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Szenenfoto aus "Geile Aussicht Welt kaputt"
Szenenfoto aus "Geile Aussicht Welt kaputt"
17.11.2022

Junger frecher Witz gegen Untergang

„Geile Aussicht Welt kaputt“ – ein trotz allem humorvolles und hoffnungsfrohes Stück im Dschungel Wien. Interview mit einer großartiger sehr jungen Darstellerin.

Apokalpyse – und doch nicht niederschmetternd, sogar mit ordentlichen Portionen Humor gewürzt, spielen sich derzeit auf mehreren Wiener Bühnen ab. Da ist die Mischung aus dem Anti-(Vietnam-)Kriegsfilm „Apocalypse Now“ und Jedermann vom bernhard.ensemble im Off-Theater, sowie „Ramis Reise“ im WuK – Links zu beiden Stückbesprechungen unten am Ende dieses Beitrages – und eines mit dem provokativsten Titel „Geile Aussicht – Welt kaputt“ – im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier.

In allen drei Stücken geht es nicht um lustvolles Gruseln am Untergang angesichts der bekannten Vielfach-Krisen – Pandemie, unter den ständigen Kriegen einer der geografisch gefährlich nah rückte, Klimakatastrophe, die Ignoranz, ein riesiges Fußball-Fest in einem Menschen-Unrechtsstaat zu feiern. In allen drei Stücken/Performances dreht sich (fast) alles darum, wie die Menschen in Extremsituationen miteinander und mit sich selbst umgehen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Geile Aussicht Welt kaputt“

Distanz durch Erzähler

Beim „postapokalyptische Theater-Roadmovie“ von Theater fiXXfire!, geschrieben von Benedict Thill, schafft die Inszenierung (Regie: Richard Schmetterer) übrigens ein bisschen ähnlich wie in „Ramis Reise“ von Anfang an eine gewisse Distanz zum erzählten Geschehen – durch eine Figur, die die Story erzählt (André Bauer). Erst seine Schilderungen erwecken die – wenigen – handelnden Figuren zum Schauspielen, zum (Über-)Leben. Das erinnert ein wenig an Cornelia Funkes „Tintenwelt“-Trilogie.

Zunächst erleben wir zwischen und rund um eine Wohnlandschaft aus einem alten Röhrenfernsehapparat, einer Straßenlaterne und einer Wand mit Waschtisch von der Decke fallende Mehlsackerln (Ausstattung: Caroline Wiltschek). Sie symbolisieren Vögel, die tot vom Himmel fallen. Das erfahren wir vom Erzähler, der nun die erste handelnde Figur, „Daniel Kessler“ (Benedikt Haefner) aus dem auch noch hier platzierten Fauteuil (Lehnsessel) sozusagen aufscheucht und aktiviert. Langsam beginnt dieser zu realisieren: Apokalypse happend, zieht Schläuche aus den Wänden – sind sie für Versorgung und wenn ja wofür bzw. womit da?

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Geile Aussicht Welt kaputt“

On the Road…

Jedenfalls macht er sich auf den Weg, die verwüstete Umgebung zu erkunden. Und trifft dabei auf die zehnjährige Karla (Svenja Schmetterer). Suchend, allein (gelassen). Gesehen hat sie’s zwar nicht, doch ihr ist klar, die Mutter ist tot. Im Gegensatz zu Daniel ist sie jedoch voller überlebenswilliger Energie und Tatendrang. So drängt sie sich auch Daniel auf. Wirklich recht ist ihm das nicht, aber ein gewisses menschliches Verantwortungsgefühl kann er nicht abspalten. Obwohl er auch das bald wenigstens zeitweise zu bereuen scheint, denn das Kind nervt (ihn). Stets quasselt und fragt sie, klettert und turnt auch auf ihm herum… Was für viele heitere Momente sorgt. Solche erzeugen die Schauspieler:innen aber immer wieder auch durch scheinbar Verwirrendens: Wenn der Daniel-Darsteller das alte TV-Gerät einschaltet, spricht der Erzähler vom Radio. Und das ist kein Ver-sehen, kein Fehler, was sich spätestens beim zweiten oder dritten Mal der Text-/Bild-Schere herausstellen soll.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Geile Aussicht Welt kaputt“

Doch noch andere

Auf der Erkundung in der zerstörten Welt treffen die beiden in einem vermeintlich leeren Haus auf eine Frau, die sie zuerst einmal mit einem Gewehr bedroht, Isabella Kreuzer (Astrid Nowak). In pubertärer Macho-Art versucht Daniel sie anzumachen. Was für Heiterkeitsstürme im Publikum sorgt. Aber vielleicht lässt sich zu dritt in der Verwüstung leichter überleben.

Doch was tut Daniel, er mach sich nächtens aus dem Staub, lässt das Mädchen und die Frau zurück, begibt sich als einsamer Wolf auf Abenteuer – unter anderem trifft er in einer Höhle, in der er Unterschlupf findet, auf einen vor allem als Schatten an der Wand riesigen (Plüsch-)Bären, gespielt vom Erzähler André Bauer.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Geile Aussicht Welt kaputt“

Irgendwann erwacht in Daniel doch schlechtes Gewissen, es packt ihn Reue, er kehrt zurück – natürlich sind Karla und Isa längst nicht mehr an jenem Ort. Aber das Mädchen – überzeugt von Daniels Rückkehr – hat Spuren auf der weiteren Tour hinterlassen – aus Energydrink-Dosen und Milchschnitten-Packerln. Nun wieder zu dritt unterwegs, treffen sie auf Meyer (Vorname) Huber (Nachname), einen alten Bauern in der Abgeschiedenheit, der von der Apokalypse rein gar nichts mitbekommen hat – ebenfalls vom Erzähler gespielt.

Nachdem sich die vier trotz fast slapstickartiger Unfähigkeit Daniels irgendwie zusammengerauft haben, richten sie sich selbst in der zerstörten Welt ein, versuchen das Beste selbst unter den schlechtesten Umständen zu gestalten, reflektieren auch noch ob Happy end oder nicht. Jedenfalls ist wieder Vogelgezwitscher zu vernehmen. Was das – finde ich – bessere Ende gewesen wäre als die fast belehrende Passage über die Wichtigkeit des gemeinsamen Überlebens.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Geile Aussicht Welt kaputt“

Die Entdeckung …

… des Abends ist die Darstellerin der 10-jährigen Karla. Svenja Schmetterer, tatsächlich selbst erst zehn Jahre, setzt in ihrer fast unbekümmerten, frechen, vorlauten Art DEN Kontrapunkt zur verheerenden apokalyptischen (Wohn-)Landschaft. Witz, mitunter die anderen auch nervend, die für Optimismus in der Katastrophe stehen. Es ist die erste große Rolle für sie, „früher als ich kleiner war, hab ich in Rabauki-Musicals mitgespielt – eine von mehreren Schülerinnen“, vertraut sie Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… nach der vielumjubelten Premiere von „Geile Aussicht Welt kaputt“ aufgekratzt an. „Bevor ich noch gewusst hab, dass ich da mitspielen darf, hab ich mir das so sehr gewünscht, die Karla sein zu dürfen“, verrät sie. Der Regisseur ist ihr Vater und hat ihr den Stücktext zum Lesen gegeben. „Ich fand die Karla und das Stück von Anfang an cool, weil es auch an vielen Stellen so witzig ist, obwohl ich schade finde, dass manche Szenen, die ich auch mochte, gestrichen worden sind. Die Karla ist so halb voll cool, aber auch sehr relaxt“.

Auf die Frage, ob sie selber viele Ähnlichkeiten mit der Figur der Karla habe, meint Svenja: „So halb und halb, ich bin vielleicht emotionaler.“

Heftiges Kopfnicken begleitet die Antwort „unbedingt, ich wollte schon als ganz kleines Kind Schauspielerin oder Balletttänzerin werden“, als KiJuKU wissen will, ob die Bühne ihr künftiger Arbeitsplatz sein könnte. „Drei Mal in der Woche gehe ich tanzen, zwei Mal Ballett und einmal zeitgenössischen Tanz. Und in der Schule hab ich jetzt in der ersten Klasse Gymnasium DSP – Darstellendes Spiel, außerdem war ich schon auf ur-vielen Schauspiel-Camps.“

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Geile Aussicht – Welt kaputt

Ein postapokalyptisches Theater-Roadmovie
Theater foXXfire!
Schauspiel; ab 13 Jahre; 80 Minuten

Autor: Benedict Thill
Regie: Richard Schmetterer
Darsteller:innen
Daniel Kessler: Benedikt Haefner
Karla (10): Svenja Schmetterer
Isabella Kreuzer: Astrid Nowak
Erzähler/ Bär/ Bauer Mayer Huber: André Bauer

Ausstattung: Caroline Wiltschek
Dramaturgie: Sandra Feiertag
Musik: Victor Weiss

Wann & wo?

Bis 19. November 2022
28. Februar bis 2. März 2023
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> Geile Aussicht Welt kaputt

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