Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Gruppen-Selfie der Weizer-Theaterfabrik-Jugendlichen

Emotionaler Höhepunkt und Nashorn-Maske

Alle Nominierten sind schon Siegerinnen und Sieger. Immerhin hatte die vier Juror:innen 126 Produktionen österreichischer Gruppen und Theaterhäuser im Vorjahr besucht, darüber diskutiert, mitunter sogar wie sie im Jurytalk gestanden auch heftig, und dann – nicht immer einfach – je vier in den verschiedenen Kategorien ausgewählt.

Jury

Barbara Carli, Helen Isaacson, Götz Leineweber und Danielle Strahm-Fendt, die vier Juror:innen, erzählten, sie hätten sogar diskutiert, ob es dann noch Preisträger:innen geben sollte oder besser alle Nominierten ausgezeichnet würden. Wie auch immer – die ASSITEJ-Austria, der Dachverband des heimischen Kinder- und Jugendtheaters, hatte auch Stella 2024 (für die Stücke 2023) so ausgeschrieben – wie die meisten Bewerbe. Nun also gab es neben den nicht ganz zwei Dutzend Sieger:innen also doch auch wieder Preisträger:innen, sozusagen die Besten der Besten der Besten.

Übrigens: Eine Überblicks-Story über alle Preisträger:innen sowie eine weitere über alle Nominierten ist schon (sehr) lange hier auf Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zu sehen und lesen – Links hier bzw. weiter unten.

Kurzweilige Moderation und Band-Auftritte

Kurzweilig, mitunter szenisch und mit kleinen Rätseln fürs Publikum gespickt, moderierten drei junge Schauspieler:innen – Coco Brell, Mara Romei, Simon Schofeld. Sie selbst waren für ihre darstellerische Leistung in „Über Nacht“ (Burgtheaterstudio Wien) nominiert, weshalb sie in diesem Moment die Moderation – weil „cringe“ – abgaben. Die beiden Erstgenannten haben sich mit dem Gitarristen Bernhard Eder auch als Band „Low Life Richt Kids“ formiert und würzten die Moderation mit mehreren mitreißenden Nummern.

Die ersten Worte der jungen Juror:innen veranlassten gleich einmal die Vertreterin der gastgebenden Stadt Villach – die Stella-Gala 2024 fand in der Neuen Bühne der Draustadt statt -, Gerda Sandrieser (2. Vizebürgermeisterin und für Kultur zuständig) ihre vorbereiteten Rede-Zettel über Bord zu werfen und ein flammendes Plädoyer für jene engagierten Künstler:innen, die Theater für Kinder und Jugendliche machen, zu halten.

Kinderrechte, Demokratie

Die Vorstand-Vorsitzende der Assitej-Austria (Association internationale du théâtre pour l’enfance et la jeunesse), Anja Scziliniski, die auch die Moderationstexte geschrieben hatte, verknüpfte in ihrer eigenen Rede das Theaterschaffen für junges Publikum auch mit dem Recht von Kindern auf Kunst und Kultur. Zufällig fand gerade in der diesjährigen Stella-Woche auch er 35. Jahrestag der Beschlussfassung der Kinderrechtskonvention durch die UNO-Generalversammlung statt. Theater könne und solle auch Demokratie stärken sowie vielleicht gerade mit Fantasie Kindern und Jugendlichen einen Schlüssel in die Hand geben, sich in dieser herausfordernden, unübersichtlichen Welt zurechtzufinden.

Emotionaler Höhepunkt

Da es hier auf KiJuKU.at bereits einen Überblicks-Beitrag über alle Preisträger:innen gibt – weiter oben schon verlinkt – seine hier nur noch zwei Highlights hervorgehoben. Aus mehreren Gründen zu Tränen gerührt nahm Maartje Pasman stellvertretend für sich und ihre beiden Kollegen Futurelove Sibanda und Joseph Tebandeke für ihre merh als überzeugende Leistungen in KINGX & QWEENS (Unusual Beings, Dance Revolution East Africa, Dschungel Wien) eine der von den Schüler:innen des BRG Klagenfurt-Viktring – eigener Beitrag darüber ganz unten verlinkt – gestaltete Statue in Empfang. Ihre beiden Kollegen sind derzeit in verschiedenen anderen Ländern künstlerisch im Einsatz.

Obwohl sie – gemeinsam mit ihren beiden Kollegen – schon vor Monaten ein witziges Jubelvideo aufgenommen hatten für den Fall, dass sie gewinnen sollten, war Pasman spürbar überwältigt.

Die Tränen waren einerseits Ausfluss der Freude über diese hohe Auszeichnung und andererseits der intensiven tänzerischen Arbeit, die sich Vielfalt und Diversität widmet(e) sowie des Andenkens an die im Sommer leider viel zu früh verstorbene Tochter der Co-Choreografin ihrer Produktion und langjährigen Dschungel-Wien-Leiterin Corinne Eckenstein. Lucy, schwerbehindert geboren, hatte immer Zuversicht, Hoffnung, Optimismus, Lebensfreude ausgestrahlt und Diversität gelebt. Ihr widmete Maartje Pasman in einer berührenden Geste und entsprechenden Worten auch diesen Preis.

Sonderpreis

Mit einer Ganzkopf-Nashornmaske betrat die Laudatorin für den Sonderpreis die Neue Bühne Villach. Jene, die eine der vielleicht stärksten berührendsten und durchaus auch ungewöhnlichsten der Dutzenden Top-Produktionen von Nadja und Martin Brachvogel kennen, hatten sofort ihren Aha-Moment: „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“, ein Stück von Jens Raschke über den fast unglaublichen Wahnsinn im Wahnsinn, einen von Gefangenen des Nazi-Konzentrationslagers Buchenwald in der NS-Zeit erbauten Tiergarten (Zoo) neben dem KZ – Link zu einer Stückbesprechung (damals noch im Kinder-KURIER) unten am Ende des Beitrages.

Nashorn-Maske

„Mit einer Nashorn-Maske betrete ich die Bühne – ein Zeichen dafür, dass Aufmerksamkeit manchmal eines kleinen Spektakels bedarf. Es ist mir eine große Ehre, Nadja und Martin Brachvogel zu ehren, das dynamische Duo hinter Follow the Rabbit, das mit dem Stella-Preis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wird“, sagte Saskia Schlichting, Leiterin der Kinderkultur im WuK (Werkstätten- und Kulturhaus) in Wien. In ihrer umfassenden – und letztlich doch spontan gekürzten – Rede würdigte sie die vielfältig, sich auch ständig erneuernde Arbeit des Duos, schloss auch so manche Bildungslücke mit einem Exkurs zu dem wirklich existierenden Vogel, dessen Nachnamen die beiden tragen. Und schilderte, wie viel sie aus der Zusammenarbeit als Veranstalterin des Kinderprogramms in dem besagten Kulturhaus selber lernen und sich weiterentwickeln konnte.

Über Follow the Rabbit

„Seit 2004 erweitert ihre Theatergruppe den Horizont des Theaters – interdisziplinär, innovativ, preisgekrönt. Ihre Werke für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind humorvoll, provokativ und tief berührend. Mehr als 30 Produktionen und zahlreiche Auszeichnungen zeugen von ihrer künstlerischen Exzellenz“, sagte die Laudatorin unter anderem.

An beispielhaften Inszenierungen nannte sie – neben etlichen anderen:
* „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ und charakterisierte es als „eine beeindruckende Inszenierung über den Holocaust, die durch Reduktion und Klarheit bewegt“ und vielleicht auch anrege, eben über Zäune zu schauen und Fremdes entdecken zu wollen.
* „Shoot’n’Shout: Ein Jugendstück über Alltagsgewalt, das mit kluger Provokation irritiert und zum Dialog einlädt.“

Bleiben in Hirn und Herz

Die Wirkung des Theaters, das die beiden Stella-Sonderpreis-Ausgezeichneten (dieser wird vom jeweiligen Vorstand der ASSITEJ vergeben) meinte Saskia Schlichting: „Es gibt Stücke, die nicht nur im Gedächtnis bleiben, sondern ins Herz schneiden. Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute, gehört dazu. Es stellt die schwerste aller Aufgaben: Kindern vom Holocaust zu erzählen, ohne sie zu überfordern, und gleichzeitig moralische Fragen für Erwachsene ungeschönt aufzuwerfen. Follow the Rabbit hat hier eine beeindruckende Inszenierung geschaffen, die uns auffordert, genau hinzusehen – damals wie heute.“

Am Ende ihrer Würdigungsrede kehrte sie zur Nashorn-Maske zurück: „Mit der Maske des Nashorns greife ich ein Symbol aus einem ihrer bedeutsamsten Werke auf. Wie der sprechende Hut aus Harry Potter weist uns ihr Theater den Weg: Über Grenzen schauen, mutige Fragen stellen und Antworten suchen. Der Stella-Preis für das Lebenswerk geht an Follow the Rabbit – für ihre unvergleichlichen Beiträge zum Theater.

Dankes-Antwort

Die beiden Sonderpreis-Ausgezeichneten ließen es sich nicht nehmen, sich inhaltsreich zu bedanken. Nadja, die derzeit in Hamburg arbeitet, schreib eine Rede, die ihr Arbeits- und Lebenspartner Martin, der nach der Heirat ihren Namen angenommen hatte, vortrug. Beide haben mittlerweile auch Erfahrung im Theater für erwachsenes Publikum und neben bisher einem halben Dutzend Stella-Preisen in den 20 Jahren ihres Schaffens, zunächst als Theater Mundwerk, seit vielen Jahren eben als „Follow the Rabbit“, auch „Nestroy“-Preise bekommen. Aus der Erfahrung am Rande der Nestroy-Preisverleihung im Vorjahr aber auch anderen Begegnungen mit Theaterschaffenden schilderte Nadja Brachvogel in der von Martin vorgetragenen Rede. Belächelt und herabgewürdigt für die Arbeit für Kinder und Jugendliche…

Laudatorin Saskia Schlichtung und Co-Ausgezeichneter, Martin Brachvogel
Laudatorin Saskia Schlichtung und Co-Ausgezeichneter, Martin Brachvogel

Wichtigste Theatersparte

„Und auch wenn das Kolleg:innen aus anderen Sparten vielleicht anders sehen, halte ich Theater für junges Publikum immer noch für die gesellschaftlich wichtigste Kunstform. Wir haben ein hoch diverses Publikum, wovon der Abendspielplan nur träumen kann. Wir bauen Nähe zu den Menschen auf und kommen nicht auf dem hohen Ross daher. Wir begegnen unserem Publikum auf Augenhöhe und versuchen Wege aufzuzeigen, um die Komplexität dieser Welt bewältigen zu können. Wir bieten wichtige kulturelle Bildung an Stellen, wo diese zu kurz kommt.“

kijuku_heinz

Compliance-Hinweis: Zur Berichterstattung vom Stella-Festival wurde KiJuKU.at von der ASSITEJ-Austria eingeladen.

Weitere Fotos: Stella-Verleihung an alle anderen Preisträger:innen

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Überblicksartikel über alle Nominierten

Anlässlich der Bekanntgabe der Jury, welche Produktionen und Künstler:innen für den Stella 2024 – für Arbeiten, die 2023 gezeigt worden waren – nominiert sind, erschien hier auf Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… dieser hier unten verlinkte Beitrag.

Beitrag über die diesjährigen Stella-Statuen und Interviews mit einigen Schüler:innen

Zur Stückbesprechung „KINGX & QWEENS“

Zur Stückbesprechung „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“

baer-oder-affe-hinschauen-oder-wegsehen

Arbeit an den Stella-2024-Statuen

„Bärig“ und verspielt – die Stella-Statuen 2024

„Wenn ich an Kinder denke, fällt mir Spielzeug ein. Gut, heute haben viele Kinder ein Tablet in der Hand, aber in meinem Altere waren das noch Bälle, Teddybären, Quietschenten“, beginnt Laura Rak im Telefongespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… ihre Ideen für die Stella-Statuen zu erläutern. Sie ist eine von 13 Schüler:innen der 7E des BRG (BundesRealGymnasium) Klagenfurt-Viktring (Kärnten / Koroška). Sie und ihre Kolleg:innen aus dem künstlerischen Schwerpunktzweig dieser AHS (allgemeinbildende höhere Schule).

Diese Schule wurde vor Monaten von der Österreich-Sektion der internationalen Kinder- und Jugendtheatervereinigung ASSITEJ gebeten, die Trophäen für die heuer ausgezeichneten Theaterkünstler:innen zu gestalten.

Arbeit an den Stella-2024-Statuen
Drei der fertigen Stella-Statuen

Gala in Villach

Zwei Tage vor den „großen“ Theaterpreisen Nestroy (Wien, Volkstheater) wurden in der Neuen Bühne Villach (Kärnten / Koroška) zum 18. Mal die Auszeichnungen für die besten Stücke bzw. andere herausragende Leistungen (Musik, Ausstattung…) im Theater für junges Publikum vergeben – Link zur Story über die Preisverleihung unten am Ende des Beitrages. Die ASSITEJ-Austria lässt in jedem Jahr andere Künstler:innen die Statuen für die Ausgezeichneten entwerfen und anfertigen. Immer aus jenem Bundesland, in dem die Preisverleihung stattfindet. Dieses Mal fiel die Wahl auf die genannte Schule.

Statuen-Bewerb

„Wir haben einen schulinternen Wettbewerb ausgeschrieben“, so die betreuende Lehrerin Kerstin Mayerhofer zu KiJuKU. Die Wahl fiel auf die genannte Jugendliche. Da nicht klar war, ob jemand aus der Schule zur Preisverleihung nach Villach kommen werde, bat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, ob es möglich wäre, mit wenigstens einigen der gestaltenden Schüler:innen telefonisch zu reden. Die Lehrerin organisierte in einer ihrer Doppelstunden die Interviews.

Laura Rak hatte zwar die Idee, aber an der Umsetzung waren letztlich alle Jugendlichen dieses Teils der Klasse beteiligt – der andere Teil besucht den musikalischen Schwerpunkt.

Jede Statue eine kleine Bühne

Jede Statue ist anders, immer steht zentral ein Kuschelbär auf der kleinen runden Bühne, umgeben von Mitspieler:innen wie einer gelben Ente und Spielzeug vom Ball bis zum Würfel. So schildert die Designerin ihren Entwurf weiter. „Und natürlich musste irgendwo Stella und die Jahreszahl stehen.“ Dafür hat sie sich eine runde Kunststoff-Scheibe einfallen lassen, die über der Bühne schwebt wie eine Art Satellit.

„Jede und jeder hat sich eigene Ideen für die Auszeichnung einfallen lassen“, ergänzt Mitschüler Martin im gemeinsamen Telefon-Interview den Entstehungsprozess. Wir durften uns Material, Farbe, Form, einfach alles aussuchen. Einige haben mit Holz gearbeitet, ich mit Blech.“

Vielfältige Arbeiten

Ana, eine weitere Schülerin der Klasse, schildert ein bisschen vom Herstellungsprozess nachdem Lauras Entwurf ausgewählt worden war. „Wir sollten ja mehre Statuen anfertigen. Jede ist anders, auch wenn alle eine größere Figur haben und sich das Konzept der Bühne mit kleineren neben der großen Figur durchzieht. Alle aus unserer Klasse haben dann zu modellieren angefangen. Es gab ja viele Aufgabenbereich – Bälle anmalen zum Beispiel unf vieles andere. Wir haben einige Wochen hindurch immer ein bisschen daran gearbeitet.“

Schließlich mussten von vornherein Trocknungsphasen von Modelliermasse, Farben und so weiter eingerechnet werden“, ergänzt Lehrerin Kerstin Mayerhofer „und nicht zu vergessen, musste ja auch noch die Gravuren gemacht werden. Ein Entwurf scheint oft einfach, aber die Umsetzung ist das nicht immer.“

kijuku_heinz

Compliance-Hinweis: Zur Berichterstattung vom Stella-Festival wurde KiJuKU.at von der ASSITEJ-Austria eingeladen.

Szenenfoto aus "Tiébélé"

Live-Musik, Gesang, Malerei führen in den Süden von Burkina Faso

Zwei Frauen, drei Schüssel, ein großer Kreis auf der Bühne, ein wenig im Hintergrund stehen durchsichtige Kunststoffplatten auf rollbaren Metallgestellen. Aus dem Off kommt Gesang in einer melodiösen afrikanischen Sprache – es ist nicht das in Burkina Faso weit verbreitete Mòoré (Sprache der Mossi), sondern Tiébélé. Das Stück „Tiébélé“ der Gruppe Le Théâtre de la Guimbarde (Regie: Gaëtane Reginster) aus Belgien führt das Publikum in diesen westafrikanischen Staat, genauer ins Titel-gebende Dorf in Kassena, einer Region im Grenzgebiet zum südlichen Nachbarland Ghana – rund 250.000 Menschen, fast gleich aufgeteilt auf die beiden Staaten.

Musik, Gesang, Malerei

Vier Mal spielte die Gruppe beim aktuell laufenden Kinder- und Jugendtheaterfestival spleen*graz in der steirischen Landeshauptstadt. Auf der Bühne des KNOPFtheaters im Kindermuseum #frida & freD spielt die großgewachsene Bérénice De Clercq eine N‘goni – ein Saiteninstrument mit dem Klangkörper eines ausgehöhlten Kürbisses (Musikalisches Arrangement: Zouratié Koné). Ihre Bühnenkollegin Nadège Ouédraogo nimmt die scheinbar leere Schüssel – und siehe da, sie holt daraus so etwas wie Sand hervor, bläst ein bisschen davon in die Luft – eine Staubwolke fliegt über die Bühne. Sie dreht die Schüssel um und spielt mit dem, was sich als feiner Lehm-Sand herausstellen wird, taucht die Hände ein wenig in eine zweite Schüssel – mit Wasser, beginnt ein bisschen zu gatschen, scheinbar herumzu „kritzeln“ mit Lehmsand und Wasser, holt schließlich aus der dritten hölzernen Schüssel in Farbe getauchte Schwämme.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Tiébélé“

Fast in sich versunken wie ein kleines Kind – wären da nicht immer wieder die gemeinsamen Gesänge mit der Kollegin – und natürlich Blicke ins Publikum. Und alles nicht auch „nur“ Vorbereitung dafür, dass die beiden Frauen eine der oben schon erwähnten durchsichtigen, unterschiedlich geformten, Kunststoffwände (Bühnenbild: Laurence Jeanne Grosfils) nach vor in die Mitte des Kreises geschoben, bemalen. Flächige, kreisig, in wilden Handbewegungen, dann wieder klein, zart, exakt Farbe wegkratzen – womit sozusagen Fenster in der Farbfläche entstehen…

Aus der Wirklichkeit „ausgeborgt“

Dieses Spiel ist der Wirklichkeit in der genannten Gegend zwischen den beiden Ländern nachempfunden. Jedes Jahr malen Frauen aller Generationen gemeinsam die Hauswände neu an – flächig und darauf meist geometrische Muster. Sie singen dabei und erzählen Geschichten und Geschichte aus ihrer Kultur und geben sie so von Alten an die Jungen weiter. Unterstützung holten sich die belgischen Künstler:innen für dieses Projekt von Laure Guiré und der Wéléni-Vereinigung in Burkina Faso.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Tiébélé“

Die fünf bemalten Wände ergeben nun eine Häuserzeile im Hintergrund – und werden noch weiter, dieses Mal digital, bemalt – Video-Animation: Mathieu Georis, bis der ebenfalls virtuelle Regen alles überdeckt.

Der poetische, verspielte Mix aus Live-Musik, Gesang und Malerei verzaubert – und bringt so „nebenbei“ eine den meisten Besucher:innen unbekannte Welt näher. Und passt wunderbar zu vielen weiteren (sehr) verspielten Programmpunkten bei diesem Jubiläumsfestival – das alle zwei Jahre über die Bühnen – und immer mehr auch Outdoor gehende „spleen*graz“ findet nun zum zehnten Mal statt.

Follow@kiJuKUheinz

Compliance-Hinweis: Das Festival spleen*graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … für drei Tage zur Berichterstattung nach Graz eingeladen.

Besprechung von Stücken, die beim 10. spleen*graz gezeigt werden, KiJuKU aber schon davor andernorts gesehen hat

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Tiébélé“
Szenenfoto aus "Schneewittchen und die 7 Zwerge" im Theater Forum Schwechat

Märchen- und Song-Mix rund um 4, pardon doch 7 Zwerge

Die Anzahl der Zwerge verwirrte zunächst einmal einige Kinder im Publikum: „Das sind ja nur vier!“, tönte es aus einigen Mündern junger Zuschauer:innen. Wenige Sekunden später stellten sie selber fest: „Nein, doch 7!“

Der „Trick“, vielmehr die Erklärung: Drei der vier Zipfelbemützten haben ein zweites Gesicht auf dem Hinterkopf, einen weiteren Namen, die ihre Eigenschaften aussagen: Hero und Flink (Lisa Ernstbrunner), Klaps und Troll (Isabella Rubel), Adonis und Purzel (Benjamin Plautz) sowie Tröpfchen (Simona Milenkova). Letztere geht immer irgendwie ab, schläft ein – oder fehlt beim Durchzählen. Letzteres vor allem, weil sie sich um die neue Gästin im Zwergenhaus kümmert – die schon wieder…

… genau, auf einen der drei bekannten, hinterhältigen Mordversuche der bösen neuen Königin hereingefallen ist… Was die Kinder übrigens der immer wieder geretteten Königstochter – die trotz der Zurufe, nicht den breiten Gürtel zu nehmen und schon gar nicht vom Apfel abzubeißen – als Dummheit auslegen.

Selber arglos

Um übrigens nach dem Stück von der beim Ausgang stehenden Theaterintendatin Manuela Seidl aus einem Korb Schoko-Münzen entgegenzunehmen – ganz ohne Skepsis. Und das obwohl der Korb jenem ähnelt, den die Königin, die hier Marlen heißt, zu nehmen. Obendrein hatte sie an jenem Vormittag an dem Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… die Vorstellung besuchte, ein ähnliches Kleid an wie die fiese neue Frau des Königs (Kostüme: Sigrid Dreger).

Schneewittchens Vater hatte die Theaterintendantin, die – wie jedes Jahr – das Märchen umschrieb (Regie und Choreografie führte) und mit Elementen aus verschiedenen bekannten Märchen-Filmen anreicherte, Dagobert genannt. Was die Inspiration für die Schokomünzen ebenso war wir für viele Elemente im Bühnenbild (Barbara Strolz, Thomas Fischer-Seidl, Werner Ramschak & Daniel Truttmann) mit Dollar-Zeichen und Geldsäcken.

Seifenblasenmaschine

Der Darsteller einer der Zwerge, der in der Persönlichkeit des Adonis eifersüchtig auf den neuen Mann an der Seite Schneewittchens ist, spielt auch den naiv-verspielten König Dagobert (Benjamin Plautz) – mit einer wunderbar witzigen Seifenblasen-Maschine. Zwei verschiedene Figuren – abgesehen von den drei Zwergen mit „doppelter“ Persönlichkeit durch einfaches Umdrehen – spielt auch Simona Milenkova: Den einzigen ein-seitigen Zwerg (Tröpfchen) sowie die Jägerin. Die hier aber schon fast zwei Mal auf das Mädchen geschossen hätte, bevor sie’s dann doch nicht übers Herz bringt.

Narr und Prinz und fiese neue Königin

Nicht ganz eine Doppelrolle spielt Philipp Fichtner; zwar tritt er anfangs als belustigender Hofnarr auf, aber da war er, der Prinz Kristoff von Eisköniginnnenland, der Schneewittchen heiraten will, nur verkleidet.

Sandra Högl gibt eine wirklich durchgängig fiese neue Königin, der es neben ihrer Schönheit, die von niemandem übertroffen werden darf, vor allem um den Reichtum geht, den sie sich unter den Nagel reißen will. Sie ist so böse gezeichnet, dass sogar der Zauberspiegel – gespielt von Nadine Schimetta – gegen Ende aufgibt und abhaut.

Last but not least ist Amy Parteli zu nennen, die als Schneewittchen namens Mirabel, zwar einerseits auf die wiederholten Mordversuchs-Tricks ihrer „Stiefmutter“ hereinfällt, aber ansonsten schon eigenständiger, selbstbewusster auftritt, ja letztlich dem ein wenig schüchternen Prinzen selber den ersten Heiratsantrag macht. Parteli betätigte sich darüberhinaus – wie oft in diesem Theater – als Regie-Assistentin.

Bekannte Melodien

Die 1 ¼ Stunden leben neben dem flotten Spiel nicht zuletzt von der – unterschiedlichen – Musik (Leitung: Gabor Rivo, Arrangements: Christoph Burko), die sich von einem anfänglichen Rap über den aus dem Otto-Film bekannten Ohrwurmartigen „Zwerge gehen gemeinsam aufs Klo“-Song und „Help!“ von den Beatles bis zum Klassiker „Let it Snow“ (mit großen, fetten Schneeflocken aus Lichtern) am Ende spannt.

Follow@kiJuKUheinz

Fürs Großgruppenfoto kamen auch die Jugendlichen des "Grimm...."-Musicals von der Galerie auf die Bühne

Die Sterne sind vergeben – und sie bewegen sich

Ohne Festival – weil Land Oberösterreich und Stadt Linz nicht ausreichend Geld zur Verfügung stellten – wurden Freitagabend (6. Oktober 2023) im Central Linz die diesjährigen Stella-Awards der ASSITEJ Austria (der heimischen Sektion internationalen Kinder- und Jugendtheatervereinigung) vergeben. Zum 17. Mal wurden damit die besten professionellen Stücke und schauspielerischen Einzelleistungen sowie in weiteren Kategorien Ausstattung, Musik vor den Vorhang geholt. Gemeinsam mit dieser Preisverleihung wurde der 50. Geburtstag des Linzer Theaters des Kindes gefeiert. Eine Bilder-Zeitreise führte durch Dutzende der weit mehr als 100 verschiedenen Stücke, von denen in den vergangenen 17 Jahren auch so manche für einen der Stella-Awards nominiert und einige sogar damit ausgezeichnet worden sind.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Die Gala – kurzweilig moderiert von Simone Neumayr und Katharina Schraml (Schauspielerinnen des Geburtstags-Theaters), musikalisch untermalt von der eigens dafür gegründeten Band D3, eigentlich ja sogar 3 Davids: Baldessari (Stromgitarren), Ess (Schlagzeug) und Wagner (Keyboard) – selbst wurde umrahmt von zahlreichen über den Tag im besagten Theater verteilten Gesprächsrunden zu allen 24 nominierten Produktionen (von 137 Stücken, die die Juror:innen gesichtet hatten). Zu einem Überblicksartikel über alle Nominierten – samt Links zu Besprechungen jener Stücke, die Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schon gesehen hat geht es hier unten.

Beweglicher Stahl-Stern

Die von Tina Graßegger gestaltete Award-Statue (sie wird jedes Jahr von lokalen Künstler:innen bzw. fallweise auch von Jugendlichen designt) besteht aus Stahl, einem wie es die Künstlerin übermittelte, Material, das mit Linz verbunden und außerdem ehrlich, uneitel und beständig ist. Und sie zeigt einen Stern (!) aus Einzelteilen – als Symbol, dass Theater nur als Teamwork funktioniert. Dieser Stern ist auf einer Feder fixiert, womit die Trophäe ständig in Bewegung ist.

Bestes Kinderstück

Mit dem Preis für „herausragende Produktion für Kinder“ wurden die Kompanie Freispiel für das Stück „Spiel auf Zeit“ ausgezeichnet. Die Jury – Verena Koch, Bernadette Abendstein, Thomas Sobotka und Leni Plöchl – begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass dieses Stück „ein ver-rücktes Spiel rund um Nichts, Alles und DEN Moment ist. Hier wird nicht nur die Zeit gemessen, sondern auch der Puls unserer Gesellschaft gefühlt. Unter der Regie von Kajetan Uranitsch begeistern Desi Bonato, Chiara Bartl-Salvi, Simon Schober und Felix Kislich mit einer Stunde voller witziger Momente, Spielfreude und philosophischer Fragen. … Möge dieses Stück weiterhin die Zeit für diejenigen verändern, die es erleben.“

Bestes Jugendstück

„King Kong Vivienne“ – eine Kooperation von Vorarlberger Landestheater und dreizehnterjanuar (Wien) wurde zur herausragenden Produktion für Jugendliche gekürt. „Inspiriert von Virginie Despentes King-Kong-Theorie („als Frau bin ich eher King Kong als Kate Moss) entwerfen Fanny Brunner, Vivienne Causemann, Daniel Angermayer, Jan Preissler und Andreas Hutter die Figur King Kong Vivienne, der es bereits mit ihrem ersten Auftritt … gelingt, eine eindeutige geschlechtliche Zuschreibung zumindest in Frage zu stellen“, beginnt die Jury ihre Begründung und setzt fort: „So beginnt eine schlüssige und authentische Performance, die Ursachen und Umstände der lebensbedrohenden Krankheit Anorexie klug beleuchtet. Von Vivienne Causemann großartig und sehr berührend gespielt, verliert sie nie ihren bisweilen tiefschwarzen Humor.“

Neue Kategorie: Partizipatives Projekt

Die aktuelle Jury führte – für das Jahr 2022 in dem sie „amtierte“ – eine vorübergehende Kategorie ein: Herausragendes Partizipatives partizipatives Projekt. Den Preis erkannten sie einer besonderen Version des Musicals „Grimm! – Die wirklich wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf“ (von Peter Lund und Thomas Zaufke) zu. Das satirische Stück über Populismus, Fake News und Ausgrenzung, das schon im Grazer Jugendtheater Next Liberty und im Wiener Theater der Jugend zu erleben war, wurde in Linz von einem professionellen Leading-Team (Leitung: Heidi Leutgöb) mit Jugendlichen inszeniert. Sowohl die Darsteller:innen als auch die Musiker:innen waren Jugendliche. Es handelte sich um eine Zusammenarbeit von Landestheater Linz mit dem oberösterreichischen Landesschulmusikwerk unter dem Titel „Jugend spielt Musical“.

Die Jury befand: „Was dieses Musical so besonders macht, ist der überwältigende Enthusiasmus der engagierten Darstellerinnen und Darsteller, der sich in jeder Szene spüren lässt. … Das Musical überzeugt auch durch die beeindruckende Leistung des Jugendlichen-Orchesters, das sich aus den oberösterreichischen Musikschulen zusammengefunden hat. „Grimm!…“ ist es gelungen, das offensichtlich begeisterte jugendliche Publikum abzuholen und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen.“

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen
Stern für die beste darstellerische Leistung ging an Felix Pacher in
Stern für die beste darstellerische Leistung ging an Felix Pacher in „Tschick“ in der Wiener Staatsoper

Herausragende darstellerische Leistung

Felix Pacher wurde mit dem Stella für die herausragende darstellerische Leistung in der Opernversion des berühmten, beliebten, vielfach als Theaterstück inszenierten und sogar verfilmten berührenden und doch erdigen Coming-of-Age-Romans „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf ausgezeichnet.

Seine Darstellung der Hauptrolle in der „Roadopera mit jungen Darsteller:innen für ein jugendliches Publikum“ der Wiener Staatsoper überzeugte die Juror:innen. „Felix Pacher singt extrem wortdeutlich und kraftvoll und sein sonorer Bass dringt scheinbar mühelos in die letzten Winkel der Staatsoper. Aber Felix Pacher ist nicht nur ein ausgezeichneter Sänger, sondern auch ein großartiger Spieler. Er verkörpert den Tschick mit großer Authentizität, Aufmerksamkeit und Ambivalenz. Er hört und sieht in klarer Haltung zu, täuscht nichts vor, sondern atmet und lebt die Figur, ist immer präsent, nimmt sich trotzdem zurück und beeindruckt durch ein natürliches Timing.“

Top-Musik

Martin Siewert wurde mit dem Preis für herausragende Musik belohnt, die er für „The Dead Class“ von „toxic dreams“ komponierte. Das Stück (Regie: Yosi Wanunu) baute auf Schriftstücken und Manifesten realer Amokläufer und Schul-Attentäter auf, um dem Phänomen der school shootings auf den Grund zu gehen. „Die Herausforderung bestand darin, diese verstörenden Schriften künstlerisch zu interpretieren, ohne den Massenmördern eine Plattform zu bieten. Martin Siewert komponierte ein Musical basierend auf diesen Frustrationstexten – ein Anti-Musical über Anti-Helden. Ohne dabei aber in die Ironie-Falle zu tappen“, begründet die Jury ihre Wahl.

„Das Ergebnis ist ein konsequent durchgeplantes Konzeptalbum, eine Rockoper, ein durchgehender Soundtrack. In einem Setting aus „Klassenfeind“, „Die Welle“ und „Club der toten Dichter“ lässt die großartige Live-Band Einflüsse von „The Who2, die Hammondorgel von „Deep Purple“ und das Elektrorauschen von „Trent Reznor“ erkennen. Die Musik variiert zwischen treibend und sperrig, raubeinig und zart, als auch atmosphärisch sowie rhythmisch-rezitativ. … Martin Siewert erhält den Preis für die herausragende Musik nicht nur für die Komposition, sondern auch für die musikalische Umsetzung.

Stellvertretend für Paul Barritt, der in London arbeitet, übernahm Anja Scilinski, Leiterin des Burgtheater Studios den Stern für die beste Ausstattung entgegen
Stellvertretend für Paul Barritt, der in London arbeitet, übernahm Anja Scilinski, Leiterin des Burgtheater Studios den Stern für die beste Ausstattung entgegen

Beste Ausstattung

Die Auszeichnung für die beste Ausstattung ging nach London – an Paul Barritt für sein animiertes, digitales Bühnenbild in „Mehr als alles auf der Welt“ (Inszenierung von Suzanne Andrade für das Burgtheater, gespielt im Akademiethater, das sowohl bei jungen Kindern als auch bei Jugendlichen und Erwachsenen funktionierte.

„Mit viel Poesie und Präzision, sehr detailreich aufwendig und liebevoll im Comicstil komponiert“ kommt es sehr oft zum Zusammenspiel mit den leibhaftigen Schauspieler:innen. Neben Tieren und Gegenständen beeindruckte die Jury vor allem „die Animation eines kleinen Jungen, der als gleichwertiger Partner mit seinen Schauspielkolleg:innen agiert und sich am Ende auch verbeugt – dieses perfekt umgesetzte, rasante, sich permanent verändernde Bühnenbild macht das Theatererlebnis zu etwas sehr Besonderem.“

Sonderpreis

Der jeweilige Vorstand der ASSITEJ Austria vergibt jedes Jahr auch einen Sonderpreis an Einzelpersonen, die sich um das Theater für junges Publikum oder wie es immer wieder auch genannte wird, Darstellende Kunst für die Jungen und Jüngsten verdient gemacht hat. In diesem Jahr wurden erstmals zwei Menschen gemeinsam geehrt: Traude und Paul Kossatz, der auch die Statue für sich und seine Mutter entgegennahm, die verhindert war. Sie hatte vor nicht ganz 50 Jahren die Figurentheater-Wanderbühne Lilarum gegründet, die ab 1980 eine erste fixe Heimstatt – in einem Penzinger Gemeindebaukeller hatte. Dort begann Paul im Alter von 14 Jahren zu spielen – wie all seine Kolleg:innen auf Knien, weil der Raum so niedrig war. Seit ¼ Jahrhundert ist das Lilarum in einem großen Haus, wo auch die Werkstätten und Büros untergebracht sein können, in Wien-Landstraße zu Hause.

Neben den hochwertigen künstlerisch – sowohl inhaltlich als auch ästhetisch bis in kleinste Details – hochwertigen Produktionen fürs vor allem jüngste Publikum mit rund 400 Vorstellungen (30 Stücke im Repertoire) im Jahr, legt Lilarum – so die Laudatorin Marianne Vejtisek – Wert auf „soziales und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein; einmal wöchentlich gibt es gesponserte Vorstellungen zum Sonderpreis, seit 20 Jahren Vorstellungen, die simultan in Gebärdensprache – unmittelbar neben der Bühne – übersetzt werden. Außerdem gibt es Gastspiele aus Osteuropa in den jeweiligen Landessprachen…“

Paul Kossatz verwies – wie auch andere mit einem Stella Ausgezeichnete an diesem Abend – darauf hin, dass die gewürdigten Leistungen natürlich nur im jeweiligen Team möglich sind.

Follow@kiJuKUheinz

Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde vom Theater des Kindes und der ASSITEJ Austria zur Berichterstattung nach Linz eingeladen.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen
Bildmontage aus zwei Standfotos aus den Filmen "Buddeln Baggern Bauen" und "Zuckerl Gurkerl Kackalarm"

Baustellen- und Verdauungs-Kinderstücke wurden zu Filmen

Klar, dass Theater ihre Stücke streamen, sozusagen als Filmformat ins world wide web stellen, das ist vor allem seit den fast drei Jahren Pandemie bekannt. Die einen taten’s besser, andere eher schlechter. Eine (kleine) Kamera in der Mitte der Bühne und … laaaangweilig wurde das meistens. Live, gleichzeitig mit den Schauspieler:innen in einem Raum sein, die Atmosphäre – gegenseitig – spüren ist weggefallen. Außerdem sind Theater und Film eben verschiedene Kunstsparten.

Damit nicht nur banal 1:1 abgefilmt wird, gab’s eine eigene Förderschiene des Bundesministeriums, in dem auch das Kunststaatssekretariat angemeldet ist ()Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport). Die Kindertheater- und -Performance-Gruppe „Grips‘n’Chips“  bewarb sich darum und engagierte professionelle Filme-Macher:innen, um die beiden bisherigen Stücke eben für dieses Medium umzusetzen. So ergeben sich für einzelne der Szenen ganz neue Perspektiven, nicht nur durch Heranzoomen. Bei „Buddeln Baggern Bauen“ beispielsweise war auch im kleinen ferngesteuerten Bagger eine kleine Kamera eingebaut!

Die beiden Filme – jeweils rund eine halbe Stunde (27 Minuten der erste, 35 Minuten der zweite) – wurden kürzlich im Wiener Top-Kino der Öffentlichkeit vorgestellt. Und sind ab sofort über die Plattform spectyou online anzusehen (ab 3 € aufwärts).

Follow@kiJuKUheinz

Hier geht’s zunächst zu den Stückbesprechungen – nach Live-Erlebnissen 😉 Die Links zu den Videos in der Info-Box, wo zunächst auch die kommenden Live-Termine aufgelistet sind:

Szenenfoto aus "Die Schnecke und der Buckelwal" im Linzer Theater des Kindes

Die Reise zweier ungewöhnlicher Freund:innen

„Ich will fort, ich will weg!“/ sagt die kleine Schneck.“ Und nicht nur irgendwohin, das könnte sie ja selber kriechend tun. Der Wunsch ist riesengroß – und bald zu lesen: „Wer nimmt mich mit um die Welt?“ Ruck zuck geht der Wunsch in Erfüllung, schwimmt doch glatt ein Wal vorbei und die Schnecke darf auf seiner Schwanzflosse Platz nehmen. Und los geht’s.

Das spielt sich in den ersten Minuten des Stücks „Die Schnecke und der Buckelwal“ im Linzer Theater des Kindes ab – und auf den ersten Seiten des gleichnamigen Bilderbuchs (Beltz Verlag). Von dort stammt der gereimte Text – was das Theater durchaus anmerken könnte.

Bilder in den Köpfen

Die Bilder, die das Team – neben den beiden Schauspielerinnen Simone Neumayr (Wal) und Katharina Schraml (Schnecke) noch Regisseur Andras Baumgartner und Ausstatter Harald Bodingbauer – entwickelte sind allerdings ganz andere. Zeichnete Axel Scheffer für das Buch mit Julia Donaldson (Übersetzung aus dem Englischen: Mirjam Pressler) sehr realistische, naturnahe Bilder, so deuten die Theaterleute vieles nur an. Klar, ein großer Wal passt nicht nur nicht in den Theaterraum, sondern bräuchert halt Meerwasser und davon ganz schön viel.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Schnecke und der Buckelwal“ im Linzer Theater des Kindes

Das allein war’s aber gar nicht. Die Bühne bietet mit einem hölzernen Steg und einer Art Mast mit herabhängendem Segeltuch bewusst nur einen Hauch der Bilder – die werden durch Schauspiel und Text vor allem in den Köpfen der jungen Zuschauer:innen erzeugt. Und so reisen sie mit zu (noch) ewigem Eis und Schnee, um Pinguinen zu begegnen, die die beiden Schauspielerinnen, die eben hin und wieder aus ihren Rollen als Wal und Schnecke aussteigen – nein, nicht selber spielen: Schwimmflossen mit unterschiedlich gefüllten Fersen verwandeln sich sozusagen in ihren Händen zu watschelnden Frackträger:innen 😉

Schattentheater

Mit Hilfe des aufgespannten Segeltuches, Verdunkelung (Lichtkonzept: Franz Flieger Stögner) und kleiner Figuren zaubern die beiden Spielerinnen in einer Schattentheater-Szene so manches, das sich unter Wasser abspielt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Schnecke und der Buckelwal“ im Linzer Theater des Kindes

Natürlich darf eine, vielleicht die zentrale Szene aus dem Buch auch im Stück nicht fehlen. Der Wal verirrt sich, strandet am Sand – und ist damit in Lebensgefahr. So schnell sie kann kriecht die Schnecke, um Hilfe zu holen. Dabei landet sie in der vielleicht witzigsten Szenerie, der Schule knapp am Meeresufer – mit munteren, frechen Kindern aus bunten Federbällen und einer Lehrerin (Tennisschläger mit bunter Brille im Netz. Nicht nur die, sondern auch die Feuerwehr rückt an, um den Wal mit Wasser zu überschütten und anzuspritzen und ihn zurück ins Meer zu bugsieren – natürlich mit der Schnecke als Mitreisender.

Es ist eben niemand zu klein, um nicht auch ganz Großen helfen zu können!

Follow@kiJuKUheinz

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Schnecke und der Buckelwal“ im Linzer Theater des Kindes
TV-Team vor den Wohungen von Familie Doretti und den Nachbar:innen: Thomas Drabinski als kameramann, Frank Engelhardt als TV-Moderator Ulf Brauscher, Etienne Halsdorf als Oskar, Britta Kampert (Dramaturgin) als Frau Dahling eingesprungen, Martin Winkelmann als Simon Westbühl, Paul Winkler als Rico Alexandra Weis als seine Mutter Tanja und Reinhold G. Moritz als Herr Fitzke

Ein Tiefbegabter wird zum Helden und ein Hochbegabter sein Freund

Zwei, die in der Regel eher am Rande stehen (würden), Außenseiter sind – oder zu solchen gemacht werden -, stehen im Zentrum der mittlerweile auf fünf Bände (2020) angewachsenen Geschichten von Andreas Steinhöfel: Rico und Oskar. Zweiterer hochbegabt, aber so ängstlich, dass er nur mit Helm ins Freie geht. Ersterer – wie er sich selbst definiert – „tiefbegabt – nicht blöd, aber ein bisschen langsam im Denken“.

Etienne Halsdorf als Oskar und Paul Winkler als Rico
Etienne Halsdorf als Oskar und Paul Winkler als Rico

Der erste Band – „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ (2008) – läuft in einer Theaterfassung (Regie: Karin Drechsel) seit Kurzem auf der großen Bühne des Theaters der Jugend in Wien, im Renaissancetheater. Frederico Doretti wie Rico mit vollem Namen heißt, wohnt in einem Haus mit fast nur schrulligen Typen am unteren Rand der Gesellschaft. Und wird letztlich zum Helden, in dem er – mit Hilfe seinen neuen Freundes Oskar – den sogenannten „Aldi“-Entführer entlarvt. Benannt nach der Supermarktkette in Deutschland, weil er sozusagen zum Diskont entführt: 2000 € und die Eltern kriegen ihr Kind wieder. Noch dazu gibt der Entführer vor, einen pädagogischen Zweck zu verfolgen: Eltern sollten mehr auf ihre Kinder schauen.

Soweit die Grundgeschichte. Die Rico schon deswegen Kopfzerbrechen bereitet, weil seine Mutter sich diese Summe sicher nicht leisten könnte. Was, wenn er selbst entführt wird?

Leichtfüßig schwierige Rollen gemeistert

Paul Winkler besticht in der Rolle des Rico, weil er ihn glaubhaft spielt – sehr oft mit einem Schuss Selbstironie, aber die Figur selbst nie lächerlich macht. Ähnliches gelingt Etienne Halsdorf als Oskar. Obendrein ist beiden die jeweilige große Herausforderung gar nicht anzumerken, sie spielen überzeugend und mit einer gehörigen Portion Leichtigkeit.

Das gilt übrigens auch für die anderen Darsteller:innen Alexandra Weis (Ricos Mutter Tanja) und die anderen Bewohner des sich immer wieder drehenden Gang-Teils – mal die Türen von außen, mal Einsicht in die jeweiligen Wohnungen (Ausstattung: Christine Grimm) in dem Haus in der Berliner Dieffenbachstraße:  Martin Winkelmann (als Simon Westbühl), Reinhold G. Moritz als Herr Fitzke, Frank Engelhardt (sowohl als Marrak als auch als TV-Moderator Ulf Brauscher) und nicht zuletzt für die recht schräge Frau Dahling (gespielt von Bettina Schwarz), bei der Rico mitunter Zuflucht sucht, wenn seine Mutter nicht da ist.

Aber wenn sie da ist, dann sind Rico und Tanja fast eher Kumpels als Mutter und Sohn – aber auch das in einer ehrlichen, glaubhaften Art und Weise. Sie lassen sich – trotz benachteiligter äußerer Umstände – nicht runterziehen, lieben das Leben.

Funktioniert echt schon ab 6 Jahren

Obwohl die Bücher für ab 10-Jährige geschrieben sind, schafft die Inszenierung – angegeben ab 6 Jahren – auch schon das jüngere Publikum die knapp mehr als zwei Stunden (eine Pause) dicht am Geschehen zu halten. Und das nicht nur durch die spannende Krimi-Handlung, in der sich der Täter schon lange vor der Auflösung verrät – auch für jene, die das Buch nicht vorher gelesen haben.

Bleibt vielleicht zu hoffen, dass von der Sympathie für Rico ein wenig mehr Offenheit für Außenseiter:innen im wahren Leben mitgenommen wird.

Follow@kiJuKUheinz

Szenenfoto aus "Wie Ida einen Schatz versteckt und Jakob keinen findet" im Burgtheater-Vestibül

Auf Schatzsuche zwischen verstellbaren Möbeln

Wird er sich unter einer der beiden weißen Berge – ohne Spitzen – finden, der Schatz? Um einen solchen dreht sich die rund ¾-stündige fantasievolle Geschichte (ab 5 Jahren; Details siehe Info-Box am Ende des Beitrages) im Vestibül des Burgtheaters. „Wie Ida einen Schatz versteckt und Jakob keinen findet“ heißt das Stück von Andri Breyler – frei nach dem Bilderbuch (mit nur dem ersten Teil des Titels – von Simone Baumann und Barblin Sindelar).

Ida – allein zu Hause und auch draußen – spielt, einen Schatz zu verstecken. Aber wo? In der Erde, hoch oben in den Wolken oder…?

Gleichzeitig taucht Jakob – ebenfalls ohne Freund:innen – in die Fantasie der Suche nach einem Schatz ein. Dafür malt er sich mit einem Stift – den er sich von der Souffleuse (Yasmin Steyrleithner) ausborgt, einen Plan, eine Schatzkarte mit verschlungen Wegen auf seinen Arm.

Vom Handeln, denken, fühlen zu oft nur erzählt

Doch, ob er auf dem Friedhof – auf einer ausgrollten Wiese zwischen Gräbern – buddelt, im Sumpf danach greift … – ohne allzu viel zu spoilern: Wie schon der Stücktitel aussagt: Er findet keinen. Aber hat überhaupt jemand, hat Ida einen wirklich einen Schatz versteckt?

Dina Skwirblies und Paul Celementi schlüpfen hin und wieder in die Rollen der beiden schon im Titel genannten Protagonist:innen, darüberhinaus aber auch in die einer Krähe, eines Frosches, eines sprechenden Berges oder des Friedhofsgärtners. Vor allem aber spielen sie Erzählerin und Erzähler, sprechen über Ida und Jakob, was diese gerade tun, denken oder fühlen. Das wirkt dann – vor allem, aber nicht nur, für die jüngeren Kinder im Publikum verstörend, wenn sie in ihren Rollen es ohnehin gerade tun oder sichtbar zum Ausdruck bringen. Das theatrale Stilmittel wirkt dann zeitweise ein bisserl krampfhaft.

Wie schon oben kurz – mit dem Stift – angesprochen, wird in dieser Inszenierung (Regie: Verena Holztrattner) die Souffleuse (eine Einsagerin, wenn Schauspieler:innen einmal nicht mehr weiterwissen, Text vergessen haben) mehrfach auch angesprochen und -gespielt. Was die beiden jungen Schauspieler:innen – Studierende der MuK (Musik- und Kunstuniversität der Stadt Wien) – aber (zumindest in der Vorstellung, die der hier schreibende Journalist bespricht) nicht gebraucht haben.

Bühnenelemente laden zum Spielen ein

Besonders spannend in dieser Version des Stücks – das aus der Schweiz kommt (Übersetzung aus dem Schweizerdeutschen: Juliane Schwerdtner) und seit fast 20 Jahren von verschiedensten Kindertheatern im deutschsprachigen Raum gespielt wurde – sind die beiden gleich eingangs erwähnten Bühnenelemente (Stephanie Därr). Unregelmäßige Vierecke mit schräg nach unten verlaufenden Flächen – wie Berge – mit oben einem Plateau, einer ebenen Fläche. Die werden im Verlauf des Spiels von den beiden Schauspieler:innen immer wieder verschoben, manchmal auch zusammengefügt zu einem dann Fünf-Eck. Seitenflächen lassen sich öffnen – so klappt der Sumpf heraus, aus dem Dina Skwirblies als Frosch heraushüpft. Auf dem Friedhof wird eine der oberen Flächen geöffnet und der Rasen runter und rausgerollt…

All das erinnert irgendwie an ein Wohnzimmer, in dem Kinder aus Möbelstücken Fantasiewelten entstehen lassen – allein, oder noch besser zusammen mit Geschwistern und/oder Freund:innen. Und ist das nicht mitunter der größte Schatz der kleinen und doch so großen Welt?

Follow@kiJuKUheinz

Szenenfoto aus "Peterchens und Annelieses Mondfahrt" im Dschungel Wien

Viele tierliebende, mutige Kinder reisen hier mit

Als „Peterchens Mondfahrt oder wie Anna und ihr Bruder Peter das Universum retten“ lief das 120 Jahre alte und doch so junge Märchen vor knapp mehr als einem halben Jah in den Kinos. Nun spielt sich die Geschichte – mit viel Live-Musik und einer Rahmenhandlung, die das Theater selber witzig anspricht – im Dschungel Wien als „Peterchens und Annelieses Mondfahrt“ ab.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Peterchens und Annelieses Mondfahrt“ im Dschungel Wien

Live-Musik

In Ecken, an der Seite und in der Mitte der hinteren Bühnenwand stechen beim Betreten des großen Saals im Theaterhaus für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier hohe und ein noch höheres Podest ins Auge – besetzt mit Instrumenten und vier Musiker:innen. In der hinteren linken Ecke – vom Publikum aus betrachtet: Eine ganze Batterie an Schlaginstrumenten vom Schlagzeug über Metallophon und rund um hängende, beim Schlagen klingende Teile (bedient von Raphael Meinhart). In der rechten Ecke: Michael Tiefenbacher, Herr über etliche Tasteninstrumente. An der rechten Seite noch Maiken Beer am Violoncello. Leicht rätselhaft lehnt am Fuß ihres Musikpodests ein zweites Cello – das sich im Verlauf der 1 ¼-stündigen Vorstellung in ein Fluggerät verwandeln wird. Als Vierter im Bunde thront noch viel höher hinten in der Mitte Daniel Riegler, Leiter des Dan-Ensembles, der die Musik zu diesem Stück komponiert hat und selbst verschiedene Blasinstrumente, vor allem Posaunen spielt. Die Musik ist hier mehr als nur atmosphärische Untermalung verschiedenster Szenen, sie ist immer wieder ein eigenständiges schauspielerisches Element (Konzept, Regie: Corinne Eckenstein, die Leiterin des Dschungel Wien, die auch gemeinsam mit Regie-Assistentin Sophie Freimüller und Schauspielerin Cecilia Kukua die Textfassung geschrieben hat). Kurzzeitig schlüpfen Musiker:innen sogar in schauspielerische Rollen – insbesondere der Naturgewalten – Donnerhans, Sturmliese, Regenfritz …

Grundgeschichte bleibt: Tierliebende, mutige Kinder gesucht

Die Grundgeschichte ist die aus dem Original. Maikäfer Sumsemann hat wie seine Vorfahr:innen nur fünf Beine. Als ein Holzdieb sonntags eine Birke umhackte, traf er dabei das sechste Bein. Das ist auf dem Mond, denn dorthin hat die Fee der Nacht den Dieb samt seinem gestohlenen Holz – und in dem Fall auch dem sechsten Maikäferbein – verbannt. Erst ein Flug zum Mond kann für Sumsemann und seine Nachkommen wieder die üblichen sechs Beinchen bringen. Abgesehen davon, dass der Maikäfer nicht so besonders mutig ist, bräuchte es zwei Kinder, die noch nie einem Tier etwas zuleide getan haben, um die Maikäfer’sche Extremität zu retten.

Weg mit den Insekten, oder?

Der Maikäfer-Darsteller Felix Werner-Tutschku versucht sich schon vor der Vorstellung mit Kindern anzufreunden, indem er in seinem Kostüm die Wartenden vor dem Saal-Eingang begrüßt und einstimmt. Drinnen hat er’s anfangs ohnehin nicht so leicht. Neu ins Spiel hat die Regisseurin eine hantige Theaterinspizientin (Cecilia Kukua, die später ncoh die Nachfee, den großen (Eis-)Bären und andere spielt) eingebaut. Die will mit dem Meister an den Licht- und Tonreglern Hannes Röbisch eigentlich die Lichtstimmung für eine Vorstellung durchgehen, ausprobieren und nicht gestört werden, noch dazu von einem Insekt.

Der Maikäfer lässt sich zwar verjagen, aber nicht endgültig, kommt zurück und bringt doch sein Schicksal und den Weg zur Rettung an. Mutige, vor allem tierleibe Kinder braucht er.

Mitreisende

Und lädt dazu die anwesenden im Publikum ein. Auch wenn viele „ja“ und einige „nein“ rufen, geht das Spiel weiter: Lasst euch ein auf eine Traumreise.

Zur Unterstützung wird ganz schön und üppig von den beiden Darsteller:innen gespielt. Ach ja, Peterchen und Anneliese kommen auch vor – als 2D-Figurenim Stile von Kinderzeichnungen – abwechselnd bedient von Werner-Tutschku und Kukua. Letztere ziert sich anfangs, lässt sich aber, wenn sie die Fee spielen darf, auf die (Flug-)Reise ein. Das schon erwähnte – ausrangierte wie die Musikerin nach der Vorstellung betont – Cello wird zum Space-Shuttle. Ein irre langer silbrig glänzender Stoff wird nicht nur zur Schleppe der Fee, sondern gleich zur glitzer-glänzenden Milchstraße (Ausstattung: Gerti Rindler-Schantl). Viele große und kleine leuchtende Bälle – von den Musikpodesten auf die Bühne geschossen – verwandeln diese in die Sternenwiese – einen Zwischenhalt auf dem Flug zum Mond.

Mondrakete

Auf dem Mond selbst braucht’s noch mal viel Mut, um den grantigen Mondmann von der Herausgabe des Sumsemann’schen Beinchens zu bewegen – und davor einen Flug mit einer Rakete vom Mondboden zu jenem Berg, auf dem der Herr über den Erdtrabanten wohnt. Warum diese Rakete just den Namen Apollo 13 bekommen hat? Also ausgerechnet jener Mission, die nicht auf dem Mond landen konnte, sondern durch die Explosion des Sauerstofftanks und den berühmten – meist nicht ganz richtig zitierten – Spruch „Houston, wir haben gerade ein Problem gehabt“ berühmt geworden ist? Ebenso unerklärlich wie die Behauptung, auf dem Mond gäbe es keine Schwerkraft.

Viel zu wenige urur-

Aber diese Dinge tun der diesjährigen Weihnachtsproduktion im Dschungel Wien – der jeweils einzigen der Saison mit langer Laufzeit (diesmal bis 6. Jänner 2023) ebenso wenig Abbruch wie die Beschränkung auf sechs ur bei der Aufzählung von Sumsemanns Vorfahren. Die Aufzählung der Ururur- und so weiter würde in Wahrheit nicht ausreichen, ist doch die Rede von vor 468 Jahren was bei der wenige Wochen dauernden Lebenserwartung … naja!

Natürlich: Happy End und rechtzeitige Landung auf der Erde, bevor die Sonne die beiden Kinder aus ihren Betten holt. Eine schöne runde Sache und vielleicht das Erstaunen, dass ein Autor schon 1912 gegen das Abholzen von Bäumen einerseits und auf die Natur- und Tierleibe von Kindern setzte – und heute noch viel mehr auf diese Kraft gehofft, gesetzt werden muss.

Riki Lorenz als 7-Jährige in der Rolle des Maikäfers Sumsemann auf der Bühen des Theaters der Jugend in Wien (1957)
Riki Lorenz als 7-Jährige in der Rolle des Maikäfers Sumsemann auf der Bühen des Theaters der Jugend in Wien (1957)

Vor 65 Jahren

Im Publikum am Sonntagnachmittag saß unter anderem Riki Lorenz, die mit ihrem Enkel Emil und dessen Eltern die Vorstellung besuchte. Davor verriet sie Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… „Ich hab den Maikäfer 1957 als siebenjähriges Kind auf der Bühne des Renaissance-Theaters (das große der beiden Häuser des Theaters der Jugend) gespielt.“ Ab dem Alter von vier Jahren habe sie den Ballettkurs im Dianabad bei Ruth Maria Bachheimer besucht.

„Unsere Kindertanzgruppe wurde immer wieder vom Theater der Jugend geholt, beim Stück „Basiliskenhaus“ haben wir zum Beispiel die schwarze Wolke getanzt, wenn der Basilisk aus seinem Brunnen die giftigen Gase rausgeblasen hat. Bei Peterchens Mondfahrt war ich der Herr Sumsemann.“ Und Frau Lorenz mailte KiJuKu ein Privatfoto von einer der Aufführungen, bei der sie zu sehen ist – das wir veröffentlichen dürfen.

Follow@kiJuKUheinz

Gruppenfot der Mitwirkenden von
Gruppenfot der Mitwirkenden von „Peterchens und Annelieses Mondfahrt“ im Dschungel Wien