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Ein junger Libanese schaut am Donnerstag, den 6. August 2020, über das Gebiet der Explosionen im Hafen
Ein junger Libanese schaut am Donnerstag, den 6. August 2020, über das Gebiet der Explosionen im Hafen
03.08.2021

Maryleen (12): „Ich fürchte, dass es wieder so eine Explosion geben könnte“

UNICEF befragte Kinder und Familien ein Jahr nach der gewaltigen Explosionen im Hafen von Beirut (Libanon). Trauma und bittere Armut. Was müsste geschehen!

Zum Jahrestag der gewaltigen, groß fahrlässigen Explosionen im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut (4. August 2020) befragte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, Kinder und Familien. Einige von ihnen kommen in zwei kurzen Videos 8zwei bzw. eine Minute – Links unten) zu Wort.

In dem einen sagt die 12-jährie Maryleen: „Ich habe Angst, dass ich nie wieder Kind sein kann, das wurde mir gestohlen. Ich fürchte, dass es wieder zu solchen Explosionen kommt und wir alle sterben.“ Dabei, so schildert auch ihre Mutter Faten Hanna, dass die 12-Jährige die Tapfere ist, die große Schwester, die trotz allem ihren jüngeren Geschwistern Mut macht: „Ich will in der Schule gut lernen und eine Zukunft für meine Geschwister und mich.“

Die zwölfjährige Maryleen war allein mit ihren jüngeren Geschwistern zu Hause, als sich die Hafenexplosion ereignete
Die zwölfjährige Maryleen war allein mit ihren jüngeren Geschwistern zu Hause, als sich die Hafenexplosion ereignete

Zwei Drittel brauchen immer noch dringend Hilfe

Die Lage für die Mehrheit der Kinder und Familien ist auch ein Jahr nach den Explosionen, bei denen mehr als 200 Menschen, darunter sechs Kinder getötet, mehr als 6.500 Personen, darunter 1.000 Kinder verletzt wurden und weite Teile der libanesischen Hauptstadt verwüstet worden sind, verheerend. Sieben von zehn Haushalten mussten nach den Explosionen im Hafen von Beirut vom 4. August 2020 um Hilfe ansuchen. Fast alle dieser Familien benötigen weiterhin Unterstützung. Die meisten Anträge betrafen Bargeld und Lebensmittel, was auch weiterhin der Fall ist.

Ein Drittel der Familien mit Kindern unter 18 Jahren gab an, dass mindestens ein Kind in ihrem Haushalt immer noch Anzeichen von psychischer Belastung zeigt. Bei den Erwachsenen ist es fast die Hälfte. Die UNICEF-Erhebung zeigt, dass zwei von drei Familien (68,6 Prozent) seit den Explosionen keinen Zugang zu medizinischer Versorgung oder Medikamenten hatten. Erschwerend kommt hinzu, dass in einer von vier Familien mindestens ein Haushaltsmitglied seit den Explosionen positiv auf COVID-19 getestet wurde.

Die sechsunddreißigjährige Mutter von drei Kindern Faten – abgebildet in ihrer Wohnung in Beirut am 15.

Ein Viertel hat noch immer kaum Wasser

Die Umfrage, die auf Telefoninterviews mit 1.187 Haushalten im Juli basiert, zeigt weiters

  • Fast alle Familien gaben an, dass ihre Häuser nach den Explosionen repariert werden mussten, und etwa die Hälfte der Familien gab an, dass dies immer noch der Fall ist.
  • Vier von zehn Familien gaben an, dass ihr Wasserversorgungssystem durch die Explosionen beeinträchtigt wurde, und etwa ein Viertel dieser Familien sagte, dass dies immer noch der Fall sei.

„Seit der Explosion befindet sich der Libanon im freien Fall und kämpft mit einer dreifachen Krise: Der wirtschaftlichen, der politischen und der COVID-19-Pandemie. Dadurch droht fast jedes Kind im Libanon schutzlos und bedürftig zu werden“, sagt Ted Chaiban, UNICEF-Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika. „Wenn Veränderung, Wiederaufbau und Verantwortlichkeit nicht jetzt stattfinden, wird dies vielleicht gar nie der Fall sein und das Land weiter in den Abgrund und an einen Ort ohne Rückkehrmöglichkeit führen.“

UNICEF-Forderungen

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen verlangt möglichst rasch

  • Vorrang für die Verbesserung der Lage der Kinder im Libanon. Sie brauchen Zugang zu Gesundheitsversorgung und Nahrung und sie müssen vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung geschützt werden.
  • Libanesische Politiker*innen müssen ihre politischen Differenzen überwinden und eine Regierung bilden, die das Gemeinwesen und die libanesischen Menschen in den Mittelpunkt stellt, um das Land auf den Weg der Besserung zu bringen, den von der Explosion betroffenen Familien Gerechtigkeit zukommen zu lassen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
  • Öffentliche Dienstleistungen, die für das Überleben und die Entwicklung von Kindern unerlässlich sind, sind kurz- und langfristig zu sichern. Dazu gehört die Bereitstellung von Wasser, Bildung und Gesundheitsversorgung für Kinder und alle Menschen. Dies kann jedoch nur durch eine gute Regierungsführung und eine öffentliche Infrastruktur geschehen, die schweren Schocks und Krisen standhält. Wären diese Systeme vorhanden, wären wir nicht an dem Punkt angelangt, an dem beispielweise 75 Prozente der Haushalte im Libanon Gefahr laufen, ihren Zugang zu Wasser zu verlieren.
  • Ein nachhaltiges nationales Sozialhilfesystem aufzubauen, das u.a. bedürftige Familien mit Bargeldhilfen erreicht. Dadurch wären bedürftige Familien mit Kleinkindern, Menschen mit Behinderungen und Menschen über 70 Jahren abgesichert.
  • Transparente und glaubwürdige Untersuchung der Ursache der Explosionen sowie die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen samt Entschädigungen für die betroffenen Familien, einschließlich derer, die Angehörige verloren haben.

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UNICEF-Video aus Beirut 1

Unicef- Video aus Beirut 2