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Doppelseite aus dem Bilderbuch "Aaaah, diese Menschen!"

Vogeleltern haben gar keine Freud über den neuen Freund des eigenen Kindes

Die Eltern finden es gar nicht so toll, dass die Hauptfigur in diesem Bilderbuch sich mit dem Kind aus dem Nachbarhaus anfreunden. Mika heißt dieses Kind. Die Eltern des namenlos bleibenden Vögelchens aber können nur ihre Köpfe schütteln. „Naja, das ist eben ein Mensch!“

Und das mit den Menschen sei „so eine Sache“, sie seine jung auf der Erde, was Vögelchen kommentiert: „Naja, nur dass sie jung sind, spricht doch nicht gegen sie, oder?“

Aber was die alles aufführen, verbauen Wiesen, holzen Wälder ab. Fast jede Idee, die sie hatten und haben zerstört Natur, Lebensraum von Tieren… – in „Aaah, diese Menschen! – Und wie sie mit ihren Ideen fast alles versaut hätten…“ von Miro Poferl, die sich die Geschichte sowohl ausgedacht als auch getextet UND illustriert hat.

Hoffnung?

Vögelchen versteht, ist aber trotzdem traurig, Mika scheint doch so nett zu sein. UND das Kind hat auch viele Ideen – die in eine ganz andere Richtung gehen – Blumen und andere Pflanzen setzen. Andere folgen und pflanzen Bäume… worauf die Eltern zwitschern: „Du, da tut sich gerade was – die kriegen ja glatt noch die Kurve“ und den eigenen Nachwuchs bitten, doch das befreundete Menschenkind kennenlernen zu wollen.

Dieses Bilderbuch vermittelt – und das ganz und gar nicht belehrend – das wohl drängendste Problem, vor dem die Menschheit steht. Klimawandel, vielmehr -krise – das weltweit insgesamt drängendste Problem. Für die Erde? Ja und Nein, auch wenn die Menschheit den Planeten krass zerstört, wenn es kein Umdenken und vielmehr -handeln gibt, werden die Menschen viele Tier- und Pflanzenarten vernichten und sich selbst ausrotten. Die Natur wird sich danach erholen und sehr wohl überleben.

Weltuntergang

Wobei das mit der Hoffnung auf Änderung, weltverträglichem Verhalten der Menschheit so eine Sache ist. Schon vor fast 90 Jahren hat der jung im Konzentrationslager Buchenwald an Typhus verstorbene scharf analysierende und formulierende Schriftsteller Jura Soyfer in „Der Weltuntergang oder die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang“ bei einer Zusammenkunft unseres Planetensystems mit der Sonne geschrieben, das Problem der Erde sei, dass sie Menschen hat. (Übrigens ab 12. September 2023 im Theater Arche in Wien-Mariahilf.)

Und im „Lied des einfachen Menschen“ schrieb Soyfer: „Wir sind das schlecht entworf’ne Skizzenbild/ Des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt…“

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Titelseite vom Bilderbuch
Titelseite vom Bilderbuch „Aaaah, diese Menschen!“
Szenenfoto aus "Die Konferenz der Tiere" im Theater des Kindes /Linz

Magische Tiere kämpfen um (nicht nur) ihr Überleben

Die 86. Konferenz ist ergebnislos zu Ende gegangen, viel Papier. Wichtiges Papier. Das muss aufgehoben werden. Per Rohrpost landen die Unterlagen im Keller, wo ein, nein das wichtigste Archiv untergebracht ist. Die drei Archivar:innen haben es eigentlich satt. Wofür müssen sie das zu Papier gebrachte Geschwätz sortieren und aufheben, wenn die Politiker:innen, die sich zu den Konferenzen treffen, ohnehin nichts am Zustand der Welt zum Besseren verändern.

Kästner + Fridays For Future

In diesem Setting beginnt die aktualisierte Fassung von „Die Konferenz der Tiere“ im Linzer Theater des Kindes, die am Vormittag des zweiten Schäxpir-Festivaltages umjubelte Premiere feierte. Frei nach – und erschreckend sehr ähnlich Erich Kästners Klassiker aus dem Jahre 1949. Damals ging’s – wenige Jahre nach dem 2. Weltkrieg – um Frieden. Denn trotz der schrecklichen Erfahrungen gab’s weiter in verschiedenen Ecken und Enden der Welt Kriege sowie einen enormen Rüstungswettlauf. Kästners „Trick“: Die Tiere der Welt berufen eine eigene Konferenz ein, richten Forderungen an die Menschheit. Und weil die nicht draufeingeht, verkriechen sich alle Kinder der Welt. Erst dann …

Zauberhaft fantsievoll

„Natür“lich geht’s heute neben Krieg ebenso um die Zerstörung der Umwelt und die Abschaffung von (Kinder-)Armut. Am Plott selber, ja sogar an vielen Textpassagen musste nicht sehr viel geändert werden. Was die Inszenierung in Linz – Regie & Raumkonzept: Henry Mason – so spannend macht sind vor allem die „Figuren“, Kulissen, Objekte bis ins kleinste Detail von Rebekah Wild und das blitzschnell sich verwandelnde Schauspiel von Simone Neumayr, David Baldessari (der auch die Musik beisteuert) und Katharina Schraml in den Kostümen von Anna Katharina Jaritz.

Da wird ein aufgeklappter alter Aktenordner zu den Ohren der Elefantin Oli, zwei Hälften eines alten Telefonhörers zu Ohren der Giraffe Yuki und ein zackig gefalteter Maßstab eine Löwenmähne, auch wenn diese sich Luana, eine Löwin aufsetzt 😉 Rebekah Wild hat so fast unendlich viele Details in das Archiv-Ambiente eingebaut, dass wahrscheinlich fünf Besuche der Vorstellung nicht ausreichen würden, um die zauberhaften fantasievollen tierischen und anderen Anspielungen alle entdeckt zu haben. Ein Locher wird Frosch, eine Klebeband-halterung mit Abriss-Vorrichtung zur Schnecke, die über ein schmales ausgezogenes Maßband kriecht, der Vogel Strauß steckt seinen Spagatknäuel-Kopf in den Mistkübel und lässt einen Staubwedel als Schwanzfedern in die Höhe recken…

Flugscham

In die Anreisen der Tiere bauen die Schauspieler:innen Aktuelles in ihre Texte ein – aus Umweltgründen eher nicht mit dem Flugzeug, lieber mit einem Wal. Klarerweise schrumpft der Eisberg, mit dem der Eisbär anschwimmt – seine Rettung erfolgt mit einem fliegenden Teppich.

So viel Zeit ist nicht mehr

Und wie bei Kästner erwecken die Forderungen der Tiere bei den Menschen wenig Eindruck, nicht einmal als die Motten die Uniformen der Konferenzteilnehmer:innen und Militärs auffressen. „Wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut“ – diesen Spruch der Fridays For Future-Bewegen borgt sich das Theater des Kindes aus – doch selbst das lauteste Rufen, Schreien, Kreischen der Kinder im Publikum lässt die Menschen-Konferenz’ler:innen nicht umdenken. Also doch der letzte Ausweg à la Erich Kästner: Alle Kinder verschwinden. Immerhin ist sogar Weltpräsident Ärgerhuber, pardon Zornmüller, Vater…

Wird es noch einmal 74 dauern, bis die Menschheit notwenigem Umdenken auch entsprechendes Handeln folgen lässt? So viel Zeit ist nicht mehr!

Aktualisierung

Übrigens praktisch zeitgleich mit dieser Version von „Die Konferenz der Tiere“ im Linzer Theater des Kindes blockierten Klimaaktivist:innen in Tirol die Brenner-Autobahn!

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Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für die ersten vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.

Szenenfoto aus "Kassandra 4D"

Nehmt die „blinde Seherin“ endlich ernst!

Grünlich-bläuliche Bubbles bewegen sich im Hintergrund über die Leinwand. Meist wandern abstrakte Muster, hin und wieder re-mixed mit konkreten Fotos, selten auch mit Wörtern über die grafisch-künstlerisch von Experimentalfilmer Erich Heyduck gestaltete Video-Kulisse hinter der Schauspielerin und dem Musiker.

Letzterer liefert Musik, Sound, Geräusche aus einem Live-Studio unterschiedlichster Tasten-Instrumente und Regler. Hin und wieder greift Georg O. Luksch zu einer „Pipe“, einem ein wenig klobig wirkenden Blasinstrument samt Knöpfen zu elektronischen Verzerrungen. Mit seinem analogen, elektronischen Tonstudio fast in Form eines Cockpits schafft er durchgängig die akustische Atmosphäre für „Kassandra 4D“, das er gemeinsam mit Rita Luksch entwickelt hat und nun live performt. Die Schauspielerin lässt Texte lebendig werden, schlüpft in die Rolle der mythologischen Titelheldin, switcht mühelos über rund viereinhalb Jahrtausende – mit verbalen Ausflügen Millionen Jahre zurück.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kassandra 4D“

Mauern schließen auch ein

Und lässt – wie natürlich viele neuzeitliche „Kassandra“-Bearbeitungen seit Jahrzehnten – aktuelle Themen mitschwingen. War’s bei der DDR-Schriftstellerin Christa Wolf nicht zuletzt „die Mauer“, die Troja angeblich schützen sollte, so finden wir in der Quadrophonie-Version bald nach Beginn folgende Sätze: „Jedenfalls Priamos, unser Herrscher, König von Troja, mein Vater – doch er hat sich verschlossen vor meinen Warnungen. Will nichts hören von der Gefahr, die uns bedroht, uns auszulöschen droht! Ihr schließt euch ängstlich ein, die Mauer um unsere Stadt wird größer und größer, die Gräben tiefer und tiefer zwischen den Völkern. Die Fremden auf der einen Seite und wir auf der anderen. Griechen gegen Trojaner. Habt ihr das gewollt?“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kassandra 4D“

Tanz auf dem Vulkan?

Zwischendurch lädt Rita Luksch einmal das Publikum ein, sich von den Sitzen zu erheben und zum Fest des Apollon mit ihr als neuer Priesterin zu tanzen. Das ist allerdings eher ein Tanz auf dem Vulkan oder der Titanic, haben wir doch schon davor von der Kassandra – in Vergangenheit und Gegenwart – düstere Vorhersagen erfahren; keine esoterischen durch Blicke in Glaskugeln oder via gelegter Karten usw., sondern „einfach“ aus der messerscharfen Analyse der Ereignisse. Die im einen Fall durch Machtgier zu unzähligen Todesopfern im Krieg zwischen Griechen und Trojanern führten und im anderen, im heutigen Fall zum möglichen Untergang der ganzen Menschheit.

Wobei zu letzterem kommen die heftigeren Fakten erst im Teil nach dem Tanz. Aber sie sind natürlich schon zuvor gegenwärtig. Die von Menschen angerichtete Klimakrise ist wohl mittlerweile jeder und jedem in irgendeiner Weise zumindest nicht entgangen. Auch wenn Rita Luksch vor allem gegen Ende vielleicht manch weniger bekannte Fakten – u.a. solche, die möglicherweise gerade noch Abhilfe schaffen könnten – rezitiert, wirkt das letzte Viertel doch zu sehr nach lehrhaftem Vortrag. Natürlich alles wichtig und richtig.

Fleisch-Facts

Eine Passage daraus: „Wenn wir Konsument*innen die Empfehlung der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung beachten und statt pro Person 60 Kilo Fleisch im Jahr nur die empfohlenen 19 Kilo verzehren, reduzieren wir unseren Fleischkonsum um zwei Drittel, so braucht es in Österreich 64 Millionen weniger Nutztiere. Damit werden große Flächen für eine Umstellung auf Biolandbau oder zur Aufforstung frei. So würden im Ernährungsbereich 28 Prozent der Treibhausgase eingespart.“

Es gäbe sicher noch viel mehr solcher Fakten, aber das bisschen Overkill, wirkt, als hätte das Duo gar nicht an die Kraft der eigenen zuvor so konzentrierten und doch ent-dichteten, der poetisch-atmosphärischen, Performance geglaubt, die das Publikum sinnlich in diesen Wahnsinn der Ignoranz gegenüber analytischen bzw. wissenschaftlichen Warnungen mitnimmt.

Wabbernde Sounds tröpfelnde Linsen

Das kongeniale Zusammenspiel von Musik bzw. Geräuschen, die zeitweise voll durch den Raum wabbern, und der Schauspielerin, die übrigens fallweise auch mit auf einer runden Rahmentrommeln und darauf „tröpfeln lassenden“ Beluga-Linsen musiziert sowie dem auf die Szenen abgestimmten Experimentalvideo nimmt mit auf eine Reise, die zwischen Faszination und kaltem Schauer pendelt. So schön und doch so arg, wie die große Mehrheit oder gar wir alle sehenden Auges ins Verderben rennen, das die blinde Seherin voraussagt.

War’s, weil es sich bei Kassandra um eine Frau handelt(e), dass die Herrscher ihr nicht glaubten? Das war wohl (mit) ein Grund, aber nicht der alleinige. Warnungen auch vieler männlicher Wissenschafter, die seit Jahrzehnten auf Folgen von Ressourcen-Vernichtung und Erwärmung der Erdatmosphäre hinweisen – wir wissen, was mit ihnen passiert (ist).

Kommt wieder

Premiere, bei der vielleicht trotz wunderbaren Zusammenspiels der Schauspielerin und des Musikers vielleicht der eine oder andere Blickkontakt oder körperliches Zusammenspiel noch besser gewesen wäre, war in der ersten Mai-Woche im Gleis 21, einem Veranstaltungsraum im gemeinschaftlichen (Wohn-)Projekthaus im neuen Sonnwendviertel beim Wiener Hauptbahnhof. Dort wird noch zwei Mal im Juni und dann im September gespielt, einmal auch im niederösterreichischen Wilhelmsburg – siehe Info-Box.

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kassandra 4D“

Szenenfoto aus "In Arbeit" vom E 3 Enemble

Im Kampf gegen den Klimawandel kleben oder schlittern?

Tiefblauer Tanzboden, himmelblaue Anzüge der Musiker sowie der Schauspieler:innen und auf dem Boden durchsichtig flüssige kreisrunde große und kleinere Klekse. Wasser kann’s nicht sein, dafür wirken sie zu wenig flach, eher zähflüssig. Kleister? Als Anspielung auf Klimakleber? Nein, es ist Gleitmittel (kübelweise bei Landwirtschaftszubehör gekauft) erklärt eine der Protagonist:innen später in der Performance „In Arbeit“ des E3 Ensembles in einem eigens in die White Box im Wiener Off Theater nochmals reingebauten Zelt-Bühne – mit zwei großen Ventilatoren als Windmaschinen (Bühne: Sebastian Spielvogel).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In Arbeit“ vom E 3 Enemble

Zu Livemusik auf zwei E-Gitarren und einem eBass (Dominik Essletzbichler, Daniel Neuhauser, Tobias Pöcksteiner) führen sich die vier Schauspieler:innen Isabella Jeschke, Rinu Juniku, Leon Lembert und Gerald Walsberger wie in vielen der E3-Ensemble-Stücken ärgstens auf, mit vollem körperlichen Einsatz treten sie in die Gleitmittel-Klekse, hinterlassen Spuren, Fußabdrücke, rutschen, schlittern über die Bühne. Lösen Schrecksekunden beim Publikum – und vielleicht hin und wieder auch bei sich selbst aus, ob da niemand zu Schaden kommt.

Großes mit Kleinem verbunden

Reihum thematisieren sie die großen Probleme und Herausforderungen der Klimakrise und die scheinbar kleinen, wie jede und jeder etwas dagegen unternehmen könnte, die Erwärmung der Atmosphäre zu stoppen oder geringer ausfallen zu lassen – und dies fast durchgängig in einer Kombination aus der erforderlichen Ernsthaftigkeit mit einem Schuss Humor, Sarkasmus, Ironie und Witz. Loben sich selbst dafür, Müll richtig zu trennen oder Bewegungsmelder im Haus organisiert zu haben, damit das Ganglicht nicht immer brennt. Finden Ausreden, warum sie dies, das oder jenes nicht können oder wollen – eine künstlerisch überhöhte Aneinanderreihung von Ausreden.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In Arbeit“ vom E 3 Enemble

Auferstehung von Dinosauriern

Und trotz des Ernstes schafft es das Ensemble ähnlich dem aktionstheater ensemble, das die Stücke auch immer im Kollektiv erarbeitet, allgemein politisch und gesellschaftliches stets in sogenannten kleinen Alltagserlebnissen und -begebenheiten konkret aufs Persönliche herunterzubrechen und diese beiden Ebenen sinnlich-spielerisch zu verknüpfen. Und trotz der Ensembleleistung sowohl der Schauspieler:innen als auch der Live-Musiker muss in diesem Fall wohl einer namentlich hervorgehoben werden: Gerald Walsberger, der die unterschiedlichsten Tiere, auch Dinosaurier-Arten in Gang und Körperbewegungen leibhaftig vor den Augen der Zuschauer:innen über die Bühne trampeln, springen, trippeln lässt.

Die intelligentesten Wesen …

Die Saurier sind längst ausgestorben, die Menschen als die angebliche intelligentesten Wesen, die je auf dem Planet Erde leb(t)en, sind dabei sich selbst auszurotten und in dem Zusammenhang fällt mehrmals der Satz: „Ich hoffe, wenn wir aussterben, bin ich schon davor tot!“

Jubiläum

Mit „In Arbeit“ feiert das E 3 Ensemble – rund um seinen dreiköpfigen Kern (Isabella Jeschke, Gerald Walsberger und Sebastian Spielvogel) – den zehnten Geburtstag. In den bisherigen 14 Produktionen wirkten insgesamt mehr als fünf Dutzend weitere Künstler:innen mit, die nicht nur als Gäst:innen spielten, sondern das jeweilige Stück auch kollektiv mitentwickelt haben.

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Proben-Szenenfoto aus "Es zieht!", Theaterwild-Werkstatt "Wildwuchs" im Dschungel Wien

Plastikfutter und Luft-Spray

Schon im Hintergrund eine Art Schnürl-Vorhang – aus lauter aneinander geknüpften Plastikflaschen und an einem seitlichen Bühnenrand stehende aufblasbare Sitzmöbel deuten das Problem an, um das sich „Es zieht!“ drehen wird. 14 Kinder und junge Jugendliche bespielen – eingebettet in eine Geschichte rund um eine Party – das Thema Plastik(müll).

Die jungen Darsteller:innen haben mit ihrer Regisseurin die ganze Saison in einer der vier Theaterwild:Werkstätten – wie die anderen drei – das Stück gemeinsam erarbeitet. In dieser Werkstatt namens „Wildwuchs“ haben sie sogar für das Bühnenbild und die Requisiten gesammelt – die Flaschen – im Laufe der rund 50 Minuten werden fast Unmengen von solchen auf die Bühne rollen und fallen.

Party zum (Welt-)Untergang

Auswirkungen dieser Vermüllung auf die Welt(meere) spielen sie in verschiedenen Szenen, die – durch Blacks getrennt – ins Party-Spiel eingebaut sind. So schwimmen die meisten der jungen Theaterleute als Fische über die Bühne und beißen sich an Plastikstücken – von anderen gespielt – tot.

Aber auch die Party selbst – mit Freund- und Feindschafften, dem Auftreten unterschiedlichster Typ:innen – einer Hilfsbereiten ebenso wie zweier reicher Schwestern, die allen zeigen wollen, was sie sich alles leisten und sozusagen auch die Welt kaufen könnten – hat einen bitterbös-sarkastisch-witzigen Höhepunkt: Eine der Gäst:innen bietet Luft in Sprayflaschen an, dafür gibt’s kein Trinkwasser mehr und das regionale Bio-Buffet bleibt praktisch unangetastet.

(Spiel-)Witz

Trotz der Schwere der Themen ist „Es zieht!“ – der Titel klärt sich erst am Ende und soll hier natürlich nicht verraten werden – wird das Stück recht witzig werden – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte eine der letzten schon durchgängigen Proben sehen, weil zur Aufführungszeit nicht anwesend. Für den Humor sorgen einerseits der Spielwitz der jungen Darsteller:innen als auch die überspitzt präsentierten zugespitzten Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Erde, von der es keinen Ersatz also keinen Planeten B gibt. Dass sich das Publikum aber nicht nur gedanklich damit auseinandersetzen soll, dafür sorgt ein aktionistisches Ende – das natürlich nicht gespoilert werden soll.

(Um-)Welt

Auch die anderen drei Theaterwild:Werkstätten im Theaterhaus für junges Publikum haben sich intensiv mit der Klimakrise auf Menschen und Natur auseinandergesetzt. Die szenischen Ergebnisse der monatelangen Workshops sind nun beim Festival – bis 12. Mai 2023 (manche aber nur bis 6. bzw. 9. Mai) zu erleben – siehe Info-Box.

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Kundgebung und Demonstration der Initiative "Change for the Youth" (Veränderungen für die Jugend

Jugendliche organisierte eigene Demo für mental health

„Warum müssen wir uns hier hinstellen und demonstrieren!?“, stellte Anna, eine der Redner:innen – (fast) allesamt Jugendliche oder ganz junge Erwachsene – rhetorisch die Frage an Demonstrierende und Passant:innen auf dem Wiener Christan-Broda-Platz – schräg gegenüber dem Westbahnhof. Unter dem Hashtag Change fort he Youth und mit dem entsprechenden Kürzel CFY (Veränderung für die Jugend) haben sich in den vergangenen Wochen junge Leute zusammengefunden, die zu „mental health“ mehr wollen und fordern als darüber reden und einige Therapie-Einheiten für viel zu wenige Betroffene locker zu machen.

Zehntausende Jugendliche leiden an den Folgen der Pandemie mit ihrer über mehr als zwei Jahre immer wieder für Wochen und Monate aufgezwungenen Blockade analoger, realer sozialer Kontakte einerseits und oberndrein durch die Umweltkrise andererseits ausgelösten Zukunftsängsten und Perspektivlosigkeit. Leiden im Sinne auch manifester Depressionen bis Suizidgefährdungen.

Die schon eingangs genannte Rednerin – Auszüge in einem der beiden Videos – berichtete zu Beginn ihres Beitrags von einer Bekannten, die das Gesundheitssystem „fallen gelassen hat. An diesem Tag hab ich mich entschieden, nicht mehr leise zu klagen, sondern aktiv etwas dazu beizutragen, unserer Stimme Gehör zu verschaffen.“

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Von dem LKW auf dem genannten Platz aus sprach auch Dr.in Monika Stark, psychotherapeutische Ärztin in Brunn am Gebirge (NÖ) und schilderte, dass sie genauso viele jugendliche Patient:innen mit Depressionen wie mit Grippesymptomen habe. Die Regierung hefte sich das Projekt „Gesund aus der Krise“ für das sie 30 Millionen Euro zur Verfügung stellt(e). Die reichen allerdings nur, damit rund 11.000 Jugendliche Therapien in Anspruch nehmen könnten, die Zahl der Betroffenen liege allerdings bei rund 700.000. Gleichzeitig bewunderte die Ärztin die Aktion der jugendlichen Initiator:innen dafür, dass sie sich selbst aus der Krise rausgerissen und aktiv geworden, also ins Handeln gekommen sind.

Das System macht krank

„Das System macht krank“ stand auf einem der wenigen handschriftlichen Plakate, die den massiven Regen überlebt hatten. Getragen auf dem anschließenden Demonstrationszug (bis zum Platz der Menschenrechte neben dem MuseumsQuartier) durch die Mariahilfer Straße von Anisha. Zu ihrer Losung sei sie gekommen, weil es viel zu wenige Therapieplätze gibt. Und weil das Problem viel zu wenig angesprochen wird. Sie selbst „war das Schlimmste damals, dass ich die Motivation für alles verloren habe und irgendwie nichts mehr wollte“, wie sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schilderte. Auf die Frage, wie sie aus diesem Loch wieder rausgekommen sei, sagte die 14-Jährige: „Als die Schule wieder geöffnet war – und meine Mutter hat mich auch zum Rausgehen gedrängt.“

Kostenlos!

„Es gibt nicht nur zu wenige Therapieplätze, die müssten auch kostenlos sein“, erklärt die Ärztin noch dem Reporter, „denn auf Krankenschien, da müssen die Betroffenen erst recht wieder ungefähr die Hälfte der Kosten selber tragen und damit kommen Kinder von Menschen mit sehr wenig Geld gar nicht in den Genuss von Therapiestunden.

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Szenenfoto aus "Coming Soon"

1984 – 2084 – 4084

Vierundachtzig (84) – hat sich als DIE Zahl für Dystopien etabliert. Weil George Orwell seinen Roman „1984“ über einen auf totale Überwachung und schönfärberische Umbenennungen basierenden Staat 1948 fertig geschrieben hatte, verwendete er den Zahlendreher für seinen Titel. Vor knapp einem Jahrzehnt veröffentlichte Jostein Gaarder (bekannt nicht zuletzt von „Sofies Welt“) „2084 – Noras Welt“, das er in einem Interview mit dem hier schreibenden Journalisten und zwei jugendlichen Schnupperschülerinnen „nicht meine bestes, aber mein wichtigstes Buch“ nannte. Klimawandel, dystopische Vorstellungen vernichteter Natur und ein Brief aus der Zukunft an die vor zehn Jahren lebende Urenkelin Nora, um aufzurütteln – Link zu diesem Artikel am Ende dieses Beitrages.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Coming Soon“ von Theater Ansicht in den Soho-Studios (WIen-OTK)

Archäolog:innen aus der Zukunft

Nun switchen wir mit „Theater Ansicht“ ins Jahr 4084 zur Performance „Coming Soon“. In den Ottakringer SoHo-Studios (Details siehe Info-Block) spielen, singen und tanzen zwei Darsteller:innen in goldenen großen „Babystramplern“ (Christoph-Lukas Hagenauer und Johanna Ludwig) und in der selben Farbe geschminkt zwischen künstlerischen Ausstellungsobjekten und Bildern von archäologischen Ausgrabungen unserer Gegenwart. In federnden Gängen und einer mit englischen Einsprengseln irgendwie vorarlbergisch gefärbten Sprache, begrüßen sie das Publikum und beziehen es in der Wanderung zwischen den Bildern und Skulpturen immer wieder mit ein.

Die Besucher:innen sind Menschen aus der mehr als 2000 Jahre zurückliegenden Vergangenheit, also der Jetztzeit. Lange tiefgefroren, eben wieder aufgetaut, sollen sie für die beiden Forscher:innen das Mysterium erklären, haben sie den Planeten zerstört (Ökozid) oder konnten sie das doch aufhalten?

Sängerin aus der Vitrine

Wobei dieses „Vehikel“, um auf die aktuelle umweltzerstörerische Handlung – eines Teils der Menschheit vor allem des globalen Nordens – aufmerksam zu machen, aufzurütteln, zum Handeln, um die Klimakatastrophe zu verhindern, vielleicht doch ein bisschen zu pädagogisch kommt (Konzept und Co-Regie: Julia Meinx, Flo Staffelmayr). In mehr als 2000 Jahren wird es wohl zu sehen, merken, erleben sein – was der Menschheit ge- oder misslungen sein wird. Die Anstupser zum Nachdenken sind hin und wieder aber auch ironisch verpackt.

Als dritte im Bunde schieben die beiden eine – nicht gold-gefärbte – Kollegin (Katja Herzmanek) in einem durchsichtigen Kobel – von den Theaterleuten „Mama-Mobil“ (als Gegenstück zum päpstlichen Papa-Mobil) genannt – ins Geschehen. Die aus ihrer Vitrine vor allem fast ohrwurmartige Songs liefert, die draußen aufgenommen werden und mitunter recht sarkastisch den Weg in den Weltuntergang besingen. Aus dem Ton-Regiepult im Hintergrund löst sich gegen Ende auch die Musikerin und Co-Regisseurin Julia Meinx, um mitten im Geschehen einen Song mit Gitarre zu begleiten.

Entscheidungen

Das Publikum wird immer wieder direkt angesprochen, in 1, 2 oder 3-Manier gebeten sich zu entscheiden – etwa ob die Welt an Kriegen, Krankheiten oder der Klimakrise zugrunde gehen werde. Wobei die Welt, der Planet wird so und so noch Milliarden Jahre überleben – die Frage ist nur, ob mit Menschen oder ohne – und damit einer Reihe von Tierarten, die wir, wie schon viele, mit-ausrotten.

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Interview mit Jostein Gaarder – damals noch im Kinder-KURIER

Proben zu "zoes sonderbare Reise durch die Zeit"

Menschen und (Flug-)Objekte: Ins gemeinsame Atmen kommen

Vorbei am Heeresgeschichtlichen Museum, weiter am Rande des riesigen Geländes Arsenal liegen die von Art for Art. Bekannt vor allem dafür, dass hier für die Bundestheater Kulissen, Requisiten gebaut, Kostüme geschneidert werden, eben Kunst für (Bühnen-)Kunst angefertigt wird. Hier gibt es auch Proberäume.

In einem solchen fällt beim Besuch einer Probe von „Zoes sonderbare Reise durch die Zeit“ vor allem eine riesiger Kleiderberg im Mittelteil der hohen „Bretter, die die Welt bedeuten“ auf. Davor ein Haufen Kunststoffteile, aufs erste einmal als „Klumpert“. Allerdings nicht ganz versteckt auch ein kunstvoll gestaltetes Objekt, das an eine Sauerstoffflasche für Taucher:innen erinnert.

Nach und nach trudeln Schau- und Figuren-Spieler:innen in den Proberaum, begeben sich auf die hohe Bühne vor der eine laaaaaaaaaaaaange Tischreihe steht, an der Regisseurin, Regie-Assistentin, Übersetzerin – Das Stück ist ursprünglich englisch und in dieser Sprache kommuniziert auch die Britin mit dem Team -, Souffleurin Platz genommen haben.

Aufwärmen

Aufwärmen ist angesagt. Im Gegensatz zu vielen anderen Theater(gruppen) scheint hier niemand den Ton dafür anzugeben. Das Bühnen-Team lockert Körper(-teile) zwar im Kreis, aber eher selbstbestimmt – natürlich aufeinander eingehend und reagierend. Schließlich geht’s bei einem Stück ja nicht nur daran, dass alle Muskeln gelockert, alle Beine, Arme usw. aufgewärmt sind, sondern der Kopf sich nicht nur als Körperteil entsprechend der Szene dreht und bewegt, sondern Text aus dem Mund kommt und aufeinander reagiert wird, um miteinander agieren zu können…

Inhalt

So, bevor’s nun weiter zu Eindrücken von der Arbeit an Szenen geht, zunächst einmal knappest zusammengefasst, worum sich das Stück dreht. Die Hauptfigur sieht sich 100 Jahre in die Zukunft versetzt, auf eine Insel – voller Plastik. Aus dieser Erfahrung – Lebewesen, die zu einem Großteil aus Kunststoff bestehen – will/muss sie zurück in die Gegenwart, um zu warnen, aufzuklären, zu retten …

Ein Stück mit dringender Aufforderung, ihr dabei zu helfen, sozusagen zu verstärken, was Fridays For Future seit rund drei Jahren, „Plant für the Planet“ seit fast 15 Jahren, Wissenschafter:innen seit Jahrzehnten machen. Nachdem bisher – wie derzeit zu befürchten bei Cop26, der 26. Klimakonferenz der Vereinten Nationen, im schottischen Glasgow, – viel zu wenig getan wurde/wird, um den Planeten als Lebensraum für Menschen und viele Tiere zu bewahren, will auch dieses Stück mithelfen. Dazu mehr im Gespräch mit der Co-Autorin (gemeinsam mit Jimmy Osborne) und Regisseurin Sue Buckmaster – hier unten.

Proben

So, jetzt aber, rauf auf die Bühne. Zwischen dem schon oben beschriebenen Kleiderberg – vieles aus Mikroplastikfasern –, den Kunststoffteilen und einer hölzernen Waschmaschine – deren Trommel das Portal für die Zeitreise ist, trifft Zoe (Safira Robens) auf Tupperware (Dorothee Hartinger) und Oil Man (Wolfram Rupperti) – und auf einen Pelikan. Wie und wo der auftaucht – das ist ein Geheimnis, das auf Wunsch nicht nur der Regisseurin noch geheim bleiben soll. Jedenfalls müssen sich die Schauspieler:innen mit dem – von Figurenspieler:innen (Teele Uustani, Maximilian Tröbinger und Stellan Torrn) bewegten großen Vogel „anfreunden“. Ihre Bewegungen mit ihm abstimmen.

Annähern

Schrittweise nähern sich Robens, Hartinger und Rupperti dem von den jeweils zwei aus drei (Uustani, Tröbinger und Torrn) geführtem, gehaltenem, getragenem Kunststoffwesen an. Ganz zufrieden zeigt sich Buckmaster trotz immer besserer Synchronisierung nicht. „Lassen wir doch einmal den Pelikan weg“, schlägt sie vor, dass Schau- und Figuren-spieler:innen alleine miteinander agieren. „Wir müssen in ein gemeinsames Atmen kommen“, gibt sie dem Sextett auf der Bühne mit auf den (Flug-)Weg. Schritt, Schritt, Schritt, Arme ausbreiten wie Flügel. Immer und immer wieder. Nach einigen Wiederholungen stellt sich der gewünschte Effekt ein: Wie ein fast riesiges gemeinsames Lebewesen bewegen und atmen die Bühnen-Akteur:innen. Und jetzt mit dem Vogel. Juhuuu, es klappt.

Follow@kiJuKUheinz

Hier geht’s zu einem Video von den Proben

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