Ein weiterer Bericht über die internationale Handelsmesse von Junior-Companies in einem Wiener Einkaufszentrum; Teil 2
Re- war die häufigste Vorsilbe für Produkte der Schüler:innen-Firmen bei der internationalen Handelsmesse in einem Wiener Einkaufszentrum am letzten (kalendarischen) Winter-Wochenende. Re- für RE-Cycling, was oft nicht (nur) wiederverwertet, sondern von den Jugendlichen sogar zu höherwertigen Produkten gemacht worden war, also Up-Cycling.
Zwar kein Re- im Titel aber PLANt Be deutet auch schon das Prinzip der Junior Company der Allerjüngsten bei dieser Handelsmesse an. Stavros Papageorgiou, Andreas Christou, Kirill Eni, Christos Loizou, Aris Pitsillides und Petros Loizou aus der Stavros Grundschule in Nikosia (Zypern) sind jeweils elf Jahre jung. Sie begannen vertrocknete Pinien-Nadeln zu sammeln, sie zu waschen, desinfizieren, trocknen, zerkleinerten sie und mischten sie mit einem „Kleber“, den sie selber aus Mehl, Wasser und Essig mischten. Dieses Gemisch füllten sie in Formen und produzierten so Schüsseln, Häferl, Flaschen, Löffel, Behälter mit Deckel. Manche davon bemalten sie mit ökologischen Farben. Die Teile sind somit lebensmittelecht und obendrein wärmedämmend.
Mit ihren Produkten schlugen sie sozusagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: „Erstens wollten wir was herstellen, das Plastik vermeidet, weil das ein großes Umweltproblem vor allem für die Meere und ihre Tiere ist“, erklären sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Außerdem sind die vielen trockenen Nadeln auf dem Boden und an den Pinien eine große Gefahr für Waldbrände. Wenn wir die einsammeln und nur die frischen Nadeln an den Ästen bleiben, breiten sich bei einem Feuer die Brände nicht so leicht aus.“
Die Jury belohnte übrigens die Bühnen-Präsentation der Jungs aus Nikosia mit dem „Pitch Award“.
Ebenfalls einen Preis mitnehmen durften Jugendliche der Höheren Berufsbildenden LehrAnstalt (HBLA) Ferrarischule in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck. 17 Schüler:innen schneiderten aus übrig gebliebenen Reststoffen für Markisen und Jalousien Reise-behälter – von der Passhülle über kleine Täschchen, Kulturbeutel in beachtlicher Größe bis zu großen Rucksäcken, die sich leicht in Umhängtaschen verwandeln lassen, wie Dina Elsawaf, Theresa Schlenker und Lena Kraler dem Reporter erklären und teilweise vorführen. Für einen Rucksack, der so konzipiert ist, dass beispielsweise ein Anzug so eingepackt werden kann, dass er nicht zernknittert, brauchen die Jugendlichen im Schnitt schon so sechs bis acht Stunden, schildern die drei Vertreterinnen von „mar.kess“ wie die 17 Jugendlichen ihr Unternehmen nannten.
Dafür bekamen sie den „Alumni-Award, vormaliger Junior-Company-Betreiber:innen.
Ebenfalls Taschen aus Alt- bzw. Wegwerf-Material verkaufen 15 Jugendliche aus dem tschechischen Hradec Králové in ihrer Junior Company „ReBan“. Lucie Fiedlerová, Daniela Kulhanková und Apolena Hejná vertraten ihre Kolleg:innen bei der internationalen Handelsmesse in dem Einkaufszentrum in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk). „Wir verwenden alte Werbebanner, aber wir hatten nur die Idee, organisieren alles und verkaufen die Taschen. Wir lassen sie aber herstellen von Menschen mit Behinderung in einer Werkstätte.
Ausgangspunkt für die Gründung des Unternehmens „ReBloom“ von elf Jugendlichen der alternativen Oberstufenschule W@lz (Wien-Penzing; 14. Bezirk) waren einige Mitschüler:innen, die an Wochenenden in Blumengeschäften gearbeitet haben. Und miterleben mussten, wie am Ende des Tages so manche Blumen drohten in den Mist zu wandern. Die Jugendlichen wollten den Pflanzen ein Weiterleben ermöglichen, baten darum, jene Blumen haben zu dürfen, die weggeschmissen worden wären. „Wir haben uns im Internet informiert, was und wie wir damit machen könnten, haben dann beschlossen sie zu trocknen und zu neuen Sträußen für Veranstaltungen zu binden.“ Stellvertretend für ihre Kolleg:innen, die einander am Messetag schichtweise abwechselten, berichten Julius Boesch, Emma Kulnigg und Wenzel Richard den Journalisten die Vorgangsweise. Und auf Nachfrage schildern sie, „dass wir in zwei Stunden so 14 oder 15 solcher üppigen Sträuße schaffen.“
ReBloom wurde mit dem Sustainability Award, also dem Nachhaltigkeitspreis, ausgezeichnet.
Als erstes fiel einigen der Gründer:innen von „Paperi²“ in ihrer Schule, der Chemie-HTL in der Wiener Rosensteingasse auf, „dass Unmengen von Fehldrucken im Chemie-Labor anfallen, Labor- und Experiment-Berichte und so weiter. Also wollten wir irgendwas mit papier-Recycling machen“, schildern Maya Knsut, Ekaterina Mazets, Sophie Willinger und Dorian Jarosch den Ausgangspunkt für diese spezielle Wiederverwertung. „Wir haben aber nicht nur das Altpapier zerschnipselt und mit Wasser vermengt, um es dann handzuschöpfen und zu verschiedenen Formen als Geschenkanhänger zu schneiden. Wir haben auch Blumensamen – Katzengras, Vergissmeinnicht und andere – und Naturdürfte wie Zimt, Zitrone, Rosen oder Lavendel hinzugefügt.“
Dieses Papier wird somit – hochwertig – wiederverwendet. Wenn die Grußkarte, der Geschenkanhänger oder was auch immer nicht mehr erwünscht ist, kann dieses Ding in kleine Futzerl zerrissen, in einem Topf mit Blumenerde geschmissen werden und – genau… Und deshalb fügten die insgesamt zehn Schüler:innen dem Namen ihrer Junior Company einen hochgestellten 2er hinzu – weil gleich noch ein Weiterleben in dem Fall im wahrsten Sinn des Wortes mit dem Altpapier verbunden ist. Und „Paperi“ selber ist das finnische Wort für Papier, und das hatte eine der Beteiligten mit in die Namensfindung eingebracht.
… verwendeten Jugendliche aus einer weiteren Schule in Zypern als Zusatz für Reinigungs-Schwämme – sowohl für Geschirr als auch für menschliche Haut. Bei Letzterer kombinieren wir die – natürlich gereinigten und sterilisierten Eierschalenteile mit einer Aloe Seife und einem naturschwamm“, erklären Aleksandra, Gerasimos und Konstantin für ihre Junior-Company „EGGSclusive“, ein Wortspiel, das in dem Fall nur im Englischen (Egg = Ei) funktioniert 😉
… ein Wortspiel, das in dem Fall im Deutschen eine ganz andere Bedeutung als das Produkt selbst hat, aber jedenfalls mindestens so auffällt wie die Verkleidung eines der Schüler für die Präsentation als wandelnde sozusagen Geh-, und fallweise Steh-Lampe. Acht Jugendliche der schon bei „Re-Bloom“ vorgekommenen alternativen Oberstufenschule W@lz (Wien 14) sammelten alte, formschöne Flaschen aus Bars ebenso wie alte Lampenschirme. Jeweils zwei solcher Teile kombinier(t)en sie, brachten sich vorher bei, wie sie da die Elektrik hineinbringen, wie Laurids Corti und Paul Fellner Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… erklären und zeigen. Und schon bringen Produkte von „Lampen-Fieber“ Licht ins Dunkel.
Verwenden die zuvor genannten Jugendliche ganze Flaschen, um sie als Teil eines Re- bzw. eigentlich Up-Cycling-Produkts einzusetzen, so zerschneiden Dima, Natalia, Krishna, Uliana – sie waren in Wien – und ihre Kolleg:innen im westukrainischen Ternopil fein säuberlich Flaschen. Die unteren Teile mit dem Boden verwenden sie als Gefäße für Kerzen, die sie aus natürlichem Soja-Wachs mit einem dünnen hölzernen Docht befüllen. „Svitochary“ (ukrainisch für Kerzenhalter) nannten sie ihre Junior Company und bewerben ihre Produkte, dass sie Licht ins Dunkel des Lebens bringen, was in ihrem Fall ja noch eine tiefere Bedeutung hat.
Nicht nur, aber viele Flaschen sind das Material für die Produkte von „Reborn Art“. Die wiedergeboren Kunst kommt aus dem italienischen Milano (Mailand) 18 Schüler:innen machten vor allem aus Falschenteilen und Scherben Kunstwerke in Bilderrahmen. „Wir mussten schon vorsichtig arbeiten, aber wir wollten von Anfang an etwas kreatives aus Trash (Mist) gestalten“, gestehen Matteo Maldis, Gian Pablo Andrade, Andrea Merlad und Marco Bassi dem skeptischen Journalisten angesichts der vielleicht doch hohen Verletzungsgefahr.
Weitere Berichte über die Schüler:innen-Firmen bei der kürzlich abgehaltenen internationalen Junior-Companies-Handelsmesse – meist thematisch zusammengefasst – erscheinen in den folgenden Tagen.
… sind von SchülerInnen – für ein Schuljahr – gegründete Unternehmen, die mit realen Produkten oder/und Dienstleistungen handeln. Das unterscheidet sie von den Übungsfirmen (ÜFA) in den Handelsakademien und -schulen, die dort im Lehrplan verankert sind, aber „nur“ virtuell handeln.
Für diese Schüler:innen-Firmen gelten vereinfachte Steuer- und andere Regelungen. Der Grundsatz leitet sich von den Erfindern von vor mehr als 100 Jahren – siehe weiter unten – ab: Wirtschaft lernen durch eigenes Wirtschaften sozusagen.
In Österreich beteiligten sich erstmals im Schuljahr 1995/65 Junior Companys an dem Bewerb. „Heuer nehmen 420 Junior Companies in ganz Österreich teil, zusätzlich noch 11 „Mini Companies“ (2. bis 4. Klasse Volksschule mit Mini-Unternehmen) und 44 Basic Companies (12- bis 15-Jährige für drei Monate) – mit insgesamt 4.800 Schüler:innen – in ganz Österreich teil“, so die Kommunikations- und Social-Media-Verantwortliche des Projekts, Elfi Bajraktaraj zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…
Die Idee geht auf drei US-Amerikaner zurück: Horace Moses, Theodore Vail und Winthrop M. Crane gründeten vor mehr als 110 Jahren (1919) „Junior Achievement“ (JA). Ziel: Verbesserung der Wirtschaftsbildung in US-amerikanischen Schulen. Der Leitspruch lautete: „Learning business by doing business“.
Vor mehr als 30 Jahren (1990) wurde „Junior Achievement International“ (JAI) als weltweiter Dachverband gegründet. Damals gab es bereits in 15 Ländern Junior Companies. Im Jahr 2002 kam es zur Fusion von Young Enterprise Europe und Junior Achievement International. 2004 wurde der Dachverband in Junior Achievement Worldwide umbenannt.
Heute zählen bereits über 100 Staaten zu den Mitgliedern von JA Worldwide!
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