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Doppelseite aus "Der Wolfspelz"
Doppelseite aus "Der Wolfspelz"
25.07.2023

Tarnen, um sich sicherer zu fühlen?

Üppiges Bilderbuch über ein Schaf im Wolfspelz und die Frage, anpassen oder nicht, um Ängste zu überwinden.

Wölfe sind derzeit in unseren Breitengraden wieder die Ur-Bösen. Während es als völlig normal verteidigt wird, dass Menschen Tiere töten, um sie zu essen, sollen die Hunde-Vorfahren, die ihren Hunger stillen, gleich zum Abschuss freigegeben werden. Dabei sind Wölfe intelligente und soziale, in Rudeln lebende Tiere, die in West-, Mittel-Europa und Japan im vorvorigen Jahrhundert fast ausgerottet worden waren. In den vergangenen Jahrzehnten wurden sie unter Schutz gestellt und wieder angesiedelt.

Und schon wurden sie wieder zu den Bösen schlechthin, in den meisten Märchen sind sie’s, in manchen greifen sie sogar zu verschiedensten Listen – so verkleidet sich in Rotkäppchen der Wolf, der die Oma verschlungen hat, als solche, um auch noch die Enkelin zu verspeisen. Bei den sieben Geißlein, taucht er das Fell in weißes Mehl und frisst Kreide, um die Stimme zu erhöhen und so die Ziegenkinder zu verspeisen. Für die Verkleidungen, Verstellungen hat sich der Begriff vom „Wolf im Schafspelz“ eingebürgert. Er geht auf sowohl auf Fabeln des altgriechischen Dichters Äsop als auch eine Jesus-Predigt im Neuen Testament zurück.

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Der Wolfspelz“

Ein menschliches Schaf

Nun ist ein üppiges Bilderbuch, eigentlich schon eine Graphic Novel erschienen, die die Kern-Idee umdreht: „Der Wolfspelz“, geschrieben und gemalt von Sid Sharp, vom Englischen ins Deutsche übersetzt von Alexandra Rak.

Bellwidder Rückwelzer heißt das Schaf, das ziemlich einzelgängerisch und eher menschlich lebt, in einem Haus, in dem es sich zu Beginn aus dem Bett räkelt und sich selbst genügt. Nur die Brombeeren, die neigten sich zu Ende. Und so wollte die Hauptfigur dieser nicht ganz 130 Seiten in den Wald, um welche zu holen. Wenige Sätze pro Seite auf – meist – in düsteren, und doch nicht wirklich Angst erzeugenden Farben (viel davon ist schwarze Tinte) bilden die Hintergründe für die stark an Comichafte Zeichnungen erinnernden Figuren. Von letzteren gibt es außer dem Schaf nicht allzu viele.

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Der Wolfspelz“

Tarnanzug

Den Wald mochte unser Schaf auch sehr gern, an den Blumen reichen, die Vögel zwitschern hören. Nur, es hatte fürchterliche Angst vor dem bösen Wolf. Da Bellwidder Rückwelzer aber sehr geschickt war und äußerst gut nähen konnte, da – dachte es sich aus: Ein Wolfskostüm zu schneidern und in dieses zu schlüpfen!

Nun fühlte sich das Schaf im Wald sicher, allerdings konnte es wegen der unter der Wolfsschnauze versteckten eigene Nase die Blumen nicht mehr riechen und die Ohren waren auch nimmer frei, weswegen der Protagonist der Geschichte auf die geleibten Gesänge der gefiederten, fliegenden Waldbewohner:innen verzichten musste. Und überhaupt war’s nicht so angenehm in dem Vollkörperkostüm, das auch noch da und dort zu reißen begann…

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Der Wolfspelz“

Sein und Schein

Aber sicher war’s trotzdem. Und Bellwidder Rückwelzer stieß auf andere Wölf:innen, von denen manche von der Form her schon ein bisschen, naja… – alles sei sicher nicht verraten, höchstens so viel, wie auch in der Verlags-Ankündigung schon steht: „Keiner der anderen Wölfe ist, was er zu sein vorgibt.“

Also eine Art Plädoyer, zu sich und seinen Eigenheiten zu stehen und sich nicht zu verstellen, um sich an- und vorgeblich sicherer zu fühlen.

Angeblich ist Sid Sharp übrigens die erste Idee, die später erst zu diesem Kinderbuch geführt hat, im Traum erschienen, wie they im Interview mit dem Verlag erzählt: „Absolut! In meinem Traum war ich ein Schaf, das versuchte, den Tag zu überstehen, ohne gefressen zu werden. Es war schrecklich! Danach habe ich viele Zeichnungen und Comics dazu gemacht.“

Und als Schlussfolgerung heißt es später in dem Interview – Link zum gesamten am Ende des Beitrages: „Bellwidder leidet ziemlich unter seinem Wolfsanzug, auch wenn er ihm vermeintlich Sicherheit gibt. Der Anzug passt einfach nicht, obwohl er sehr gut gemacht ist. Sich zu verstellen funktioniert also nie. Und trotzdem tun wir es so oft. »Sich anpassen« und »sich nicht anpassen« ist also nicht so einfach, wie es manchmal scheint. Das ist ein zentraler Punkt, den wir in meiner Geschichte untersuchen.“

Follow@kiJuKUheinz

Zum Interview auf der Verlagsseite

Titelseite von
Titelseite von „Der Wolfspelz“
BUCH-INFOS

Text und Illustration: Sid Sharp
Übersetzung aus dem Englischen: Alexandra Rak
Der Wolfspelz
124 Seiten
Ab 6 Jahren
NordSüd Verlag
22,70 €

Zu einer sehr ausführlichen (mehr als 30 Seiten) Lese- und Schauprobe geht es hier