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Szenenfoto aus "Wo ist Wald?" von makemake produktionen

Im zugeschnittenen Holz den Wald erkennen lernen

Ein stilisierter Wald aus flachen, geschätzt A4-formatigen, hölzernen Bausteinen liegt im Halbdunkel einer erhöhten Bühne – mit ein bisschen Einblick in das Darunter. Leise, sanfte, atmosphärische Töne. Vier Schauspielerinnen bewegen sich in etwas, das Schneckentempo genannt werden könnte. Laaaaangsam kriechen, klettern, rollen sie zwischen diesen „Bäume“ und bringen – beim ersten Mal überraschend und erschreckend – einen solchen hölzernen „Turm“ zum Einsturz. Es ist nicht der letzte, der „dran glauben muss“.
„Wo ist Wald?“ heißt die neueste Performance von makemake produktionen.

Pam Eden, Nora Jacobs, Martina Rösler und Johanna Wolff bewegen sich nicht nur in unterschiedlichsten Geschwindigkeiten auf, unter, neben der Bühne, sie haben das Stück auch mit entwickelt (Text & Dramaturgie: Anita Buchart, Mika Tacke; Komposition: Elise Yuki Mory; Bühne: Mirjam Stängl; Kostüm: Maria-Lena Poindl; Endregie: Kathrin Herm). Die vier verwandeln sich in Käfer, Eule, Fuchs, Tausendfüßler, eine Eintagsfliege, einen Stein, Knöllchen-Bakterien, Pilze, die ihre Mycel-Fäden ziehen, zwei von ihnen werden eine Spinne, zwei andere wollen Baum werden…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo ist Wald?“ von makemake produktionen

Mehrsprachig

Im Laufe der knapp 1¼ Stunden lassen sie viel von dem, das in, um, unter und über einem Baum und seinen Artgenossen, die gemeinsam einen Wald ergeben, abspielt vor allem über ihre Bewegungen und ihr Spiel mit den Holzplatten lebendig werden. So manches erzählen sie – in österreichsicher Gebärden- sowie deutscher Lautsprache. Oft kommen erst die Gebärden und für jene, die diese Sprache nicht können, kommt das Gesagte danach in der Antwort auf eine Frage oder im Dialog in hörbaren Sätzen zur Sprache.

Letzteres dokumentiert, dass hier die Gebärdensprache nicht „nur“ der Übersetzung dient, sondern eigenständiges Element der Inszenierung ist. Schön langsam kommt der Gedanke von Inklusion auch in der heimischen Theaterlandschaft an. Wobei das internationale Festival für visuelles Theater von Arbos, das am Abend vor dem hier besprochenen KiJuKU-Besuch im Linzer Phönix-Theater mit „Der kleine Prinz“ in eigenständiger Gebärdensprache, die auch nicht „nur“ das Gesprochene gedolmetscht hat, in Wien zu Ende ging, aber schon vor mehr als einem ¼-Jahrhundert als Gehörlosentheater-Festival begonnen hatte – da folgt noch eine Stückbesprechung.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo ist Wald?“ von makemake produktionen

Aus Tier-, Pflanzen- und Steine-Sicht

Obwohl die Performerinnen natürlich Menschen sind, spielt sich das Stück vor allem aus Blickwinkeln von Pflanzen und Tieren, die vielfach in Symbiose Wälder bevölkern, ab. Samt Kopfschütteln darüber wie Menschen mit diesen Lebensräumen umgehen, sie zerstören, ja gar vernichten und seltsam über so manches denken. Während diese Wesen einen umgefallen, geknickten Baum „Totholz“ nennen, ist dieser doch voller Leben!

Hin und wieder jedoch switchen die Schauspielerinnen auch in den Rollen von Tieren in menschliche Perspektiven – etwa, wenn die Borkenkäfer den Tausendfüßler mit einem „Witz“ über die vielen Schuhe aufziehen wollen. Und geben erst recht damit solche menschlichen Überheblichkeiten der unfreiwilligen Lächerlichkeit preis 😉
Irgendwie erinnern wohl auch die Szenen zu Beginn, wo die „Tiere“ einen Baum nach dem anderen „schlägern“, an unseren Umgang mit Wald. Gegen Ende kommen auch noch die von Menschen gepflanzten monokulturellen Fichtenbaum-Plantagen zur Sprache, während die Performerinnen als „Tiere“ ganz unterschiedliche Bäume aus den Holzbausteinen wieder – und anders – aufbauen.

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Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo ist Wald?“ von makemake produktionen
Szenenfoto aus "Ich bin der Wald"

Mit „Rotkäppchen“ einen magischen Wald erleben

Am Rande der Prater Hauptallee – stadtauswärts nach der Kreuzung mit der Meiereistraße an der auch das Ernst-Happel-Stadion liegt – starten derzeit bis 10. Mai 2025 (Details Info-Box am Ende des Beitrages) theatrale Hörspiel-Abenteuer-Touren. Beim Treffpunkt der Performance „Ich bin der Wald“ (VRUM Performing Arts Collective für den Dschungel Wien) kriegt jede und jeder einen Kopfhörer, und wartet auf Tänzerin und Schauspielerin Jolyane Langlois, die als „Rotkäppchen“ (allerdings bis zu den Schuhen ganz in Rot, nur die Socken lugen schwarz hervor) die Gruppe auf eine rund 50-minütige Expedition mitnimmt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Ich bin der Wald“

Fast ein Urwald

Und was für eine. Selbst regelmäßige Läufer:innen, Radler:innen, selbst Spaziergänger:innen in der Hauptallee sind erstaunt und verzückt über diesen magischen Urwald zwischen den Baumreihen und dem nahegelegenen „Rosenwasser“. So manch knorriger Baum, urige in die Höhe ragende Wurzelgeflechte, quer liegende Totholz-Stämme und Äste, die fast aus illustrierten Märchenbüchern stammen könnten, tun sich vor allen Sinnen des mitwandernden Publikums auf.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Ich bin der Wald“

Spüren

Wäre allein schon das Schauen, Hören, Riechen, Spüren, bewusstes Ein- und Ausatmen dieses kleinen und doch so großen „Paradieses“ ein Erlebnis für sich, so passen die stimmungsvollen, fantasiereichen und doch auch informativen Texte (Cornelius Edlefsen) extrem angepasst an die Landschaft dazu. Die Performerin als Guide leitet die Gruppe an, lädt sie ein, sich mit der umgebenden Natur vertraut zu machen und zu verbinden. Kleine Baum-Sämlinge zu spielen, die nach und nach – natürlich trotz Langsamkeit viel schneller wachsen als deren echte Vorbilder. Oder, darauf zu achten, was sich unter den Füßen der Wanderenden (be-)findet, sich wie Wurzeln oder Pilzfäden miteinander zu verbinden…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Ich bin der Wald“

Erkunden

Rotkäppchen will hier – wie in so manch anderen, neueren (Theater-)Versionen des alten Märchens – natürlich vom sogenannten rechten Weg abkommen und die Natur erkunden, den Wald und seine fast geheimnisvollen Kräfte samt dem vielfältigen Leben in ihm entdecken (Konzept: Sanja Tropp Frühwald, die auch Regie führte und für die Choreografie verantwortlich ist, sowie Till Frühwald).

Wissen sinnlich wahrnehmen

Wie wichtig Bäume und Wälder für das gesamte Weltklima im Allgemeinen und für Menschen im Besonderen sind, mussten und müssen sich vor allem Stadtbewohner:innen schön langsam wieder aneignen. Das Wissen über die „grünen Lungen“ wurde nicht zuletzt über die vor allem junge Klimaschutzbewegung verbreitet – ob das zuletzt Fridays for Future war oder schon vor rund 20 Jahren die von Kindern gegründete Initiative Plant for the Planet. Deren kurz zusammengefasster Grundgedanke „Bäume sind DIE Maschinen gegen den Klimawandel“ führte auch zu ihren tatkräftigen Hands-on-Aktionen, selber für das Pflanzen möglichst vieler Bäume aktiv zu werden.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Ich bin der Wald“

Achtsamkeit mit Hindernissen

„Ich bin der Wald“ will durch die Verknüpfung des konkreten Wald-Erlebnisses mit Geschichte(n) rundum diese natürliche Gegend die Achtsamkeit auf diese unsere (externe) Lunge fördern – ohne belehrend zu sein oder Ver- und Gebote aufzustellen.

Einzige Schwäche: Diese Expedition kann nicht barrierefrei stattfinden, es müssen querliegende Baumstämme überklettert oder -stiegen, auf Wurzeln und Äste geachtet werden… Und – eine große Gruppe sowie vorgegebenes Hörspiel-Tempo verhindert individuelles Verweilen und Eintauchen in die natürliche Umgebung. Aber letzteres lässt sich ja bei einem späteren Wiederkommen nachholen.

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kinder-pflanzten-baeume-fuer-klimaschutz <- damals noch im Kinder-KURIER

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Ich bin der Wald“
Doppelseite aus dem Bilderbuch "Wenn du weinst wie ein Wasserfall"

Wozu Tränen gut sein könn(t)en…

Das Bilderbuch „Wenn du weinst wie ein Wasserfall“ beginnt schon auf der Titelseite mit einem eher lustigen Bild. Ganz oben auf einem mehrstöckigen Springbrunnen hat sich ein rosa Wurm mit roten Streifen zu einer Sitzposition aufgerichtet. Und weieieieieint. Sehr viel. Tränen als Wassertropfen sprudeln von Etage zu Etage nach unten. Vögel fliegen herbei und Frösche baden im Wasser des Brunnens. Halt, einer nicht, der schützt isch und seinen Sonnenhut mit einem gelben Regenschirm.

Vorsatzseite aus dem Bilderbuch
Vorsatzseite aus dem Bilderbuch „Wenn du weinst wie ein Wasserfall“

Auf der ersten Innenseite bevor das Buch richtig beginnt – im Verlagswesen Vorsatzseite genannt – tummeln sich die unterschiedlichsten Tiere, aber auch Bäume. Alle weinen sie. Die meisten schauen traurig drein – was üblicherweise ja auch mit Weinen verbunden wird. Bei manchen könnten’s aber doch Freudentränen sein.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Wenn du weinst wie ein Wasserfall“

Sehr trauriger Beginn

Und dann beginnt das Buch ziemlich traurig – gebrochen nur durch die witzigen Zeichnungen. Der schon erwähnte Wurm, auf mehr als einem Viertel der ersten Doppelseiten die Haupt- und sehr oft einzige Figur der Zeichnerin und Autorin Noemi Vola, heult ganz traurig. Der knappe Text sind Anweisungen der Autorin an ihre eigene Schöpfung. Der Wurm möge doch wenigstens am Anfang ein wenig lächeln. Worauf der sozusagen erst recht drauflos heult. Da spritzen die Tränen nur so nach fast allen Seiten und Richtungen davon. Die salzige Flüssigkeit steigt und steigt. „Wenn du nicht zu weinen aufhörst, wirst du ertrinken.“

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Wenn du weinst wie ein Wasserfall“

Figur entwickelt Eigenleben

Ihre eigene Figur will justament nicht auf seine Erfinderin „hören“. So verfällt die auf einen Trick – oder hat sie gar umgedacht? „ich wollte sagen: Weinen ist super und total nützlich. Nur… wenn schon, musst du besser weinen.“

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Wenn du weinst wie ein Wasserfall“

Wozu Weinen gut sein kann

Und so wiederholt sie das Titelbild mit dem Springbrunnen. Ab dann kommen auch andere Tiere ins Spiel. Ein Schmetterling löscht mit seinen Tränen einen kleinen Brand. Ein Fantasietier, das ein wenig an einen Wal an Land erinnert steht am Herd und kocht Nudeln – Die Tränen ersparen die Zugabe von Salz ins Kochwasser. Ein Känguru stellt Salzteig und formt aus diesem wiederum Geschenke… und vieles mehr ließ sich Vola (Übersetzung aus dem italienischen: Andrea Grill) einfallen. Unter anderem, dass Weinen eine sehr internationale Sprache ist – das wird fast überall auf der Welt verstanden.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Wenn du weinst wie ein Wasserfall“

Ob allerdings die salzigen Tränen gut fürs Wachstum der Birnen sind, sei dahingestellt. Jedenfalls ein witziger Dreh, dem Weinen viel Humor abzugewinnen. Sollte aber nicht dazu dienen, Sorgen, Nöte, Ängste, Ursachen und Anlässe kindlichen Weinens nicht ernst zu nehmen.

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Wenn du weinst wie ein Wasserfall“
Szenenfoto aus "15 Eimer Sauerkraut mit Rutsche"

Wenn ein Erwachsener in großteils schräges Spiel versinkt…

Eine völlig schräge, clowneske Show mit einem Feuerwerk an höchst sonder- und wunderbaren, verspielten Szenen eines nicht mehr ganz jungen Mannes zwischen allerlei Zeugs – von toten Bäumen, Ästen über uralte Zeitungen, Luftballons und vielen Kunststoffkübeln und mit immer neuen Dingen, die er hinter einer Wand hervorholt. Oder durch sie hindurchschiebt. Das ist „15 Eimer Sauerkraut mit Rutsche“ von und mit Stefan Ebner, Mastermind der Performancegruppe MFDNS (Material für die nächste Schicht), die derzeit im Projektraum des Kulturhauses WuK (Werkstätten- und Kulturhaus) in Wien-Alsergrund über die Bühne geht (ab 5 Jahren, eine noch skurrilere und längere Version für Erwachsene („Und die Landschaft in einem Luftballon“).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „15 Eimer Sauerkraut mit Rutsche“

Der Performer latscht unter anderem in zwei Kübeln anstelle von Schuhen über die Bühne, steigt später mit Socken in ein Fuß-Massagebad, besprüht sich und seinen mit einer Zeitung bedeckten Kopf mit Wasser, zieht – mit ein wenig Wasser befüllte – Luftballons an Gummischnüren hinter sich her wie eine Schar schnatternder Gänse und … ach alles lässt sich gar nicht aufzählen, welch ver-rückten Dinge er da in dieser Stunde vorführt. Ins Spiel versunken wie in junges Kind, das aus den Gegenständen um sich herum die traumhaftesten Spiele erfindet.

Ach ja: Soviel darf gespoilert werden: Sauerkraut kommt keines vor, dafür aber „wächst“ eine Rutsche durch die Kartonwand 😉

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „15 Eimer Sauerkraut mit Rutsche“

Weitere Dimension

Und dann hat die Performance noch eine zweite Dimension, die mitspielt, wenn das erste Wort im jeweiligen Stücktitel – das hier oben bewusst weggelassen worden ist – „Vergessen“ steht da; und in der Beschreibung ist die Rede von Demenz. Womit die Performance eine ganz andere (Be-)Deutung erhält. Ein alternder Mensch, der den üblichen Gebrauch der Dinge vergessen hat, der selber vielleicht von anderen vergessen wurde/wird. Der aber immerhin das erlebt, was Kinder (noch) können: Im Moment leben, ins Spiel versinken.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „15 Eimer Sauerkraut mit Rutsche“

Labor

In solches können Kinder und Kind-Gebliebene auch am Wochenende im Projektraum abseits der Bühne beim „Labor: Astwerk eintauchen“ (siehe Info-Block). Material für die nächste Schicht hat Äste gesammelt und daraus eine Art großer Mobiles gebaut, die erlebt, be-griffen und verändert werden können…

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Szenenfoto aus "Wald - ein interaktives Hörerlebnis"

Eintauchen ins Wood (!) Wide Web

Auf der Hinterbühne des Linzer Schauspielhauses Eintauchen in einen Wald samt „sprechender“ auch „weinender“ Bäume – das ermöglicht die rund einstündige Performance „Wald – ein interaktives Hörerlebnis“ von Diana Rojas-Feile aus der Schweiz (mit dem Weg vom Treffpunkt zum Performance-Ort und Schuhe-Ausziehen usw. ca. ¼ Stunde mehr. Und dafür hat sie natürlich keine Topfpflanzen in den Raum gestellt und ihnen Mikrophone umgehängt 😉

Dennoch kommt dir die Welt der Bäume vielleicht so nahe wie sonst „nur“ noch bei einem Ausflug in einen echten Wald. Mit Kopfhörern ausgestattet und in Überzieh-Socken wanderst du in dem – meist – sehr dunklen Raum nein, auch nicht auf einem aufgeschütteten Waldboden, sondern mit Ausnahme einer kleinen Kiesgrube über glatten Boden – entlang oranger Linien, die wiederum plüschige kleine Inselchen verbinden, sozusagen stilisiertes Moos (Raumkonzept, Kostüme & Licht: Theres Indermaur).

Fühl dich in einen Baum rein

Und du wirst zu einem der nun vielen Bäume, die entlang der genannten Linien miteinander vernetzt sind – im Wood Wide World. Mit Bewegungen, wenn der Wind durchs Gehölz rauscht, du mit anderen Bäumen in wortlosen Austausch trittst, Schmerzen empfindest…

Gedanken – von Kindern und von den professionellen Künstler:innen – live von Diana Rojas-Feile, von der die Texte stammen und die Regie führte, sowie von Victor Moser, der Musik und Sounddesign einbrachte, beide mitunter mit verzerrten Stimmen – fließen über deine Ohren in dein Gehirn. Gedanken, die mögliche Gefühle von Bäumen ausdrücken, die die meisten von uns in ihrer überheblichen westlich angeblich zivilisierten Welt kaum bis nicht wahrnehmen. Im Gegensatz zu Menschen, die sich viel mehr als Teil der Natur und des Universums fühlen. Und so hat die Stück-Autorin auch mit Indigenen aus dem brasilianischen Amazonas gesprochen und deren Sichtweisen einfließen lassen. Ohne die Performance auch nur im Geringsten ins Belehrende kippen zu lassen.

Die beiden Künstler:innen führen unter anderem mögliche Dialoge zwischen Mensch und Baum. Auf die Frage, wie es für Zweiteren ist, wenn Ersterer ein Blatt ausreißt: „Wie ist es für dich, wenn dir ein Haar ausgerissen wird?“ Beispielsweise.

„Eine westliche Frage“

Auf die Frage an die Indigenen aus dem Regenwald, ob sich die Natur vielleicht an der Menschheit rächen könnte, erntete die Stück-Autorin Unverständnis samt dem Sager, dies sei westliches Denken. Sie und jene Menschen, die im Einklang mit der Natur leben kennen solche Gedankengänge und Sichtweisen nicht: „Wir kennen diese Trennung, diese Widersprüche nicht – wir sind doch gleichwertige Teile des gemeinsamen Ganzen wie Bäume, Flüsse usw.“ Und selbst das kommt weder esoterisch noch belehrend daher – einfach ein bisschen den größeren Zusammenhang mehr beachten wird so „nebenbei“ vermittelt, eben Wood Wide World – so wie auch Bäume über ihre Wurzeln unter- und miteinander vernetzt sind 😉

Und dem Hinweis, dass die Natur, trotz Zerstörungen durch die Menschheit, sicher auch ohne Menschen leben können und werden. Umgekehrt hingegen nicht, noch dazu wo die Bäume sozusagen die (natürlichen) „Maschinen“ gegen den Klimawandel sind, wie die von Kindern und Jugendlichen vor mehr als 15 Jahren (2007) gegründete längst weltweite Initiative „Plant fort he Planet“ hinweist.

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Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für die ersten vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.

Proben-Szenenfoto aus "Es zieht!", Theaterwild-Werkstatt "Wildwuchs" im Dschungel Wien

Plastikfutter und Luft-Spray

Schon im Hintergrund eine Art Schnürl-Vorhang – aus lauter aneinander geknüpften Plastikflaschen und an einem seitlichen Bühnenrand stehende aufblasbare Sitzmöbel deuten das Problem an, um das sich „Es zieht!“ drehen wird. 14 Kinder und junge Jugendliche bespielen – eingebettet in eine Geschichte rund um eine Party – das Thema Plastik(müll).

Die jungen Darsteller:innen haben mit ihrer Regisseurin die ganze Saison in einer der vier Theaterwild:Werkstätten – wie die anderen drei – das Stück gemeinsam erarbeitet. In dieser Werkstatt namens „Wildwuchs“ haben sie sogar für das Bühnenbild und die Requisiten gesammelt – die Flaschen – im Laufe der rund 50 Minuten werden fast Unmengen von solchen auf die Bühne rollen und fallen.

Party zum (Welt-)Untergang

Auswirkungen dieser Vermüllung auf die Welt(meere) spielen sie in verschiedenen Szenen, die – durch Blacks getrennt – ins Party-Spiel eingebaut sind. So schwimmen die meisten der jungen Theaterleute als Fische über die Bühne und beißen sich an Plastikstücken – von anderen gespielt – tot.

Aber auch die Party selbst – mit Freund- und Feindschafften, dem Auftreten unterschiedlichster Typ:innen – einer Hilfsbereiten ebenso wie zweier reicher Schwestern, die allen zeigen wollen, was sie sich alles leisten und sozusagen auch die Welt kaufen könnten – hat einen bitterbös-sarkastisch-witzigen Höhepunkt: Eine der Gäst:innen bietet Luft in Sprayflaschen an, dafür gibt’s kein Trinkwasser mehr und das regionale Bio-Buffet bleibt praktisch unangetastet.

(Spiel-)Witz

Trotz der Schwere der Themen ist „Es zieht!“ – der Titel klärt sich erst am Ende und soll hier natürlich nicht verraten werden – wird das Stück recht witzig werden – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte eine der letzten schon durchgängigen Proben sehen, weil zur Aufführungszeit nicht anwesend. Für den Humor sorgen einerseits der Spielwitz der jungen Darsteller:innen als auch die überspitzt präsentierten zugespitzten Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Erde, von der es keinen Ersatz also keinen Planeten B gibt. Dass sich das Publikum aber nicht nur gedanklich damit auseinandersetzen soll, dafür sorgt ein aktionistisches Ende – das natürlich nicht gespoilert werden soll.

(Um-)Welt

Auch die anderen drei Theaterwild:Werkstätten im Theaterhaus für junges Publikum haben sich intensiv mit der Klimakrise auf Menschen und Natur auseinandergesetzt. Die szenischen Ergebnisse der monatelangen Workshops sind nun beim Festival – bis 12. Mai 2023 (manche aber nur bis 6. bzw. 9. Mai) zu erleben – siehe Info-Box.

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Doppelseite aus dem Kinderroman "Kaiserschmarrn - Mein grandioser Sommer mit Ziege"

Wenn eine Ziege spricht und noch dazu Kaiser ist

Es wäre eine ganz normale Geschichte von Neuankömmlingen in einem kleinen Dorf. Arthur, der Erzähler, muss mit dem älteren Bruder Ossi und seinen Eltern in eine vom Vater entworfenes schachtelförmiges Haus an einem Waldrand übersiedeln. Der Architekt liebt die Natur, sagt er.

Arthur, aus dessen Sicht und Gedanken wir diesen Kinderroman lesen, ja verschlingen, erlebt gleich im ersten Kapitel einen Schock. Ein „Waldmensch“ erschreckt ihn. Das – so erfahren die Leser:innen in der Folge – ist der Vater von Fanny und Freddy, die am anderen Ende des Waldes wohnen.

Zwischen den beiden Vätern wird es noch einen argen Streit geben, der sich um ein geplantes Riesen-Baumhaus dreht. Aber keine Details. Die knapp mehr als 200 Seiten lesen sich nicht nur flott, sondern immer wieder taucht die eine oder andere kleine oder größere Überraschung auf, die der Geschichte eine spannende Wendung gibt.

Die allergrößte kündigt die Autorin und Illustratorin in Personalunion, Leonora Leitl, schon im Titel an: „Kaiserschmarrn – Mein grandioser Sommer mit Ziege“. Diese, im Taufnamen Seppi, kann von einem Moment auf den anderen sprechen und stellt sich als Kaiser namens „Cäsar Napoleon Alexander der Größere“ vor. Auch das darf schon verraten werden, begrüßt er doch als solcher das lesende Publikum gleich auf der ersten Seite in einer Art Vorwort vor.

Und so schräg dies wirkt, der sprechende Bock passt wunderbar in die an sich eher normale Geschichte, sorgt für das eine oder andere Abenteuer, aber im Kern geht’s um die Freundschaft der Kinder. Den sich aufbauenden oben angesprochenen Streit. Und der dreht sich wiederum im Wesentlichen um den Umgang mit den Bäumen des Waldes. „Natürlich“ samt Happy End – und das mit Kaiserschmarrn-Rezept – mit „kaiserlichen“ Wortspielen 😉

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Titelseite des Kinderromans
Titelseite des Kinderromans „Kaiserschmarrn – Mein grandioser Sommer mit Ziege“
Doppelseite aus dem Bilderbuch "Piepmatz macht Wald aus euch!"

Nehmt das, ihr kopflistigen Menschkauzigen!

„Klimakleber pfui!“, schrei(b)en alle möglichen Leute, nur weil sich ein paar – meistens – junge Menschen kurzzeitig auf der Straße festsetzen und so den Autoverkehr kurzfristig zum Stehen bringen. Ein Stau mehr.

„Aber“, so sagen diejenigen, die wie sprichwörtliche Rohrspatzen schimpfen, für die Umwelt wären sie ohnehin und für den Klimaschutz sowieso. Ach, was würden die erst sagen, wenn der Eichelhäher aus dem Buch von Michael Stavarič und Stella Dreis in der Wirklichkeit machen würde, was in starken, explosiven Bildern und sprachverspieltem Text ankündigt?

„Piepmatz macht Wald aus euch!“ rückt die „Maschine gegen den Klimawandel“ ins Zentrum der Geschichte. So nennt „Plant for the Planet“, die von Kindern und Jugendlichen ausgehende und getragene Initiative, Bäume. Also, mit der Hauptperson des Bilderbuches, einem Vogel der Art der Eichelhäher, kannst du dich ärgern, dass aus Wäldern Autobahnen, Einkaufszentren und sonst noch alles mögliche wird, das Menschkauzige, Aufrechtgestaltige, Kopflistige aushecken. Mit solchen und weiteren Wortschöpfungen lässt der Autor den „Piepmatz“ die angebliche Krone der Schöpfung bezeichnen.

Was wächst denn da?

Das führt übrigens zu ganz schön absurd anmutenden Bildern, die sich Stella Dreis ausgedacht hat: Etwa ein Reh, das durch einen „Wald“ wandert, der nur mehr aus Baumstümpfen besteht, auf denen verschiedenste TV- und Computermonitore thronen. Das und all die anderen oft fantasievollen Bilder – mitunter mit „Spreng“kraft -, die zeigen, was Menschen mit der Natur anrichten, bringt den Eichelhäher dazu, nach Rache zu sinnen.

Und die findet er just in Auswüchsen von Abfällen, die Menschen im Wald vergraben haben. Per Zufall fällt eine Eichel in die Flüssigkeit einer solch verbuddelten Tonne – und die rausgefischt und gepflanzt lässt Monsterbäume rasend schnell wachsen.

Soweit die Story. Stavarič lässt den Eichelhöher in einer eigenen – in Wörtern und Satzstellungen verspielten Sprache reden, die ein wenig an Christine Nöstlingers legendäre Radiofigur Dschi Dsche-i Wischer Dschunior erinnert. Und warum sollen nur Menschen verschiedene Sprachen haben? So variiert er die Sprachspielereien, wenn er andere Waldbewohner:innen zu Wort kommen lässt 😉

Das kunterbunte Kunstwerk aus Sprache und Bildern ist übrigens jüngst in die Kollektion zum Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis gewählt worden. Und die Illustratorin ist außerdem für den Astrid Lindgren Memorial Award nominiert.

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Piepmatz macht Wald aus euch!“