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Szenenfoto aus "Liebe üben"

Der akrobatischste Kuss ever

Zwei rote Klapp-Sessel, ein hoch hängender Kleiderhaken mit weißem robenartigem Kleid und ein Laptop (Ausstattung: Ria Papadopoulou), über den Musik und aufgenommene Interviews abgespielt werden – da reicht den beiden Darsteller:innen für eine berührende, witzige, von Auf und Abs gekennzeichnete sehr tänzerische Performance mit nicht allzu vielen Worten über eines der größten, vielbesungenen und oft doch recht komplizierten Gefühle.

Mit „Liebe üben“ starteten Nora Vonder Mühll und Ives Thuwis den ersten Teil einer Trilogie im Rahmen der internationalen Gastspiele beim erstmals ausgetragenen Slup-Festival für vor allem jugendliches Publikum. Dafür haben sich die Theaterhäuser Dschungel Wien, WuK-Kinderkultur, Burgtheater und NEST (Neue Staatsoper im Künstlerhaus) zusammengetan (nicht ganz drei Wochen bis 23. März 2025).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Liebe üben“

Kinderstimmen

Möglicherweise wahre Gefühle der beiden vor allem zueinander – und viele gesammelte Aussagen von Kindern aus der Schweiz, Österreich, Liechtenstein und Deutschland als Audiodateien, aber auch vorgelesenen Briefen – bildeten die Basis für getanzte und hin und wieder gesprochene Gefühle der Annäherung, des Zweifels dabei, des schüchternen bis dezidierten sich Zurückziehens. Vom Gegensatz bis zu synchronen Bewegungen, von Nähe trotz Distanz, wenn sie miteinander per Stöckelschuh von einem zum anderen Ende der Bühne „telefonieren“.

Alles ist ja gefahrlos, denn sie „üben“ ja nur Liebe, spielen Gefühle auf der Bühne, um sich die Gefahr echter Gefühle – samt möglichen Enttäuschungen – zu ersparen. Vor allem Nora Vonder Mühll will das probieren, habe sie sich doch beim ersten Aufeinandertreffen vor Jahrzehnten in Yves Thuwis verliebt. Der aber war damals schon mit einem Mann verheiratet. Wie umgehen damit, dass jemand verliebt ist in einen anderen Menschen, der in einer Beziehung ist, wie reagieren, das sagen oder nicht? Die beiden wenden sich dabei und an anderen Stellen mit ihren Fragen auch ans Publikum, fangen dort Antworten ein.

Ach ja, das Kleid – ein Hochzeitskleid. Ausgehend von Kinder-Aussagen zum Heiraten schlüpft einmal sie, dann wieder er in dieses. Es wird aber auch zu einem großen Stoffballen, unter dem das Gesicht verhüllt werden kann oder zu einem Baby.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Liebe üben“

Sesselbarriere und komplizierter Kuss

Tänzerisch, ja akrobatisch liefern die beiden zwei Highlight-Momente: Einmal versucht sie sich ihm anzunähern, obwohl der zusammengeklappte Sessel, den er um den Hals trägt, eine rein physisch fast unüberwindbare Hürde darstellt. Nur noch übertroffen von einem minutenlangen Kuss mit tänzerischen Bewegungen und Verrenkungen über die ganze Bühne, Drehungen, Wendungen, liegend, sitzend, stehend – ohne die Lippen voneinander zu lassen – dafür gab’s Szenenapplaus. Und gleich danach eine Kinderstimme aus dem Lautsprecher des Laptops, Zuschauen Küssender in der Öffentlichkeit ekelig zu finden 😉

Auch wenn in dieser Stunde „nur“ geübt wird (Regie: Hannah Biedermann), so verströmt die Performance tiefe Gefühle – übrigens auch des Gegenteils, denn einige Minuten lang „üben“ die beiden auch Trennungen.

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Zu einer Stückbesprechung des zweiten Teils dieser Trilogie geht es hier unten

Aus den Bildern tanzen, hier von Andy Warhol & Jean-Michel Basquiat

Wenn Andy Warhol und Marily Monroe aus ihren Bilderrahmen tanzen

Weiße Papierbahnen liegen auf dem Boden vor Bildern von Jean-Michel Basquiat und Andy Warhol. Letzterer scheint sogar himself auferstanden zu sein – zumindest erweckt die graue Perücke diesen Eindruck. Nun sitzt der junge Mann auf einem der fünf Sessel vor den Bildern. Neben ihm erinnert eine junge Frau mit ihrer Perücke an eines der Warhol-Bilder an der Wand, an Marilyn Monroe.

Die beiden setzen sich in Bewegung, tanzen auf den Papierbahnen. Noch tauchen sie bei dieser Probe jeweils einen ihre Schuhe nicht in die Schüssel mit eingefärbten Schwämmen. Dies werden sie – wie drei weitere ihrer Kolleg:innen aus den Tanzstudios des Kultur- und Bildungsvereins „Ich bin O.K.“ – wohl bei den drei Aufführungen hier im Heidi-Horten-Museum in der Wiener Innenstadt Ende Jänner nahe der Oper tun.

Ihre Tanzschritte ergeben dann ein buntes Muster auf dem Papier. Damit nehmen sie ein – vielleicht gar nicht so leicht auffallendes Detail aus dem großen Bild Collaboration (1984/85) der eingangs genannten bildenden Künstler auf. Wobei die fast unscheinbaren Spuren von Schuh-Abdrücken dort eher wirken, als wäre damals wer achtlos über eine Ecke des Kunstwerks, das offenbar auf dem Boden lag, drüber gegangen.

Kunstwerke regen an

Die Tänzer:innen und Choreograf:innen des inklusiven Studios, das übrigens seinen Sitz in jenem Hof hat, in dem auch dieses Museums liegt, ließen sich von mehreren Kunstwerken auf allen Ebenen der Collection inspirieren und tanzen sozusagen aus dem Rahmen. Wobei so manche der Kunstwerke gar nicht in Rahmen hängen 😉

Station 2 etwa sind bunte runde Scheiben, die von Licht bestrahlt Schatten an die Wände werfen und gleichzeitig spiegeln (Olafur Eliasson, Your Welcome Reflected, 2003). So ruhig wie sich die von der Decke hängenden Scheiben hin und wieder langsam leicht drehen, so bewegt bewegen sich die Tänzer:innen – meist eng an den Wänden entlang.

Einige der Tänzer:innen aus den einzelnen Gruppen, die rund um, zwischen oder vor den Kunstwerken agieren, lösen sich am Ende der jeweiligen etwa zehnminütigen Performances und dienen – wortlos, „nur“ durch ihre Bewegungen als Guides für das Publikum zur nächsten Station – auch über die Stufen zur folgenden Ebene.

Disco-Kugeln, Breakdance, bunte Schatten

Tänze rund um große Discokugeln (John M Armleder, Global Domes XII, 2000) mit kleinen solcher glitzernden Kugeln, Breakdance aus der Dunkelheit zum Licht (Tony Oursler, Talking Light, 1996/2014) bzw. meist fast zeitlupen-artige tänzerische Bewegungen, die bunte Schatten werfen (Olafur Eliasson, Your Uncertain Shadow (colour), 2010) sind weitere Stationen der insgesamt rund 50-minütigen Performance. Diese wird Ende Jänner drei Mal in diesem Museum aufgeführt – zu vielfältiger Musik, weniger bekannter und große All-Time-Hits wie Monroes „I Wanna Be Loved By You“ oder „Staying Alive“ von den Bee Gees – Details siehe Info-Box.

Die anderen Museen und Sammlungen, die „Ich bin O.K.“-Tänzer:innen und ihre Choreograf:innen inspirierten, hängen im Theater Museum, im Belvedere, in der Albertina Modern, der Galerie Westlicht und eben der Heidi Horten Collection, in der diese Reportage gemacht werden durfte.

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Szenenfoto aus "Valse, Valse, Valse"

Kreativ und verspielt rund um DEN Wiener Tanz der Tänze

„Alles Walzer”, sind die bekannten Worte nach der getanzten Choreografie bei großen Bällen. Derselbe Tanz eröffnet in Österreich das neue Jahr – zu den Klängen des der „blauen Donau“ gewidmeten Musikstückes von Johann Strauss (Sohn). Diesem Komponisten ist das ganze Jahr 2025 (anlässlich der 200. Wiederkehr seines Geburtstages) mit unzähligen Veranstaltungen gewidmet – Ausstellungen, Konzerte, sogar ein Escape-Room (im MuseumsQuartier) – hinein in den Strauss-Kopf und wieder aus seinen (möglichen) Gedanken. Und natürlich Musiktheater. Und dies nicht nur in Operetten-„Seligkeit“.

Die erste ungewöhnliche Strauss-Musik-Performance machte schon den Auftakt zum Jahreswechsel mit „Countdown feat. Martin Grubinger Superband“. Der weltberühmte österreichische Schlagzeuger und Percussions-Künstler arrangierte den Donauwalzer neu – um ihn auf dem Wiener Rathausplatz ab Mitternacht mit 100 Menschen, die sich im Vorfeld gemeldet hatten, gemeinsam zu musizieren.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Valse, Valse, Valse“

Verspielt rund um die Hintergründe

Das erste Stück für ein junges Publikum spielte sich im Theaterhaus für junges Publikum, dem Dschungel Wien im MuseumsQuartier, ab: Ein Gastspiel aus der Schweiz unter dem Titel „Valse, Valse, Valse“, sozusagen dem französischen Gegenstück zu „Alles Walzer“. Hin- und mitreißend dreht sich in der einstündigen Aufführung aber gar nicht alles um Walzer. Vielmehr bildet dieser Tanz, in den Anfängen eher von kirchlichen und anderen Obrigkeiten verpönt, weil zu viel Nähe und auch Ausgelassenheit erlaubend, ja viel mehr noch erfordernd, den durchgängigen Hintergrund für Lebensfreude, aber auch Spiel mit (Geschlechter-)Rollen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Valse, Valse, Valse“

Klischees auseinandergetanzt

Die herr-schenden Vorgaben für Führung und mitmachendem Dreinfügen werden von Simea Cavelti, Neil Höhener, David Speiser und Momo Tanner bald durchbrochen. Männer tanzen mit Männern, die als Röcke bzw. Hosen angedeuteten Reifröcke bzw. entsprechende kurze Hosenbeine (Kostüm: Diana Ammann) wechseln fast fliegend ihre Benutzer:innen. Mal schlüpft eine der Tänzerinnen in die Rolle der Monarchin, vor der die anderen drei knien oder sich gar zu Boden werfen. Dann wieder verwandelt sich das Quartett mittels pastellfarbenen, fast monströsen Perücken in Hofdamen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Valse, Valse, Valse“

Live-Musik

Und während die vier oder manchmal auch nur einige davon auf der Bühne tanzen und ihre immer wieder auch übertriebenen und damit witzig wirkenden Bewegungen in einem großen hoch hängenden ovalen Spiegel neue Perspektiven eröffnen, spielen live die Musiker:innen Joachim Flüeler (Cello), Marie Jeger (Bratsche) sowie Sebastian Loetscher (Geige). Die Musik ist bei Weitem nicht nur von Strauss, auch nicht nur von seinen Brüdern oder seinem Vater. Xenia Wiener (musikalische Leitung) hat klassische tanzbare Musik teils neu arrangiert – mit vielen Tempowechseln.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Valse, Valse, Valse“

Unterschiedliche Formationen

Das Streich-Trio – wobei die Musiker:innen ihre Instrumente manches Mal auch zupfend oder percussionierend spielen – ist aber mehr als nur Begleitung. Zusammen- und Wechselspiel mit den Tänzer:innen (Choreografie und künstlerische Leitung: Johanna Sofia Heusser) kennzeichnen die beschwingte, teils schräge, stellenweise witzige Performance. In einer Szene legt Marie Jeder ihre Bratsche zur Seite und reiht sich ein in die Tanzrunde. Apropos Runde, die vier Tänzer:innen zelebrieren den ¾-Takt in unterschiedlichsten Gruppen-Konstellationen – zu viert in verschiedenen Formationen – als Reihe, Runde, Viereck…

Wie vertraut die vier Tänzer:innen unter- und miteinander agieren zeigt die – phasenweise schon befremdliche – Szene, in der sie Kaugummi von- und miteinander aus ihren Mündern teilen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Valse, Valse, Valse“

(Zu) viele Enden

Ein bisschen schwierig gestaltet sich das Ende – in den letzten zehn Minuten wirken mehrere Szenen so, als würden sie den Abschluss bilden, bei der Wien-Premiere lud eine davon dann auch einen Gutteil des Publikums zum Schluss-Applaus ein. War aber nicht so (Dramaturgie: Fiona Schreier, Johanna Hilari).

Fledermaustag

Zu erleben ist „Valse, Valse, Valse“ nun noch bis einschließlich 9. Jänner, eine Wiederaufnahme erfolgt Anfang April rund um den „Fledermaus“-Tag – dem Jahrestag der Uraufführung der bekannten Strauss-Operetten. Da spielt sich – nicht nur, aber vor allem im MuseusmQuartier – vieles rund um Fledermäuse ab – von „flatterhaften“ Trickfilmen, die Kinder im Zoom Kindermuseum produzieren können über eine einschlägige Biodiversitäts-Show bis zur Premiere von „Fledermäuse“, der neuesten Produktion des Performance-Kollektivs „schall und rauch agency“ im Dschungel Wien.

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Szenenfoto aus "Schimmer" von VRUM performing arts collective

Eintauchen in eine weiche, anregende, klingende Polster-Welt

Sanfte Gesänge mit ein wenig Musik (Kaja Włostowska), eine mehr als heimelige Atmosphäre auf dem Teppich unter einer Art offenem Zelt, Unmengen von Pölstern in unterschiedlichsten Formen. Manche von ihnen – halbmond- oder riesenkipferl-förmig – leuchten sogar. Ein Berg an länglichen und anderen Pölstern beginnt sich zu bewegen. Hände, Arme, Füße, Beine wursteln sich daraus hervor. Nein, nicht wursteln, sie tanzen aus dem Kissen-Unviersum. Sanja Tropp Frühwald und Gat Goodovitch Pletzer werden aus diesem Haufen „geboren“, beginnen erst liegend zu tanzen, richten sich zunehmend auf. Viel zu schauen, zu hören, zu spüren, zu fühlen. Die jungen, jüngsten Kinder staunen, nach und nach machen sich einige – krabbelnd oder gehend – auf in Richtung der einen oder anderen (Leucht-)Pölster.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schimmer“ von VRUM performing arts collective

Kaja Włostowska bringt mehr und mehr Musik ins Spiel, von Glocken bis zu einem großen Metallophon, selbst das Kostüm von Gat Goodovitch Pletzer klingt, sind doch auf ihrem Oberteil viele metallene Buttons angebracht (Raum und Kostüme: Pia Greve). VRUM performing arts collective bringt mit „Schimmer“, derzeit im Dschungel Wien, nach „Baja Buf“ und „The Milky Way“ die dritte interaktive Performance für ein sehr junges Theaterpublikum auf die Bühne.

Im nunmehrigen – ½ bis 2 Jahre – tauchen die jungen und jüngsten Kinder wie von selbst in diesen weichen, wohligen Kosmos ein, den viele von ihnen nach und nach entdecken, erobern, mit Pölstern ebenso spielen wie mit den Performerinnen bzw. mit anderen Kindern oder erwachsenen Besucher:innen, die sich auf dieses und das Spiel miteinander einlassen.

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Szenenfoto aus „Schimmer“ von VRUM performing arts collective

„Schimmer“ (Konzept & Regie & Choreografie: die beiden Tänzerinnen plus Till Frühwald) spielt sich übrigens im Rahmen des mehrtägigen Schwerpunkts „Verkörperte Verbindungen“ im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum i Wiener MuseumsQuartier, ab. „Fachleute aus den Bereichen darstellende Kunst, frühkindliche Pädagogik, Psychologie, Neurowissenschaften und Interessierten“ sind bis 1. Dezember 2024 eingeladen, „in die Welt des Tanzes und der sinnlichen Erfahrung einzutauchen“ – mehr dazu, siehe Infobox.

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Über baja-buf <- damals noch im Kinder-KURIER

Screenshot aus einem Video von "Unisono" in der Neuen Bühne Villach

Die Woche des Sterne-Festivals

Nach knappen kompakten Reden in der Neuen Bühne Villach auf dem Rathausplatz neben dem kleinen, temporären öffentlichen Eislaufplatz der Draustadt, begeisterten vier Tänzerinnen, eine davon relativ kurzfristig eingesprungen, bei der Eröffnung des 18. Stella-Festivals. Stella sind die  Preise für herausragende Stücke und (Einzel-)Leistungen im Theater für junges Publikum, erfunden, ausgeschrieben und organisiert von der Österreich-Sektion der internationalen Kinder- und Jugendtheatervereinigung ASSITEJ.

Screenshot aus einem Video von
Screenshot aus einem Video von „Unisono“ in der Neuen Bühne Villach

Mitreißende Eröffnungsproduktion

Die mitreißende Tanzperformance „Unisono“ von makemake produktionen ist eines der vier nominierten Top-Stücke für Jugendliche. Alles dreht sich in dieser Stunde um Gleichklang, ums Miteinander, aber auch das Suchen der Eigenständigkeit in dieser Gemeinsamkeit. Was – wie jede und jeder aus eigner Erfahrung kennt, nicht immer einfach ist. Die vielen Facetten dieses „unsiono“ performen die Choreografin der Show Martina Rösler selbst gemeinsam mit Steffi Wieser, Barca Baxant, die immer wieder auch zum Mikrophon greift und (sprech-)singt (Text: Theresa Seraphin) und für alle Besucher:innen überraschend Maartje Pasman. Sie sprang für den einzigen Mann in der Produktion, Kajetan Uranitsch, ein, weil der gleichzeitig mit „Pixelzimmer“ von der Kompanie Freispiel in Wien spielte. Die ist übrigens als herausragendes Kinderstück für Stella nominiert.

Screenshot aus einem Video von
Screenshot aus einem Video von „Unisono“ in der Neuen Bühne Villach

Kraft, Perfektion, Spaß

Dass Pasman eingesprungen ist, fällt gar nicht auf – sie ist eine junge, perfekte Tänzerin und immer wieder auch Akrobatin (in anderen Stücken). Sie versprüht Kraft und Lust, Spaß an ihrer Rolle als Teil des Quartetts, die natürlich doch wie auch ihre drei Kolleginnen Freude daran hat, aus der (kleinen) Masse auszubrechen.

Pasman ist übrigens gemeinsam mit Futurelove Sibanda und Joseph Tebandeke für ihre darstellerische Leistung in KINGX&QWEENS (Koproduktion von Unusual Beings, Dance Revolution East Africa und Dschungel Wien) bei Stella für herausragende darstellerische Leistung / Ensembles nominiert.

Anja Sczilinski, Vorstands-Vorsitzende der Assitej-Austria eröffnet das 18. Stella-Festival in Kärnten, in der Neuen Bühne Villach
Anja Sczilinski, Vorstands-Vorsitzende der Assitej-Austria eröffnet das 18. Stella-Festival in Kärnten, in der Neuen Bühne Villach

Überblick

Hier unten geht’s zu einem Vorausbericht, als die Jury – Barbara Carli, Helen Isaacson, Götz Leineweber und Danielle Strahm-Fendt – vor mehr als einem halben Jahr die insgesamt 24 Nominierungen aus 126 besuchten Produktionen – in 5 Kategorien bekanntgegeben hat. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hat viele der Stücke ebenfalls gesehen und besprochen, darunter auch „Unisono“ in der anderen Besetzung; und all die sind in dem Bericht hier unten verlinkt.

Sonderpreis

Der Vorstand der ASSITEJ Austria vergibt – unabhängig von der Jury – jedes Jahr auch einen Sonderpreis an Einzelpersönlichkeiten. In diesem Jahr fiel die Wahl auf Nadja und Martin Brachvogel mit ihrer Theatergruppe „follow the rabbit“ – Link zu einigen der Stückbesprechungen von KiJuKU.at und davor schon im Kinder-KURIER ebenfalls unten verlinkt.

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Compliance-Hinweis: Zur Berichterstattung vom Stella-Festival wurde KiJuKU.at von der ASSITEJ-Austria eingeladen.

Über das STück „Mongos“ <- damals noch im Kinder-KURIER

Stückbesprechung von „Der kleine hässliche Vogel“ <- auch noch im KiKu

Szenenfoto aus "Hope"

Eine Stunde im Theater, die Mut und Hoffnung macht

Kriege – die bekannten in der Ukraine, im Nahen Osten und so manch andere kaum (mehr) wahrgenommene, etwa in Syrien (mittlerweile 13½ Jahre), Jemen, Sudan…; Klima-Katastrophen, die sich auch immer näher kommend, häufen – zuletzt Valencia in Spanien, davor halb Niederösterreich – Jahrhundert-Hochwasser spielen sich schon rund alle zehn Jahre ab; Wahlen, die einen verurteilten Straftäter zum triumphalen Sieger machen, hetzerisch-rassistische Parteien sehr viele bis hin zu den meisten Stimmen bringen – ollas oa… Katastrophe. Hoffnungslos.

Und das lähmt erst recht. Zahlt es sich überhaupt noch aus, irgendwas zu tun? Aktiv zu werden?

Appelle – an andere, an sich selbst oder Allerweltssprüche wie „die Hoffnung stirbt zuletzt“ helfen da meist recht wenig bis genau gar nix.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Hope“

Beispielgebend

Mut machen und Hoffnung geben am ehesten noch konkrete Beispiele, wo Menschen tatsächlich in einem gewissen Bereich etwas zum Positiven verändern können. Für andere, aber auch für sich selbst, um aus Lethargie rauszukommen, aus dunklen Löchern ins Licht zu klettern… Und genau das ist der Hintergrund für „Hope“, eine performative Installation mit Hoffnungs-Chor, der „schallundrauch agency“. Die ist – von den Profi-Performer:innen mit Gäst:innen, die genau dies verkörpern – derzeit (bis 16. November 2024) und dann in der letzten Schulwoche im Juni 2025 im Dschungel Wien zu sehen, nein erleben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Hope“

Stationen, Ausstellung, Performance

Die eine Stunde – eigentlich zu kurz, das der Kritikpunkt an der Produktion! – bietet einerseits eine Art interaktives Museum. In verschiedenen Stationen zeigen, erklären, berichten die Gäst:innen über eigene Projekte. Oder du kannst auf Tafeln hoffnungsvolle und gegenteilige Bilder malen bzw. dich von einem der Gäste bemalen, also schminken lassen. Hendrik Renneberg schreibt seine universitäre Abschlussarbeit über „performative Ansätze in der Bildung“ – und kam so zum Projekt – mit witzigen performativen Fotos und eben einer Schminkstation.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Hope“

Medikament gegen Bienenkrankheit

Einer, der am Ende der Performance zunächst als DER Hoffnungsträger auftritt ist Lorenz Hinterplattner. Er präsentiert an seinem Stand Honigwaben und Utensilien aus der Imkerei. Der 22-Jährige frönt dieser Leidenschaft – und das längst professionell. Und weiß auch um eine weit verbreitete Bienenkrankheit, die amerikanische Faulbrut. Da müsste es doch ein Gegenmittel geben – idealerweise auf pflanzlicher Basis. Ein solches fand er – und gemeinsam mit zwei Kolleg:innen entwickelte es das Trio bis hin zum praktischen – erfolgreichen – Einsatz mit Notfall-Zulassungsverordnung. Damit gewann das Trio vor zwei Jahren die Kategorie Science bei Jugend Innovativ und anschließend beim internationalen Bewerb EUCYS einen Spezialpreis – KiJuKU hat damals berichtet, Links unten am Ende des Beitrages. Das Medikament wird nun großflächiger eingesetzt – weiterhin über die Notfallzulassung, aber Amts-Tierärzt:innen können für ihren Wirkungsbereich dies damit zum Einsatz freigeben.

Tanz

Hatte die Kerngruppe von schallundrauch agency – René Friesacher, Michael Haller, Janina Sollmann, Gabriele Wappel, Sara Wilnauer-Leitner, Hannah Zauner – neben den Einzelpräsentationen von vornherein auch gemeinsame performative Auftritte geplant, so veränderten die sich in der Zusammenarbeit mit den sieben Gäst:innen. Unter anderem war ein gemeinsamer Chor geplant – den gibt’s nun. Im Stile von Gospel-Songs singen alle 13 miteinander Wörter wie Apokalypse, Algorithmus, Liebeskummer, Depression, um anschließend in die Hoffnungs-Hymne John Lennons „Imagine“ einzustimmen. „Doch die Gäst:innen wollten auch tanzen“, verrät Janina Sollmann, künstlerische Co-Leiter der seit mehr als 20 Jahren aktiven Performancegruppe Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Und so gibt es nun auch eine intensive gemeinsame Tanz-Choreo.

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Szenenfoto aus „Hope“

Von 14 bis 68

Tänzerisch treten aber auch drei der Gästinnen auf. Da ist die Allerjüngste der „Hope“-produktion, die 14-jährige Sophia Valentina Gomez Schreiber, die schon vor vielen Jahren noch als Kind in einer der Produktionen von schallundrauch agency mitwirkte. Nun zelebriert sie einen Schattentanz – ihr Tanzpartner (René Friesacher) muss alle ihre Bewegungen als Schatten nach- und mitmachen. Im Stationenbetrieb tüftelt sie an Mathe-(Schul-)arbeiten – ihrem schulischem Angstfach.

Am anderen Ende der Alters-Skala legt Giti Aghelmanesh-Sommer ein Tanz-Solo in einem der Studio-Räume hin – mit dem Geständnis, dass die 68-Jährige zuletzt vor 50 Jahren getanzt hat. Dass sie eine bewegte, nicht immer leichte Geschichte hinter sich hat, vermittelt ihr ein Satz, den die schon genannte Sollmann dann aufgreift und zu einem kleinen chorischen Auftritt erweitert: „Verlust zerreißt dir das Herz“. Ferner schreibt „die Giti mit einem T“ in großen persischen Schriftzeichen Zeilen aus dem Gedicht Adams Kinder aus dem „Rosengarten“ (Golestān) des Poeten Saadi (1210 – 1290).

Dritte Tänzerin ist Antonia Bögner, die sich wie sie sagt, „stark für Inklusion einsetzt“ und seit etlichen Jahren bei „Ich bin O.K.“ in Kursen und bei Bühnenauftritten tanzt. Zu einem KiJuKU-Interview mit Antonia Bögner am Rande der Proben für eine der „Ich bin O.K.“-Produktion geht es in einem Link am Ende dieses Beitrages.

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Szenenfoto aus „Hope“

Zukunftsmusik

„Zukunftsmusik“ spielt Morteza Mohammadi mit einer tönernen kleinen Pfeife, aber auch herbstblättern und Rindenschnitzeln, die er über einem Ventilator tanzen lässt. Ein großes Becken mit Sand, in das die Besucher:innen sozusagen „zeichnen“ können, neben seiner Musikstation symbolisiert die ufer, die er, dessen Familie aus Afghanistan im Iran Zuflucht gefunden hatte, von dort über die Türkei und Griechenland nach Österreich flüchten konnte.

Schließlich sing noch Jan Pisar, Verkäufer der Straßenzeitung „Augustin“, ein südmährisches Lied, in das seine Kolleg:innen – ob Gäst:innen oder Profis – einstimmen.

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Szenenfoto aus „Hope“

Hope-Songs von Schüler:innen

Weitere Ausstellungsobjekte, auch solche zum Weiterlesen – Bücher u.a. „Frau Leben Freiheit“ von Marjana Satrapi, Graphic Novel über den Widerstand im Iran gegen die Diktatur ausgehend vom Mord an der kurdisch-iranischen Studentin Jina Mahsa Amini vor zwei Jahren, Exemplare des Augustin, aber auch der Zeitschrift „andererseits“, Magazin von Journalist:innen mit und ohne Behinderung, sowie ein Holz-Drahtfigur „goat of hope“ (Ziege der Hoffnung) UND nicht zuletzt über Kopfhörer zu genießende „Songs of Hope“ von Schüler:innen der BASOP /BAfeP (BildungsAnstalt für Sozial- und ElementarPädagogik).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Hope“

Nicht allein

Gerade letztere zeigen – vor allem auch neben dem Bienen-Medikament, dass auch schon sehr junge Menschen viel konkret Positives, Hoffnung gebenden bewirken können. Und so bringt auch DER oben genannte Hoffnungsträger ein Plakat auf die Bühne mit dem von John Lennons „Imagine“ ausgeborgten Satz: „But I’m not the only one“ (Aber ich bin nicht der einzige).

Eine Stunde Theater, die – angesichts der Nachrichtenlage – dennoch Hoffnung macht!

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Szenenfoto aus "Ottos Mops" von Theater.Nuu inspiriert von Ernst Jandls gleichnamigen Gedicht

15 berühmte Gedichtzeilen in einer verspielten, witzigen Performance

So lustvoll, lustig und verspielt kann Lyrik sein. Was der Ernst Jandl (1. August 1925 – 9. Juni 2000) in 15 sprachverspielten Zeilen einst dichtete, das setzen die Tänzerin Emmy Steiner und die Musikerin Mona Matbou Riahi rund eine ¾ Stunde lang in Szenen um. „Ottos Mops“, das vielleicht bekannteste und auch für Kinder oft verwendete Gedicht Jandls beginnt damit, dass ein Hund dieser sehr charakteristischen Rasse in Zeile zwei trotzt. Und gegen Ende, in der vorletzten Zeile kotzt.

Mops trotzt

Die Musikerin, sozusagen Frauerl dieses Hündchens betritt den mit hölzernen Parkettstreifen ausgelegten Boden samt Holz-Möbel der Bühne (Ausstattung: Michael Haller, Laura-Lee Jacobi) – in der Hand ein Einkaufssackerl und eine uuuurlange Leine. Nur der Hund daran kommt – noch nicht. Der hat seinen eigenen Auftritt. Ist eigen- und selbstständig und pfeift auch auf die geworfenen Spielsachen. Apportieren ist unter seiner Würde. Was Frauerl da will???!!!

Gemeinsam musizieren und tanzen

Aus diesen anfänglich gegensätzlichen Rollen – zum Gaudium (nicht nur) des (sehr) jungen Publikums (angegeben ab 3 Jahren) – wird bald ein gemeinsames tänzerisch und musikalisches Spiel. Stofftiere geben Geräusche von sich, wenn sie gedrückt werden, Einzelne Luftballon-Würste einer ganzen in die Höhe ragenden Kette werden zum Dirigierstab der Musikerin, die oft auch Klarinette spielt. Oder mit Trommel-Schlegel ein hölzernes Regal sowie ein Riesentrommelartiges Holzgestell zu Percussions-Instrumenten umfunktioniert.

Alle Details seien nicht verraten – auch nicht was sich abspielt, um die angesprochene vorletzte Gedichtzeile zu spielen.

Das Gedicht selbst ist kaum zu hören

Gegen Ende wird das ganze berühmte Gedicht, das dieser Performance von Theater.Nuu (Regie & Stückentwicklung: Sarah Gaderer – letzteres gemeinsam mit den beiden Akteurinnen auf der Bühne) auch den Titel gab, gesungen. Allerdings sind leider nur Bruchstücke der lyrischen Erzählung gut zu verstehen.

Daher hier das ganze Gedicht

ottos mops
ottos mops trotzt
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso

otto holt koks
otto holt obst
otto horcht
otto: mops mops
otto hofft

ottos mops klopft
otto: komm mops komm
ottos mops kommt
ottos mops kotzt
otto: ogottogott
Zitiert nach: lyrikline -> ottos-mops

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Foto zu "Cinello Glockenhell"

Musikalisch-tänzerische kuschelweiche Bilderbuchwelt

Sanft, verspielt schickt Antonia Ortner mit vorsichtigen Berührungen der Saiten ihres Hackbretts mit den fast filigran wirkenden Schlägeln Töne in den Raum als das Publikum diesen überhaupt erst betritt. Meist sind es sehr junge Kinder, die an der Hand oder auf dem Arm von Erwachsenen hierher auf Bühne 3 des Dschungel Wien gebracht werden. Manche der Kinder fühlen sich von den weich ausschauenden Stoffen, Pölstern usw. in pastelligen Farben so angezogen, dass sie die Bühne gleich für sich erobern wollen (Ausstattung: Nina Ball, Michael Haller). Was allerdings erst für nach der Vorstellung vorgesehen ist.

Foto zu
Foto zu „Cinello Glockenhell“

Noch scheint die Kollegin der Musikerin, die Tänzerin und Schauspielerin Jasmin Steffl gemütlich auf einer großen flauschigen Decke zu schlafen. Oder wenigstens zu schlummern. Sie, deren – nie ausgesprochener – Bühnenname offenbar Cinello lautet, wird erwachen und einen neuen Tag beginnen. Vielmehr stellt sich bald heraus, der Tag ist eher ein Jahreskreislauf – mt erwachender Natur, Temperaturanstieg bis zur Sommer-Sonnenhitze und anschließendem Kälter-Werden samt Schneefall (Regie und Choreografie: Rosa Braber).

Foto zu
Foto zu „Cinello Glockenhell“

Wien – St. Pölten – Graz

Mit dem Programm „Glockenhell“ gastiert diese Jeunesse-Produktion derzeit im Theaterhaus für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier, danach noch im Grillparzer Musik- und Kunstschulcampus sowie der Oper Graz.  Im Dezember wird Cinello eher faschingsmäßig, aber natürlich auch musikalisch-tänzerisch „mit der roten Nase – Lang und Gnal“ (mit anderer Besetzung: Petra Slottová / Querflöte; Marlies Polzhofer / Gesang, Schauspiel, Regie) vom MuTh (MusikTheater Am Augartenspitz) bis nach Innsbruck (BRUX) schon jüngstes Publikum verzaubern.

Die nicht ganz ¾-stündige Reise aus Instrumentalmusik (u.a. Chick Coreas „Children’s Songs“, oder die ohrwurmigen Herbstblätter von Joseph Kosma) kombiniert mit wortlosem Tanz und Spiel zieht über Klänge und Bilder in den Bann und lässt in eine Art Bilderbuchwelt eintauchen.

Foto zu
Foto zu „Cinello Glockenhell“

Beginnende Interaktion gleich wieder abgebrochen

In einer Passage verteilen Mitarbeiter:innen der Jeunesse an die Kinder Rassel-Instrumente – die sie allerdings bald danach wieder absammeln. Dieses nur kurzfristige Einbeziehen und bald danach wieder Wegstoßen erweist sich doch als Schwäche in dem ansonsten feinen Programm. Impulse und auch ein Ambiente zum Mitmachen und diese dann nur schaumgebremst zulassen und fast gleich danach wieder so stark einzuschränken ist eher eine Alibi-Interaktion, die insbesondere (sehr) junge Kinder stark zurückstößt, sich nicht auskennen lässt bzw. frustriert.

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Foto zu „Cinello Glockenhell“
Sakteboarden für Einsteiger:innen

Friedliche sportliche Wettkämpfe als Beispiel gelungenen Zusammenlebens

Junge Männer – und auch Frauen, davon deutlich weniger – kickten am Wochenende bei brütender Hitze auf den verschiedenen Fußballfeldern. Vom großen Feld über mittlere und kleinere – diese mit hölzernen Banden – bis zu einem Mini-Feld mit aufpumpbarer Begrenzung für die Allerjüngsten liefen sie sich oft sozusagen die Seele aus dem Leib, um den jeweiligen Ball im Tor des anderen Teams unterzubringen.

In der Halle, die fast einer Sauna glich, beförderten Teams gleichzeitig auf vier Feldern die Bälle über Netze im Volleyball-Turnier.

Begegnungen

Diese Ballspiele sind seit dem ersten Mal Bestandteil des Integrationsfestivals „Von Kabul bis Wien“, organisiert vom Verein „Neuer Start“. Zum elften Mal – nur unterbrochen durch die Pandemiejahre – zeigen Hunderte Menschen vor allem solche, die in den vergangenen Jahren aus Afghanistan geflüchtet sind, wie friedliches, gleichberechtigtes Zusammenleben funktioniert. Wobei gerade an den Sportbewerben bunt zusammengesetzte Teams teilnehmen, was das Festival eben zu einer Begegnungsstätte unterschiedlichster Kulturen macht.

Riesen-Reis-Topf

Zum zweiten Mal hintereinander spielte sich das vom Verein „Neuer Start“ organisierte bunte Treiben auf dem Gelände der ASKÖ-Sportanlage samt Halle in der Hopsagasse in Wien-Brigittenau (20. Bezirk) ab. Die besagte Halle, in der sich die Volleyball-Matches abspielten, diente am Samstagabend auch für Musik- und Tanzdarbietungen sowie Auftritte in Trachten verschiedener Regionen Afghanistans. Natürlich durfte auch – wie alle Jahre – Kulinarik nicht fehlen – traditionelle Gerichte aus diesem Land. Gewaltig der Riesen-Topf mit Reis!

Skateboards vor allem für Anfänger:innen

Das diesjährige Festival brachte aber auch eine neue Aktivität. Unterstützt von Mitarbeiter:innen der Initiative „Skate 4 Fun“ konnten Skateboards – natürlich samt Helm, Knie- und Ellenbogen-Schützern – ausgeborgt und erste Schritte auf die rollenden Bretter gemacht werden. Was vor allem sehr junge Kinder, darunter sehr viele Mädchen, nutzten. Anna erzählt Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…: „Ich hab im Internet Skateboard-Videos gesehen, das wollte ich auch machen. Hier kann ich das ausprobieren.“ Sie und ihre Freundin Roxana standen das allerallererste Mal auf Skateboards. Anfangs noch an der Hand von erwachsenen Helfer:innen des Vereins, kamen sie eine halbe Stunde später schon ganz allein nach einer Runde um den Fußballplatz auf den Reporter zu. Und bedrängten den Journalisten: „Du musst das auch probieren, ich helf dir“, meinten beide abwechselnd. Was blieb mir anderes übrig. Aber angstfrei waren die ersten Roller nicht gerade 😉

Der Spruch zur Gleichberechtigung auf einigen T-Shirts
Der Spruch zur Gleichberechtigung auf einigen T-Shirts

Barabari – Gleichberechtigung

Neu waren auch die T-Shirts einiger der Mitarbeiter des Festivals. Männer in schwarzen Leiberln mit der Aufschrift „Barabari“ / Gleichberechtigung auf dem Rücken und dem Zusatz: „Das Patriarchat schafft sich nicht von selbst ab!“

Neben dem jährlichen großen Wochenend-Festival mit Sport, Kultur, Essen und Begegnungen organisiert „neuer Start“ seit fast zehn Jahren Workshops nicht zuletzt für Männer, ihre eingelernten, traditionellen Rollen zu hinterfragen – Frauen übrigens ebenso – Link zu einem Bericht eines Workshops für Männer weiter unten; ein weiterer Link zu einer Reportage über sportliche Angebote auch unter dem Jahr.

Pass-Egal-Wahl

Gemeinsam mit SOS Mitmensch fand beim Festival auch die „Pass-Egal-Wahl“ statt. Menschen, die schon lange in Österreich leben, aber nicht wählen dürfen, haben dabei die Möglichkeit wenigstens symbolisch auch ihre Stimme abgeben zu können. „Das Festival hat sich als bedeutendes Symbol für erfolgreiche Integration und den Abbau von Vorurteilen etabliert. Wie viele andere Projekt, die aus den Communities selbst kommen, zeigt es, wie Geflüchtete durch gezielte Unterstützung und aktives Engagement einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten können“, findet Shokat Walizadeh, Projektleiter von „Neuer Start“.

Männer mit Fluchthintergrund

Ali Rezae, Obmann des Vereins ergänzt: „Männer, die im Krieg geboren und aufgewachsen sind und es nach einem schweren Fluchtweg hierhergeschafft haben, brauchen von Beginn an Unterstützung. Aus unserer eigenen Erfahrung wissen wir, wie wichtig es ist, Inklusion von Anfang an zu fördern. Genau deshalb setzen wir uns intensiv für die Integration und das Wohlbefinden dieser Menschen ein.“

Beide bedauern, dass derartige Initiativen allerdings nicht jene Unterstützung bekommen, die sie bräuchten, um ihre Workshops noch stärker und breiter anbieten zu können. Und so „nebenbei“ würden diese positiven Beispiele mindestens so viel Öffentlichkeit verdienen wie Beispiele einzelner Gewalttäter oder gar Deals mit den radikal-islamistischen Machthabern Afghanistans, die Mädchen Bildung und vieles mehr verbieten.

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Neuer Start -> Von Kabul bis Wien

Szenenfoto von "Auf der Palme" beim Kultursommer Wien

Wut tut ganz schön gut – wenn sie ausgespielt werden kann

Eine aufblas- vielmehr aufpumpbare Insel mit Palme ist in dieser nicht ganz einen Stunde fast allgegenwärtig. Zuerst wird sie von einigen der sechs Performerinnen – gemeinsam mit Zuschauerinnen – auf die Bühne gehoben. Dann steht sie da in einer Ecke herum, wird fallweise bespielt, die noch schlapp Palme kriegt mit Hilfe eines Kompressors Luft und kommt damit zum Stehen. Irgendwann gegen Ende werfen die Tänzerinnen sie wieder von der Bühne, wollen sie dann aber doch wieder haben. Gegen Ende legen fünf von ihnen sich drauf, öffnen die Stöpsel und warten bis die Luft draußen ist.

Auf eigene Faust weitergemacht

„Auf der Palme“ heißt die Performance, die Bianca Bauer, Janina Lenauer, Nadine Mathis, Naima Rabinowich, Jana Resetarits und Viviane Le Tanzmeister beim Kultursommer Wien zwei Mal gezeigt haben. Gemeinsam mit Flora Besenbäck hatten sie vor rund einem halben Jahr für den Nachwuchsbewerb „Magma“ im Dschungel Wien eine ¼-stündige Version – schon mit dem selben Titel – erarbeitet. Die Jury entschied sich für andere der damals gezeigten fünf Miniaturen, damit diese zu einem Nachmittag-bzw. Abend-füllendem Stück ausgearbeitet werden sollen.

Die genannten Performerinnen gaben nicht auf, entwickelten ihre Show weiter und füllten nun als Gruppe „Power Ragers“ (Kraft-Wütende) eben fast eine ganze Stunde mit Szenen, in denen einmal die eine, dann eine andere, manches Mal auch mehrere auszucken, aus der Haut fahren, die Wand hochgehen, mit dem Kopf durch eine solche hindurch wollen, innerlich und äußerlich kochen, mitunter auch aufeinander losgehen, ihre Wut laut oder auch lautlos rauschreien…

Spielfeudige Szenen

Noch immer gilt Wut als eines jener Gefühle, die Kindern oft nicht wirklich zugestanden werden. Dass es ganz schön gut tun kann, sie auch – und sei es in spielerisch-tänzerischer Form ausleben zu können, zeigen die sechs – in MA48-orangefarbenen Latzhosen gekleidet. Viele schöne, lustvoll gespielte Szenen – Regie-Blicke von außen wären für eine Weiterentwicklung und die Erarbeitung eines dramaturgischen Bogens sicher hilfreich. Dann bräuchte es vielleicht auch nicht das aufgesetzt wirkende pädagogische Fast-Ende mit Fragen an die Kinder im Publikum, was sie denn da jetzt gesehen haben. Die unsichtbare vierte Wand zwischen Bühne und Publikum könnte durchbrochen und auf das Gespielte vertraut werden.

Eine schöne Idee hingegen ist das wirkliche Ende: Vor der Bühne gemeinsam lust- und kraftvoll tanzen.

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Szenenfoto aus „Ein ? für die Langeweile“

Wenn Fadesse sogar körperlich zu erleben und musikalisch zu hören ist…

Mir ist so faaaaaad… Nicht auszuhalten. Der ganze Körper spielt schon verrückt. Kann nicht mehr richtig stehen, aber auch nicht liegen, sitzen was auch immer. Die Performerin Lisa Bunderla lässt das richtiggehend spüren, wie auch körperlich unangenehm Langeweile sein kann. Ihre beiden Kolleginnen auf der Bühne – die Querflötistin Monika Wippl und die Cellistin Julia Schwendinger – bringen diese Gefühle der tanzenden Performerin mit entsprechenden Tönen zu Gehör.

Alles weiß

Die ganze Bühne – von den Gewändern des Trios bis zu den Kulissenteilen und Utensilien alle in weiß – mitunter in abgestuften (Farb-)Tönen – bis hin zum Trinkhalm.

„Ein ? für die Langeweile“ heißt das rund halbstündige Stück, das beim Kultursommer Wien am Freitag im Reithoffer Park (Rudolfsheim-Fünfhaus; 15. Bezirk) vor sehr vielen jungen und jüngsten Besucher:innen aus den Kindergärten der Umgebung gespielt wurde – und noch einmal, am Sonntag (28. Juli 2024)  auf der Bühne in der Großfeldsiedlung gespielt wird (Details, siehe Info-Box am Ende des Beitrages ganz unten).

Farb„zauber“

Der Langeweile zuschauen steckt keineswegs an. Und klar, es bleibt nicht dabei. Die quirlige, teils akrobatische tanzende Performerin spielt nicht die ganze Zeit auf Fadisieren. Erst „zaubert“ die Flötistin – die fallweise auch mit einer kleinen, höher gestimmten Piccolo-Querflöte spielt – irgendwo ein blaues Tuch hervor. Dann trommelt die Performerin unter dem Tisch liegend auf den – und siehe da, bunte Kunststoffröhren unterschiedlicher Länge purzeln zu Boden. Aus denen macht sie im Handumdrehen Fernrohre, Schwerter und sonst noch alles Mögliche, vor allem aber Percussions-Instrumente.

Szenenfoto aus „Ein ? für die Langeweile“
Szenenfoto aus „Ein ? für die Langeweile“

Musik „illustriert“ Stimmungen

Und siehe da – die Langeweile ist wie weggefochten. Immer mehr Buntes kommt zum Vorschein – ob vom Wäscheständer ein lila Oberteil oder aus dem weißen Kübel viele unterschiedlich gefärbte Papierknäuel, bei den Musikerinnen noch ein vielfarbiger Socken. Mit wenigen Gegenständen, die sich mit ein wenig Fantasie in Unterschiedlichstes verwandeln lassen, lässt die Spielerin Langeweile vergessen – einige Farben ins Spiel gebracht symbolisieren das und helfen dabei. Und natürlich passen die beiden Instrumentalistinnen die Musik entsprechend an, die nun von Szene zu Szene mehr Fröhlichkeit verströmt. Und am Ende in „My Favorite Things“ übergeht, ein Lied aus dem Musical „The Sound of Music“ (komponiert von Richard Rodgers), das vor allem in Versionen von Jazz-Größen wie John Coltrane und Dave Brubeck zum Klassiker wurde.

Aufwärm-Animation

Bevor das Trio auf der Bühne musiziert, tanzt und performt, tritt noch die Choreografin des Stücks in Aktion. Vor der Bühne – im Gegensatz zum Weiß auf dieser in Schwarz gekleidet – animiert sie das Publikum zum aufwärmenden Mitmachen. Ohren ziehend, Augen reibend, Körperteile abklopfend und bewegend samt kleiner Geschichten vom Schwimmbad-Besuch bis zum Rudern, wird Konzentration und Aufmerksamkeit voll angeregt.

Mitmachen, aber sehr begrenzt

Schwierig ist dann nur das abrupte nun auf einmal Stillsein-müssen, um dem Geschehen auf der Bühne zu folgen. Samt dem (fast) Nicht-Eingehen der Performerin auf die vielen zugerufenen Anregungen, nachdem sie fragt, was sie denn tun können, damit ihr nicht langweilige werde. „Kuchen essen!“ – „Ich hab ja keinen Kuchen!“ war praktisch die einzige Reaktion. Alles andere – und da kam ganz schön viel: Bücher lesen, singen, tanzen, geh nach draußen, Wäsche waschen (als sie in der Nähe des Kleiderständers ist).

„Pfff…“

In ihrem Ankündigungstext für die Auftritte beim Kultursommer schreiben die Künstlerinnen, dass sie das Bilderbuch „Pfff…“ von Claude K. Dubois sowie der dänische Familientherapeut Jesper Juul („gleichwürdige Erziehung“) zu diesem Stück inspiriert hätten. Aber nur ganz ansatzweise und lediglich vom Thema Langeweile. Wer das Buch zuvor gesehen und gelesen hat, interpretiert sicher die eine oder andere Szene anders als alle anderen Besucher:innen, die das Buch nicht kennen – etwa die bunten großen zusammengeknüllten Papierkugeln aus dem weißen Metallkübel; oder das naserümpfende Wegwacheln offensichtlich unangenehmen Geruchs durch di Cello-Spielerin 😉

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Szenenfoto aus "Mirabilia"

Eine ¾ Stunde voller Wowh-Momente

Wowh, wowh, wowh – Staunen. Immer und immer wieder in dieser ¾ Stunde. Das verschafft „Mirabilia“ vom Performing Arts Collective VRUM seit Sonntagnachmittag im Dschungel Wien, im MuseumsQuartier.

Da dieses verspielte Tanzstück mit Live-Musik optisch und klangliche angelehnt an das Zeitalter des Barock viel auch von Überraschungen lebt, gibt es hier eine krasse selbst auferlegte Beschränkung in der Berichterstattung – soll doch nicht allzu viel verraten werden, um künftigen Besucher:innen nicht diese Freude zu nehmen. Wobei der Spaß mehr umfasst als verblüffende Überraschungen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Mirabilia“

Viel zum Wundern…

Wie auch immer, das ist schon mal gespoilert: Der ganze Saal 2, der kleinere in dem Theaterhaus für junges Publikum, präsentiert sich voll verwandelt (Bühne und Licht: Felix Huber). In geschwungenen S-Linien aufgehängte Vorhänge in Weiß, hell und einem dünkleren Pink zaubern eine magische Landschaft – in Kombination mit dem pinken Teppich auf dem die Publikumsbänke und Pölster stehen bzw. liegen und dem weißen Tanzboden. Sowie anfangs einem weißen durchscheinenden Zelt in dem der Schatten einer Harfinistin zu sehen und schon zu hören ist.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Mirabilia“

Kontrollierter Flummi

Wie eine nach unten hängende Blüte öffnen sich fünf Teile dieses Zeltes. Mit ihrem Spiel lässt Zvezdana Novaković fast traumhafte Stimmung entstehen. Da. Nein dort. Doch wieder hier und dann da drüben – zwischen Vorhang-Spalten tauchen Hände auf. Verschwinden wieder. Dort ein Fuß. Da Haare. Irgendwann ertönt eine Querflöte hinter/ zwischen den Vorhängen (Nika Baumann). Plötzlich taucht eine Mensch gewordene Spieluhr-Figur auf, die später noch Cello spielt (Filip Sever). Ein wandelnder, rollender, tanzender großer Quastelball verzaubert vollends das Geschehen. Wie ein Flummi nur unter Kontrolle.

Hin und wieder – so viel darf jetzt schon verraten werden – lässt Geosmin Minjeong Yang nicht nur ihre Beine unten, sondern sogar Hände, Arme, ja hin und wieder sogar ihren Kopf oben aus diesem Ball (Kostüme: Ana Fucijaš) hervorschauen.

So, jetzt aber keine weiteren Details mehr – höchstens, dass der große Ball schon vorher ein kleineres Gegenstück und später noch ein – nur anders gefärbtes – Gegenstück erlebt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Mirabilia“

Fließend, Improvisation, Drama…

Ausgedacht und choreografiert hat „Mirabilia“ Sanja Tropp Frühwald, künstlerische Leiterin des Kollektivs VRUM. Auf Barock sei sie aus mehreren Gründen gekommen, vertraut sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… nach der vielumjubelten Premiere an. Zum einen sei vieles von barocker Musik immer wieder fließend neu interpretiert und improvisiert worden. Die fließenden Bewegungen sind auch das verbindende von Bühne, Kostümen, Musik, Gesang, Tanz und Spiel in dieser Performance. Zum anderen hätte vieles aus dem Barock zur Überhöhung, Übertreibung, zum „Drama“ tendiert – das Bild nach außen, wie kommt etwas gut und toll zur Geltung sei etwas, das diese barockhafte sehr mit vielem aus der heutigen Zeit verbinde.

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Foto aus einer früheren "The Choreography"-Performance

Publikum erobert den Tanzboden

Schuhe ausziehen, Handys abschalten, Kopfhörer auf und rauf auf einen großen weißen Tanzboden. „Kommt in der Gruppe zusammen“, „geht auseinander“, „geh langsam“, „galoppiere durch den Raum“, „leg dich auf den Boden, entspann dich“… diese und viele Anweisungen, gelangen in die Ohren der Teilnehmer:innen von „The Choreography“. Mit dieser Performance gastiert die schwedische Gruppe „Johanssons pelargoner och dans“ beim zehnten spleen*graz.

Foto aus einer früheren
Foto aus einer früheren „The Choreography“-Performance

Keine Angst, nur Anregungen!

Die rund ¾-stündige Performance ist keine zum Zuschauen, sondern nur und ausschließlich zum Mitmachen. Doch keine Angst, bevor alle ihre Kopfhörer aufsetzen, erfolgt noch die Vorbemerkung, dass das Gesagt sozusagen keine Verpflichtung ist. Es gibt nur zwei Regel: Du musst nichts machen, wo du dich nicht wohlfühlst, mach deine eigene Version. Und zweitens: Du kannst nichts falsch machen.

Foto aus einer früheren
Foto aus einer früheren „The Choreography“-Performance

Von kleinen Gruppen zur großen Gemeinsamkeit

Da nicht alle die selben Anordnungen, pardon Bewegungsvorschläge, erhalten ergeben sich unterschiedlichste Bewegungsmuster im gesamten Raum. Doch nicht jede und jeder kriegt etwas anderes zu hören, sondern doch immer einige dasselbe, so dass sich auch – verteilt im Raum – Ähnlichkeiten ergeben. So ergibt sich letztlich doch der Titel der Performance: Choreografie. Die sich gegen Ende immer mehr zu einem größeren und dann großen gemeinsamen Ganzen zusammenfindet. Mit einer Abschlussrunde, bei der alle sagen können, wie „The Choreography“, bei der sich jede und jeder zunächst auf sich und zunehmend auch auf die Gruppe einlassen konnte, für jede/n Einzelne/n war.

Liste der verfügbaren Sprachen für
Liste der verfügbaren Sprachen für „The Choreography“

Inklusion

Übrigens: Die Gruppe hat die Ansagen in 18 verschiedenen Sprachen aufnehmen lassen – und da bietet damit neben naheliegenden wie Schwedisch, Norwegisch, Finnisch, weit verbreitete wie Englisch – oder passend fürs Festival und andere Tour-Termine Deutsch -, sowie Arabisch, Spanisch, Farsi und Dari, Türkisch, Kurdisch (in dem Fall Sorani) usw. auch Romani, Soomaali und drei der zehn Sprachen der nordischen Minderheit der Samen (Meänkieli, Davvisámegiella und Aarjelsaemien gïele) an.

Eingangsbereich zum
Eingangsbereich zum „Salon Stolz“ in Graz

Ein Element der Inklusion – das gut – aus anderen Gründen zu diesem neuen Spielort der Performance passt, dem „Salon Stolz“, benannt und rund um gruppiert um den gebürtigen Grazer weltbekannten Komponisten Robert Stolz (1880 – 1975). Induktive Höranlagen, taktiles Leitsystem und musikalische Spiele, die gehört, gesehen oder auch be-griffen (Braille-Schrift) werden können.

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Compliance-Hinweis: Das Festival spleen*graz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … für drei Tage zur Berichterstattung nach Graz eingeladen.

Besprechung von Stücken, die beim 10. spleen*graz gezeigt werden, KiJuKU aber schon davor andernorts gesehen hat

Foto aus einer früheren
Foto aus einer früheren „The Choreography“-Performance
Szenenfoto aus "Spring doch"

Zum Trotz ein Mut-Anfall mit Zweifeln

„Ich gump hüt vom grosse Schprungbrätt!“ – auf Hoch- oder Standarddeutsch „ich spinge heute vom großen Sprungbrett!“ Und zwar von 3 Metern. Darum dreht sich das knapp mehr als ¾-stündige Tanzstück.

Eine Schülerin – ziemlich einsam auf dem Spielfeld. Zwölf große Kunststoff-Kanister mit jeweils rund einem Fünftel Wasser befüllt, eine Kreide und ein Handtuch. Mit den beiden Objekten „zaubert“ sie Licht bzw. Musik herbei. Ansonsten sind kurzzeitig – aus dem Off – Kinderstimmen zu hören, wen sie jeweils für ein Teamspiel wählen; viele Namen fallen. „Natürlich“ bleibt unsere Protagonistin als Allerletzte übrig.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Spring doch“: Tanz auf und mit Objekten

Und wie Tina Beyeler (Tanz und Choreografie) tänzerisch, von der Körperhaltung und mimisch agiert, sicher nicht zum ersten Mal, wahrscheinlich immer wieder.

Denen wird sie’s zeigen – und sie tätigt den oben zitierten Spruch in einem der Deutsch-Schweizer Dialekte in „Spring doch“ von Kumpane Schaffhausen (Text, künstlerische Mitarbeit: Andri Beyeler; Komposition: Sandro Corbat). Zum ersten Mal fährt sie, die offenbar sehr jung ist, allein mit dem Bus. Ziel: Schwimmbad.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Spring doch“

Aber so easy ist das alles doch nicht. Da schwingen ganz schön viel Bammel, Angst und Zweifel mit – neben dem Trotz und Mut. Und genau dieses Hin und Her lässt die Tänzerin – in ihren teils akrobatischen Bewegungen – ob mit oder ohne die Objekte, vor allem die genannten 12 Kanister spüren, miterleben – wenngleich es vor allem jüngeren Kindern ein wenig zu lang wurde bei der Aufführung im Rahmen von „jungspund“, dem Theaterfestival für junges Publikum in der Lok-Remise von St. Gallen (Schweiz).

Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Rita“ von Heinz Janisch (Idee und Text) und Ingrid Godon (Illustration)

Rita: Ein anderer Mut am 3-Meter-Brett

Ein wenig erinnert die Geschichte an das Bilderbuch von Heinz Janisch (Illustration: Ingrid Godon; Verlag: Bloomsbury K & J), das vor elf Jahren mit Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet worden ist.

Rita, ein Mädchen mit roter Badekappe, schickt sich an, vom 3-Meter-Brett zu springen. Schaut hinunter. Lange. Kehrt dann aber um, und steigt die Leiter hinunter – zum 1-Meter-Brett. Doch auch da springt sie nicht. Was ein Junge im Schwimmbad lautstark mit „Feigling“ kommentierte.

„Fische springen nicht von Türmen“, konterte Rita schlagfertig, schwamm davon und tauchte dazwischen. Das beeindruckte einen anderen Jungen, der am Beckenrand saß und überlegt hatte, welch beeindruckende Dinge und Menschen er schon in seinem Leben gesehen hatte. Doch nichts von dem, das vor seinem geistigen Auge dahinhuschte reichte an diesen Mut Ritas heran!

In „Spring doch“ endet die Geschichte dann doch anders – das sei aber nicht gespoilert.

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Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.

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KiJuKU-Interview mit der Festival-Leiterin –
aber schon bei der vorigen „jungspund“-Ausgabe

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Spring doch“
Szenefoto aus "Ciao, Ciao"

Clownesker Aufstand gegen den „Zampano“

Atemberaubend – der Begriff wird vielleicht zu oft und leichtfertig eingesetzt. Bei dieser Show, die beim aktuellen Festival „jungspund“ im Schweizer St. Gallen ablief, trifft sie jedenfalls zu. In einem Mix aus Highest-Level-Akrobatik und akrobatischem (Ballett-)Tanz stark gewürzt mit clownesken Elementen stockt immer wieder der Atem des Publikums. Vor allem bei Kunststücken von Eline Guélat. Wenn sie den auf ihrem bevorzugten Turngerät, einem Lichtmast mühelos und fast ohne Anhalten raufspaziert und dann vermeintlich runterfällt – kollektives Luftanhalten im Publikum. Sie scheint sogar die Schwerkraft zu überwinden. Vorgegebene Regeln sind ihre Sache nicht.

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Fellinis „La Strada“ als Inspirationsquelle

Inszeniert hat Martin Zimmermann, Choreograf, Theater-Regisseur, Bühnenbildner und selber Performer, der aus dem Zirkus kommt, die Show „Ciao, Caio“ (für das Ballett Theater Zürich entwickelt). Er ließ sich dabei, wie er nach der fulminanten, begeistert aufgenommenen – schier never ending Applaus – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… anvertraute von Federico Fellinis vielleicht berühmtestem Film „La Strada – Das Lied der Straße“ (1954) inspirieren lassen.

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Frühe Befreiung

Die schon genannte umwerfende Zirkuskünstlerin nimmt Anleihe bei der Figur der Gelsomina, der Assistentin des brachialen Jahrmarkt-Schaustellers Zampanò – der Name hat sich seit Fellinis Film als Begriff verselbstständigt. Obwohl sie so viel kann, wird sie von ihm auf Hilfsdienste reduziert. In „Ciao, Caio“ befreit sie sich schon früh und er (Aimé Morales), der die einstündige Performance eröffnet, wird nur zum hin und wieder Side-Kick. Passt doch gut zum Internationalen Frauentag am 8. März!
Sie dominiert, aber doch eher bescheiden in clownesker Manier mit Erinnerungen an Charlie Chaplin das Geschehen.

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Wesen aus verschiedenen Welten

Es bleibt nicht bei dem Duo. Nach und nach kommen teils wie aus dem Nichts aus dem Bühnenpodest von unten, aus irgendeinem Kasten oder sonst woher noch Tänzerinnen – vielfältige Figuren manche mit Freak-Anwandlungen. Sie alle vereinen perfekte Körperbeherrschung, verbinden Clownerie mit Ballett. Und so wechselt die Szenerie ständig, wir erleben die weiß gekleidete Baum-Fee-artige Léna Bagutti, einen alten immer wieder buckligen Mann (Jesse Callaert), eine zwergenhafte Übermama (Neil Höhener) sowie Valeria Marangelli (Harlekin) und Sandra Salietti (fast klassisches Ballett).

Mit all ihrer fantastisch körperlichen Kunst erzählen die sieben in vielen immer wieder auch Staunen erzeugenden Szenen, etwa einem Riesen-Hütchen-Spiel mit auftauchenden und verschwindenden Chaplin-behüteten Menschen, kleine und doch so große Geschichten unterschiedlichster Gefühle. Von freundschaftlichen und verliebten bis zu aggressiven, befreienden…

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Nicht nur wie Tschau…

Ach, übrigens: Im deutschsprachigen Teil der Schweiz wird „Ciao“ ebenso wie in Italien – im Gegensatz zu Österreich und Deutschland (wo es sich oft zum tschau gewandelt hat) – sowohl für Abschied als auch Begrüßung verwendet. Laut Wikipedia stammt es übrigens aus der venezianischen Sprache, wo sčiao [ˈst͡ʃao] (Diener) dem italienischen schiavo [sˈkjaːvo] entspricht. Und dieses steht für „ich bin Ihr Diener“ – wie die dem Lateinischen entlehnte Grußformel „Servus“.

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Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.

Szenenfoto aus "Wo-Man A Revolutionary Rave"

Rave-olution verleiht Kraft und Mut

Just an jenem Abend, an dem in Wien fünf Frauen ermordet wurden – so viele Femizide wie noch nie zuvor in weniger als 24 Stunden in Österreich – rissen sieben Performer:innen das Publikum mit in eine kraft- und lustvolle Utopie gleichberechtigten Miteinanders. Mit „Wo-Man A Revolutionary Rave“ im Dschungel Wien vermitteln die sieben Tänzer:innen Donna & Rosa Braber; Marko Jovanović, Una Nowak, Maartje Pasman, Grischka Voss und Magdalena Wolfmayr hoffnungsvollen Optimismus auf eine bessere Zukunft.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo-Man A Revolutionary Rave“

Auf die wir alle – hoffentlich – nicht bis in 365 Jahren warten müssen, wie es am Beginn der rund 80 minütigen wilden Show – mit manch leisen, vor allem aber schrillen Momenten befürchtet wird – wenn’s so weitergeht wie bisher. Auch wenn es wissenschaftlich „nur“ 297 Jahre beim aktuellen Tempo in Richtung Gleichstellung von Löhnen bzw. Gehältern wären 😉 Aber allein heuer arbeiteten Frauen in Österreich die ersten 45 Tage sozusagen gratis – sprich um so viel Tages-Einkommen differieren die Bezahlungen (Equal Pay Day).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo-Man A Revolutionary Rave“

Feministisch optimistsch

Damit es nicht so bleibt, muss viel dagegen sowie für Veränderung gekämpft werden. Die Weltlage im Allgemeinen, so manches im Land – nicht zuletzt die unrühmliche Rolle bei der Anzahl von (tödlichen) Gewalttaten – kann einerseits wütend und andererseits lähmend wirken. Da braucht’s viel Kraft und Ansporn zu Optimismus. Am Tag vor der Premiere feiert die Podcasterin Jeanne Drach den fünften Geburtstag ihrer mutmachenden Oh Wow-Plattform – Motto „feministisch optimistisch“.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo-Man A Revolutionary Rave“

Die „Rave-olution“ von Wolf Collectives (Konzept Rosa Braber, die vor allem als Master of Ceremony und DJane agierte; Choreo Donna Braber und Maartje Pasman) spielt sich auf der im Dschungel Wien in diesem Fall umgedrehten großen Bühne ab. Dort wo üblicherweise die Sitzbänke auf der steil ansteigenden Tribüne stehen, tanzen, springen, spielen die sieben schon genannten Performer:innen – sechs Frauen und ein „Mann aus der Zukunft“. Die Bandbreite reicht von szenischer Kritik an überkommenen Rollenbildern in einer Schneewittchen-Szene – samt deren Umkehrung bis zu hoffentlich nicht nur utopischen Bildern von vollständiger Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit – jenseits zugeschriebener Geschlechterbildern bzw. Sprengung solcher noch immer existierender Normen hin zu einer Welt jenseits solch einschränkender Vorgaben (Ausstattung: Devi Saha).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo-Man A Revolutionary Rave“

Mit-ravende Techniker:innen

Die Umkehr der Bühne – die Sitzbänke standen auf einer flacheren Tribüne dort, wo sonst die Bühne ist – ermöglicht aber nicht nur den Blick auf die Performer:innen, sondern ganz oben auch in die Technik-Kammer, wo Jana Resetarits und Luka Bosse für die sehr wesentlichen Lichtstimmungen und den kraftvollen Ton sorgen – und dabei fast die ganze Zeit selber mit-raven!

So trist die Realität, so entmutigend es oft ist, dass so wenig weitergeht, ja sogar in den vergangenen Jahren in manchen Bereichen Rückschritte zu erleiden waren/sind, so viel Kraft und hoffentlich auch Mut macht die Show, (wieder weiter) zu kämpfen für Fortschritte – nicht nur in Bezug gleiche Rechte für alle Menschen.

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Szenenfoto aus "Body Music Explosion"

Hin- und mitreißende Körpermusik-Tanz-Performance

Zwischen aufspringen und mittanzen oder wenigsten -swingen wollen einer- und phasenweise wiederum sich fast meditativ fallen lassen reißen dich die fünf Performer:innen in „Body Music Explosion“ von Theater Foxxfire! auf den Sitzreihen des großen Saals im Dschungel Wien hin und her. In schier unglaublich perfektem Timing klatschen und stampfen sie fast ohne Ende – Body-Percussion und Mundmusik sind ihre Instrumente.

Wandlungsfähig wie ihr Tempo, ihre Rhythmen ist ihr Auftreten, sind ihre Kostüme (Ausstattung: Karoline Hogl). Kommen sie nach unzähligen erst in Reih und Glied eingeblendeten kleinen projizierten Punkten, die sich durch Töne und Klänge zu bewegen beginnen, zunächst als geschleckte uniformierte Musterschüler:innen auf die Bühne, so entledigen sie sich bald dieser Maskerade.

Gemeinsam erarbeitet

Das Quintett, das Regie, Choreo und Musik gemeinsam ausgesucht und erarbeitet hat, „explodiert“ immer wieder und bleibt dennoch stets im Gleichklang – ob synchron oder als Weitergabe der Impulse von einer zum anderen. In der Anfangsphase scheint es als könnten die fünf Performer:innen, die mit ihren Körpern Musik machen, ganz ohne Atempause auskommen. Erst nach rund ¼ Stunde kurz mal Break (Pause). Aber schon geht’s wieder weiter – immer wieder Tempo- und Rhythmuswechsel. Hin und wieder fast szenische kleine Erzählungen. Wenn Text zu Gesang kommt, dann nur englische Fragewörter. Die unterschiedliche Intonation von „what“ (was) beispielsweise ergibt fast schon eine kleine Geschichte.

Hin und wieder löst sich die 5er-Formation auf, Duette werden gespielt/getanzt, ge-körper-trommelt – vom an eine Kinderspiel erinnernden abwechselnden Handklatschen in komplizierter Abfolge bis zum gegenseitigen Necken. Nebeneinanderstehend mit der eigenen Hand den anderen an der weiter entfernten Schulter antippen, als käme jemand von der anderen Seite 😉

Und alles vor ständig wechselnden auf die jeweilige Bewegungsformation abgestimmten Visuals, die – ebenso wie das Konzept für diese hin- und mitreißende Performance – von Richard Schmetterer kommt, der auch Teil der Performance-Gruppe ist, die sich Groove-Crew nennt.

Als Antwort auf den – erwartbaren jubelnden Applaus – hat die Crew eine Zugabe einstudiert – bei der sie zum Mitklatschen und -stampfen einlädt.

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Szenenfoto aus "Lemniskate"

Tanzende In-Klo-sion

„Sie sagen, ich darf nicht tanzen, ich soll mich nicht bewegen“, sind die ersten Worte, die in der Performance fallen. Gesprochen von Shahrzad Nazarpour nach etlichen Minuten, in denen sie schon gar nicht anders konnte als sich zu bewegen, all ihre Körperteile tanzen zu lassen. Die Künstlerin ist seit Jahren mit Stücken unter anderem im Dschungel Wien präsent, wo sie in „Hijab offline“ sozusagen ihre Haare als Symbole gegen Mauern im Kopf tanzen ließ.

Ausgangspunkt sind immer wieder Ver- bzw. Gebote des diktatorischen Regimes im Iran, unter anderem, dass Frauen nicht tanzen dürften.

In Bewegung bleiben, Widerstand leisten – beispielsweise auch durch Tanz – das war der Ausgangspunkt für Nazarpours neues Stück „Lemniskate. Unendliche Hoffnung“, in dem sie gemeinsam mit Morteza Mohammadi praktisch ständig in Bewegung ist.

Begriffserklärung

Kleiner Einschub, weil der erste Teil des Titels sich wahrscheinlich für viele nicht selbst erklärt: „Eine Lemniskate (von griechisch λημνίσκος lēmnískos ‚Schleife‘) ist eine schleifenförmige geometrische Kurve in der Form einer liegenden Acht.“ (Wikipedia) Und dieser liegende 8er ist dem mathematischen Zeichen für unendlich sehr ähnlich.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Lemniskate. Unendliche Hoffnung“

Also nie und nimmer aufgeben – allen Widernissen und (brutaler) Gegenwehr zum Trotz. Und so werden an einer Stelle auch Töne von Demos im Iran eingespielt mit dem bekannt gewordenen Ruf „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau Leben Freiheit), der Parole nach dem gewaltsamen Tod der jungen iranischen Kurdin Jîna Mahsa Amini im September 2022.

Ballett und Klo-Tanz

Trotz des bitteren Ernstes vermittelt die ¾-stündige Performance vor allem die unbändige Lust nach Bewegung und Tanz. Und obendrein so manchen Schuss Humor. Wenn zur bekanntesten Melodie aus „Schwanensee“ Ballett-Szenen mit Grimassen konterkariert werden. Vollends für viel Lachen – vor allem jener im Publikum, die persische Schrift lesen können – sorgen die ausgedehnten Szenen rund um Toiletten. Die bekannteste Suchmaschine wird an die Wand im Hintergrund projiziert und nach den Unterschieden zwischen persischen und westlichen Klos gesucht. Samt Hockposition für Erstere, die übrigens bis vor ein paar Jahrzehnten auch in Italien üblich waren. Anstrengender, weil Oberschenkel-Muskulatur beanspruchend, aber auch hygienischer, weil du dich nicht irgendwo draufsetzt, wo schon viele andere davor saßen 😉

Ausgehend von den Klo-Differenzen entspinnen die beiden Tänzer:innen einen Dialog rund um Integration, Anpassung(sdruck) und Inklusion mit dem sich fast aufdrängenden Wortspiel In-Klo-sion 😉

Plakat der Europaratskampagne 2006
Plakat der Europaratskampagne 2006: MAch den Unterschied: Alle anders – alle gleich

It’s the same shit all over the world

Das erinnert übrigens ein wenig an eine Europaratskampagne vor fast 20 Jahren. Unter dem Motto „all different – all equal“ (alle anders – alle gleich), in der vor allem Jugendliche aktiv für Vielfalt, Miteinander und gegen Ausgrenzung waren, gab es ein Video mit dem oben genannten Titel: Zu sehen waren Menschen an verschiedensten Orten der Welt, die mit Zeitung oder Buch hinter einer Tür verschwanden und …

Wobei in vielen Weltgegenden es noch immer keine ausreichenden Sanitäranlagen gibt – weshalb die UNO 2001 den Welt-Toilettentag (19. November) ins Leben gerufen hat.

Folgerichtig steht ihre Botschaft auf den Hinterteilen ihrer beider rosa Hosen: „We stand with …. People“ (Wir stehen an der Seite der Menschen).

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Lemniskate. Unendliche Hoffnung“
Szenenfoto aus "Kingx & Qweens" im Dschungel Wien

Wenn alle ihre Leben selbst bestimmen könnten…

Bevor hier auf das – oftmals akrobatische – Tanztheaterstück „KINGX & QWEENS“, derzeit noch bis 10. Oktober 2023 sowie an drei Tagen im Juni 2024 zu erleben, eingegangen wird, ausnahmsweise eine Beobachtung des Publikums: Die Tribünen vollbesetzt mit Jugendlichen, die die 1 ¼ Stunden gebannt dabei sind, am Ende sprichwörtlicher (fast) never ending Applaus. Eine Gruppe klatscht sogar noch Minuten nachdem alle anderen – inklusive der Künstler:innen – den Saal 1 (den größten im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für vor allem junges Publikum im MuseumsQuartier) verlassen haben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kingx & Qweens“ im Dschungel Wien

Die Performance, die Maartje Pasman, Futurelove Sibanda und Joseph Tebandeke, auf die Bühne zaubern, ist magisch. Oftmals unglaubliche Bewegungen am Boden, auf großen blauen Wasser-Kanistern, auf – und mit – Stangen sowie Krücken. Beflügelt von der dafür geschaffenen Musik von Karrar Alsaadi scheint das Trio nicht selten als wäre es auf einer Weltraum-Station, in der die Schwerkraft sozusagen außer Kraft gesetzt ist.

Schweben und Fliegen drängt sich in so manchen Szenen als Bild in den Kopf. Alles ist sozusagen möglich – das steckt irgendwie auch in der – aufs erste vielleicht merkwürdig wirkenden – Schreibweise des Stücktitels, wo das Plural-S der englischen Version von Königin durch ein X und in der Königinnen-Version das U durch ein Doppel-U, also ein W, ersetzt sind. Vielleicht auch mit ein bisschen Anspielung auf Querness. Aber auch an das Bild einer dreizackigen Krone.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kingx & Qweens“ im Dschungel Wien

Basquiat

Einer Krone, die auch mehrfach in den auf einen blauen Stoff im Hintergrund projizierten Videoanimationen (Luciana Bencivenga) auftaucht und nicht selten fliegt. Und die ebenso wie die auftauchenden Figuren und Objekte Anleihe nimmt bei den Bildern von Jean-Michel Basquiat (1960 bis 1988), einem US-amerikanischen Künstler, der als kleines Kind Stammgast in einem Kunstmuseum (Brooklyn), dreisprachig war und in einer Band spielte und malte – und früh damit Erfolg hatte. Mit 21 Jahren war er – als bis heute jüngster – Künstler bei der weltberühmten documenta. Die Krone setzte Basquiat in seinen Bildern genau nicht Herrscher:innen auf die Häupter, sondern unterschiedlichsten Menschen – gleichsam als Zeichen, dass sie ihr Leben selbst bestimmen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kingx & Qweens“ im Dschungel Wien

Selbstermächtigung

Genau dieses Gefühl der Selbstermächtigung in allen möglichen und auch (scheinbar) unmöglichen Lagen bringen die drei Tänzer:innen in praktisch jeder der Szenen zum Ausdruck – und auch ein starkes Miteinander. Auf der Projektionswand erscheinen hin und wieder auch Fragen, etwa, ob es auch möglich ist, alleine glücklich zu sein. Das Trio – auch wenn es Szenen gibt, in denen alles andere als Harmonie gespielt und getanzt wird – vermittelt dennoch ein unbedingtes Plädoyer zu sozialer Gemeinschaft.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kingx & Qweens“ im Dschungel Wien

Altes Foto eines realen Duos

Neben Basquiat war – zumindest für eine der Anfangs-Szenen – auch ein Bild aus dem Jahr 1889 (!) aus Damaskus (Syrien) eine optische Inspirationsquelle, das Kostümbilnder Kareen Aladhami ins Team von KingX und KWeens mitgebracht hatte. „Samir und Abdullah“ zeigen den gelähmten Kleinwüchsigen, christlichen Samir im Huckepack auf dem Rücken seines blinden muslimischen Freundes Abdullah (Quelle: Pädagogischen Begleitmaterial zur Produktion). Und so tanzt Maarte Pasman mit Joseph Tebandeke (der gemeinsam mit Corinne Eckenstein auch choreografierte und die Show konzipierte) bei ihrem ersten Auftritt auf die Bühne. Da singt Futurelove Sibanda auf einem aus den oben schon genannten Kanistern aufgeschichteten Thron beeindruckend den ganzen Raum erfüllend.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kingx & Qweens“ im Dschungel Wien

Vortanzen

Tebandeke lässt in seinen kraftvollen Tänzen mit Hilfe von Krücken, den besagten Kanistern oder auch seinen Mittänzer:innen weitgehend vergessen, dass ihm diese Hilfsmittel erst viele seiner Bewegungen erlauben (Polio-Infektion in seiner Kindheit). Er schildert übrigens in einer Szene Erlebnisse von Flugreisen aus seiner Heimat Uganda, wo er Teil der „Splash Dance Company, Kampala“ sowie der „Dance Revolution East Africa“ ist, nach Europa. Nicht selten meinen sie bei der Passkontrolle, wenn sie als seinen Beruf Tänzer lesen, er solle ihnen doch dann was vortanzen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kingx & Qweens“ im Dschungel Wien

Passt nicht

Futurelove Sibanda, Tänzer und Sänger, der seit vielen Jahren hierzulande von unzähligen Produktionen bekannt ist, in Wien lebt und seine ersten Auftritte mit der Gruppe IYASA aus Simbabwe hatte, erzählt in der Szene seiner persönlichen Geschichte u.a. die nach der Suche nach seinem Vater, der sich vor Futureloves Geburt davongemacht hatte, und als er ihn gefunden hatte, erkannte: Der passt nicht in unsere Familie – was er mittels eines Kanister-Turms schauspielerisch darstellte.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kingx & Qweens“ im Dschungel Wien

Vermisste Wurzeln

Maartje Pasman rührte mit ihrer Erzählung, die sie mit folgenden Sätzen begann: „Wer bin ich in dieser Welt und warum schreie ich nicht?“ Dabei weinte sie bitterlich sozusagen in einen der Kanister. Joseph schnappte sich den über ein Band mit diesem verbundenen zweiten Kanister und lauschte den Erzählungen aufrichtig. Sozusagen ein Mega-Bechertelefon. Doch Pasman schrie und weinte nicht über den aktuellen Zustand der Welt, sondern, dass sie ihre Vorfahr:innen mit deren Wurzeln in Indonesien nicht kennenlernen durfte. Sibanda tanzt herbei, um die tieftraurige Kollegin in die Arme zu schließen und zu halten. Vielleicht die berührendste Szene des Stücks.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kingx & Qweens“ im Dschungel Wien

Musikalisch/textlich Inspiration

Der mitreißende Schluss-Song – und wohl auch der Titel der Performance – sind inspiriert vom Song „Kings & Queens“ (aus dem Album Heaven & Hell/Himmel und Hölle) von Ava Max (2020) – mit einigen wenigen Umdichtungen. So beginnt der Song in der Version der von Corinne Eckenstein neu gegründeten Gruppe Unusual Beings (Ungewöhnliche Wesen) in Kooperation mit der schon genannten Dance Revolution East Africa und dem Dschungel Wien, damit: Wenn alle Könige und Königinnen auf den Thron gesetzt würden…“, während das Original nur davon träumt, dass die Könige ihre Königinnen auf dem Thron hätten…

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Szenenfoto aus "Wind" von makamake produktionen im Dschungel Wien

Poetisches, getanztes Anhimmeln des unsichtbaren „Formwandlers“

Ein Halbrund – Stadt- oder Schlossmauer in hellblau mit Wolken verziert – mit fünf Toren bildet den Hintergrund der Bühne für „Wind“. Um den drehen sich die 55 Minunten. Die drei Tänzer:innen, die das Stück auch entwickelt haben, – Michèle Rohrbach, Martina Rösler, Ives Thuwis – schlüpfen in die Rolle unterschiedlichster Winde. Mal schweben, dann wieder wirbeln sie über die Bühne, mal miteinander, dann wieder gegeneinander. Poetisch formulieren sie Gedanken, die – hätten Winde Hirn und Sprache – von diesen stammen könnten. Intensiv haben sie sich mit dem „Atem der Erde“ beschäftigt und sich in das ständige Wehen, das den Globus umzieht, hineinversetzt. Und nehmen auf diese gedankliche ebenso wie gefühlte Reise das Publikum mit – mal sanft und leise, dann wieder wild und sozusagen mitreißend.

Formwandler, der ich bin,
hellblau unsichtbar.
Die Menschen sehen mich nicht,
aber sie sehen, was ich tue.

Aus dem Stück „Wind“ von makemake produktionen

Zu diesem jüngsten Stück der (Tanz-)Theater- und Performance-Gruppe makemake produktionen – Text und Dramaturgie: Anita Buchart – gehört, auch wenn er oft am Rande steht oder sitzt gleichermaßen der Livemusiker (Saxofon und Keyboard) und Komponist Lukas Schiemer dazu. Das Quartett erzeugt in der nicht ganz einen Stunde ein Loblied, ja ein „Anhimmeln“ an den Wind, auch wenn uns der manches Mal lästig oder gar in Form von gewaltigen Wirbelstürmen grausam sein kann. So vielfältig Winde auch sein können, immer sind sie selbst unsichtbar, aber ihre (Aus-)Wirkung wird durchaus augenscheinlich. Und Wind vermag die Form von Gegenständen teils beträchtlich zu verändern.

Mythen und Geschichten

Im Laufe der Performance erzählen die Tänzer:innen auch so manche Mythen, wie sich Menschen die Entstehung von Winden zusammengereimt haben. Aber auch so – im Rückblick betrachtet – eigenartige Vorgangsweisen der Menschheit, wie sie einerseits Wind auszuschalten versucht und andererseits ihn maschinell wieder herstellt, wenn sie Luftzüge braucht. Warum Wäschetrockner, wenn Wäsche auch in den Wind gehängt werden kann, beispielsweise. Oder das Verschwinden von Windmühlen, um seit noch gar nicht allzu langer Zeit wieder Windräder zu errichten, um Energie zu gewinnen…

Die Performance, mit der die neue Spielzeit im Dschungel Wien – in dem Fall für die Jüngsten (ab 5 Jahren) eröffnet wurde, liefert über das Beschriebene hinaus noch wunderbare Bilder – etwa mit luftgefüllten Folien oder 2 Kubikmeter Korkgranulat, das wirkt, als würde der Tanzboden mit Erde bedeckt und es ums Verwurzeln von Bäumen und viel lustvolles Spiel in derselben gehen. Als das Trio diese Granulat verteilte, reif ein Kind im Publikum: „Ich will auch…“

Der Eröffnungs-Samstag brachte in der Folge noch ein Stück ab 15, den U20-ÖSlam (Meisterschaft im Poetry Slam) und nicht zuletzt einen mehr als mitreißenden kurzen Auftritt des PowerDuos EsRap – weitere Artikel folgen hier.

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Szenenfoto aus "Linie Q"

Mit Linie Q in den Tunnel abwärts…

Während noch gehörig an der selbstfahrenden, vollautomatischen Linie U5 in Wien gewerkt wird (ab 2026), gibt es kurzzeitig die „Linie Q“. Die führt in den Abgrund – oder Abgründe? Es handelt sich bei ihr um einen Mix aus Schauspiel, Performance, digitaler Schnitzeljagd, Elementen aus Escape-Room-Spielen, bezeichnet sich selbst aber – zu Recht – als „No-Escape-Room“ – mit ziemlich doppelbödiger Bedeutung.

Weg-Weiser

Die erste Challenge für die interaktive Performance ist, den Veranstaltungsort zu finden. Die reine Ortsangabe würde schon eine ziemliche Herausforderung sein: In einem Teil der alten Wirtschaftsuni zwischen Spittelau (U4/U6) und dem Franz-Josephs-Bahnhof, dem sogenannten Magazin, steigt „Linie Q“ noch bis einschließlich 1. Juli 2023. Dieses erste Problem lösen die Veranstalter:innen mit einer Skizze auf der Homepage sowie vor Ort mit Plakaten und gelben Klebezetteln mit Pfeilchen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Linie Q“

Challenge Nummer 2: Der einzuscannende QR-Code, der für das erste Level des „No-Escape-Room“-Games erforderlich ist, um mitmachen zu können, führt nicht in jedem Browser zum Ziel. Aber auch da schaffen die Mitarbeiter:innen der Koproduktion von „Over 10.000“ und WuK performing arts Abhilfe: Sie unterstützen im Empfangsbereich beim Switchen bzw. Installieren der erforderlichen Ressourcen. Und wenn’s gar nicht klappen sollte oder jemand ohne Smartphone kommt, so gibt es eigens dafür bereitgehaltene Leihhandys.

Digitale Nachrichtenjagd

Und dann geht’s auf. Oder doch nicht. Alle – die Teilnehmer:innen-Zahl ist auf knapp zwei Dutzend begrenzt – sind startbereit, die Spielleiterin Victoria Halper im schwarzen Arbeitsoverall kommt mit einem bedauernden Lächeln auf den Lippen: „Sorry, we are closed“, es gäbe Probleme mit dem Strom. Doch das glaubt ihr keine und keiner. Also geht’s doch los. In den ersten großen sehr dunklen Raum. Nun treten die Smartphones und das installierte Spielzeug in Aktion. Mit diesem gilt es megagroße QR-Codes zu scannen – die führen dich jeweils zu einem „Ticket“ für eine der Linien – rot, grün, braun… mit einer grafischen Streckenführung. Aber die ist nebensächlich. Nun gilt es, kleinere QR-Codes der jeweiligen Farbe zu finden. Damit landest du auf deinem Screen bei Fotos oder (Online-)Zeitungsartikeln über aktuelle Umwelt- und andere Probleme – von der Ölindustrie, die die Klimakonferenz COP27 im ägyptischen Scharm al-Scheich mit mehr als 600 Vertreter:innen gleichsam gekapert hat über gestiegene Energiepreise, die Inflation generell und viele mehr bis zu Gefahren Künstlicher Intelligenz.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Linie Q“

Vieles mit Künstlicher Intelligenz

Und die ist generell Teil der gesamten Performance. Denn Teile der Texte in den nicht ganz zwei Stunden haben sich die Künstler:innen (Konzept & Regie: Kai Krösche, Konzept & Ausstattung: Matthias Krische) von Chat GPT schreiben lassen. Übrigens auch einen Großteil des nachträglich verteilten Programm-Heftes; andere Texte stammen von Emre Akal bzw.  James Stanson. Über Künstliche Intelligenzen ließen sich die Künstler:innen aber auch Bilder und Videosequenzen bauen sowie Entwürfe für die Kostüme erstellen. Und mit einer dieser Tools, die in den vergangenen Monaten rasant weiter entwickelt worden sind – was das Konzept dazwischen stark verändert hat – werden sogar Texte, die der Schauspieler und Musiker Simon Dietersdorfer eingesprochen hat in den Stimmen eines alten Mannes, zweier Frauen und eines Kindes.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Linie Q“

Kein Ende des Tunnels

Nach diesem Exkurs über das Zusammenspiel von kreativen Menschen und digitalen Werkzeugen auf der Höhe der Zeit zurück zur Performance. Neben der Informations-Schnitzeljagd über QR-Codes entlang der verschieden-farbigen Linien spielt sich auf dieser ersten Ebene in den Monitoren ein filmisches kleines Drama ab: Die U-Bahn fährt und fährt und der Protagonist als Fahrgast sollte schon längst am Ziel sein, tut es aber nicht. Zu dieser Story ließen sich die Macher:innen von Friedrich Dürrenmatts dystopischer, absurder Kurzgeschichte „Der Tunnel“ inspirieren – wie sich im Programmheft anmerken. In dieser checkt ein 24-jähriger Student, dass der Tunnel auf der Strecke, die er oft benutzt, an sich sehr kurz ist, an diesem Tag aber nicht und nicht enden will. Er kämpft sich vor bis zum Zugführer und mit diesem zur Lokomotive, die fahrerlos in den dunklen Abgrund rast. Dürrenmatt ließ in der ursprünglichen Fassung (1952) die Geschichte mit dem Satz enden: „Was sollen wir tun“ – „Nichts (…) Gott ließ uns fallen, und so stürzen wir denn auf ihn zu.“ In einer zweiten, 1978 veröffentlichten und mittlerweile verbreiteteren Fassung fehlt der letzte Satz; die Geschichte endet mit: „Nichts.“ (Quelle: wikipedia).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Linie Q“

Es ist vorbei…

Hier führt das Rasen in den Abgrund zunächst nur die Stufen eine Ebene hinunter – die Performance ist – überall aber auch angekündigt – nicht barrierefrei. Hier finden sich Zelte und Zeltwände als mehr als halboffene Unterschlüpfe. Natürlich mit weiteren QR-Codes und Video- und Audio-Erzählungen – mit den oben schon erwähnten künstlichen, aber natürlich klingenden, Stimm-Verzerrungen, aber halbwegs gemütlichem Verweilen mit einem Mittelding aus Camping- und Notausrüstung bis der Satz fällt: „Die Zeit der Menschen ist vorbei!“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Linie Q“

Predigen vs. handeln

Worauf es nochmals abwärts geht, noch ein Stockwerk runter: In einer Art düsterer Großraum-Disco „predigt“ ein Mensch mit glitzernder Maske in rhythmischer, teils fast rappender Sprache an einem DJ-Pult die (Umwelt-)Sünden der Menschen wie in einer Art Jüngstem Gericht. Allerdings ist der Raum selbst an Wänden und Decke – nur der Boden nicht – mit Unmengen von Alufolie ausgekleidet. Vielleicht der sichtbare Ausdruck dafür, wie Anspruch und Wirklichkeit in Sachen Umweltschutz oft sehr weit auseinanderklaffen?

Wobei der Text in diesem Abschnitt aus Menschenhirn und -hand und nicht von einer KI stammt 😉

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Symbolisches Motiv zu Linie Q
Symbolisches Motiv zu Linie Q
Szenenfoto aus "Elefanten in Blutadern"

Sich in die (eigene) Kindheit tanzen

In einem alten Haus am Linzer Pfarrplatz mit leicht abgefuckt, aber irgendwie heimelig wirkenden Wänden, dem sogenannten „Raumschiff“ führen sich Edith Buttingsrud Pedersen und Sarah Plattner im kleinen Performanceraum auf dem weißen Tanzboden mehr und mehr auf. Was sie mit zeitgenössischem, akrobatischem Tanz beginnen, lassen sie gekonnt, geplant und manches doch sehr improvisiert ausschauen lassend, in wildes Spiel „eskalieren“.

Wand

Der Titel der Performance „Elefanten in Blutadern“ deutet schon das Schräge, Ver-rückt-verspielte an. Beginnt Sarah Plattner bald nach dem Start – ineinander „verknotet“ – ihre Tanz-Kollegin Edith Buttingsrud Pedersen sozusagen an die Wand zu drücken, drängt sich das sprichwörtliche elterliche Diktum von „manchmal könnt ich dich an die Wand picken“ auf. Was die Vorab-Beschreibung ankündigt, dass die Performance sich um den Versuch dreht, als Erwachsene sich wenigstens einige Stückerln Kindheit zurückzuholen, „zaubern“ die beiden in der nicht ganz ¾-Stunde mit wenigen dosierten Sätzen auf die Tanzfläche.

Wind

Sarah Plattner erzählt, dass ihre Kollegin sozusagen in die Rolle einer Frau schlüpft, die ein Rabenmädchen war, das von allen bewundert wurde, sie sich aber beschloss, ein Wind zu werden. Und so spielen neben dem Tanz der beiden auch Ventilatoren immer wieder eine gewisse Rolle. Wie Wind beginnen daraufhin die beiden eng aneinander zu tanzen ohne einander direkt zu berühren, sondern wie ein Windhauch aneinander vorbei zu fliegen. In dieser Phase – so am Beginn des zweiten Drittels, agiert auch die Technikerin ähnlich und lässt ihre Finger berührungslos über die Regler „tanzen“.

Rutschpartie

Die Technikerin macht danach kurzfristig einen Schritt auf die Bühne, um einen Zahnputzbecher zu reichen. Die Kinder werden sozusagen schlafen geschickt – und beginnen beim Zähneputzen damit ausgedehnt zu spielen, die Zahnpasta als Mittel zu nutzen, um sich Bärtchen und anderes zu schminken. In den letzten Minuten spielen die beiden mit bunten Wackelpuddings, „bauen“ daraus samt Wasser eine Art Rutschbahn, auf der die zuvor eher den zurückhaltenderen Part tanzende Sarah Plattner ärgstens ausgelassen dahinschlittert. Die beiden sind spätestens in diesen Momenten zu wilden Kindern geworden.

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Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für die ersten vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.

Szenenfoto aus "Do the Calimero"

Musst du wer anderer werden, um die Welt zu retten?

Großartig sein wollen und draufkommen, dass da vielleicht doch nicht alles so hinhaut? Eigen- und Fremdbild möglicherweise nicht übereinstimmen? Oder gern wer anderer sein wollen -von Jean Paul Sartre über John Lennon bis zur Dorothy im Zauberer von Oz…

Na wenn schon, dann Fasching – da schlüpfen doch viele organisiert in Kostüme und/oder Rollen anderer! Tun sie auch im Theater. Warum nicht beides verbinden 😉

Die Musiker Dag Taeldeman und Andrew Van Ostade sowie die Schauspieler:innen Marjan De Schutter, Olga Kunicka, Mick Galliot Fabré und Amalia Daems Keereman von LOD muziektheater & hetpaleis und dazu noch die beiden Tänzerinnen Doris und Nathalie Bokongo Nkumu (Les Mybalés) aus Belgien mischten mit „Do the Calimero“ am Abend der Eröffnung in zwei Stunden die Bühne – und den Saal auf. Irritierten auch so manche im Publikum. Hatten allerdings bereits zu Beginn mit Einblendungen getriggert, dass ihre Aufführung kein „safe space“ werden würde.

Hochschaubahn der Gefühle

Von ruhigeren Momenten, in denen die Gehirne auf Hochtouren geschaltet werden mussten, um den gedanklichen Wendungen folgen zu können bis zu explosiv-chaotischen grellbunten Sequenzen, die ein Loslassen auslösten, spannte sich der Bogen des interdisziplinären, vielfältigen Auftritts der genannten Künstler:innen. Darunter ein kein 10-jähriges Mädchen, das dunkle Gedanken rund um Tod ins Mikro sagte – auf Flämisch (Übertitel auf Englisch und Deutsch), ließ den Atem stocken. Denn die fulminante Show war trotz ihres Karnevals-Settings ernsten Themen gewidmet – wie viele Stücke beim aktuellen Schäxpir-Festival in Linz unter dem Titel „magic“ zentrale Fragen, vielmehr Probleme der Menschheit und der möglichen Rettung der Welt auf vielfältigste, fast nie schwere Art und Weise aufgreifen, ansprechen, spielerisch be- und verarbeiten.
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Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für die ersten vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.

Szenenfoto aus "A forest to grow people"

Mix aus Live-Malerei und Tanz über ein wahrhaftiges Aufforstungsprojekt

Ein auf den Kopf gestellter Baum, der Strich für Strich live auf der Bühne weitergezeichnet und groß auf die halbrunde Leinwand projiziert wird, entpuppt sich bald als so etwas wie Lungenflügel. Mit Wasserfarben „zaubert“ Luciana Bencivenga diese Bild in „A forest to grow people“ auf Papier. Den rechten Lungenflügel – aus der Sicht der Malerin und somit der Betrachter:innen – malt sie vor allem grün zu einem Wald aus – auch mit bunten Blüten. Der zweite wird grau und gräulicher, als würde dieser Mensch rauchen. Tut es auch – aus Schloten und Rauchfängen kantiger unpersönlicher Wolkenkratzer-Klötze. Auf der anderen Seite wächst ein junger Mensch heran.

Getanztes Bilderbuch

Und damit wird das erste – ständig erweiterte Bild zum Symbol für die Wirklichkeit, in der Shalev Anandi Rozin ab 2008 aufgewachsen ist. Sie kommt spät von hinter dem Publikum auf die Bühne und beginnt zu tanzen, teils tanzen auch die projizierten Bilder auf ihrem Körper. Die beiden erzählen live – vor allem in Bildern und Bewegungen, hin und wieder auch gesprochen (auf Englisch) und wie eine ganz andere Art von untertiteln – als deutscher Text in einer Bilderbuchversion vom Wieder-Aufforstungsprojekt Sadhana-Forest in Südindien.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „A forest to grow people“

1300 km2 (ungefähr drei Mal die Fläche Wiens) riesiger Wald wurde in der besagten Gegend vor rund 200 Jahren von den Kolonialbesitzern abzuholzen begonnen. Übrig blieb – nichts. Leere, Ödland, trockene Erde. Shalev Anandi Rozins Eltern zogen aus Israel in diese Gegend, wo sie in einer Gemeinschaft mit einer Handvoll anderer Menschen begannen, die ersten neuen Bäume zu pflanzen. Als die nunmehrige 15-jährige Tänzerin geboren wurde, gab es bereits 11.000 Bäume, heute sind es 150.000 „Maschinen gegen den Klimawandel“.

Zufall

Choreografin Elda Gallo war vor einigen Jahren zufällig in Indien auf dieses Projekt gestoßen und hatte die Idee geboren, daraus ein Stück zu machen. Diess schaffte es im Vorjahr ins Finale des Dschungel-Wien-Nachwuchsbewerbs „Try Out!“. Dort gewann es zwar nicht, konnte aber dennoch vom Team zu einer Vollversion weiterentwickelte werden, die nun im Theaterhaus für junges Publikum im Wiener MuseumsQaurtier in seiner rund ¾-stündigen Vollversion eine Aufführungsserie bis 7. Juni 2023 erlebt – Details siehe Infobox.

Gebannte Jugendliche

Das Zusammenspiel von Live-Malerei und Tanz entlang der wahren Geschichte verschmilzt und verschwimmt zu einer berührenden Einheit, die Freitagvormittag als Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… die Aufführung besuchte, die voller Jugendlicher war, dieses junge Publikum völlig in den Bann gezogen hat. Im anschließenden Publikumsgespräch wollte abschließend Elda Gallo von den Jugendlichen wissen, was ihnen spontan zu dem Stück einfalle. Nach vielen „super“ und „perfekt“ meinte eine Schülerin, das erste Wort das ihr dazu einfalle sei „Wahrheit“.

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „A forest to grow people“
Szenenfotos aus der Generalprobe von "Der Goldene Faden" der inklusiven Tantstudios "Ich bin O.K." im Theater Akzent (Wien)...

Lustvoll und bewegend getanzter schwieriger Weg zum Streit-Aus

Sarah-Ann Neugebauer und Marie Keller stehen mit fetten Kopfhörern auf den Ohren vor einer der seitlichen Türen des gerammelt vollen Publikumssaals im Theater Akzent. Als Geschwister Laskera und Lesina beginnen sie zu schwingen. Offenbar hören sie tanzbare Musik. Der große rote Bühnenvorhang ist noch zu. Nun kommt Musik – offenbar jene, die die beiden schon über ihrer Kopfhörer vernommen hatten, auch aus den Lautsprechern, die beiden tanzen durch die Gänge zwischen den Zuschauer:innen-Blöcken, nähern sich der Bühne, auf der ein gelbes Seil wie eine Schlange liegt. Die beiden betreten die Bühne, der Vorhang öffnet sich und gibt die Blicke frei.

In der Mitte auf einem Podest steht eine weißgekleidete Frau mit urururur….langen „Haaren“, goldgelben, die sich links und rechts auf der Seite der Bühne bis zum vorderen Bühnenrand über den Boden schlängeln. Sara Willnauer stellt sich als Hüterin der Zeit vor – begleitet von etlichen ebenfalls weiß gekleideten Tänzerinnen und Tänzern. Das Spiel kann nun voll beginnen. „Der Goldene Faden“ heißt die aktuelle Produktion der inklusiven Tanzstudios „Ich bin O.K.“, die am Welt-Down-SyndromTag (21. März) ihre erste Aufführung vor Publikum erlebte, die Vorpremiere vor viiiielen Schülerinnen und Schülern. Die spendeten immer wieder spontan auch zwischendurch Szenenapplaus. Und nach rund eineinhalb Stunden als manche schon das vermeintliche Ende empfanden „Zugabe! Zugabe!“-Rufe. Was die Tänzer:innen insofern gaben, weil das Stück noch eine ¼ Stunde weiterging.

Grün gegen lila – oder umgekehrt

Die beiden – eingangs genannten – Geschwister führen durch das Stück, das die Kinder und Jugendlichen in einem wochenlangen Prozess selbst entwickelt hatten. Alles dreht sich um Streit. Immer und immer wieder geraten – ausgehend von Königin (Stephanie Platzer) und König (Severin Neira) Kinder, Hofstaat und alle aneinander, mehr oder minder heftig. In einer langen, abenteuerlichen Reise gelangen die Geschwister, die selber auch anfangen zu streiten in ein Labyrinth, das sie durchqueren müssen, um den magischen Kristall zu finden. Mit dem können Streithansl und -Gretl, sprich Königin und König, sie grün, er lila gekleidet, in die Zukunft schauen, wie sie der Streit zu Gewalt und Krieg weiterentwickeln würde.

Doch so schnell lernen sie nicht daraus. Es kommt zu mehreren Rückfällen ins alte Verhaltensmuster bis sie … – natürlich gibt es ein Happy End – gefeiert mit einem Friedensball, nachdem das Monarch:innen-Duo sich zuvor noch einmal gestritten hat ob Friedensfest oder Versöhnungsball. Ach ja, und die Geschwister befreien die beiden auch von ihren Kronen, die nun reihum alle paar Augenblicke wer anderer auf dem Kopf trägt – kein herrschendes Paar mehr, sondern gemeinsam bestimmen alle mit.

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Weitere Aufführungen bis 30. März sowie zwischen 17. und 23. April 2023 im Theater Akzent – siehe im ausführlichen Info-Block, in dem auch alle Mitwirkenden auf und viele hinter der Bühne angeführt werden.

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hat schon ausführlich von einer Probe berichtet – zu diesem Bericht und einem Interview mit einer Darstellerin, die in mehrere Rollen schlüpft, hier unten.

Szenenfoto aus "Happy Hype" zum Abschluss des Skin #4-Festivals im Dschungel Wien

Ausgelassene Lebensfreude als Energie-Boost

Gehupe vor dem Theaterhaus im Wiener MuseumsQuartier. Schräge, bunte, diverse Typ:innen* sorgen fast für Kreischalarm beim Publikum. Und Aufregung bei einem Mitglied des MQ-Wachdienstes, der die Künstler:innen gar nicht weiterfahren lassen will. Wobei, die haben ihr Ziel erreicht, steigen, nein eher springen aus dem Auto, tanzen, wälzen sich tänzerisch über den Boden, laden die Zuschauer:innen ein, gleich mitzuswingen…

Bevor sie im großen Saal die Hütte zum Kochen bringen. In teils unglaublichen never ending akrobatischen Tanzbewegungen schütteln sie pure Lebensfreude und schier endlose Kraft aus ihren Körpern. Energie, die sie – immer wieder Einzelnen aus dem auf dem Boden umsitzenden, später -stehenden direkt senden.

Zu den fünf Tänzer:innen von Collectif Ouinch Ouinch – Marius Barthaux, Karine Dahouindji, Elie Autin, Adél Juhász, Collin Cabanis – muss mindestens noch die Live-Djane Maud Hala Chami aka Mulah genannt werden, die nicht nur die Regler bedient, sondern wie eine Dirigentin einerseits agiert und andererseits nicht selten auch hinter ihrem Elektronik-Pult mittanzt.

Die gute Stunde mitreißender Tanzperformance geht übrigens nahtlos in eine Mittanz-Party über, die den Abschluss des Festivals Skin #4 im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum, bildete – und sehr ansteckend und kraftspendend ist.

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Foto aus dem Kinofilm "Lass mich fliegen": Raphael Kadrnoska und Johanna Ortmayer

Tänzer:innen nun in einem Kinofilm

Demnächst tanzen sie auf der Bühne des Wiener Akzent-Theaters als wilde Tiere, Mitglieder des Hofstaates, im Ballkomitee und als Teil des langen Drachenkörpers in „Der Goldenen Faden“ des inklusiven Tanztheaters „ich bin o.k.“ auf (KiJuKU berichtete über Proben daran – Link dazu am Ende des Beitrages). Ab Freitag spielen sie Hauptrollen in einem Kinofilm: Johanna Ortmayer, Raphael Kadrnoska und Magdalena Tichy. Wobei in „Lass mich fliegen“ schlüpfen sie nicht in andere Rollen, sie sind zwar auch bei Tanzproben zu sehen, aber sie wurden in erster Linie in filmischen Interviews zu sehen, wo sie über Freundschaft, Liebe, ihr Leben und ihre Zukunftswünsche gefragt werden. Die beiden Erstgenannten zum Beispiel leben seit mehreren Jahren zusammen, wollen heiraten und Kinder kriegen.

Foto aus dem Kinofilm
Foto aus dem Kinofilm „Lass mich fliegen“: Rechts im Bild Magdalena Tichy

Diva und Rampensau

Magdalena Tichy sagt darin von und über sich: „Die Bühne ist mein Leben“ und ihre Eltern würden sie „Diva oder manchmal auch Rampensau“ nennen, „ich steh gern im Mittelpunkt“. Und sie schreibt gern Gedichte, u.a. diese Zeilen:

„Mein Kopf dreht sich. Gedanke ist zerstreut. Im Sturm. Ich bin eine Feder. Der Wind dreht und wendet mich. Der Wind ist die Freiheit. Lass mich fliegen. Ich will nicht am Boden liegen bleiben.“

Daraus hat sich Drehbuchautorin und Regisseurin Evelyne Faye den Titel ausgeborgt. Zwei weitere Protagonistinnen sind Andrea Halder, ebenfalls eine junge Erwachsene, die über sich und ihr Leben, ihre Wünsche, ihre Forderungen erzählt und das sehr junge Kind Emma Lou Faye-Horak – genau der Name lässt vermuten: Sie ist Tochter der Filmerin, eines von drei ihrer Kinder.

Foto aus dem Kinofilm
Foto aus dem Kinofilm „Lass mich fliegen“: Emma Lou Faye-Horak

Selbstvertretung

Andrea Halder hat ein Zertifikat als Betreuerin älterer Menschen mit Demenz-Erkrankung. Das wolle sie auch als Beruf ausüben. „Aber keiner will mich, immer nur auf Probe oder ehrenamtlich“.

Hindernis für eine Anstellung ist eine Diskriminierung, wie sie auch die anderen genannten Protagonist:innen in verschiedenen Bereichen trifft und wogegen vor allem Magdalena Tichy kämpferisch auf- und eintritt: „Ich will, dass die Leute mich so sehen, wie sie andere Leute ansehen und nicht als „Down Syndrom Mensch“ – ich hasse diese Etikettierungen.“ Genauso die Schublade „Behinderung“. Nicht zuletzt deswegen will sie auch für eine Selbstvertretung als „Kund:innen-Rätin“ kandidieren, wo sie sich auch gegen andere Arten der Ausgrenzung und für Gleichstellung stark machen will: „Eheschließung, und auch die sexuelle Vielfalt sollte damit eingeschlossen werden, auch lesbische, schwule, polyamore Beziehungen, das wird immer tabuisiert“, sagt sie im Film in einer Besprechung.

Foto aus dem Kinofilm
Foto aus dem Kinofilm „Lass mich fliegen“: Andrea Halder

Trick-Tipp für Eltern

Die schon genannte Andrea Halder sagt auf die Frage, wie die Welt verändert werden könnte unter anderem „Wir können so viel geben, wenn uns die anderen machen ließen. Nur wegen Vorurteilen lassen sich viele nicht auf uns ein und sehen nicht das Potenzial in uns.“

Sie gibt aber auch humorvoll einen „Geheim“-Tipp, der ihren Eltern einst eingefallen ist, weil sie als Kind immer wieder von Angeboten ausgegrenzt worden ist, wenn Kurs- oder Workshop-Leiter:innen erfahren hätten, dass sie Down-Syndrom habe. Statt zu betteln oder drohen, hätten sie folgende Taktik ausgetüftelt: „Anmelden – anzahlen – abstellen – abhauen.“ Das Abhauen bezog sich auf die Eltern. Andrea konnte sie die jeweiligen Workshops, Kurse usw. besuchen – und deren Leiter:innen kamen auch rasch drauf, dass dies auch alles andere als ein Problem war.

In dem vor zehn Jahren von Erwin Wagenhofer veröffentlichten Film „Alphabet“ war übrigens einer der Protagonisten Pablo Pineda Ferrer. Der spanische Lehrer, Schauspieler und Autor war – laut Wikipedia – der erste Europäer mit Down-Syndrom, der ein universitäres Studium absolvierte.

Foto aus dem Kinofilm
Foto aus dem Kinofilm „Lass mich fliegen“: Raphael Kadrnoska und Johanna Ortmayer

Auf Augenhöhe

Im nicht ganz 1 ½-stündigen Film „Lass mich fliegen“ begegnet die Kamera (Bildgestaltung: Michael Schindegger) den genannten Protagonist:innen auf Augenhöhe. Und verwirklicht damit das, was Aktivist:innen aus unterschiedlichsten Bereichen von Menschen, die behindert werden, sagen: „Nicht ohne uns über uns!“

Trotz der seit eineinhalb Jahrzehnten gültigen UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist dies übrigens – im Gegensatz zu vielen Beteuerungen von Inklusion – noch immer oft nicht der Fall.

Regisseurin Evelyne Faye
Regisseurin Evelyne Faye

Am Beginn: Eigene, private Fragen der Regisseurin

Im Medienheft zum Film erklärt die Regisseurin Evelyne Faye: „Einen wesentlichen Anstoß haben meine eigenen Fragen zu Emma Lous Leben, Zukunft und ihrer Lebensqualität geliefert. Von ihrer Geburt an war ich mit einer Dynamik konfrontiert, die ich bei meinen anderen beiden Kindern nicht erlebt habe. Seitens von Ärzt:innen oder Therapeut:innen wurde mir sehr rasch erzählt, wie sie sein wird, was sie wird machen können und vor allem was sie nicht wird machen können. Emma Lou ist nun zehn und ich habe den Eindruck, in jeder Lebensphase wird mir über sie viel erzählt, anstatt dass man zunächst einmal hinschaut, wie sie ist, welche Persönlichkeit sie hat. Als sie geboren wurde, wurde mir mitgeteilt, dass sie sich mit Down-Syndrom so und so entwickeln würde. Sie hatte noch nicht mal die Chance gehabt, sich zu zeigen, da wusste man schon über ihre Zukunft Bescheid.“

Kleine – kritische – Anmerkung: Obwohl der Film sich sehr wohltuend und durchgängig von dieser weit verbreiteten Defizit-Beschreibung total entfernt und eben genau die genannten Protagonist:innen über sich selbst – ausführlich – zu Wort kommen lässt, finden die sich auf dem Plakat zum Film NICHT genannt, sondern nur Menschen hinter der Kamera und rundum, die den Film ermöglichten und produzierten.

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Plakat zum Film
Plakat zum Film „Lass mich fliegen“
Hüterin der Zeit

Nicht mit halbem Ohr, sondern mit ganzem Herzen

„Wo ist denn dein Kopf?“, „Ihr könnt noch nicht gehen, ihr müsst noch tot bleiben!“, „Bist du ein Wolf oder ein Gepard?“ Sätze wie diese, die vielleicht aufs Erste verwirrend klingen würden, schwirren an diesem Sonntag durch den großen Turnsaal im Evangelischen Gymnasium in Simmering in unmittelbarer Nähe der Gasometer und der gleichnamigen U3-Station.  Die Schule, die übrigens einen neuen Zweig mit Musik- und Schauspielausbildung anbietet, öffnet derzeit über einige Wochen hindurch den Turnsaal für die Tänzer:innen der inklusiven „Ich bin O.K.“-Studios.

Mit Hochdruck, aber nie mit Drill, wird hier für das Stück „Der Goldene Faden“ geprobt. Immerhin ist schon am 21. März Premiere im Theater Akzent. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… darf an einem solchen Sonntag ein paar Stunden die Arbeit an einigen Szenen beobachten – und fotografieren bzw. filmen.

Getanzter Kampf

Zunächst steht der Krieg von Wölfen gegen Geparde auf dem Programm. Wie kommen die beiden Gruppen von den beiden Seiten der Bühne – der Rand ist mit einem Klebestreifen markiert – aufeinander zu. Welche Tanzbewegungen symbolisieren den Kampf. Wie nehmen sie die glänzenden zu Türmen aufgebauten Kartons um sie als „Waffe“ einzusetzen. „Aber Vorsicht, die dürfen dabei nicht kaputtgehen“, kommt die Warnungen von einer der Langbänke vor der Sprossenwand. Und wie „sterben“ sie gekonnt im Kampf, ohne dass sich wer wehtut…

Nach drei Probedurchläufen stellt sich Zufriedenheit bei Attila Zanin ein, der in dem Fall wegen Ausfällen selber als Wolf mitkämpfen muss.

Streit, Zeit, Kristall

Nun geht’s an Teile von Riesen-Szenen, bei denen Hana Zanin-Pauknerová, die das Stück inszeniert, den Überblick bewahrt, sacht und sanft die Tänzer:innen dirigiert: Königin und König (Stefanie Platzer und Severin Neira) streiten. Die Hüterin der Zeit (Sara Wilnauer) mit 1000 Jahre langen goldenen Haaren und ein Drache (Elena Halkias) aus. Mehreren Tänzer:innen sind die Hoffnungsträger:innen für Frieden. Aber so leicht lassen sich die Streitparteien nicht darauf ein, ziehen viele andere mit den Sog der bösartigen Auseinandersetzungen. Ein leuchtender riesiger „Kristall“ (eine Kugel, die per Fernbedienung die Farbe des Lichts ändern kann) spielt auch noch eine Rolle. Einzelne der langen Haare helfen die Zeit zurück zu drehen, die Kugel ermöglicht den Blick in die Zukunft – also das Verderben der gewaltigen Streitereien…

Da braucht’s schon einige Stunden, bis das so einigermaßen „sitzt“, das heißt viel mehr im richtigen Fluss abtanzt.

Streiten mach uns ärmer…

Viel mehr aus der Geschichte, von der einzelne Szenen in den verschiedenen Tanzgruppen erarbeitet worden sind, bevor sie zum gemeinsamen roten, pardon goldenen Faden zusammengesponnen worden sind, sei nicht verraten. Allerdings ein paar zentrale Zeilen aus einem der Lieder: Wir alle sind verschieden, wir alle sind uns gleich./ Streiten macht uns ärmer, nur Vergeben macht uns reich.“

Zaubermittel

Und der beste Weg dahin: „Damit Streit erst gar nicht entstehen kann, sollten wir versuchen, einander gegenseitig besser zu verstehen. Einander aussprechen lassen. Einander aufmerksam zuhören. Nicht mit halbem Ohr. Sondern aus ganzem Herzen.“

In einer anderen Szene, so viel darf gespoilert werden – nicht zuletzt, weil dies auch im Interview mit einer Tänzerin zur Sprache kommt -, geht’s auch um eine Art „Zauber“-Mittel bei der Streitbeilegung: „Lacht, aber bleibt respektvoll. Macht einander keine Vorwürfe. Sagt nicht, was der andere denken und fühlen sollte. Sprecht über eure eigenen Gefühle und Bedürfnisse.“

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Zu einem Interview mit Antonia Bögner, die in unterschiedlichen Rollen tanzt und spielt, geht’s hier unten – zu Infos wer was tanzt/spielt und wann und wo die Aufführungn stattfinden ganz am Ende in der großen Info-Box.

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Bunte, freidlich-fröhliche Tänzer:innen können die "grantige" Antonia letztlich mit Lachen anstecken

Mehr Körpergefühl, fitter und es macht Spaß

KiJuKU: Seit wann tanzt du bei und mit „Ich bin o.k.“?
Antonia Bögner: Seit 2010 – eigentlich, aber das war lange so eine Art hop on – hop off. Ab 2019 aber dann ständig und regelmäßig

KiJuKU: Da kam dann ja leider bald Corona und Lockdowns; wie war das in dieser Zeit?
Antonia Bögner: Sehr anstrengend.

KiJuKU: Habt ihr dann über Online-Videos getanzt?
Antonia Bögner: Ja, und Zoom-Meetings. War halt nicht schön.

KiJuKU: Was war das Nicht-Schöne daran?
Antonia Bögner: Das Zusammenkommen im Studio ist mir sehr abgegangen. Bei uns ist es normalerweise so, dass wir uns am Anfang alle fest umarmen, das konnten wir so ja nicht. Das Persönliche hat dann einfach gefehlt.

Jede Gruppe hat Geschichten entwickelt

KiJuKU: Wie kam’s zum jetzigen Stück?
Antonia Bögner: Am Anfang hieß es noch „Geschichtenbaum“. Jede Gruppe hat sich ein Thema ausgesucht. Das war dann zuerst ziemlich riesig und wurde dann zusammengefasst und auf „Der goldenen Faden“ umbenannt.

KiJuKU: Du spielst wen oder was?
Antonia Bögner: Die Königin – in der einen Gruppe. Wir haben zwei, eine orangene und eine rote, die jede ein paar Vorstellungen spielt und tanzt.

KiJuKU: Hast du dich dafür gemeldet oder wurdest du für diese Rolle gefragt?
Antonia Bögner: Das war lustig, weil der Christoph und ich haben ja bei der Opernball-Eröffnung mitgetanzt. Dadurch hat sich gezeigt, dass wir tänzerisch eh gut harmonieren und so sind wir das Königs-Königinnen-Paar geworden.

Springerin und Grantlerin

KiJuKU: Du spielst und tanzt aber auch mit der andere, der roten, Gruppe, heute hab ich dich bei den Proben als Raubtier gesehen?
Antonia Bögner: Es gibt den Krieg zwischen den Wölfen und Geparden. Ich bin Springerin, das heißt, wenn wer ausfällt, spiel ich einen der Geparde. Und ich spiel auch noch in der Humor-Szene mit. Da spiel ich zuerst, dass ich grantig bin. In dieser Szene wird uns Grantigen aber gezeigt, dass wir das Leben auch mit Humor nehmen können, sollen, dürfen, müssen.

KiJuKU: Ist das Switchen von zuerst grantig und dann fröhlich spielen leicht oder schwierig oder was ist das Leichtere?
Antonia Bögner: Das Leichtere ist das Fröhlich-Sein.

KiJuKU: Wie und was musst du machen, um auch das Grantige gut zu spielen?
Antonia Bögner: Das ist schon schwer. Ich muss halt überlegen und im Kopf an eine Situation denken, in der ich echt grantig war.

KiJuKU: Das Rauskommen ist dann einfach?
Antonia Bögner: Durch das Lachen aller rundum komm ich dann raus aus meinem Grant-Spiel.

Humor

KiJuKU: Gibt es Szenen, die dir besonders wichtig sind?
Antonia Bögner: Dass man das Leben mit Humor nimmt und nicht immer grantig ist.

KiJuKU: Machst du selbst das im echten Leben sowieso?
Antonia Bögner: Kommt drauf an.

KiJuKU: Gibt’s Situationen, wo du jetzt eher mit Humor drangehst?
Antonia Bögner: Glaub ich eher nicht.

Proben für den getanzten Kampf von Wölfen und Geparden
Im Kampf geschlagen, aber noch nicht „gestorben“ …

Mehr als ein Hobby

KiJuKU: Du tanzt jetzt schon einige Jahre, was bedeutet Tanz für dich? Ist es nur ein nettes Hobby oder mehr?
Antonia Bögner: Es ist definitiv mehr.

KiJuKU: Und zwar?
Antonia Bögner: Ich mach’s hobbymäßig sehr, aber will auch tiefer eintauchen, mich tänzerisch auch weiterentwickeln.

KiJuKU: Hat das Tanzen auch Auswirkungen für dein Alltagsleben?
Antonia Bögner: Erstens ist es sehr gut für das Körperliche, weil ich da meinen Körper besser wahrnehme, verstehe, wie sich der Körper bewegt. Für die Fitness ist es auch gut. Und es macht Spaß. Wenn ich zum Beispiel grantig oder wütend bin, kann sich das durch Tanzen lösen.

Und im Alltag?

KiJuKU: Gibt’s dann in deinem Alltagsleben Situationen, in denen du grantig bist und es in deinem Kopf Click macht und du dir sagst, jetzt könnt ich eigentlich tanzen?
Antonia Bögner: Das gibt’s oft. Ich hör gern und oft Musik. Und in so einer Situation stell ich mir dann vor, wie ich da jetzt tanzen würde.

KiJuKU: Das heißt, du musst dann gar nicht tanzen, sondern die Vorstellung allein hilft schon?
Antonia Bögner: Genau.

KiJuKU: Neben Tanz machst du aber bei „Ich bin O.K.“ auch noch etwas?
Antonia Bögner: Ja, ich betreue Social Media und betreibe den Instagram-Account gemeinsam mit Werner Schuster. Ich versuch, jeden Tag was zu posten, geht nicht immer. Ich bin hauptsächlich auf Storys und Reels fokussiert, weil es dadurch Persönlicher ist als nur Fotos zu posten.

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Hier unten geht’s zu einer Reportage vom Probenbesuch – mit mehr als 150 Fotos und drei Videos.

Proben-Szenenfoto aus "Unisono" von makemake produktionen

Getanzter vielstimmiger Einklang

Bevor die vier Akteur:innen den schwarz-glänzenden Tanzboden erobern, spielen sie abseits im Hintergrund mit Bällen. Jede und jeder peppelt einen eigenen Ball hörbar auf den Boden. So lange bis sie einen gemeinsamen Rhythmus finden, sozusagen Gleichklang herstellen. Ein Quartett im Einklang. „Unisono“ heißt die jüngste Performance des Kollektivs makemake produktionen. In Kooperation mit WuK performing arts tanzen und spielen die Künstler:innen im Projektraum des Werkstätten- und Kulturhauses in einem der schon renovierten Trakte mit neuem Eingang.

Barca Baxant, Kajetan Uranitsch, Steffi Wieser und Martina Rösler, die kürzestfristig für die erkrankte Emmy Steiner eingesprungen ist, was ihr nahtlos gelingt, zeichnet sie doch immerhin für die Choreografie verantwortlich. Zu Musik von Katharina Ernst verhandeln die vier nicht nur die nicht immer einfachen Wege zu Einklang, zu einem Miteinander, hin und wieder auch Gegeneinander – etwa wenn für die vier nur drei Äpfeln und eine Zwiebel da sind.

Sie setzen sich – die meiste Zeit ganz ohne Worte, ausschließlich durch ihre Bewegungen intensiv auch mit dem Gegenteil auseinander. Wie gelingt es, nicht in der Masse aufzugehen, sich aus dieser hervorzuheben – das wird auch verbalisiert: „Wir befreien uns aus der grauen Masse und die Masse aus sich selbst.“ (Texte: Theresa Seraphin).

Dennoch ist das Tanzstück „Unisono“ (ab 12 Jahren angegeben, bei der Vorstellung, die Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… besuchte, saßen oder bewegten sich auch viel jüngere Kinder im Publikum, von denen die meisten aber recht fasziniert den Bewegungen auf der Bühne folgten) alles andere als ein Plädoyer für Vereinzelung – und schon gar nicht für egoistisches Ellenbogen ausfahren. Die eigene Persönlichkeit finden, bewahren und dennoch zu einer Gemeinschaft, zu einem Miteinander in immer wieder neuen Formen kommen, ohne in einem Einheitsbrei aufzugehen – das vermittelt „Unisono“ – sozusagen eine Art vielstimmiger Einklang 😉 Geht ein wenig in die Richtung von „Ubuntu“ – dem aus der südafrikanischen Sprache Zulu kommenden Wort (übersetzt mit Menschlichkeit ebenso wie Nächstenliebe und Gemeinsinn), das Begriff für eine ganze Lebensphilosophie wurde für den engen Zusammenhang zwischen dem „ich“ und dem „wir“.

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Szenenfoto aus „Hvad er det?“ (Was ist das?)

Entdeckungen beim Tanz auf und mit Teppichen

Eine Teppichlandschaft. Grau in Grau, umgrenzt von ebenfalls aufgerollten Teppichstücken.  Ebenfalls grau. Lediglich dunkler – so wie die noch weiter an den Wänden liegenden Teppichrollen, die als Sitzreihen dienen. Nur zwei – entrindete – Baumstücke und einige gerippte große helle Rollen dienen – zunächst – als Farbtupfer auf der Bühne.

In hellerem Grau gekleidet die beiden Tänzer:innen – Ole Birger Hansen, Antoinette Helbing. Schritt für Schritt erkunden sie den Boden unter ihren Füßen. Sie bücken sich, um auch mit ihren Händen den Filz zu entdeckten. Zu spüren. Dabei bleibt es nicht, nach und nach, mal ganz langsam und sanft, dann eher heftiger versuchen sie die (Teppich-)Böden mit möglichst vielen Teilen ihrer Körper wahrzunehmen.

Szenenfoto aus „Hvad er det?“ (Was ist das?)
Szenenfoto aus „Hvad er det?“ (Was ist das?)

13 Stücke, 7 Länder, 62 Vorstellungen

„Hvad er det?“ (Was ist das?) heißt diese Performance von Aaben Dans aus Dänemark (Konzept / Choreografie / Inszenierung: Thomas Eisenhardt, Kamilla Wargo Brekling). Sie gastieren damit beim BimBam-Festival – unter anderem im Toihaus Theater in der Stadt Salzburg. Von hier nimmt dieses zweijährlich stattfindende Theaterfestival für Klein(st)Kinder – und zieht immer weitere Kreise. Bei der aktuellen Ausgabe, von der Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… auf Einladung der Veranstalter:innen zwei Tage lang berichtet, werden Aufführungen nicht nur im Land Salzburg, sondern auch in Oberösterreich und Oberbayern gespielt (insgesamt 62 Vorstellungen 13 verschiedener Stücken aus sieben Ländern) noch bis 19. März 2023 gespielt – siehe Info-Block.

Zurück zum fast durchgängig fast wortlosen Tanz zur Erforschung des Untergrundes – aber auch der eigenen Beine, Arme – und der des/der anderen. Bis hin zum ineinander verknüpft sein mit den Armen wie bei großen Ringen von Magier:innen. Nach und nach schauen sie auch unter den einen oder anderen Teppichteil – und finden rote, blaue Vierecke – meist aus Filz, auch noch in weiteren Farben. Aus der einen oder anderen Teppichrolle fischen oder schieben sie Schlangen aus Stoffteilen – und bringen so immer mehr Farbe ins Spiel.

Szenenfoto aus „Hvad er det?“ (Was ist das?)
Szenenfoto aus „Hvad er det?“ (Was ist das?)

Tanz, Objekte, Licht, Musik

Wobei Farben auch von anderen Objekten kommen, die Teil des choreografierten Spiels sind – vom Licht – aus Lampen, aber auch aus mindestens einem der Röhren-Objekte (Licht/ Technik / Produktion: Elke Laleman; Bühnenbild / Kostüm: KASPERSOPHIE). Zu den Bewegungen der Tänzer:innen, den Objekten und den wechselnden Lichtstimmungen gesellt sich die Musik (Fredrik Lundin) eine weitere Dimension hinzu – die das Stück der Gruppe aus Roskilde (vor allem für das große Musikfestival auf der Ostseeinsel Sjælland, nahe Kopenhagen bekannt) zu einer sehr runden Sache macht.

Interaktiver Teil

Irgendwann nach rund einer halben Stunde (mit dieser Länge wird das Stück angegeben) laden die Tänzer:innen die umsitzenden, liegenden, stehenden, gehenden, hin und her schwingenden Kinder ein, die Bühne in der Mitte endlich auch erobern zu dürfen. So manche von ihnen wollten das ohnehin schon längst, was aber weder beabsichtigt und obendrein aufgrund vieler sehr schwungvoller Bewegungen des Duos auch zu riskant wäre.

Fast gleich viel Zeit wie für das Stück selbst wird dieser Phase des gemeinsamen Spiels eingeräumt. Apropos einräumen: Die Animierung, gemeinsam schön langsam all die bunten und grauen kleinen Filz-Vierecke in eine der kurzen, aufgestellten Röhren hineinzuwerfen ist der Übergang zum Ende auch dieses interaktiven Abschnitts.

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Zu einem Interview mit den Tänzer:innen und der Produzentin/Lichtdesignerin und Technikerin geht es hier unten

Compliance-Hinweis: Das Toihaus Theater übernahm die Fahrtkosten von Wien nach Salzburg und zurück sowie den eineinhalb-tägigen Aufenthalt.
Fortsetzung folgt

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Szenenfoto aus „Hvad er det?“ (Was ist das?)
Szenenfoto aus „Hvad er det?“ (Was ist das?)