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Bildmontage aus einem Standbild des Animationsfilms und einem Bild aus der Graphic Novel "Wo ist Anne Frank"
Bildmontage aus einem Standbild des Animationsfilms und einem Bild aus der Graphic Novel "Wo ist Anne Frank"
20.02.2023

Kitty aus Annes Tagebuch wird lebendig und eigenständig

Graphic Novel und Film „Wo ist Anne Frank“ schlägt eine Brücke aus der Zeit des Holocaust zu heutiger Verfolgung und Flucht.

Das Tagebuch der Anne Frank gehört zu den bekanntesten Büchern der Welt, es ist in mehr als 70 Sprachen übersetzt worden. Die Aufzeichnungen stammen von der 13- bis 15-jährigen Annelies Marie Frank. Den Großteil hat sie zwischen Juli 1942 und August 1944 geschrieben als sie mit ihrer Schwester, den Eltern und einer weiteren Familie in einer geheimen Wohnung im Hinterhaus des Büros ihres Vaters auf engstem Raum und tagsüber ganz, ganz leise leben musste. Dort konnten sie sich vor der (Juden-)Verfolgung durch die Faschisten, die auch die Niederlande besetzt hatten, verstecken.

Aus der Graphic Novel
Aus der Graphic Novel „Wo ist Anne Frank“

In so manchen Tagebucheintragungen schildert sie die schrittweise Diskriminierung, Ausgrenzung, Verfolgung, das Untertauchen, den Weltkrieg. Vor allem aber beschreibt sie das Leben unter solch beengten Verhältnissen, ihre Gefühle, auch die Wickel mit ihrer Mutter sowie erste Verliebtheit, die sich zwischen ihr und Peter, dem Sohn der anderen Familie entwickelte. Und das alles auf hohem literarischem Niveau.

Titelseite der Graphic Novel
Aus der Graphic Novel „Wo ist Anne Frank“

Einen Teil selbst überarbeitet

Wobei Anne wie sie sich lieber nannte einen Teil der Tagebucheintragungen nochmals überarbeitet hat, nachdem sie im Radio die Ansprache des niederländischen Ministers Gerrit Bolkestein aus dem Exil in London gehört hatte. Er hatte seine Landsleute aufgefordert, Briefe, Tagebücher und anderes zu sammeln und aufzuheben, um nach einem hoffentlich baldigen Kriegsende den schrecklichen Alltag dieser Zeit dokumentieren zu können.

Anne hatte von Beginn an sich vorgestellt, das Tagebuch wäre eine sehr enge Freundin, der sie alles anvertrauen könne. Und sie nannte es Kitty – so hätte sie gern geheißen, schreibt sie in einem Eintrag. In anderen beschreibt sie, wie diese Kitty aussieht und ihre Persönlichkeit.

Kitty live

Das inspirierte Ari Folman, der schon zuvor möglichst nah am Original Annes Tagebuch in eine graphische Erzählung gepackt hatte, zu der Idee, diese Kitty zum Leben zu erwecken, sie in der Gegenwart aus dem Buch entsteigen zu lassen. In der Zusammenarbeit mit Lena Guberman wurde daraus die Graphic Novel „Wo ist Anne Frank“ – und die sozusagen „nur“ begleitend zum Animationsfilm. Für den lieferten Künstler:innen aus 15 verschiedenen Ländern die rund 159.000 einzelnen Zeichnungen, die zu den bewegten – und bewegenden – Bildern wurden. Der Film ist das Ergebnis einer umfangreichen rund zehnjährigen intensiven Arbeit – sehr getreu am Tagebuch der viel zu früh in einem KZ zu Tode gekommenen jungen, vielleicht jüngsten weltbekannten Schriftstellerin. Und dennoch mit den in Anne Franks Sinn ausgedachten Szenen und Gedanken ihres sozusagen zweiten Ichs, Kitty. Und auch in ihrem Geist hergestellten Bezüge zu Kindern und Jugendlichen, die heute verfolgt werden.

Im Anne-Frank-Haus – das einstige Versteck ist seit Jahrzehnten ein Museum, in dem u.a. das Original-Tagebuch liegt -, ist sie für alle anderen unsichtbar. Doch das wird ihr zu eng, sie flüchtet auf die Straße, vor allem sucht sie nach Anne. Die ist ja nicht mehr im Haus – und im Tagebuch kann Kitty natürlich nicht finden, was mit ihr nach der Verhaftung der beiden Familien im Hinterhaus passiert ist.

In die Stadt trifft Kitty nicht zuletzt auf Menschen, die in der Jetztzeit verfolgt werden, flüchten mussten, unter anderem aus Ländern in denen Krieg herrscht. Vor allem mit Awa, einem jüngeren Mädchen, ist sofort eine tiefe Verbindung da.

Hin und her „reisen“

Immer wieder switcht die Geschichte zurück ins Tagebuch, aus dem dann auch Anne selbst lebendig wird und mit Kitty spricht, ihr Herz ausschüttet. In einer Szene beginnt Kitty mit ihrer Erfinderin zu streiten, warum Anne ihr rote Haare ausgedacht hat und überhaupt habe sie das Gefühl, sie sei nicht so schön wie ihre (Be-)Schreiberin.

Und dann switcht Kitty wieder in die Jetztzeit. Lange Zeit weiß sie übrigens nicht, dass Anne wie ihre Schwester Margot und die Mutter Edith im Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben gekommen ist. Das konnte ja nicht im Tagebuch stehen, das bei der Festnahme der Versteckten durch die Nazis im Hinterhaus übrig geblieben ist und von einer Helferinnen, Miep Gies gerettet werden konnte.

In die Gegenwart holen und Brücken schlagen

Zum einen wollte Ari Folman wie er im Nachwort zu dieser Graphic Novel schreibt, die Geschichte von Anne Frank sowie des Holocaust, der systematischen Verfolgung von Jüd:innen durch die Nazis, der 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche zum Opfer gefallen sind, in die Gegenwart holen. Und gleichzeitig auch die Brücke schlagen zu Menschen, die heute verfolgt werden, flüchten müssen – und immer wieder auch in den scheinbar sicheren Ländern gar nicht sicher sind, sondern nicht selten auch wieder abgeschoben werden. Dafür lassen sich Buch und Film einen besonderen dramaturgischen Kniff einfallen: Kitty stiehlt das Original-Tagebuch und droht: Entweder Awa und die anderen dürfen bleiben oder sie werde das Tagebuch vernichten, denn, so sagt Kitty: „Anne hat das Tagebuch nicht geschrieben, damit ihr sie verehrt oder Brücken, Theater, Schulen und Krankenhäuser nach ihr benennt. Nein, die einzelnen Seiten sind nicht wichtig. Wichtig ist die Botschaft an Millionen von Kindern, die das Tagebuch lesen: tut was ihr könnt, um eine einzige Seele vor Unheil zu bewahren. Schon eine einzige Seele, eine einzige Kinderseele ist so viel wert wie ein ganzes Leben!“

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BUCH- und FILM-INFOS

Das Buch

Autor:innen: Ari Folman und Lena Guberman
Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche: Klaus Timmrmann und Ulrike Wasel
Wo ist Anne Frank – Eine Graphic Novel
150 Seiten
S. Fischer Verlag
23,50 €
eBook: 18,99 €

Zu einer Lese-/Schauprobe geht es hier

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Der Animationsfilm

Wo ist Anne Frank

Ab 24. Februar in österreichischen Kinos
Ab 10 Jahren; knapp 100 Minuten

Drehbuch, Regie: Ari Folman

Mit den Stimmen von
Sarah Tkotsch – Kitty
Anni C. Salander – Anne Frank
Jaron Müller – Annes Peter
Oliver Szerkus – Kittys Peter
Bernhard Völger – Otto Frank
Jessica Walther-Gabory – Edith Frank
Laura Oettel – Margot Frank
Isabelle Höpfner – Auguste van Daan
Sven Fechner – Hermann van Daan
Gerrit Hamann – Albert Dussel
Annika Theusner – Awa
Michael Iwannek – Officer van Yaris
Anja Mentzendorff – Officer Elsa Platt
Emilia Raschewski – Sandra
Iris Berben – Hanneli Goslar
Nina Herting – Bibliothekarin
Patrick Giese – Polizist
Stephan Hoffmann – Museumsdirektor
Dirk Bublies – Museumsaufseher
Michael Noack – Radiosprecher
Till Flechtner – Dirk
Sebastian Achilles – Awas Vater

Produziert von Jani Thiltges, Yves Kugelmann & Ari Folman, Alexander Rodnyansky
Co-Produzenten: Eric Goossens, Anton Roebben, Bruno Felix, Femke Wolting, Anne-Laure et Jean Labadie, Pierre Urbain, David Mouraire, Samuel Feller
Verantwortlich für die deutsche Synchronfassung und Co-Produktion: Hessischer Rundfunk
Verantwortliche Redakteurin: Patricia Vasapollo
Animation Director: Yoni Goodman
Art Director: Lena Guberman
Editorin: Nili Feller
Originalmusik von Karen O and Ben Goldwasser
VFX Creative Director: Dror Strom
Ton: Aviv Aldema
Tonaufzeichnung: Michel Schillings
Stop-Motion-Design: Andy Gent
Kamera BSC: Tristan Oliver

Deutsche Bearbeitung:: Cinephon Filmpor. GmbH.
Übersetzung: Juliane Szalay-Pracht
Dialogbuch und-regie: Stephan Hoffmann
Aufnahmeleitung: Sven Happe / Alessandro Alioto
Schnitt: Tina Laabs / Angelika Ziffer
Aufnahmeton: Markus Spuhl
Mischung: Detlef Halaski
Redaktion: Bettina Wheeler / Jens Opatz (HR)

Executive Producers: Dr. Nathan Zomer, Sabby Mionis, KUK Films Limited, AJH Films Limited
Associated Producers: Claude Waringo, Bernard Michaux, David Claikens, Alex Verbaere
Line Producers: Alona Davidsohn Schory, Olivier Bizet, Denis Walgenwitz

In Zusammenarbeit mit: Anne Frank Fonds Basel, Switzerland, The Actors Fund, Dramatists Guild Foundation, New Dramatists

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