn Jahren mit einem Foto, das er in sozialen Medien gepostet hatte. Es zeigte einen seiner Söhne und ihn von hinten – der Bub im rosa Kleid, der Vater in einem roten Rock. Der Bub mochte das wohl auch weil er seine ältere Schwester gern hat, die er in solchen Gewändern sah. Als der damals Fünfjährige eines Tages daheim klagte, dass er von anderen ausgelacht worden war, ging Nils Pickert – in einem Rock – mit ihm durch die Stadt. Ein Foto davon postete er. Das erregte Aufsehen. Und deswegen schreib er das Buch „Prinzessinnenjungs“ (Beltz Verlag), in dem er sich umfassend mit Erziehung, Rollenklischees, Frauen- und vor allem Männerbildern auseinandersetzt.

Und dann, so verriet er schon im Interview über dieses Buch – damals noch für den Kinder-KURIER (Links unter dem Beitrag) -, dass ihn der Carlsen-Verlag angesprochen habe, ob er nicht zu diesem Thema auch ein Kinderbuch schreiben wolle. Ja, und das ist eben die Geschichte um Mara und Milo sowie deren Hund Landratte und dessen Lieblingspuppe Lulu geworden.

Foto inspirierte einen aktuellen Kinofilm

Übrigens, das angesprochene Foto von Pickert und Sohn war Inspiration für den (Film-)Schauspieler Florian David Fitz, ein Drehbuch zu schreiben. „Oskars Kleid“ (Regie: Hüseyin Tabak) läuft derzeit in den Kinos. Oskar, die Hauptfigur mag gern Kleider und will außerdem Lili genannt werden. Was vor allem den Vater und dessen Männlichkeitsbild (über-)fordert.

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Sohn und Vater rock-en gegen Rollenklischees -> Kinder-KURIER

Interview mit Nils Pickert -> Kinder-KURIER

Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Seeräubermädchen uind Prinzessinnenjungs“