„Feuersalamander, kannst du bitte, nach dem Runterrutschen, wenn du zum Teich gehst, ein bisschen mit dem Popo wackeln!“ So lautet eine Bitte der Regisseurin an eine der Figurenspieler:innen. Demnächst, genauer am Samstag, dem 3. Mai 2025, steht im Figurentheater Lilarum die Uraufführung von „Rehkitz Fleckchen“ auf dem Programm – bis fast Ende Mai, Details in der Info-Box.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr durfte am Tag vor dem 1. Mai bei einer Probe dabei sein. Das meiste sitzt schon, Kleinigkeiten in den Bewegungen der Figuren sowie der Objekte werden noch nachjustiert. Regisseurin Andrea Gergely ist dieses Mal auch die Verfasserin der Geschichte. Und das ist für sie, die seit fast 30 Jahren im Lilarum arbeitet, oft als Puppenspielerin und -bauerin, aber immer wieder auch schon als Regisseurin von Wiederaufnahmen, eine Premiere. Mehr zum Stück und seiner Entstehung in einem eigenen Beitrag – am Ende verlinkt -; hier geht’s darum ein bisschen die proben-Atmosphäre einzufangen und wiederzugeben.
Die Regisseurin sitzt vor dem Laptop, von dem aus sie die voraufgenommenen Texte (Anna Böck, Noemi Fischer, Sven Kaschte, Mathia*s Lenz und Alice Schneider) und die Musik (Komposition: Christoph Dienz; Musiker*nnen: Alexandra Dienz, Christof Dienz, Vinzent Dienz, Walter Seebacher) per Tastendruck startet und entsprechend stoppt, wenn nötig. Parallel dazu arbeiten Florian Scholz und Paul Kossatz (künstlerischer Leiter des Lilarum) daran, noch erforderliche Änderungen bei Lichtstimmungen einzuprogrammieren.
Beim Proben-Lokalaugenschein geht’s nicht nur um den Popo-Wackler des eitlen Feuersalamanders, auf den das Rehkitz Fleckchen trifft, sondern auch darum, wie nah soll die Hauptfigur an diesen Schwanzlurch heranrücken. Später werden noch Feinheiten ausgebügelt, so soll die Reh-Mutter beim Wiedersehen, wenn ihre Tochter nur so hektisch rumhüpft und drauflos sprudelt, wen aller sie getroffen hat, „eher ein bisschen ruhiger stehen, so dass du deine Grazie ausstrahlen kannst“.
Bevor’s in eine Probenpause geht, darf KiJuKU.at die Regisseurin hinter die Bühne begleiten. Hier bespricht sie mit den Figurenspieler:innen Paula Belická, Carlos Delgado-Betancourt, Silence Conrad, Julia Reichmayr und Evgenia Stavropoulou-Traska zwischen den Gestellen für die hohen Bäume noch das eine oder andere Detail, versucht selbst auszuprobieren, wie das Schneckenkriechen vom Rand der Bühne her vielleicht besser in Szene gesetzt werden könnte. Kontert schlagfertig Silence Conrads „ich bin der ersten Brokkoli“ mit „es gibt überhaupt nur einen Brokkoli“, was zur Gegenrede führt: „Aber ich meinte das andere Grünzeug“.
Und währen die Spieler:innen pausieren, erzählt Andrea Gergely, dass ein Rehkitz, das sich am Bein verletzte und von einer alten Frau gepflegt worden ist und dann wieder weiterlaufen kann eine Geschichte ist, „die mir meine Oma in Budapest immer vorgelesen und erzählt hat, als ich ein kleines Kind war. An die hab ich mich erinnert und davon ausgehend hab ich mir dieses Stück ausgedacht und geschrieben.“ Und während sie das dem Journalisten anvertraut, sticht sie mit einer speziellen Nadel immer wieder in Abschnitte eines der gefilzten Bäume. „Es muss immer wieder nachgefilzt werden, weil sich die Wolle mitunter ein wenig löst, wenn die Figuren oder die Spielerinnen und Spieler daran vorbei und ankommen müssen.“
Yoko Halbwidl von der Akademie der Bildenden Künste hat einen Entwurf und ein Modell für das Bühnenbild geschaffen, Hanna Masznyik und Márton Vajda haben sie gebaut „und wir alle haben für die Bäume gefilzt“, die Puppen hat die Autorin und Regisseurin geschaffen. Das was Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schon sehen und hören durfte, verspricht jedenfalls eine spannende, berührende, abwechslungsreiche ¾ Stunde – immer wieder mit witzigen Momenten – zu werden.
Das, zu diesem Zeitpunkt noch namenlose Rehkitz stolpert nächtens über die Wurzel eines Baumes und verletzt sich schwer an einem seiner Beine. Die Mutter ist unterwegs um Futter zu besorgen, das junge Rehlein kann nicht mehr weiter, weint bitterlich. Und wird von einer älteren Frau gefunden, in ihr Haus im Wald geschleppt und Wundversorgt.
In dem urigen Haus mit großem Kamin – übrigens ein um die Längsachse gedrehter Baum – wohnt auch noch Katze Tzili und rundum flattern Hühner und kräht ein Hahn. Weil das Reh einen großen weißen Flecken auf dem Hals hat, nennt Anna, so die Frau, das Kitz „Fleckchen“.
Wieder gesundet, macht sich das junge Reh nun auf die Suche nach der Mutter – und trifft unterwegs Grashüpfer, Wildschweinkinder und deren Mama, eine Eule mit kleinen handymastartigen Antennen, einen hektischen, geschäftigen Igel – „hab keine Zeit!“ und einen Feuersalamander oder wie Fleckchen der Mutter beim Weidersehen aufgeregt erzählt Feuermalasander…
Somit liefert „Rehkitz Fleckchen“ wie jedes Stück im Figurentheater Lilarum nicht nur eine berührende, spannende, abwechslungsreiche Geschichte, sondern sehr viel zu sehen und staunen – in dem Fall so manche Tiere – und unterschiedliche Arten der Begegnung sowie nicht zuletzt sehr fantasievolle Bäume.
… heißt die Geschichte mit den eingangs zitierten ersten sechs Worten, die Anfang März 2025 zum ersten Mal auf Deutsch veröffentlicht wurde – zusammen mit bunten, fantasievollen Zeichnungen von Hildegard E. Keller, die den teilweise verspielten Text erweitern. Die Illustratorin ist auch verantwortlich, dass dieses Buch überhaupt erst erschienen ist.
„Es war einmal ein kleines Mädchen…“ Was beginnt wie eines der klassischen Märchen, ist eine Fabel oder vielleicht auch Parabel über ein aufgewecktes, neugieriges weibliches Kind. Ausgedacht und geschrieben von einer Frau, die für ganz andere Texte berühmt geworden ist: Hannah Arendt, Denkerin, Philosophin, scharfsinnige gesellschaftspolitisch kritische Autorin diktatorischer Herrschaft, insbesondere des deutschen Faschismus (Nationalsozialismus), vor dessen Verfolgung sie flüchten musste.
Die Hauptfigur ist das einzige menschliche Wesen in der rund 80-seitigen Geschichte und bleibt namenlos. Sie hütet Tag für Tag Gänse, die sie frühmorgens aus allen Häusern abholt und mit ihnen auf die Weide marschiert. Eigentlich sind Gänse ja sogar Zugvögel. Einige Arten dieser Flieger wurden über Generationen von Menschen zu einer Art Haustier gemacht, weshalb sie kaum mehr ihre Flügel dafür verwenden wofür sie bestimmt sind.
Eines Tages war da eine Gans mehr in der Herde, eine ganz besondere – mit einem wunderschönen schwarzen Fleck auf der Brust. Dieser fremden Gans widmete sich das Kind ganz besonders. Doch plötzlich erhob sich die in die Lüfte und flog davon.
Das wollte das Mädchen so nicht hinnehmen und machte sich auf den Weg, und wollte genau diese Gans ein- oder zurück.
Nun, so beginnt das Abenteuer der entdeckungslustigen jungen Dame. Erst heuerte sie bei einem Piloten an, der der Gans nachfliegen sollte, doch ihr Manöver – über das Gans ab- und auf ihren Rücken zu springen, misslang. Gut für die Geschichte.
So landete das Mädchen wieder auf der Erde – bei einem Wald, wo sie vom Uhu erfuhr, sie könne sich bei den weisen Tieren Rat holen, die sich in einer großen Waldlichtung versammeln. Vom Uhu lernte das Mädchen übrigens rasend schnell die Vogel-Sprache.
Und auf der Lichtung erlebte es so manche wundersame Tierbegegnungen, die sich aus fantastischen Erzählungen und nicht zuletzt aus metaphorischen Bibelbildern ergaben: Der Löwe, der friedlich neben dem Lamm liegt war eine solch ungewöhnliche neue Bekanntschaft. Aber sie stolperte auch über die Schlange, die angeblich schuld war, dass Eva den Apfel vom Baum der Erkenntnis angebissen hatte und damit gemeinsam mit Adam aus dem Paradies vertreiben wurde. Und sie traf auf ein vöööööllig abgemagertes Kamel. Diese erklärte dem Mädchen, weshalb es so mager sei: „Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.“ Dieser Bibelspruch sei verantwortlich. Denn, wenn doch einmal so ein guter Reicher komme, dann müsse es eben durch die schmale Öffnung einer Nadel hindurch.
Bei dieser Begegnung diskutierte das kleine Mädchen ganz schon ausgiebig, wie das denn sei, was Reiche tun müssten, um doch in den Himmel kommen zu können. Wenn sie alles weggeben, dann seien sie ja nicht mehr reich und so weiter…
Von so manch weiteren Tier-Bekanntschaften – alle fragte das Mädchen wie es zur weggeflogenen Gans käme – und einem ganz besonderen Ringelspiel wie hier nicht viel mehr als die reine Erwähnung geschrieben, soll doch nicht die ganze spannende, interessante, vielfältige Reise gespoilert werden. Zu nennen ist vielleicht noch ein langweiliges, selbstmitleidiges Mondkalb, vor allem aber das geflügelte Pferd Pegasus, das das Mädchen ans Ziel brachte – ins Land der Gänse mit unterschiedlichsten schönen Flecken…
Das Ende ist klassisch märchenhaft und ziemlich klischeehaft, was doch einigermaßen enttäuschend bei dieser Autorin ist.
Im Nachwort erzählt die Hildegard E. Keller (Schriftstellerin, Illustratorin, Filmemacherin, Performerin, Professorin, Verlegerin, langjährige Jurorin beim Ingeborg-Bachmann-Preis), wie sie – im Zuge eines Romans über Hannah Arendt („Was wir scheinen“; 2021) bei der Recherche – auf diesen Text gestoßen ist, der erst nach ihrem Tod (4. Dezember 1975) in ihrem US-amerikanischen Zufluchtsort New York in ihrem Nachlass entdeckt worden ist. Hildegard E. Keller verfasst in diesem Nachwort auch einige Gedanken zu möglichen Interpretationen des Textes im Zusammenhang mit Hannah Arendts privaten Beziehungen.
Finja hat einen liebevollen Vater. Auch wenn er König ist, nimmt er sich täglich Zeit fürs gemeinsame Frühstück und am Ende des Tages, um der Tochter vorzulesen.
Allerdings macht er sich so große Sorgen um die Sicherheit – des Landes und seiner Tochter -, dass er sie in ihrem Zimmer nachts einsperrt und die Fenster vergittert sind. Da hilft auch der Humor von Finja nichts: „Papa, ich hole gleich ein Bügeleisen und bügle deine Sorgenfalten glatt.“
Überhaupt ist dem Autor (auch Puppenspieler und Sonderpädagoge) Stefan Karch, der sein Buch „Finja und der Riese“ auf fast jeder Seite mit einer meist feingliedrigen Zeichnung versah, in praktisch jedem der kurzen, leicht lesbaren 19 Kapitel mindestens eine spannende, oft blumige Formulierung eingefallen. Beispiele gefällig?
„Der Kummer windet sich um seinen Hals wie ein Schal. Der wird sich noch verknoten! …“
Unten (im Keller, Anmerkung der Redaktion) angekommen, fühlt sich die Luft schwer an. „Voller gefangener Geheimnisse“, flüstert Finja. Hier ist der Sohn des Riesen in einem Käfig eingesperrt.
Die Riesen im Wald würden das Land bedrohen – geht das Gerücht um. Und um das Land und sein Volk zu schützen hat der König den genannten jungen Riesen gefangen nehmen und einsperren lassen. Denn dann, so der Sicherheitsglaube…
Doch das geht Finja gegen den Strich. Noch dazu, wo sie es geschafft hat, mit dem gefangenen Buben zu reden. Eben ein Kind einzusperren, das ist nicht fair, nicht gerecht – (emp-)findet sie und so ersinnt sie einen Trick, um aus ihrem Hochsicherheits-Zimmer zu entkommen, macht sich auf in den Wald und … – nein, das große Spannungsmoment sei hier nicht verraten.
Nur so viel, sie hat sich eine List ausgedacht, ihren Vater dazu zu bewegen, umzudenken. Auch wenn ihm das nicht leicht fällt, weil viele seiner Untertan:innen gar nicht einverstanden sind, dass er dem Rat seiner Tochter folgt, und den jungen Riesen menschlich behandelt… „Kuckuckskind“, „Riesenbalg“ oder gar „dreckige Kakerlake“ beschimpfen sie ihn.
Märchenhaft angelegt, erzählt und sehr szenisch geschrieben (schreit fast nach einer Theaterversion!), verpackt der Autor und Illustrator durchaus aus dem (gesellschafts-)politischen Alltag bekannte Phänomene – ohne dass diese aufgesetzt oder gar überstülpend wirken.
Fröhlich verlaufen sich zwei Kinder im Wald, wo sie bei einem Lebkuchenhaus landen … das Märchen von Hänsel und Gretel in einem Kinderlied mit Happy Sound. Dass die vom Vater im Wald ausgesetzt werden, weil angeblich die Stiefmutter das so will, spielt im bekannten Lied keine Rolle.
„Klingende Kostbarkeiten“ – fliegende Noten auf dem Screen, dazu ein pseudo-Steirisch eines Art Möchtegern-Moderators aus dem Lautsprecher kündigt die Show Kinderlieder an. Caroline Athanasiadis und Klaus Oppitz vollführen in den folgenden zwei Stunden (eine Pause) in „Kinderlieder aus der Hölle“ einen sehr witzigen Reflexions-Ritt, vom Tempo her meist Galopp, durch – noch immer – bekannte Lieder und TV-Serien durch, mit denen viele Kinder aufwachsen. Ihre (Groß-)Eltern jedenfalls taten dies – denn fast jedes Mal, wenn auf der Bühne eines angestimmt wird, fiel ein Gutteil des abendlichen Publikums bei der vielumjubelten Premiere in der „Kulisse“ als Chor mit ein. Demnächst gastieren sie beim Satirefestival im Theater Forum Schwechat (wenige Gehminuten von der S-Bahnstation entfernt) mit diesem Programm – Details dazu und zum nächsten Termin in der Kulisse in der Info-Box am Ende des Beitrages.
Die Sängerin, Tänzerin, Musicaldarstellerin und Kabarettistin hat sich den Kabarettisten und Autor (u.a. im Kollektiv der Tafelrunde) als vermeintlichen Sidekick und gespielten patscherten „Musiker“ zu dieser Show geholt, der sich im Laufe des Abends auch zur Figur auf Augenhöhe entwickeln darf. Manche der ohrwurmartigen Lieder dekunstrieren die beiden in knappen, punktgenauen Worten. Andere zerlegen sie in Szenen – so das hier eingangs genannte „Hänsel & Gretel“, verlegen es in die Jetztzeit. Caro verwandelt sich in die neue Partnerin des Vaters, die nur an Konsum interessiert ist. Konto (fast) leer, Sparen ist angesagt. Was ist das Teuerste: Kinder… Und so schwingt neben der Kritik an diesem jenseitigen Text auch noch – ohne es an- oder gar auszusprechen – auch noch mit, wie ganze Länder mit Budgets umgehen.
Ein Mann, der eine schlafende Frau „abschleckt“ (Dornröschen), ein Sohn, der nachdem er in die Welt hinausgezogen ist, wieder bei der Mutter einzieht (Hänschen klein), eine Krankheit, die mit Wein kuriert werden könnte und ein Wolf, der gar nicht merkt, dass ihm der Bauch aufgeschlitzt wird (Rotkäppchen)… in fast unzähligen Liedern und Märchen legen die beiden in ihrer rasanten Bühnenshow die Kernbotschaften frei und nehmen sie genussvoll und witzig auseinander. Manches Mal mit – erfundenen – Geschichten über eigene Traumatisierungen, etwa wenn Klaus von seiner Angst, anderntags nicht mehr aufzuwachen, sollte Gott es nicht wollen oder er vielleicht auf ihn vergesse. Immerhin wurde ihm in der Kindheit allabendlich das Schlaflied vorgesungen, in dem es heißt: „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt“.
Wie schon kurz erwähnt, nehmen die beiden auch bekannte TV-Serien auseinander – und darüber hinaus auch noch Schlager – nicht nur für Kinder. Bei „gefesselt im Rollstuhl“ von den Kastelruther Spatzen betonen sie extra, dass der Text wirklich aus dem Original der Gruppe stammt. Übrigens eine Formulierung, die noch immer viel zu häufig auch in Medien vorkommt – entgegen dem Erleben der Betroffenen, denen der Rollstuhl die Möglichkeit zur Bewegung von A nach B eröffnet.
Als Höhe- und Schlusspunkt rocken die beiden ein Medley aus bekannten Schlagermelodien mit eigenen kritischen Textzeilen über die Bühne.
Einzig und allein wenigstens eine Nebenbemerkung, dass es durchaus auch andere Kinderlieder gibt gehen dem Abend ab: Etwa die rockigen von Suli Puschban (u.a. „ich hab die Schnauze voll von Rosa“) Kiri Rakete, Cocopelli, Matthäus Bär (auch wenn der als Kinderliedermacher und -sänger aufgehört hat), Bernhard Fibich, Rolf Zuchowski („ich schaff das schon“), die Songs aus den dramatisierten und vertonten Geschichte von Mira Lobe (u.a. „Die Geggis“) oder gar schon aus 1970 Dieter Süverkrüps „Baggerführer Willibald“, in dem die Bauarbeiter den Boss wegschicken und Häuser bauen, in denen sie sich auch selber Wohnungen leisten können.
Rätselhaft gestaltet die Theater Schnitzlerei in Wien-Penzing (14. Bezirk) in einem ehemaligen Souterrain-Geschäftslokal ihre Märchen-Theater-Nachmittage. Und schon die Wartezeit wird mit Bilderrätseln verkürzt. Im aktuellen Programm „Von wegen magisches Tier“ verteilt der clownesk kostümierte Schauspieler Kopien von Seiten aus einem Rätselbuch. Finde die Katz, die friert – Dutzende gezeichnete Katzen und eine – hat einen Schal um den Hals. Wobei, damit friert sie ja offenbar nicht 😉 Ein Koala, der sich festlich aufbrezelt ist auf einem anderen Blatt zu suchen…
Der Großteil des Bühnenbildes ist in dem nicht allzugroßen Raum kreuz und quer verteilt: Umzugskarton mit Beschriftungen: Von Büchern I und II über Werkzeug, Küche, Musikinstrumente bis zu Uraltzeug II. Die werden später noch eine große Rolle spielen.
Verwirrend ist vielleicht die Begrüßung des erwähnten Schauspielers (Christian Kohlhofer: „Kannst du mich sehen? Kannst du mich hören“, fragt er. Was sich erst nach Beginn des Schauspiels erklärt. Denn er spielt nicht alleine, seine Kollegin Petra Strasser tritt erst etliche Minuten nach Beginn in Erscheinung, als Anneliese Grieskramer – im Bademantel, ziemlich zerknautscht und nur „Achja, achja…“ bzw. „Auweh, auweh..“ jammernd.
Und sie kann ihren Kollegen weder sehen noch hören!
Dieser erklärt dem Publikum schon zuvor, eigentlich ein magisches Tier – und zwar ein Elefant, zu sein. Dank sauteurer magischer Tropfen könne er sprechen, wurde aber in die Gestalt eines Clowns verwandelt. Das sollte nur vorübergehend sein, aber…
… da melden sich via TV „Maul & Wurf“ (Valentina Kratochwil und Valentina Waldner) mit einem Sorry, es bräuchte nun noch weitere Tropfen eines Gegenmittels.
Nach diesen ersten kurzen Szenen dreht sich der „Rest“ der Stunde (ziemlich genau) darum, Clown zu helfen, wieder Elefant zu werden und der Frau Grieskramer, aus ihrer Lethargie zu erwachen, ihr Gegenüber wahrzunehmen und (wieder) Spaß am Leben zu finden. Immer wieder müssen dazu verschiedene Bilder- Merk- und Zahlenrätsel gelöst werden – der Part für das Publikum, vor allem die Kinder. Womit eine fast noch magischere Dimension ins Spiel kommt.
raetselkrimi-rund-um-maerchen <– damals noch im Kinder-KURIER
Auf eine – teils intensive – Achterbahn der Gefühle nehmen die Schauspieler:innen vom inklusiven Theater Delphin das Publikum im 1 ¼-stündigen Stück „Jacky“ mit. Was als Hoffnung auf ein besseres Leben für das Mädchen Jacky Antonich, die mit ihrem schwerkranken Vater Josef vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet ist, beginnt, wird zum Albtraum im US-amerikanischen Anwesen der reichen Familie Heiter. Der Hausherr Albert, ein Politiker und Unternehmer mit mehr als zweifelhaften Geschäften, erweist sich als eine Art „Menschenfresser“. Dem letztlich aber das Handwerk gelegt werden kann.
Ausgehend vom Kern des bekannten Märchens „Hans und die Bohnenranke“, schreib Gabriele Weber, Co-Leiterin des Theaters, eine total umgemodelte Version dieser Geschichte, die sie gemeinsam mit dem Co-Leiter Georg Wagner inszenierte (Regie und Produktionsleitung).
Hans tauscht eine Kuh gegen fünf Bohnen. Schlechter Deal würden wohl die meisten meinen. Auch seine Mutter schimpft ihn dafür. Doch die Bohnen lassen urschnell riesige Ranken wachsen mit denen Hans in die Welt von Riesen kommt, in der er Wertvolles mitnehmen kann. Aber auch bedroht ist vom Riesen, der Menschen frisst. Das ist das Märchen von „Hans und die Bohnenranke“ (Jack and the Beanstalk – bekannt geworden in der Version von Joseph Jacobs 1890, aber schon fast ein Jahrhundert zuvor – 1807 – in einer Fassung von Benjamin Tabart veröffentlicht).
Der Kern – scheinbar schlechter Tausch gegen fünf Bohnen – ist der Gleiche. Die Pflanzen ermöglichen das Eintauchen in eine andere Welt – wo die Hauptfigur zu materiellen Gütern kommt, aber bedroht wird „gefressen“ zu werden. In dem Fall wird die lebenslustige, gutgläubige Jacky (verspielt, oft auch tanzend: Evelyn Schonka) von Albert Heiter (Marek Janta im Elektro-Rollstuhl) vergewaltigt. Obendrein droht ihr, in einem Bordell zur Zwangsprostitution eingesetzt zu werden.
Diese Gewalt-Szene, mit wenigen Bewegungen angedeutet, aber vor allem stark gespielten emotionalen Reaktionen, lässt es eisigkalt den Rücken rauf oder/ und runter laufen. Fast unaushaltbar ist eine andere, sehr hautnahe Kampfszene zwischen Jacky und der Haushälterin Maria, die von Zlatoslava Osypova arrogant-machtgeil-tussihaft gespielt wird.
Wirklich wie aus einer anderen Welt wirkt Jackys imaginärer Freund und Helfer Franceso (Reinhard Jadamus). Nur in den entscheidenden Momenten ist er nicht da – damit Ärgstes passieren kann. Folgerichtig darf Jacky auch nicht auf ihre reale Freundin Sarah (resches Spiel: Maria Meitner) hören.
Abgerundet wird das Schauspiel von Herbert Klinghardt als Jackys Vater Josef, Ulli Munsch in der Rolle der wohlhabenden Flüchtlingshelferin Susanne Heiter, die jahrzehntelang bei den Machenschaften ihres Ehemanns offenbar weggeschaut hat, im Alter dann doch die Konsequenz zieht, und sich scheiden lässt und nicht zuletzt dem jahrzehntelang untergebenen „Mädchen für alles“ für Herrn Heiter, dem Prokuristen Friedrich von Arlstein (Roman Kellner). Wobei – ob ohne oder mit Behinderung – jede und jeder der Schauspieler:innen neben dem Zusammenspiel auch jeweils mindestens eine Szene hat, in der sie / er sozusagen im Zentrum steht oder sitzt.
Die Bühne (Bühnenbild, Technik: Georg Wagner) kommt mit wenigen Mitteln aus – genial, wie ein Kastl danke weniger Handgriffe zum Auto wird 😉 Für die passenden Kostüme sorgte Sigrid Dreger.
Offenbar hatte es schon seeeehr lange nicht geregnet. Das Land war dürr, nirgends wuchs Gemüse, Obst oder Getreide. Also machten sich die Tiere auf den Weg, um Nahrung zu suchen – und hoffentlich zu finden. Nur der Löwe blieb, wo sie bis jetzt alle waren und nun fortzogen, „um das Reich weiter zu regieren“.
Und so wanderten, liefen, krochen und flogen Affen, Elefant, Giraffe, Kaninchen, Schildkröte, Zebra, Gazelle, Vögel als große gemeinsame Herde los. Irgendwann stießen sie auf einen riiiiesigen Baum voller unterschiedlichster Früchte. Offenbar ein Wunder der Natur, denn er hatte granatäpfel-rote Früchte ebenso wie bananen- bzw. mangogelbe, Zwetschgen-lilafarbene… „die dufteten wie alle Früchte der Welt zusammen“ (aus märchenkoffer.ch)
Aaaaaber: sie hingen so hoch, dass selbst der Hals der Giraffe zu kurz war. Der Stamm war so glatt, dass kein Affe raufklettern konnte und die Vögel konnten keine Frucht von den Ästen picken – so fest waren die „verwurzelt“.
Da erinnerte sich die Schildkröte, dass die Urururgroßmutter – in manchen Versionen reichen zwei Ur- -erzählt hatte, wer den Namen des Baumes weiß und nennt, dem neigen sich die Zweige herab. Doch sch… sie wusste ihn nicht mehr, aber der Löwe, der würde den Namen kennen.
Na dann, und schon sauste die Gazelle los, war sie doch die schnellste der Gruppe. Widerwillig nannte der Löwe: „Ungalli“, aber er würde es nur ein einziges Mal und einem einzigen Tier sagen…
Klar, dass da was schief gehen muss – sonst wär’s ja (fast) keine Geschichte. Die ganze Zeit über behielt die Gazelle das Wort im Kopf. Knapp vor dem Ziel stolperte sie über ein Kaninchen-Loch, plumps, hingefallen, vergessen.
Also, was tun? Noch einmal probieren – am besten der Elefant mit seinem sprichwörtlichen Gedächtnis. Zerknirscht und unterwürfig beim König nachgefragt – na, ausnahmsweise… Und, klar, prompt bleibt er im selben Loch hängen und … – genau. Wieder nix.
Verzweiflung. Da machte sich – in manchen Versionen von den anderen mit Zweifel versehen, in anderen fast unbemerkt – auf den Weg zum Löwen. Der war wütend und brüllte die Schildkröte an, dass er schon zwei Mal und so weiter und er sicher niemandem mehr sagen werde, dass der Baum Ungalli heiße…
Auf zum Happy End! Sorry, üblicherweise wird hier bei Buchbesprechungen nicht fast alles gespoilert. Aber diese Geschichte findest du auch voll auserzählt online im schon oben zitierten Schweizer „Märchenkoffer“ – Links in der info-Box. Oder erzählt (Diana Drechsler)
mit Musik untermalt (Jutta Putzschke) auch auf YouTube (leider mit Werbeunterbrechungen; Link ebenfalls in der Info-Box).
Warum der Löwe allein zu Hause blieb? Hatte er keinen Hunger? Oder geheime Vorräte, die er nicht teilen wollte? Oder wartete er, bis seine Untertanen was gefunden hatten, um sich dann bedienen zu lassen? Die hier genannten Fragen tauchen in all jenen Versionen des Volksmärchens aus der großen Gruppe der vielen Bantu-Völker – gut 200 Millionen Menschen mit 400 verschiedenen Ethnien im südwestlichen, östlichen, zentralen und südlichen Afrika von Kamerun und Nigeria über Kenia, Tanzania bis Südafrika – die mir bekannt sind, nirgends auf!
Nun, die bekannte und sprachverspielte österreichische Autorin Lena Raubaum hat diese Geschichte für ein buntes Bilderbuch aufgeschrieben – in ihrem Stil und mit so manchen Formulierungen, die zum Schmunzeln verleiten – trotz der heftigen Story, dass die Tiere so lange hungern müssen.
Sie sei, so verriet sie dem neugierigen Journalisten von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „vor rund 15 Jahren auf diese Geschichte gestoßen. „In dieser Zeit habe ich begonnen, Weisheitsgeschichten aus aller Welt zu sammeln, zu entdecken, zu finden. Und so stieß ich auf Ungalli.“ Sie hab noch so manche im Kopf und die eine oder andere auch verschriftlicht. Vielleicht folgen ja noch weitere Weisheiten aus allen Ecken und Enden der runden Welt.
Raumbaums Text wurde von Tobias Krejtschi illustriert – in einem Stil, der an so manche afrikanischen Muster erinnert. Und er zeichnet den Löwen mit Gipsfuß – somit eine Erklärung fürs daheimbleiben. Aber, der Löw sitzt lässig-geschäftig vor Laptop, Festnetztelefon und Smartphone. Weshalb müssen die Tiere dann hin und herlaufen, -stapfen, -kriechen und rufen ihn nicht an oder schicken eine Sprach- oder Text-Nachricht? Noch dazu, wo in vielen Teilen Afrikas schon vor vielen Jahren selbst in kleinen Straßendörfern statt mit Geld mittels Handy bezahlt worden ist?
Leicht verständlich aufgeschrieben hat die „Ungalli“-Geschichte, die auch ein Loblied darauf ist, ja nicht aufzugeben, auch Birgit Heitmann und mit teils witzigen Zeichnungen versehen. Vor allem die Gesichtsausdrücke ihrer Tiere überzeugen. Warum allerdings ein Bild – zumindest in der eBook-Version – um einen Viertelkreis verdreht ist, bleibt ein Rätsel – denn auf die (Nach-)Frage von KiJuKU gab es schlicht keine Antwort.
Übrigens: Ungalli heißt zumindest in einer der vielleicht bekanntesten Bantu-Sprachen, Kisuaheli (auch als Swahili in der englischen bzw. international gebräuchlichen Bezeichnung) „trotzdem“.
Am ersten Tag der diesjährigen, mittlerweile 20., Afrikatage auf der Wiener Donauinsel ließ Patrick Addai, der täglich das Erzählzelt bespielt, Adler durch die Luft fliegen, Hühner gackern. Er liest die Geschichten aus seinen rund zehn Büchern nie vor, er erweckt sie zum Leben – siehe Reportage über die Afrikatage 2024, unten verlinkt.
Aus seinem jüngsten Buch (noch vor der Pandemie erschienen), erschallte das Zelt von den Rufen zweier Esel. Die sind in einer der Geschichten von „Sprich mit mir, Esel“ vom Bauern mit einem Seil aneinander gebunden und kommen sie nicht zu ihrem Futter. Erst als sie sich absprechen, erst gemeinsam zum einen Heuhaufen und dann zum anderen zu traben, können sie fressen.
Die Geschichten, die der Autor seiner Großmutter in seiner ersten Heimat Ghana verdankt, haben immer sozusagen eine Botschaft. Eben in der gerade geschilderten: Gemeinsam ist besser als jede und jeder für sich allein…
In einer anderen dieser Geschichten rund um Esel stürzt ein alter Esel in einen leeren, trockenen Brunnenschacht. Seine Schmerzenslaute rühren den Bauern Kwamina nicht. Im Gegenteil, er trommelt sein Nachbarn zusammen, um ihm beim Zuschütten des Brunnens zu helfen…
Doch… der Esel war nicht blöd, schüttelt die Erde jeweils ab, trat sie fest und so kam er höher und höher und letztlich aus dem Brunnen wieder raus! Diese Geschichte beendet der Autor gleich mit der entsprechenden Lehre, die er dem König des Landes in den Mund legt: „Schüttelt euren Dreck ab und nutzt ihn für eure Ideen und für die Zukunft. Und gebt nie auf, bis ihr euer Ziel erreicht habt.“
Neben zwei weiteren parabelhaften Märchen mit Eseln als Hauptfiguren widmet Addai das erste Kapitel einer ausführlichen sachlichen Darstellung von Wild- und Haus-Eseln – eine durchaus immer wieder unterschätzte Tierart, die noch dazu oft als Schimpfwort verwendet werden.
Und weil der afrikanische Hausesel in seiner Existenz bedroht ist, geht ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf der Bücher – in Zusammenarbeit mit dem World Wildlife Fund (WWF) – an ein Projekt zum Schutz dieser mittlerweile bedrohten Tierart.
Zu einer Story über die Afrika-Tage 2024 geht es hier unten
Konzentriert sitzen sie an einem der Tische in einem großzügigen Raum der Universität für Angewandte Kunst. Geduldig falten Ella und Moira Seiten alter Bücher. Spitze Formen teils mit wegstehenden Eckerln. Nach und nach ergeben sich Bögen, Hügel. Moira dreht ihre bisher gefalteten Seiten in Richtung der Kamera von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Vorne bastle ich dann noch was dran, so dass das Ganze ausschaut wie ein Fuchs“, verrät sie schon vorab dem Journalisten.
Die beiden und noch weitere, die aus alten Büchern solche Skulpturen bauen, gestehen: „Viel Geduld brauch es schon.“ Ella ergänzt aber gleich: „Es macht aber auch Spaß, das ist schon mein drittes Buch, bei dem ich die Seiten falte.“
„Buch-Tag“ ist eine der knapp mehr als140 Lehrveranstaltungen der Kinderuni Kunst (Wien und Niederösterreich) mit insgesamt mehr als 2000 Plätzen für kreativ-hungrige Jung- und Jüngst-Studierenden. Und selbst bei diesem Workshop (Leitung: Claudia-Eva Dorfer) steht mehr auf dem Programm als der geschilderte Bau papierener Skulpturen. In einer anderen Ecke des Raumes köchelt Gießseife in Töpfen auf Herdplatten. Getrocknete Blütenblätter, flüssige Farben und Düfte und kleine Seifen in Schmetterlings-, Dino und anderen Formen entstehen – allesamt fast zu schön, um sich später einmal damit zu waschen.
Wieder andere Kinder – oder solche, die ihre Tätigkeit nun wechseln – verzieren hölzerne Schächtelchen mit bunten Steinchen. Beni und Mehmet basteln aus buntem Papier Fische, die sie an dünne Holzstäbe kleben. „Das sind fliegende Fische. Solche gibt es wirklich!“ Einer schaut aus wie ein Hai. „Die sind gar nicht so böse wie viele sagen“, weiß Benni, der auch drauflos sprudelt, „dass Kraken neun Hirne und drei Herzen haben, das hab ich bei einem Ausflug mit der Schule zum Kinder Literatur Festival gelernt“. (Buchreihe von Michael Stavarič und Michèle Ganser „Faszination Kraken und ebenso Quallen bzw. Hai – als nächstes kommen Wale.) Mehmet „fand die Idee cool, so etwas zu basteln, das ist einmal etwas ganz anderes!“
Anna, Leni, Anouk, Leonie und Leon malen jede und jeder einen hohen Turm auf ihre Zeichenblätter und Mädchen mit langen Haaren. Genau, die Gefängnisse von Rapunzel. „Weil es am leichtesten war, dieses Märchen zu zeichnen“, tönt es dem Reporter aus der Runde entgegen, „aber schon auch spannend“. Kurzfristig sind fast alle der fünf Zeichnerinnen aus dem Kurs „Meine Träume & Märchen ganz bunt“ (Leitung: Margit Pflaum) abgelenkt und tummeln sich auf dem Boden, wo Mina, die weiße kuschelige Hündin der Kinderuni Kunst-Leiterin Silke Vollenhofer, sich auf den Rücken legt, um sich streicheln zu lassen.
Davon lassen sich Florian, Benedikt, Marcel und William gar nicht aus dem Konzept bringen. „Wir malen Bilder zum Märchen Die drei kleinen Schweinchen (aus England, u.a. von Joseph Jacobs veröffentlicht). Aber bei uns malt jeder ein anderes Bild – Häuser, Hintergrund, Vordergrund, die laufenden Schweinchen“, erfährt KiJuKU.at
Auf die Frage, ob das leicht war, sich darauf zu einigen, wer was macht, meint William verschmitzt: „Naja ein bissi Streit gab’s schon, vor allem weil nie alle zugehört haben, als es darum gegangen ist.“
Anatol, Leo und Mila zeigen dem Journalisten Boote aus Styrodur und Holz – und sie lassen sie auch in einem der zwei schmalen mit Wasser gefüllten metallenen Kanäle schwimmen. Mila bläst ihren „Motor“, einen Luftballon auf, setzt den Kahn aufs Wasser und der Rückstoß der ins Wasser ausströmenden Luft treibt das Boot voran. Das Trio führt auch noch Boote mit anderem Antrieb vor: ein hölzernes Brettchen zwischen einem Gummiringerl eingeklemmt, drehen sie mehrfach um die Achse, sodass der Gummi eingezwirbelt wird. Halten, aufs Wasser setzen und das Brettchen dreht sich und das Gummiringerl aus, und bringt so das Boot voran. „Does ist sail?“ nannte sich diese Lehrveranstaltung der Kinderuni Kunst im Fachbereich Architektur (von Bence Pap geleitet).
Ein besonderes Boot führte Greta vor. „Das hat auch einen Motor, kann aber auch segeln!“, kündigt sie an. Nachdem der Brettchen-Antrieb ausgedreht ist, greift sie zu einem Fächer und erzeugt Wind, so dass die vielen kleinen Segel nun das Boot voranbringen – sogar bis ins Ziel am Endes des schmalen Kanals. „Das Boot heißt Gremal – aus unseren Namen Greta, Meryem und Alma. Wir haben das gemeinsam gebaut, aber die anderen zwei sind heute nicht mehr da.“
Das in diesem Abschnitt eingangs genannte Geschwister-Trio erzählt noch vom Beginn des Bootsbaus: „Am Anfang haben wir es uns nur schwer vorstellen können, wie das funktionieren soll. Aber es gab eine gute Präsentation der verschiedenen Schritte, dann haben wir Boote gezeichnet und in Gruppen daran gearbeitet.“
Im 5. Stock in einer Art unfreiwilligen Sauna sitzen die Kinderuni Kunst-Studierenden vor großen Computer-Monitoren und programmieren Spiele mit dem bausteinartigen vielen Kindern bekannten Werkzeug Scratch. Pina hat schon ewig lange, umfangreiche Codes. „Mein Dino ist auf Schatzsuche durch verschiedene Welten – Wüste, Felsen… und er muss dazwischen auch Futter fangen.“ Ein relativ großer roter Apfel ist schon fast in seinem Maul.
Auf dem Computer nebenan gestalten in „Kunst mit Code“ (Leitung: Andrea Ida Malkah Klaura, und Birgit Hertel) Sebi und Antonia Figuren – einen Bären mit spitzen, dünnen, pinken Zehennägeln, ein Huhn mit Gucci-Tasche, aufgespritzten Lippen, eine zauberhafte Fee mit High Heels. Ob sie später Teil eines Computerspiels werden, lassen sie noch offen.
Zwei verwöhnte, nur den Luxus genießende Schwestern und eine dritte, die für die ganze Familie arbeitet, niedere Dienste verrichtet aber dafür mit einem Prinzen belohnt wird – klingt nach Aschenputtel. Ein Kuss für den Frosch – der zum Prinzen wird: Froschkönig. Ein hässliches Entlein, das beim Heranwachsen zum Schwan wird… Viele Märchen transportieren gleichsam pädagogische Botschaften. Nicht arrogant und hochnäsig sein. Fleißig arbeiten. Hilfsbereitschaft. Und nicht (nur) auf das Äußere achten – innere Werte sehen, spüren, lieb sein…
Viele dieser Elemente verknüpft das aus Frankreich stammende Märchen „Die Schöne und das Biest“. Eine Version, die vor allem auf die französischen Versionen zurückgreift, ist derzeit in einer opulenten, märchenhaften Fassung im Wiener Renaissancetheater zu sehen, die ins Jahr 1920 verlegt wurde.
Die reiche Familie – die pflanzen-forschende Mutter der drei Töchter ist im Dschungel von Borneo verschollen – wird plötzlich arm. Villa brennt ab, Schiffe mit Stoffen aus Fernost saufen ab. Vater und die Töchter müssen aufs Land in eine abgefuckte Hütte ziehen, in der er aufgewachsen ist. Die jüngste Tochter schuftet für alle, ihre beiden Schwestern weinen nur dem verlorenen Reichtum nach. Da kommt die Nachricht aus Paris, eines der Schiffe sei doch nicht gesunken und am Hafen gelandet. Vater fährt nach Paris – die kostbare Schiffsfracht wurde aber beschlagnahmt, um aufgelaufene Schulden zu begleichen. Auf dem Rückweg ins Dorf landet der Vater im Wald in einem geheimnisvollen Schloss – bewohnt vom Biest, einem monsterartigen Wesen. Vater tauscht seine Freiheit gegen das Versprechen, seine Tochter würde kommen. Die kommt tatsächlich, fürchtet sich zwar, sieht in ihm aber „kein Scheusal“…
Seit Kurzem wird im Renaissancetheater, dem großen Haus des Theaters der Jugend in Wien diese Geschichte in einer Fassung von Henry Mason, der auch Regie führte, gespielt. Diese Version greift auf jene von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont (1711 – 1780), die „La Belle et la Bête“ 1757 veröffentlichte zurück, die wiederum auf der ausführlicheren Geschichte von Gabrielle-Suzanne Barbot de Vielleneuve aufbaute – aus der im Programmheft zitiert wird. Laut dem Online-Lexikon Wikipedia kamen portugiesische und britische Forscher kamen jedoch mit phylogenetischen Methoden zu dem Schluss, dass das Märchen mit großer Wahrscheinlichkeit etwa 2500 bis 6000 Jahre alt ist.
Wie auch immer: Das Biest, gespielt von Valentin Späth, der wie alle anderen außer Belle (Shirina Granmayeh) in viele andere Rollen schlüpft, bzw. im geheimnisvollen Spiegelschloss (märchenhaftes Bühnenbild – sowohl die anfängliche Villa als auch dieses Biest-Schloss oder die alte Landhütte: Rebekah Wild) Gegenständen seine Stimme leiht, verhält sich zuvorkommend, freundlich, ja fast unterwürfig. Er war – damals noch in Menschengestalt – ein Scheusal, ein despotischer, herrschsüchtiger Gutsherr, der vielen Menschen das Leben zur Hölle gemacht hat. Seine neue Gestalt ist die Strafe dafür.
Fleur (Benita Martins) und Florence (Violetta Zupančič), Belles Schwestern, sind in ihrer arroganten Bösartigkeit vielleicht ein wenig zu dümmlich angelegt. Daniel Große Boymann als Vater erfüllt immerhin den Herzenswunsch der jüngsten Tochter nach einer Rose, hadert dann doch damit, Belle zum Biest ziehen zu lassen. Die überraschendste Figur des Stücks ist das „Wunder“-Pferd in Gestalt eines Hochradfahrers mit Rosskopf und-gebiss (Kostüme: Anna Katharina Jaritz), gespielt von Stefan Rosenthal, der auch einen humorvollen Chauffeur – und wie seine Kolleg:innen unsichtbare Diener und mehr gibt.
Mason lässt aber auch die verschollene Maman (als Anklang an die französischen Märchenversionen) immer wieder der jüngsten Tochter, die ebenfalls Blumen und Pflanzen liebt, erscheinen. Maria Fliri ist aber auch in und ums alte, halb verfallene, Bauernhaus als Magd Madeleine allgegenwärtig – und einstiges Opfer der mehr als unguten Behandlung des vormaligen Biestes.
„Es gibt viele Menschen, die schlimmere Ungeheuer sind, als du eines bist! Ich mag dich mit deinem Aussehen lieber als die, die in menschlicher Gestalt ein falsches, verdorbenes und undankbares Herz besitzen“, heißt es in der Übersetzung der Märchenversion von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont. Auch wenn das in einem Märchen natürlich doch leichter ist als in der Wirklichkeit sehender Menschen, die sich von optischen Eindrücken stark leiten lassen. Das können blinde Menschen besser ausblenden.
Und natürlich drängt sich beim Biest der millionenfach zitierte Spruch „man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar“ aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry auf.
Drei Märchen aus Tschetschenien versammelt dieses bebilderte Buch. In allen spielen Tiere – wie in vielen Märchen auf der Welt – die zentralen Rollen. Besonders macht dieses Buch, dass alle drei Märchen jeweils in drei Sprachen aufgeschrieben sind: Deutsch, Tschetschenisch und Italienisch.
Die auch dem Buch den Titel gebende Geschichte lautet: „Wer ist der Größte?“ In vielen Märchen verschiedenster Länder und Sprachen geht es um eine ähnliche Frage. Hier stehen ein Stier, ein Adler, ein Ziegenbock, ein Fuchs im Zentrum, aber auch ein Schäfer und vor allem die Jüre Baba (alleinstehende ältere Frau) spielen wichtige Rollen. Adler fängt Stier, lässt sich zwischen den Ziegenbock-Hörnern nieder… mehr von der durchaus harten Story sei nicht verraten – dafür aber der Schluss. Der ist höchst ungewöhnlich. Noch nie ist mir ein Märchen untergekommen, das so endet:
„Nun, liebe Kinder, verratet ihr mir, wer von allen, von denen ich euch erzählt habe (dann werden die Erwähnten und noch weitere alle noch aufgezählt), ist der Größte?“
Das eben beschriebene Märchen bildet den Schlusspunkt des Buches „Mulscha shilla iokkscha? / Wer ist der Größte? / Chi è il più grande?“. Im zweiten Märchen geht es um drei Zicklein und einen Wolf – der in diesem Fall der Böse ist, was für tschetschenische Märchen und Geschichten sonst eher unüblich ist.
Eröffnet wird das Buch mit einer aus dem Winterschlaf erwachenden Ameise. Als sie aus dem Bau kriecht, hindert ein großer, fetter Grashalm sie an der Arbeit. Und so krabbelt sie zu einem Schaf, bittet es, den Halm zu fressen. „Ameise, lass‘ mich i Ruh!“, bekommt sie zur Antwort. Gleichlautendes bzw. Ähnliches hört sie, als sie den Wolf bittet das Schaf zu fressen, die Schäferhunde, den Wolf zu verspeisen usw. Der Schäfer will lieber Detschik-Ponder (drei-saitiges tschetschenishces Instrument) spielen, die Maus nicht dessen Saiten anknabbern, die Katze nicht die Maus fangen. Erst der Wind half – zwar nicht gleich aber doch – der Ameise. Nein er blies nicht den Hal weg, sondern setzte die Kette retour in Gang, zerzauste der Katze ihr Fell und so weiter…
Aber weshalb die Ameise, die ja ein einzelgängerisches Tier ist, sondern ganz im Gegenteil mit Tausenden anderen zusammenlebt und arbeitet nicht ihre Artgenoss:innen gebeten hat?
Dies ist eine Frage, die nicht gestellt wird 😉
Als Art Vorwort liefert das Buch – ebenfalls in den drei Sprachen eine historische Einleitung – samt Landkarte – dieser Kaukasus-Republik namens Nochtschitschö (so der tschetschenische Name, der auf „Nachfahren Noahs“ zurückgeht) und ihrer wechsel-, oftmals leidvollen Geschichte.
Drei längliche Tische stehen auf dem Podest vor der Bühne im Wiener Figurentheater Lilarum – jeweils mit weißen Tüchern bedeckt. Als so ziemlich alle auf ihren Plätzen sitzen, wuchtet eine Hand von hinter den Tischen einen grünen Baum auf den mittleren Tisch, dazu einen alten Wecker, noch einen Baum und noch einen… Dann erscheint unter dem mittleren Tisch ein Gesicht, irgendwie erinnert seine Schminke an die eines Clowns. So, offenbar auf dem Boden unter dem Tisch liegend, beginnt er sich mit den Kindern zu unterhalten. Was sie da machen, worauf sie etwa warten… – auf Serbisch.
Das nach dem serbischen Journalisten und (Kinderbuch-)Autor Duško Radović (1922 – 1984) benannte „Malo pozorište“ (kleines Theater) aus Beograd (Hauptstadt Serbiens) gastierte in Wien-Landstraße und spielte ein Stück nach dem weniger bekannten Märchen „Der Schweinehirt“ von Hans Christian Andersen: „Bajka o tihom princu i tužnoj princezi“ (Ein Märchen über einen stillen Prinzen und eine traurige Prinzessin).
Mladen Vuković schlüpfte hin und wieder in die Rolle des „stillen“ Prinzen eines kleinen Königreiches am Rande – des einen Tisches. Vor allem aber verlieh er dessen Figur ebenso wie den weiteren Figuren in dem Stück seine Stimme – und seine Hände, um sie zu bewegen. Hin und wieder fällt eine Figur um, oder irgendwo runter – obwohl sicher nicht jedes einzelne „Missgeschick“ genau geplant ist, gehört es dennoch – wie KiJuKu nachher anvertraut wurde, dazu. Es passt zum Charakter des Harlekins und macht einen Teil des Charmes dieses Spiels aus und sorgt immer wieder für Lacher. Da der Harlekin die Szenerie rund um den „armen Prinzen“ und die superreiche Prinzessin bald nach Beginn in die Atmosphäre einer Art Zirkusmanege verwandelt, holt er sogar wilde Tiere – als Spielfiguren, die sich auf dem Plattenteller eines alten tragbaren drehen…
Sehnsüchtig schaut der Prinz in Richtung einer mächtigen Schloss-Anlage – aus Karton-Häusern und -Türmen am Ende des dritten Tisches. Dort wohnen der mächtige Kaiser, seine Tochter, Hofdamen und, und, und… Der Prinz ist im Vergleich dazu arm, aber reich an Kreativität und Zuwendung. So pflegt er einen Rosenstrauch, der nur alle fünf Jahre blüht. Und auch da trägt sie nur eine Rose, die jedoch so intensiv und betörend riecht, dass es nicht nur eine Freude ist, sondern sie auch Sorgen vertreiben kann. Diese sowie eine Nachtigall, die alle Melodien der Welt singen konnte, ließ er ins Kaiserschloss liefern, um sich um die Prinzessin zu bewerben.
Doch diese verabscheute Rose und Vogel – weil „zu natürlich“.
Da verfiel der Prinz auf die Idee, sein Gesicht eher schmutzig zu bemalen und sich als Gehilfe beim Kaiser zu bewerben – er wurde Schweinehirt. Und hatten dabei noch genügend Zeit, um einen Zaubertopf zu bauen und später eine magische Ratsche. Als die Prinzessin von ersterem erfuhr, wollte sie den Topf haben, dessen Schellen Melodien spielten, sobald etwas kochte. Außerdem konnte man einen Finger in den Dampf des Topfes halten und dann riechen, wer und wo in der ganzen Stadt was gekocht hatte.
Zehn Küsse verlangte der „Schweinhirt“ dafür. Was sie erst nicht „zahlen“ wollte, dann aber siegte doch ihre Besitzgier, die Hofdamen müssten sich halt schützend davor hinstellen, damit niemand sie sieht…
Für die später produzierte Ratsche (im Original) – hier ein kleines Ringelspiel als Spieluhr – verlangte der Erfinder 100 Küsse – selbe Prozedur, doch die dauerte offenbar so lange, dass der Kaiser dies entdeckte, Hirten und Tochter verstieß – der Schau- und Puppenspieler zieht die drei Tische auseinander – einer für den Kaiser, einer für die Prinzessin und der dritte für den „Schweinehirten“, sprich Prinzen. Dazwischen unüberwindbare Gräben…
Nun bedauerte die Prinzessin, nicht den Prinzen mit Nachtigall und Rose genommen zu haben. Der Schweinhirt ergab sich zu erkennen. Sie verbeugte sich vor ihm, wollte zu ihm in sein für ihre Verhältnisse ärmliches Schloss, er aber „machte ihr die Tür vor der Nase zu. Da konnte sie draußen stehen und singen: Ach, Du lieber Augustin, Alles ist hin, hin, hin!“ – wie es in Andersens Märchen heißt.
Das hier dann doch ein wenig anders gespielt wird (Regie, Adaption, Musikauswahl und Choreografie: Aleksandar Nikolić; Kostüm-, Bühnen- und Puppendesign: Tanja Žiropadja). Wie sollten oder könnten die beiden doch noch zusammenkommen, fragt der Spiele das Publikum – und munter rufen die Kinder die unterschiedlichsten Varianten in Richtung Bühne. Da besteigt der Prinz den Korb eines fahrenden Ballons und schwebt dorthin, wo die Prinzessin tief gefallen ist…
Und setzt der Geschichte ein so vom Märchendichter nie gewolltes herkömmliches „Happy End“ auf.
„Malo pozorište Duško Radović“ gibt es seit knapp mehr als 70 Jahren. Fast 20 Jahre war es ein wanderndes Puppentheater, Anfang Juni (6.) 1968 konnte es ein eigens errichtetes Kindertheaterhaus im Zentrum der Hauptstadt – damals noch Jugoslawiens – beziehen. Gespielt wird schon lange sowohl für Kinder als auch für Jugendliche und Erwachsene, in erster Linie aber doch für ein junges und jüngstes Publikum, weshalb es sich auch den Namen Malo pozorište (Kleines Theater) gab.
Seit 2019 lädt das Wiener Figurentheater Lilarum immer wieder Gruppen aus mittel- und osteuropäischen Ländern (CEE Central and East-Europe) zu Gastspielen in der jeweiligen dominierenden Landessprache ein. In erster Linie spricht dieses Kindertheater in Wien-Landstraße (3. Bezirk) damit zwei- bzw. mehrsprachigen Familien mit Herkünften oder Verwandten in diesen Ländern an. Die Kinder können so auch – sonst eher selten – Theater in ihrer jeweiligen Erst- oder Familiensprache erleben.
Die jüngste Aufführung war die erste, wo im Anschluss Pädagog:innen mit den Kindern zweisprachig – in dem Fall Serbisch und Deutsch – einerseits das Stück, andererseits anhand von Zeichnungen Wörter besprochen haben.
Gleich am Sonntag, 7. April 2024 geht’s weiter – dieses Mal mit einem Gastspiel aus Bratislava (Slowakei) mit einem Märchenmix aus Aschenputtel, Hässlichem Entlein und weiteren Elementen – ein Puppenspiel über den Blick auf sich selbst und andere, Selbstachtung, Stolz und schiefe Spiegel wie es in der Ankündigung heißt – Details in der Info-Box ganz am Ende des Beitrages.
Eine Riesenhetz – das sind die verwurschteten Märchen in der Reihe Classics for Kids im Wiener Rabenhof Theater und zwar noch mehr als die ebenfalls recht witzigen Bearbeitungen antiker Stoffe. Sowohl vom Buch und Regie (in beiden Fällen wie immer: Roman Freigaßner-Hauser) als auch von Schauspiel, Bühne und Kostümen samt Musik und Licht.
Nun also „Der Froschkönig“ mit Zusatz „Quak!“. Einiges an der Grundgeschichte bleibt: Zum Beispiel, dass der Prinzessin die goldene Kugel in den Brunnen fällt und ein Frosch sie wieder rausfischt. Ansonsten ist aber ganz schön viel anders.
Zunächst einmal ist die Prinzessin, hier heißt sie Amalia (Elena Hückel), vom Vater oft liebevoll Mali genannt, keine arrogante Tussi, sondern die einzige mit Empathie, wenngleich nicht für Frösche, die hasst sie. Selbstbewusst hinterfragt sie die vorgegebenen Regeln, das höfische Zeremoniell und vieles mehr.
Der Herr König, hier namens Friedbert, hat außer den hin und wieder – oft fast eher aus schlechtem Gewissen hingeworfenen liebevollen Bemerkungen nicht wirklich viel übrig für seine Tochter. „Ein Königreich regiert sich nicht von alleine…“ – vertieft in seine Amtsgeschäfte – und nicht einmal zuhören kann/will er ihr. Für ein Gespräch – wo denkst du hin.
Außerdem gibt es neu erfundene Konstellation: Der König, der unter seiner weniger großen Körpergröße leidet und gern ein, zwei Köpfe größer wäre, ist der jüngere Bruder von Sieglinde. Die wäre gerne Königin und kann es nur deshalb nicht sein, weil – genau, ein Mädchen. Doch knapp nachdem Sympathie mit ihrem berechtigten Ärger über diese Zurücksetzung aufkommt, verspielt sie diese. Ihr Ehemann Maximillian (Bernhard Majcen wunderbar zwischen Ja-Sager und ein bisschen begriffsstutzig changierend), gleichzeitig königlicher Hüter der Wiesen und Wälder, solle mit dem König in den Wald gehen, ihn dort erschießen (Schneewittchen schau oba /herunter!), die Leiche vergraben und sagen, der Bär hätte ihn gefressen.
Dass es einen solchen gar nicht gibt – dem Volk einen „Bären aufbinden“ sozusagen als alten Spruch für neudeutsch Fake News verbreiten.
Maximillian will das nicht – da stellt ihm seine Ehefrau die Rute ins Fenster: Wenn er’s nicht tue, werde er verbannt. „Was verbrannt?“ Vielleicht das eine oder andere Mal in den rund 1 ¾ Stunden zu oft kommt dieses Missverständnis vor, aber…
Was soll und darf schon verraten werden? Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… würde ja nicht so gern alles spoilern, wenngleich die Ankündigung auf der Website des Rabenhof Theaters schon mehr verrät…
Klar ist, der Frosch taucht auf und holt die in den Brunnen – ein wunderbares Bällebad, das beim Auftauchen so manche der kleinen Kugeln auch in Richtung Publikum „verspritzt“ – gefallene Kugel. Und der Frosch kann reden, allerdings ist er kein verwunschener Prinz, sondern – ach, im Absatz davor ist ja schon versprochen, dass dies – zumindest hier – ein Geheimnis bleibt. Wie auch immer dieser Frosch wird ebenso von Sebastian Pass gespielt wie der untergroße – zeitweise aus dem Weg geräumte – König.
Der Autor – und Regisseur – bringt noch die Hexe, pardon schwarze Magierin Solanathea, ins Spiel. Sowohl diese als auch die erst verhinderte, dann zwischenzeitlich doch Königin spielt Leila Müller ziemlich schön fies.
Und all das wie schon eingangs geschrieben voller (Spiel-)Witz – in einer Bühnen-Landschaft aus riesigen Bauklötzen. Da zum Glück auch die Premiere schon voller Kinder im Publikum war, kann eindeutig festgestellt werden: Großer Spaß, übrigens genauso für erwachsene Zuschauer:innen und zurecht langanhaltender, tobender Applaus.
Ein kleiner, freundlich und neugierig dreinschauender Wolf – aufrecht gehend – schleicht sich am Sonntag in das „Kinderhaus“, einen Kindergarten, schnuppert an Spielzeug, fühlt sich wohl und entschließt sich: „Hier will ich bleiben“.
Selbst als er auf der nächsten Doppelseite von einem Turm aus Bauklötzen auf den er klettert, runterfällt. Er bleibt. Und erlebt an den Tagen der folgenden Woche die Kinder bei unterschiedlichsten Spielen – stets aus einem Versteck heraus…
Die Geschichte „Besuch vom kleinen Wolf“, die sich die Autorin Silvia Hüsler einfallen hat lassen – und auch selber dazu bunte Bilder gezeichnet hat – weist noch eine Besonderheit auf. Spezialität der gelernten Elementarpädagogin ist seit Jahrzehnten die Förderung von Mehrsprachigkeit. Und so gibt es diese Geschichte vom kleinen Wolf im Kindergarten gleich auf jeder der Doppelseiten in acht verschiedenen Sprachen. Immer wieder wird die Reihenfolge von Albanisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Serbisch (in lateinischer Schrift), Tamilisch und Türkisch verändert. Jede der Farben ist schon zu Beginn mit einer anderen Farbe eines Wolfs-Pfoten-Abdrucks gekennzeichnet – und so im Buch auf den 17 Doppelseiten auch für all jene, die die jeweiligen anderen Sprachen nicht kennen zu verorten 😉
Für jene, die lieber hören, als (vor-)lesen gibt es auch eine Audio-CD, die „nebenbei“ den Vorteil hat, auch die Melodien jener Sprachen vernehmen zu können, die einer/einem nicht geläufig oder ganz fremd sind; Wobei als „Bonustrack“ auf der CD die Geschichte zusätzlich auf einer „neunten“ Sprache erzählt wird, auf Schweizerdeutsch.
Auf der ersten und letzten Innenseite (üblicherweise auch als Vorsatzseiten bezeichnet) findest du das Wort für Wolf sogar in 54 Sprachen – und in jenen, die in anderen Schriften geschrieben werden steht es sozusagen in lateinischer Transkription (Umschrift) daneben. Und so stößt du vielleicht auf Verblüffendes: Kurt (Türkisch), Lang (Mandarin-Chinesisch), Ulv (Norwegisch), Hunt (Estnisch), Lupo (Italienisch) – sie alle stehen für Wolf in den in Klammern angegebenen Sprachen.
Der Verlag bietet übrigens auf der Homepage – Link unten in der Info-Box am Ende des Beitrages – zusätzlich als (kostenlose) Download-PDF die Texte des Bilderbuchs in weiteren 22 (!) Sprachen an: Arabisch, Mandarin-Chinesisch, Englisch, Finnisch, Hebräisch, Kapverdisches Kreol, Kroatisch, Kurdisch Kurmanci, Kurdisch Sorani (in arabischer Schrift), Luxemburgisch, Farsi (Persisch), Polnisch, Romanisch, Rumänisch, Russisch, Schwedisch, Serbisch (Kyrillisch), Somali, Spanisch, Thai, Tigrinya (Äthiopien und Eritrea), Ukrainisch.
Die Autorin, die gleichzeitig auch Illustratorin hat – gemeinsam mit Ursina Gloor – auch umfassende Unterrichtsmaterialien erarbeitet. Diese reichen von Kopiervorlagen über Bastelanleitungen bis zu Vorschlägen für pädagogische (spielerische) Einheiten, Rätsel, Gedichte, Lieder, Hinweise für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache, (weiterführende) Literaturtipps und nicht zuletzt Inputs über Wolf in Mythologien, Sagen und Märchen verschiedener Sprach- und Kulturräume.
Diese Buchbesprechung erscheint übrigens nicht zufällig heute, am 21. Februar (2024). Seit dem Jahr 2000 wird immer am 21. 2. Der Internationale Tag der Muttersprache begangen. Die Unesco, die Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen (UNO), hat den ins Leben gerufen, weil rund die Hälfte aller weltweit verwendeten Sprachen vom Aussterben bedroht ist. Dies betrifft die sogenannten Minderheiten-Sprachen, die von weniger als 10.000 Menschen (noch) gesprochen werden. Die Unesco will mit diesem Internationalen Tag aber auch Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenunterricht ins Rampenlicht rücken. Noch immer gibt es ja (politische) Tendenzen, Mehrsprachigkeit als „Problem“ und nicht als Bereicherung zu sehen, dabei ist „Einsprachigkeit heilbar!“
Der Schöne und die Bestie“, „Herr Rapunzel“ oder „Die gestiefelte Katze“ – die Titel der zwölf Märchen dieser Sammlung – noch dazu gleich mit dem Titel „Der Prinz auf der Erbse“ sagen praktisch schon alles. Karrie Fransman & Jonathan Plackett haben in ihrem auch märchenhaft illustrierten Buch „nichts anderes“ gemacht, als die Rollen vertauscht. Aus Prinzessinnen wurden Prinzen, aber auch aus Hexen Hexer und so weiter. Und siehe da – mitunter kommt das jeweils altbekannte Märchen sogar ein wenig gewöhnungsbedürftig daher. Gut so.
In einem umfangreichen Vorwort schildern beide, wie sie auf die Idee gekommen sind und wie sie’s – mit Hilfe eines Computerprogramms – gemacht haben.
Jonathan Plackett, unter anderem Programmierer, erinnert sich an seine Kindheit. Sein Vater habe ihm und der Schwester am Abend Geschichten vorgelesen – und einfach die Geschlechter der handelnden Figuren vertauscht. Als Erwachsener, mit der Comic-Autorin und Künstlerin Karrie Fransman verheiratet und gemeinsam Eltern einer Tochter „wollen (wir), dass sie in einer Welt aufwächst, in der kleine Mädchen stark sein und kleine Jungen ohne Zorn zu ihren Verletzlichkeiten stehen dürfen“.
Dafür nutzte er seine Fähigkeit: Es „ist mir schließlich gelungen, ein benutzerfreundliches Computerprogramm zu entwickeln, das in jedem Text, mit dem man es füttert, die Gender-Verteilung umkrempelt“, schreibt er im Vorwort.
Karrie Fransman schildert dort: „Als Jonathan mir den Algorithmus zeigte, war ich begeistert, und wir überlegten gemeinsam, was wir damit machen könnten. Ich schlug vor, ihn auf Märchen anzuwenden. Uns reizte die Idee, klassische Texte und moderne Technologie zu kombinieren und die Geschichten für zeitgenössische Leserinnen und Leser upzudaten. Auch als Comiczeichnerin war ich gespannt darauf, wie der Algorithmus die weltbekannten Märchen verwandeln würde, und mir dann die neuen Geschichten in Bildern vorzustellen.“
Das Duo entschied sich für Märchen, weil die weit verbreitet sind, viele Kinder damit aufwachsen – und in der Regel fest gängige Rollenklischees einlernen. Fransman und Plackett wählten zwölf sehr bekannte Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm, von Hans Christian Andersen oder nach Gabrielle-Suzanne Barbot de Villeneuve (Schöne und Biest) aus, einige wurden schon eingangs genannt. Dazu gesellen sich noch unter anderem „Schneewittich“, „Rotkäppchen und die böse Wölfin“, „Rumpelstelze“, „Gretel und Hänsel“ sowie „Aschenpeterl oder der gläserne Pantoffel“, „Hanna und die Bohnenranke“, „Dornrösling oder der schlafende Schöne im Walde“ sowie „Däumchen“.
Wobei manche Märchen von den beiden auch noch weiter verändert wurden – was sich nicht immer ganz erschließt. Der Bub mit dem roten Käppchen darf offenbar keinen Wein im Korb zu – in dem Fall – dem Großvater bringen. Und die Wölfin darf sich dafür des Fressens von Opa und Enkel erfreuen. Denn so endet diese Version vom „Rotkäppchen“. Keine Jägerin ;(
Und warum auch nicht – Karrie Fransman schreibt im Vorwort unter anderem: „Märchen sind auch voller Magie und Feenstaub. Wenn wir uns eine Welt vorstellen können, in der Harfen singen und Ratten Kutscher werden, können wir uns dann nicht auch eine Welt vorstellen, in der sich Könige Kinder wünschen und alte Frauen keine Hexen sind?“
Und nicht nur „nebenbei“ merkt sie noch an, Wir behaupten keineswegs, dass es nur zwei Geschlechter gibt. … Viele Menschen identifizieren sich als non-binär, queer, transgender, genderfluid, agender, other-gender und vieles mehr. Trotzdem spielt die Unterscheidung in »weiblich« und »männlich« im Denken der meisten Menschen noch eine Rolle, und auch in der Sprache. Indem wir die beiden dominanten Gender-Konstrukte vertauschen, wollen wir ihre Eindeutigkeit aufbrechen und die Menschen dazu bringen, die Annahmen zu hinterfragen, mit denen wir das soziale Geschlecht in unserer Gesellschaft aufladen.“
Jonathan Plackett schreibt weiter: „Als wir ein paar Märchen durch den Gender-Swap-Algorithmus laufen lassen hatten, war uns klar, dass wir auf etwas Interessantes gestoßen waren. Vor unseren Augen entstanden faszinierende neue Figuren, und Stereotypen wurden aufgedeckt. Wir sahen Prinzessinnen in glänzender Rüstung, die zur Rettung schlafender Prinzen eilten… Manche Veränderungen waren vorhersehbar, aber andere offenbarten Feinheiten, die mir bisher nicht aufgefallen waren, zum Beispiel, dass Frauen nun automatisch zuerst genannt wurden, »Schwestern und Brüder« oder »Gretel und Hänsel«. Das Beste aber war, dass Frauen endlich Macht und eine Vielfalt an Rollen zur Verfügung hatten, während Männer die Chance bekamen, zu ihrer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit zu stehen und für ihr gutes Herz belohnt zu werden.“
Und vielleicht regt dieses Buch ja auch an, in anderen Märchen, weiteren Geschichten oder möglicherweise sogar einmal in aktuellen Nachrichten sich die handelnden Figuren vertauscht vorzustellen. Was übrigens schon vor Jahrzehnten (1974) die DDR-Schriftstellerin Irmtraut Morgner in dem Kapitel „Kaffee verkehrt“ in ihrem 680 Seiten-Buch „Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz…“ (siehe Buch-Infos; übrigens kein Kiknderbuch!) schon gemacht hat, indem sie die Rollen in einem Kaffeehaus am Alexanderplatz vertauscht hat: „Als neulich unsere Frauenbrigade im Espresso am Alex Kapuziner trank, betrat ein Mann das Etablissement, der meinen Augen wohltat. Ich pfiff also eine Tonleiter rauf und runter und sah mir den Herrn an, auch rauf und runter. Als er an unserem Tisch vorbeiging, sagte ich „Donnerwetter“. Dann unterhielt sich unsere Brigade über seine Füße, denen Socken fehlten, den Taillenumfang schätzen wir auf siebzig, Alter auf zweiunddreißig… Ich ließ ihm und mir einen doppelten Wodka servieren und prostete ihm zu… In der Tür ließ ich meine Hand wie zufällig über eine Hinterbacke gleiten, um zu prüfen, ob die Gewebestruktur in Ordnung war…“
sohn-und-vater-rock-en-gegen-rollenklischees <- noch im Kinder-KURIER
Interview mit Nils Pickert <- noch im KiKu
In zarten schwarz-weiß-Strichen sind die Prinzessin und ihre meisten ihrer Dienerinnen – fast wie Skizzen – vor gemalten flächigen Hintergründen gezeichnet (Illustration: Trui Chielens). Anfangs jedenfalls. Pompeline, so heißt die Tochter des königlichen Paares ist offenbar jung erwachsen, wird von ihren Kammerfrauen aufgeputzt, zum Frühstück gibt es Torte. „Feiern wir irgendetwas?“, lässt Autorin Brigitte Minne die Prinzessin fragen. Die sich sogleich – in großen Buchstaben – an ihrem Tortenstück verschluckt, denn der Vater meint: „Pompeline, es ist Zeit für den Prinzen auf dem weißen Pferd.“
Da zieht sie sich lieber zurück, auch wenn schon ur-viele Prinzen angeritten kommen – die entsprechende Doppelseite geht fast über vor lauter solchen. Vergattert muss Pompeline alle begutachten, doch erst als – einmal umgeblättert – „eine Prinzessin auf einem wunderschönen schwarzen Pferd galoppiert … pocht das Herz von Prinzessin Pompeline wie verrückt…“ Hedwig heißt die Reiterin – und jetzt sind beide auch bunt gezeichnet!
Liebe auf den ersten Blick. Viel gemeinsames Lachen und Verständnis. Aber viel Widerstand im Schloss. „Böse Worte, doch zum Glück auch hin und wieder etwas Nettes … die bösen Worte bleiben hängen und machen traurig.“
Auch wenn schon mehr als eineinhalb Jahrzehnte davor „König & König“ – sozusagen das Gegenstück mit einem Prinzen, der sich in einen Prinzen verliebt – erschienen ist und zum Zeitpunkt von „Pompeline“ so erfolgreich war, dass die deutsche Ausgabe schon in der sechsten Auflage verkauft wurde! Und dort – viele Jahre vorher – hatte auch die Prinzenmutter nicht einmal den Anflug von einem Problem damit, dass ihr Sohn sich in einen Mann verliebte.
Natürlich kann’s auch hier nicht bei den bösen Worten bleiben, Pompelines Eltern pilgern zur weisen Sofia, die auf „das geht doch nicht, oder?“ schlichtweg sanft antwortet: „Warum denn nicht, Majestät?“ Weitere Zweifel zerstreut sie mit folgenden Sätzen: „Ein Prinz und eine Prinzessin, zwei Prinzen, zwei Prinzessinnen … Das macht doch nichts! – Einander lieben, das ist es, was zählt.“
Mit diesen Weisheiten reisen Königin und König zurück, haben allerdings im Hofstaat noch so zahlreiche Bedienstete, die „raunen, murren und brabbeln so viele kalte, herzlose Worte hin und her…“ Das Volk aber zeigt sich in „Prinzessin Pompeline traut sich“ glücklich darüber, dass Pompeline und Hedwig glücklich sind…
Das wäre schon ein schöner Schluss gewesen. Doch das Duo setzte dem noch eins drauf: Auf der letzten der Bilderbuchdoppelseiten bekamen sie noch viele Kinder… – um danach auf einer Nachwort-Seite, die dann nicht mehr zum Märchen gehört, zu erklären, dass sie viele Kinder, die keine Eltern haben oder solche, die sie nicht richtig versorgen können, adoptieren und außerdem Pompeline über eine Samenspende eines freundlichen Prinzen auch schwanger wurde.
Fünf Roll-Ups bilden die Kulissen der mit Musik – von Walter Lochmann – gewürzten, von Gernot Kranner erzählten bekannten Märchen. Am Weihnachtstag waren „Die Bremer Stadtmusikanten“ am Vor- sowie am Nachmittag dran. Aufbruch der vier jeweils ausrangierten Tiere, um frei zu werden. Denn was Besseres als den Tod wollten sowohl Esel als auch Hund, Katze und Hahn finden.
Immer wieder bezieht der Sänger und Schauspieler Kinder ins Geschehen ein; gemeinsam wird gesungen oder wie hier immer wieder im Chor den Tieren – in Form von Plüsch- und Stoffwesen aus einer Korb-Kiste – ihre Laute als Stimme gegeben.
In den Advent-Wochen hatte Kranner bei seinen Auftritten immer ein großes Gurkenglas an den Bühnenrand gestellt und unter dem Motto „Herz für Herz“ um Spenden gebeten. Immer wieder startet er private Hilfsaktionen, brachte im Vorjahr als er ein Auto voller Hilfsgüter an die ukrainische Grenze brachte bei der Rückfahrt eine Familie mit nach Wien. Diese war eine von vier Familien, die in den Genuss des gespendeten Geldes kam, das er nach der Vorstellung gemeinsam mit Kindern von drei dieser vier Familien zählte. Ergebnis: 1.027 Euro und 13 Cent, die rundete Kranner auf 1.040 Euro auf, so dass jede Familie zu 260 Euro kam.
Da ging Kranner selbst das Herz auf, dass in den wenigen Wochen bei den Vorstellungen so viel gespendet worden war. „Das zeigt, dass viele Menschen ganz konkret was Positives tun, anderen helfen wollen!“
Die Anzahl der Zwerge verwirrte zunächst einmal einige Kinder im Publikum: „Das sind ja nur vier!“, tönte es aus einigen Mündern junger Zuschauer:innen. Wenige Sekunden später stellten sie selber fest: „Nein, doch 7!“
Der „Trick“, vielmehr die Erklärung: Drei der vier Zipfelbemützten haben ein zweites Gesicht auf dem Hinterkopf, einen weiteren Namen, die ihre Eigenschaften aussagen: Hero und Flink (Lisa Ernstbrunner), Klaps und Troll (Isabella Rubel), Adonis und Purzel (Benjamin Plautz) sowie Tröpfchen (Simona Milenkova). Letztere geht immer irgendwie ab, schläft ein – oder fehlt beim Durchzählen. Letzteres vor allem, weil sie sich um die neue Gästin im Zwergenhaus kümmert – die schon wieder…
… genau, auf einen der drei bekannten, hinterhältigen Mordversuche der bösen neuen Königin hereingefallen ist… Was die Kinder übrigens der immer wieder geretteten Königstochter – die trotz der Zurufe, nicht den breiten Gürtel zu nehmen und schon gar nicht vom Apfel abzubeißen – als Dummheit auslegen.
Um übrigens nach dem Stück von der beim Ausgang stehenden Theaterintendatin Manuela Seidl aus einem Korb Schoko-Münzen entgegenzunehmen – ganz ohne Skepsis. Und das obwohl der Korb jenem ähnelt, den die Königin, die hier Marlen heißt, zu nehmen. Obendrein hatte sie an jenem Vormittag an dem Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… die Vorstellung besuchte, ein ähnliches Kleid an wie die fiese neue Frau des Königs (Kostüme: Sigrid Dreger).
Schneewittchens Vater hatte die Theaterintendantin, die – wie jedes Jahr – das Märchen umschrieb (Regie und Choreografie führte) und mit Elementen aus verschiedenen bekannten Märchen-Filmen anreicherte, Dagobert genannt. Was die Inspiration für die Schokomünzen ebenso war wir für viele Elemente im Bühnenbild (Barbara Strolz, Thomas Fischer-Seidl, Werner Ramschak & Daniel Truttmann) mit Dollar-Zeichen und Geldsäcken.
Der Darsteller einer der Zwerge, der in der Persönlichkeit des Adonis eifersüchtig auf den neuen Mann an der Seite Schneewittchens ist, spielt auch den naiv-verspielten König Dagobert (Benjamin Plautz) – mit einer wunderbar witzigen Seifenblasen-Maschine. Zwei verschiedene Figuren – abgesehen von den drei Zwergen mit „doppelter“ Persönlichkeit durch einfaches Umdrehen – spielt auch Simona Milenkova: Den einzigen ein-seitigen Zwerg (Tröpfchen) sowie die Jägerin. Die hier aber schon fast zwei Mal auf das Mädchen geschossen hätte, bevor sie’s dann doch nicht übers Herz bringt.
Nicht ganz eine Doppelrolle spielt Philipp Fichtner; zwar tritt er anfangs als belustigender Hofnarr auf, aber da war er, der Prinz Kristoff von Eisköniginnnenland, der Schneewittchen heiraten will, nur verkleidet.
Sandra Högl gibt eine wirklich durchgängig fiese neue Königin, der es neben ihrer Schönheit, die von niemandem übertroffen werden darf, vor allem um den Reichtum geht, den sie sich unter den Nagel reißen will. Sie ist so böse gezeichnet, dass sogar der Zauberspiegel – gespielt von Nadine Schimetta – gegen Ende aufgibt und abhaut.
Last but not least ist Amy Parteli zu nennen, die als Schneewittchen namens Mirabel, zwar einerseits auf die wiederholten Mordversuchs-Tricks ihrer „Stiefmutter“ hereinfällt, aber ansonsten schon eigenständiger, selbstbewusster auftritt, ja letztlich dem ein wenig schüchternen Prinzen selber den ersten Heiratsantrag macht. Parteli betätigte sich darüberhinaus – wie oft in diesem Theater – als Regie-Assistentin.
Die 1 ¼ Stunden leben neben dem flotten Spiel nicht zuletzt von der – unterschiedlichen – Musik (Leitung: Gabor Rivo, Arrangements: Christoph Burko), die sich von einem anfänglichen Rap über den aus dem Otto-Film bekannten Ohrwurmartigen „Zwerge gehen gemeinsam aufs Klo“-Song und „Help!“ von den Beatles bis zum Klassiker „Let it Snow“ (mit großen, fetten Schneeflocken aus Lichtern) am Ende spannt.
Nach rund fünf Dutzend Mal wurde die Neuversion von „Das tapfere Schneiderlein“ von der Wiener Taschenoper unlängst in der Kulturgarage in der Seestadt Aspern zum letzten Mal aufgeführt. Von anspruchsvoller Musik von Wolfgang Mitterer getragen, wurde das Märchen nach den Gebrüdern Grimm über den Auf-Schneider gesungen – und gespielt mit teils einfachen und doch recht üppigen Kulissen und Kostümen.
Der Komponist meint im Programmheft: „Richtig vorgetragen ist jede Melodie fasslich… Kinder müssen nicht mit banalen Melodien, womöglich noch laut verstärkt, an die Wand geprügelt werden…“ Musikalisch umgesetzt haben dies – live auf der Bühne – Karl Sayer (Kontrabass) und Michael Tiefenbacher (Keyboard/Samples).
Witz in die Afführung brachte die Inszenierung von Jevgenij Sitochin, der vor allem den König, gesungen und gespielt von Johannes Zeiler (macht-)technisch immer wieder anlaufen lässt. Jakob Pejcic wächst als Schneider an den Aufgaben zum Helden.
Antonine Vernotte (Ratgeber/Einhorn/Riese) und Jubin Amiri (Ratgeber/Wildschwein/Riese) sorgen immer wieder für fast Slapstick-artige Einlagen, insbesondere als die beiden – einander laufend widersprechenden – Ratgeber.
Adèle Clermont hat insbesondere als Königstochter die A-Karte gezogen, weil das Libretto (Helga Utz) ihr eine Frauenrolle geschrieben hat, die vielleicht ins vorvorige Jahrhundert gepasst hätte. „Oh, ein Held, kann ich ihn haben!“
Ganz anders angelegt ist die – doch entlang des klassischen Märchens – gespielte Fassung von Raoul Biltgen. Hier ist das Schneiderlein ganz und gar nicht gewillt heldisch zu sein, will lieber der eigenen Profession nachgehen und schöne Kleidungsstücke nähen. Wenngleich die Schneiderin (Nele Christoph) zwar von Stoffen umgeben live auf einer Tribüne über der Bühne häkelt. Aber das ist womöglich Teil des Spiels mit Wahrheit, Übertreibung, Lüge und Schwindeleien. Die sind ein fast ständig präsentes Thema in dieser Version (Regie: Mira Stadler).
Wie auch immer, die Schneiderin will gar keine Abenteuer bestehen, wird aber von dem Erzähler:innen-Trio (Annina Hunziker, Alina Schaller, Anton Widauer) dazu gedrängt, manipuliert, mitunter auch genötigt. Schließlich soll doch dieses Märchen von den „7 auf einen Streich“ über die Bühne gehen. Auch wenn die Schneiderin anmerkt: Es waren doch nur zwei Fliegen und Lügen ist nicht okay.
Die beiden Erstgenannten aus diesem Trio streiten zunächst um den Titel. „Das lustige Schneiderlein meint die eine“, „Das listige Schneiderlein“ die andere. Bis als Dritter im Bunde Anton Widauer den richtigen Titel – unter Verweis auf den Programmzettel – durchsetzt. Und eine der beiden obendrein noch Leseschwäche spielt „das töpfernde…“
Womit wir aber auch hier wieder bei überkommenen Rollen-Bildern landen. Die zwei Frauen machen auf lustig/listig/töpfernd, aber was richtig ist, sagt der Mann ;(
Mit viel Spiel- und Wort-Witz, manche dann in der (zu) häufigen Wiederholung ein bissl krampfhaft, spielen sich die vier durch üppige Bühnenbilder und witzige Kostüme vor allem beim Wildschwein (Bühne, Kostüme: Jenny Schleif). Ausgehend von der Schneiderin wird einerseits der Held:innen-Mythos demontiert, es gelingt der Schneiderin aber auch die beiden Ries:innen von der Last ihres Böse-sein-müssens zu befreien. Moral von der Geschichte: Sei du selbst, mach das, wonach dir der Sinn steht und versuch dich nicht in eine von anderen vorgegebene Rolle hineindrängen zu lassen.
Super, wäre da nicht, dass ausgerechnet diese sanfte, versöhnende, ja nicht heldisch sein wollende Rolle mit einer Frau besetzt worden wäre – womit erst recht wieder gängige Rollenklischees bedient werden.
Rotkäppchen fragt den Wolf, der schon die zache Oma verschlungen hat, hier natürlich NICHT, weshalb der so einen großen Mund hat. Dafür verklickert das selbstbewusste Mädchen – aus einem Trommel-Unterkörper und einem Schaumstoff-Teekessel mit rotem Deckel -, dem Gegenüber, was ihm dem Märchen zufolge droht – Jäger, Bauchaufschlitzen, Steine rein… Rotkäppchen wird Reporterin beim „Zauberspiegel“ und macht auf, um zu recherchieren, was hinter dem Gerücht von zwei entführten Kindern steckt.
Dornrose ist gar nicht erfreut, von einem Frosch zu küssen, den sie an die Wand wirft und der zum Prinzen wird. Aber auch ein Königssohn dürfe nicht einfach ungefragt ein Mädchen küssen. Und überhaupt habe sie eben viel Schlaf gebraucht und vielleicht spannende Träume gehabt. Außerdem ist es jetzt Zeit, dass sie die Macht von ihrem Vater übernimmt – und in ihrer Regentschaft vor allem auch Kinder fragt, was sie für ein glückliches Leben brauchen.
Turbulent geht es zu im „Märchengeburtstag“ zu 50 Jahre MoKi (Mobiles Kindertheater) auf einer der neun Wiener Kultursommerbühnen, diesfalls im Währinger Park, bei der U6-Station Nußdorfer Straße. Dagmar Goller, Katharina Meinhart und Michael Perner hatten den wilden Ritt durch die schon angeklungenen und weitere Märchen ausgedacht und spielten ihn mit Figuren aus früheren Stücken des seit der Coronazeit brach liegenden Tour-Theatergruppe. Wenn Dornröschen, Frosch, Rotkäppchen, Wolf und noch einige mehr aufeinandertreffen so tun sie dies hier, weil sich König Moki, der Erste, zu seinem Halb-Jahrhundert-Jubiläum ein Märchenspiel wünscht. So wird nicht zuletzt eine Huldigungs-Zeremonie mit Vi-vat-Rufen mit dem Publikum eingeübt.
Ob dies sozusagen eine Wiederauferstehung, der Start für einen Neubeginn sein wird? Das konnten die Spieler:innen noch nicht sagen, „wir hoffen es“. Anklang bei Publikum hat das Spiel sowohl bei den jungen und jüngsten, aber auch den älteren Besucher:innen, für die so manche aktuell gesellschaftspolitische Anspielung dabei war, jedenfalls gefunden. Die Wise vor der Bühne war voll, trotz zweitweisen Regens.
Das Mobile Kindertheater hat in den Vor-Coronazeiten teils bis zu 350 Mal im Jahr irgendwo in Österreich in Turn- und anderen Sälen in Schulen, in Kindergärten und Veranstaltungsorten gespielt. Aus den Ensembles wurden so manche heute bekannte Persönlichkeiten später auf anderen Bühnen und im TV groß wie Andy Halwaxx, Tania Golden, Barbara Karlich.
MoKi wurde 1973 von dem damals aus der Tschechoslowakei geflüchteten Theatermacher „Laco“ Povazay in Wien gegründet und war auch später Mitbegründer der Österreich-Sektion der internationalen Kinder- und Jugendtheatervereinigung ASSITEJ, organisierte früh internationale Festivals mit Gruppen vor allem aus Südosteuropa – ein Bereich, der heute in der Szene leider eher vernachlässigt wird.
Nach „Laco“ übernahm der später ebenfalls aus der CSSR geflüchtete Stefan Kulhanek die Leitung von MoKi und später die nächste Kulhanek-Generation. Wie überhaupt nicht zuletzt auch in verschiedenen Bereichen der Kultur geflüchtete Menschen so manche Impulse setzten, etwa im „TheaterBrett“ oder die Schriftsteller:innen Julya Rabinowich, Dimitré Dinev, die Filmemacher Arash und Arman T. Riahi und viele andere.
In den rund 47. Aktiven MoKi-Jahren wurden nicht ganz 14.000 Vorstellungen – 79 verschiedene Stücke – vor fast zwei Millionen Zuschauer:innen gespielt.
Umkränzt von einem flauschigen Kreis lächelt der volle Mond auf die Erde und bewundert die Spaziergänger:innen – vor allem deren bunte Gewänder. „Gibt es hier einen Schneider oder eine Modedesignerin?“ lässt die Autorin und Illustratorin in Personalunion, Linda Wolfsgruber, ihre Hauptfigur auf der zweiten Doppelseite rufen, auf der sie schon ein klassisches Schneider:innen-Maßband sehr zentral im Zick-Zack platziert hat.
Inspiriert von dem rund 150 Jahre alten Märchen „Der Schneider im Mond“ in der wenig bekannten Sammlung von Ludwig Aurbacher, schneiderte die bekannte, vielfach preisgekrönte Illustratorin und immer wieder auch Autorin das nun erscheinende Bilderbuch „Ein Kleid für den Mond“.
Während natürlich allen Leser:innen und Betrachter:innen von Anfang an klar ist, das werde ein unmögliches Unterfangen, geht der Schneider pflichtbewusst aber naiv an die Bitte/den Auftrag heran. Er vermisst den Kunden, schneidert aus bunten Stoffen – und: Natürlich passt’s dann nicht. Verändert der Mond doch seine Gestalt – auch wenn’s „nur“ für unsere Augen ist und er in Wahrheit immer gleich rund bleibt 😉
Der Bilderbuch-Schneider hat gerade die abnehmende Phase erwischt, also enger machen, und das von Mal zu Mal. Und dann – das kannst du dir schon denken… Linda Wolfsgruber fand in ihrem Bilderbuch – im Gegensatz zum Märchen, von dem sie sich inspirieren hatte lassen und das sie öfter als Figurentheater in Südtiroler Kindergärten bei Workshops aufgeführt hatte, ein wahrhaftes Happy End, denn schließlich… – aber nein, das soll eine Überraschung bleiben.
Verraten aber sei die Mach-Art der vielen bunten Stoffe auf den Bilderbuch-Seiten mit denen der Schneider arbeitet und die wie echte aussehen, insbesondere auch der flauschige Ring um den Mond oder die ebensolchen Wolken. Dachte ich, das seien wirklich echte Stoffe, eventuell langfaserige Filz und dann zusammengeschnipselt, fotografiert oder gescannt, antwortete Wolfsgruber auf die entsprechende mailige Anfrage: „Also es ist alles viel einfacher, keine echten Stoffe, kein langhaariger Filz und auch keine eingefärbte Watte, sondern… Origami-Papiere für das Kleid und der Mondschein ist aus Japanpapier (Reispapier) gerissen. Wenn man mit Wasser und Pinsel die Konturen auf das Japanpapier zeichnet, kann man es in jede Form reißen. Und wenn man das Papier nach außen wegzieht, so entstehen diese schönen Ränder.“
Und: Ist der Mond nicht wunderschön so wie er ist? Auch wenn er immer gleich bleibt und nur durch die astronomischen Lichtspiele für uns sein Aussehen ständig verändert?!
kreis-dreieck-und-quadrat -> Bilderbücherbesprechung damals noch im Kinder-KURIER
Ich möchte wieder spitz sein… „Na ja!“ Buchbesprechung zu Jutta Treiber – damals noch im KiKu
Märchen-Adaptionen boomen wieder. Diverse Rotkäppchen- und Wolf-Geschichten neu interpretiert wuseln über Theaterbühnen, eine bemühte Schneeweißchen- und Rosenrot-Version spielte u.a. beim Wiener Kultursommer, der Märchensommer Poysbrunn knüpft sich seit Jahren bekannte Erzählungen – meist aus der Grimm’schen Sammlung vor, teatro, eine Company, bei der sehr viele äußerst talentierte Kinder und Jugendliche mit Profis die Bühne teilen, nimmt hin und wieder auch Märchen als Basis für deren Musicals, heuer beispielsweise Cinderella nach Schneewittchen im Vorjahr.
Und nach „Rotkäppchen rettet den Wolf“, legt nun das Duo Petra Piuk (Text) und Gemma Palacio (Illustration) ein zweites gelungenes „Nicht-Märchen“ vor: „Josch der Froschkönig“.
Jessica König – so heißt die (menschliche) Hauptfigur – im Gegensatz zum Märchen hat sie immerhin einen Namen, dort ist sie ja nur die jüngste Königstochter. Und als die Autorin beginnt, das Original in wenigen Sätzen zusammenzufassen, macht sich Jessica nach den ersten beiden Sätzen schon einmal mit einem „Stopp… können Märchen nicht einmal anders anfangen?“ Und so beginnt nach einer Stammbuchseite über Jessica, auf der du erfährst, dass sie Prinzessinnen-Märchen NICHT mag und Profi-Fußballerin beim FC St. Pauli (Hamburg, Deutschland) werden will, die Geschichte mit „Es ist… heute. Genau jetzt.“ (Ein paar Seiten weiter gibt’s für jene die das Märchen „Der Froschkönig“ aus der Grimm’schen Sammlung nicht kennen, doch eine Zusammenfassung.)
Also, passend zur aktuellen Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland (Sommer 2023), geht Jessica mit ihrem Fußball aus der Wohnung auf einen Hügel im Park. Und plötzlich springt der Ball bergab, landet in einem kleinen Teich und dort hüpft ein Frosch auf diese Kugel. Er beginnt mit ihr zu reden, sie versteht ihn! Angeblich, so erzählt er ihr, war sein Ur-ur und so weiter, sieben Generationen zurück der bekannte Märchenfrosch. Aber so wie Jessica ist auch Josch, so stellt er sich vor, kein Freund solcher Geschichten. Und außerdem scheint er sich in den Märchenwelten auszukennen, die besagte Prinzessin hätte wollen eigentlich Goldschmiedin werden und aus der berühmten Kugel Schmuckstücke herstellen wollen…
Wie auch immer, die beiden freunden sich an, Jessica wird vorübergehend zur Fröschin und wandert mit ihm zur Moor-Blubber-Party, wo die verschiedensten Frösche aus aller Welt antanzen. Im wahrsten Sinn des Wortes, denn dort steigt wirklich Party mit DJane Katja aka Frog Queen. Dazu gibt’s im Buch eine Doppelseite einen Spielplan. Diesen findest du nochmals vergrößert als Beilage zu diesem Bilderbuch mit Zeichnungen im Comic-Stil, du checkst dir Würfel und Spielfiguren und kannst so mit anderen gleich dazwischen oder erst nachdem du das Buch durchhast den Weg zur Party mitspielen.
Auf den Seiten rund um die Party werden – in Form der Gäst:innen – so manche spannenden und oft wenig bekannten Froscharten vorgestellt – vom pfefenden aus Puerto Rico über den weitest springenden aus Südafrika, einen fliegenden aus Thailand bis zum riesigen Goliath aus Kamerun (Zentralafrika) bis zum winzigsten („siebenkommairgendwas Millimeter“) aus Papua-Neuguinea (Pazifik wird zum australischen Kontinent gezählt). An dieser Stelle – oder im Anhang – hätten die genannten Arten schon noch ein wenig mehr an Sachinformation vertragen.
Natürlich kommt Jessica wieder zurück – aus ihren Träumen (?) und landet in Menschengestalt auf dem Ausgangshügel. Jetzt hat sie den Mut, die anderen Fußballspielenden Kinder zu fragen, ob sie mitkicken darf.
Was aber ist hinter dem Wald? Oder, was war davor und was kommt danach – nicht in Sachen Wald, sondern vor dem erzählten Märchen, also vor dem „es war einmal“ und was vielleicht danach – zwischen Happy End und dem vielleicht noch heute leben?
Viele Märchen sind weit verbreitet, so manche werden – zumindest seit Jahrzehnten – interpretiert, meist psychologisch oder psychotherapeutisch. Und immer wieder hinterfragt, nicht zuletzt was die transportierten Rollenklischees betrifft.
Am vielleicht am kürzesten und einprägsamsten fragt die mittlerweile bekannte Kabarettistin Malarina in einem ihrer Programme: Wenn Rapunzels Haare so stark sind, dass sie daran einen Mann raufklettern lassen kann, um von ihm befreit zu werden, warum hat sie dann nicht ihre starken lange Haare verwendet, um die Enden oben in der Turmstube festzubinden und sie als Kletterseile zu verwenden, um die Turmmauer hinab auf den Boden zu gelangen, die Haare abzuschneiden und sich damit selber zu befreien?!
Beim Wiener Kultursommer trat das Kollektiv WienMaschin mit seiner neuesten freien Märchenadaption „Wild wild Roses“ auf – gesehen neben dem Fußballplatz des ASK Erlaa in der Liesinger Meischlgasse – auf: „Wild wild Roses“ hat sich nach „Max & Moritz -Kellergeheimnisse“ nun „Schneeweißchen und Rosenrot“ aus der Grimm’schen Sammlung vorgeknöpft. Nach anfänglichem, streckenweise ein wenig abgehobenem, Philosophieren über Nichts und den Wald, schlüpfen nach und nach Anna-Eva Köck in die Rolle des Schneeweißchens, Johanna Hainz in die der Schwester Rosenrot sowie Sonja Kreibich in jene der Mutter (Regie und Text: Aline Sarah Kunisch, die in dem Fall auch für Musik, die Thomas Käfer zusammengestellt hatte, eingesprungen ist und die vom hinter Handtüchern versteckten Computer abspielte).
Immer wieder hinterfragt vor allem Schneeweißchen ihre Rolle, die ganze Geschichte, tanzt mitunter sozusagen auch aus der Reihe und von der Bühne ins Publikum – auf der Suche nach dem Sinn, sich selbst und wer weiß was noch. „Ich fühl’s nicht!“ als Feststellung, zweifelnd, ja ärgerlich bis zum Auszucken. Als Basis, aus den Märchenrollen auszubrechen.
Und doch die fast einstündige Aufführung ein wenig entrückt – nicht zuletzt von den wenigen Kindern im Publikum. Aber mit einer Party mit Konfetti- und einer roten Rauchbombe am Ende rund um den Hit „Ich gehör nur mir“ aus dem Musical „Elisabeth“, dessen erste Zeilen lauten: „Ich will nicht gehorsam, gezähmt und gezogen sein/ Ich will nicht bescheiden, beliebt und betrogen sein/ Ich bin nicht das Eigentum von dir/ Denn ich gehör‘ nur mir…“
„Cinderella“ ist die jüngste, flotte, junge, streckenweise mitreißende Musicalproduktion von „teatro“ im Mödlinger Stadttheater. Eine Woche nach der furiosen Premiere des hierzulande zu wenig bekannten Stoffes „Anne of Green Gables“ nun für das noch jüngere Publikum eine Adaption eines der bekanntesten Grimm’schen Märchens, das allerdings auch auf anderen Sammlungen beruht. Bei Grimm heißt es Aschenputtel, in älteren Versionen Aschenbrödel; es gibt – wie das umfangreiche, informative Programmheft (stets Teil von teatro-Produktionen) kundtut, auch die neapolitanische Sammlung Pentameron von Giambattista Basile (16. Jahrhundert) sowie Charles Perraults Cendrillon ou la Petite Pantoufle de verre (Aschenputtel oder der kleine Glasschuh).
Die reichlich anachronistisch Grundgeschichte – böse Stiefmutter samt ihren vielleicht noch bösartigeren Töchtern, die die Hauptfigur mobben, demütigen und die diesem Martyrium nur durch die Heirat mit dem Prinzen entkommt – wird hier doch ein bisschen moderner frisiert: Buch: Norbert Holoubek, Regie, Buch-Ergänzungen: Peter Faerber, Musik: Norberto Bertassi
Erstens ist das „böse“ Trio angeführt vom Hausdrachen Corinna Schaupp zur Karikatur überzeichnet, insbesondere die Stiefschwestern (Clarissa: Carolina Murg, Celestine: Sophie Rosenitsch) geben sich brillant ständig der Lächerlichkeit Preis. Zweitens ist Cinderella (Emily Fisher) nicht ganz allein, hat hier sieben starke Freund:innen und Helfer:innen – vier bunte Tauben (Konstantin Pichler, Anastasia Mila Krstić, Lydia Kodym und Leonhard Schwaiger) und drei groß(artig)e Mäuse (Cati Rachoner, Kaela Hitsch, Hanna Auerböck), die tragende Rollen mit eigenen unterschiedlichen Persönlichkeiten, spielen. Und drittens hat sich Cinderella selbst wenigstens ein bisschen Widerstandsgeist bewahrt. Die anonyme Begegnung mit dem Prinzen (David Mannhart) am Ball verleiht ihr zwar Auftrieb, gibt ihr aber „nur“ mehr Kraft im Kampf gegen die Tyrannei des Trios. Was vielleicht am treffendsten in einem der Dialoge gegen Ende gipfelt, als die Stiefmutter giftig fragt: „Was ist denn bloß in dich gefahren“ und Cinderella kontert: „Ich bin in mich gefahren!“
Eine besondere Erwähnung verdient – eigentlich bei jedem teatro-Stück – die Kostümbildnerin. Brigitte Huber tüftelt jeweils an einem Gesamtkonzept für alle Kleidungsstücke der Figuren im jeweiligen Stück und schafft darüber hinaus immer wieder auch totale Gustostückerln. So tanzt Emily Fisher als Cinderella auf dem Ball in einer himmelblauen Robe mit vielen Rüschenreihen. Aus den 20 Meter Stoff schneiderte die Kostümbildnerin so 180 (!) Meter Saum. Und sie bemerkte sofort, dass beim ersten Auftritt Fishers bei der Premiere, eine der Rüschen aufgegangen war, was durchaus Stolpergefahr beim Tanz bedeuten hätte können. Ruckzuck fixierte Brigitte Huber das im Bühnenhintergrund, bevor es auf zum Ball-Tanz ging. „Ein bisschen schwer ist das Kleid schon, aber es dreht wunderbar“, so Emily zu KiJuKU.at
Zu einem ausführlichen Interview mit ihr geht es hier unten:
Gegenspielerinnen Cinderellas (Emily Fisher – ein eigenes Interview mit ihr ist unten verlinkt) sind – gemeinsam mit ihrer autoritären Mutter (Corinna Schaupp) – die beiden Stiefschwestern Clarissa (Carolina Murg) und Celestine (Sophie Rosenitsch). Sie sind nicht nur – wie es das Märchen vorgibt böse und gemein, sondern auch mehr als tollpatschig., bereiten beim Ball dem Prinzen (David Mannhart) „schmerzhafte Begegnungen“ mit versuchten Tanzschritten mit denen sie ihm auf die Füße trampeln und noch hinpurzeln.
Letztere ist neu in der „teatro“-Familie, „fühl mich da aber von Anfang an sehr wohl. Ich hab mich beworben und diese Rolle macht mir viel Spaß, weil sie so witzig ist.“ Ihre „Schwester“ war schon in teatro-Produktionen („Peter Pan“ sowie „Anne Frank“) zu erleben und hatte genau so viel Freude daran, die Böse zu mimen. „Das Lustige ist, dass wir beide mit Emily (Cinderella) privat befreundet sind und ihr gleich als wir für diese Rollen eingeteilt waren, geschrieben haben, dass wir uns freuen, sie im Musical „ärgern“ zu dürfen!“, vertrauen sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … an.
Cinderella hat in dieser Musical-Versionen von teatro gleich mehr als zwei – hier bunt gefiederte – Tauben als Freund:innen und Helfer:innen und dazu noch drei Mäuse, jedes der „Tiere“ mit eigenem Namen und eigener persönlicher Note. Alle sieben verwandeln sich für die Fahrt zum und beim Ball in Lakaien (Diener:innen), der nun prächtig gewandeten Cinderella. Und dieses Septett spielt mehr als nur Nebenrollen, sie verleihen den insgesamt nicht ganz zwei Stunden (einschließlich einer längeren Pause) sehr humorvolle Würze und lassen die gemobbte Cinderella praktisch nie allein und im Stich.
Eine dieser Mäuse, die namens Stubs spielt Kaela Hitsch – „13, fast schon 14!“. Seit sieben Jahren ist sie bei „teatro“, „zuerst in der MAB – Musical Academy Brigittenau – und seit „Bambi“ (2021) bei den großen Sommerproduktionen. Ich mag mein Rolle sehr, obwohl’s im Mauskostüm schon sehr heiß ist. Als Lakai tanzen wir in der sicher schwierigsten Choreografie des ganzen Stücks am Ball, da müssen wir die drei Bösen von Cinderella und dem Prinzen fernhalten. Und in dieser Choreo haben wir auch Bocksprünge drinnen. Das ist wirklich cool.“ Wie viele andere ihrer Kolleg:innen, die schon lange, manche auch, die erst kurz dabei sind, „möchte ich Musical-Darstellerin werden.“ Sie besucht den Musikzweig des Wiener Gymnasiums Boerhaavegasse, spielt Geige und Klavier.
Taube Ringel gespielt von Leonhard Schwaiger, findet „vor allem cool, dass wir als Tauben im Dialekt sprechen dürfen, das liebe ich auch an dieser Rolle“, sagt er in der Pause, schon im Lakaien-Kostüme, in dem die sieben Diener:innen am Beginn des zweiten Aktes zunächst Cinderella in der schon knapp davor zur Kutsche umgebauten Ofen (in Form eines riesigen Fasses) zum Schloss begleiten. „So richtig bin ich hier erst seit zwei Jahren, war aber schon vorher ungefähr zwei Jahre auf Bühnen und bei Workshops“, so der 12-Jährige zu Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…
Auch er will „jedenfalls später was mit Musical machen“.
Schorschi ist der Figurenname der frechsten unter den vier Tauben. In diese Rolle schlüpft der 13-jährige Konstantin Pichler. Und hat sichtlich und hörbar auch außerhalb der Bühne große Freude damit. „Obwohl zu Hause bin ich nicht frech, sondern nur aufgeweckt, würde ich sagen“, meint er von KiJuKU darauf angesprochen, ob das auch seinem Naturell entspreche. „Seit ich acht bin, mach ich bei teatro mit, in Mödling auf der Stadttheaterbühne erst seit Bambi (2021), wo ich ein Streifenhörnchen war.“
Seit eben auch dieser Produktion ist Anastasia Mila Krstić mit dabei, „zwar erst das dritte Jahr, aber schon mein fünftes Stück“, so die Darstellerin der Taube Wickerl zum Reporter. „Ich mag diese Rolle und bin überhaupt dankbar, dass ich seit Bambi in jedem der Musicals – Bambi, Schneewittchen, heuer Cinderella und zwei Mal bei der Weihnachtsgeschichte – mitspielen, -singen und -tanzen durfte.“
Nach der vielumjubelten Premiere von „Cinderella“ der Musiktheatergruppe „teatro“ im Stadttheater von Mödling mit standing ovations, konnte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… ein ausführliches Interview mit der Hauptdarstellerin Emily Fisher führen. Zu einer Stückbesprechung und mehreren kurzen Interviews geht es in einem Link am Ende dieses Interviews.
KiJuKU: Ich habe gelesen, du bist sehr musikalisch und nimmst schon seit Jahren Klavier- und Gesangsunterricht. Welche Rolle spielt Musik in deinem Leben?
Emily Fisher: Eine riesige Rolle. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich zu singen begonnen habe, aber ich habe immer schon gerne gesungen. Zuerst in Schul-Chören und habe dann irgendwann, das war schon relativ spät, mit 16, mir gedacht: Ich möchte mehr machen, denn ich liebe es so sehr. Dann habe ich das erste richtige Kindermusical gemacht und ich dachte mir: Das ist es. Ich habe seitdem auch nichts anderes mehr verfolgt.
KiJuKU: Also bist du durch die Musik zu „teatro“ gekommen, könnte man das so sagen?
Emily Fisher: Ja voll. Es war eigentlich ein lustiger Zufall. Ein Freund von mir, mit dem ich das erste Kinder- und Jugendmusical gespielt habe, war bei „teatro“ und hat eine Rolle nicht spielen können, weil er etwas anderes gespielt hat. Dann hat er mich gefragt, ob ich einspringen könnte. Der Norberto (Bertassi, Begründer dieses Musiktheaters für junges Publikum) hat mich irgendwann angerufen , ich kannte ihn nicht. Er hat mich gefragt, ob wir uns treffen können. Dann hat er mir alles gezeigt und ich habe innerhalb von so drei Tagen das Ganze, das war eine Rolle in „Pinocchio“ (der Volkshochschule Brigittenau) schnell gelernt. Im gleichen Jahr habe ich die Audition für „Alice“ gemacht. Ja, so war das.
KiJuKU: Dann habe ich noch gelesen, du studierst Pädagogik und arbeitest auch als Volksschullehrerin, stimmt das? Wieso gerade Pädagogik?
Emily Fisher: Ja, das stimmt. Ich hätte auch Logopädie studieren können, denn ich wurde bei beidem aufgenommen und habe mir beides angeschaut. Als Plan B ist es sehr schön. Man kann sich kreativ ausleben. Ich singe jetzt schon ganz viel mit den Kids und versuche Musik so oft es geht, in den Unterricht zu integrieren.
KiJuKU: Das wäre eigentlich auch meine nächste Frage gewesen, ob du beides verbindest…
Emily Fisher: Bei „teatro“ ist es ganz leicht, weil wir haben unsere Kinder im Ensemble. Das ist schön, mit Kindern zu arbeiten, denn sie sind immer ehrlich und faken nicht. Sie haben meistens einfach total viel Freude, keine Hemmungen und sind total verrückt, manchmal. Das ist so, wenn du das Schulhaus betrittst. Du wirst sofort mit hundert Emotionen überflutet und das ist hier auch so.
KiJuKU: Cinderella hält an ihren Träumen trotz aller Schwierigkeiten fest. Manchmal zweifelt sie auch und manchmal ist sie hoffnungslos, aber im Großen und Ganzen hält sie daran fest. Was sind deine Träume für die Zukunft, beruflich wie privat?
Emily Fisher: Mein großer Traum ist, dass ich weiterhin auf der Bühne stehen darf und Theater machen darf. Solange ich das machen kann, bin ich glücklich.
KiJuKU: Es gibt beim Ball im Stück diese Szene, wo alle beginnen, voll Freude zu tanzen. Ist das Tanzen auch eine Leidenschaft von dir?
Emily Fisher: Ich liebes es zu tanzen. Es macht so viel Spaß. Ich bin eine von diesen Menschen, wenn ich mal mies drauf bin, drehe ich meine Lieblingsmusik auf und tanze wild. Das ist pure Freude.
KiJuKU: Welche Figur bzw. Figuren außer Cinderella gefallen dir sehr?
Emily Fisher: Ich finde die Mäuse und Tauben ganz großartig. Sie zeigen einfach, wie es ist, wenn man zusammenhält und den Kopf auch nicht hängen lässt. Man tendiert ja manchmal dazu, sich selbst ein bisschen zu sehr leid zu tun. Die Tauben sagen: „Lass dich nicht so owezahn (runterziehen), du musst die Traurigkeit wegtanzen!“ Da haben sie voll recht.
KiJuKU: Hast du irgendein künstlerisches Vorbild?
Emily Fisher: Eigentlich jede Person, die ich treffe, die diesen Beruf auslebt, wird für mich sofort ein Vorbild, weil ich bewundere das so, dass man seinen Träumen nachgeht. Man kann diesen Beruf nicht ausüben, wenn man es nicht liebt und wenn man nicht die größte Leidenschaft dafür hat. Ich habe zum Beispiel beim „Glöckner“ mitspielen dürfen im Chor und alle, sowohl die Hauptdarsteller als auch die Ensemble-Leute, habe ich angehimmelt, weil ich dachte mir so „Wowh, ihr macht das, wovon ich träume“:
KiJuKU: Denkst du, dass alle Wünsche wahr werden können und wenn ja, welche Kriterien müssen erfüllt werden? Braucht man da wirklich eine gute Fee oder wie genau ist die Figur der guten Fee im echten Leben?
Emily Fisher: Ich glaube, es müssen nicht einmal alle Wünsche erfüllt werden. Aber im echten Leben braucht man definitiv manchmal eine gute Fee. Das kann eine Freundin sein, die dich aufbaut, wenn du gerade einen tiefen Moment hast, ein Haustier oder ein Lied, das gerade im Radio läuft, und du denkst „O mein Gott, genau dieses Lied habe ich gerade hören müssen“. Dann kriegst du neuen Mut und neue Hoffnung. Ich glaube, wenn man versucht, sich in seinem Leben treu zu bleiben, ehrlich zu sein und nicht aufzugeben, dann gehen die Träume schon in Erfüllung.
Das Interview führte Stefanie Kadlec, 17, die derzeit bei KiJuKU in den Journalismus hineinschnuppert.
Die neue Frisur ist – urkurz und glatt. Die langen zu Zöpfen geflochtenen Haare sind fast allgegenwärtig am und im Schloss. Gleich einmal beim Turm in dem die namensgebende Figur eingesperrt ist und an vielen Wänden und im Bühnenbild der Schluss-Szenen gar als ganze Vorhänge. „Rapunzel – neu frisiert“ heißt die Jubiläumsproduktion des Märchensommers im Weinviertler Schloss Poysbrunn. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… war bei der Premiere (6. Juli 2023), sprach davor mit einigen der Kinder-Darsteller:innen von Zauberblumen und Gnom:innen und konnte/musste – wie der Großteil des Publikums – bei etlichen Szenen wegen des Spiel- und so mancher Wortwitze viel lachen.
Gibt es ein Gebäude, das als Kulisse für ein altes Märchenschloss hergerichtet werden müsste, könnte die Bühnenbauer:innen getrost Anleihe bei dem von Poysbrunn im niederösterreichischen Weinviertel nehmen. Das dachte sich vor mehr als eineinhalb Jahrzehnten auch die Intendantin des Märchensommers und Regisseurin der Stücke (Nina Blum) und pflanzte ihre neuen bzw. neuen – frei bearbeiteten – Märchen-Theaterstücke mit Musik einfach hierher.
Die Mauern weitgehend von Grünpflanzen bewachsen, ein kleines Wäldchen im Garten, Hügel, ein Turm und so weiter. Seit einigen Jahren wird – wegen des großen Andrangs – neben dem Schloss noch ein riesiges Zelt aufgebaut. Auf der dortigen großen (Dreh-)Bühne steigen einige der Szenen – für das gesamte Publikum auf einmal. Denn dazwischen machen sich Zuschauer:innen jeweils mit einer/einem der Protagonist:innen auf interessante Wanderschaft durch Räumlichkeiten des Schlosses wo einzelne Szenen stattfinden. Dazu gilt es auch so manche, teils hohe, Stufen und Stiegen zu überwinden, womit – kleiner Wermutstropfen – das Stationen-Theater allerdings nicht barrierefrei ist.
Ins Zelt geht es nach der ersten Szene, die rund um einen Turm-Balkon startet. Den Turm – und nicht nur diesen, sondern viele Teile im Schloss zieren prall gefüllte zu „Zöpfen“ geflochtene Stoffbahnen. Rapunzel (Patrizia Leitsoni) selbst erscheint aus dem Turmzimmer auf dem Balkon – mit Kurzhaarfrisur. Sie muss immer wieder ihre Haare schneiden und für die „haarfee“ spenden. Und nicht allein, sondern in Begleitung eines grünen, großen Haustieres namens Lucy, einem Chamäleon (Adriana Zartl, bei einigen Vorstellung speilt diese Rolle Veronika Rivó). Onkel Tim (Daniel Ogris) besucht sie, bringt ihr Limonade und Kuchen, säuselt, wie lieb er die Nichte hat, schärft ihr aber ein, weder den Turm zu verlassen noch Besuch zu empfangen.
Da tauchen Prinz Felix (Johannes Kemetter) und sein Pferd (Christian Kohlhofer, manches Mal auch Bernhard Viktorin) auf. Dieses stellt sich als stolzer Ferdinand, der Dritte aus uraltem Lipizzaner-Adel vor und betont obendrein mit Kleiner Onkel, dem bekannten Pferd von Pippi Langstrumpf, verwandt zu sein. Eben frisch lackierte Hufe, kann er den Prinzen aber gar nicht tragen, umgekehrt muss der den Gaul huckepack transportieren – auf der Wanderschaft bettelte er Zuschauer:innen an, dass diese ihn tragen.
Die beiden Duos kommen ins Gespräch. Warum auch immer, hatte sich Rapunzel an Tims strenge Auflagen gehalten, wollte nie selber die engen Mauern jenseits des Balkons verlassen. Selbst das aufmüpfig-freche Chamäleon ließ sich gefangen halten. Da müssen erst die beiden Männer – Prinz und Pferd – daherkommen, um ihr von der Freiheit der Welt vorzuschwärmen und in ihr die Sehnsucht nach Freiheit zu erwecken.
Bleibt ja auch rätselhaft, wieso im Original Rapunzel zwar so starke Haare auf ihrem Kopf hat, dass der rettende Prinz daran hinaufsteigen kann, sie aber nicht selbst an ihrem langen Haar den Turm hinunter klettert.
Wie auch immer: Ab nun – also wenn Rapunzel und Lucy mit Felix und Ferdinand auf Entdeckung der Welt gehen -, passiert Abenteuerliches. Zwei Gnomenkinder entführen den Prinzen und das Publikum muss nun mit der/dem jeweiligen Protagnoist:in – Rapunzel, Chamäleon oder Pferd – auf der Schlosstour herausfinden, wo sich der Prinz befindet und sich bemühen, draufzukommen, wie er befreit und rückverwandelt werden kann.
Viel mehr sei nicht verraten (Text: Michaela Riedl-Schlosser, Musik: Andreas Radovan). Nur so viel, es gibt noch einen bösen Zauberer, eine Gnomin (Gudrun Nikodem-Eichenhardt) und einen Gnom (Tobias Eiselt, der auch große Zauberblume spielt), viele Gnomenkinder, Zauberblumenkinder (bei den vielen Vorstellungen kommen viele verschiedene Kinder dran) – und ein Einhorn (gespielt von der Darstellerin der Gnomin, die übrigens auch alle Liedtexte geschrieben hat). Ach ja, natürlich endet auch dieses neu geschriebene Märchen – nach knapp mehr als 1 ¼ Stunden – happy.
Ziemlich unaufgeregt, gar nicht nervös stellen sich einige der Kinder, die Zauberblumen bzw. Gnom:innen spielen den Interviews mit Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…
Die Gnom:innen, die rund eine Stunde bevor das Stück wirklich anfängt – bei der Premiere halten einige, manche sogar sehr lange Eröffnungsreden – schon voll verkleidet kommen sind in echt Linus (6), Oskar (6), Mattis (7), Finn (5) und die neunjährige Johann. Die spielt in manchen Vorstellungen statt einer Gnomin eine der Zauberblumen. Übereinstimmend sagen alle spontan, „Gnom spielen macht Spaß“. Auf die Nachfrage des Reporters, was an dieser Rolle so viel Freude bereitet, meinen manche „dass wir den Prinzen entführen dürfen“. Das gilt allerdings immer nur für zwei der jungen Gnom:innen. Bei der Premiere durften die beiden erstgenannten jungen Gnomen-Darsteller diese Aufgabe übernehmen. Aber was nicht nur die beiden, sondern auch ihre Kolleg:innen, mit einem Lächeln bis lustvollem Lachen an ihren Rollen unbändigen Spaß macht: „Wir haben einen Spruch, den wir sagen mit Wörtern, die wir sonst nie sagen dürfen.“ Natürlich will Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… den Spruch wissen. Auch wenn er später bei der Aufführung natürlich mehr-, nein vielfach fällt, verraten die fünf Gnom:innen ihn schon jetzt. Und wir ihn hier – auch für jene, die die Aufführung vielleicht gar nicht sehen werden: „Krötenschleim und Furzendreck, Ochsenhirn und Vogelpipi“.
Zwei Valeries (7 und 11 Jahre) und Elsa (noch 6) finden ihre Rollen als Zauberblumen – und damit natürlich auf der Seite der Guten – „viel cooler als die von Gnomen“. Was sie daran besser finden, will daraufhin natürlich der Journalist wissen. „Als Zauberblumen haben wir viel mehr zu tun“, sagen sie fast im Chor. Alle drei sind nicht zum ersten Mal bei einem Stück des Märchensommers im Einsatz, die beiden Jüngeren zum zweiten, die Elfjährige sogar schon zum vierten Mal. Valerie, Valerie und Elsa gefällt an den Zauberblumen aber nicht nur, dass sie mehr zu tun haben, sondern „das Gemeinsame, dass wir alle miteinander tanzen“.
Die Märchenstücke im Schloss strahlen seit einigen Jahren schon auf den ganzen Ort Poysbrunn aus, das sich seit zwölf Jahren „Märchendorf“ nennt. Viele Bewohner:innen haben Märchenfiguren gebastelt, ausgesägt, gebaut und vor die Häuser in den Garten oder auch an den Straßenrand gestellt. Selbst auf dem Weg vom Schloss zum abseits gelegenen Gäst:innen-Parkplatz finden sich zwei – eines für den „gestiefelten Kater“, der Ausgangspunkt fürs nächstjährige Märchen wird, und eine besonders aufwändige Installation zum „tapferen Schneiderlein“ samt sogar altem Nähmaschinen-Tisch in einer offenen Holzhütte.
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Älterer Märchensommer-Bericht, damals noch im Kinder-KURIER
Bevor „Der Stoff, aus dem man Träume macht“ sich in knapp 1 ¼ Stunden dem übertragenen Sinn widmet, präsentiert sich die spätere gleichnamige Vorstellung von Zenith Productions für Theater und Musik sozusagen im wahrsten Sinn des Wortes verträumt-stofflich: Zwischen den Publikumsreihen vor der Holz-Tribüne unter dem großen alten Baum im kleineren Innenhof des Wiener Volkskundemuseums stehen fahrbare Holzteile mit lilafarbenen Stoffen umwickelt, die sozusagen jeweils kleine Zellen bilden.
Das ganze Gebilde wiederum ist von zarten, durchsichtigen gitterartigen Stoffbahnen umhüllt. In diese „Zellen“ begeben sich als es dann wirklich (fast) losgeht, die meisten der Schauspieler:innen, schminken sich dort, führen letzte Aufwärmübungen durch und reden wie sie sonst vielleicht auch vor dem Aufritt bei den letzten Handgriffen an Kostüm und Maske.
Wer sich kurz umdreht, sieht im Eingangsbereich des Museums-Hofes einen gebückten, alten Mann in weitem Mantel mit dickem Buch unterm Arm. Der kommt langsam auf die Menschen unter den Vorhängen zu. Diese öffnen ihre „Verschläge“, wandern mit den fahrbaren Holzteilen in Richtung Bühne. Ebenso der Mann mit dem Buch.
Dieser, Kari Rakkola, von dem das Konzept und die Regie sowie – gemeinsam mit Roland Bonimair – die Bühnenfassung zu dieser Märchenstunde stammt, beginnt aus dänischem Original des Dichters Hans Christian Andersen zu lesen, teils mit Schwedisch gespickt. Und es taucht die verbindende Figur des Abends auf, eine junge Frau in weißem Kleid und nur in Socken – „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen“ (Linda Pichler). Natürlich mit riesigen Streichhölzern in der Hand. Und sonst nichts – bis ihr die sterbende Großmutter (Deborah Gzesh, die wie alle ihre Kolleg:innen mit Ausnahme Pichlers) in gefühlt mindestens ein Dutzend verschiedener Rollen schlüpft), überdimensionale Stoff-Schlapfen überlässt.
Wohlhabendere Bürger:innen, die sie um milde Gaben bittet, wimmeln sie mit häufig gehörten, gängigen ab: „Geb dir nix, das wäre gar nicht gut für dich“, „gemein, dass dich deine Eltern betteln schicken“… – ausgerechnet von jenen werden ihr solche Sätze an den Kopf geworfen, die ihr gerade noch die Schlapfen weggenommen haben! Die schon genannte Gzesh verwandelt sich nun in eine Sängerin, die mit einem bekannten jiddischen Lied über bitterste Armut, die Atmosphäre des Mädchens mit den Schwefelhölzern vom Einzelschicksal auf ein gesellschaftlich verbreitetes Phänomen erweitert.
Das Andersen-Märchen über das Mädchen mit den Schwefelhölzern wird zum Türöffner anderer Märchen. Jedes Mal, wenn die zu ebener Erd auf den kalten Steinen wandernde Schauspielerin ein Streichholz anzündet, öffnen sich oben auf der Bühne zwei der fahrbaren Holzwände. Vinzent Gebesmair, Deborah Gzesh, Kari Rakkola und Karoline Sachslehner spielen Kürzestversionen oder zentrale Szenen eines von mehreren Andersen-Märchens. Dazu zählen die bekannten vom „standhaften Zinnsoldaten“ mit nur einem Bein und natürlich „Des Kaisers neue Kleider“, in dem Betrüger dem aufgeblasenen Herrscher ein Nichts von Gewand als das prachtvollste verkauften, der Hofstaat sich nicht traute, die Wahrheit zu sagen. Das Kind aus Andersen Märchens ist in dem Fall das Mädchen mit den Schwefelhölzern, das „aber der ist ja nackt“ als Einzige zu sagen wagt.
Wie in einigen der Jahre zuvor, in denen Zenith Productions für Theater und Musik diesen idyllischen Hof bespielte – das Museum soll renoviert werden und der Hof damit für einige Jahre nicht zur Verfügung stehen – wird das schauspielerische Geschehen, immer wieder auch mit Stoffpuppen-Szenen, auf und rund um die Bühne mehr als nur untermalt von Live-Musik. Muamer Budimlić spielt praktisch durchgängig atmosphärische Klänge, die von schon genannten jiddischen Liedern über finnischem schamanistischem Rock bis zu Johann Sebastian Bach, Dada und Tango reichen. Und heuer bedient er, wenn er nicht mit Tasten und Knöpfen seines Akkordeons Melodien erzeugt, per kleiner Fernbedienung noch eine „Traummaschine“. Paul Skrepek hatte eine skurrile aus unterschiedlichsten Elementen bestehende fahrbare mechanische Klangmaschine mit Walzen und Nägel, Federn und Blaseblag und noch allem Möglichem gebaut, die klimpert und bläst, trommelt und pfeift – und das Traumthema wunderbar ergänzt.
Der Abend bringt darüberhinau weniger bekannte Märchen – „Der Tannenbaum“, der endlich groß sein will, um ein Schiffsmast oder in dieser Version ein Maibaum werden zu können und sich freut, wenigstens als Weihnachtsbaum gefällt zu werden. Aber bald nach dem Fest aussortiert wird. Rakkola griff auch Motive aus „Ove Lukøje“ (Ole Luk-Oie) auf und baute als einziges Grimm’sche Märchen „Die Sterntaler“ ein.
Letzteres ist die einzige Szene, in der sich das Schwefelholz-Mädchen in eine andere Protagonistin verwandelt – und aus der Armut kommt indem es die vom Himmel fallenden Sterne als Taler auffängt. Als himmlischen Lohn dafür, dass es zuvor als armes Mädchen das letzte Stück Brot mit anderen Armen ebenso teilt, wie Mütze, Hemd und Rock. Während es als Mädchen mit den Schwefelhölzern von Wohlhabenderen ja sogar um die eigenen großen Filzpantoffel gebracht wurde wie oben beschrieben. Mit diesem Bogen entkommt der traumwandlerisch-märchenhafte Abend auch der Gefahr der Romantisierung von Armut, weil das Mädchen ja mit jedem Feuerchen aus einem der Streichhölzer eine neue farbenfrohe Geschichte gesehen hat. Zu sehen – meist rund ums Wochenende bis 23. Juli 2023 – Details, siehe Info-Box unten am Ende des Beitrages.
Lilli Böckl ist elf Jahre, am Tag der Premiere des neuen Marionetten Theaters Schwandorf hilft sie rund um mit, schreibt mit Kreide auf eine kleine schwarze Tafel, was es alles nach dem Stück zu trinken gibt. Vor allem aber fühlt sie sich schon heimisch, weil sie selbst seit rund einem Jahr in manchen Stücken – eben noch nicht in diesem Haus – mitwirken durfte. „Dort wo wir bis jetzt gespielt haben, war’s schon sehr eng, da mussten wir uns ganz schön zusammenquetschen“, freut sie sich im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „dass wir da jetzt mehr Platz haben“. Das gilt für jene, die von oben Marionetten an Fäden führen aber auch für die, die zu ebener Erde von der Seite oder von unten Puppen oder Gegenstände an Stäben bewegen.
Im „Tapferen Schneiderlein“ hat sie Luftballons, die Gegner gegen die der Held kämpft, zerstochen, bei anderen Stücken Herzen bewegt, Kirchturmglocken läuten lassen, Torten auf Servierwägen ins Spiel geschoben… „Du musst dir halt alles genau merken, wann du was machen musst“, verrät sie die Herausforderung. „Am Anfang ist mir manches zu schnell gegangen, aber jetzt kann ich das gut. Vielleicht spiel ich dann später einmal auch mit Puppen in einigen Stücken.“
Am anderen Ende des Altersspektrums taucht nach dem Stück Erika Eichenseer auf. Sie ist 89 Jahre und wird sozusagen von ihrem Puppen-Ebenbild begrüßt, an Fäden geführt von Scarlett Köfner, die auch diese spezielle Puppe gebaut hat. Sie selbst aus einem Kreis von Laienschauspieler:innen und befreundet mit den Pöllmanns erzählt kijuku.at: „Ich hab vor 15 Jahren einen wahren Schatz gefunden – in Regensburg in einem Archiv fielen mir die Originale der von Franz Xaver Schönwerth (1810 – 1886) gesammelten Sagen, Märchen, Kinderreime und -spiele in die Hände. Seither verbreite ich diese Geschichten bei allen möglichen Gelegenheiten, bei fachkundlichen und pädagogischen Tagungen zum Beispiel. Im Gegensatz zu den Grimm’schen Märchen sind die nie verändert und umgeschrieben worden. Und er stammte aus dieser Gegend.“ Und daraus wurde ein Stück, das wenige Tage nach der Eröffnung seine Premiere feierte – und im Sommer wieder gespielt wird.
Compliance-Hinweis: Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wurde vom Marionetten Theater Schwandorf auf die Reise und den Aufenthalt in dieser Stadt eingeladen.
In einem mystisch, meist dunklen Ambiente mit sehr aufwändigem Bühnenbild spielen Schauspieler:innen und solche, die gerade ihre Ausbildung dazu machen das düster, teils Angst machende „Horror-Märchen“ namens „Skriker“ – eine Koproduktion von Yellow Cat Theatre mit der Open Acting Academy-Konservatorium für Schauspiel.
Wenige Tage spielt(e)n 18 Darsteller:innen die rund zweistündige Geschichte im Wiener Theater Arche. Im Schwedischen würde Skriker für Schreien stehen, aber die britische Autorin Caryl Churchill siedelte ihre (vor rund 30 Jahren geschriebene) sehr wandelbare Fee in einer schottischen mystischen Fantasiewelt an, einer Art Jenseits. Und paarte sie mit Märchen- und anderen Versatzstücken – von der Stiefmutter, die Schneewittchen mit einem Apfel vergiften will über Shakespeares Sommernachtstraum mit einem Menschen mit Tierkopf bis zur griechischen Mythologie mit dem Fluss Styx als Grenze zwischen Lebenden und Toten.
In dieser Inszenierung (Regie: Colleen Rae Holmes) – 2017 war eine andere Version im Kosmos Theater zu sehen – wird die titelgebende Figur von drei Schauspielerinnen gespielt, die zeitweise im Trio, sehr oft aber abwechselnd allein und in immer neuen Gestalten in Erscheinung treten: Nadja Kruselburger, Pia Schiel und Matea Novak. Die beiden Hauptfiguren im Diesseits sind Josie (Jasmina Eder) und Lily (Julia Wiehart). Erstere war schon „drüben“ – irgendwie als Sühne für eine böse Tat womit sie sozusagen in den Bann der Skriker gekommen ist. Diese Last will sie abschütteln und auf Lily, die ein Kind erwartet, übertragen.
Der Kampf der beiden – gegeneinander einer- und gegen die Inbesitznahme durch die Jenseits-Feen andererseits – steht im Zentrum des fast zweistündigen, emotional fesselnden Abends, der für so manche Schreckmomente sorgt. Die genannten fünf Darsteller:innen werden von gut einem Dutzend weiterer in vielen kleinen und größeren Rollen ergänzt – manche mit Tierköpfen, dominierend dabei der sehr oft präsente Wachhund aus dem Jenseits (Christian Georgita). Alle einzelnen Rollen, ihre Funktion sowie ihre Darsteller:innen zu nennen, wäre hier vielleicht zu verwirrend – sie alle machen aber erst aus dem doch lange dauernden Stück einen kurzweiligen Abend, ob sie nun nur kurz auftreten, spielen oder tanzen.
Mehr als bemerkens- und erwähnenswert ist allerdings die vielleicht aufwändigste Bühne, die je in diesem Theater – noch dazu nur für wenige Vorstellungen – aufgebaut wurde: Die düstere, mystische Landschaft mit knorrigen Bäumen, Erde und einem kleinen Flusslauf – mit echtem Wasser – und viel Müll. Denn das jenseits, das Reich des Todes winkt nicht nur für individuelle böse Taten, sondern der ganzen Menschheit dafür, wie sie den Planeten zerstört.
Wobei dieses Jenseits, getrennt durch den Wasserlauf, vielleicht auch „nur“ das schlechte Gewissen, die eigenen dunklen Abgründe sind?! Das würde erklären, weshalb Lily beispielsweise verwundert ist über Josie, die von ihrem urlangen Aufenthalt in der anderen Welt spricht, ihre Abwesenheit aber kaum bis gar nicht wahrgenommen haben will.
Nicht „es war einmal“, sondern „es ist jetzt, heute und hier“. Nein, nicht ganz hier, sondern doch auf der Bühne. Doch ein Märchen: Und das spielt 250 oder 300 Jahre – mindestens und genau ist ein immer wieder auftauchender Streit in der Erinnerung von Großvater Öhi – nach dem Original; nachdem Vater und Stiefmutter die Kinder Hänsel und Gretel im Wald aussetzen, weil sie zu Hause nix mehr zu essen haben.
Ach ja, und die alte Geschichte geistert noch in den Köpfen. Achtung, da ist eine Hexe, die Kinder ins Lebkuchenhaus lockt und vernaschen will, mindestens einen, den Hänsel, den sie aber vorher mästet. Also warnen der Großvater und vor allem der Jäger Jörg die Kinder, ja keinesfalls in den Düsterwald zu gehen.
Und natürlich reizt das Verbot. Die aufgeweckte Gretel will’s wissen. Was ist da wirklich im düsteren Wald und gibt es diese Hexe überhaupt und wenn ja, wie ist die?
Das ist die Ausgangsgeschichte für „Hänsel und Gretel – Ding Dong! Die Hex ist tot!?“ aus der Reihe „Classics for Kids“ des Wiener Rabenhoftheaters in Kooperation mit dem Theater der Jugend. In einer Bühne (Thomas Garvie) die an Teile aus einem Ausschneidbogen erinnern, und aus (fast) zweidimensionalen Elementen eine 3D-Welt erschaffen, die mit wenigen Handgriffen und Drehungen sich verwandeln lässt – wobei Licht und Musik und Geräusche (Josch Russo) stark unterstützen, erleben wir (fast) zwei kurzweilige, phasenweise doch recht gruselige Stunden (eine Pause).
Die sehr aufgeweckte, selbstbewusste starke Gretel (Elena Hückel), animiert, überredet, naja ehrlicherweise drängt sie ihren ängstlichen Bruder (Jakob Schmölzer) zum Abenteuer in den Düsterwald. Ingo Paulick gibt zum Gaudium des Publikums einen eher dümmlichen, dafür umso großsprecherischen Jäger und Bernhard Majcen im ersten Teil den besorgten, aber irgendwie auch schon vergesslichen Opa, im zweiten Teil – und auch schon knapp vor der Pause – vor allem die Hexe mit furchterregender Maske (Lisa Werner, Kostüme: Valentina Mercedes Obergantschnig). Die mutige Gretel will der Sache aber auf den Grund gehen, glaubt nicht an die Hexen-Geschichte, vor allem nicht, dass die so böse sei, empfindet eher Mitgefühl mit der alten, einsamen Frau, die schon ewig so allein und abgeschieden lebt. Doch wehe, sie sagt „liebe Hexe“, schon schleudert ihr die ein heftiges: „Ich bin NICHT lieb!“ entgegen.
Natürlich bleibt’s nicht dabei. Die Empathie der Gretel kann den Panzer der Hexe doch – zumindest ein wenig knacken. Und die Moral von der Geschichte: Glaubt nicht allen Gerüchten, die so verbreitet werden, auch wenn „alle“ davon sprechen. Und grenzt nicht aus, nur weil ihr wen für hässlich findet…
In der dieser Schiene im Rabenhoftheater üblichen witzigen Art (Buch und Regie: Roman Freigaßner-Hauser), diesmal aber weniger „draufdrückend“ zerlegt das Stück sozusagen einen alten Mythos und bringt ihn in aktuellen Zusammenhang – siehe den vorherigen Absatz; und das, ohne krampfhaft zu wirken. Damit reiht sich diese „Hänsel und Gretel“-Version ein in eine Reihe unterschiedlicher Kindertheater-Stücke und -bücher, die vor allem den in vielen Märchen „verteufelten“ Wolf von seinem bösen Ruf befreien (wollen) – siehe Links unten zu Wolf-Stück- und -Buch-Besprechungen.
Musical-gegen-vorurteile -> damals noch im KiKU
Wolf-oder-nicht-wolf -> auch noch im KiKu
Wenn-der-wolf-dann-doch-nicht-vegan-isst -> ebenfalls im KiKu
Schneekaeppchen-und-der-froschwolf/ -> KiKu
Klein-wolf-wird-schaf -> auch noch im Kinder-KURIER
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