Aufs erste wirkt der Titel des Stückes, das im bekannten Café Landtmann neben dem Burgtheater beginnt und in einem kleinen Theater in der Blumauergasse im 2. Wiener Bezirk endet, wie ein Wortspiel. Eines, das Fragezeichen auslöst. „Wir spielen die Spielrein rein“. WTF ist „die Spielrein“?
Und genau darum dreht sich vieles in den Szenen des Inklusiven Theaters Delphin sowohl in jenem Saal im berühmten Kaffeehaus, in dem oft Pressekonferenzen stattfinden, als auch in der Delphin-Homebase. „Die Spielrein“ ist keine fiktive Figur, sondern die Ärztin und Psychoanalytikerin Sabina Naftulowna Spielrein (1885 bis 1942). Geboren im russischen Rostow am Don, als eines von fünf Kindern einer Zahnärztin und eines Kaufmannes, kam sie mit 19 Jahren in die Klinik Burghölzli in Zürich (Schweiz) mit der Diagnose „Hysterie“. Der bis heute bekannteste Arzt dort war Carl Gustav Jung, ein früher Schüler des Wiener Erfinders der Psychoanalyse, Sigmund Freud.
Ein Jahr später schon begann Spielrein in Zürich Medizin zu studieren und promovierte sechs Jahre später mit einer Arbeit über den psychologischen Inhalt eines Falles von Schizophrenie zur Doktorin. Danach verbrachte sie auch einige Monate in Wien und wurde zu den legendären „Mittwochsgesellschaften“ der Wiener Psychoanalytische Vereinigung mit Freud eingeladen und dort erst als zweite Frau aufgenommen. 1923 kehrte sie mit ihrer Tochter in ihre Geburtsstadt, dann schon in der Sowjetunion, zurück, wo einige Jahre später Psychoanalyse verboten wurde, sie dann als Pädagogin und Ärztin arbeitete. Und 1942 im Zuge des Überfalls von Nazi-Deutschland gemeinsam mit Tausenden anderen Jüdinnen und Juden ermordet wurde.
Dennoch ist auch heute ihr Name weitgehend unbekannt. Das wollte Theater Delphin ändern. Bei Diskussionen, welche Stück als nächstes in Angriff genommen werden sollte, war – so die künstlerische Leiterin und Regisseurin dieses Stücks, Gabriele Weber, zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „klar, wir wollen eine starke Frau ins Zentrum stellen. Wir hatten verschiedene Vorschläge, Valentina nannte dann die Spielrein.“
Und diese Valentina Himmelbauer, die mehr über die in Vergessenheit geratene Pionierin in der Psychoanalyse, schrieb dann einen Text fürs Stück und schlüpft auch selber in die Rolle der Sabina Spielrein.
Die Inszenierung ist aber keine einfache Biographie dieser Wissenschafterin, die wichtige Aufsätze zur Kinderpsychologie geschrieben hat, vor allem aber auch zu Sexual- und Todestreib forschte. Das Stück ist einerseits rund um den Kampf um Anerkennung ihrer Arbeit gebaut. So beginnen zuerst vier Männer auf grauen Podesten: Sigmund Freud (Georg Wagner), C. G. Jung (Ante Pavković), Prof. Bleule, Leiter der Klinik Burghölzli (Rigel Flamond) sowie Dr. Otto Gross, ebenfalls ein Psychoanalytiker aus dieser Zeit rund um Burghölzli (Stefan Musil). Gscheit daherreden. Die Spielrein will sich – es soll doch um sie gehen – endlich Platz auf der kleinen Bühne im Landtmann verschaffen. Nix da. Kein Durchkommen. Irgendeine Randfigur soll sie spielen, wird ständig unterbrochen… Tragisch, dass dies – obwohl alle in Kostümen (Sigrid Dreger), die historisch wirken – gar nicht nur so vergangen wirkt!
Selbst Anna Freud (Ivana Veznikova; Anna als Kind wird von Anna Freud als Kind: Sinah Stamberg gespielt und getanzt) wird eher auf die Rolle als Tochter Sigmunds reduziert und der Schwerpunkt ihrer Arbeit auf Kinderanalyse als „eh kloar, weil Frau…“ abgewertet. Und wenn überhaupt dann herrscht der Tenor „für eine Frau bist eh intelligent…“
Das Stück spiegelt nicht nur diesen damaligen – und heute gar nicht so viel weniger nötigen – Kampf von Frauen um Anerkennung ihrer Leistungen. Die Dynamik des Spiels lebt davon, dass die Schauspieler:innen immer wieder aus ihrer Rolle aussteigen und eben als Theaterleute agieren, die für ein Stück, ja eher sogar für einen Film proben. „Na geh, jetzt stört die schon wieder“, „so kommen wir nicht weiter“, „wir wollen doch auch fertig werden“. Wobei manche wie „halt doch endlich die Klappe“ oder „spar dir den Kommentar“ dann doch wieder gleich für beides gelten könnte. Immer wieder „muss“ die (Film-)Regisseurin im Stück (Bianca Bruckner) mahnen, dass, und wo jetzt weiter geprobt werden müsse.
Dieses Spiel im Spiel ist erst – so verraten Mitwirkende – erst bei den Proben entstanden.
Was vielleicht im Stück dann doch ein wenig zu kurz kommt, sind die Leistungen von Sabina Naftulowna Spielrein. Könnte aber sein, dass – angefixt von dem spannenden, vielschichtigen Spiel auf mehreren Ebenen, Besucher:innen das doch ausführliche Programmheft mit Zitaten aus Spielreins Tagebüchern genau zu lesen, bzw. danach zu suchen und lesen – Link zu einem wikipedia-Artikel, der einen guten Überblick verschafft, unten am Ende des Beitrages.
Was jedenfalls im Klinik-Teil im Theater dezidiert angespielt und -gesprochen wird ist die Legende von der sehr oft verbreiteten Geschichte, dass Spielrein Geliebte von C. G. Jung gewesen sein soll. Dies ist nicht sicher, basiert auf Tagebuch-Aufzeichnungen von engen, vertrauten Kontakten und auf Briefen von Jung mit Freud, in denen ersterer von sexuellen Begehren seiner Patientin schreibt. Aber was ist mit ihm? Als ihr Therapeut hätte er in so einem Fall ja das Autoritätsverhältnis missbraucht…
Unbeschwert, voller Leichtigkeit spielen sich die drei Tänzer durch den Raum und mit ihren Papierfliegern. Da sind Petr Nedbal, Emanuel Rüfenacht und Flamur Shabanaj sehr junge Buben, einfach Kinder, die (noch) nicht auf Rollen fixiert, in Schubladen gesteckt, wurden. Doch damit ist’s recht bald vorbei.
Schnell und stark sein, obendrein immer mehr und besser als die anderen… – Konkurrenz als patriarchalisches Prinzip noch immer mit Männlichkeit engstens verbunden. Und das trotz jahrzehntelanger intensiver Diskussionen, in mehreren Wellen erstarkter Frauenbewegung und davon ausgelöst doch auch Debatten um neue Männerbilder, insgesamt Rollen jenseits altbackener Klischees…
Kollektiv F Bern ließ sich von dem Buch „Sei kein Mann“ von JJ Bola für das jüngste Stück inspirieren. Unter dem selben Titel zeigte es das Tanzstück am Abend des internationalen Frauentages beim „jungspund“ Theaterfestival für junges Publikum. Der (lyrische) Schriftsteller in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) geboren und ab seinem 6. Lebensjahr in London aufgewachsen, arbeitete nach seinem Masterabschluss in Kreativem Schreiben einige Jahre als Sozialarbeiter für Jugendliche mit psychischen Problemen. Doch schon als Jugendlicher hatte er sich in Tagebüchern und Gedichten mit männlichen Rollen-Zuschreibungen auseinandergesetzt.
Von dem 2019 (auf Deutsch ein Jahr später) erschienenen Buch ausgehend, arbeitete Kollektiv F Bern einerseits mit Jugendlichen in der eigenen Stadt und andererseits mit den drei Tänzern an der Verarbeitung eigener Erfahrungen sowie deren Reflexionen. Konzept, Recherche und Vermittlung stammen von Luzius Engel, die Choreografie von Vanessa Cook. Luz Gonzàlez als Live-Musikerin im seitlichen Bühnen-Vordergrund treibt sozusagen das Tanz-Geschehen an. Mirjam Berger steuerte nicht nur das Lichtkonzept zur rund einstündigen Performance bei, sondern agiert ebenfalls seitlich im Vordergrund der Bühne und setzt den jeweiligen Fokus.
Das Tanz-Trio „erinnert“ sich teils an eigene Jugend-Szenen, so bekennt einer sich schuldig, gegenüber seiner Schwester bevorzugt worden zu sein…
Me Culpa, Konkurrenz und Kampf, Reflexionen, Versprechen zur Besserung, Ansätze diese auch im Umgang miteinander zu versuchen… – noch immer ein Minderheitenprogramm. Vielleicht aber auch nicht der ideale Ansatz, um Jungs oder Männer zu einem Umdenken bzw. noch wichtiger einer Änderung von Verhalten zu bewegen?
Möglicherweise ist schon der Titel nicht ideal, lautet die wörtliche Übersetzung des englischen Originals doch „Maske ab: Männlichkeit neu definiert“, und selbst der deutsche Untertitel (Übersetzung: Malcolm Ohanwe) gibt weit mehr her als der Stück- und Buchtitel, nämlich „Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist“.
Und das ist vor allem JJ Bolas Ansatz, eigenes Erleben, Erkenntnis in der Arbeit mit männlichen Jugendlichen und der Tenor des Buches: Klassisch männliche Rollenbilder als gewaltige Einschränkung für Buben und Männer – kaum bis keine Gefühle zulassen dürfen … – das kommt in so manchen der Szenen zwar ansatzweise vor – aber insgesamt wirkt die Performance ein wenig stark pädagogisch durchzogen von erhobenem Zeigefinger.
Da hätte wenigstens ein Spur vom Zugang zur „Greulichen Griselda“ des Vorstadttheaters Basel ganz gut getan – Rollenklischees mit einem kräftigen Schuss Humor zu durchbrechen und damit in Frage zu stellen.
Wobei es auch einen kulturell eingeschränkten Blick gibt, verblüfft doch Bola in seinem Buch schon im Vorwort mit folgender Frage, die er aus eigenen Erfahrungen ableitete: „Wie konnte es sein, dass es in einem Teil der Welt völlig normal war, wenn zwei Männer sich an den Händen hielten, während die Menschen in einem anderen Teil der Welt stehen blieben und starrten?“
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
In die Schlussphase des diesjährigen (vierten) „jungspund“ Theaterfestivals für junges Publikum im Schweizer St. Gallen fiel der internationale Frauentag am 8. März. Den fulminanten Schluss- und für viele sogar Höhepunkt setzte anderntags „Greuliche Griselda“ vom Vorstadttheater Basel. Ausgehend von dem Bilderbuch gleichen Namens von Edna Mitchell Preston (1973) entwickelten Regisseurin (Gina Durler) und Spieler:innen gemeinsam eine lustvolle und spielfreudige Version dieser „greulichen“ Variante einer Art Pippi Langstrumpf, also eines bärinnenstarken Mädchens – und einer ebenfalls sehr selbstbewussten schrägen Tante. Etliche Stücke beim Festival thematisierten andere Buben- und Männerbilder – alle von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… besprochenen Stücke am Ende des Beitrages verlinkt, „Sei kann Mann“, das direkt am Abend des Frauentages getanzt wurde, folgt erst noch.
Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden. Da können die Eltern noch so bemüht, liebevoll sein und versuchen, auf die Wünsche der Tochter einzugehen. „Bääääh! Sicher nicht!“ schallt es ihnen entgegen. Viel mehr noch als Ohnmacht und Verzweiflung bereitet ihnen Sorge, dass die reiche Tante des Vaters, nach der sie aus Erbschleicher-Gründen ihre Tochter benannt haben, sei enterben könnte. Da wollen sie Vanillje, das nette Mädchen aus der Nachbarschaft, beim Tante-Besuch als ihr eigenes Kind ausgeben. Doch die durchschaut den Trick und will die echte junge (Namens-)Großnichte sehen. Und genau deren aufmüpfiges, freches, unbekümmertes Wesen gefällt ihr – sehr sogar!
Erst aus der Not der abhanden gekommenen Schauspielerin geboren, wie Dramaturgin und Produktionsleiterin Ronja Rinderknecht im Inszenierungsgespräch verriet, erwies sich die Entscheidung die junge Griselda mit einer Puppe (erstmals in dieser Theatergruppe) zu besetzen als absoluter Glücksgriff. In ihrem auf hässlich designten, gleichzeitig große Sympathie ausstrahlenden Gesicht (Puppenbau und -spiel: Priska Praxmarer) be- und verzaubert sie das Publikum, zumindest den Großteil 😉 Außerdem kann sie als Puppe Dinge, die eine menschliche Spielerin nicht so leicht zustande brächte – etwa auf einem Luster turnen.
Praxmarer, die die Puppe führt, schlüpft anfangs in die Rolle einer Bediensteten in Livree. Ihr Partner als „Personal“ ist Tobias Schulze, der allerdings vor allem in der Rolle der Tante Griselda auf andere Art aber doch „griseldisch“ wirkt.
Den Reiz dieser nicht ganz 1 ¼-stündigen Produktion macht nicht zuletzt das bewusst disharmonische und doch in seiner Spielfreude harmonische Ensemble aus. Neben den schon Genannten agieren Bea Nichele-Wiggli als liebe- wie verständnisvolle, aber doch verzweifelte Mutter ebenso wie Florian Müller-Morun als gleichwertiger Vater – mit kleinen doch eher klischeehaft zugeordneten Tätigkeiten. Beide schlüpfen aber noch in andere Rollen. Sie wird zur lieblichen, oberg‘scheiten, superbraven Vanillje. Er verschwindet in einem Fell, das zu Beginn ein Mammut im Museum, später einen Teppich „spielt“ und schließlich zu einem Monster namens Gruselfies wird, pardon Griselfuß wie Griselda es gezähmt nennt.
Abgerundet wird diese Inszenierung nicht zuletzt durch die Bühne (Fabian Nichele), auf der die meisten Einrichtungsgegenstände zunächst irgendwo weit oben unter der Decke hängen, von den Spieler:innen im Bedarfsfall per Seilzug heruntergeholt und auch wieder nach oben verfrachtet werden. Ebenso überzeugen die jeweiligen Kostüme (Benjamin Burgunder).
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
„Ich gump hüt vom grosse Schprungbrätt!“ – auf Hoch- oder Standarddeutsch „ich spinge heute vom großen Sprungbrett!“ Und zwar von 3 Metern. Darum dreht sich das knapp mehr als ¾-stündige Tanzstück.
Eine Schülerin – ziemlich einsam auf dem Spielfeld. Zwölf große Kunststoff-Kanister mit jeweils rund einem Fünftel Wasser befüllt, eine Kreide und ein Handtuch. Mit den beiden Objekten „zaubert“ sie Licht bzw. Musik herbei. Ansonsten sind kurzzeitig – aus dem Off – Kinderstimmen zu hören, wen sie jeweils für ein Teamspiel wählen; viele Namen fallen. „Natürlich“ bleibt unsere Protagonistin als Allerletzte übrig.
Und wie Tina Beyeler (Tanz und Choreografie) tänzerisch, von der Körperhaltung und mimisch agiert, sicher nicht zum ersten Mal, wahrscheinlich immer wieder.
Denen wird sie’s zeigen – und sie tätigt den oben zitierten Spruch in einem der Deutsch-Schweizer Dialekte in „Spring doch“ von Kumpane Schaffhausen (Text, künstlerische Mitarbeit: Andri Beyeler; Komposition: Sandro Corbat). Zum ersten Mal fährt sie, die offenbar sehr jung ist, allein mit dem Bus. Ziel: Schwimmbad.
Aber so easy ist das alles doch nicht. Da schwingen ganz schön viel Bammel, Angst und Zweifel mit – neben dem Trotz und Mut. Und genau dieses Hin und Her lässt die Tänzerin – in ihren teils akrobatischen Bewegungen – ob mit oder ohne die Objekte, vor allem die genannten 12 Kanister spüren, miterleben – wenngleich es vor allem jüngeren Kindern ein wenig zu lang wurde bei der Aufführung im Rahmen von „jungspund“, dem Theaterfestival für junges Publikum in der Lok-Remise von St. Gallen (Schweiz).
Ein wenig erinnert die Geschichte an das Bilderbuch von Heinz Janisch (Illustration: Ingrid Godon; Verlag: Bloomsbury K & J), das vor elf Jahren mit Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet worden ist.
Rita, ein Mädchen mit roter Badekappe, schickt sich an, vom 3-Meter-Brett zu springen. Schaut hinunter. Lange. Kehrt dann aber um, und steigt die Leiter hinunter – zum 1-Meter-Brett. Doch auch da springt sie nicht. Was ein Junge im Schwimmbad lautstark mit „Feigling“ kommentierte.
„Fische springen nicht von Türmen“, konterte Rita schlagfertig, schwamm davon und tauchte dazwischen. Das beeindruckte einen anderen Jungen, der am Beckenrand saß und überlegt hatte, welch beeindruckende Dinge und Menschen er schon in seinem Leben gesehen hatte. Doch nichts von dem, das vor seinem geistigen Auge dahinhuschte reichte an diesen Mut Ritas heran!
In „Spring doch“ endet die Geschichte dann doch anders – das sei aber nicht gespoilert.
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
„Erde, wie geht’s dir?“ fragen Nora Vonder Mühll & Stefan Colombo (Theater Sgaramusch) die Kugel, die sie an einem langen von der Decke baumelnden Seil aufgehängt haben. Zuvor haben sie per Schnur und Kreide einen großen Kreis auf den Boden gezeichnet, aus einer Tasche verschieden große Bälle und so manch anderes Zeugs herausgeholt – ein Universum „erschaffen“. In und mit diesem spielen sie in „Urknall“. Das heißt eigentlich zeigten sie nur zehn Minuten daraus. „Schaufenster“ nennt sich das Format, das am „jungspund“-Abschlusstag des Theaterfestivals für junges Publikum im Schweizer St. Gallen einen Einblick in aktuelle – teils erst entstehende – Produktionen für Kinder bzw. Jugendliche geben will.
Ebenfalls – aber auf ganz andere Art und Weise laden Bharathi Mayandi Franaszek, Stephanie Müller, Matthias Nüesch von pulp.ooo auf eine Zeitreise zum Beginn wenigstens des Lebens auf der Erde ein: „Wir sind dann mal weg“ ist ein Wechselspiel zwischen menschlichen Schauspieler:innen, Figuren und der Zeitmaschine Solveig, einer Art Licht-Puppe, sowie physikalischen Experimenten mit Wasser, flüssigem Stickstoff und vielem mehr (Letzteres bei der Präsentation als Video-Einspielungen). Und der Titel deutet an, dass vielleicht auch die Frage verhandelt wird, wieweit die Menschheit mit ihrem Tun oder Unterlassen an ihrer eigenen Abschaffung und der so manch anderer Arten arbeitet.
Sehr großen Anklang fand die Performance von Annina Mosimann über das Zusammenleben von anfangs nur als Hände oder Füße auftauchenden menschlichen Körperteilen aus kleinen Klappen einer großen senkrecht aufgestellten Kiste mit Tieren wie einer Fliege, Ratte, Spinne usw. und dazu noch der Bedienung einer Loopstation und eines kleinen Tasteninstruments. „Bestiarium – Varieté der vergessenen Tiere“, nennt sie ihre Show.
An Beppo, den Straßenkehrer in Michael Endes Momo, erinnert der erste Moment in „Echo, Echo“ von theater salto&mortale. Doch hier geht’s um das Zusammenleben in einem abgeschiedenen Dorf – und das als „Eindringen“ empfundene Auftauchen eines Fremden sowie um Warnungen der Raben vor einem drohenden Bergrutsch – und das nicht-zuhören der Einheimischen.
Apropos Aufkehren und Putzen – in „Giraffenblues“ (kuckuck-Produktion) entert ein Reinigungstrupp das Museum (entstanden in Kooperation mit dem Zoologischen Museum der Universität Zürich) oder den jeweiligen Spielort. Eigentlich sollte hier ein Theaterstück stattfinden, aber… – ein Trick, den so manche Theatergruppe schon angewandt hat: Die Putzbrigade spielt einfach ein, nein DAS Stück. Und dieses nimmt Anleihe bei einer wahren Begebenheit: 1935 wurde eine in Giraffe damals in Tanganjika (heute Region zwischen Tanzania und Kenia) gefangen und in die Schweiz transportiert, wo sie in den Züricher Tiergarten kam.
„Giraffenblues“ (Regie: Roger Nydegger) rückt allerdings den Einreiseversuch unter die Lupe: Giraffe keein Problem, die lassen Mira Frehner und Andreas Peter als Grenzbeamt:innen durch. Doch den menschlichen Begleiter und Betreuer Mokassa, gespielt von Robert Achille Gwem, den wollen sie nicht reinlassen. Was vielleicht heute nicht viel anders sein könnte, oder?!
Natürlich spielen Themen wie Umgang mit Social media, Influencer:innen-(Möchtegern-)Dasein usw. in so manchen Stücken eine wichtige Rolle. Red von Merge Dance Collective ist so ein (Tanz-)Stück – noch dazu mit viel Humor. Linda Heller & Audrey Wagner tauchen in typische TikTok-Posen ein: Zack, Boom, Bäm – 100.000 Follower – oder doch nicht. Nein, wir sind doch ganz anders, wir sind ehrlich, authentisch und so weiter – oder auch das wiederum nur ein Marketing-Gag?
Noch krasser – selbstironisch und doch fast nichts anders als die Wirklichkeit so mancher TV- und Online-Shows aufnehmend, agiert Linda Hügel (Text: Fiona Schreier; Regie: Johanna Benrath) in „Das ist die Moral der Geschichte, Liebling“ (netzwerk wildi blaatere). Erst mit Riiiiesen-Mikro über die Auflösung der Moral philosophierend, wandelt sie sich zur Show-Masterin, die das Publikum auf Teufel-komm-raus animiert – und manipuliert.
Auf ganz andere Art animiert Nadja Rui als Kind Ira das Publikum – durch die Reihen spazierend, einzelne Zuschauer:innen ansprechend verwandelt sie diese beispielsweise abwechselnd vor allem in ihren Opa. „Unter Drachen“ (Text: Hanna Röhrich; Regie: Patricija Bronić) ist eigentlöich konzipiert, um in einem eigenen großen Kuppel-Zelt gespielt zu werden – auf engem Raum mit dem Publikum. Und es geht um den Tod des Großvaters bzw. die Erinnerung an ihn und seine nach und nach verloren gegangenen Erinnerungen als er noch gelebt hat.
Um (analoges) Mobbing, vor allem im Zusammenhang mit dem Vertrauensbruch einer engen Freundin dreht sich „Die Geschichte von Lena“ (Theater Spielfeld/theater fabula!), gespielt von Lisa Gartmann und Eliane Blumer.
Den humorvollen Abschluss des Schaufensters – die echte Reihenfolge unten im Info-Block (nicht hier in diesem Beitrag) performten (abwechselnd Tanz und Sprache) Lucia Gugerli und Christophe Rath von der Cie Nicole Seiler, von der auch das Konzept und die Choreografie stammt. „Encyclopedia“ versteht sich als eine solche – von Gesten, Begriffen und Bezeichnungen. So wird die eine zum Strich, Winkel, einer Statue, gleich danach zu einer gestürzten Statue, der andere zum Äffchen, einem Disco-Move on repeat, einem Hochhaus und Godzilla, der ein solches zerstört…
Follow@kiJuKUheinz
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
Die Schweiz – auf den ersten Blick und in vielen Köpfen wohl DAS Land der Vielsprachigkeit in Europa. Französisch, Italiens und Rätoromanisch (wobei es da mehrere Sprachen gibt) neben Deutsch – und letzteres vor allem in verschiedenen Dialektausprägungen. „Hochdeutsch ist für viele im deutschsprachigen Teil des Landes die erste Fremdsprache“, sagte ein Teilnehmer des Symposiums „Theater für junges Publikum in einem vielsprachigen Land“. Dies fand am vorletzten Tag des Festivals „jungspund“ (nicht nur) für junges Publikum statt.
Aber ist es wirklich so? Die verschiedenen Sprachen in der Schweiz seien eher strikt getrennt, voneinander abgegrenzt. Zweisprachige (Deutsch und Französisch) Städte und Orte wie Biel würden beispielsweise von St. Gallen aus „exotisch“ betrachtet und „Röschti-Graben“ wäre tatsächlich eine Art Graben zwischen Landesteilen unterschiedlicher Sprachen (die selben zwei) tönte es mehrfach.
Und so holten sich die Organisationen – neben dem Festival noch die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur in Kooperation mit dem Institut für Theaterwissenschaft der Uni Bern und die Pädagogische Hochschule St. Gallen – zum interessanten Eröffnungsvortrag eine führende Mitarbeiterin von Rotondes: aus Luxemburg. Sie ist in dieser ehemaligen Lok-Remise – eine solche ist auch in St. Gallen Hauptspielort des genannten Festivals – für die Sparten Bühnenkunst und partizipative Projekte zuständig.
Luxemburgisch, Deutsch und Französisch seien überall im Land allgegenwärtig, auch in der Schule präsent, wenngleich da und dort die eine oder die andere Sprache dominiere. Mit Englisch sei eine vierte Sprache weit verbreitet, außerdem würden Erst- oder Muttersprachen mittlerweile auch gefördert. Die Hälfte er Bevölkerung komme aus anderen Ländern, in der Stadt Luxemburg sogar mehr als zwei Drittel (70%). Diese Vielsprachigkeit und Multikulturalität werde gelebt und gefördert, dennoch achte sie bei der Progammierung darauf, immer wieder auch Produktionen ohne Worte einzuladen, um gar keine sprachlichen Barrieren aufkommen zu lassen. Inklusion und sprachliche Brücken seien sozusagen die Zauberwörter, weshalb sie auch „Sprache pas de Problema?!“ zum Titel ihres Referats wählte – das sich Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… auch für diesen Beitrag ausgeborgt hat. Sie selbst habe sich dazu vom Slogan des Export/Import-Kulturfestivals im belgischen Brüssel (von La Montagen Magique und Bronks) inspirieren lassen „Language – no problem!“
Zurück zur Schweiz: Dabei hat diese nicht nur vier verschiedene Landessprachen, sondern eine Pionierin der Förderung von Mehr- und Vielsprachigkeit im elementarpädagogischen Bereich. Silvia Hüsler begann selber als Kindergärtnerin vor Jahrzehnten Kinder zu bitten, Gedichte, Lieder und Geschichten aus ihren Herkunftssprachen mitzubringen. Vor allem Reime sind immer für praktisch alle Kinder spannend – oft egal in welcher Sprache. Seit „ewig“ veröffentlicht sie mehrsprachige Bilderbücher – zuletzt hat KiJuKU „Besuch vom kleinen Wolf“ besprochen – im Buch sind acht Sprachen versammelt – über die Website kann der Text in weiteren fast zwei Dutzend Sprachen downgeloadet werden.
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
Künstlerisch verspielte Gebilde erinnern an eine Art von Zahn-, andere an Spinnräder. In Sonnenstrahlen- und anderen Formen, teils aus bunt bemalten Holzstäben sind sie neben dem Schriftzug des Festivals vor der „Lok-Remise“ angebracht. Mit Schnüren verbunden lassen sie sich an zwei verschiedenen Kurbeln zum Drehen bringen. Andere stehen in dem Halbrund der einstigen Garage für Lokomotiven.
Seit vielen Jahren beherbergt die Lok-Remise gleich neben dem Bahnhof St. Gallen (Ost-Schweiz) Zwei Theater- bzw. Veranstaltungssäle, ein Kino, einen Restaurantbetrieb. Dort gehen die meisten der Stücke beim vierten „jungspund“-Festival (nicht nur) für Kinder und Jugendliche über die Bühnen.
Die hölzernen Installationen stammen vom „Kollektiv hochhinaus“. Bei der vorigen Ausgabe, zu der Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… ebenfalls für einige Tage eingeladen war, werkten Künstler:innen des Kollektivs an einem (Leucht-)Turm und luden Besucher:innen dazu ein, mitzubauen. Dieses Mal nennen sie ihr Werk „Drehereien“ und baute dafür die eingangs getriebenen „Maschinen“-Teile.
An einem Tag – Pech, es war jener an dem es schneite – durften Besucher:innen aus Holz und Schrauben bzw. Nägel „Roboter“ bauen. Die beiden Buben Liam und Joel ließen sich von dem nicht einladenden Wetter nicht abhalten, unter einer Zeltplane erfreuten sie sich daran, mit echtem, ungehobeltem Holz zu arbeiten und mit einem Akku-Schrauber Leisten zusammenzubauen. Beide verraten, dass „wir gerne basteln, aber bisher nur mit Papier oder Karton. Das hier ist das erste Mal mit Holz und richtigem Werkzeug.“
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
Vor der Garderobe mit einigen Jacken und Kappen treffen sie zufällig aufeinander. Robert Suter, der lieber nur Robi heißt. Wieder einmal aus der Klasse geschmissen, weil er so schnell denkt und das auch lautstark zum Besten gibt. Freut die Lehrer:innen gar nicht. „I bin dus, rausgeflogen“ beginnt er halblaut vor sich hin zu dichten und das noch dazu rhythmisch – es wird zum Song.
Da landet auch Rico Hernandez auf dem gemeinsamen Gang – er aus einer anderen Klasse und weil er als Neuankömmling wenig bis nichts versteht, voll verzweifelt ist.
Beide sind Außenseiter. Und nicht nur das. Beide haben wenig, naja ehrlicherweise jeweils gar keine Freund:innen. Und noch etwas verbindet sie: Liebe zur Musik – und zwar nicht nur solche zu hören, sondern auch selber zu machen.
Und das tun Gustavo Nanez (Rico) und Dominik Blumer (Robi) auch live – mit E-Gitarre (Letzterer), E-Bass bzw. Schlagzeug der zuerst Genannte. Mehrmals im Verlauf des rund einstündigen Stücks für Menschen ab 8 Jahren beim Theaterfestival „jungspund“, dieses Stück im FigurenTheater St. Gallen (Schweiz), die meisten finden in der umgebauten ehemaligen Lok-Remise neben dem Bahnhof statt. Der Stücktitel von „Kolypan und Teatro Lata“ sei hier erst – aus guten Gründen – gegen Ende verraten.
Die Liebe zum Musikmachen (neben Computerspielen) ist die beste Voraussetzung, die andere Gemeinsamkeit der beiden zu beenden: Sie werden Freunde. Sogar durch Dick und Dünn. Heimlich schleichen sie sich in den Proberaum der Schule, der ohnehin praktisch nie genutzt wird. Außerdem schwänzen sie einen Tag die Schule und weil sie nach der Übernachtung im Proberaum hungrig sind, klaut Robi – Rico steht Wache, „weil mich aus Ausländer haben sie ohnehin immer im Auge – Lebensmittel im Supermarkt.
Intensiv üben sie Songs für das Abschlusskonzert in der Schule – und machen groß Werbung für die nun von ihnen gegründete Band. Deren Namen (der auch der Stücktitel ist – Geduld noch!) sprayen sie groß unter anderem auf die Turnsaalwand. Das allerdings gibt Zoff. Vorladung in die Direktion.
Ärger aber noch als der Zusammenschiss und die Kosten fürs Entfernen des Schriftzuges sind die nun auftauchenden gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die neue Freundschaft zerbricht.
Natürlich doch nicht. Bei der Wendung (Regie: Meret Matter; Textmitarbeit neben den beiden Spielern: Julia Kubik) zu einem doch noch Happy End schlüpfen die musizierenden Spieler in die Rollen ihrer beiden Väter – leicht anderes Gewand, andere Körperhaltung, veränderte Sprachfärbung. Doch so glatt geht’s dann doch nicht.
Sehens- und vor allem hörenswert sind die entfesselten Band-Auftritte zwischendurch und vor allem am Ende. Noch spannender – und wichtiger – ist die Entwicklung der beiden Protagonisten wie es im Untertitel heißt „From Zero to Hero“ (Von Null bis zum Helden). Und die immer wieder recht witzige Zerlegung klassisch männlicher/bubenhafter Klischees, denn heldenhaft ist unter anderem sich zu entschuldigen. Genialer Einfall für den Band- und Stücktitel: Stereo-Typen.
Hervorzuheben ist auch die recht einfallsreiche Ausstattung (Ausstattung: Sara Giancane; Bühne: Gustavo Nanez) und da wiederum vor allem die gepimpten Bikes – die hier auf der kleinen Bühne allerdings nicht ausgefahren werden konnten. Die stärksten Emotionen im vollbesetzten Publikumsraum löste die Übernachtung im Proberaum aus. Im Traum versinken beide in ihre Lieblings-Computerspiele und tauchen verwandelt als Art Zombie-Ritter auf, die einander heftig bekämpfen. Hier spielt aber auch Angst der ach so starken Jungs eine nicht unerhebliche Rolle.
Einziges Manko – das für viele Stücke in vielen Theater gilt: Wenn Spieler:innen ganz nah am Bühnenrand sehr bodennah – hier liegend – agieren: Zuschauer:innen in den hinteren Reihen sogar dieses schräg ansteigenden Publikumsraums mit – einzigartig – höhenverstellbaren Sitzen sieht dennoch (fast) nichts davon.
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
In der sehr verspielten Art einer „Wettershow“ verschafft der Schauspieler Moritz Alfons dem Publikum – ob sehr jungen Kinder oder Erwachsenen – viele Wowh-Momente. Staunen. Verzauberung.
Zu Beginn im zweiten Raum der Lok-Remise in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes St. Gallen (Schweiz), dem Hauptspielort des Festivals „jungspund“, liegt er schlafend auf dem Boden unter einer dunklen Decke. Der Morgen naht, die Decke zieht sich zurück. Komm bleib noch ein bisschen, liebe Nacht, sagt er in etwa – auf Bern-Deutsch. Weshalb der Rezensent es nur erahnen kann 😉
Aber bald ist’s dann doch Zeit aufzustehen, er verstaut die „Nacht“ in einem Schrank und wünscht ihr angenehme Schlafenszeit. Er selbst zieht sich hektisch an, das Radio schaltet sich ein. Der Wetterbericht für diesen Tag hält alles bereit – vom strahlend blauen Himmel mit Sonnenschein über bewölkt bis Regen und sogar Schnee. Also notiert sich der Spieler in „Was macht ds Wätter?“ alles, um die entsprechenden Kleidungsstücke vorzubereiten.
So liebevoll wie er die Nacht in Form der dunklen Decke zur Ruhe legt, so überraschend holt er aus einem metallenen Koffer einen gelben Sitzball und pumpt ihn auf, um daraus zunächst mit der Sonne zu spielen bevor er sie hoch oben auf der Leiter platziert. Einer Kiste lässt er eine große blaue Decke entsteigen, die in seinen Händen zur Tänzerin wird und dann auf der Wäscheleine als der strahlende Himmel erscheint.
In ähnlicher Manier und doch immer wieder verblüffend erweckt der Spieler Objekte zu lebendigen Elementen verschiedener Wettersituationen – bis hin zu Sturm, Blitz und Donner. Watteähnliche Dinge schweben als Mobile an Angel-ähnlichen Stäben als Wolken über dem Geschehen. Nur der Regen, der will – obwohl im Radio angesagt – nicht in Erscheinung treten. Da scheint die Heimat des Regens, eine Gießkanne Schabernack mit dem Spieler zu treiben, zieht ihn kreuz und quer über die Bühne, verwandelt sich in eine Spritzkanne und … – nein alles sei nicht verraten – vielleicht, ja hoffentlich landet diese wunderbare, be- und ver-zaubernde 3/4 -stündige Show ja auch einmal in deiner Nähe – es gibt, so wurde Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… anvertraut – auch eine standard- oder hochdeutsche Version. Das verrieten Emily Magorrian und Luzius Engel nach der vielumjubelten Show.
Die beiden hatten die Idee und auch Regie geführt. Entwickelt haben die beiden das Stück gemeinsam mit dem oben schon genannten Schauspieler, der auch für die Musik(auswahl) sorgte. Den immer wieder auch verspielten Text steuerte Matto Kämpf bei. In die Passagen mit den Wetternachrichten baute er immer wieder skurrile scheinende Werbespots ein wie „das Wasser widmete ihnen…“ Nach der Vorstellung wurde dem Reporter versichert, solche seien „nur“ aus der Wirklichkeit Schweizer Privatradios entliehen.
Bühne und Objekte, die anfangs wie eine Art unaufgeräumtes Zimmer wirken und zu einem ganzen Tag im Freien mit unterschiedlichsten Witterungen werden, schuf – ebenso wie die Kostüme – Linda Rothenbühler. Fast die ganze Dauer hindurch lässt das Stück die Zuschauer:innen in ein Spiel eintauchen, wie es Kinder sich durchaus auch ausdenken können, wo aus Laden, Kisten, Tüchern ganze Fantasiewelten entstehen.
PS: Als hätten die Festival-Organisator:innen einen „Draht nach oben“ gab’s am ersten Tag als gespielt wurde Sonnenschein und am zweiten Schneefall!
Follow@kiJuKUheinz
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
Atemberaubend – der Begriff wird vielleicht zu oft und leichtfertig eingesetzt. Bei dieser Show, die beim aktuellen Festival „jungspund“ im Schweizer St. Gallen ablief, trifft sie jedenfalls zu. In einem Mix aus Highest-Level-Akrobatik und akrobatischem (Ballett-)Tanz stark gewürzt mit clownesken Elementen stockt immer wieder der Atem des Publikums. Vor allem bei Kunststücken von Eline Guélat. Wenn sie den auf ihrem bevorzugten Turngerät, einem Lichtmast mühelos und fast ohne Anhalten raufspaziert und dann vermeintlich runterfällt – kollektives Luftanhalten im Publikum. Sie scheint sogar die Schwerkraft zu überwinden. Vorgegebene Regeln sind ihre Sache nicht.
Inszeniert hat Martin Zimmermann, Choreograf, Theater-Regisseur, Bühnenbildner und selber Performer, der aus dem Zirkus kommt, die Show „Ciao, Caio“ (für das Ballett Theater Zürich entwickelt). Er ließ sich dabei, wie er nach der fulminanten, begeistert aufgenommenen – schier never ending Applaus – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… anvertraute von Federico Fellinis vielleicht berühmtestem Film „La Strada – Das Lied der Straße“ (1954) inspirieren lassen.
Die schon genannte umwerfende Zirkuskünstlerin nimmt Anleihe bei der Figur der Gelsomina, der Assistentin des brachialen Jahrmarkt-Schaustellers Zampanò – der Name hat sich seit Fellinis Film als Begriff verselbstständigt. Obwohl sie so viel kann, wird sie von ihm auf Hilfsdienste reduziert. In „Ciao, Caio“ befreit sie sich schon früh und er (Aimé Morales), der die einstündige Performance eröffnet, wird nur zum hin und wieder Side-Kick. Passt doch gut zum Internationalen Frauentag am 8. März!
Sie dominiert, aber doch eher bescheiden in clownesker Manier mit Erinnerungen an Charlie Chaplin das Geschehen.
Es bleibt nicht bei dem Duo. Nach und nach kommen teils wie aus dem Nichts aus dem Bühnenpodest von unten, aus irgendeinem Kasten oder sonst woher noch Tänzerinnen – vielfältige Figuren manche mit Freak-Anwandlungen. Sie alle vereinen perfekte Körperbeherrschung, verbinden Clownerie mit Ballett. Und so wechselt die Szenerie ständig, wir erleben die weiß gekleidete Baum-Fee-artige Léna Bagutti, einen alten immer wieder buckligen Mann (Jesse Callaert), eine zwergenhafte Übermama (Neil Höhener) sowie Valeria Marangelli (Harlekin) und Sandra Salietti (fast klassisches Ballett).
Mit all ihrer fantastisch körperlichen Kunst erzählen die sieben in vielen immer wieder auch Staunen erzeugenden Szenen, etwa einem Riesen-Hütchen-Spiel mit auftauchenden und verschwindenden Chaplin-behüteten Menschen, kleine und doch so große Geschichten unterschiedlichster Gefühle. Von freundschaftlichen und verliebten bis zu aggressiven, befreienden…
Ach, übrigens: Im deutschsprachigen Teil der Schweiz wird „Ciao“ ebenso wie in Italien – im Gegensatz zu Österreich und Deutschland (wo es sich oft zum tschau gewandelt hat) – sowohl für Abschied als auch Begrüßung verwendet. Laut Wikipedia stammt es übrigens aus der venezianischen Sprache, wo sčiao [ˈst͡ʃao] (Diener) dem italienischen schiavo [sˈkjaːvo] entspricht. Und dieses steht für „ich bin Ihr Diener“ – wie die dem Lateinischen entlehnte Grußformel „Servus“.
Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen