(Vor-)Weihnachten heißt in vielen Theatern: Ein Stück für Kinder muss ins Programm. Schon lange nicht mehr immer eines, das mit dem bevorstehenden Fest und seiner Geschichte zu tun hat. Aber sehr oft jedenfalls ein Klassiker – entweder Märchen oder bekannte (Kinderbuch-)Figuren. Das Theater Forum Schwechat (übrigens mit der S-Bahn wirklich schnell von Wien aus erreichbar) baut sich seit einigen Jahren jeweils einen eigenen witzigen Märchen-Mix, aufgepeppt mit Musical-Einlagen.
Heuer (2025) ist es „König Drosselbart leicht verhext!“. Die Grundgeschichte dieses Märchens bleibt: Eine hochnäsige, eitle, überhebliche, alle anderen Menschen abwertende Prinzessin. Ein König, der sich in sie verliebt, den sie genauso erniedrigend abweist. Und ein Fluch, der sie dazu verurteilt, den nächstbesten Bettler zu heiraten und unter ärmlichen Verhältnissen leben zu müssen. Und natürlich, wie sich’s für ein Grimm’sches Märchen gehört: Happy End. Die verstoßene Prinzessin lernt Mitgefühl und der „Bettler“ entpuppt sich als – eben König Drosselbart…
Hier spielt sich’s in 1¼ Stunden, gewürzt mit eigenen Songtexten zu Melodien bekannter Hits, unter anderem zwei von ABBA (Details, siehe Info-Box) natürlich ein bissl anders ab. Abgesehen davon, dass die Prinzessin wenigstens einen Namen kriegt – Glinda (gespielt von Nadine Schimetta) – ist sie eine Internet-Celebrity. Aber sogar das bewerkstelligt sie nicht selber. Dafür hält sie sich eine Untergebene: Influencer-Schlumpfine. In deren Rolle springt die künstlerische Leiterin des Theaters, die sich auch – wie immer – die Geschichte ausgedacht und Regie geführt hat, ein (der vorgesehene Schauspieler, David Kieber, ist länger erkrankt). Die Influencerin filmt aber nicht nur ihre Chefin, sehr häufig dreht sie die Kamera-Ansicht und setzt sich selbst zentral und groß ins Bild.
Und dies geht technisch ausgetüftelt über die Bühne. Schlumpfine spielt nicht nur, als würde sie filmen, sie tut es mit einem Smartphone tatsächlich live. Die Bewegtbilder werden auf zwei senkrechte große Monitore überspielt – Zwischenstation einer von zwei Laptops, von dem aus dies gesteuert wird. Vom zweiten aus landen – teils KI-generierte – Bilder und Animationen als „Kulisse“, beispielsweise viele getöpferten Vasen und Töpfe, in einem Regal (Bühnenbild und diese Video-„Zauberei“: Thomas Fischer-Seidl sowie Werner Ramschak, Daniel Truttmann, Jakobus van Ederen, Manuela Seidl, Amy Parteli).
Zurück zum Schauspiel: Neu – im Gegensatz zum Original – ist eine grüne Hexe namens Elphaba (Amy Parteli), gleichzeitig die beste Freundin von Drosselbart (Mirkan Öncel). Sie ist es, die Glinda, nachdem sie Drosselbart als 10.000 Heirats-Bewerber gedemütigt hat, dazu verzaubert, sich dem besagten Bettler anzuschließen. Obendrein verhext sie die eigentlich selber Möchte-gern-Influencerin Schlumpfine zum Handy-Entzug.
Hier ist es übrigens nicht der Vater der Prinzessin, sondern ihre Mutter, auch die bekommt einen Namen, Marlene (gespielt von Sandra Högl), die an ihrer Tochter verzweifelt, auch wenn sie gleich in der Eingangs-Szene ein nicht unähnliches Verhalten vor dem großen Spiegel vorlebt. Drosselbart hat hier ebenfalls eine in Erscheinung tretende Mutter, Königin Nathalie (Sabrina Zettl).
Seit 30 Jahren und damit fast sein halbes Leben schlüpft der bekannte Autor Thomas Brezina im Advent in die Rolle eines Art Weihnachtsmanns, bringt Kindern in der Klinik Ottakring (vormals Wilhelminenspital) Bücher – Und Zeit für das eine oder andere Gespräch mit jungen und jüngsten Patient:innen. Aber auch der Gabenbringer fühlt sich selber beschenkt – durch die Freude der Kinder.
Die Aktion gemeinsam mit den Kinderfreunden war heuer zum runden Jubiläum noch ein bisschen größer – von der Begleitgruppe von Funktionär:innen und mit einem aufblasbaren 3er und 0er für Fotos neben und unter einem geschmückten Weihnachtsbaum im Eingangsbereich des Krankenhauses. Die Dutzenden Bücher wurden von den Verlagen G & G, Joppy und edition a zur Verfügung gestellt.
„Dass wir nun schon seit drei Jahrzehnten Kinder in der Klinik Ottakring besuchen dürfen, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Die Freude der Kinder ist jedes Jahr aufs Neue ein riesiges Geschenk. Besonders berührt mich, dass mich heute Erwachsene ansprechen, die damals als Kinder hier lagen und sich noch an meinen Besuch erinnern. Mein größter Respekt gilt allen Mitarbeiter:innen der Kinder- und Jugendabteilung, die so viel dafür tun, dass sich Kinder und Eltern im Krankenhaus wohlfühlen. Es ist wunderbar, dass wir mit dieser Aktion seit so vielen Jahren Freude bereiten können“, erklärt Thomas Brezina in einer Medien-Aussendung der Wiener Kinderfreunde.
Margarethe Maurer, Bereichsleiterin Pflege der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde der Klinik Ottakring, betont die besondere Bedeutung des Jubiläums: „Die Kinder freuen sich jedes Jahr sehr. Wenn Thomas an ihr Krankenbett kommt und sich mit ihnen unterhält, gibt es immer leuchtende Augen. Wir bedanken uns herzlich für diese jahrzehntelange Treue und die unvergesslichen Momente für unsere Kinder und ihre Eltern.“
„Diese schöne gemeinsame Aktion mit Thomas Brezina ist das Highlight unserer alljährlichen Weihnachtsbuchaktion. Seit den frühen 50er Jahren schenken die Kinderfreunde Bücher an Tausende Kinder und ermöglichen ihnen in Wien den Besuch eines Kinder(freunde)Musicals im Raimund Theater“, erklärt Nationalratsabgeordneter Christian Oxonitsch, Vorsitzender der Wiener Kinderfreunde. Apropos: Mehr zum diesjährigen Musical-Geschenk für rund 6000 Kinder in mehreren Vorstellungen in einem KiJuKU-Bericht am Ende des Beitrages verlinkt.
Vor elf Jahren, 2014, begleitete der Kinder-KURIER, Vorläufer von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Brezina bei seinen Krankenbesuchen in der Kinderabteilung des Krankenhauses im 16. Bezirk in Wien. Auf die Reporter-Frage, warum er bei dieser Aktion mitmache, meinte Brezina: „Ich komm jedes Jahr echt sehr gerne her, weil dieses Krankenhaus eine Atmosphäre ausstrahlt, dass es den Kindern und Jugendlichen hier gut geht und die Kinder sich über meinen Besuch, die Bücher und die Gespräche freuen. Und an dieser Freude teilhaben zu können, freut natürlich auch mich.“ (kiku.at – 2014; gesamter Beitrag unten ebenfalls verlinkt).
brezina-als-weihnachtsmann-im-wiener-wilhelminenspital <– damals im Kinder-KURIER
Der samtrote Vorhang wird zur Seite geschoben und auf der Bühne: Nichts als Wäscheleinen, behängt mit Socken, Geschirrtüchern, Kleinstkindergewand und einem riesigen Leintuch und Teebeutel (?). Rätselnde Blicke zu Beginn eines nicht ganz einstündigen Programms dreier Duos im „erstbesten Theaterhaus für Clownerie, dem Theater Olé in Wien-Landstraße.
Doch das erste Duo versteckt sich nicht zwischen oder hinter den Wäschestücken und den doch irritierend hier hängenden Teebeuteln. Aber clowneske Schauspieler:innen machen so manch scheinbar verrückte Dinge 😉
Christoph Singewald und Odilia Hochstetter als Kuno und Gloria tauchen dann von hinter dem Publikum auf – das darf gespoilert werden, noch sind keine weiteren Termine bekannt. Mit einem Wäschekorb. Und natürlich kommt’s beim Abhängen zu ziemlichem Chaos. Kleidungsstücke wie zwei Hosen werden von dem beiden zu eigenem Leben erweckt, die durch die Welt wandern. Und nachdem sie einmal erwähnen, sie müssten da jetzt eigentlich schnell die Wäsche im Korb verstauen, um die Bühne für das Theater frei zu machen, ruft mindestens eines der Kinder immer wieder „nicht stressen!“. Hin und wieder aber ergänzt von einem „ihr müsst noch aufräumen!“ Womit jene Kinder, die spontan reinrufen mindestens so viel Lacher kriegen wie die Bühnen-Clown:innen. Immerhin haben sie so ge-checkt, dass Clownerie nicht selten von Widersprüchlichkeiten lebt.
Das Prinzip von Gegensätzen, die – entsprechend gespielt – für viel Lachen sorgen, setzen die folgenden beiden Duos als scheinbare Gegner:innen. Zunächst schlüpfen Emanuelle Bidaud und Brigitte Cwickl als Dores und Bridget in die Rollen von Polizei und Verbrechen. Die Verbrecherin sorgt – trotz Bemühungen – nicht und nicht dafür, dass sich das Publikum fürchtet. Bitte, eher sogar bettelnd: „könnt’s euch ned a bissl fürchten!“
Erst als die Polizistin die insbesondere jungen und jüngsten Zuschauer:innen bitte, wenigstens so zu spielen, dass ihr euch fürchtet. Das gelingt, auch wenn insbesondere die Kinder mehr als nur durchblitzen lassen, dass sie ihre Angst mehr als übertreiben spielen…
Widersprüchlich auch die Ausgangsbasis für Duo Nummer 3 – alle sechs Clown:innen haben den zweisemestrigen Workshop des Theaters Olé absolviert: Alexander Czernin und Roman Seidl geben sich als Chef und Bauhackler, der auf die herrischen Anweisungen per Hand-zeigen da und dort was ausmessen muss. Bis das Maßband zum Blechsalat und gar zur Fessel für den Boss wird. Bis sie – wie auch das Duo zuvor einfach die Kopfbedeckungen tauschen – Bauhelm für den Chef und Polizeikapperl für die Verbrecherin…
Als gemeinsamen Titel für ihre dreiteiligen lustigen Duette verwenden sie den fast schon in Vergessenheit geratenen Begriff „Dreikäsehoch“ und fügen dem ein „in kariert und gestreift“ hinzu.
Wobei – wie Wikipedia weiß – dieser nicht nur „2007 zum drittschönsten bedrohten Wort der deutschen Sprache gewählt“ wurde, sondern vielleicht gar nix mit drei übereinander gestapelten Käselaiben als Größenangabe für Kinder zu tun haben könnte. „Andererseits wird vermutet, dass das Wort … vom französischen Wort caisse (deutsch: Kiste, Kasten) abstammt.“
Demnächst wird – wie jedes Jahr – in vielen Wohnzimmern vor dem Nadelbaum mit Glas- Kunststoff- oder auch selbst gebasteltem Schmuck ausechten Strohhalmen eines der wohl berühmtesten Lieder der Welt gesungen. Zu Weihnachten gehört „Stille Nacht! Heilige Nacht!“
In mehr als 300 Sprachen bzw. Dialekte ist jener Text, den Joseph Mohr 1818 gedichtet hat – zur Melodie, komponiert von Franz Xaver Gruber -, übersetzt worden. Übrigens hat Mohr sechs Strophen geschrieben, meistens werden nur die ersten beiden und die letzte gesungen.
Aber alle sechs Strophen sind – und das gleich zwei Mal – Teil des Bilderbuchs. In wenigen, knappen Sätzen und großen bunten Bildern, im Stile alter künstlerisch angefertigter Kinderzeichnungen – wird die (mögliche) Entstehungsgeschichte von Text und Musik dieses Liedes geschildert. Armut und schwere Lebensbedingungen schienen – dem Buch zufolge – am 24. Dezember 1818 durch, mit und nach dem Singen dieses Liedes in der römisch-katholischen Kirche St. Nikola in Oberdorf bei Salzburg fast wie weggeblasen. Wenigstens für einig Stunden. So die Legende.
Übrigens erfahren wir aus diesem Bilderbuch, das heuer, zehn Jahre nach dem ersten Erscheinen, neu aufgelegt wurde, warum die Melodie sozusagen zu einem Ohrwurm geworden ist. „Die Orgel in St. Nikolaus war alt und beschädigt. Franz Xaver Gruber versuchte also, für das Gedicht eine einfache Melodie zu finden, die sich leicht mit der Gitarre begleiten ließ.“
Nachdem das Duo aus Textdichter und Komponist das neue Lied anstimmten, und alle in der Kirche zunächst andachtsvoll gelauscht hatten, „verwandelte sich die Stille in einen großen Gesang…“
Die (ur-)alte Kirche wurde knapp mehr als 100 Jahre danach – nach dem ersten Weltkrieg (1914 – 1918) in langer Bauzeit (1924 – 1936) durch eine neu errichtete „Stille-Nacht-Gedächtniskapelle“ ersetzt. Vor fast 15 Jahren (2011) wurde das Lied von der für Bildung und Kultur zuständigen Organisation der Vereinten Nationen, UNESCO, zum immateriellen Kulturerbe in Österreich erklärt (Quelle: wikipedia, nicht das hier besprochene Bilderbuch)
Übrigens ist das Lied mit seinem Text so stark unter viiiielen Menschen in Hirn und Herz verankert, dass es den Nazis nicht gelungen ist, ihre Umdichtung, in der es unter anderem hieß, dass Adolf Hitler über alle wacht…, breit durchzusetzen!
Irgendwie trist die Bühnen-Szenerie, wenn das Publikum den Theaterort betritt: eine von einer hölzernen Bande U-förmig umgebene Bühne mit 15 leeren Sesseln. Nicht ganz leer – über den Lehnen hängen rote Uniformjacken. Hinter der Bande im vorderen rechten (vom Publikum aus) Eck dann doch drei Menschen in ebensolchen Blazern (Bühne und Kostüm: Rosa Wallbrecher; die uniformen Jacken sind eine Spende der Blasmusikkapelle „Harmonie“ aus dem Schweizer Wettingen-Kloster).
Das Schauspiel beginnt mit der Begrüßung zur Versammlung des Vereins, Feststellung der Beschlussfähigkeit und dem Hinweis, dass eigentlich 15 Minuten gewartet werden müsste, um verspäteten Vereinsmitgliedern die Möglichkeit zur Teilnahme zu gewähren.
Nein, das Publikum muss nicht warten, in Übereinstimmung mit diesem wird auf diese ¼ Stunde verzichtet und die erste Abstimmung – samt Publikum – kann starten. Es geht um die – wie der Stücktitel dieser österreichisch-schweizerischen Koproduktion schon verspricht – „Rettung der Blasmusik“.
Von manchen noch immer mit dem Vorurteil behaftet, überholt, von gestern, sehr konservativ, hat sie sich schon lange aus dieser Ecke gespielt. Das musste auch die ÖVP im Frühjahr 2024 beinahe leidvoll erfahren. In ihre selber vom Zaun gebrochene Kampagne zur „Leitkultur“ baute sie etliche Fotos von Blasmusik-Kapellen ein. Die damalige Jugendstaatssekretärin, in der jetzigen Regierung Kanzleramts-Ministerin für Familie, Integration, Europa, spielt selber seit ihrem 10. Lebensjahr Zugposaune in einer solchen in ihrem Heimatort Walding (Oberösterreich).
Doch der Präsident des Österreichischen sowie Landesobmann des steirischen Blasmusikverbands Erich Riegler wehrte sich öffentlich gegen die Vereinnahmung. „Als ich zu musizieren begann, glichen etliche Blasmusikkapellen noch Altherren-Clubs“, zitierte ihn die Wochenzeitung Falter. „Doch im Laufe der Jahrzehnte seien immer mehr junge Menschen – vor allem Frauen – aktiv geworden. Bei den unter 30-Jährigen stellen sie mittlerweile die Mehrheit, nämlich 55 Prozent der Mitglieder. Heute findet sich im Repertoire der Blasmusikkapellen auch viel zeitgenössische Musik.“ (Falter) „Wir schöpfen aus unserer Tradition und entwickeln uns weiter…Wir sind für alle offen.“ (Erich Riegler).
In der Blasmusik spielten „Menschen aller Geschlechteridentitäten, aller Altersgruppen und aller sozialen Schichten“; auch „Menschen mit Beeinträchtigungen“ seien willkommen, zitierte der Standard den Blasmusikpräsidenten. Und: In einer Musikkapelle „ist es egal, woher ein Mensch stammt, welchen Glauben er hat und mit welcher politischen Richtung er liebäugelt“, alle seien gleich viel wert.“
So zurück zum Schauspiel – das Publikum stimmt wohl immer für die Fortsetzung der Rettungskampagne. Wenn nicht, fällt dem Schauspiel- und Musiktrio sicher auch etwas ein.
Vereinsprozeduren werden abgewickelt mit allen bewussten auf unfreiwillig gespielten laienhaften Reden. Und immer wieder wird natürlich wirklich geblasen – Christian Spitzenstätter, Nora Winkler und Max Gnant spielen Klarinette, Zugposaune, Horn und dazu hin und wieder eine große Trommel (Regie: Simon Windisch).
Das Klischee vielen Biertrinkens wird bedient, aber auch die Aufstellung eines Art Maibaums in einer Bierkiste (Mastkonzeption/-bau und Rigging: Nik Huber). Diese erklettert Max Gnant, um beim dosierten, urlaaangsamen Runterrutschen gleichzeitig ein Horn zu blasen und dies noch gekonnt musikalisch im Zusammenspiel (Komposition: Robert Lepenik) mit seinen beiden Kolleg:innen zu ebener Erd.
Und nicht zuletzt wird das Publikum gegen Ende nochmals und dann musikalisch eingebunden, wie, das sei aber hier nicht gespoilert. Nach Wien und Graz (Kristallwerk) dann wieder Wien (jeweils Theater am Werk / Petersplatz), im Jänner tourt die Koproduktion von „bum bum pieces“ (Österreich) und vanderbolten.production (Schweiz) dann in der Schweiz – Baden, Bern, Zug.
Übrigens: Spätestens seit dem Festival „Woodstock der Blasmusik“ in Ort im Innkreis (Oberösterreich) ab 2011 in Österreich und international nicht zuletzt beim jährlichen Guča-Trompetenfestival (Dragačevski sabor u Guči, eine halbe Million Besucher:innen, was 2009Rekord war) wissen viele auch über die Bläser:innen hinaus, dass die altbackene Ecke längst überholt ist. Auch wenn parteipolitisch versucht wird – siehe oben sowie die Aufsplittung zwischen Volks- und anderer Kultur durch die blau-schwarze Landesregierung in der Steiermark – das Rad zurückdrehen zu wollen.
Und das Stück „Zur Rettung der Blasmusik“ selber thematisiert in verschiedenen Szenen immer wieder auch die Wichtigkeit des Vereinslebens rund um die örtliche Blasmusik für insbesondere kleinere Gemeinden.
Teuflisch böse blickt dir eine urwütende dunkelrote mehr als unsympathische Figur von der Titelseite dieses Bilderbuchs entgegen. In großen schwarzen hingemalten Buchstaben prangt daneben „NUR ICH“ als erster Teil des Buchtitels, in lieblicherer roter Schrift darunter die Fortsetzung „allein will Omas Farbe sein!“
Und es bleibt nicht beim Rot, das diesen Anspruch stellt. Die Story: sehr unzufrieden lümmelt Pippa auf der Couch – mit zehn „o“ versieht die Illustratorin Angela Holzmann das „so“ vor dem langweilig, wie das Mädchen den eigenen Gemütszustand beschreibt. Da schlägt auf der nächsten Doppelseite offenbar die Mutter vor: „Mal Oma doch ein buntes Bild, / das von Farben überquillt!“
Als Antwort reimt Autor Michael Schwankhart: „Und welche Farben nehm ich da, / für das Bild der Omama?“
Und damit beginnt die Geschichte, die sich um den Vor-Kampf der Farben dreht und so symbolisch für vieles in Konkurrenzdenken steht: „NUR ICH“ – wie schon am Beginn das Rot auf der Titelseite entgegenbrüllt, so spielen sich der Reihe nach ganz ähnlich auch blau, rosa, gelb, violett, grün, orange… auf. Bevor Pippa auch nur einen Pinselstrich malen kann, dominiert jeweils eine der Farben das Geschehen, will die junge Malerin davon überzeugen dies und nur diese zu verwenden. Nur sie sie schließlich die schönste, größte, beste Farbe…
Zu den entsprechenden Reimen der sich als die einzig Wahre aufspielenden Farben, hat die Illustratorin ganz schön wilde Bilder eben (fast) nur in dieser Farbe auf der jeweiligen Seite gemalt.
Wie die Geschichte ausgeht?
Das sei hier nicht verraten, aber vielleicht fällt dir ja eine eigene Lösung ein – und wirst möglicherweise staunen, wenn du dann dieses Buch liest und anschaust. Wahrscheinlich kommst du auf ein Bild, das zwar ganz anders aussehen könnte als das Schlussbild in diesem Buch, aber im Prinzip wird dein Bild oder die Vorstellung eines solchen nicht viel abweichen von dem, was sich das Duo Autor und Illustratorin einfallen haben lassen.
Ein alter, geöffneter, Koffer, aber so hingelegt, dass das Publikum nicht reinschauen kann. Nur, wer ein bisschen seitlich sitzt, sieht, dass es da aus dem Koffer leuchtet. Ein zweiter, offenbar ebenso alter Koffer, der aber lange zu bleibt und aufgestellt bei einer elektronischen Musikanlage steht. Und dann steht da auf der Bühne, vor der viele Kinder auf Matten Platz nehmen, eine uralte Stehlampe, an deren Stange zwei Regenschirm hängen, einer mit Rüschen-Rand. Ach ja, „da ist eine Schatztruhe“, entdecken noch Kinder, die beim Warten genau schauen.
Bevor das Schauspiel „Wirrum Warrum Wunderglocke“ aber anfängt, mischt sich die Regisseurin Nico Wind unters Publikum, stellt sich vor und lädt alle ein, sich an einem Wünsche-Ritual zu beteiligen: Hände reiben, öffnen, Wunsch reinsagen und ihn in die Lüfte blasen. Jetzt einmal wünschen sich – mit ihr – alle, dass das Theaterstück (endlich) losgeht.
Veronika Vitovec und Theresa Seits betreten in bunten Latzhosen und farbenfrohen Socken und Schuhen die Bühne, erstere legt sich in den geöffneten Koffer, Zweitere versteckt sich hinter dem Turm mit Musikgeräten. Sie wird immer wieder auch live Töne und Klänge in die Szenerie schicken. Aber sich auch – wie die Erstgenannte, die zuerst eine Hand, dann einen Fuß und schließlich ihr Gesicht aus dem Koffer schauen lässt – in eine Fee verwandeln.
Plötzlich rollt ein kugelrunder Wollknäuel zur nun aus dem Koffer gestiegenen Veronika Vitovec. „Was hast du da?“, fragt Kollegin Theresa Seits. „Eine Wunderglocke, die kann Wünsche erfüllen!“ Die eine wünscht sich die andere her und die eine gemeinsame abenteuerliche Reise.
Auf eine solche nehmen die beiden sich und das Publikum rund eine Stunde lang mit. Dabei „verzaubern“ sie einen weiteren Regenschirm in eine Maus namens Warrum, aus dem ersten und später aus dem zweiten Koffer Stoffbahnen (Ausstattung: Myriel Meißner), die fast nie zu enden scheinen und diese in schlangenlinienförmige Wege und so manche Tiere, zum Beispiel einen Igel. Die Musikerin selbst wird zum Maulwurf, der sich als Rapper versucht.
Und rund um diese beiden Tiere, vor allem aber den Igel, ein flauschig-weiches Stoffbündel, das sich von Kindern streicheln lässt, erzählen die beiden, dass die Menschen ihm und seinesgleichen kaum Laub liegen lassen, das sie aber brauchen für ihren Bau. Eigentlich würden sie ja Winterschlaf halten, aber sie finden dafür häufig nicht genug Nahrung, um sich darauf vorzubereiten.
Dies geht, wie die ganze Geschichte des Theaterstücks, aus von dem Buch „Die magische Weihnachtsglocke“ von Brit Blumilon. In 24 Kapiteln – wie so manch andere „Adventkalender“ in Buchform – erlebt Elfe, die im Buch Lisabella heißt, mit tierischen Freundinnen und Freunden Abenteuer. Die Regisseurin hat gemeinsam mit den beiden Schauspielerinnen, ausgehend von diesem Buch das Stück recht frei entwickelt. Unter anderem trifft sie auf Igelin Ida, die ihre Familie verloren hat. (Buchbesprechung folgt in ein paar Tagen).
Das Igel-Kapitel hat das Theaterteam stark berührt, weshalb sie dieser Geschichte auch viel Zeit einräumten, im Foyer liegen auch Materialien einer Igel-Initiative auf. „Vielleicht auch, weil ich selber in meinem Garten, den ich jetzt so richtig verwildern lasse, eine Igel-Rettungsstation habe“, ergänzt die Regisseurin. Igel fressen vor allem Käfer und die finden sie oft in Totholz. Bei Schnecken und Würmern können sie sogar so krank werden, dass sie ihre Stacheln verlieren…“, sprudelt Nico Wind begeistert im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… nach der Vorstellung drauf los.
Nun, die beiden Schauspielerinnen wollen die Wunderglocke ins Elfendorf zurückbringen und kommen dabei auch zwischen den auf den Matten sitzenden Kindern vorbei. Hin und wieder im Laufe dieser Stunde – für die Kindergartenkinder irgendwann zwischendurch ein wenig zu lang – dürfen sie mit den Händen auf den Boden trommeln, auch sonst sind sie – oder einig von ihnen – manchmal gefragt. Was schwierig ist, wieder einzufangen.
„Töchter der Kunst“, so die Theatergruppe, tourt nach Donaustadt, Floridsdorf, Simmering (Bears in the Park, in der Nähe der Gasometer), mit und für Junge Theater Wien noch Favoriten und Liesing – Termine in der Info-Box am Ende.
In Simmering stand der Reporter vor der Hausnummer 12 in der Eyzinggasse ein wenig verloren, sah aber eine Kindergartengruppe den Gehsteig entlang kommen. Also Frage: Geht ihr zum Theaterstück? Ja, wir gehen auch zum Theater, der Eingang zum Veranstaltungsort „Bears in the Park“ ist um die Ecke in der Otto-Herschmanngasse.
Nach dem Stück plaudern die Vorschulkinder aus dem Kindergarten Rinnböckstraße zum einen darüber, was ihnen am besten im Stück gefallen hat. Sehr häufig nannten die jungen Theaterbesucher:innen den Igel, einer ergänzte, „weil er nicht echt war“, andere hatten auch eine Giraffe gesehen. „Alles“ meinte eines der Kinder und sofort schlossen sich andere an.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wollte aber, nachdem es ja viel ums Wünschen gegangen war, wissen, was sich die Kinder wünschen. Da reichte die Palette von „eine Uhr, aber eine richtige“ über einen Roller, einen Hund, ein Auto, eine Krone bis zu einem Fahrrad. Als schon fast alle Kinder abgerauscht waren, um Schuhe und Jacken anzuziehen, meinte ein Mädchen noch schüchtern: „Ich wünsche mir Malen“, auf Nachfrage, „ja selber malen will ich“. Vielleicht erfüllt sie ja mit gemalten Bildern den einen oder anderen der Wünsche ihrer Kindergartenkolleg:innen.
Ein bunter „Fallschirm“ wie er vor allem von Kinderfesten bekannt ist, wird von einigen, auch meist farbenfroh gekleideten, Menschen vor dem Seitentrakt des Burgtheaters aufgespannt. Kinder laufen drunter hin und her. Ein bemalter Regenschirm tanzt auf dem abwechselnd rauf und runter gezogenen bunten Tuch auf und ab. Viele Touris fotografieren und filmen die kleine Gruppe, nicht selten von anderer perspektive mit Blick auf den erleuchteten Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus.
Hin und wieder, leider zu selten, rufen einige aus der Gruppe den Grund ihrer fröhlichen Aktion – mit ernstem Hintergrund: „Amerlinghaus muss bleiben!
Es geht um dieses unabhängige Kulturzentrum im nahegelegenen siebenten Bezirk, Wien-Neubau, für das die Stadt Wien die Subvention so stark kürzen will, dass es im Frühjahr 2026 mehr oder minder den Betreib einstellen müsste.
Wenige Tage zuvor, in der ersten Dezemberwoche, gab es eine Demo mit mehr als 500 Teilnehmer:innen für den Erhalt des Amerlinghauses als Kulturzentrum. „Mei Deitschkurs is net deppat!“, war wohl das kreativste der Protestplakate bei der Demonstration gegen die massive Subventionskürzung für das unabhängige Kulturzentrum Amerlinghaus in Wien-Neubau. Vor 50 Jahren durch die Besetzung des damals eher baufälligen Hauses überhaupt erst – so wie die anderen alten Häuser am „Spittelberg – heute längst als mustergültige Sanierung eines Viertels gefeiert.
Budgetnot ist überall. Daher sparen, sparen, sparen! Kürzen, kürzen, kürzen! Aber wo?
Nun, selbst in der Stadt Wien, die immer Wert darauflegt, sozial und kulturell zu sein, wird bei Beschäftigungsprojekten in der Suchthilfe, Deutschkursen, der Unterstützung für Menschen die aus Ländern flüchten mussten, in denen sie Gefahren ausgesetzt sind, aber dennoch kein Asyl bekommen haben, und vielem mehr der sprichwörtliche Rotstift zur Hand genommen.
Eines dieser Projekte, das bedroht ist: Das Amerlinghaus. Es bietet physisch und geistig Raum für Dutzende kulturelle, politische, soziale Initiativen und Vereine, viel Diskussionen, Deutschkurse, eine selbstverwaltete reformpädagogisch Kindergruppe und, und, und…
Erst Anfang Oktober wurde ein fast 300 Seiten starkes Buch mit 50 Kapiteln zur Geschichte, Philosophie, einzelnen Initiativen und Bewegungen, u.a. Frauenbewegung, Kampf um demokratische Mitbestimmung, Kinderrechte, zivilgesellschaftliches Engagement, solidarisches Zusammenleben, Diversität und vieles andere präsentiert – nicht zuletzt mit vorweihnachtlichen Keksen, entsprechend dem Buchtitel: „Spekulatius statt Spekulation!“ Einem der Sprüche, die irgendwann bei einer Aktion in den Anfangsjahren – wo es ja um die Rettung des gesamten Spittelbergs und seiner – heute längst geschätzten – renovierten alten Häuser ging, die vor einem halben Jahrhundert bedroht waren aus Spekulationsgründen alle abgerissen und durch – höhere – Neubauten ersetzt zu werden.
Bei dieser Buchpräsentation waren natürlich Finanzen auch ein Thema, weil das Kulturzentrum in den 50 Jahren seines Bestehens immer wieder darum kämpfen musste. Doch, so hieß es Anfang Oktober noch hoffnungsfroh, das Jahr 2026 wäre gesichert. Nun will die Stadt Wien die Unterstützung auf unter 150.000 Euro und damit rund die Hälfte der erforderlichen Mittel wie Energie, knappe Personalressourcen kürzen. Was übrigens wahrscheinlich sogar weniger ist als der zweite – ohne Ausschreibung – bestellte Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien, der ehemalige ÖVP-Wien-Chef Manfred Juraczka – kosten wird.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Michael Ludwig,
sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling,
sehr geehrte Frau Stadträtin Veronica Kaup-Hasler,
sehr geehrte Frau Stadträtin Barbara Novak,
Die geplanten Kürzungen bei der Förderung von Kunst und Kultur – besonders die Halbierung der Arbeitsstipendien – haben schwere Folgen. Sie gefährden:
Gerade in Krisenzeiten sind Kunst und Kultur wichtig. Sie schaffen Orte, an denen Menschen sich treffen, nachdenken und neue Ideen finden können. Auch die Regierung hat in ihrer Erklärung „Aufschwungskoalition für Wien“ erkannt, dass Kultur für den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt zentral ist.
Kürzungen treffen vor allem die freie Kulturszene. Viele Projekte könnten nicht mehr stattfinden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden ihre Arbeit verlieren, und Kulturstätten müssten schließen. Wenn engagierte Menschen ihre Arbeit verlieren, geht wichtiges Wissen verloren – und sie stehen für die Kulturarbeit nicht mehr zur Verfügung.
Die Ziele der Stadtregierung – faire Löhne und sichere Arbeitsbedingungen für Künstlerinnen und Künstler – können dann nicht mehr erreicht werden. Gleichzeitig fordert auch die EU in ihrem neuen Papier „Culture Compass“, dass Kunst und Kultur für Demokratie unverzichtbar sind und faire Bedingungen brauchen.
Wien ist weltweit bekannt für Kunst und Kultur. Wenn hier gespart wird, verliert die Stadt an Anziehungskraft – auch für Tourismus und Wirtschaft. Eine erhöhte Tourismusabgabe ab 2026 könnte helfen, aber das Geld käme zu spät, wenn 2026 bereits viele Einrichtungen schließen müssen. Dieses Geld sollte gezielt der freien Szene zugutekommen, weil diese keine festen Förderzusagen oder sicheren Arbeitsverträge hat.
Außerdem wurde in den letzten Jahren zu wenig in die freie Szene investiert. Es fehlen bezahlbare Arbeitsräume, Ateliers und Bühnen. Viele Fördermittel müssen für Miete ausgegeben werden, statt für die eigentliche künstlerische Arbeit. Die Stadt braucht mehr kostenlose oder günstige Räume, damit sich Kunst und Kultur frei entwickeln können.
Auch Kulturprojekte, die von der Bildungsabteilung (MA 13) statt aus der Kulturabteilung (MA 7) gefördert werden, sind von Kürzungen bedroht – mit denselben Folgen: weniger Vielfalt, Projekte werden gestrichen, Menschen verlieren ihre Jobs.
Sparen darf nicht auf Kosten der Kunst, Kultur und sozialen Sicherheit gehen.
Wir fordern deshalb:
Außerdem bleiben alle Forderungen aus dem „4-Themen-Programm der Interessengemeinschaften für Kunst und Kultur“ vom April 2025 bestehen.
Dieser Brief wurde am 24.11.2025 verschickt.
Unterzeichnet haben:
Berufsvereinigungen der bildenden Künstler Österreichs, Zentralverband
Forum Literaturübersetzen Österreich
Forum Österreichischer Filmfestivals
IG Autorinnen Autoren
IG Bildende Kunst
IG Freie Theaterarbeit
IG Kultur Wien
Kulturrat Österreich
Österreichischer Musikrat
Hier klicken, um die Originalfassung des offenen Briefs zu lesen
Wimmelbücher kennst du sicherlich, dieses kreist um Weihnachten. Auf der Titelseite mit zusätzlichem Gold-Glitzerdruck kannst du vielleicht schon stundenlang hängenbleiben, suchen und finden und wieder was Neues entdecken.
Noch mehr zum Schauen – auch ohne Glitzer – findest du natürlich im Inneren auf den großen Doppelseiten von „Mein Christkind-Wimmelbuch“ von Matthias Kahl. Sicher weit mehr als 100 Kinder im ersten Kapitel „Spiel und Spaß im Schnee“, folgen Szenen aus einer Weihnachtsbackstube, Wichtelwerkstatt, Advent in der Stadt, Christkindlmarkt, aber auch Weihnachtszauber im Wald.
Wie bei Wimmelbüchern üblich, wird dir auch beim x-ten Mal anschauen noch immer das eine oder andere Detail auffallen, das du bis dahin übersehen hast. Und sollte dir fad werden, versuch vielleicht die auf der Rückseite des Buches abgedruckten drei kleinen Bilder bzw. sechs weiteren Bildausschnitte auf den vorangegangenen Seiten zu suchen und – nicht ganz so leicht – zu finden; fast ein österlicher Brauch, nach Verstecktem zu suchen 😉
Er spielt und singt im seit dem Feiertag (8. Dezember 2025) im Wiener Raimund Theater nicht nur den „kleinen Stanislaus“ im Musical „Die drei Stanisläuse“, das die Kinderfreunde heuer – wie jedes Jahr ein anderes – rund 6000 Kindern schenken. Simon Malleczek hat auch zwei Auftritt mit verschiedenen Saxofonen. Und er ist erst 17, also nur wenige Jahre älter als sein Publikum. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… führte kurz nach der umjubelten Premiere und vor einer zweiten Vorstellung am Nachmittag ein kurzes Interview mit dem Newcomer.
KiJuKU: Seit wann machen Sie Musik und Schauspiel?
Simon Malleczek: Eigentlich schon immer.
KiJuKU: Was heißt immer?
Simon Malleczek: Ich hab mit drei angefangen mit Geige, ich hab Fagott gespielt, ich spiel Saxofon, was ich heute auch spielen durfte. Ich hab im Kindergarten zu singen angefangen.
KiJuKU: Wie kommt man mit drei auf die Idee, Geige zu spielen?
Simon Malleczek: Das ist eine sehr gute Frage. Angeblich – ich hab keine Erinnerung daran, aber so wurde es mir immer wieder erzählt – sobald ich stehen konnte, stand ich vor der Übertragung des Neujahrskonzerts, hab mich auf Bücher gestellt und versucht das zu dirigieren. Das heißt die Begeisterung für Musik war irgendwie schon immer da.
KiJuKU: Ist nicht Geige gerade zum Beginnen schwierig?
Simon Malleczek: Es gibt auch schon kleine Geigen.
KiJuKU: Aber bei einer Flöte oder einem Tasteninstrument ist es schon leichter, bald einmal Töne zu spielen, was bei Geigen ja nicht so einfach ist?
Simon Malleczek: Ich war auch nicht besonders gut, aber die Schwierigkeit hat das gefördert, ich wollt einfach Töne rauskriegen.
KiJuKU: Und dann haben sie Musikschulen besucht?
Simon Malleczek: Ja, zuerst mit Fagott und dann mit Saxofon.
KiJuKU: Jetzt gehen Sie noch in die Schule, oder?
Simon Malleczek: Nein, ich bin nicht mehr in der Schule, ich hab in der 7. Klasse abgebrochen, ich hab schon so viele Projekte gespielt, dass ich gesagt hab, ich hör mit der Schule auf.
KiJuKU: Sie wechseln in eine Schauspiel-, Musik oder kombinierte Ausbildung?
Simon Malleczek: Genau, das Ziel ist eine professionelle Ausbildung, vorerst Schauspiel.
KiJuKU: Wie sind Sie zum Kinderfreund-Musical gekommen?
Simon Malleczek: Das war ganz witzig, ich kenn die Stella Kranner, die die jüngste Veronika spielt, schon ganz lang. Die hat mich angerufen: Ich hab ein Casting für dich! Dann war ich auf einer Konzertreise in Vorarlberg und hab ein WhatsApp-Nachricht bekommen: Heute 12.30 Uhr eCasting, geht klar? Dann bin ich von der prob weg ins Hotel gegangen, hab das eCasting gemacht und wurde genommen.
KiJuKU: Was haben Sie im eCasting gemacht – schon Texte aus den Stanisläusen?
Simon Malleczek: Nein, zwei Lieder gesungen, einen Monolog aus meinem Repertoire, ich glaub es war auch was aus dem Phantom der Oper dabei, aber ich weiß es nicht mehr.
KiJuKU: Kannten Sie die Stanisläuse-Geschichten?
Simon Malleczek: Ich bin voll mit diesen Büchern aufgewachsen, zuerst vorgelesen, dann selber gelesen. Und ich war jedes Jahr beim Kinderfreunde-Weihnachts-Musical. Ich hab im Dezember Geburtstag, war jedes Jahr – meistens genau an meinem Geburtstag mit meinen Freunden in der Vorstellung, nachher sind wir zum Christkindlmarkt gegangen. Das ist jetzt so ein kleiner Kreis, der sich gerade schließt, dass ich da mitspielen darf. Heuer ist leider an meinem Geburtstag keine Vorstellung.
Gespielt wird bis 20. Dezember – Infos im unten verlinkten Beitrag, in dem das Musical besprochen wird.
„… und natürlich den drei Veronikas!“ – schon in der mehrfach wiederholten Ansage im sich füllenden Raimund Theater ertönt eine Ergänzung zum Titel des Musicals „Die drei Stanisläuse“, das am Feiertagsvormittag seine umjubelte Uraufführung erlebte (Details in der Info-Box ganz am Ende des Beitrages). Einige der sechs Bilderbücher – geschrieben von Vera Ferra-Mikura und illustriert von Romulus Candea zwischen 1962 und 1995 – werden immer und immer wieder neu aufgelegt – Buchbesprechungen auf KiJuKU.at am Ende des Beitrages verlinkt.
Wie die Protagonist:innen aus drei Generationen greifen offenbar heutige Großeltern zu den Büchern aus ihrer Kindheit, um sie ihren Enkelkindern vorzulesen oder zu schenken. Schon die Einleitung oben deutet den wesentlichen Unterschied zwischen den Büchern und dem Musical an – nicht nur die schwungvolle, ins Ohr gehende Musik: Geschrieben und in Bildern sind Bub, Vater und Großvater die aktiven, die abenteuerlustigen, die Entdecker, die drei Generationen Veronikas sind eher die Randfiguren und treten in althergebrachten Rollen mit überholten Aufgaben in Erscheinung.
Auf der Bühne singen und spielen sie gleichberechtigt, lassen sich nicht alles gefallen. Stella Kranner als die Jüngste, das Kind Veronika, gibt ihrem Bruder, dem jüngsten Stanislaus (Simon Malleczek) schon recht früh zu verstehen, das mit der „kleinen Schwester“ könne er sich abschminken, sei sie doch größer als er. Und wenn Georg Hasenzagl als mittlerer Stanislau neben dem Wäschekorb auf unschuldig singt „ich hab ja nichts gemacht“, kontert ihm Anna Knott (die auch gemeinsam mit Janine Hickl für die Choreo zuständig ist) als Ehefrau und damit mittlere Veronika: „ja eben, das ist ja das Problem“, denn im Haushalt mit anpacken wäre ja wohl angesagt.
Was noch in einem der Songs mit teilweise Ohrwurm-Potenzial verstärkt und unterstrichen wird, wenn es heißt, dass die Welt nur ändern kann, der sich selber ändern kann. Andere Texte besingen vor allem das, was auch die Autorin der Bücher so toll in Szenen verpackt hat: Fantasie schafft Abenteuer. „Es braucht nicht viel, nur Fantasie und jedes Spiel wird schön wie nie: Wir stellen’s uns vor!“ kommt in mehreren Liedern vor – mit dem Versuch das Publikum gerade in den letzten Satz miteinstimmen zu lassen.
Die schon genannten vier Darsteller:innen – und dazu noch Elena Schreiber und Martin Petraschka als das älteste eh klar Veronika und Stanislaus-Paar – schlüpfen aber auch noch in andere Rollen. So geben die drei Frauen auch Feen, die die Stanisläuse – und das auch schon im sechsten Buch, in dem die Veronikas es auf den Titel geschafft haben – dazu bringen, Küche zu putzen und Kekse zu backen. Die drei Männer treten als diebische Mäusefänger auf.
Die Bühnenfassung hat – wie schon im Vorjahr bei „Die Omama im Apfelbaum“ nach Mira Lobe und Susi Weigel – Stephan Lack geschrieben, für Regie und künstlerische Leitung zeichnet wieder Caroline Richards verantwortlich. Die Songs komponiert und die Live-Musik geleitet hat erneut Michael Hecht, der auch Bass spielt; an den Keyboards Ed Reardon und Benjamin Alan Kubaczek und das Schlagzeug bedient wieder Lukas Schlintl. Wobei zusätzlich zu den vier Musikern der Jüngste auf der Bühne Simon Malleczek (17 – Interview in einem eigenen Beitrag) neben Schauspiel und Gesang in zwei Szenen Saxofon bzw. Sopransaxofon spielt.
Das vor allem dank – teils überraschender (Malereien!) Videoeinspielungen – wandelbare Bühnenbild stammt von Alois Ellmauer bzw. Videoproduktion: Alexander Trinkl, Lisa Punz. Da die Schauspieler:innen, die gleichzeitig auch Sänger:innen sind – eben Musical – natürlich nicht Kinder / Eltern bzw. Großeltern sind, hilft auch die generationenmäßig unterschiedliche Kleidung mit, niemanden durcheinander zu bringen (Kostüme: Natalie Pedetti Prack).
Die Kinderfreunde schenken seit fast 40 Jahren in der Vorweihnachtszeit Tausenden Kindern ein Musical, seit langem im Raimund Theater. Bis vor zwei Jahren war es fast immer ein eigens dafür geschriebenes Stück Musiktheater. Im Vorjahr wurden Konzept und Leading-Team – Bühnenfassung, Regie, Musik – verändert, seither werden Bilderbücher aus dem zu den Kinderfreunden zählenden Verlag Jungbrunnen dramatisiert. War es im Vorjahr „Die Omama im Apfelbaum“ vom Duo Mira Lobe und Susi Weigel, so bildeten heuer die sechs Bücher über die drei Generationen Stanisläuse – und in der Musicalversion viel stärker als in den Büchern die drei Veronikas, ebenfalls Großmutter – Mutter -Kind – die Grundlage für das vorweihnachtliche für Kinder kostenlose Musiktheater.
Übrigens: Dem Verlag wurde erst in der Vorwoche der Bruno-Kreisky-Preis (nach dem Bundeskanzler von 1970 bis 1983) des Karl-Renner-Instituts überreicht. In der Begründung heißt es unter anderem: „Jungbrunnen überzeugt durch seinen Mut, auch schwierige und kontroverse Themen wie Inklusion, Diversität und Nachhaltigkeit in seinen Publikationen aufzugreifen, ohne dabei die Magie kindlicher und jugendlicher Erzählwelten zu verlieren. Der Verlag setzt konsequent auf hochwertige Illustrationen, innovative Ansätze und literarische Qualität und erreicht so Generationen von Jugendlichen, die durch die Bücher nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken angeregt werden… Die Jury würdigt den Verlag Jungbrunnen für sein nachhaltiges Engagement, kulturelle und politische Bildung zu fördern. Er ermöglicht durch seine unermüdliche Arbeit Kinder- und Jugendliteratur auf höchstem Niveau. Der Verlag ist ein Leuchtturm für die Bedeutung von Literatur als Werkzeug politischer Bildung, demokratischen Bewusstseins und gesellschaftlichen Zusammenhalts.“
Warum dann ausgerechnet Bücher für das aktuelle Musical ausgesucht wurden, die zwar Fantasie fördern, aber ein überholtes Frauenbild – auch schon in den Entstehungszeiten; 5. Buch 1974, 6. Buch 1995 – verbreiten? Na gut, immerhin hat die Musicalversion den einen oder anderen kleineren Ansatz neuerer Sichtweisen aus diesen Büchern vergrößert bzw. hinzugefügt – siehe oben.
„Veronika!“, „Veronika!“, Veronika!“ – nein, hier ruft niemand drei Mal nach einem Mädchen oder einer Frau dieses Namens. Drei Veronikas sind gesucht – Großmutter, Mutter bzw. Tochter der erstgenannten sowie deren Tochter, die natürlich gleichzeitig auch Enkelin der ältesten der drei Veronikas ist.
Obendrein ruft nicht eine einzige Person, es sind deren drei. Und wie heißen die? Jeweils Stanislaus – ihres Zeichens untereinander ebenso verwandt wie die Veronikas, nur dass die Jüngste die Schwester des dritten Stanislaus ist, während die ältesten und mittleren miteinander verheiratet sind.
Ältere Semester kennen wahrscheinlich mindestens eines der sechs Bücher von den drei Stanisläusen – sie sind die Hauptfiguren, jedenfalls die aktiv(er)en, die immer in den Titeln vorkommen in den stark bebilderten (Illustrationen: Romulus Candea) Büchern der einst bekannten Kinderbuchautorin Vera Ferra-Mikura (1923 – 1997), die sich mehr als vier Dutzend Bücher für junge Leser:innen ausgedacht und geschrieben hat. Warum hier zwei der sechs Stanisläuse-Bücher besprochen werden, liegt nicht nur daran, dass insbesondere der „Klassiker“, Band 1, schon in 20. Auflage vor drei Jahren erschienen ist. Der Hauptgrund: Das diesjährige vorweihnachtliche Geschenk der Wiener Kinderfreunde an Tausende Kinder, ein Musical im Raimundtheater, basiert auf den Ferra-Mikura-Büchern über die drei Generationen namens Stanislaus; vielleicht spielen die Veronikas größere und aktivere Rollen als in den Büchern, wer weiß? Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wird die Premiere am 8. Dezember 2025 besuchen und danach berichten.
Aus der einen oder anderen Alltagssituation lässt die Autorin – und mit ihr der Illustrator – die Protagonist:innen, meist die drei männlichen, in fantasievolle Abenteuer gleiten. So reisen die drei Stanisläuse im allerersten der sechs Bücher – „Der alte und der junge und der kleine Stanislaus“ (1962) – mit einem Zeitungspapier-Schiff zuerst auf dem Bach und später auf einem unruhigen Strom. So wie das Schiffchen groß und größer wird, so magisch funktioniert auch das Fernrohr, das der Jüngste der drei Stanisläuse auf einmal in Händen hält – damit kann er Dinge wie eine Burg heran-zoomen – aber nicht nur näher und größer sehen, sie ist auf einmal wirklich zum Greifen nahe.
Das mit dem (Papier-)Schiff geht natürlich nur flussabwärts. Und dann ruft sozusagen das Essen zu Hause. Zubereitet von den Veronikas. Für die Rückreise hilft allerdings nicht das Fernrohr, sondern… – nein, wird nicht verraten.
Spielten die Veronikas wie schon mehrfach erwähnt eher Neben- bzw. klassische Klischeerollen, so beginnt das letzte der sechs Bücher, das immerhin die Frauen bzw. das Mädchen in den Buchtitel rückt – „Veronika!“ „Veronika!“ „Veronika!“ rufen die drei Stanisläuse“ (1995) – hoffnungsfroher, was dies betrifft. Die drei Stansiläuse sagen eines Morgens zu ihren Ehefrauen bzw. zur Schwester, sie könnten ruhig liegenbleiben, denn an diesem Tag würden die Männer bzw. der Bub sich ums Frühstück kümmern.
Was folgt, ist eine fantasievolle Szene um sieben Eier, obwohl es nur sechs Hühner gibt und – ansonsten nicht viel in Sachen Frühstück. Erst recht müssen wieder die drei Generationen Veronika ran, während die drei männlichen Figuren schon wieder auf Abenteuertrip gehen.
Allerdings ließ sich die Autorin – immerhin knapp mehr als 30 Jahre nach Band 1 und mittlerweile nur mehr wenig vom Ende des 20. Jahrhunderts entfernt – eine doch spannende List einfallen. Auf einer ihrer Stationen „nach irgendwo“ landet das Trio bei drei Feen. Und die teilen die drei Stanisläuse zu Putz- und Kochdiensten ein 😉
Übrigens scheint die Autorin mit dem ihr selber zugeteilten Vornamen Gertrude ja nicht ganz glücklich gewesen zu sein, nannte sie sich als Autorin – ab ungefähr 25 Jahren war sie freie Schriftstellerin – eben Vera 😉
Und sie schrieb auch so manches jenseits alter Rollenklischees, nicht zuletzt arbeitete sie mit der jungen Generation neuer Kinderbuchautor:innen wie Christine Nöstlinger, Renate Welsh und anderen mit am berühmt-beliebten Sprachbastelbuch (1975), in dem diese alle sehr kreativ mit Sprache gespielt haben, was damals nicht alle Erwachsenen gut fanden. Rund ein Jahrzehnt später (1984) erschien übrigens „Macht die Erde nicht kaputt: Geschichten für Kinder über uns“.
Ach, und apropos Musical: Nach Vera Ferra-Mikuras Buch „Das Luftschloß des Herrn Wuschelkopf“ entstand 1966/67 das erste österreichische Kindermusical.
„Die Beerdigung darf nur am Dienstag, Donnerstag, Samstag oder Sonntag stattfinden. Die Leiche muss sichtbar sein. Der Sarg soll in der Mitte des größten Raumes des Hauses stehen… Alle Spiegel im Haus müssen mit einem weißen Tuch bedeckt werden. Der Tod soll sich nicht spiegeln, sonst besucht er das Haus bald wieder… In Georgien kommen die Menschen ins Haus der Verstorbenen, um den Angehörigen ihr Beileid auszudrücken, doch vor allem beobachten sie, wie die Familie lebt, wer weint und wie geweint wird…“
Eingebettet in die ausführliche Schilderung, welche Bräuche sich rund um den Tod und Neujahr, in ihrer ersten Heimat abspielen, weil sie in ihrem Text beides zeitlich zusammenfallen lässt, gibt Lali Gamrekelashvili aber auch Einblicke in die georgische Sprache. Sie flicht nicht nur zwanglos einige Wörter – samt der Schrift – ein, sondern baut auch Erklärungen über die Struktur der Sprache ein und vergleicht sie mit Deutsch, der Sprache, in der sie schreibt. Die wenigen Vokale im Georgischen – nur fünf, aber keine Umlaute und Diphtonge (also so etwas wie ei, eu, au…) „sind besonders dehnbar“. Und es gibt keine vielfach zusammengesetzten Wörter. „In der deutschen Sprache gibt es reichlich davon, das längste Wort, laut Duden, mit dem ich meine Zunge brach, habe ich auswendig gelernt: Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung.“
Mit „Ein anderes Neujahr“ hat sie den diesjährigen Hauptpreis der edition exil gewonnen. „Der Autorin gelingt es, dieses intime und stimmungsvolle Bild ganz unaufdringlich mit einer Reflexion über ihre doppelte Identität zu verbinden, … subtil thematisiert sie dadurch Zweisprachigkeit, Fremdheit und Vertrautheit und nimmt vielleicht nicht nur von ihrem Vater Abschied, sondern auch von ihrer Herkunft“, begründete die Jury – Jessica Beer, (Residenz Verlag), Paula Pfoser (ORF) und der Autor Thomas Perle – die Vergabe des ersten Platzes – dotiert mit 3000 € an Gamrekelashvili.
Platz zwei – 2000 € – vergab die Jury an Nastasja Penzar. Auch sie nimmt die Leser:innen in ihrem Text – „der erste Sommer“ – mit auf eine berührende Reise mit in ihre erste Heimat, viel eher eigentlich die ihrer Eltern. Denn sie selbst wurde da vom Vater aus dem Kindergarten im deutschen Frankfurt abgeholt – mit der Ankündigung einer großen, geheimnisvollen Überraschung. Die sich dann für sie – und noch mehr für ihre schon älteren Schwestern als naja… – schon der erste Absatz dieser Reise zu den Großeltern in Kroatien umreißt das Gegenteil:
„Der erste Sommer, den wir hier unten verbrachten, war der erste, in dem der Krieg gerade einmal so lange pausierte, dass die Eltern sich eine Ferienlänge ohne Bombardement erhofften. „Ein bisschen verrückt war das schon“, würde meine sonst sicherheitsbewusste Mutter später sagen und dabei den Finger über der Schläfe drehen. Es war der Sommer der Sandsäcke.“
Für die Kinder eine Ankunft in einer eher fremden, verstörenden Atmosphäre – und doch eingebaut mit kindlicher, fantasievoller Perspektive: „Schau dir das an, komm.“ Er schob mich den Gartenweg entlang, bis zur Seite des Hauses und zeigte nach oben. Über all den Sommersprossen klaffte eine Bisswunde, so sah es aus. Die oberste Ecke des Hauses war weg.
„Abgebissen“, nickte ich, „wahrscheinlich ein Dino-saurier.“ Ich sah meinen Vater ernst an.
„Ja, denkst du?“ Er lächelte, hob seine Augenbrauen, „Vielleicht.“ Dann klopfte er mir leicht auf den Kopf und ging zu seinen Eltern zurück.
Später gaben die Erwachsenen dem Dino den Namen Granata.“
Seit vielen Jahren vergibt die edition auch einen Preis für Autor:innen mit deutscher Erstsprache. Der Untertitel „Schreiben zwischen den Kulturen“ will gerade mit diesem Zeichen die Literatur, die die Preise und der Verlag fördern, zusätzlich aus der „Migrations“-Ecke holen. Die Bereicherung von Texten durch unterschiedliche Sichtweisen, auch Sprachkulturen, steht im Zentrum. Und – wie schon in anderen Beiträgen zu diesem Preis mehrfach erwähnt, sind aus dieser Initiative schon lange auch große Namen der österreichischen Literatur erwachsen, Stichwort Julya Rabinowich, Dimitré Dinev; der zuletzt Genannte hat erst in diesem Jahr den Österreichischen Buchpreis mit „Zeit der Mutigen“ gewonnen.
So, zurück zu Deutsch als Erstsprache. Diesen Preis bekam 2025 Felicia Schätzer für ihren Text mit dem Titel „Was, wenn ich am Ende genauso bin, wie ich immer schon war?“
„Seit wir in der Sandkiste waren, haben alle zu mir gesagt, ich würde mal Lehrerin werden“, lautet ihr erster Satz. Lebhaft und gut vorstellbar schildert sie ihr Agieren als ganz junges Kind, aber auch später als Schülerin und die Verwirklichung der schon frühen Beobachtungen der meisten Außenstehenden. Sie wurde Lehrerin. Dabei nimmt sie die Leser:innen aber in eine dann doch recht fremde Welt mit – ihre Verzweiflung als Werklehrerin in einer Volksschule, ihre Überforderung… aus der eher der Hang zum Aufgeben deutlich aus dem Text springt.
Bis sie ihre eigene Reflexion schildert und einen berührenden Moment: „Während mich Nala am letzten Schultag also weinend umarmt und mir die lila Blume in die Hand drückt, die sie extra für mich ausgesucht hat, denke ich mir, was nur aus den Kindern wird, die von allen anderen Lehrerinnen liegen gelassen werden, weil sie einfach keinen Bock auf Schreiben haben, und zu denen immer jeder sagt: Du kannst das nicht und du kannst das nicht, du machst das falsch und das und das, zu denen nie wer sagt: Du wirst bestimmt mal Lehrerin. Jetzt, in genau diesem Moment, werden diese Kinder wie Nala also genau von diesen Lehrerinnen wie mir links liegen gelassen. Weil sich diese Lehrerinnen lieber mit sich selbst beschäftigen. Weil unterrichten zu anstrengend ist. Weil sie die eigenen Energien aufsparen, um noch andere Jobs auszuprobieren, angespornt von der brennenden Frage, wer zum Teufel man eigentlich ist oder noch aller sein könnte. Eine Frage zufällig vererbter Privilegien. Das alles ist irgendwie so unfair, dass ich gleich wieder anfange zu schlucken, obwohl es ja ich bin, die es in der Hand hätte. Was wird aus den Kindern, die niemand dabei begleiten kann, herauszufinden, dass es Dinge gibt, die sie gut können, und nicht nur Dinge, die sie schlecht können.“
Die Preisverleihungen, die nun seit einigen Jahren im Literaturhaus stattfinden, wo mehr Zeit und Raum ist als in früheren Jahren Samstagabend bei der Buch Wien mit höchstens einer Stunde im Rundum-Trubel werden jeweils auch musikalisch begleitet, seit Jahren von dem Duo Miloš Todorovski (Akkordeon) und Andrej Prozorov (Tenorsaxofon), ein Duo, das mit seinen Beiträgen in unterschiedlichen Stimmungen noch einmal weitere Sprachen und Kulturen in die Veranstaltung einbringt.
„Es war unmöglich, einen Fuß auf den Boden zu setzen, ohne auf zerknüllte Plastikverpackungen oder benutzte Zahnbürsten zu treten. Den Boden selbst konnte man gar nicht sehen. Und auch die kleinen Hütten, in denen sie alle lebten, bestanden aus Abfall. …
Die Ältesten unter ihnen – jene, die noch ein anderes Zeitalter miterlebt hatten – behaupteten, dass die Welt einst eine andere gewesen sei. Damals habe es verschiedene Jahreszeiten gegeben statt eines Lebens in einem endlosen Glutofen… es sollte etwas, das man Schnee nannte, gegeben haben – winzige Eiskristalle, jeder einzigartig geformt, die vom Himmel fielen wie ein stilles Wunder.“
Diese Sätze stammen aus einer dystopischen Schilderung namens „Kinder der Zukunft“. Mit dieser hat Selina Le einen der – aufgrund der vielen Einsendungen heuer geteilten – Jugendpreise der von der editon exil vergebenen Literaturpreise gewonnen.
„Die Menschen hier waren nicht krank, sie waren längst tot. Auch wenn ihre Herzen vielleicht noch nicht aufgehört hatten zu schlagen – ihr Geist war schon lange erloschen…“, heißt es an anderer Stelle des ausgezeichneten Textes, der zum 29. Mal vergebenen Preise mit dem Motto „Schreiben zwischen den Kulturen“; diese Autorin war krankheitshalber bei der Preisverleihung verhindert.
„Die Eltern erzählten mir später / Als Baby im Kreischsaal / Das Krankenhauspersonal unterbesetzt / Blieb ich unbewacht/ Mit langen Beinen und großem Mund / Zog sich die Sprache über den Fensterrand / Und biss sich fest in meinem Babynackenspeck“, spielt die zweite Jugend-Preisträgerin Paula Dorten nicht nur mit Sprachbildern, sondern auch mit humorvoll veränderten Wörtern.
Wobei sie gesteht, sich den ebenso ausgedachten Titel „Zweifell“ von einer anderen Autorin, Frieda Paris, aus einer Literaturwerkstatt ausgeborgt zu haben.
„Das Zweifell“ ist eine unterhaltsame Achterbahnfahrt durch den Schreibprozess, die Gleise mit dem zweifelnden Schreibkörper verwoben. Eine Vivisektion. Eines vorab: Esge ht gut aus. Paula Dorten gelingt es, in ihrer operativen Funktion als Autorin, die eigene Schreibwut fruchtbar zu machen – ohne Zweifel auch im real life, wie die Prämierung des Textes beweist“, würdigten die Juror:innen Grzegorz Kielawski und Christa Stippinger, die Initiatorin und Motorin der edition exil diesen Text.
Neben Einzelpreise für junge Autor:innen vergibt die edition exil Jahr für Jahr auch einen Preis für schulische Projektgruppen oder Klassen. In diesem Jahr vergab ihn die Jury an Schüler*innen des Jugendcollege – Wien #advanced OST: Projekt „Fremd in Österreich“, betreut von Ganna Gnedkova-Huemer.
Zunächst einige Zitate aus den Texten von Bita, Hussein, Huzaifa, Mouhanad, Ozlo, Saleh, Samira, Shalali, Yahya und zwei Teilnehmer:innen, die aus Sorge um ihre politische und sonstige Sicherheit die Pseudonyme Abenteuer und Auswanderung verwendeten, wobei auch die beiden Namen Ozlo und Shalali aus den selben Gründen nicht die echten sind.
„Mein größter Wunsch ist, glücklich zu sein, eine Familie zu gründen und in Frieden zu leben. Diese Geschichte ist nicht nur eine von Flucht… sondern von Hoffnung, Geduld und Würde. Ich bin stolz auf mich, stolz darauf, dass ich nie aufgegeben habe. Und an jedem Tag, an dem ich in Österreich aufwache, sage ich mir: „Du bist nicht ohne Grund hier… du verdienst es zu leben… Es fehlt oft dieses besondere Gefühl und die vertrauten Aromen, die mich an meine Kindheit und an meine Familie erinnern. Manchmal vermisse ich einfach diese kleinen Details, die das Essen so besonders gemacht haben…“, heißt es unter anderem in den Texten von Mouhanad.
Und Bita formuliert: „Wenn ich an die Gerüche und Klänge meines Heimatdorfes denke, spüre ich eine Welle von Sehnsucht und das stille Verlangen, genau dorthin zurückzukehren.“
Ozlo: „Ich vermisse es, die Freizeit draußen auf der Straße zu verbringen. Wir blieben zu Hause jeden Tag bis vier Uhr morgens wach.“
Samira und Shalali vermissen vor allem Kamel-Milch aus ihrer ersten Heimat Somalia. „Diese Milch hat sehr viele Vitamine und ist sehr sättigend. Sie schmeckt überhaupt nicht so wie Ziegen- oder Kuhmilch. Bei uns in Somalia konnte man sie überall kaufen. Was ich nicht vermisse, sind Krokodile…“ (Shalali)
Saleh vermisst vor allem „Jasmin und die Pflanzen neben unserem Hus und frische Säfte, die man aus ihnen machen kann…“
„Als Titel für das eingereichte Projekt haben die Teilnehmer „Fremd in Österreich“ gewählt. Ich hätte mir gewünscht, dass sie sich nicht so fremd fühlen, und als Lehrerin tue ich alles, damit sie sich nicht fremd fühlen, aber das ist der Titel, den sie gewählt haben“, meint im erklärenden Text dazu Ganna Gnedkova-Huemer, selbst Wienerin aus der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw, die „statt Integration lieber Interaktion“ verwendet, „weil ich glaube, dass wir einen Dialog der Kulturen führen sollten und auch voneinander lernen könnten“.
Huzaifa, wie die meisten seiner Kolleg:innen aus Syrien, einige davon haben auf der Flucht einige Zeit in der Türkei verbracht, andere kamen aus Somalia, dem Iran und Jemen, erzählt nach der Preisverleihung Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…: „Ich hab schon bevor uns die Lehrerin nach Texten auf einige ihrer Fragen gebeten hat, rund 100 Seiten auf Arabisch über meinen Weg nach Österreich geschrieben. Das was daraus als Antworten auf ihre Fragen gepasst hat, hab ich dann auf Deutsch übersetzt, das heißt eigentlich nur ein bisschen davon, weil alles zu viel gewesen wäre, und ihr gegeben.“
Mouhanad ergänzt: „Ich hab vorher nichts darüber geschrieben, aber alles hier oben drin“ – und er deutet mit der linken Hand auf seine Stirn.
Jener junge Mann aus Somalia, der sich der Anonymisierung wegen Shalali nennt, erklärt: „Auf Englisch hatte ich mehr, das Wichtigste davon hab ich dann auf Deutsch übersetzt.“
„Ich habe mir eure Sprache geliehen,
diese fremde Sprache, die in meinem Mund kitzelt,
krabbelt, kratzt,
ich beiße auf Buchstaben, kaue sie, versuche sie zu
schlucken, aber meine Zunge wehrt sich,
unbekannte Silben, Umlaute, Präpositionen, Artikel
strömen auf mich ein – ich kann es nicht.
Und es geht mir besser.
Nach dieser Schwimmleistung geht es mir immer besser.
Jetzt kann ich sie euch also zurückgeben“
So steigt Ludmila Doležalová in ihren Text „Wir Ausländer“ ein. Dafür wurde ihr Freitagabend im Wiener Literaturhaus der dritte Preis in der 29. Ausgabe der exil-Literaturpreise verliehen; initiiert und vergeben von der edition Exil, die im – „dank“ der enormen Subventionskürzungen der Stadt Wien bedrohten Kulturzentrum Amerlinghaus in Wien-Neubau – wie Dutzenden andere Initiativen – ihren Sitz hat.
Die kleine, feine Edition fördert seit Jahrzehnten die Veröffentlichung von Texten in deutscher Sprache, geschrieben vor allem von Autor:innen, die mehrere Sprachen und Kulturen mit- und einbringen. So manche, die vor Jahr(zehnt)en hier ihre ersten Texte veröffentlichten, sind heute namhafte Teile des österreichischen Literaturbetriebes wie Julya Rabinowich, Dimitré Dinev, Didi Drobna oder Thomas Perle, der in den vergangenen Jahren vor allem für seine Theaterstücke bekannt ist. Er war auch Teil der Jury für die Preise 2025 – und las bei der Preisverleihung Auszüge aus allen ausgezeichneten Texten.
Übrigens die eingangs genannte Autorin bekam ihren Preis in der Kategorie Prosa – nach der lyrischen Einstimmung schildert sie in Abschnitten einerseits – und das humorvoll – Die Arbeit bei der Essenszubereitung in einer selbstverwalteten Kindergruppe mit vielfachen Hinweisen auf die so wichtigen Hygienevorschriften und andererseits von ihrem Wunsch einer ziel- und damit wohl auch irgendwie grenzenlosen, nie enden sollenden Zugreise mit Gedanken und Reflexionen über Ungerechtigkeiten auf der Welt.
In diesem Jahr wurde auch – wieder, nicht immer – ein eigener Lyrik-Preis vergeben. Dieser ging an Olja Alvir, die lange Zeit Prosa, darunter auch vielfach journalistische Texte – für biber und Der Standard – verfasst hatte. In mehreren – sprachspielerischen Gedichten verbindet sie mitunter höchstpersönliche Gefühle mit fast schwebend daherkommenden gesellschaftspolitischen Kommentaren auch und gerade in Sachen Migrationsdebatte. „irgendwo herzukommen / ist völlig passeé“ lauten etwa zwei Zeilen in „das Ich Ist eine falltür“.
In „literhin immeratur“ beginnt sie mit „zumindest kann man drüber gedichte schreiben! / zumindest lässt sich das in strophen gießen / zumindest kann ich das in verse wursteln“… um später die Zeile „wenigstens textdingseln“ zu erfinden und mit „immerhin“ zu spielen, es in „immer hin“ zu zerlegen.
„Den Alltag in die Lyrik zu bringen, alltägliche Ausdrücke in der Lyrik zu verwenden, das mochte ich schon immer. Ich verwende gern alltägliche Sprache, um die vermeintliche Abgehobenheit der Lyrik zu konterkarieren“, schreibt sie im an ihre Texte anschließenden Beitrag über sich und ihr literarisches Schreiben.
Schon im Foyer der Kinderkultur im Wiener WuK (Werkstätten- und Kulturhaus) „empfängt“ ein von der Decke hängender Regenschirm mit kleinen Lichtern das Publikum und stimmt auf die Vorstellung „Der Regenmacher“ ein. Der, nein nicht dieser, aber ein Regenschirm war die erste Idee für das neueste Stück des Künstlers Christoph Schiele aus der Sparte Nouveau Cirque, in der er eine Clownfigur für sich – und das Publikum – entwickelt hat. War er in seinem vorigen Programm ein Bademeister, so spielt er nun einen den Tücken und dem Seelenleben eines Regenschirms Ausgelieferten.
Wohin die Reise in dem schon recht schrägen Bühnenbild (Bühnenbau: Thomas Weinberger) aus einer Leiter mit Knick, einem hölzernen Wegweiser, einer Kiste mit Rädern und vielen Seilzügen, die (fast) alles miteinander verbinden, geht, gibt scheinbar der Schirm vor. Gekonnt scheitert der Clown – wie es das Wesen solcher Figuren ist – immer und immer wieder, Slapstick-artige Szenen, inszenierte Hoppalas sind vielfach eingebaut und provozieren Lacher fast am laufenden Band.
Neben der Artistik und dem Wechselspiel des Bühnen-Solisten mit seinem Haupt-Protagonisten, dem Schirm spielt natürlich die Sehnsucht nach dem eine große Rolle, worin der Regenschirm seinen Sinn sieht – und mit ihm sein Träger. Aber, weit und breit keine Wolken am Himmel. Keine Wolke – kein Regen – kein Wasser! Mit dem Performer entwickelte Miriam V. Lesch das Konzept für „Der Regenmacher“, sie ist auch für die Dramaturgie dieser ¾ Stunde zuständig, wobei darüberinaus Helga Jud, Manfred Unterluggauer, Anatoli Akerman und Michal Chovanec dramaturgisch beratend tätig waren (External Eyes). Abgerundet wird die äußerst unterhaltsame Performance durch ein schräges Kostüm (Elke Tscheliesnig), eigens passend komponierte Musik und Sounds (Paul Kotal) sowie Lichtstimmungen (Jan Wielander).
In unzähligen Momenten – wohin die Reise auch geht – ob rauf auf die Leiter und damit ganz in der Höhe, im Norden, im Süden, wo immer auf der Bühne und bei Gängen mitten ins Publikum: Stets die selbe enttäuschend-traurige Erkenntnis. Und diese in unterschiedlichsten Sprachen geäußert: Englisch, Italienisch, Spanisch, Französisch, Tschechisch, Russisch, Türkisch, Hebräisch, Dänisch, Ungarisch, Schwedisch – hätte er sie auf Lager, verrät der Artist nach der Uraufführung Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Nicht alle hat er verwendet, manche wurden von den Kindern eingefordert. Aus den knallvoll mit Kindern besetzten Reihen kamen überhaupt merhmals spontane Reaktionen, unter anderem Hilfsangebote, wenn der Clown bewusst „scheiterte“.
Klarerweise kann das rund ¾-stündige Stück so nicht enden, der Clown versucht, eine Wolke zu bauen – aber wie?
Nein, das wird hier sicher nicht verraten, obwohl es sich in der Vorstellung früh andeutet, wohin diese „Reise“ gehen könnte. Aber diese Überraschungsmomente sollen nicht vernichtet werden – auch wenn die aktuellen Vorstellungen in der WuK-Kinderkultur bis 8. Dezember restlos ausverkauft sind.
Im Juni ist „Der Wolkenmacher“ im Grazer Kindermuseum Frida & freD zu erleben, dazwischen noch in einigen Bundesländern, da sind die Termine aber noch nicht fix – in der Infobox am Ende des Beitrages gibt es einen Link zur Website von Christoph Schiele und der Compagnie Filou, wo – so versprochen – Termine aktualisiert werden. Und – auch noch nicht fixiert – im kommenden Jahr wird dieses berührende-poetisch-lustige Stück mit dem doch sehr ernsten Hintergrund, dass es in vielen Teilen der Welt tatsächlich (fast) kein Wasser gibt, auch wieder in Wien gespielt, das seit Langem den Luxus hat, Trinkwasser einfach aus der Leitung genießen zu können.
Am Nikolaustag, dem Samstag nach dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung (3. Dezember – seit 1993), laden Selbstvertreter:innen und das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) zu einem Ausstellungsrundgang in dieses Museum; und anschließend zu einer Lesung von Texten der Literatur-Bootschaft Ohrenschmaus.
Vor rund eineinhalb Jahren – April 2024 – begann das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) gemeinsam mit dem Sozialministerium das „Disability History Project“. Damit sollen Geschichte und Perspektiven von Menschen mit Behinderungen im kulturellen Erbe Österreichs stärker oder überhaupt erst sichtbar werden. Das Zeitgeschichtemuseum startete damals einen Sammlungsraufruf. Seither wurden mehr als 400 Objekte angeboten, mehr als 100 sind jedenfalls online zu sehen und beschrieben – Link unten am Ende des Beitrages.
Das reicht von Fotos von Kundgebungen und Demonstrationen, Pickerln, Transparenten, Plakaten, T-Shirts bis zu künstlerischen Objekten mit Botschaften gegen Diskriminierung und für gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Passend zur vorweihnachtlichen Zeit seine beispielsweise Christbaumkugeln genannt mit dem Schriftzug „piss on pity“ – wörtlich übersetzt „piss auf Mitleid“. Es kamen aber nicht nur Objekte und Fotos aus jüngster Zeit, sondern unter anderem auch ein Anstecker mit der Aufschrift „Arbeit statt Mitleid“ aus dem Jahr 1927!
Allzu oft erleiden Menschen mit Behinderung(en) noch immer – bestenfalls – Mitleid statt Anerkennung und Behandlung als gleichberechtigte Menschen, die allenfalls den Abbau von Barrieren und unterschiedlichste Unterstützungen brauchen – was auch Menschen ohne Behinderungen auf andere Art und Weise brauchen.
Die Neuzugänge zur Geschichte von Menschen mit Behinderungen in Österreich bereichern das Museum auch bei zukünftigen Ausstellungs- und Vermittlungsprojekten, wurde am besagten Internationalen Tag in einer Aussendung geäußert. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass das Disability History Project vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMASGPK) nun auch weitere zwei Jahre finanziert wird.
„Mit dem Disability History Project machen wir die bislang oft unsichtbare Geschichte von Menschen mit Behinderungen in Österreich sichtbar. Die beeindruckende Beteiligung der Community und die weit übertroffenen Projektziele zeigen, wie groß der Bedarf an Anerkennung, Aufarbeitung und Bewusstseinsbildung ist. Deshalb setzen wir dieses wichtige Kooperationsprojekt mit dem Haus der Geschichte Österreich bis 2027 fort. Damit stärken wir die Forschung, fördern Inklusion und verankern die Geschichte von Menschen mit Behinderungen dauerhaft als Teil der österreichischen Zeitgeschichte“, meinte Sozialministerin Korinna Schumann dazu.
„Die Sammlung des Hauses der Geschichte Österreich ist Teil der Bundessammlungen. Durch die Neuzugänge im Rahmen des Disability History Projects konnten Leerstellen der Repräsentation österreichischer Geschichte gefüllt werden. Die Perspektiven von Menschen mit Behinderungen sind nun dauerhaft Teil des kulturellen Erbe Österreichs “, erklärt hdgö-Gründungsdirektorin Monika Sommer.
„Die Sammlung vom DisAbility History Project im hdgö macht marginalisierte Stimmen laut und beeinflusst wie über sie gesprochen und mit ihnen umgegangen wird “, sagt Kulturwissenschaftlerin und Obperson des Vereins CCC*** – Change Cultural Concepts Elisabeth Magdlener. „DisAbility History braucht es am hdgö, weil Menschen mit Behinderung* in unserer Gesellschaft noch immer unterdrückt, benachteiligt und diskriminiert werden!“
Magdlener begleitet das Projekt mit weiteren Expert*innen als Teil der Fokusgruppe. Selbstvertreter*innen, Aktivist*innen, Forscher*innen und Community-Archivar*innen entscheiden gemeinsam mit dem hdgö über Objekte und stellt sicher, dass eine Vielfalt von Behinderungen in der Gesellschaft in den Neuzugängen repräsentiert wird. Parallel zum Sammlungsaufbau führte Kurator*in Vanessa Tautter Oral-History-Interviews mit einem trauma-informierten Ansatz, der Schenker*innen einen sensiblen Rahmen bietet, ihre Geschichte in ihren eigenen Worten zu erzählen.
„Wenn wir Vergangenes aufarbeiten und sichtbar machen, beschreiten wir einen Weg, an dem wir unsere Zukunft ausrichten können. Zu verstehen, was bereits erreicht worden ist und welche Herausforderungen noch vor uns liegen, motiviert, Ziele gemeinsam zu erreichen“, so Franz Groschan, Präsident des Kriegsopfer- und Behindertenverbandes. Er ist Teil der Fokusgruppe und des hdgö-Publikumsforums ist.
Am Samstag, den 6. Dezember, findet von 14 bis 18 Uhr im hdgö der schon genannte Aktionstag statt. Dabei erzählen Selbstvertreter*innen wie Menschen mit Behinderung um ihre Rechte und gegen Diskriminierung und Gewalt kämpfen, was sich dadurch schon verändert hat und was und wie viel noch zu tun bleibt – Details in der Info-Box ganz am Ende des Beitrages.
Mit neuen Objekten in der Haupt-Ausstellung zeigt das Museum, dass die Geschichte von Menschen mit Behinderungen ein wichtiger Teil der österreichischen Geschichte ist.
wikipedia –> Internationaler_Tag_der_Menschen_mit_Behinderungen
Während in einem kürzlich hier vorgestellten (Vor-)Weihnachtsbuch seltsamerweise Bär und Biber für ihre Höhle im Wald einen Baum fürs bevorstehende Fest fällen, dreht sich das heute präsentierte Buch ums Gegenteil. „Kein Weihnachtsbaum für Kleo?“ beginnt schon mit der höchst unangenehmen „Begleiterscheinung“ von Hektik beim vorweihnachtlichen Einkauf. Kleo und ihr Vater werden von Packerl und Taschen schleppenden Kaufwütigen fast überrannt. „Pass doch auf, du Trampel-Tomate, schnaubte Kleo der roten Frau hinterher… eine Frau mit rotem Gesicht und noch roterer Jacke zwängte und dränge sich keuchend vorbei…“ Unter anderem damit und der Wortschöpfung „roterer“ beschreibt Autorin Caro Docar (mit „Opa Erwin fängt den Tod“ Dixi-Kinderliteraturpreisträgerin 2018) auf der ersten Doppelseite den ganz unfestlichen, vielen nur zu gut bekannten Stress.
Den verpackt Ewelina Wolnowska in die passenden Zeichnungen, deren Gesichter die entsprechenden Stimmungen ausdrücken – siehe Illustrationen dieses Beitrags mit Doppelseiten aus dem Buch.
Obendrein vermisst Kleo ihren besten Freund Pedro, der in den Ferien Verwandte in Brasilien besucht. Seine plastischen Schilderungen im Videotelefonat eines Ausflugs in den Amazonas-Regenwaldes lösen bei Kleo einen erlebnisreichen Traum aus, in dem sie gleich aus dem Fenster in den Urwald mit einigen seiner tierischen Bewohner klettert. Samt Angstbildern von Rodungen jahrhundertealter Urwaldriesen von denen ihr Pedro auch Smartphone erzählt.
Aufgeschreckt aus dem Traum sieht sie im Innenhof natürlich keinen Urwald, doch die ihr bekannte, vertraute Tanne. „Was wär wohl, wenn jemand sie abholzen würde? Plötzlich wusste Kleo, was zu tun war.“
Am nächsten Morgen versucht sie zuerst ihre Eltern zu überzeugen, auf einen Weihnachtsbaum zu verzichten, dann klingelt sie sich durch die Nachbarschaft in ihrem Wohnhaus. Und kommt drauf, manche tun das schon längst. Levi und Tom, ein Tischler, haben ein hölzernes großes Dreieck über einem von ihm ebenfalls aus Holz gebautem Regal, das von seiner Form her stark an einen festlichen Baum erinnert. Die alte Frau Ferber schmückt ihren Gummibaum weihnachtlich, bei anderen kommt ihr ein kleiner, lebender Nadelbaum in einem Blumentopf unter. Frau Najjar und ihre Kinder Mira und Malik haben einen klassischen Weihnachtsbaum, den die Mutter aber aus dem Büro mitgenommen hat, wo er sonst über die Feiertage allein seine Nadeln verloren hätte.
Und doch ist es dann knapp vor dem Fest für Kleo nicht ganz so einfach, auf die Vorstellung von einem geschmückten Nadelbaum und „schief“ singenden Liedern davor zu verzichten. Aber – die Lösung, die du in der in der Infobox verlinkten, Schau- und Leseprobe des Verlags finden kannst, die hier aber nicht verraten wird, kannst du dir vielleicht sogar denken – sie ist im Text dieser Buchbesprechung versteckt schon angedeutet.
Übrigens, Anmerkung in eigener Sache: Ich habe – mit meinem damals jungen Sohn (heute ist er längst erwachsen) vor den Weihnachtsfesten in seiner Kindheit einen großen Philodendron Jahr für Jahr feierlich geschmückt; in einem Jahr haben wir für Fotos davon sogar einen Preis mit Buchgutschein und vielen weihnachtlichen Süßigkeiten gewonnen 😉
Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung – seit 1993 am 3. Dezember – fällt auch in den Zeitraum der Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ (vom 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen bis zum Menschenrechtstag am 10. Dezember). Der Österreichische Behindertenrat, die gesetzliche Interessensvertretung, die unter ihrem Dach mehr als 80 Organisationen vereint, nahm heuer dieses zeitliche Zusammentreffen zum Anlass, „auf die hohe Gewaltbetroffenheit von Menschen mit Behinderungen“ aufmerksam zu machen.
„Besonders häufig sind Menschen betroffen, die in Einrichtungen leben. Gewalt gehört für viele Menschen mit Behinderungen zum Alltag und sie erleben deutlich häufiger Gewalt als Menschen ohne Behinderungen. Frauen und Mädchen mit psychosozialen Behinderungen oder Lernschwierigkeiten erfahren zudem deutlich häufiger sexuelle Gewalt als Frauen ohne Behinderungen“, erklärte Behindertenrats-Präsident Klaus Widl.
Der Österreichische Behindertenrat betont, dass viele Betroffene Gewalt nicht erkennen oder benennen können, weil es an zugänglicher sexueller Bildung mangelt. Daher braucht es flächendeckende, leicht verständliche und barrierefreie Informationen zu sexueller Selbstbestimmung, zu Formen von Gewalt und zu verfügbaren Unterstützungsangeboten. Gleichzeitig müssen Opferschutzeinrichtungen und Beratungsstellen umfassend barrierefrei gestaltet sein und auch im ländlichen Raum zur Verfügung stehen. Zudem ist es erforderlich, Daten zu Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen systematisch zu erfassen, um wirksame Maßnahmen ableiten zu können.
„Menschen mit Behinderungen werden in Österreich noch immer nicht ausreichend vor Gewalt geschützt. Der Österreichische Behindertenrat fordert daher: ausreichend umfassend barrierefreie Opferschutzeinrichtungen und Beratungsangebote, wirksame Präventionsarbeit und die konsequente Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention dürfen nicht länger aufgeschoben werden. Schutz und Sicherheit sind Grundrechte für alle.“
Zum diesjährigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung meldete sich zum Thema Gewalt an Frauen, insbesondere solchen mit Behinderung auch eine neue Initiative: „FmB – Interessensvertretung Frauen* mit Behinderungen“. In einer Medien-Aussendung nahm die „erste unabhängige Interessensvertretung“ Bezug auf ein 2025 erarbeitetes „Positionspapier“ (vor einem halben Monat von der Generalversammlung beschlossen), in dem FmB zeigt, „wie Frauen* und Mädchen* mit Behinderungen in Österreich Abwertung durch Ableismus (Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung) und Sexismus erleben“ und in zwölf Kapiteln 74 Forderungen aufstellt, um dies zu ändern. „Unser Positionspapier fasst zusammen, was wir Frauen* mit Behinderungen brauchen: Empowerment, Platz an den Entscheidungstischen und politische Maßnahmen, die unsere Lebensrealitäten ernst nehmen“, sagt Heidemarie Egger, geschäftsführende Co-Vorsitzende von FmB.
Die in der Aussendung aufgezählten „wichtigsten Forderungen“:
„Unser Positionspapier zeigt, was es braucht, damit Politik und Gesellschaft ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gegenüber Frauen* und Mädchen * mit Behinderungen nachkommen. Gemeinsam mit der Community der österreichischen Frauen* mit Behinderungen setzen wir uns für die Umsetzung dieser Forderungen ein“, wird Julia Moser, geschäftsführende Co-Vorsitzende von FmB, zitiert; zum gesamten Positionspapier geht es hier
Zu einem 11 ½-minütigen Video, in dem der genannte Klaus Widl sowie Manuela Lanzinger, Helene Jarmer und Marlene Krubner über Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen sprechen, geht es hier
„Wer ein eigenes Einkommen hat, kann sich und seine Familie versorgen. Wer aber kein Einkommen hat, ist auf andere angewiesen oder armutsgefährdet. Als Licht für die Welt ermöglichen wir Menschen mit Behinderungen in Afrika ein selbstbestimmtes Leben, in dem wir ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit fördern“, betont Alex Buchinger, Geschäftsführer dieser Hilfsorganisation in Österreich, anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember.
In der UN-Behindertenrechtskonvention ist in Artikel 27 das Recht auf Arbeit festgehalten: Dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. In der Realität wird oft auch jenen Menschen mit Behinderungen das Recht auf angemessene Arbeit verwehrt, die gerne produktiv sein möchten.
Die Überschneidung von Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht und Behinderung diskriminiert Frauen mit Behinderungen mehrfach. Sie werden oft daran gehindert, gleichberechtig an der Arbeitswelt teilzunehmen und haben eine geringere Chance als Männer eine Ausbildung zu machen. Frauen und Mädchen mit Behinderungen erleben auch mindestens dreimal so oft körperliche oder seelische Gewalt als Frauen ohne Behinderungen.
Licht für die Welt ermöglicht Menschen mit Behinderungen in sechs afrikanischen Ländern ein selbstbestimmtes Leben. Durch Aus- und Weiterbildung, Finanzierung und Aufbau einer Geschäftsidee und beim Finden eines inklusiven Arbeitsplatzes. Im Jahr 2024 konnten dank der Unterstützung von Licht für die Welt 8.922 Kinder mit Behinderungen die Schule besuchen und mehr als 20.800 Menschen mit Behinderung ein Jobtraining absolvieren.
Vor mehr als elf Jahren war KiJuKU-heinz, damals noch für den Kinder-KURIER, mit Licht für die Welt in Burkina Faso bei Inklusionsprojekten – Link zum damaligen Bericht unten am Ende des Beitrages verlinkt. Begonnen hatte die damalige Reportage mit dem Bericht über das Mädchen Assana, das auf allen Vieren in die Schule eilt als Beispiel für inklusive Bildung.
Eines der Beispiele, wie ein Mensch mit Behinderung seinen eigenen Lebensunterhalt verdient, traf die kleine Gruppe von Journalist:innen aus Österreich den damals 24-Jährigen Bangri. Er, der zuvor als unbehandelter schwer Kranker kaum bewegungsfähig war, konnte durch von den Licht-für-die-Welt-Partnern vor Ort organisierter zunächst medizinsicher Betreuung letztlich mit einem Dreirad-Hand-Bike einen Laden am meist frequentierten Weg des Dorfes Moaga betreiben. Ein Mikro-Kredit ermöglichte ihm den Aufbau – und neben Verdienst war er so auch mitten unter den Dorfbewohner:innen, die bei ihm nicht nur einkauften.
Zu viele Menschen mit Behinderungen leben weiterhin in Heimen. Es existiert keine umfassende politische Strategie zum Abbau institutioneller Strukturen. Ebenso fehlt ein klares Verständnis, was „De-Institutionalisierung“ im Sinne der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) bedeutet. Unzureichende Unterstützungsleistungen und ein Mangel an barrierefreiem Wohnraum verschärfen die Situation. Dies zeigt der aktuelle „Monitor 2024 De-Institutionalisierung“, den der Unabhängige Monitoring-Ausschuss zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen veröffentlicht hat. Dieses Gremium bündelt Erfahrungsberichte von Menschen mit Behinderungen aus der Öffentlichen Sitzung 2024 und leitet daraus politische Maßnahmen ab.
„Die gesellschaftliche und politische Grundhaltung ist weiterhin, dass Menschen mit Behinderungen in Heimen am besten aufgehoben sind. Das steht in klarem Widerspruch zum Recht auf selbstbestimmtes Leben nach der UN-BRK“, sagt Daniela Rammel vom Vorsitzteam. Neben der inklusiven Bildung war die De-Institutionalisierung einer der zentralen Kritikpunkte des UN- Fachausschusses im Rahmen der Staatenprüfung 2023.
Zur Website des Monitoring-Ausschusses in Leichter Sprache geht es im Link unten:
monitoringausschuss –> aktuelles in leichter Sprache
Am Vorabend des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen, den es seit 1993 – Abschluss des UNO-Jahrzehnts behinderter Menschen – gibt, fand 2025 zum achten Mal die Verleihung der Österreichischen Inklusionspreise statt. Am Rande dieser Veranstaltung hielt auch der Präsident von Down Syndrom Österreich, Simon Couvreur, eine Rede, in der er mehr Inklusion für Menschen mit Trisomie 21 forderte. Dies bedeute „das selbstverständliche Dabeisein und Mitmachen in allen Bereichen des Lebens für alle Menschen“.
Lebenshilfe und Lotterien zeichnen beim Inklusionspreis Projekte und Initiativen aus, die sich für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen und den Abbau von Barrieren in unserer Gesellschaft einsetzen. Eine prominent besetzte unabhängige Fach-Jury wählte zuvor in acht Kategorien Gewinner:innen aus.
„Die Preis-Träger*innen zeigen, dass Inklusion gelingen kann, das macht Mut! Echte Inklusion haben wir aber erst erreicht, wenn wir den Inklusionspreis nicht mehr brauchen. Wir fordern daher unsere Politiker*innen auf, endlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein inklusives und damit menschlicheres Österreich zu schaffen. Aktuell macht Österreich leider Rückschritte, es heißt: Alle müssen sparen. Aber Kürzungen, die dazu führen, dass Menschen ausgeschlossen werden, sind für uns ein absolutes No-Go!“, stellte Selbst-Vertreterin und Vize-Präsidentin der Lebenshilfe Österreich, Hanna Kamrat, zur Preisverleihung fest.
„Wir sind entsetzt, wie angesichts klammer Budgets das soziale Netz demontiert wird. Für Menschen, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind, werden die undurchdachten Sparmaßnahmen schwerwiegende Folgen haben“, kritisiert Gerlinde Heim, Geschäftsführerin von VertretungsNetz – für Selbstbestimmung und Bewegungsfreiheit.
Bereits vor 17 Jahren hat Österreich die UN- Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Der UN-Ausschuss kritisierte anlässlich der letzten Staatenprüfung Österreichs vor zwei Jahren, dass die Bundesländer zu wenig anbieten, um die Inklusion von Menschen mit Behinderungen voranzutreiben. Nun legt man vielerorts mit einem Kahlschlag im Sozial- und Pflegebereich auch noch den Rückwärtsgang ein.
Viele erfolgreiche Projekte und Initiativen im Gesundheits- und Sozialbereich werden aktuell gestrichen oder stark reduziert. „Zahlreiche Kooperationspartner berichten uns, dass ihre Förderungen überfallsartig gekürzt oder überhaupt eingestellt werden. Viele Träger stehen vor existenziellen Herausforderungen. Zentrale Hilfsangebote, die seit Jahrzehnten etabliert und erfolgreich sind, stehen vor dem Aus“, fasst Heim zusammen.
Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen – eine besonders stigmatisierte Personengruppe – verlieren die wenigen soziale Anlaufstellen, die es gibt. So wurde der Beratungsstelle „Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter“ (HPE) ein Viertel ihres Budgets gestrichen. Empfindliche Einbußen gibt es auch bei Arbeitsmarktprojekten für Suchterkrankte sowie für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen.
Auch im Pflegebereich wird gespart. Die Community-Nurse-Projekte werden größtenteils wieder eingestampft, obwohl ihr Erfolg in der Prävention unbestritten ist. Wie es mit den – ohnehin sehr schleppend verlaufenden – Pilotprojekten für persönliche Assistenz in den Bundesländern weitergeht, ist noch offen.
„Viele der geplanten Kürzungen nehmen Menschen das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, fördern Armut, Abhängigkeit, Stigmatisierung und Ausgrenzung – und werden am Ende hohe Folgekosten verursachen. Wir appellieren an die Verantwortlichen, durchdacht zu handeln. Es bringt nichts, mit der Abrissbirne in jahrzehntelang etablierte Strukturen zu fahren, um kurzfristig ein wenig Geld zu lukrieren. Denn der Preis, den wir zahlen, wird am Ende viel höher sein, wenn die Unterstützungsangebote fehlen“, so die VertretungsNetz-Sprecherin.
Dazu kommt, dass die meisten Länder aktuell ihre Sozialhilfegesetze verschärfen. Das trifft viele Menschen, die aufgrund einer psychischen bzw. chronischen Erkrankung nicht erwerbsfähig sind. Die verschlechterten Gesetze mit schwammig formulierten „Mitwirkungspflichten“ und überzogenen Sanktionen werden zu mehr Armut, Verschuldung und Wohnungslosigkeit führen. Wer aus der Sozialhilfe fällt, verliert in vielen Fällen auch die Krankenversicherung.
Sparen durch Bürokratieabbau ist hingegen nicht vorgesehen. „Wir vertreten viele Personen, die dauerhaft nicht erwerbsfähig sind, bestätigt durch mehrere Gutachten. Trotzdem stellen manche Sozialämter Bescheide nur für zwei Monate aus und verlangen monatlich Kontoauszüge und andere Belege, auch wenn sich an der Lebenssituation nichts ändert. Diese überschießende Kontrolle ist sinnlos und wird zu Recht als Schikane erlebt. Weil man die Menschen mit Bürokratie überfordert, braucht es außerdem immer mehr Erwachsenenvertretungen“, schildert Heim. Sie fordert Dauerbescheide zumindest für ein Jahr für jene Menschen, die dauerhaft nicht arbeiten können.
Armutsbekämpfung und Existenzsicherung müssen im Zentrum einer bundesweit einheitlichen Sozialhilfe stehen. Ebenso gilt es, Prävention auf allen Ebenen zum leitenden Prinzip zu machen. Heim dazu: „Wir müssen die Selbstbestimmung und Autonomie möglichst vieler Menschen so lange wie möglich erhalten. Dafür braucht es gezielte Unterstützung, die psychische und physische Gesundheit stärkt, Inklusion ermöglicht und Teilhabe fördert. So lassen sich nicht nur soziale Gräben schließen, sondern langfristig auch erhebliche Kosten vermeiden.“
aktionstag-schon 2015 <– damals noch im KiKu, Vorläufer von KiJuKU
Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen warnt auch der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB) vor massiven Rückschritten bei Barrierefreiheit und gleichberechtigter Teilhabe durch die im Doppelbudget 2025/26 angekündigten Sparmaßnahmen im Sozialbereich.
„Inklusion ist kein Nice-to-have und kein Projekt für ‚bessere Zeiten‘ “, warnt Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes. Inklusion braucht ausreichend finanzierte Gebärdensprach-Angebote, klare bildungspolitische Prioritäten und eine konsequente Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK). „Wer beim Doppelbudget 2025/26 Inklusion und Menschen mit Behinderungen nicht mitdenkt, produziert Ausschluss mit Ansage. Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen ist ein Reminder: Österreich hat sich zu einer inklusiven Gesellschaft bekannt – jetzt muss dieses Bekenntnis im Budget und in der Umsetzung des Regierungsprogramms sichtbar werden “, so Jarmer.
Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist zentrale Kommunikations- und Unterrichtssprache für gehörlose Kinder, Jugendliche und Erwachsene. In Österreich leben schätzungsweise 8.000 bis 10.000 gehörlose Menschen, die die ÖGS als ihre Hauptkommunikationsform nennen. Darüber hinaus profitieren viele schwerhörige Personen von barrierefreien Angeboten und unterstützenden Maßnahmen. Ohne flächendeckende ÖGS-Kompetenz in Bildungseinrichtungen, Behörden und öffentlichen Institutionen sowie ohne flächendeckende Dolmetschangebote bleiben Informationszugang und Teilhabe für gehörlose und schwerhörige Menschen strukturell eingeschränkt.
Im September 2025 fand in Wien unter dem Titel „Gebärden.Sprache.Bildung – Gebärdensprache stärken, Bildung verbessern“ der 5. Bildungskongress der Gehörlosenverbände des DACH-Raums (Deutschland, Österreich, Schweiz) mit international renommierten Expertinnen und Experten aus Pädagogik, Linguistik und Gehörlosenforschung statt. Er hat gezeigt, dass bilingual-bimodale Bildungskonzepte – mit ÖGS und Deutsch – nachhaltige positive Effekte auf Bildungsbiografien und langfristig verbesserte gesellschaftliche Teilhabe gehörloser Menschen haben. „Die dort erarbeiteten Empfehlungen müssen als Grundlage für bildungspolitische Entscheidungen dienen und dürfen nicht aus Spargründen aufgeschoben werden “, stellt Helene Jarmer fest.
Die im Doppelbudget 2025/26 vorgesehenen Sparmaßnahmen drohen jedoch genau jene Strukturen zu schwächen, die für eine inklusive Gesellschaftspolitik notwendig sind. Einschnitte bei barrierefreien Angeboten, bei Gebärdensprachförderung und bei Unterstützungsleistungen treffen gehörlose Menschen überproportional und stehen im klaren Widerspruch zu nationalen und internationalen Verpflichtungen.
Der ÖGLB hat dazu in den vergangenen Wochen eine Umfrage unter seinen Vernetzungspartnern – von Gehörlosenvereinen über Krankenhäuser und Universitäten bis hin zu Beratungs- und Bildungseinrichtungen – durchgeführt, um zu erheben, ob und in welcher Form sie bereits von Kürzungen betroffen sind oder Einschnitte befürchten. Die ersten Rückmeldungen sind ernüchternd: Sie reichen von drohendem Personalabbau, gekürzten Projekten und sinkender Dolmetsch- und Beratungsqualität über zusätzliche bürokratische Hürden bis hin zur akuten Gefährdung spezialisierter Angebote, etwa für taubblinde Menschen.
Der ÖGLB fordert die Bundesregierung auf, im Doppelbudget 2025/26 verbindlich und umfassend folgende Maßnahmen zur Stärkung von Gebärdensprache, Barrierefreiheit und Inklusion zu sichern:
„Diese Forderungen spiegeln die dringende Notwendigkeit wider, Inklusion als integralen und nicht verhandelbaren Bestandteil von Politik und Budgetpolitik zu verankern “, denn „wer Barrieren für gehörlose Menschen stehen lässt, baut gleichzeitig Mauern in den Köpfen. Es geht um nichts weniger als um Chancengleichheit und Menschenrechte “, so Helene Jarmer abschließend.
Die Anwältin für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen, Christine Steger, fordert anlässlich der laufenden Reformpartnerschaft von Bund, Ländern und Gemeinden eine tiefgreifende Neuordnung der klassischen „Behindertenhilfe,“ also der Zuständigkeiten im Bereich der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Der derzeitige Zustand ist für Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen unübersichtlich, belastend und führt häufig dazu, dass notwendige Leistungen verspätet gewährt oder überhaupt nicht in Anspruch genommen werden können. Viel zu oft hören Menschen mit Behinderungen: „Dafür sind wir leider nicht zuständig.“
„Die Unterstützung eines Menschen mit Behinderungen darf nicht davon abhängen, welche Stelle zuständig ist“, betont Steger. „Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erfordert klare, koordinierte und barrierefrei zugängliche Strukturen“, verlangte die Geleichbehandlungsanwältin namens aller Betroffenen.
Im Bildungsbereich zeige sich eine ähnliche Problematik der geteilten Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern. Die Kompetenztrennung erschwert eine durchgängige inklusive Schulpolitik und führt zu erheblichen Unterschieden in den Angeboten und Entscheidungswegen zwischen den Bundesländern. Obwohl der Bundesminister für Bildung bereits öffentlich Reformwillen bekundet hat, findet sich ein Bekenntnis zur Trennung noch in zahlreichen Regierungsprogrammen einiger Bundesländer.
Kinder mit Behinderungen werden zudem weiterhin zu oft in eigene Schulformen verwiesen, obwohl inklusive Bildung sowohl internationaler Standard als auch rechtlich vorgesehen ist. „Solange Bund und Länder einander im Bildungsbereich Zuständigkeiten zuschieben, bleibt eine wirksame Umsetzung inklusiver Strukturen blockiert“, betont Steger. Es brauche bundeseinheitliche Vorgaben und harmonisierte Umsetzungsschritte, um allen Kindern gleiche Chancen zu ermöglichen. Auch hier könnte die Reformpartnerschaft wesentlich zur Verbesserung der Situation beitragen.
Der aktuell erforderliche Sparkurs in Österreich trifft vor allem auch Menschen mit Behinderungen, und das gleich auf mehreren Ebenen: Programme zur Persönlichen Assistenz laufen aus, Arbeitsmarktprojekte verlieren ihre Finanzierung, und auch bei den Sozialbudgets wird der Rotstift angesetzt. Darauf weist der Behindertenverband KOBV Österreich in einer Aussendung anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember hin; die Abkürzung steht für die historische Gründung, das KO für Kriegsopfer.
„Die Inklusion von Menschen mit Behinderungen steht auf dem Spiel“, sagt Franz Groschan, Präsident des Verbandes. „Wir werden durch die geplanten Kürzungen um Jahre zurückgeworfen.“ Die Sparmaßnahmen stünden in krassem Widerspruch zum Prinzip der Solidarität und gefährden die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die Österreich bereits im Jahr 2008 ratifiziert habe.
„Anstatt an der Umsetzung von wichtigen Maßnahmen zu arbeiten, geht man den umgekehrten Weg“, kritisiert Groschan, „nehmen wir zum Beispiel den Arbeitsmarkt. Weniger Mittel für Arbeitsmarktprojekte und Kürzungen bei Förderungen aus dem Ausgleichstaxfonds bedeuten, dass Menschen mit Behinderungen noch schlechtere Jobchancen haben oder ihren Arbeitsplatz verlieren.“
Die Folge: steigende Arbeitslosigkeit, die wiederum zu psychischen Belastungen führt. Falle dann obendrein der soziale Rückhalt weg, etwa, weil die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch die Einsparungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist, dann spitze sich die Situation für die Betroffenen immer weiter zu, warnt der KOBV-Präsident.
Denn gespart werde nicht nur auf Bundesebene – und hier vor allem bei Arbeitsmarktprojekten und Persönlicher Assistenz -, sondern auch in den Bundesländern. „In der Steiermark werden die Mittel für barrierefreie Mobilität gekürzt. Das ist vor allem in ländlichen Regionen ein massives Problem“, zeigt Franz Groschan auf, „im Burgenland wird der Sparstift bei Förderprogrammen zur Inklusion in Bildung und Freizeit angesetzt. In Salzburg müssen wir mit Verzögerungen beim Ausbau von inklusiven Schulen rechnen, in Tirol und Vorarlberg wiederum steht die Weiterfinanzierung von regionalen Assistenzmodellen auf sehr wackeligen Beinen, Oberösterreich kürzt beim barrierefreien Wohnen.“
Auch in Wien würden harte Zeiten auf Menschen mit Behinderungen zukommen: „Die Kostenbeiträge für Pflege und Betreuung werden voraussichtlich weiter steigen, bestehende Förderungen sollen evaluiert werden. Das betrifft unter anderem die Wohnungslosenhilfe des Fonds Soziales Wien sowie Assistenz- und Inklusionsprojekte“, so Groschan weiter.
Erst im Oktober hatte der KOBV Österreich bei seiner Delegiertentagung ein umfassendes Forderungspapier verabschiedet, das von der Integration in den Arbeitsmarkt über inklusive Bildung und den Zugang zu qualifizierter medizinischer Versorgung bis hin zu Barrierefreiheit und Persönliche Assistenz alle Bereiche abdeckt und detaillierte Maßnahmen vorschlägt.
„Die Rechte von Menschen mit Behinderungen dürfen nicht dem ökonomischen Druck geopfert werden“, fordert der KOBV-Präsident abschließend, denn: „Inklusion ist die Voraussetzung für eine gerechte Gesellschaft.“
Anlässlich des Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen setzen die ÖBB ein besonderes Zeichen und lassen den Wiener Hauptbahnhof als Teil der weltweiten Initiative „Positively Purple“ lila erstrahlen. Damit rücken die ÖBB ihr Engagement für Inklusion und Barrierefreiheit besonders in den Fokus, heißt es in einer Medienaussendung. Noch haben, so geben die Bundesbahnen aber auch – ein bisschen versteckt in der Jubelmeldung über Erreichtes, einiges zu tun: Noch sind mehr als zehn Prozent der Bahnhöfe nicht barrierefrei zugänglich – die internationale Behindertenkonvention wurde 2006 (!) von der UNO-Generalversammlung beschlossen und ist zwei Jahre später auch in Österreich – am 26. Oktober – in Kraft getreten.
Aktuell sind rund 490 Bahnhöfe und Haltestellen barrierefrei, damit können 88 % der Fahrgäste einen barrierefreien Bahnhof nutzen.
Vom Ticketkauf über Bahnhöfe, Informationen in einfacher Sprache bis hin zu stufenlosen Einstiegen und barrierefreien Zügen soll das Progamm der ÖBB mit Ende 2027 mehr als 90 % aller Kund:innen barrierefreie zur Verfügung stehen. Derzeit ist ein Fünftel der Züge für Menschen im Rollstuhl nicht tauglich, Ende des kommenden Jahres (2026), sollen neun von zehn Zügen barrierefrei sein. ÖBB Postbusse sind bereits zu 100 Prozent barrierefrei. Sämtliche neue Fahrzeuge sind barrierefrei zugänglich und verfügen über visuelle wie auch akustische Fahrgastinformationen. Das erleichtert nicht nur Menschen mit Behinderungen die Orientierung und das Reisen, sondern unterstützt ebenso beispielsweise ältere Fahrgäste im Alltag.
Bei der Angebots-Entwicklung setzen die ÖBB bewusst auf jene Expertise, die in Bezug auf Barrierefreiheit am meisten zählt: die Erfahrung von Menschen mit Behinderungen. Die Perspektiven von Mitarbeiter:innen mit Behinderungen tragen wesentlich dazu bei, die Bedürfnisse der Reisenden besser zu verstehen. Bei der Beschaffung neuer Fahrzeuge arbeiten die ÖBB zudem eng mit Interessensvertretungen zusammen, um Konzepte für Barrierefreiheit laufend zu optimieren und an reale Anforderungen anzupassen. So wurde z.B. bei der Entwicklung der neuen Railjets und Nightjets eng mit dem Österreichischen Behindertenrat (ÖBR) kooperiert.
Die ÖBB setzen nicht nur bei der Mobilität ihrer Fahrgäste auf Barrierefreiheit, sondern auch intern auf eine respektvolle und inklusive Arbeitskultur mit gerechten Chancen für alle Mitarbeiter:innen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde 2020 die Charta der Inklusion ins Leben gerufen. Sie umfasst zahlreiche Maßnahmen, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen: von Qualifizierungsangeboten für Führungskräfte über Kooperationen zur Unterstützung bei Vermittlung und Onboarding bis hin zu internen Kampagnen, die das Bewusstsein für Inklusion stärken. Darüber hinaus stehen Mitarbeiter:innen mit Behinderungen gezielte Beratungsangebote sowie die Möglichkeit zum Austausch im konzernweiten Netzwerk „Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen“ zur Verfügung. So schaffen die ÖBB ein Arbeitsumfeld, in dem Vielfalt gelebt und Barrieren abgebaut werden.
Die ÖBB engagieren sich das ganze Jahr über intensiv für Inklusion und Barrierefreiheit. Am 3. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen, setzen sie ein besonders sichtbares Zeichen: Der Wiener Hauptbahnhof leuchtet im Rahmen der weltweiten „Positively Purple“-Kampagne in kräftigem Lila.
Am 23. September, dem Internationalen Tag der Gebärdensprache, hatten die ÖBB wieder insbesondere Kinder und Jugendliche eingeladen auf der Bühne vor dem Hauptbahnhof Performances in dieser sicht- aber nicht hörbaren Sprache aufzuführen – KiJuKU.at hat berichtet – unten verlinkt.
Fast Jahr für Jahr gibt es immer größere, ausgefallenere Adventkalender mit allem möglichen Zeug – und schon längst nicht mehr „nur“ für Kinder wie solche mit Kaffee, Kosmetika, Bier und anderen alkoholhältigen Getränken usw. zeigen. Zurück zu kleinen Bildchen für jeden der 24 Tage, allerdings mit viel drumherum führt ein neues Buch aus der seit mehr als 30 Jahren vom Autor immer wieder befüllten Reihe um das wohl außergewöhnlichste Fahrrad der Welt.
Gut, der Titel dieses Beitrags und die Illustrationen mit Buchseiten haben’s ja schon von Anfang an verraten: Thomas Brezina hat sich – wieder einmal – einen spannenden, abenteuerlichen Kriminalfall für Tom Turbo und seine zwei Bosse Klaro (Konstantin) und Karo(line) einfallen lassen. Tag für Tag sechs Seiten, davon jeweils in der Mitte eine großformatige von Pablo Tambuscio gezeichnete Doppelseite, auf der du immer wieder Hinweise zur Lösung eines kniffeligen Details im Fall rund um „Das Geheimnis der Weihnachtsburg“ finden kannst.
Davor auf der ersten Seite des jeweiligen Kapitels findest du in einem der ersten Absätze stets drei Punkterln und ein fehlendes Wort und einen Platzhalter in Tom Turbos Farben gelb und orange. Am Ende des Buches haftet ein Bogen mit 24 Klebebildern, die von ihrer unterschiedlichen Form her auf diese Stellen passen (daneben steht übrigens zur Sicherheit auch noch die Zahl des jeweiligen Tages). Obendrein lässt der Autor fast jedes der – natürlich – 24 Kapitel mit einer weiteren Rätselfrage enden, die sich am folgenden Tag auflöst, do du nicht schon vorher draufgekommen bist.
Die große Weihnachtsburg im Park verbirgt klarerweise ein nicht gerade nettes Geheimnis, das du – mit Hilfe des detektivischen Trios – Kapitel für Kapitel beim Lesen – und genauen Schauen – lösen wirst. Und – dir sicher auch schon aus früheren Tom Turbo-Abenteuern bekannt –, anfangs will kaum wer dem Verdacht des Trios glauben: „Die Bürgermeisterin meint… bei Tom wäre eine Schraube locker. Die Weihnachtsburg ist ein Geschenk eines sehr reichen Herrn namens Friedrich Mootnaaf.“
Solltest du die Ratekrimis rund um das Fahrrad mit seinen 111 Tricks schon gut kennen, kommst du möglicherweise schon recht früh drauf, welcher der Bösewichte – Alexa, Fritz Fantom, Dr. Gruselglatz, Rudi Ratte, Zacko -, die allesamt mitmischen, hinter dem fiesen Plan steckt.
Übrigens: Tom Turbo eignet sich in diesem Buch einen zusätzlichen Trick an – welchen, das wird hier genauso wenig verraten wie mehr aus der Story, in deren Verlauf das tollste Fahrrad der Welt mehrmals ziemlich kaputt geht, aber – eh klar – sich mit Hilfe der beiden Bosse und Freunde wieder reparieren kann.
Und: Es wird wohl kaum wer was dagegen haben, wenn du nicht von Tag zu Tag wartest, sondern schon lange vor Weihnachten alle Kapitel liest 😉
Übrigens: Da auch dieses Buch nicht nur vom Text, sondern mindestens ebenso von den vielen, auch mit versteckten Rätseln versehenen, Bildern lebt, hätte sich Illustrator Pablo Tambuscio wohl eine Erwähnung auf der Titelseite verdient.
Der erste Adventsonntag ist vorbei. „Ganz bald ist Weihnachten“ lautet der Titel eines Bilderbuchs, das den Reigen neuer (vor-)weihnachtlicher Bücher hier eröffnet. (Besprechungen von in früheren Jahren erschienene Bücher sowie Theaterstücke und Filme, auch ein aktueller, sind unten am Ende des Beitrages verlinkt.
Nun also zum im vorigen Absatz erwähnten Buch. Britta Sabbag (Text) mit Illustrationen von Eefje Kuijl führt uns in einen Winterwald zu zwei engen Freunden: Biber und Bär als Mix aus Tier und Kuschelfigur vermitteln – in Text und Bild – ihre Vorfreude und emsige Vorbereitung auf das Fest. Dazu gehört das Basteln von Girlanden und Schmuck, mit dem sie ihren Weihnachtsbaum schmücken wollen. Und das Vergnügen, durch den Schnee im Winterwald zu stapfen. Der Bär, natürlich ein bisschen schwer, sinkt bei jedem Schritt recht massiv ein. Da hat Freund Biber die Idee, aus Zweigen ein Geflecht zu fabrizieren, das ein bisschen aussieht wie Tennisschläger. Die bindet sich Bär an seine Füße und hat nun eine Art Schneeschuhe…
Dass Bären eigentlich Winterruhe, nicht tiefen Winterschlaf, aber doch sämtliche Körperfunktionen – Atmung, Herzschlag, Kreislauf – in ihren Höhlen deutlich reduzieren und dauer-schlummern, ignoriert das Buch offenbar.
Genauso irritiert, dass die beiden beschließen, den größten Baum im Wald zu fällen, was der Biber ganz gut kann. Den Nadelbaum schleppen sie dann zu ihrer gemeinsamen Höhle – und er passt nicht rein. So stellen sie ihn vor die Höhle und feiern mit allen Tieren des Waldes gemeinsam.
Hoffentlich lernen sie daraus und schmücken in folgenden Jahren gleich einen noch lebenden, verwurzelten Baum in der Nähe der Höhle 😉
Ach, wie einfach wäre es doch, würden Fake News so deutlich erkennbar sein, wie die lang und länger werdende Nase des berühmten lebendig gewordenen Pinien-Holzstücks vulgo Pinocchio, bei dessen Lügen 😉 – die Erfindung von Carlo Lorenzini, besser bekannt unter dem Künstlernamen nach seinem Heimatort Collodi (Teil der Gemeinde Pescia in der Toskana, Italien) aus dem Jahr 1881. Diese Geschichte wurde und wird sehr oft auch in Dutzenden Theater- und Film-Versionen gespielt. Nun also – wieder – einmal als „Weihnachtsstück“ im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier. Traditionell läuft hier einzig und allein in der Adventzeit ein Stück mehrere Wochen, laufen nur wenige Tage, so manche allerdings mit mehreren Wiederaufnahmen.
Passend zur Tischlerwerkstatt von Meister Geppetto ist ein Gutteil der Bühne im Holz-Design (Bühne, Kostüme: Alex Gahr); übrigens – wie aus dem (pädagogischen) Begleitmaterial hervorgeht, recycelt aus einem Bühnenbild in St. Pölten (Niederösterreich). Wobei anzumerken ist, dass auf Initiative des technischen Leiters im Dschungel Wien, Hannes Röbisch, der bei Pinocchio gemeinsam mit Christo Novak die Lichtstimmungen gestaltete, nicht selten bei Bühnenbilder Materialine wieder verwendet werden.
Sich an die Geschichte des Originals haltend, haben Lukas Schrenk und Nils Strunk diese spielfreudige Version, die vor dem ersten Adventsonntag Premiere hatte, geschrieben und Musik dazu gefunden; Henry Morales als Co-Autor steuerte vor allem italienische Passagen bei – eine Brücke zum Original (Regie: Leonard Dick). Neben Textpassagen in dieser Sprache setzt diese knapp mehr als 1¼-stündige Fassung auf viele italienische Elementen, nicht zuletzt Musik von Volksliedern über Pop-Songs bis zu Opernarien (Musikalische Leitung: Andrej Agranovski) des südlichen Nachbarlandes.
Der Tischler, der eigentlich nur mehr das letzte Bein für einen Tisch aus einem Holzblock hauen will, meint erst Stimmen im eigenen Kopf zu vernehmen, als er „Nein, bitte nicht schlagen!“ hört. Womit schon bald nach Beginn die Botschaft gegen Gewalt in der Erziehung mitschwingt. Es braucht wohl nicht extra lang ausgeführt werden, dass es nix wird mit dem Tischbein, Geppetto schnitzt nun zunächst eine Holzpuppe, die natürlich jetzt erst recht sprechen kann – und ein richtiges Kind werden will.
Dieses Kind, anfangs mit bewusst hölzernen Bewegungen, wird von Florian Klingler verkörpert – der einzige des kleinen Ensembles, der „nur“ eine Rolle spielt. Selbst der finanziell ums Überleben kämpfende nun alleinerziehenden Tischlermeister muss sich seinen Darsteller Wolfram Rupperti zumindest kurzfristig mit dem Puppenspieler MangiaFuoco im Marionettentheater, einer der Stationen von Pinocchios Weg ins Leben, teilen.
Die Fee aus dem Original ist hier „nebenbei“ der Geist der verstorbenen Ehefrau Geppettos. Sie wird – ebenso wie die Katze, eine Obstverkäuferin, eine Fischerin, eine Nachbarin und eines der den Tischler ärgernden Kinder namens Nico von Jasmin Weissmann gespielt. Den Fuchs, der gemeinsam mit der Katze Pinocchio mit einem bösen Trick diesen um seine Goldstücke bringt, gibt Lara Sienczak. Darüber hinaus tritt sie noch als zweite Fischerin, Nicos Kumpel Toni, eine Polizistin, aber vor allem als coole, in dem Fall auch singende, Grille Grillo Parlante (vom Italienischen parlare – sprechen, auf Korsisch – Insel Korsika – steht parlante übrigens für Lautsprecher) auf.
Auf und vor der sich immer wieder wandelnden, drehbaren Bühnenkonstruktion nehmen die vier spielfreudigen Darsteller:innen das Publikum abwechslungsreich mit zu den Abenteuern der „Holzfigur“ auf der Suche nach der ganzen Welt und seinem Platz in dieser. Auch wenn er mit seiner Existenz hadert: „Ich wünschte, ich wäre nicht aus Holz“. Die Fee verklickert ihm einen wesentlichen Vorteil seiner Materialität: „Im Wasser schwimmst du immer oben!“ So könne er nicht untergehen – und das nicht nur im Wasser, was sie mit anklingen lässt.
Und das mit der Nase – die hier ohnehin nur selten und das nur vorübergehend, einmal dafür uuuuurlange, wächst, sei auch ein Vorteil: „Dein Körper zeigt immer die Wahrheit! Man kann dir vertrauen! Du bist immer ehrlich, ob du willst oder nicht!“
Und dann bestärkt sie ich – und damit die Inszenierung die jungen Zuschauer:innen gleichermaßen: „Es reicht, wenn du einfach du selbst bist, Pinocchio! Credi in te!“
Was Pinocchio ein „Was?“ entlockt und die Fee erklärend anfügt: „Glaub an dich!“
Übrigens – ähnlich wie in Miguel Cervantes zweiteiligem Roman „Don Quijote“, wo die Windmühlen keine zwei der rund 1500 Seiten umfassen, hat sich das Lügen-Nasen-Wachstum von Pinocchio in den 150 Jahren überdimensional überhöht verselbstständigt. In Collodis Buch kommt das nur auf den sechs Seiten des 17. von 40 Kapiteln (insgesamt rund 270 Seiten, je nach Ausgabe) vor;)
Viel näher am Original als bei „Romeo und Julia“ tourt ab nun eine aber genauso witzige, spielfreudige Überschreibung von Friedrich Schillers „Die Räuber“ durch Veranstaltungszentren in Wiener Bezirken. Das Volkstheater schickt – wieder in Kooperation mit dem innovativen, kreativen Bronski und Grünberg Theater – diesen Klassiker durch Volkshochschulen und Häuser der Begegnung. Als zusätzliches Element spielt Stefan Galler live auf der Bühne – schon lange vor Vorstellungsbeginn die gesamte Phase wenn das Publikum in den Saal kommt – auf dem Keyboard, später auch Gitarren, mit und ohne Strom. Wobei das Repertoire von Klassikern einerseits Versionen aus dem Pop- und Rockuniversum (Neil Diamond, Iggy Pop, Aretha Franklin, Jimi Hendrix, Rolling Stones…) und andererseits eigens von ihm für dieses Stück komponierte sieben Songs umfasst. „Nebenbei“ schlüpft er in die Rolle des Boten und wird Luft-Drummer in Charly Moors Band.
Denn, aus Karl, dem erstgeborenen Lieblingssohn des Grafen Moor, wird Charly und das Doppel-o im Nachnamen natürlich englisch ausgesprochen. Er ist Leadsänger und Gitarrist einer Band mit seinem Namen „and the Buddy Boys“. Erst mit Popsongs, was den Vater, Chef des 50-Milliarden-Musikkonzerne „Easy Plate“ sehr freut. Deshalb investiert er in ihn, „macht“ ihn und seine Band erst – artig in grauen Anzügen und Pilzfrisur wie die frühen Beatles und andere Boy-Bands. So richtig ausleben und vor allem austoben und die Bühne im wahrsten Sinne rocken darf sich Julia Edtmeier aber erst in der späteren Phase der Klischee-Rockband.
Seine Mitmusiker sind zwei aus der Gefolgschaft Karls aus dem Schiller‘schen Original, Spiegelberg und Roller – gespielt von Doris Hindinger, die vor allem auch den sehr patriarchalen Vater der Lächerlichkeit preisgibt sowie Anton Widauer, der vor allem als des Schlossherren Pflegetochter Amalia – für damalige Verhältnisse (1781) schon recht selbstbewusst und emanzipiert von Schiller geschrieben – zwar den Grafen bedient, aber der blöden, übergriffigen Anmache von Franz Paroli bietet.
Ach ja, Franz, wehleidig und gleichzeitig bösartig verkörpert von Charlotte Krenz, ist der zweite Sohn Maximilian Moors, den der Vater so gar nicht mag, ihn oft „vergisst“ und der ob seiner ständigen Zurücksetzung immer nur als Opfer gesehen werden will. Und auf Rache sinnt – die Haupthandlung des ersten Stücks von Friedrich Schiller, ursprünglich nur als Lesedrama konzipiert: Intrigant verfasst er mehrere gefälschte Briefe und von einem Boten überbrachte Nachrichten – von Karl an den Vater samt Antwort, die den Erstgeborenen enterbt und somit ihn selbst begünstigt.
In knapp mehr als zwei Stunden mit einer Pause – spielt das kleine Ensemble das Drama aus der Sturm-und-Drang-Periode mit sehr viel Witz, (Selbst-)Ironie, Macho-Gehabe mit Text aus dem Original, das durchs Schauspiel offensichtlich demaskiert wird. Dennoch erachteten es die Macher:innen – Text & Konzept Kaja Dymnicki (auch Ausstattung – 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts) und Alexander Pschill (auch Regie) – für erforderlich, der Aufführung eine Triggerwarnung voranzustellen: Die Macho-Sprüche der Protagonist:innen und ihr toxisches männliches Agieren würden von deren Schauspieler:innen nicht geteilt, verkündete Co-Kuratorin für die Bezirkstourneen Anja Sczilinski, nachdem ihre Kollegin Julia Engelmayer, auch Dramaturgin dieser „Räuber“-Version Schillers Drama knapp zusammengefasst hat, bevor das Spiel bei der vielfach umjubelten Premiere im Veranstaltungszentrum der Brigittenauer Raffaelgasse (20. Bezirk) losging.
Die Vorbemerkung wirkt ein wenig irritierend, als ob das Publikum eine Gebrauchsanleitung für Theater nötig hätten. Doch, in der Pause darauf angesprochen, meinte der Regisseur zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…: „Wir haben bei der vorigen Produktion (Rome & Julia) mehrfach böse Briefe und Reaktionen bekommen, sodass wir beschlossen haben, dass wir das jetzt jedes Mal davor klarstellen. Wir leben offenbar in einer sehr weidwund verletzlichen Zeit.“
Tim, Karl, Klößchen und Gaby – die vier schlauen Kinder, bekannt als TKKG, lösen seit mehr als 40 Jahre kleine und größere Kriminalfälle. Buch-Serie, Hörspiele, später TV-Folgen und ein Kinofilm.
Für Erst-Leser:innen wurde eine eigene Reihe mit kürzeren Texten und leichteren Sätzen geboren – TKKG junior – und neuerdings gibt es noch Versionen „mit Bildern lesen lernen“. Wie vor allem in Schulbüchern sind so manche Wörter nicht in Buchstaben geschrieben, sondern in kleinen gezeichneten Bildern dargestellt. Wobei das eine oder andere nicht ganz leicht erkennbar ist; dafür gibt es auf den letzten Seiten als Hilfe die Auflistung der Bildchen und der dazu gedachten Wörter 😉
Im Band „Tatort Fußballplatz“ (Text: Benjamin Schreuder; Illustrationen: José María Beroy und Oriol San Julian) spielt das Team, in dem auch die vier TKKG’ler:innen kicken, groß auf. Aber noch viel spannender ist ein Kriminalfall, dem die Jungdetektiv:innen im angrenzenden, am Sonntag eigentlich geschlossenen, Lager eines Einkaufszentrums auf die Spur kommen. Neben möglichem Miträtseln, wer da was angestellt haben könnte, hält der 44-Seiten starke Band aus der Reihe „Bücherhelden Erstes Lesen“ noch zusätzliche Rätsel bereit – ein Labyrinth, Buchstaben„salate“ in Fußballtoren oder Bilder, die in die richtige Reihenfolge gebrachten werden wollen.
Neben den schon angesprochenen kleinen Bildchen anstelle von Wörtern, ist das Buch noch darüber hinaus üppig bunt illustriert.
Auch wenn Internate – jedenfalls im europäischen Raum mit Ausweitung von Schulen einer- und verbesserten öffentlichen Verkehrsverbindungen andererseits – in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung verloren haben, erfreuen sie sich in Literatur samt Verfilmungen immer wieder großer Beliebtheit. Neuverfilmungen von Klassikern wie Erich Kästners „fliegendem Klassenzimmer“ oder die Buch- und mittlerweile auch Kinoreihe „Die Schule der magischen Tiere“ kennst du (wahrscheinlich).
Im Herbst – rund um den Schuljahresbeginn startete, aus der Schweiz kommend, eine neue Reihe, die in einem Spezial-Elite-Internat für Ballett tanzende Kinder und Jugendliche spielt: „Art Academy“. Den Auftakt macht der leicht und flott zu lesende – sorry, hier ist die Buchbesprechung länger auf Halde liegen geblieben, weil sich auch so viel anderes abgespielt hat – Band „Das Geheimnis des weißen Kleides“.
Mary, die Hauptfigur um die sich alles dreht hat’s nicht leicht – sonst wäre ja so ein Roman, noch dazu als Beginn einer Reihe ja bald fad 😉
Sie ist – auch klar – eine super Tänzerin. „Mary! Dass ich ein Talent wie dich unterrichten darf. Das ist mir in meinen ganzen 71 Jahren noch nicht passiert. Die dreifache Drehung heute hätte jeden Profi vor Neid erblassen lassen“, schwärmt Frau Silber.
Doch „tanzender Flamingo“ will sie nicht sein, nicht das pinke Tutu, das ihr die Lehrerin andient.
Nun, aus der Aufführung wird für Mary ohnehin nix, ihre Mutter hat – überfallsartig – andere Pläne. Zuvor noch ein Zitat aus dem Buch über Marys Eltern: „Marys Mama war Sozialarbeiterin. „Mit Herz und Seele“, wie sie jedem erklärte, der es hören wollte. Und meist kam ihr irgendein „Notfall“ dazwischen, wenn Mary einen Auftritt hatte. Irgendein Kind, das dringend etwas brauchte. Dringender jedenfalls, als Mary sie als Zuschauerin benötigte. Und ihr Papa? Den hatte Mary überhaupt noch nie gesehen … Alles, was sie von ihm hatte, war ein silberner Ring…“
Und nun, erfährt die Tochter die Neuigkeiten: Jolanthe Johann, ihre Mutter, bekam die Leitung eines Kinderheims in Colombo, der faktischen Hauptstadt der Insel Sri Lanka im Indischen Ozean. Und die Tochter wurde aufgenommen in der Art Academy der Oper Treunen.
„Theaterschule? Internat? Mama! Ich habe mich doch gar nicht beworben …“
„Aber ich! Erinnerst du dich an das Video, das Frau Silber von dir gemacht hat? Und diese Fotos von dem komischen Tanzwettbewerb, den du im Gemeindesaal gewonnen hast? Habe ich alles hingeschickt, tausend Formulare ausgefüllt und – tataaa! Du bist drin! In der besten Tanz-, Theater- und überhaupt-Schule der Welt! Aber ab jetzt, liebe Tochter, stehst du auf deinen eigenen schönen Füßen. Die sind ja gut trainiert.“
Patsch. Und so kommt wie es kommen muss – und so super geht’s dort für Mary natürlich gar nicht zu. Zickige Zimmermitbewohnerin, Außenseiterin, Mobbing, Und klar, natürlich wird alles gut, happy End samt spannenden, abwechslungsreichen Auf und Abs, unerwarteten Wendungen und klarerweise doch auch Freundschaften…
Ausgedacht hat sich die Story – UND die Serie Teresa Arzberger. Und das „verdankt“ sie wie die Autorin, die Tanz und Musik studiert hat, offen gesteht, einem noch dazu peinlichen schmerzhaften Missgeschick: „Beinbruch live, auf der Bühne, vor Publikum!“
Gezwungen zu Tanz- und Auftrittspausen nutzte sie diese, um die Reihe zu konzipieren und zu schreiben.
Dezent, meist mit kleinen Federn und anderen „leichten“, fast schwebenden Schwarz-Weiß-Zeichnungen illustriert, wurden die Seiten von Franziska Rosenteich, die über sich schreibt: „Ich habe buchstäblich getanzt, bevor ich richtig laufen konnte. Im Sitzen…“ Wobei es nicht geblieben ist. „Mit sechs Jahren begann ich klassisches Ballett zu tanzen, später kamen Jazz, Tap, Standard- und Lateintänze dazu.“
Egal, ob Tanz oder gar Ballett dein bevorzugtes Hobby oder gar deine Leidenschaft ist, unabhängig davon erzählt „Das Geheimnis des weißen Kleides“ die Mut-machende Geschichte eines Kindes, einer beginnenden Jugendlichen, die sich durchbeißt, allen Hindernissen und nicht immer gerade netten Mitmenschen zum Trotz, das macht, das sie liebt – in dem Fall tanzen. Und das kann für alles andere genauso stehen.
Einen höllisch bösen Zauberer, der Tierarten ausrottet, Flüsse vergiftet, Wälder vernichtet hatte sich Michael Ende – unter anderem „Vater“ von „Momo“ und der „unendlichen Geschichte“ – vor mehr als 35 Jahren ausgedacht. Dazu noch eine Tante, der es nur um möglichst hohe Gewinne geht. Daraus braute er die düstere und doch immer wieder lustige Geschichte um den Wunschpunsch mit dem nicht leicht auszusprechenden Namen: „Satanarchäolügenialkohöllisch“ – was leichter zu merken – und damit auszusprechen ist, wenn er in seine „Bestandteile“ zerlegt wird: Satan, Anarchie, Archäologie, Lüge, genial, Alkohol, höllisch 😉
Als Roman war es sein letzter fertig geschriebener (er starb im August 1995), erschienen 1989. Neben Übersetzungen in viele Sprachen wurden aus der Geschichte rund um das geldgierige, umweltzerstörende Duo, das von einer Katze und einem Raben – Agenten des Geheimen Rats der Tiere – letztlich daran gehindert wird, auch unzählige Theaterversionen und unter anderem eine Zeichentrickserie. In dieser Saison spielt das Landestheater Niederösterreich eine rund 1½-stündige mit Songs gewürzte Fassung (Musik: Gregor Sandler) – nicht nur in St. Pölten, sondern gastiert auch im Stadttheater Wr. Neustadt. Die mitunter schütter besuchten Vorstellungen – was im großen Theatersaal nicht ganz einfach für die Stimmung ist – wie KiJuKU kürzlich erlebte, ist grell, bunt (Bühne: Johannes Weckl; Kostüme: Elena Kreuzberger), rhythmisch gespielt von Sven Kaschte als Zauberer Professor Dr. Beelzebub Irrwitzer und sehr tänzerisch von Michaela Kaspar als seiner Tante Tyrannja Vamperl (Choreografie: Laura Sauer).
Gegenspieler Maurizio di Mauro (Florian Haslinger) würde gern Kammersänger sein, verfügt aber eher über keine optimale Stimme – von der Geschichte bei Michael Ende her. Dem Raben Krakel, Haustier der Tante, verpasst der Autor zunächst ein zerzaustes Aussehen. Ihn verkörpert Boris Popović.
Der Magier hat nur mehr wenige Stunden Zeit bis zum Jahreswechsel, um sein von der Hölle vorgegebenes Plansoll an bösen Taten zu vollbringen – das verklickert ihm der aus dem Kamin mit viel Theaterrauch auftauchende Teufelsbote Maledictus Made Pierre Balazs (der auch noch einen Kurzauftritt als Silvester hat). „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ (Inszenierung: Felix Metzner) soll ihm – unterstützt von der Tante – dabei helfen. Die – vermeintliche – List der beiden, damit die tierischen Spione in die Irre geführt werden: Gute Taten sagen, der Zaubertrank verwandelt sie ins Gegenteil – was Michael Ende damit wohl zwischen den Zeilen vermitteln wollte 😉
Natürlich kriegen’s Katze und Rabe mit und … wie und was passiert, um ein Happy – für die Bösen ein höllisches End – zu erreichen, weißt du, solltest du das Buch schon kennen, sicherlich; wenn nicht, lass dich überraschen.
Interaktiv – so nennen sich gern so manche Theaterstücke, wo es aber nicht viel mehr gibt als den Kasperl durch Rufe vor Gefahren zu warnen. Dann gibt es Performances, die als begehbare, bespielte Installationen in Theaterräumen aufgebaut sind. Und nun tourt „Hell, Girl!“ von Theater Foxfire für Junge Theater Wien durch einige Bezirke (Favoriten und Floridsdorf – siehe Info-Box) und kehrt zwischendurch im Jänner wieder in den Dschungel Wien im MuseumsQuartier zurück, wo kürzlich die erste kurz Spielserie stattgefunden hat. Und so ist – auch wenn das generell am Theater immer gesagt wird – jede Vorstellung anders. Hier aber nicht nur in Nuancen, abhängig von der Energie zwischen Bühne und Publikum, sondern tatsächlich von der Handlung, die an mehreren Wendepunkten vom Publikum bestimmt wird – die Abstimmung erfolgt meist über Lautstärke von Applaus, Stampfen usw.
Der Ausgangspunkt erinnert an – dort ohne Interaktion – an Wolfgang Herrndorfs Kult gewordenen Roman „Tschick“, den es in unzähligen Versionen auf Theaterbühnen (vor rund zehn Jahren das meistgespielte Stück) und einem Kinofilm gab / gibt. Sind es dort zwei Jungs – Maik Klingenberg und Andrej Tschichatschow, genannt Tschick – die mit einem Auto auf Tour gehen und dabei die toughe Isa Schmidt treffen, so startet hier ein Trio aus zwei Mädchen – Thea (gespielt von Kaisa Pušnik), Mirjam (Hannah Darabos) – und einem Burschen, Ben (Etienne Lestrange), gemeinsam in ihr(e) Abenteuer. Denn von diesen hat Autor Benedict Thill viel mehr geschrieben, als je in einer Stunde gespielt werden (Idee und Text: Benedict Thill, Regie: Richard Schmetterer).
Soll‘s in die Steiermark gehen oder nach Slowenien? Ist zum Beispiel eine der Entscheidungen, die das Schauspieltrio ans Publikum überantwortet, nachdem sie selbst in ihren Rollen zu diskutieren begonnen haben. Je nach dem ändern sich aber nicht nur die Bilder der projizierten Landschaften. Der Autor hat insgesamt rund fünf Dutzend Szenen geschrieben, was heißt, dass die die Schauspieler:innen auch urviel Text zu lernen hatten, von dem immer „nur“ ein Teil zu spielen ist. Die Handlung kann auch ganz schön wild werden mit der Frage, ob eine der Personen irgendwo zurückgelassen wird oder ob das dann doch nicht geht… – hier seinen keine Details verraten, hätte mich selber mehr als geärgert, wenn da im Vorfeld zu viel gespoilert worden wäre.
Und es geht auch nicht immer darum, was sie wie an Handlung ergibt, sondern um die Dynamik in den Konfliktsituationen, wie gehen die drei – die in bester Freundschaft starten – mit haarigen Konfliktsituationen um. Und wie und was meinen die Zuschauer:innen, dass entweder alle oder die eine bzw. der andere jetzt machen soll.
Und es scheint wirklich so zu sein, dass auch in einem so gravierenden Punkt wie dem zuvor angesprochenen, die Publikumsentscheidung nicht immer „aufgelegt“ ist. Neben dem Schreiber dieser Zeilen saß der Autor im Publikum und meinte vor Beginn, er habe schon einige relativ gleich verlaufende Aufführungen erlebt, aber an diesem Vormittag „hab ich Szenen gesehen, die kenn ich nur vom Text, habe sie aber noch nie gespielt erlebt, weil sich das Publikum heute ganz anders abgestimmt hat“.
Nach vielen antiken Sagen und der ägyptischen Pharaonin Kleopatra stellt das Rabenhoftheater in seiner Reihe „Classic for Kids“ nun eine weitere Heldin in den Mittelpunkt des jüngsten Stücks für junges Publikum: Jeanne d’Arc, oftmals auch als „Jungfrau von Orleans“ tituliert. Kennzeichen jeder der Inszenierungen (Buch und Regie: Roman Freigaßner-Hauser) sind fünf durchgängige Elemente:
Nun also die sagenumwobene echte Figur. Eine Frau, die es – angeblich aufgrund von (göttlichen) Visionen – sich vor rund 600 Jahren in den Kopf gesetzt hat, in den Krieg zu ziehen, um die von englischen Soldaten eroberte französische Stadt Orleans zu befreien. Was ihren männlichen Kollegen nicht gelungen ist, schafft sie, nachdem diese zunächst einmal sie auch daran hindern wollen.
Danach steigt sie zur Heldin auf. Als sie gefangen genommen, an die Engländer ausgeliefert wird, stimmen sowohl der französische König als auch die Kirche einem Deal mit den Feinden zu, wenn Jeanne d’Arc (geboren als Darc) im Alter von 19 Jahren auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird – soweit die kürzest zusammengefassten Fakten. Das tödliche Ende wird in der Version im Wiener Rabenhoftheater – die Reihe findet in Kooperation mit dem Theater der Jugend statt – ausgespart, ja sogar eine vermeintliche Rettung angedeutet; hinter der versteckt sich vielleicht die spätere Rehabilitierung und sogar Heiligsprechung durch die katholische Kirche (1920).
Clara Lou Kindel ist als Jeanne d’Arc die einzige der fünf Schauspielenden, die „nur“ diese Rolle tough, überzeugend zielstrebig einnimmt. Ihre vier Kollegen – Theo Colarusso (französischer König Karl VII., Pater Pius, ein Burgunder, Peter, ein französischer Soldat), Edward Lischka (Salisbury, Pierre, Beamter, Bischof), Bernhard Majcen (Beaudricourt / Berater des Königs, Jacques, französischer Hauptmann) und Christoph Radakovits (Bedford, Arture, ein Burgunder, Promoter/ Richter und Vollstrecker) switchen von Szene zu Szene in die verschiedensten – in Klammern genannten – Rollen. Und führen diese sehr oft kunstvoll dümmlich, mitunter bewusst übertrieben aus, anderen Figuren verleihen sie Hang zu Intrigen und Bösartigkeit, aber auch die gegen sie nicht selten der Lächerlichkeit preis (in den Brunnen pinkeln?).
Als schaler Geschmack bleibt jenseits der Lacher und der Bloßstellung (männlicher) Machtgier, dass Hass – hier vor allem zwischen Frankreich und England „nur“ als Beispiel dafür steht, was dem großen Friedensprojekt Europäische Union Wiederaufflammen von Nationalismus und Kriegslüsternheit leider Wiederauferstehung feiert.
Das Geige spielende Kind mit den im (musikalischen) Wind wehenden Haaren auf der Titelseite dieses Buches voller spannender Bilder, Geschichten und Musiknoten ist nicht der Johann Strauss Sohn in seinen jüngsten Jahren. „Jo!“ mit Titel-Fortsetzung „Als die Träume Walzer lernten“ ist ein Mädchen mit diesem einsilbigen, kurzen Namen. Ob er als Abkürzung für Johanna, Josefine, Josipa, Jolanda oder welche Vornamen es mit diesen beiden Buchstaben am Anfang auch immer gibt – bleibt offen. Vielleicht eben auch nicht.
Und klar, der Untertitel deutet darauf hin, dass auch der oft als „Walzerkönig“ titulierte schon erwähnte Komponist und Musiker im Spiel ist: „Eine Geschichte inspiriert von Johann Strauss Sohn“ – passend zum fast allgegenwärtig zelebrierten Jubiläumsjahr. Der „Popstar“ seiner Zeit vor mehr als 150 Jahren wurde 1825, also vor 200 Jahren geboren und deswegen gab und gibt es heuer viiiiele Veranstaltungen, Projekte und so weiter.
Für das hier vorgestellte Buch haben sich Flo Staffelmayr und Julia Meinx eine Geschichte rund um diese Jo ausgedacht. Sie hört liebend gern Musik, pfeift Melodien, singt Lieder und beginnt – angeregt durch das Geigenspiel eines Straßenmusikers – dieses Streichinstrument zu erlernen.
Über die weitere Geschichte, ihren Traum in der Oper aufzutreten… sei hier gar nicht mehr verraten. Sie ist obendrein sehr spannend mit gezeichneten Bildern, in denen du viel entdecken kannst, illustriert – von Devi Saha, einer Künstlerin, die sehr oft für Theaterstücke Bühnenbild und / oder Kostüme entwirft.
Und dann hat das Buch noch etwas – oben schon angesprochen: Noten von bekannten, aber auch nicht so berühmten Melodien des Komponisten, um den sich das Buch dreht. Aber mit anderen, ganz neuen Texten. Und die sind entstanden in der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen aus sieben Schul(klass)en: Ganztags-Volks- und -Mittelschule (GTVS, GTMS) Bildungscampus Sonnwendviertel, GTVS Wichtelgasse, MS Herzgasse, MS Josef-Ensleinplatz, OVS (Offene Volksschule) Svetelskystraße 5, VS Keplerplatz.
Diese Klassen sind alle Teil des großen Superar-Projekts, das Musik fördern will und zwar besonders bei Kindern und Jugendlichen, deren Eltern sich eher keine Instrumente oder Kurse leisten können. Inspiriert wurde Superar, das seit einigen Jahren in sieben europäischen Ländern mehr als 5.000 Kindern und Jugendlichen musizieren und singen ermöglicht, von El Sistema aus Venezuela (1975 von José Antonio Abreu für Kinder und Jugendliche in den Ärmstenvierteln dieses südamerikanischen Landes.
In diesen Liedtexten – Deutsch, Wienerisch, Englisch und Farsi – an denen insgesamt rund 900 Schüler:innen beteiligt waren, geht es um Donuts, Mäuse, Löwen, Bären, Regenbogen und vieles mehr. Und du kannst sie auch hören – bei jeder Doppelseite mit den Noten und dem Liedtext findest du einen QR-Code der dich zu den gesungenen und gespielten – von Profimusiker:innen begleitet – Liedern bringt. Und „nebenbei“ gibt’s immer wieder auch Anregungen, dass du als Leserin oder Leser dir selber Texte, Melodien oder Bewegungen ausdenkst.
superar-musik-ueberwindet-grenzen <— damals noch im Kinder-KURIER
Nach einer Woche ging am Sonntag das 37. Internationale Kinderfilmfestival in Wien zu Ende, in der Steiermark läuft die 17. Ausgabe des Festivals, die erst dieses Wochenende beginnen hat, noch bis 30. November. Aber auch in Wien spielt es – traditionell als „Zugabe“ am Sonntag, 30. November drei Filme, und zwar die preisgekrönten eine Zugabe, den von der Kinderjury ausgewählten Film, und zwar am Samstag, 29. November, 15 Uhr im Cinemagic (Urania).
Die Kinderjury wählte „Honey“ zu ihrem Favoriten. Die Hauptfigur, ein Mädchen namens Honey, ist immer für ihre Familie da: Für ihre überarbeitete Mutter, ihren kleinkriminellen Vater und ihre Schwester mit Down-Syndrom. Ständig übernimmt sie Aufgaben, für die eigentlich ihre Eltern verantwortlich wären. (Regie: Natasha Arthy; Honey: Selma Sol í Dali Pape; Dänemark 2025; 95 Minuten; ab 11 Jahren).
Im Statement der jungen Filmkritiker:innen – Arto, Lea, Livia, Matilda, Mathis, Noa und Philemon – heißt es: „Der Preis geht an einen musikalischen Film, der traurig und sehr realistisch ist. Er entführt uns in den harten Alltag der 13-jährigen Hauptfigur, die für ihr Alter sehr viel Verantwortung übernehmen muss. Im Laufe der Geschichte lernt sie auch ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Und durch den totgeglaubten Opa wächst di Familien enger zusammen.“
Die sieben jungen Jury-Mitglieder begnügten sich aber nicht nur mit einem Preis, den sie vergaben, sondern „wollen außerdem eine lobende Erwähnung für den Film „Superkräfte im Kopf“ aussprechen. Wir konnten uns gut in die Hauptfigur Lev hineinfühlen. Wir fanden den kindgerechten Film lustig und actionreich. Der Film macht Mut, laut zu sagen, wovor man Angst hat und zu seinen Gefühlen zu stehen.“ – Mehr zu diesem Film, samt Interview mit dem Hauptdarsteller Finn Vogels, in eigenen – unten verlinkten – Beiträgen; übrigens auch ein Interview mit der Kinderjury.
Erstmals gab es beim 37. Internationalen Kinderfilmfestival in Wien zusätzlich eine erwachsene Fachjury aus der Filmbranche – Claudia (Slanar, Co-Leiterin der Diagonale), David (Wagner, Regisseur und Drehbuchautor) und Stefan (Huber, Leitung der Filmvermittlung im Österreichischen Filmmuseum): Dieses Trio entschied sich für den Film „Lampje“.
Lampje ist die Tochter eines Leuchtturmwärters. Sie zündet jeden Tag das Licht im Turm an. Als ihr die Streichhölzer ausgehen, geschieht ein Schiffsunglück und Lampje wird zur Strafe in das geheimnisvolle Schwarze Schloss verbannt. Dort lebt ein Monster, – so wird im Dorf erzählt… (Regie: Margien Rogaar; Niederlande 2024; 93 Minuten; ab 11 Jahren).
Auch die Fachjury sprach darüber hinaus einem weiteren Film eine lobende Erwähnung aus- „Zirkuskind“. Santino ist elf Jahre alt und der Zirkus ist sein Zuhause. Das ganze Jahr über ist der aufgeweckte Junge unterwegs und packt, wie alle Mitglieder seiner großen Zirkusfamilie, bei Vorstellungen und beim Auf- und Abbau der Zelte mit an. Besonders gerne verbringt Santino Zeit mit seinem Opa Ehe, der aus seinem bewegten Leben als Zirkusdirektor erzählt. (Regie: Anna Koch, Julia Lemke; Deutschland 2025; 86 Minuten; ab 8 Jahren)
Die Besucher:innen des Festivals konnten – wie von Anfang an – mit dem Abschnitt ihrer Eintrittskarte in drei verschiedenen Röhren abstimmen, ob ihnen der Film gar nicht, mittelmäßig oder sehr gefallen hat. Die meisten lachenden Smilies vergaben die Zuschauerinnen an den Film „Das geheime Stockwerk“ – mehr zu diesem Film, samt Interviews mit zwei Kindern, die mitgespielt haben und bei der Premiere im Wiener Uraniakino, dem Cinemagic von wienXtra, dabei waren, in eigenen – unten verlinkten – Beiträgen.
KiJuKU: Dieser Film war nicht dein erster, bei der Vorbereitung auf dieses Interview hab ich im Internet recherchiert, aber „nur“ deine Insta-Site gefunden, wo unter anderem ein Posting mit „Warten auf Godot“ oder „Pippi Langstrumpf“ zu sehen sind. Hast du in beiden gespielt und in Filmen oder Theaterstücken?
Finn: Es war nicht mein erster Film, stimmt, bei „Warten auf Godot“ hatte ich nur eine ganz kleine Rolle, bei Pippi war es ein Hörspiel, wo ich den Tom (Bruder von Annika – die beiden Nachbarsfreund:innen von Pippi Langstrumpf) gesprochen habe.
KiJuKU: Wie bist du überhaupt zum Schauspiel gekommen?
Finn: Als ich noch recht klein war, hab ich schon zu Hause kleine Theaterstücke für di Familie gespielt. Da haben mich meine Eltern dann gefragt, ich mich nicht bei einer Casting-Agentur bewrben möchte. Das hab ich gemachtund wrude dann eben immer wieder für Rollen genommen.
KiJuKU: Und wann hast du damit begonnen?
Finn: Alss so ungefähr mit vier oder fünf Jahren.
KiJuKU: Ab wann warst du dann bei der Casting-Agentur?
Finn: Dort hab ich mit neuen Jahren begonnen. Dann hat es ungefähr ein Jahr gedauert und dann kam eine Anfrage nach der anderen.
KiJuKU: Spielst du lieber Theater, wo das Publikum gleich direkt reagieren kann und eine Geschichte im Ganzen gespielt wird oder lieber im Film, wo immer nur zerhackt einzelne Szenen gedreht werden und die Leute erst im Kino oder bei der Ausstrahlung reagieren können und du ja meistens nicht dabei bist?
Finn: Ich finde beides gut, aber Film mag ich jetzt lieber, weil ich das auch schon öfter gemacht habe.
KiJuKU: Ist das etwas, das du später auch beruflich machen willst?
Finn: Ja, jedenfalls – was nicht übersetzt werden musste, weil er dabei voll strahlend gelächelt hat.
KiJuKU: Du hast im Kino bei dem Q & A mit dem Publikum auf eine Frage geantwortet, deine Superkraft ist, dass du immer weißt wo alle aus der Familie was hingegeben haben, wenn sie es suchen, weil du ein fotografisches Gedächtnis hast. Heißt das, dass du dir auch in der Schule urleicht tust, weil du dir alles gleich aufs Erste merkst?
Finn: Ja, das gilt auch für die Texte aus dem Drehbuch, die ich lernen muss.
KiJuKU: Gibt es die eine oder andere Superkraft, die du nicht hast, aber gerne hättest?
Finn: Ich will fliegen, das ist für mich Freiheit, also nicht mit dem Flugzeug, sondern abheben wie ein Vogel.
KiJuKU: Was machst du am liebsten in deiner Freizeit, außer Schauspielen?
Finn: Ich dreh selber gern Filme und spiele gern mit Lego.
KiJuKU: Welche Art von Filmen drehst du dann, eher Fantasiegeschichten oder reale aus dem Leben gegriffene Szenen und gemeinsam mit Freund:innen oder allein?
Finn: Ich mach gern Musicals mit meinen Freunden, das sind dann immer Fantasiegeschichten, aber natürlich nicht mit special effects.
KiJuKU: Das heißt, singst du gerne, oder spielst du Instrumente?
Finn: Ich spiele kein Instrument, aber ich besuche eine Musical-Schule wo Gesang und Tanz unterrichtet wird.
KiJuKU: Das ist neben der Schule oder hat deine Schule diesen Schwerpunkt?
Finn: Nein, das ist eine Spezialausbildung neben der Schule, die ist einmal in der Woche eher zum Spaß. Daneben hab ich auch Schauspielunterricht und der ist mir noch wichtiger.
KiJuKU: Welche Fächer oder Gegenstände magst du in der regulären Schule sehr und gibt es auch welche, die du weniger schätzt?
Finn: Mathematik find ich nicht so nett, Geografie und darstellendes Spiel mag ich sehr.
KiJuKU: Das heißt, ihr habt auch in der regulären Schule Theater und Schauspiel, in Österreich gibt es das nur in ganz, ganz wenigen Schulen?
Finn: Bei uns in den Niederlanden gibt es das in vielen Schulen, aber in meiner Schule ist es doch auch besonders, weil man da sogar in Schauspiel maturieren kann.
KiJuKU: In den Hintergrundinformationen zum Film hab ich gelesen, dass der auf der Basis eines Coaching-Buches („Dein Kopf, der Superheld – Wecke die 15 Superkräfte in dir“ von Wouter de Jong) für Kinder entstanden ist, kanntest du dieses Buch schon oder hast es, als du für den Film ausgesucht wurdest zur Vorbereitung gelesen?
Finn: ich kannte es zuerst nicht, aber für das Casting hab ich es mir gekauft und gelesen.
KiJuKU: Gibt es aus dem Buch oder aus dem Film Tipps, die du für dich und dein Leben mitgenommen hast?
Finn: Aus dem Buch nicht, aber aus dem Film hab ich diese sehr positive Lebenseinstellung von Ravi, dem Freund von Lev, mitgenommen.
KiJuKU: Hast du somit mehr von der Figur es Ravi Ravi (gespielt von Mex Vrolijks, was übrigens übersetzt aus dem Niederländischen Glücklich bedeutet) mitgenommen als von der, die du gespielt hast?
Finn: Natürlich hab ich vom Charakter des Lev, den ich spiele und mich in ihn hineinverestzt habe, auch viel mitgenommen.
KiJuKU: Hat diese Rolle des Lev, der ja humpelt, deine Sicht auf Kinder oder generell Menschen mit einer Behinderung verändert?
Finn: Da hat sich sicher was verändert, davor hatte ich nicht viel Kontakt mit Menschen mit Behinderung und sie höchstens da oder dort gesehen und den Gedanken, okay, die oder der ist irgendwie anders. Aber durch diese genaue Beschäftigung mit dieser Figur ist mir jetzt klar, dass der Charakter ja nicht davon abhängig ist, ob jemand eine Behinderung hat oder nicht.
Video von den Publikumsfragen und Finn Vogels Antworten – übersetzt von Anna Hofmann – im Gartenbaukino ganz unten am Ende nach den Links zu anderen Beiträgen über das 37. internationale Kinderfilmfestival in Wien.
Entsprechend dem Filmtitel „Superkräfte im Kopf“ startet dieser 1½-stündige Kinofilm in Bildern, die sich die Hauptfigur Lev ausdenkt. Gestärkt durch einen Daumendruck auf seine Stirne vom Superhelden Healix (Jeroen Spitzenberger), rast er über Dächer hin zu einer Mitschülerin, die vom Bösewicht Rotzmann (Dylan Haegens, der übrigens auch Regie geführt hat) in lebensbedrohliche Gefahr gebracht wird.
Schnitt.
Angekommen in der Wirklichkeit, sitzt Lev in einem Treppenlift. Von unten kommt noch dazu die Stimme der Eltern (Elise Chaap und Bas Hoeflaak), er dürfe nicht vergessen, den Sicherheitsgurt anzulegen. Lev humpelt dauerhaft nach einer Verletzung seines rechten Beins. Womit er ganz gut klar kommen würde, hätte er nicht super-super-Helikopter-Eltern. Vor allem und jedem wollen sie ihn beschützen, gerade, dass sie ihn nicht in eine Art Taucheranzug stecken wollten.
So ernst und einschränkend das wirkt, so amüsant, (selbst-)ironisch und immer wieder für herzhafte Lacher gut ist dieser Film. Allzu viel sei nicht gespoilert, er ist zwar beim internationalen Kinderfilmfestival in Wien schon gelaufen, aber bei der steirischen Ausgabe des Festivals ist er noch in Liezen, Kapfenberg und Graz zu erleben – Link zur Festivalseite in der Info-Box am Ende des Beitrages.
Verraten soll hier aber schon werden, wie sich Lev ausdenkt, er könnte sich Eltern aussuchen, die idealen aber wären zu teuer, die leistbaren … – nun die hat er bekommen 😉
Neben den Traumbildern in seinem Kopf rettet ihn im echten Leben aber seine Oma (Joke Tjalsma), die im Beiwagen-Motorrad mitten in die Blumen im Vorgarten des elterlichen Hauses landet und nun hier mit einzieht. Von nun ab, darf er – gegen den Widerstand der Eltern mehr. Das und seine aus den Traumreisen geholten Kräfte, versetzen ihn nach und nach in die Lage mutiger aufzutreten. Gegen Ende traut er sich noch viel mehr als alle anderen: Ohne dass hier vorweggenommen wird wie, überzeugt und begeistert er dadurch, dass er vor einem großen Publikum, das – wie vielleicht auch viele Kinobesucher:innen – ganz anderes erwartet, eher zaghaft und schüchtern, aber zu seinen Gefühlen steht. Und damit viele „ansteckt“…
Lev wird verkörpert von Finn Vogels, der überzeugend zwischen den ausgedachten heldenhaften Szenen und jenen, in denen er im wirklichen Leben durch die ständigen Einschränkungen seiner Eltern sehr schüchtern agiert, switcht. In letzteren ist aber immer auch sein innerer, hin und wieder versuchter Widerstand zu spüren. Und großartig auch gegen Ende wie er, der Ober-Schüchterne, mit sich kämpft, bevor er die große Bühne – und dann ganz unerwartet – betritt.
Finn Vogels war am Beginn des – nunmehr bereits 37. Internationalen Kinderfilmfestivals in Wien, Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte ihn interviewen – in einem eigenen Beitrag unten verlinkt.
Eine kleine Gruppe aus der 7. Klasse des Franziskaner-Gymnasiums in Hall in Tirol präsentierte auf der 46. Interpädagogica in der Messe Wien Erfahrungen und Erkenntnisse, die sie im Umgang bzw. Einsatz von KI (Künstlicher Intelligenz) bisher gewonnen haben: Melissa, Gernot, Philipp, Jakob, noch ein Philipp, Matteo und Sura sowie Lehrerin Ilka.
Melissa Sakić (17) besucht den naturwissenschaftlichen Zweig ihrer Schule und hat gleichzeitig mit dem Gymnasium begonnen, Geige zu spielen. Sie wählte aus den vielen Zusatzangeboten noch Sport, spielt Volleyball und nahm an der Physikolympiade teil. Außerdem belegt sie das Wahlfach Humanbiologie, „weil ich Medizin studieren will“. Und sie ist zweisprachig aufgewachsen – meine Eltern sind aus Bosnien, meine erste Sprache war aber Deutsch, erst dann hab ich Bosnisch gelernt, das ich fließend kann, auch Lesen und Schreiben. Sie gab Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… ein kurzes Interview als sie und ihre Kolleg:innen am Stand der Janusz-Korczak-Gesellschaft an einem kleinen Ballwurf-Spiel teilnahmen.
KiJuKU: Wo und wie verwenden Sie KI?
Melissa Sakić: In vielen Gegenständen, Mathe, Deutsch und mehr und auch in fächerübergreifenden Workshops.
KiJuKU: Lassen Sie dann Hausübungen sozusagen von ChatGPT schreiben?
Melissa Sakić: Nein, wir verwenden sie zum Beispiel in naturwissenschaftlichen Projekten, wenn wir viele Daten von Messungen über die Luft im Klassenzimmer und anderes sammeln, um diese Daten einfacher und schneller verarbeiten und mit Vergleichswerten zu überprüfen. Oft schauen wir auch genauer, um mögliche Fehlerquellen der KI zu finden.
KiJuKU: Und sie selber, wo und wie greifen sie zu KI-Tools?
Melissa Sakić: Ich verwende sie sehr oft, in der Schule aber hauptsächlich als Hilfsmittel. Sie ist oft ganz nützlich, aber du musst wissen, wie du mit ihr umgehst. Copy & Paste bringt nicht mehr Wissen. Je mehr du weißt, umso besser ist es und umso mehr kannst du sie wirklich sinnvoll einsetzen.
Von Schreib- bis Holzwerkzeug, von analog bis digital, von Exkursionszielen bis zu Schulsport- und -Kreativwochen, von Mini- bis zu XXL-Maxi-Ständen… – die Fachmesse für Menschen, die im Bildungsbereich arbeiten, die „Interpädagogica“ und zwar die 46. Ausgabe derselben, findet derzeit in Wien statt. Sie spielt jedes jahr in einem anderen Bundesland.
Hauptsächlich tummeln sich Pädagog:innen in den Gängen zwischen, vor und rund um die 194 Stände in Halle C der Messe Wien. Sie informieren sich über neue(ste) oder altbewährte Lehr- und Lernmaterialien, über Workshop-Angebote, die in Schulen kommen oder extern besucht werden können / müssen. Da finden sich etwa innovative Schulhefte in denen Schreib-Anfänger:innen zunächst für die wichtigsten Elemente- Kreise, schräge Striche usw. leichte Perforierungen auf den Seiten haben, um diese zunächst einmal nur nachzuzeichnen bevor’s ans Buchstabenlernen geht (Lemi Hefte, die übrigens kostengünstiger sind als viele andere Schulhefte). Ein anderes Unternehmen bietet gefühlt Hunderte Motivstempel mit (Tier-)Zeichnungen und Sprüchen wie „fleißig“, „tolle Leistung“, „ganz lieb“, aber auch „nicht aufgeben“ oder „es wird schon“.
Und dann gibt es natürlich jede Menge digitaler Endgeräte bzw. Werkzeuge – vom Smart Board über einen Laptop mit vergrößerbarem Monitor (OLED-Folie, die eingezogen oder ausgefahren werden kann). Aus Italien stellte ein Unternehmen einen transportablen hölzernen Tische mit integriertem großen Monitor und Scanner für einfache Gestaltung von Trickfilmen (Theatre) vor, der ähnlich funktioniert wie das Lab im Großen im Kindermuseum Zoom im Wiener MuseumsQuartier. 3D-Drucker, unterschiedlichste gute Sitz- und andere Schulmöbel, pädagogische Spiele unterschiedlichster Art – meist in Richtung Kooperation – wo es darum geht, nicht gegen- sondern miteinander ein Ziel zu erreichen, vom gemeinsamen Zeichnen mit Stiften an Schnüren bis zum Bau eines hölzernen Turms durch im Kreis stehende Mitspieler:innen, die diese Holzklötze über Seilzüge heben und aufeinander stellen…
Darüber hinaus finden jede Menge Vorträge, Diskussionen, Präsentationen zu unterschiedlichsten Themen statt – von praxisnahen Beispielen für gelingende Frühpädagogik, schulischen Unterricht bis zu Prinzipien wie Demokratie-Erziehung oder Kinderrechte. Die Österreichische Janusz-Korczak Gesellschaft ist mit einem eigenen Stand vertreten. Korczak, Arzt und Pädagoge gilt als „Vater der Kinderrechte“, er hat darüber vor gut 100 Jahren nicht nur geschrieben, sondern sie als Leiter eines Kinderheims durch gleichberechtigte Mitbestimmung der Kinder praktiziert. Und das sogar im Warschauer Ghetto, dem Freiluft-Gefängnis, in das die Nazis einen abgemauerten Teil der polnischen Hauptstadt verwandelt hatten.
Am Eröffnungstag, der auf den Jahrestag des UNO-Generalversammlungsbeschlusses der Kinderrechtskonvention fiel (20. November), hatten übrigens Kinder vor der und im Gang zur Halle C auf lautstark darauf aufmerksam – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hat berichtet, unten am Ende dieses Beitrages verlinkt.
Bei dieser Fachmesse sind Kinder meist höchstens als Begleiter:innen erwachsener Besucher:innen mit dabei, Jugendliche auch eher die Ausnahme. Eine kleine Gruppe von Schüler:innen aus dem Franziskanergymnasium im Tiroler Hall waren nach Wien gereist, um gemeinsam mit ihrer Lehrerin zum Schwerpunkt Künstliche Intelligenz in über ihre Praxis-Erfahrung mit dem Einsatz insbesondere im naturwissenschaftlichen Unterricht zu berichten. Eine der Jugendlichen führte stellvertretend für ihre Kolleg:innen ein Interview mit KiJuKU.at – in einem eigenen Beitrag, ebenfalls unten verlinkt.
Um den Bogen zum Beginn (siehe Überschrift) zu schließen: Mehrsprachigkeit ist sowohl in gedruckten bilingualen Büchern (Wort & Laut) als auch digital – zu rund 200 (Bilder-)Büchern in deutscher Sprache gibt es online – Versionen in 70 Sprachen als Hörbücher, eingesprochen jeweils von echten Menschen deren Erstsprache das ist (Polylino).
Hier – weiter unten – noch rund 100 Fotos mit bildhaften Eindrücken von der Interpädagogica 2025.
„Das geheime Stockwerk“ verspricht nicht nur im Titel Spannung. Der Knapp mehr als 1½-stündig Film hält sogar noch mehr als das. Zum einen beinhaltet er eine kriminalistische Räuber-Suche durch drei Kinder-Detektiv:innen, zum anderen eine Zeitreise. Und was für eine! Samt einfühlsamer, gut nachvollziehbarer Geschichtsstunde auch schon für ein recht junges Publikum.
Karli (12, gespielt von Silas John) zieht mit seinen Eltern in eine mondäne Baustelle, das alte „Grand Hotel Europe“ in den Alpen, das diese renovieren. Einerseits hilft er ein bisschen mit, andererseits geht er auf Entdeckungstour. Und landet mit dem uralten Aufzug plötzlich in einem ganz eigenartigen Stockwerk. Wie in den Fantasy-Geschichten durch ein Portal landet er plötzlich in einem nicht renovierungsbedürftigen, aber aus einer ganz anderen Zeit stammenden Ambiente. Alle starren ihn an, er wirkt ja als Fremdkörper. Sie sind irritiert von seinem kleinen Kästchen, das angeblich telefonieren, fotografieren und Musik spielen kann. Was natürlich nicht funktioniert. Klar gibt’s da keinen Empfang. Und Akku auch leer.
Er ist – das ist schnell klar – in der Zeit, als Österreich nicht mehr eigenständig existierte und Teil des deutschen faschistischen Reichs unter Adolf Hitler war, Hakenkreuzfahnen und die Nazi-Propaganda-Zeitung „Der Stürmer“ rücken ins Bild. Es ist „erst“ der Anfang vom Ende für Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden, wenn sie nicht rechtzeitig flüchten konnten, Frühjahr 1938.
Noch wohnt im Hotel auch Hannah Friedländer (dargestellt von Annika Benzin) mit ihrem Vater. Gleichzeitig hetzt aber auch schon ein höchst unangenehmer, unsympathischer Gast, Otto Hartwig (Maximilian Simonischek) gegen diese Juden. Angestachelt vom Vater gehen auch seine beiden Söhne Heinrich (Konstantin Horn) und Hermann (Ben Winkler) immer wieder gegen Hannah vor – und damit auch gegen Karli, der sich mit ihr anfreundet.
Die vielleicht spannendste Figur unter den Kindern, die allesamt im Zentrum des Geschehens dieses Films stehen – weshalb er ja Teil des 37. Internationalen Kinderfilmfestivals in Wien ist: Der Schuhputzer-Junge Georg. Anfangs ist er voll auf Linie seiner Zeit, hetzt gegen Hannah und die Juden im Allgemeinen. Schön langsam kommt er drauf, dass er Vorurteilen aufsitzt, ändert seine Meinung und Haltung und wird zum Dritten in der Detektiv-Crew mit Karli und Hannah. Dieser Georg wird von Max Reinwald gespielt. Er war – mit Regisseur, einigen weiteren Darsteller:innen und Crew-Mitgliedern – bei der Wien-Premiere von „Das geheime Stockwerk“ beim Wiener Kinderfilmfestival. Dort konnte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… übrigens mit ihm ein Interview führen – unten am Ende des Beitrages verlinkt; ein weiteres Interview mit Ben Winkler, der Hermann Hartwig spielt, ebenfalls verlinkt.
Was und wie sich da auch an Diebstählen, Erkenntnissen der Kinder über den Täter und da wieder eine ganz dramatische Wendung ergibt, und wie da das viel größere Verbrechen mitspielt, sei hier sicher nicht gespoilert (Drehbuch: Antonia Rothe-Liermann und Katrin Milhahn; Regie: Norbert Lechner). Erstens kommt der Film im März des nächsten Jahres (2026) regulär in österreichische Kinos. Und zweitens könnte es ja sein, dass dieser Film einen der Preise des Festivals – einen von der Kinderjury, einen vom Publikum, einen der neuen erwachsenen Fachjury – bekommt. Und dann würde er eine Woche nach dem Festival (bis 23. November, also am 30. November) noch einmal gezeigt werden.
Einige Preise hat „Das geheime Stockwerk“ schon bekommen, unter anderem den „Children‘s Jury Main Award“ des großen internationalen Kinderfilmfestivals im tschechischen Zlín und den der Kinderjury beim Festival „Goldener Spatz“ (Gera und Erfurt, Deutschland) für den besten Film (Fiktion-Langfilm) und für den besten Darsteller Maximilian Reinwald.
Max Reinwald (14) spielt Georg, einen Buben, der im Hotel – in jenem „geheimen Stockwerk“, das 1938 am Beginn der Nazizeit in Österreich spielt, einen jungen Schuhputzer spielt, der noch dazu eines Diebstahls bezichtigt wird, anfangs gegen Jüdinnen und Juden hetzt, sich dann mit Hannah und Karli – der ist aus der Gegenwart in einer Zeitreise hier gelandet – anfreundet und als Detektiv-Trio den wahren Dieb sucht – und der einen Wandel in seiner Sichtweise durchmacht.
KiJuKU: Auch für dich war das nicht der erste Film?
Max Reinwald: Mein erster Film war „Der Fuchs“ von Adrian Goiginger, beim Dreh war ich da noch unter zehn Jahren, dann hab ich noch in zwei Kurzfilmen mitgespielt.
KiJuKU: Wie kamst du zum „geheimen Stockwerk“?
Max Reinwald: Meine Mama hat auf Facebook gesehen, dass für diesen Film ein Bub gesucht wird, ein Lehrer hat mich auch darauf angesprochen, dann hab ich mich mit einem Video beworben, war beim Casting, dem Recall, da hab ich dann auch schon Silas John (spielt den Karli) und Annika Benzin (Rolle des jüdischen Mädchens Hannah) kennengelernt.
KiJuKU: Warst du mit der Rolle des Georg zufrieden?
Max Reinwald: Als ich genommen worden bin und das Drehbuch gelesen hab, fand ich diese Rolle voll cooool.
KiJuKU: Wusstest du schon vor dem Film einiges über diese schreckliche Zeit?
Max Reinwald: Ich hab mich schon davor ein bissl für die Themen der Nazizeit interessiert, aber mit dem Norbert (Regisseur) haben wir uns einen Film dazu angeschaut und bei Proben am Starenberger See einiges darüber geredete.
KiJuKU: Wie ist es dann als Georg zuerst so gegen die Jüdinnen und Juden hetzen zu müssen, noch dazu auch gegen Kinder wie Hannah?
Max Reinwald: Das ist ja nur die Rolle als Schauspieler. Und Georg sieht das ja dann auch ein, dass eben die Juden nicht lügen und böse sind.
KiJuKU: Schuhe hast du schon vorher zu Hause auch geputzt, oder erst im Film?
Max Reinwald: Mein Opa hat ein richtiges Schuhputzzeug gehabt, aber mit dem Norbert haben wir dann in München einen richtigen Schuhputzkurs für diese Szenen gemacht.
KiJuKU: Georg wird dann ja zum Tellerwaschen strafversetzt, machst du das zu Hause auch?
Max Reinwald: Wir haben eine Jugendherberge, da gibt’s viel Gschirr zum Waschn.
KiJuKU? Aber wahrscheinlich auch einen Geschirrspüler?
Max Reinwald: Schon, aber die Speisereste müssen vorher mit der Hand weggespült werden.
KiJuKU: Willst du Schauspielen zu deinem Beruf machen?
Max Reinwald: Naja, zuerst geh ich in eine landwirtschaftliche Fachschule in Bruck an der Glocknerstraße und danach möchte ich eine Lehre als Landmaschinentechniker machen. Mit dem Schauspielen, das lass ich auf mich zukommen, ist für mich aber eher ein Hobby und macht Spaß.
KiJuKU: Was magst du in der Schule und was eher nicht so besonders?
Max Reinwald: Mathe gefällt mir recht gut, auch wenn ich da nicht der Beste bin. Die anderen Hauptfächer sind auch nicht so schlecht, eigentlich find ich eh alles ganz gut. Naja, Fit for Life mag ich nicht so, da haben wir zwei Stunden, wo wir nur reden über alles mögliche und das find ich langweilig.
KiJuKU: Aber du machst ja – auf der Bühne und jetzt nicht den Eindruck, dass du ungern redest?
Max Reinwald: Ich red eh sehr gern, aber nix Langweiliges und ich mach noch lieber was Handfestes.
KiJuKU: Deine liebsten Freizeitbeschäftigungen sind?
Max Reinwald: Ich geh gern im Winter Skifahren und im Sommer geh ich gern Fischen, früher mit meinem Opa, aber der ist heuer leider gestorben, jetzt mach ich das mit seinem Neffen. Und mit dem geh ich auch Jagern.
In „Das geheime Stockwerk“ spielen – natürlich wie bei allen Filmen dieses zum 37. Mal stattfindenden internationalen Festivals – Kinder die zentralen Rollen. Zwei junge Darsteller waren auch bei der Premiere am zweiten Tag des Kinderfilmfestivals in Wien im Cinemagic, dem wienXtra Kinder- und Jugendkino in der Urania anwesend, vor allem sie wurden vom Publikum befragt. Danach durfte auch Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Ben Winkler (9) und Max Reinwald (14) interviewen; hier zunächst das mit Ben Winkler, das Interview mit Max Reinwald ist am Ende verlinkt.
Ben Winkler spielt Hermann, einen der beiden Söhne des autoritären, oft Watschen austeilenden Vaters, eines unbedingten Anhängers von Adolf Hitler. Er ist trotz seiner erst neun Jahre schon ein einigermaßen erfahrener junger Filmschauspieler.
KiJuKU: „Das geheime Stockwerk“ ist nicht dein erster Film, wann hast du mit Drehs begonnen?
Ben Winkler: Mein erster Film war „Macht der Kränkung“, da war ich vier Jahre.
KiJuKU: Wie kamst du so jung zum Film?
Ben Winkler: Mein Bruder Jan hat schon Theater gespielt, kam zu einer neuen Agentur, um Fotos zu machen. Dort bin ich dann gefragt worden, ob sie von mir auch Fotos machen sollen. Meine Mama hat „Nein“ gesagt, aber ich habe sie angefleht, ich wollte so sein wie mein großer Bruder. Und so hat das angefangen.
KiJuKU: In diesem Film spielst du den Hermann, einen der beiden Brüder in Lederhosen, die gegen Jüdinnen und Juden hetzen. Wie ist es, so jemanden zu spielen?
Ben Winkler: Im Film müssen eben alle Rollen besetzt werden. Auch schon in dieser kurzen Lederhose hab ich mich nicht wohlgefühlt. Aber das Interessante ist, dass du beim Film – auch im Theater – in andere Rollen schlüpfst, einen anderen Menschen spielst als du selbst bist.
KiJuKU: Hast du schon vor dem Film etwas darüber gewusst, wie die Nazis gegen Menschen wie Jüdinnen und Juden hetzten, sie verfolgten, umgebracht haben…?
Ben Winkler: Nein, ich hab das erst mit der Arbeit bei diesem Film gelernt, der Regisseur hat mit uns einen Film dazu angeschaut.
Anmerkung der Redaktion: Regisseur Norbert Lechner hatte zuvor im Publikumsgespräch auch erwähnt, dass er eine überlebende Zeitzeugin eingeladen hatte, um mit dem Team über die Zeit zu sprechen.
KiJuKU: Spielst du im echten Leben auch manches Mal Theater?
Ben Winkler: Beim Fußballspielen kann ich gut Schwalben machen.
KiJuKU: Spielst du in einem Verein?
Ben Winkler: Ja, im Tor bei Wimpassing und Eishockey spiel ich auch im Verein.
KiJuKU: Wowh, geht sich das alles neben der Schule aus?
Ben Winkler: Die Schule ist immer das Wichtigste. Ich bin sogar schon ein oder zwei Mal zu spät zum Training gekommen, weil ich zuerst immer meine Hausübungen fertig mache; außer wenn noch eine Leseübung offen ist, die kann ich auch nach dem Training machen.
KiJuKU: Was magst du in der Schule am liebsten?
Ben Winkler: Turnen und Werken, Zeichnen hasse ich, das mag ich aber auch so nicht; manches Mal hab ich Phasen wo ich gern was anmale.
KiJuKU: Soll Schauspiel später dein Beruf werden?
Ben Winkler: Jaaaaa!
„1, 2, 3, 4 – Kinderrechte wollen wir, 5, 6, 7, 8 – das wird heute klar gemacht!“ Immer wieder riefen einige Dutzend Kinder diesen Sprechchor – vor und im Zugang zu einer der Messehallen Wien. Drinnen startete die Interpädagogica, („Bildungsfachmesse für Lehrmittel, Ausstattung, Kultur und Sport – von der Kleinkindpädagogik bis hin zum kreativen, lebensbegleitenden Lernen“, Selbstzeichnung). Und zufällig fiel der Start der 46. Ausgabe dieser Messe in diesem Jahr auf den internationalen Tag der Kinderrechte, die eben an einem 20. November – und zwar im Jahr 1989 – von der UNO-Generalversammlung nach jahrzehntelangen Debatten in einer eigenen Konvention beschlossen worden sind.
Kinder aller fünf Kindergärten der Wiener Kinderfreunde im 2. Bezirk – wo auch die Messe Wien ihre Hallen beim Prater hat – hatten Plakate gezeichnet und geschrieben – mit Bildern zu jenem Recht, das ihnen jeweils am wichtigsten ist – vom gesunden Essen über eine ebensolche Umwelt bis hin dazu, dass kein Kind illegal ist. Den Sprechchören der Kinder folgten auch Lieder, unter anderem das allbekannte „Happy Birthday“ – eben für die Kinderrechtskonvention, immerhin schon 36 Jahre „alt“. In Österreich sind sie rund drei Jahre später als Bundesgesetz in Kraft getreten, 2011 – nach langjährigen Forderungen – wurden einige davon in den Rang von Verfassungsgesetzen erhoben, leider nicht die gesamte Konvention. Bis heute ist übrigens das im selben Jahr beschlossene „3. Zusatzprotokoll“, das Kinder eine Individualbeschwerde bei Verletzung von Kinderrechten einräumt, von Österreich nicht ratifiziert, also rechtlich anerkannt, worden.
Die Kinder der Donnerstag-Aktion kamen aus den Kinderfreunde-Kindergärten in der der Ausstellungsstraße, Rotensterngasse, Vorgartenstraße sowie den beiden ÖBB-betriebsnahen Kindergärten mit MINT-Schwerpunkt Lasallestraße und Praterstraße; sie alle sind in ihrem letzten Jahr bevor sie im Herbst in die Schule wechseln.
Zum Tag der Kinderrechte forderte die Bundesorganisation der Österreichischen Kinderfreunde „entschlossene Maßnahmen, damit Kinderrechte in Österreich endlich lückenlos gelten – in jeder Gemeinde, in jeder Einrichtung und für jedes Kind“ gelten. Deren Budnesvorsitzender Jürgen Czernohorszky, Stadtrat in der Wiener Landesregierung, meinte in einer Aussendung: „Es darf auf keinen Fall passieren, dass Kinder die Leidtragenden von aktuellen Kürzungen werden.“
Außerdem verlangte er, dass „jede Organisation, die mit Kindern arbeitet, verbindliche und geprüfte Kinderschutzkonzepte“ brauche samt „regelmäßigen Schulungen für alle Beteiligten und externe Qualitätskontrollen“.
„Bildungseinrichtungen müssen so aufgestellt sein, dass alle Kinder gemeinsam lernen können“, sagt Daniela Gruber-Pruner, Bundesgeschäftsführerin der Kinderfreunde. „Das heißt: multiprofessionelle Teams, ausreichende Ressourcen, Barrierefreiheit und Unterstützung dort, wo Kinder sie brauchen.“
Zu diesem Tham hatte der Unabhängige Monitoringausschuss schon am Tag davor „auf strukturelle Barrieren aufmerksam (gemacht), mit denen Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Österreich beim Aufwachsen konfrontiert sind. Als Basis dienen die Erfahrungen, die Menschen mit Behinderungen bei der diesjährigen Öffentlichen Sitzung 2025 des Unabhängigen Monitoringausschuss zum Thema „Aufwachsen mit Behinderungen“ geteilt haben. Die ersten Ergebnisse zeigen: Viele zentrale Rechte der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bleiben noch immer unbeachtet.“
„Kinder und Jugendliche erfahren Ausgrenzung, Vorurteile und Gewalt, insbesondere in Schule und Freizeit. Lehr- und Betreuungspersonen greifen oft nicht ein, Sensibilität für Behinderung und spezifische Gewaltformen fehlt häufig. Ärzt*innen nehmen Beschwerden und Fragen oft nicht ernst, Erklärungen in Leichter Sprache fehlen…
Freizeitangebote sind oft nicht barrierefrei. Persönliche Assistenz fehlt, sodass Kinder stark von Eltern oder Geschwistern abhängig sind. Das erschwert Teilhabe und soziale Kontakte. Kinder und Jugendliche werden in wichtigen Entscheidungen zu Wohnen, Bildung oder Politik oft nicht einbezogen, ihre Interessen bleiben ungehört. Fehlende Unterstützungsstrukturen verhindern, dass sie selbstbestimmt handeln können.
Daniela Rammel vom Vorsitzteam dieses Monitoring-Ausschusses: „Kinder mit Behinderungen sind Trägerinnen und Träger von Rechten. Ihre Rechte dürfen nicht vom Wohlwollen, Wohnort, oder von familiären Ressourcen abhängen.“
„Der Zugang zu medizinischer und therapeutischer Versorgung darf nicht vom Einkommen oder der Postleitzahl abhängen“, so Gruber-Pruner von den Kinderfreunden. „Wir brauchen österreichweit genügend Kassenplätze, kurze Wartezeiten und einen kräftigen Ausbau der Kinder- und Jugendgesundheit – von der Primärversorgung bis zur Psychiatrie.“
„Frühkindliche Bildung ist ein Recht – kein Luxus“, unterstreicht Czernohorszky. „Kostenfrei, ganztägig, ganzjährig und mit bester pädagogischer Qualität ausgestattet: mit kleinen Gruppen, gutem Betreuungsschlüssel und Öffnungszeiten, die Familien wirklich nützen.“
„Die Zahlen zeigen ganz deutlich – wir brauchen die Kindergrundsicherung. Jedes Kind, das in Armut leben muss, erlebt Tag für Tag die Verletzung seiner Rechte. Kinderarmut gehört in die Geschichtsbücher – nicht in den Alltag von Kindern“, fordert Gruber-Pruner.
„Kinderrechte stehen nicht nur in der Verfassung, sie sind auch unser aller Verpflichtung“, ziehen die Kinderfreunde Bilanz. „36 Jahre nach der Beschlussfassung der Kinderrechte gilt es endlich, alle Kinderrechte für alle Kinder zum Leben zu erwecken.“
Den Kinderrechte-Geburtstag nahmen auch das Netzwerk Kinderrechte Österreich (das fast fünf Dutzend Organisationen vertritt) und Ökobüro zum Anlass, die konsequente Umsetzung dieser doch schon fast vier Jahrzehnte verankerten Rechte für Menschen bis 18 zu verlangen.
„Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist es essenziell, die Expertise zivilgesellschaftlicher Organisationen einzubeziehen, um langfristige Folgeschäden durch Sparpakete zu vermeiden. Organisationen, die täglich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, erkennen die Auswirkungen politischer Entscheidungen frühzeitig – vorausgesetzt, sie verfügen über ausreichende Ressourcen und stabile Rahmenbedingungen. Gleichzeitig bestehen weiterhin Mängel im Bildungs- und Sozialbereich: Der Bildungserfolg hängt stark vom Elternhaus ab, Kinder mit Behinderung haben vielerorts keinen gleichberechtigten Zugang, und jedes fünfte Kind lebt in Armut – mit gravierenden Folgen für Gesundheit, Teilhabe und Zukunftschancen“, heißt es in einer Stellungnahme vom Netzwerk und Ökobüro.
Diese bestehenden sozialen Ungleichheiten werden durch die Klimakrise weiter verschärft. Sie bedroht eine Vielzahl von Kinderrechten unmittelbar: das Recht auf Gesundheit, auf Schutz vor Gefahren, auf eine sichere Lebensumwelt und auf faire Zukunftsperspektiven. Der UN-Kinderrechtsausschuss hat in seinem Allgemeinen Kommentar Nr. 26 unmissverständlich festgehalten, dass Vertragsstaaten verpflichtet sind, die Lebensgrundlagen heutiger und zukünftiger Generationen zu schützen. Fehlender Rechtsschutz und mangelnde Beteiligung von Kindern
„Obwohl der österreichische Staat zur Wahrung des Kindeswohls verpflichtet ist, reichen die aktuellen Klimaschutzmaßnahmen nicht aus, um diesem Anspruch gerecht zu werden“, sagt Gerlinde Schörghofer, Umweltjuristin bei Ökobüro. „Zahlreiche Klimaschutzprogramme wurden zuletzt zurückgefahren – mit direkten Folgen für junge Menschen.“
Auch der Zugang zu Gerichten ist für Kinder faktisch kaum möglich: „Trotz verfassungsmäßiger Schutzrechte setzt der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeitshürden so hoch an, dass Kinder ihre Rechte kaum wirksam geltend machen können.“ Ebenso werde ihr Recht auf Beteiligung in politischen Prozessen vielfach nicht umgesetzt. „Einsparungen zu Lasten der jungen Generation schwächen jene Strukturen, die notwendig wären, um Beteiligung als demokratischen Standard zu verankern.“
„Kinderrechte dürfen nicht als optionale Luxusidee verstanden werden. Sie müssen in allen Gesetzen, Sparmaßnahmen und politischen Entscheidungen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene verbindlich berücksichtigt werden. Es braucht sichtbaren politischen Willen – das ganze Jahr über, nicht nur am Tag der Kinderrechte.
Denn wer bei Kinderrechten spart, spart letztlich dort, wo die Grundlagen einer gerechten und zukunftsfähigen Gesellschaft entstehen“, so das Netzwerk Kinderrechte und das Ökobüro.
Der Dachverband der Österreichischen Kinder- und Jugendeinrichtungen (DÖJ) sowie die Volksanwaltschaft kritisierten am Tag vor dem Kinderrechte-Geburtstagh in Aussendungen wieder die seit 2019 zu den Bundesländern verschobene Kompetenz in der Kinder- und Jugendhilfe. Das führe zu großen regionalen Unterschieden, etwa bei Unterstützungsleistungen, bei Personalschlüsseln und Gruppengrößen in den Kinder- und Jugend-WGs und bei den Ausbildungsanforderungen an das Personal, kritisierte Volksanwalt Bernhard Achitz.
Auch anderer Einrichtungen, wie FICE-Austria, Netzwerk Kinderrechte, die Kinder- und Jugendanwaltschaften und die Bundesjugendvertretung würden sich für eine österreichweite und qualitätsgesicherte Kinder- und Jugendhilfe einsetzen, betonte DÖJ-Obmann Gerald Herowitsch-Trinkl und richtete seinen Appell besonders an Familienministerin Claudia Plakolm (ÖVP).
Volksanwalt Achitz forderte auch die verpflichtende Einführung der Qualitätsstandards für die außerfamiliäre Erziehung von FICE, der internationalen Organisation für erzieherische Hilfe. Laut der aktuellen Kinder- und Jugendhilfestatistik waren im vergangenen Jahr 13.050 Kinder und Jugendliche in sogenannter „voller Erziehung“ fremduntergebracht. Um diese möglichst zu vermeiden und Minderjährigen den Verbleib in den Familien zu ermöglichen, forderte die Volksanwaltschaft zudem den Ausbau ambulanter Hilfen.
Die Situation in der Fremdunterbringung sei hingegen prekär, kritisierte das Österreichische Hilfswerk. Es komme zu langen Wartezeiten und überfüllten Einrichtungen. Das Hilfswerk warnte vor Sparmaßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe. Aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen käme es immer wieder zu Fällen der Kindeswohlgefährdung.
1, 2, 3, 4, X, 6, 7, 8, 9, X, 11, 12, 13, 14, X – so wie hier an jeder fünften Stelle ein X steht, so ist jedes fünfte Kind in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen in mindestens zwei lebenswichtigen Bereichen die für Gesundheit, Entwicklung und Wohlbefinden entscheidend sind, stark benachteiligt. Und das sind immerhin rund 417 Millionen Kinder – also fast so viele wie Menschen in der gesamten EU leben (450 Millionen). Diese Zahlen gab die Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen zum Kinderrechtetag (20. November, Jahrestag des UNO-Beschlusses über die Kinderrechtskonvention, 1989) bekannt.
„The State of the World’s Children 2025: Ending Child Poverty – Our Shared Imperative“ (Die Lage der Kinder in der Welt 2025: Kinderarmut beenden – Unsere gemeinsame Aufgabe) wie dieser Bericht offiziell heißt, stützt sich auf Daten aus mehr als 130 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, um das Ausmaß multidimensionaler Armut zu bewerten. Gemessen wird sie anhand von sechs Kategorien: Bildung, Gesundheit, Wohnen, Ernährung, sanitäre Versorgung und Wasser. Die Analyse zeigt, dass 118 Millionen Kinder drei oder mehr Deprivationen (Entbehrungen) erleben und 17 Millionen vier oder mehr (Anm.: Die Daten stammen aus dem Jahr 2023).
„Kinder, die in Armut aufwachsen und denen grundlegende Dinge wie gute Ernährung, angemessene sanitäre Versorgung und eine sichere Unterkunft fehlen, sind verheerenden Folgen für ihre Gesundheit und Entwicklung ausgesetzt“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Es muss nicht so sein. Wenn Regierungen sich dazu verpflichten, Kinderarmut durch wirksame politische Maßnahmen zu beenden, eröffnen sie Kindern eine Welt voller Möglichkeiten.“
Die höchsten Raten multidimensionaler Armut bei Kindern konzentrieren sich auf Subsahara-Afrika und Südasien. In Tschad beispielsweise erleben 64 % der Kinder zwei oder mehr schwere Deprivationen, und knapp 25 % sind drei oder mehr ausgesetzt.
Sanitäre Versorgung ist der am weitesten verbreitete schwere Mangel: 65 % der Kinder in Ländern mit niedrigem Einkommen haben keinen Zugang zu einer Toilette, 26 % in Ländern mit unterem mittleren Einkommen und 11 % in Ländern mit oberem mittleren Einkommen. Ein Mangel an angemessener sanitärer Versorgung erhöht die Gefahr, dass Kinder Krankheiten ausgesetzt sind.
Der Anteil der Kinder, die in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mindestens eine schwere Deprivation erfahren, sank zwischen 2013 und 2023 von 51 auf 41 %, größtenteils dank der Priorisierung von Kinderrechten in nationalen Politiken und wirtschaftlicher Planung. Doch der Fortschritt stockt. Konflikte, Klima- und Umweltkrisen, demografische Veränderungen, steigende nationale Schulden und wachsende technologische Ungleichheiten verschärfen die Armut. Gleichzeitig drohen beispiellose Kürzungen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) die Deprivation von Kindern in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu vertiefen.
Dennoch ist Fortschritt möglich. Tansania etwa erzielte zwischen 2000 und 2023 eine Reduzierung der multidimensionalen Kinderarmut um 46 %, teilweise dank staatlicher Zuschüsse, die armen Haushalten finanzielle Entscheidungsspielräume eröffneten. In Bangladesch sank die Kinderarmut im gleichen Zeitraum um 32 %, dank staatlicher Initiativen, die den Zugang zu Bildung und Elektrizität ausweiteten, die Wohnqualität verbesserten und in Wasser- und Sanitärversorgung investierten. Offene Defäkation wurde so von 17 % im Jahr 2000 auf null Prozent im Jahr 2022 reduziert.
Armut beeinträchtigt die Gesundheit, Entwicklung und das Lernen von Kindern – mit Folgen wie schlechteren Berufsaussichten, kürzerer Lebenserwartung sowie erhöhten Raten von Depressionen und Angststörungen. Der Bericht betont, dass besonders junge Kinder, Kinder mit Behinderungen und Kinder in Krisenkontexten gefährdet sind.
Der Bericht untersucht auch monetäre Armut, die den Zugang zu Nahrung, Bildung und Gesundheitsdiensten weiter einschränkt. Laut aktuellen Daten leben mehr als 19 % der Kinder weltweit in extremer monetärer Armut, das heißt mit weniger als 3 US-Dollar (2,50 €) pro Tag. Fast 90 % dieser Kinder leben in Subsahara-Afrika und Südasien.
Der Bericht enthält außerdem eine Analyse von 37 Ländern mit hohem Einkommen. Rund 50 Millionen Kinder – oder 23 % der Kinderpopulation in diesen Ländern – leben in relativer monetärer Armut. Das bedeutet, dass ihr Haushalt deutlich weniger Einkommen hat, als die meisten anderen im jeweiligen Land, was ihre Fähigkeit einschränken kann, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Während die Armut in den 37 Ländern zwischen 2013 und 2023 durchschnittlich um 2,5 % sank, stagnierte oder kehrte sich der Fortschritt in vielen Fällen um. In Frankreich, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich stieg die Kinderarmut beispielsweise um mehr als 20 %. Im gleichen Zeitraum senkte Slowenien seine Armutsquote um mehr als ein Viertel, vor allem dank eines starken Familienleistungssystems und Mindestlohnregelungen.
Laut den Daten des Berichts leben 17,9 % der Kinder unterhalb der Armutsgrenze (2023), ein Anstieg von über zehn Prozent seit 2018. Besonders besorgniserregend ist die Tiefe und Dauer der Armut: Kinder in einkommensarmen Haushalten liegen im Schnitt 19,8 % unter dem Schwellenwert, und 10,6 % sind von anhaltender Armut betroffen. Während die realen Einkommen leicht gestiegen sind, hat sich die relative Armut um mehr als 20 % verschärft, was auf wachsende Ungleichheit hinweist. Auch nicht-monetäre Aspekte zeigen Herausforderungen: 4,8 % der Kinder leben in Haushalten mit schwerer materieller Deprivation, 12,9 % der 15-Jährigen haben kein eigenes Zimmer, und 8,8 % der Jugendlichen berichten, mindestens einmal pro Woche nicht gegessen zu haben, weil kein Geld für Essen vorhanden war. Digitale Exklusion ist hingegen kaum ein Problem.
„Der Anteil der armutsgefährdeten Kinder ist im vergangenen Jahr gestiegen. Einer aktuellen Erhebung des Statistischen Bundesamts zufolge waren 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren betroffen – das entspricht einem Anteil von 15,2 Prozent, bezogen auf die Altersgruppe. Ein Jahr zuvor hatte der Anteil erst 14,0 Prozent betragen“, schreibt Spiegel Online vor wenigen Tagen auf der Basis aktueller Zahlen des deutschen Statistischen Bundesamtes.
Laut EU-SILC 2024 sind 344.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie 666.000 Frauen und 518.000 Männer ab 18 Jahren von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung betroffen. 23 % aller Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten sind unter 18 Jahre alt. Das Risiko von Kindern und Jugendlichen für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung beträgt 21 % und liegt damit über dem der Gesamtbevölkerung (16,9 %).
„Kinderarmut bedeutet gesellschaftlichen Ausschluss, raubt Perspektiven und hindert eine gesunde Entwicklung. Sie ist kein Schicksal, sondern eine Aufgabe, die entschlossen angepackt werden muss. Durch die konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Kindergarantie und die Einführung einer Kindergrundsicherung wird die Grundlage für eine Gesellschaft, in der jedes Kind die Chance erhält, sicher und gesund aufzuwachsen, geschaffen“, erklärt UNICEF Österreich Geschäftsführer Christoph Jünger.
The State of the World’s Children 2025 zeigt, dass die Beendigung der Kinderarmut erreichbar ist, und hebt die Bedeutung hervor, Kinderrechte – wie in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt – in den Mittelpunkt aller staatlichen Strategien, Politiken und Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu stellen, indem:
Der Bericht erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem viele Regierungen weltweit ihre Auslandshilfe zurückfahren. Laut The Lancet könnten Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit bis 2030 zum Tod von 4,5 Millionen Kindern unter fünf Jahren führen. Gleichzeitig zeigen aktuelle UNICEF-Schätzungen, dass infolge dieser Kürzungen bis nächstes Jahr sechs Millionen Kinder zusätzlich nicht zur Schule gehen könnten.
„Schon vor der globalen Finanzierungskrise hatten viel zu viele Kinder keinen Zugang zu ihren grundlegenden Bedürfnissen, nun droht sich die Lage deutlich zu verschlimmern“, sagte Russell. „Dies ist nicht der Moment, sich zurückzuziehen. Es ist die Zeit, auf den hart erarbeiteten Fortschritten für Kinder aufzubauen. Regierungen und Unternehmen können dazu beitragen, indem sie Investitionen in zentrale Dienste für Kinder stärken, um sie gesund und geschützt zu halten, und indem sie sicherstellen, dass sie Zugang zu essenziellen Dingen wie guter Ernährung haben – insbesondere in fragilen und humanitären Kontexten. Investitionen in Kinder schaffen eine gesündere und friedlichere Welt – für alle.“
„Hier, an einem geschichtsträchtigen Platz im Zentrum Wiens, soll ein sichtbares Zeichen der Erinnerung und Anerkennung entstehen“, sagte der weltberühmte Musiker und Roma-Aktivist Harri Stojka Anfang dieser Woche (Mitte November 2025) auf dem Wiener Schmerlingplatz. In der Hand hielt er ein Bild seines – von den Nazis ermordeten – Großvaters Karl Wakar Horvath.
Das Mahnmal soll an die faschistische Verfolgung und Ermordung der Volksgruppen der Rom:nja und Sinti:zze im Nationalsozialismus erinnern und zugleich als Appell gegen Diskriminierung und Ausgrenzung in der Gegenwart dienen. Jahr für Jahr wird beim Gedenken an den Porajmos (entspricht der Shoah an Jüd:innen) bei der Gedenkveranstaltung am 2. August auf dem Ceija Stojka Platz (Wien-Neubau) auch von Politiker:innen versprochen, dass es so ein Mahnmal geben wird. Seit Jahren verzögert sich die Umsetzung durch Diskussionen über den Standort. „Das ist ärgerlich und respektlos gegenüber der Roma-Community“, so Stojka.
Es war aber keine Ein-Mann-Aktion, auch andere Aktivist:innen – übrigens nicht nur Angehörige der Volksgruppen – waren ebenso Teil der Mahnung daran, dass dieses Denkmal schon längst überfällig ist und nicht weiter verschleppt werden darf. Sie alle hielten Fotos von ermordeten Rom:nja und Sinti:zze, bei einigen waren es eigene Verwandte wie Großeltern oder Großtanten, aber auch Kinderbilder. Die Nazis brachten ja auch jede Menge Kinder und Jugendliche um.
Der Künstler spricht sich auch für eine internationale Ausschreibung für die künstlerische Gestaltung aus und richtet den klaren Appell an den Nationalfonds, die Stadt Wien und politisch Verantwortliche, 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs endlich zu handeln und die Umsetzung dieses wichtigen Erinnerungsprojekts nicht weiter hinauszuschieben.
Vor rund eineinhalb Jahren gab es – ausgehend von einem Positionspapier der Volksgruppenvereine eine Besprechung, wo der Schmerlingplatz in unmittelbarer Nähe zum Parlamentsgebäude vorgeschlagen wurde. Es sollten die statischen Voraussetzungen und damit Kriterien wie Höhe und Gewicht geprüft werden, damit Künstler:innen dies bei Entwürfen für eine Gestaltung berücksichtigen könnten.
Eineinhalb Jahre später die erst zweite Sitzung – mit keinen konkreten Antworten auf die technischen Umsetzungsfragen dafür nebulose Standortvorschläge, so manche weitab vom Stadtzentrum. Ein zentraler Standort war aber immer eine Forderung der Community – und wurde bei den oben schon erwähnten Gedenkveranstaltungen immer wieder versprochen. Diese Verschleppungstaktik passt leider genau ins Bild des Umgangs auch mit dem offiziellen Gedenktag am 2. August. Vor einem Jahrzehnt vom EU-Parlament beschlossen, ratifizierte der österreichische Nationalrat ihn im Jänner 2023 ebenfalls, aber die Veranstaltung muss nach wie vor von den Vereinen organisiert werden, das offizielle Österreich begnügt sich mit einer Mini-Kranzniederlegung mit beschränkter Teilnehmer:innen-Zahl.
Umzugskartons – gut zwei Dutzend dieser braunen Kisten spielen eine optisch zentrale Rolle – als Hintergrundwand einerseits, dann immer wieder, wenn das eine oder andere daraus hervorgekramt wird. Und eben als Symbol für Übersiedlungen, Reisen von einem Ort zu einem anderen. Schön, wenn solche Reisen freiwillig erfolgen, nicht selten allerdings müssen Menschen ihre Heimat verlassen, um woanders neu zu beginnen. Oft haben sie dann keine Umzugskartons dabei, sondern mitunter nicht viel mehr als sie am Leib tragen und vielleicht noch einen (kleinen) Rucksack…
Die Kartons auf der Bühne der Tanztheater-Performance von kollektiv kunststoff „Wo ist Walzer?“, die Mitte November Premiere im Kulturzentrum F23 (Wien-Liesing) bei einem der Standorte von Junge Theater Wien hatte, verbindet diese Ausgangsbedingungen mit der dahinterliegenden Frage, wo oder was ist Heimat?!
Die tanzenden Performer:innen / performenden Tänzer:innen Raffaela Gras, Michael Gross, Kamil Mrozowski und Kamel Jirjawi haben im Prozess der Arbeit an diesem Stück eingebracht und „kramen“ diese unter anderem aus den Kisten hervor. Vor allem aber bringen sie es bewegt und bewegend tänzerisch auf die Bühne; manches auch in Songs – verstärkt durch Sängerin Theresa Eipeldauer, instrumental interpretiert, verstärkt, unterstrichen, hervorgehoben durch Peter Plos (u.a. E-Gitarre) und Didi Kern (Schlagzeug).
Das aktuelle Johann-Strauss-Jahr (vor 200 Jahren wurde der Komponist und Musiker geboren) mit Dutzenden über ganz Wien verteilten unterschiedlichsten Produktionen hatte „kollektiv kunststoff“ angefragt, ob sich die Gruppe etwas rund um den „Walzerkönig“ einfallen lassen wolle. Und kam bald auf die wohl berühmteste Komposition von Johann Strauss Sohn. Mit ihm wird auf den meisten audiovisuellen Kanälen Österreichs das neue Jahr einge„läutet“, die Fluglinie AUA lässt ihn erklingen, wenn die Maschinen auf dem Vienna Airport landen…
Aber ist das für alle so? Mögen alle diese Musik? Verbinden sie damit wirklich (ihre) Heimat? Was bedeutet für jede und jeden „Zuhause“, wo fühlt sich wer geborgen und warum? Oder wodurch?
Und so erinnert sich „Michi“ (Michael Gabriel Gross) an viel Zeugs aus seiner Kindheit, das er auf dem Dachboden ihres ehemaligen Hauses wieder zufällig entdeckt und lässt eine Art Zeitreise miterleben. Raffaela Gras bringt ihre Kindheits- und Jugenderlebnisse in jenem „Tagada“, das im Wiener „Wurstelprater“ die Benutzer:innen wilde Runden drehen lässt; samt Outing einer urpeinlichen Szene.
„Das war so prägend, dass wir alle mit ihr im Tagada waren und es auch Inspiration für einige Choreos war“, verrät Choreografin Stefanie Sternig (Dramaturgie: Christina Aksoy) Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Und sie zeigt ausführlicher das dicke Buch, das mit persönlichen Erinnerungen gefüllt ist – der Performer:innen aber auch Gedanken von Kindern aus Klassen, mit denen das Team im Vorfeld zusammengearbeitet hat. Die Choreografin hat übrigens ihr echtes Freund:innenbuch aus ihrer Kindheit, Anfang der 90er Jahre zur Verfügung gestellt, in das die Performer:innen einige ihnen wichtige Sätze auf eingeklebten zetteln „verewigt“ haben.
Kamil Mrozowski singt – auf Polnisch – Ich bin wie Rosmarin, / ich entfalte mich / … habe starke Wurzeln, selbst wenn / der Wind weht, gebe ich nicht auf… Ich bin nicht hier, / um tatenlos zu stehen / Ich bin hier, um dir Freiheit zu geben / Du bist nicht zu anders, zu laut oder /zu seltsam, / Du bist genau richtig…“
Bevor er jedoch zu diesem Song kommt, hat er mit einer der Umzugskartons allein gegen die drei Kolleg:innen irgendwie zu kämpfen, wird bedrängt, setzt sich zur Wehr bis die vier und mit der Sängerin zu fünft zu einem Miteinander im Kreis kommen, wie sie einander gegenseitig stützen.
Das was für Kamil Rosmarin bedeutet, das ist für Kamel Jirjawi, einen seit sieben Jahren in Berlin lebenden palästinensischen Tänzer, ein Olivenbaum – weit mehr als eine Pflanze, die Früchte trägt, eben ein Stück alter Heimat. An die er aber auch in einem arabischen Lied die Erinnerung singt, dass alle Autos haben, nur sein Großvater „hat einen Esel“.
Neben Tanz, Schauspiel, Gesang und der Live-Musik kommen immer wieder auch Projektionen zum Einsatz – Projektor in einem mit Fensteröffnungen versehenen Umzugskarton – die allerdings für jene, die seitlich im Publikum sitzen nicht immer (gut) zu sehen sind. Ein weiteres Element, das in „Wo ist Walzer?“ ins Spiel gebracht wird, erfüllt dafür immer wieder den gesamten Raum: Düfte.
Dass Erinnerungen sehr oft besonders stark mit Gerüchen verbunden sind, greifen die Performer:innen zu Tiegelchen und Schälchen mit Materialien, die sie persönlich mit starken Kindheits- und / oder Heimatgefühlen verbinden. Sie begeben sich damit immer wieder auch ganz nahe an die Publikumsreihen, um die Zuschauer:innen intensiver riechen zu lassen. Und dem widmet die Tanzperformance auch einen eigenen Song: „It’s all about the healing, / And the healing goes right through the scent. / A smell, a trace of (former) feeling, / its more than a place — it is you. / Every smell / Every fight… / every trace / every land / pulls me back to you. / … And the healing goes right through the pain. / A smell, a trace of (former) feeling, / its more than a place — it was you.“
(Es geht um Heilung, / und die Heilung geht direkt durch den Duft. / Ein Geruch, eine Spur (ehemaliger) Gefühle, / es ist mehr als ein Ort – es bist du. / … Jeder Duft / Jeder Streit …/ jede Spur / jedes Land / zieht mich zurück zu dir / … und die Heilung geht direkt durch den Schmerz hindurch. / Ein Duft, eine Spur (ehemaligen) Gefühls, / es ist mehr als ein Ort – es warst du…
Übrigens: Am Abend nach der ersten Aufführung von „Wo ist Walzer?“ im F23 sagte der kritische Journalist, Autor und Dokumentarfilmer Can Dündar, der in seiner ersten Heimat Türkei eingesperrt war und der jetzt im Exil in Deutschland lebt aber auch dort vor Anschlägen nicht sicher ist, in einem Interview anlässlich seines neuen Buches „ich traf meinen Mörder“ im ORF-Kulturmontag: „Für einen Journalisten, einen Autor ist zu Hause dort, wo man frei reden, frei denken kann.“
„Extrablatt! Extrablatt!“, liest der Autor aus seinem Buch, ruft es in die Menge, als würde er wirklich hier selber Zeitungen verkaufen.
Zeitungen? Für das jugendliche Publikum fast etwas wie aus einer anderen Welt. Aber dennoch gelingt es Benedict Mirow die Schülerinnen und Schüler vor einer der vielen Bühnen auf der Buch Wien zu fesseln – mit seiner Art aus seinem Roman zu lesen, die spannenden Passagen vor den geistigen Augen UND den Ohren lebendig werden zu lassen. Der deutsche studierte Theaterregisseur – übrigens in Wien am berühmten Max-Reinhardt-Seminar – vor allem aber lange selber bekannter Regisseur von Musik-Filmen (Konzertmitschnitte und Porträts musikalischer Promis) hat erst vor fünf Jahren begonnen Bücher zu schreiben – für junge Leser:innen.
Nach der umfangreichen fünfbändigen Serie „Die Chroniken von Mistle End“, erschien erst knapp vor der Wiener Buchmesser, mittlerweile die drittgrößte im deutschsprachigen Raum (nach Frankfurt und Leipzig). Und für die hat er sich einen Zeitungsjungen in London vor rund 170 Jahren ausgedacht, nannte ihn Joshua Jackelby. Rund um ihn, einen von vielen auf der Straße bzw. er und seine Kumpels in einem Bahnhof lebenden Kindern, die sich mit verschiedensten Jobs, unter anderem eben dem Verkauf von Zeitungen, ihr tägliches Überleben sichern mussten, baute er eine spannende Story.
Dafür hat der Autor viel über das wahre Leben, vor allem von Kindern und Jugendlichen im London der 1850er Jahre recherchiert und die Fakten in die sehr szenisch geschriebene Geschichte eingebaut. Dieser Josh, wie ihn Mirow im Text meist nennt, ist aber trotz seiner harten Lebensbedingungen mitfühlend geblieben – und so erleben die Jugendlichen auch noch die Schilderung, wie er ein in den dreckigen Fluss Themse geworfenen Sack, aus dem er „ein kleines, schmerzerfülltes Heulen. Ein gedämpftes Weinen“ hörte, rettete…
Klar, Klassenbesuche bei Veranstaltungen sind für viele zunächst einmal willkommene Abwechslung zum Schulalltag und nicht alle stehen genau auf das von Lehrer:innen ausgesuchte Programm; aber die spürbare Aufmerksamkeit, so manche Fragen, die Neugier nach dem weiteren Verlauf der Handlung danach, immer wieder Handyvideos während der Lesung und die Bitte um Autogramme zeigte, lesen ist doch noch immer nicht – wie oft behauptet wird – out bei Kindern und Jugendlichen. Das war auch vielerorts beim Lesefestival in – heuer bereits zwei – Messehallen immer wieder zu erleben.
Am Rande der hier beschriebenen Lesung etwa meinten Valentina und Raphael ganz enthusiastisch, dass sie sogar Vielleser:innen sind, erster liebt es aber „nur“ in gedruckten Büchern, zweiterer liest sowohl Papier- als auch digitale Bücher. Als eine der Lieblingslektüren nennen sie unabhängig voneinander „Gregs Tagbücher“, aber auch viel dickere – bzw. längere Bücher. „Joshua Jackelby“ (Thienemann Verlag) hat 380 Textseiten, die bei der Lesung aufgebauten Bücherstapel mussten die beiden Verkäuferinnen aber wieder zurück in den Messe-Shop bringen, weil nur mit Karte und nicht bar bezahlt werden konnte, unter 14-Jährige aber kein eigenes Konto haben können.
Im fast übervollen größten „Lichtspieltheater“ Österreichs, dem Gartenbaukino fand am Leopolditag (15. November) die vielumjubelte Eröffnung des Kinderfilmfestivals statt – zum 37. Mal und wie immer international mit Filmen aus vielen Ländern, Kulturen und den entsprechenden Sprachen – Deutsch live im Kino eingesprochen. „Superkräfte im Kopf“ – wie vier weitere Filme dieses Mal aus den Niederlanden, die sogar vom Botschafter vertreten war. Mehr über diesen beeindruckenden, berührenden und über viele Strecken auch humorvollen Film in einem späteren Beitrag – samt Interview mit dem jungen Hauptdarsteller Finn Vogels.
Auf der Bühne stellten sich auch die sieben Mitglieder der Kinderjury gegenseitig vor – siehe Video. Am Sonntag vor der Premiere von „Das geheime Stockwerk“ im ebenfalls vollbesetzten Cinemagic, dem Kinder- und Jugendkino von wienXtra in der Urania am Donaukanal durfte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Arto, Lea, Livia, Matilda, Mathis, Noa und Philemon (alphabetisch sortiert) treffen. Neben Schule und anderen Verpflichtungen haben sie ein dichtes Festivalprogramm: Gemeinsam acht Filme anschauen und das sehr konzentriert, danach darüber besprechen gemeinsam mit ihren Betreuerinnen Annelies und Paula, bewerten und am Ende Preise vergeben.
KiJuKU durfte zunächst zuhören, wie sie gerade noch den dänischen Film „Honey“ sehr detailliert diskutierten – bis hin zu Details von Hintergrundmusik. „Aber nicht nur die Hintergrund-, sondern die ganze Musik des Films ist sehr gut“, meinten einige der jungen Juror:innen. Gesamteindruck ungefähr so: Gefühlvolle Drama-Komödie mit einigen lustigen Szenen…
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wollte vor allem wissen, was die Jurymitglieder bewogen zu dieser Tätigkeit bewogen hatte.
Matilda, 12: Ich schau liebend gern Filme, weil ich mich gern in andere Welten reinversetze und mit Charakteren mitfühle. Ich will wissen, wie sie ticken und schreib auch gern selber Geschichten, hab da viele Ideen und fantasievolle Dinge im Kopf. Seit ich schreiben kann, mach ich das. Im Kopf Geschichten ausgedacht hab ich mir aber schon davor. Und ich lese gerne, am liebsten Fantasybücher.
Livia, 11: Ich bin da, weil ich’s von einer Freundin erfahren habe und gern viel Filme schaue und viele Geschichten lese. Außerdem ist meine Mama Regisseurin und so hab ich schon einige Erfahrungen rund um Filme. Aber ich bin sehr aufgeregt, wenn ich auf der Bühne sprechen soll. „Superkräfte im Kopf“ fand ich extrem cool und eine sehr gute Entscheidung, ihn zum Eröffnungsfilm zu wählen, auch weil er von dem Mut handelt, über Gefühle zu reden. Und weil die Oma im Film sagt, wenn man nie etwas macht, das einem peinlich ist oder Angst bereitet, dann hat man keinen Spaß im Leben. Das ist auch eine ganz wichtige Sache, um dann doch auf die Bühne zu gehen und zu sprechen!
Arto, 11: Ich schau gern viele Filme und Serien, geh überhaupt gerne auf Veranstaltungen wie Game City und andere, wobei ich das manchmal gerne ein bisschen übertreibe. Ich mein, in der Festivalwoche machen wir schon sehr viel.
„Superkräfte im Kopf“ fand ich am Anfang sehr traurig, weil Lev (Hauptfigur) von seinen Eltern nur rumkommandiert wird. Aber dann kommt zum Glück die Oma und es gibt für ihn nun viele Ausnahmen. Das Ende fand ich sehr schön, weil er dann doch auf die Comic Con geht, neue Freunde gewinnt und alle mitgerissen hat als er über Gefühle geredet hat.
Lea, 12: Ich war vorher schon öfter beim Kinderfilmfestival und hab andere Kinderjurys gesehen, meine große Schwester wollte auch einmal in die Jury, ist aber nicht gezogen worden – es gibt so viele Bewerbungen, dass das Los entscheidet. Ich hatte mehr Glück. Ich mag es, auf Bühnen zu stehen und etwas zu präsentieren. Und ich liebe es natürlich, Filme anzuschauen. Mit meine Schwester und meiner Mama hab ich auch schon früher über Filme, die wir gemeinsam gesehen haben, geredet. Und ich mag es, andere Meinungen zu verstehen und auch wie es zur Vergabe von Preisen kommt.
„Honey“ fand ich einen emotionalen Film, ich konnte mich in diese Welt reinversetzen, in der gespielt wurde. Er war für mich sehr traurig, aber auch ernst und man kann vestehen, wie das alles passiert.
Noa, 12: Mit meiner Mutter hab ich schon vor einigen Jahren die Kinderjury gesehen, mich früher aber nicht angemeldet, weil ich da so viele Schularbeiten hatte. Heuer geht sich’s aus. Ich mag gern Filme schauen, wir machen das auch in der Schule oft – zu Genderthemen oder antirassistische Filme und reden dann darüber. Außerdem arbeite ich gern in Gruppe, mag diskutieren und steh auch gern auf der Bühne.
„Superkräfte im Kopf“ fand ich cool und der Titel ist gut ausgesucht. Er ist kindlicher als „Honey“, beide sind traurig aber gut.
Mathis, 12: Ich schau natürlich auch sehr gern Filme und ich mag es, darüber zu sprechen. Bevor ich in der Kinderjury war, hab ich über Filme weniger nachgedacht als jetzt, wo wir auch auf vieles achten, zum Beispiele wie so ein Film aufgebaut ist. Beim Eröffnungsfilm fand ich auch sehr gut, dass der junge Hauptdarsteller da war und ihm viele ihre Fragen stellen konnten.
Philemon, 11: Ich bin ein leidenschaftlicher Film-Schauer, diskutieren auch mit meiner Familie oft über Filme. Und ich arbeite gern in Gruppen wie hier. Beim Eröffnungsfilm finde ich, war einfach für jede und jeden was dabei.
KiJuKU wollte dann auch noch wissen, ob sich durch die Tätigkeit in der Jury etwas beim Betrachten von Filmen geändert hat.
Praktisch alle äußerten Gedanken wie
„Ich achte jetzt mehr auf Details wie die Musik oder was sich im Hintergrund abspielt.“
„Ich schaue viel konzentrierter und versteh dann auch Sachen, die ich vorher vielleicht gar nicht so genau beachtet habe.“
„Mehr Achtgeben auf Effekte.“
„Früher hab ich mich nur auf den Inhalt konzentriert, der Rest war mir wurscht, jetzt hab ich gelernt, dass ein guter Inhalt noch nicht genug für einen guten Film ist.“
„Ich hab vorher auf die Musik fast gar nicht beachtet.“
Mehrere der Kinderjury-Mitglieder gestehen, dass sie auch ihr Schauverhalten zu Hause verändert haben. „Früher hab ich oft nebenbei aufs Handy geschaut, ich hab ja auch so die Handlung mitgekriegt. Jetzt drück ich auf Pause oder spule sogar zurück, um mir eine Szene noch einmal genauer anzuschauen.“
„Mir ist jetzt immer wichtig, den ganzen Film aufmerksam zu sehen, wenn ich aufs Klo muss, drück ich auf Pause, ich mag nicht das Gefühl haben, irgendwelche Details zu verpassen.“
Zum 19. Mal wurden Samstagabend die Preise für herausragende Leistungen im Bereich darstellender Kunst für junges Publikum, oft verkürzt besser bekannt als Kinder- und Jugendtheater, verliehen. „Stella“ – so der Name des Preises, der von der ASSITEJ Austria, der österreich-Sektion der internationalen Vereinigung – werden jedes Jahr in einem anderen Bundesland überreicht – und immer in Form neuer Statuen von lokalen Künstler:innen gestaltet, mitunter auch von kreativen Kindern oder / und Jugendlichen in Projekten geschaffen. Heuer ist es die Künstlerin Hilde Böhm, die als freischaffende Bühnenbildnerin u.a. für mehrere Theatern des Bundeslandes Kostüme und Ausstattung gestaltet hat.
Dieses Mal war Salzburg der Austragungsort, namentlich das Schauspielhaus. Da Land und Stadt nur begrenzte Mittel zur Verfügung stellten, entfiel das Festival bei dem üblicherweise möglichst viele der von der – wechselnden – Jury nominierten Stücke gezeigt werden. Dafür gab es neben der Preisverleihung im Schauspielhaus im Rahmen von „Spot on“ von der Jury ausgewählte lokale, also Salzburger, Stücke für junges Publikum sowohl am Samstag als auch am Sonntag in mehreren Theatern der Stadt Salzburg: Salzburger Landestheater, Toihaus, Räumlichkeiten der Salzburger Festspiele, Theater der Mitte sowie Kleines Theater.haus der freien Szene.
Nun aber – endlich (!) zu den Entscheidungen der Jury – Cornelia Lehner, Daniela Oberrauch, Simon Schober und Teresa Stoiber -, die zunächst schon im Frühjahr 23 Nominierungen in fünf Kategorien von 22 unterschiedlichen österreichischen Theatergruppen, -häusern aus acht Bundesländern im Jahr 2024 bekanntgegeben hat (KiJuKU hat berichtet, unten verlinkt). Die Auswahl trafen die vier Juror:innen aus 116 Produktionen aus ganz Österreich, die sie begutachtet hatten.
Da es mittlerweile viele sehr gute Stücke, Performances für sehr junges Publikum gibt, hatte die Jury auch beschlossen einen Sonderpreis namens „Small Size“ zu vergeben…
Damit, so die Jurybegründung „gelingt ein herausragendes Beispiel für sinnlich-poetisches Theater für die Allerkleinsten. In einer reduzierten, zugleich hochkonzentrierten Bühnenwelt entfalten Bewegung, Klang, Farbe und Material eine feine Choreografie der Begegnung zwischen Performer:innen und Publikum.
Besonders beeindruckte die Jury, wie die Kinder – viele noch am Übergang vom Vierfüßlerstand zu den ersten Schritten – hellwach, neugierig und mit leuchtenden Augen in das Geschehen eintauchten. Sie werden nicht nur angesprochen, sondern aktiv eingeladen, mit allen Sinnen zu entdecken: die sanfte Haptik der Materialien, das Leuchten der Farben, die Resonanz von Klang und Bewegung. Spuren entfaltet Aufmerksamkeit und Beteiligung dort, wo Theater erst beginnt – im Staunen und im geteilten Moment des Wahrnehmens.
Mit großer Achtsamkeit und künstlerischer Präzision eröffnet die Inszenierung einen Erfahrungsraum, in dem kleinste Gesten, Farben und Klänge Bedeutung gewinnen. So wird Theater zu einem gemeinsamen Entdecken von Welt – und die Allerkleinsten zu gleichberechtigten Mitspieler:innen in einem poetischen Dialog aus Bewegung, Klang, Farbe und Nähe.“
In der nächsten Altersgruppe fiel die Entscheidung auf
„Manche machen’s oft, andere nur in besonderen Momenten – doch eines ist sicher: Alle tun es. Im Stück „Rotz und Wasser“ wird das Weinen selbst zum großen Forschungsthema!
Mit tränenreicher Fantasie, Live-Musik, persönlichen Erinnerungen, Besen-Choreos (!) und feinem Humor verwandelt das Ensemble die Bühne in ein quirliges Labor der Tränen. Hier wird geforscht, gefühlt, gelacht – und natürlich auch ein bisschen (mit-)geweint.
Das Publikum ist dabei nicht nur Zuschauer, sondern immer wieder aktiver Teil des Geschehens. Mit spielerischer Leichtigkeit und unbändiger Spielfreude gelingt es dabei alle Emotionen zu wecken: von leiser Rührung bei den Erwachsenen bis zu herzhaftem Kinderlachen, das den Raum erfüllt.
Die Jury honoriert diese herausragende Produktion, die künstlerisch-kreative Umsetzung sowie nicht zuletzt deren kindgerechte Auseinandersetzung mit diesem Thema auf der Bühne. Ein Stück, das bewegt, begeistert und im besten Sinne nachhallt – eine humorvolle, musikalische und warmherzige Erinnerung daran, dass Weinen keine Schwäche ist, sondern etwas Wunderschönes: ein Ausdruck echter Gefühle – bei Groß und Klein“, formulierte die Jury ihre Entscheidung.
… überzeugte die Jury „durch ihre eindringliche und zeitgenössische Auseinandersetzung mit Fragen von Identität, Angst und gesellschaftlicher Wahrnehmung. In präziser Sprache und mit kraftvollen Bildern zeigt das Ensemble, wie sich Vorurteile, mediale Erzählungen und der „Blick der anderen“, der Blick auf „das Fremde“ in das Selbstbild junger Menschen einschreiben.
Es wird ein atmosphärisch dichter Raum zwischen Realität und Einbildung geschaffen, in dem das Publikum unmittelbar in Amors – die zentrale Figur des Stücks – innere Zerrissenheit hineingezogen wird. Das Spiel der DarstellerInnen ist intensiv, authentisch und emotional zugänglich – es eröffnet Jugendlichen einen wichtigen Reflexionsraum über Rassismus, Fremdzuschreibung und Selbstbehauptung in einer von Angst und Kontrolle geprägten Gesellschaft.
Die Jury würdigt die Produktion als herausragendes Beispiel dafür, wie Theater für Jugendliche ästhetisch anspruchsvoll, empathisch und gesellschaftlich sowie politisch relevant gestaltet werden kann.“
„Die Leistung von Cordula Nossek ist ein Paradebeispiel für Virtuosität. Sie schlüpft nahtlos in die verschiedensten Rollen – von der verängstigten Schneiderin bis zur gefühlskalten Lagerleitung – und verleiht jeder Figur durch Dialekt und spezifische Charakterzüge eine unverwechselbare Identität. Diese Fähigkeit, ein ganzes Ensemble von Charakteren allein durch Stimme und die Führung von Objekten zu porträtieren, zeugt von außergewöhnlichem künstlerischem Können und intensivem Einfühlungsvermögen. Indem sie die Kostüme zu stummen Zeugen und zugleich zu Erzählern macht, schafft sie eine eindringliche Metapher für die Art und Weise, wie Kleidung Identität stiftet, aber auch zum Symbol von Leben und Tod werden kann. Aus diesen Gründen spricht die Jury der Künstlerin Cordula Nossek ihre höchste Anerkennung aus. Es ist ein mutiges, innovatives und zutiefst bewegendes Werk, das die Kraft des Figurentheaters auf unvergessliche Weise demonstriert“, befanden die Juror:innen.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hat das Stück bei einer der ersten Aufführungen gesehen – Stückbesprechung unten verlinkt.
Die Jury vergab diesen Preis „an eine Performance, in der Musik weit mehr ist als Begleitung – sie ist Sprache, Atmosphäre und Handlung zugleich. Musik und Text wurden nicht nur zusammengefügt, sie haben sich verständigt. Mit einer faszinierenden Kombination aus experimentellen Sounds, Wörtern und fein abgestimmter Stimmungsuntermalung entfalten sich Bilder und Stimmungen. Verschiedenste Instrumente, von klassischen bis zu experimentellen, verweben sich zu einem lebendigen Geflecht aus Rhythmus und Emotion. Die Sichtbarkeit der MusikerInnen und Instrumente baut sich langsam auf. Es wird gepfiffen, getanzt, kommentiert, probiert, und vieles mehr. Leise und zart, laut, aber nie zu viel. Stille ist Spannung. Vom klassischen Konzertsaal in den Club, vom Kino wieder zurück ins Theater. Es werden verschiedenste Stile präsentiert und sie fügen sich organisch in die Handlung ein, weil es passt: Das junge und weniger junge Publikum bleibt dran, weil auch der Staubsaugersound ideal passt. Und da war ja auch noch die Verhandlung mit einem gar nicht so leichten Thema… Zeit.“
„Welches Kind kennt es nicht? Eine große Schachtel – und schon beginnt die Fantasie zu blühen! Im Stück „Träum, Schachtel“ wird genau dieses Gefühl zum Leben erweckt: Aus Pappe, Fantasie und Bewegung entsteht ein interaktives Tanztheater, das zeigt, wie die eigene Vorstellungskraft, Nachhaltigkeit und Ästhetik auf wundervolle Weise Hand in Hand gehen können.
Und so wird aus Schachteln ein Requisit, eine lebendige Bühne, die nicht nur Kulisse, sondern auch aktiver Mitspieler ist. Die Jury würdigt das feine Gespür, die verspielte Energie und Kreativität mit der sich einfach(st)es Material verwandelt in eine poetische Traumlandschaft. Ein stimmungsvoller Raum, in welchem die Übergänge zwischen Publikum und Bühne eindrucksvoll verschwimmen und der Kinder und Erwachsene gleichermaßen einlädt mitzudenken, mitzuträumen und mitzumachen.“
Der Vorstand der österreichischen ASSITEJ (Association internationale du théâtre pour l’enfance et la jeunesse / Internationaler Verband für Theater für Kinder und Jugendliche) vergibt jedes Jahr auch einen Preis – meist an Einzelpersonen, die sich um die darstellende Kunst für junges Publikum verdient machen oder dies getan haben (übrigens der Schreiber dieser Zeilen, Betreiber von KiJuKU, damals noch für den Kinder-KURIER, hat diesen Preis 2016 bekommen). In den Coronajahren 2020 /21 wurde er nur einmal, und das zum ersten Mal an eine Gruppe vergeben – an das Planetenpartyprinzip, heuer ging er an die Neue Staatsoper Wien – NEST.
In der Begründung heißt es: „Diese Entscheidung des Vorstands würdigt nicht nur das beeindruckende Programm vom NEST, sondern setzt ein klares kulturpolitisches Zeichen: Es braucht Orte wie diesen – mit eigener Bühne, mit technischer Exzellenz, mit einem leidenschaftlichen Team, innovativen Formaten – um Theater für junges Publikum nachhaltig zu stärken. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Teilhabe und kulturelle Bildung neu gedacht werden und es ein neues Bewusstsein für den künstlerischen Bildungs-Auftrag aller Kulturinstitutionen braucht, ist es von großem Wert, dass ein Haus wie die Staatsoper Wien dem jungen Publikum mit so viel Aufmerksamkeit, Kreativität und Ernsthaftigkeit begegnet und so als Vorbild zukunftsorientiert handelt. Mit interaktiven, immersiven Formaten, starken Outreach-Projekten, großartigen künstlerischen Vorhaben, tollen Inszenierungen, außergewöhnlichen Projekten und einem vielfältigen Ensemble aus Profis, Semi-Profis, Laien mit einer herausragenden Nachwuchsförderung vieler junger Künstler*innen zeigt das NEST, wie Musiktheater für die nächste Generation aussehen kann – mutig, inklusiv und voller vielfältiger künstlerischer Kraft.“
Zum zweiten Mal wurden 2025 die Kinder- und Jugendbuchpreise der Stadt Wien, die es seit 1955 gibt, im Rahmen der Buch Wien verliehen, also mitten in einem Lesefest! Die Gewinner:innen standen – natürlich – schon seit einiger Zeit fest, zur Verleihung sollen Preisträger:innen ja kommen können 😉
Passend dazu, dass viele – nicht nur die ausgezeichneten – Bücher zu Gedankenreisen einladen, spielte das Gedankenreiseorchester (Victoria Pfeil / Sopransaxofon, Paul Wregg / Geige, Gidi Kalchhauser / E-Bass, Tzumin Lee / Keyboard) mehrmals auf einer der Bühnen (Radio wien) auf. Vor und zwischen der Übergabe von Urkunden und Blumen (Preisgeld: Je 5000 €) an die sieben Schreiber:innen und Zeichner:innen der vier von der Jury (Klaus Nowak, Kathrin Wexberg, Verenea Weigl) ausgewählten Bücher konnte, wer wollte, sich in unterschiedlichen musikalischen Stimmungen auf die „Reise“ begeben.
Zum fast unzähligen Mal – und trotzdem jedes Mal hocherfreut – nahmen Helga Bansch und Heinz Janisch diesen – so wie andere Kinder- und Jugendbuchpreise entgegen. Dieses Mal für „Und dann?“ (Verlag Jungbrunnen); KiJuKU-Buchbesprechung am Ende des Beitrages verlinkt, dennoch hier kurz zusammengefasst: Zwei Kinder beim Fischen, das Mädchen schon mit einigermaßen vollem Kübel voller Fische, der Bub mit einem leeren Eimer. Er wird wütend, trinkt das Meer leer und vieles andere. Sie fragte jedes Mal danach „Und dann?“ Wie arg er sich aufführt, sie bleibt. Bis er checkt, wurscht ob voller Kübel oder nicht, da ist wer, die ihn trotzdem mag…
Die Jury meinte in ihrer Begründung für die Preis-Zuerkennung: „Das kindliche Ich, das in diesem Bilderbuch spricht, durchlebt einen veritablen Wutanfall. Und Heinz Janisch gelingt es mit überaus poetischen und doch ganz einfachen Sätzen eindringlich vom emotionalen Ringen des kleinen Zornbinkels zu erzählen. So knapp der rhythmische und mit Wiederholungen arbeitende Text ist, mit Übertreibungen spart er nicht. Da wird das Meer leergetrunken und werden Bäume ausgerissen. Die dann in den Bildern von Helga Bansch allerdings Sonnenschirme sind, weil sie das Geschehen geschickt in einer reizvollen Strandszenerie samt Sandschaufel-Baby-Nashorn verortet. Insgesamt ein Bilderbuch, in dem Text und Bild souverän miteinander agieren und gemeinsam in einem geschickt inszeniertem Masken-Spiel schon kleinere Kinder überzeugend den Umgang mit Wut und Ärger durchleben lassen, um am Ende eine beruhigte und versöhnliche Hinwendung an ein durchgängig präsentes Du zu finden.“
Helga Bansch meinte auf der Bühne: „Das Tolle an Heinz‘ Text ist, dass er sehr knapp ist und viel offen und er mir viel Freiheit für die Gestaltung gibt, da kann ich mir selber viel ausmalen!“
Obwohl erst viel kürzer im „Geschäft“ – keine zehn Jahre – hat auch Lena Raubaum schon etliche Preise abgeräumt. Die Vielschreiberin – wie Heinz Janisch immer wieder auch lyrisch unterwegs – hat, gemeinsam mit Katja Seifert. Das Duo hatte schon den Gedichtband „mit Worten will ich dich umarmen“ vor vier Jahren veröffentlicht, im Vorjahr folgte „Ich hab da was für dich – Wortgeschenke und Gedankenstupser“ (Tyrolia Verlag). Der Moderator Till Koeppel (Ö1) zitierte seinen Lieblingssatz daraus: „Ich hoffe / dass niemand / jemals vergisst / dass FRIEDEN / ein Tunwort ist“ – übrigens auch zitiert in der Buchbesprechung auf Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, auch unten verlinkt.
Ein nicht gerade einfaches Thema hat sich Margarita Kinstner für ihren Jugendroman ausgesucht. In „Theo, Tim, Kurkuma und ich“ (auch Tyrolia Verlag; übrigens hier – noch – nicht besprochen) geht es um den verstorbenen Stiefvater der Ich-Erzählerin Amelie. Ein Satz daraus: „Voriges Jahr gab es in Deutschland 2830 Verkehrsunfälle mit Todesfolge. 220 davon starben im April. Einer davon warst du.“
Die Jury meinte: „Amelies innerer Dialog mit ihrem verstorbenen Stiefvater in Form einer Du-Ansprache ist ein künstlerisch sehr gelungenes Herantasten an Trauerprozesse. Daneben stehen das Ausweiten des zu eng gewordenen Familienraums und Knüpfen neuer (im Titel angekündigter) Beziehungen im Zentrum des Jugendromans.“
„Das Du war von Anfang an da“, sagte die Autorin im Bühnengespräch. Als Gegengewicht zum schweren Thema fungieren die dezenten Illustrationen von Michaela Weiss. „… in unterschiedlichen Techniken fangen Stimmungen der Figuren und Situationen ein und betonen auch auf Bildebene die Relevanz der Reflexion künstlerischen Schaffens in Margarita Kastners Text. So spielen neben Sprachkunst auch Fotografie und Malerei auf beiden Ebenen eine zentrale Rolle“, begründete die Jury ihre Preis-Entscheidung.
„Ich habe vor allem Objekte aus dem Text hergenommen und dazu illustriert“, so Michaela Weiss auf der Bühne bei der Buch Wien.
Auch wenn – wie beschrieben – ausgezeichnete Bücher immer wieder auch illustriert sind und aus dem Zusammenspiel von Text und Bild leben und genau deswegen prämiert werden, vergibt die Stadt Wien einen eigenen Illustrationspreis für Kinder- und Jugendbücher, erst seit 1986, die anderen seit 1955. Dieser ging 2025 an Julian Tapprich für „Tigerträume“ (Luftschacht Verlag).
„Während die (Stuben-)Tiger für die fliegenden Tiere eher als eine der größten Gefahren gelten, träumte Leo davon, ausgerechnet mit Katzen befreundet zu sein. Doch auch für jene Katze, der Leo im Wachzustand seinen Wunsch verklickerte, galt das als „Unverschämtheit… eine ordentliche Katze will doch einen Vogel nicht zum Freund haben. Sondern zum Frühstück!“, schreibt Julian Tapprich in dem auch von ihm illustrierten Bilderbuch „Tigerträume“. Und schon stürzte sie sich auf den Frechdachs“, heißt es in der Buchbesprechung darüber auf KiJuKU.at – unten verlinkt.
Die Jury fand unter anderem: „In weicher, ungewöhnlicher Formensprache und in abwechslungsreichen Einstellungen, die oft an Film-Ästhetik erinnern, ist diese Heldenreise inszeniert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Farbe Gelb, die nicht nur bei der Figurenzeichnung prägend zum Einsatz kommt, sondern auch die Träume und Sehnsüchte der Protagonisten betont. Markant auch die farblichen Stimmungswechsel in den großflächig illustrierten Szenerien – vom blau-zartrosa Setting in Leos ursprünglichen Zuhause bis zum dunkel-düsteren Dickicht des Dschungels. Ein überzeugendes Bilderbuchdebüt mit kluger Dramaturgie und auch Humor in Text und Bild, das dazu anregt, die Welt selbstbewusst und zuversichtlich zu erkunden.“
Übergeben wurden die Preise übrigens von Heide Kunzelmann, Referatsleiterin für Literatur und Öffentlichkeitsarbeit anstelle der angekündigten Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, die eine nicht geplante dringende Sitzung im Rathaus hatte. Kunzelmann hatte dafür extre in ihrem verwandten Kinder- und Jugendumfeld nach deren Meinungen zum Lesen gefragt und einige Antworten verraten; unter anderem, „dass es immer ein gutes Ende gibt“, „neue Sichtweisen von Figuren, mit denen man sich identifizieren kann“, „Bücher vergrößeren den Wortschatz und das bringt in der Schule bessere Noten“.
geschichtewiki.wien –> Kinder-_und_Jugendbuchpreise_der_Stadt_Wien, allerdings nur bis 2024
Ein mit weißen Klebebändern klar abgegrenztes eher kleines rechteckiges „Spielfeld“ auf der großen Bühne, ein kleiner Tisch mit einem Glas und einer Schüssel nahe einer der hinteren Ecken, außerhalb zwei kleine Vierecke links und rechts neben dem größeren. Niemand da, Musik tönt aus einem Radio. Schön langsam beginnt das Publikum unruhig zu werden. Da klopft es an der Tür. Wird zunächst ignoriert, dann öffnet doch eine Theatermitarbeiterin.
Der Performer, ein wenig schüchtern und verkrampft wirkend, geht auf das Spielfeld zu, erst ins kleine Viereck – wie in einen Vorraum – bevor er das Wohnzimmer betritt. Erste Aktion: Etienne Manceau – so der Name des Performers der Gruppe Sacékripa aus Frankreich rückt das Glas ein ganz kleines bisschen zur Seite. Dann verlässt er das „Zimmer“ über das zweite kleine Vierecke, auf dem er die Schuhe abputzt.
Erster Eindruck: ein ungeheurer Zwangler.
Und das verfestigt der wortlose Akteur der „Vu“ (gesehen) auch konzipiert hat. Aber was er daraus macht! Präzise kleine Kettenreaktionen. Das Glas musste er verschieben, damit ein Stück Würfelzucker, das er auf einen herbeigeholten Wasserkocherdeckelt legt, sobald der sich ein wenig hebt, mit Schwung genau ins Glas hüpft. Ein Löffelchen, das er später auf das Glas quer drüber legt, fällt nur durch kräftiges auf den Tisch hauen rein.
Diese, ähnliche sowie ganz andere Kunststücke vollführt der Künstler seit rund 13 Jahren weltweit. Nun gastiert di Gruppe erstmals in Wien, im Rahmen des On The Edge-Festivals für experimentelle Zirkuskunst. Beim nunmehrigen sechsten Festival brachten die Organisator:innen erstmals auch ein Stück für Kinder nach Wien, das noch am Samstag, 15. November – siehe Info-Box – im Dschungel Wien zu erleben ist.
Etienne Manceau (dramaturgische Beratung: Sylvain Cousin; Bühnendesign: Guillaume Roudot; Produktion: Manon Durieux) agiert praktisch immer auf engstem Raum, meist nur auf dem kleinen Tisch, hinter dem er auf einer Art Zwergerl-Klappsessel sitzt, den er natürlich auch erst fast umständlich kunstfertig aufklappt.
Würfelzucker zersägen, ein Streichholz über Blasrohr entzünden – was auch immer, alles erledigt der Performer auf komplizierteste und extrem staunenswerte Art, das meist noch dazu in Slow Motion oder gar Superzeitlupe. Rund eine Stunde – doch um einige Minuten zu lang, Kinder beginne bei der Premiere unruhig zu werden – dauert der Miniatur-Zirkusauftritt, immer wieder auch überraschend. Viel darf nicht hergezeigt werden, die wenigen Fotos sind die einzigen, die veröffentlicht werden dürfen, wenngleich auf der Homepage der Gruppe selber doch ein bisschen mehr zu sehen ist.
Schreien dürfen, ja sogar erwünscht – das ist beim Eröffnungsfest des Wiener Ferienspiels seit viiiilen Jahren beim Eröffnungsfest des Wiener Ferienspiels ein Hit. Als Wutbox – mit der Zusatz-Chance, auch aufzuschreiben, was du dir an utopischer Veränderung wünscht – gibt es sie bei der Buch Wien auch schon ein paar Jahre. Heuer nach dem großen Buch-Shop zu Beginn der neuen Kinder- und Jugendhalle. Wenngleich der Durchgang dazu ein wenig verwirrend ist, weil auf den Glastüren nur auf den Ausgang / Exit hingewiesen wird.
Wie auch immer, die meisten jungen Buch-Fans und solche, die es vielleicht noch werden, haben am ersten Tag dann doch den Weg ins Gewusel zwischen der eingangs genannten Wutbox, Bücherständen mit Plüschtieren, einer Karton-Wand mit Waben als gemütlichen Rückzugsorten und der Bühne gefunden.
Auf letzterer lasen Autorinnen und Autoren im Halbstundentackt das eine oder andere ihrer Bücher lebendig werden. Die einen durch fast performative Lesungen, andere gar mit Figuren in Szene gesetzt. Stefan Karch etwa räumt zunächst den Boden hinter einem Tisch mit schwarzem Filz voll mit großen Stoffpuppen. Davor sagt er Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…: „Du hast geschrieben, dass mein Buch „nach einer Theaterversion schreit“ und jetzt ist es so weit!“
Finja, ihr Vater der König, ein Diener, ein Berater, ein Hauptmann und der Riese werden vom Autor und Illustrator des Buches „Finja und der Riese“ je nach Kapitel in szenischem Spiel vom Boden aufgeklaubt und spielen ihre Dialoge von Stefan Karch gesprochen und als Handpuppen geführt. Natürlich verrät er nicht, wie die Geschichte ausgeht, das erfolgte auch in dieser Buchbesprechung – unten am Ende verlinkt – nicht.
Übrigens: Noch bevor der Autor der wilden Geschichte, die er im Gegensatz dazu mit eher fein gezeichneten Figuren und Szenen illustrierte, der auch Puppenspieler ist, mit den dafür genähten Stofftyp:innen die Story spielt, lud er vier Kinder auf die Bühne. In null komma nix vermittelte er ihnen, wie sie mit einer aus Papier und Klebebändern gebastelten Puppe gemeinsam eine Szene spielen konnten, ja die Puppe sogar zur „Seiltänzerin“ auf einem Papierstreifen wandeln ließen.
Morgen ist ein Superwort, weil morgen ist immer. Morgen kann aber auch dazu verleiten, heute nix zu tun. Dieses Dilemma spielt in „Wer fängt an?“ von Lena Raubaum eine große Rolle. Die Autorin vielfältigster Geschichten hat diesen genannten Beitrag für den Sammelband „Lesen, checken, Klima retten!“ des Buchklubs verfasst, das vor rund einem Jahr vorgestellt wurde. Und gerade jetzt aktuell zur Weltklimakonferenz im brasilianischen Belem sehr gut passt. Bei der Versammlung der Tiere im „Ewigen Wald“ handelt der Buchfink statt zu schnattern, pfeifen oder „reden“. Und …
Wenn Raubaum liest, dann wird die Szene allein durch ihre Stimmvariationen, Mimik und Gestik lebendig – und schon reicht sie das Wort an die Kinder weiter, die ihre Ideen zur Klimarettung zum Besten geben – weniger mit dem Auto, mehr mit dm Rad fahren, Müll nicht achtlos wegwerfen, sondern trennen, nicht zu viel Wasser verbrauchen, mehr umweltfreundlicher Strom …
Übrigens, wenige Schritte hinter der Wutbox kannst du, so du klein bist – oder dich niederkniest bzw. hockerlst – sehr stark fühlen. Am Beginn einer kleinen Astrid-Lindgren-Ausstellung ist an Stelle von Pippi Langstrumpfs Kopf ein Fotowand-Loch; statt der selbstbewussten Heldin vieler Kindergenerationen kannst du ihr Pferd „Kleiner Onkel“ sozusagen hochstemmen – siehe Foto.
Am Samstag, 15. November 2025, wird auf der Bühne in der neuen Kinder- und Jugendbuchhalle 80 Jahre Pippi Langstrumpf und genauso viele Jahre Mumins gefeiert – siehe Infobox am Ende.
„Nein, das werde ich nie schaffen!“, dachte sich Kimberley. Sie stand vor der Reiterinnen-Prüfung. Ähnlich ist es Laura im Klettergarten, Julian vor der Rampe auf dem Fahrradparcours, Nina beim Tanzen, Lena vor dem Auftritt mit ihrem Cello oder Lukas vor der Lesenacht und Jonas vor dem Schulwechsel ergangen. Und nicht nur ihnen, auch 14 anderen Kindern. Und vielleicht auch dir und dir. Und mir sowieso.
Natürlich bleibt es in diesen Geschichten, die dieses Buch versammelt nicht so. Eh kloar, heißt es doch „Mehrwert-Geschichten für Kinder“, Untertitel Von Kindern für Kinder. Und der menschliche Löwe auf der Titelseite hält beschriebene Blätter in Händen, auf dem äußersten steht in Handschrift „Ich schaffe das“.
In jeder der Storys in diesem Buch hat es dann doch mindestens einen Menschen gegeben mit den – offenbar echt gemeinten und nicht nur floskelhaft hingeworfenen – Worten wie „du schaffst das sehr wohl“. Oder auf andere Art und Weise das Selbstbewusstsein des erzählenden Kindes (Jugendlichen) so gestärkt hat, dass das Vorhaben gelungen ist.
Norbert Hochenauer, zwei Jahrzehnte lang Banker, davon die Hälfte als Börsenhändler, hat diesen Job irgendwann aufgegeben und die „Glückswerkstatt“ gegründet. Aus dieser Arbeit heraus hat er Bücher entwickelt und veröffentlicht, das hier beschriebene entstand in Zusammenarbeit mit einigen Mittelschulen in Niederösterreich und Wien (hier auch ein Gymnasium mit dabei).
Die Mut machenden Geschichten aus dem Leben von Kindern und / oder Jugendlichen wurden von Silvie Caron mit dem oben schon erwähnten Löwen in Menschengestalt oder Menschen in Löwengestalt, genannt Sino, illustriert und von Robert Bargehr gestaltet.
Die Kinder und / oder Jugendlichen schildern ihre Erlebnisse von der fast Verzweiflung bis zum Gelingen kur, leicht lesbar und gut nachvollziehbar. Sie sprechen für sich. Darauf hätte sich der Initiator, Organisator und Herausgeber gut und gern sparen können, (fast) jeden Beitrag noch mit ein paar Sätzen zu kommentieren, noch dazu optisch hervorgehoben.
Passend zum Buch erscheint am Tag der Kinderrechte 2025 (Jahrestag des UNO-Beschlusses der Kinderrechtskonvention, 1989) ein Song „Ich schaffe das!“ – mehr dazu in einem eigenen Beitrag – unten am Ende hier verlinkt.
„Ich schaffe das, ich schaffe das, ich bin doch ziemlich stark, wenn ich an mich glauben mag… ich brauch nur ein wenig Mut…“ So heißt es in dem Refrain eines Liedes, das der Herausgeber des hier besprochenen Buches (Link zur Buchbesprechung am Ende des Beitrages) passend dazu – in Zusammenarbeit mit der Musikerin und Pädagogin Judith Feichtinger (Komposition und Gesang) – aufgenommen hat. Neben der Musikerin singen auch Kinder von Freund:innen des Tonstudiobesitzers, die aber namentlich nicht genannt werden sollen.
Am Tag der Kinderrechte – 20. November (Jahrestag des UNO-Beschlusses über die Kinderrechtskonvention 1989) – wird „ich schaffe das!“ auf allen gängigen Streaming-Plattformen veröffentlicht.
Wiener Sängerknaben und Chormädchen werden am Tag der Kinderrechte – 20. November (Jahrestag des UNO-Beschlusses der Kinderrechtskonvention, 1989) im großen Festsaal des Rathauses gemeinsam zu Klängen des Pianisten Albert Frantz, dirigiert von Stefan Willich singen (Details – siehe info-Box am Ende des Beitrages).
Das Benefiz-Konzert sowie reden zu juristischen und medizinischen Themen rund um Kinderrechte – findet zugunsten von vier Organisationen statt, die sich für Kinderrechte engagieren: Unicef Österreich, Österreichsicher Kinderschutzbund, World Childhood Foundation und TvA International Foundation.
„Musik kann Brücken bauen, zwischen Kulturen, Generationen und Herzen. Mit diesem Konzert möchten wir Bewusstsein schaffen und gleichzeitig Hoffnung schenken“, sagt Christoph Jünger, Geschäftsführer von UNICEF Österreich. „Jedes Kind hat das Recht, in Sicherheit und Würde aufzuwachsen. Gewalt darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben, weder hier noch anderswo.“
Das Programm spannt einen Bogen von Franz Liszt über Robert Schumann bis hin zu George Gershwin – und nicht zuletzt im Jubiläumsjahr (200 Jahrestag seiner Geburt) Johann Strauß (Sohn).
Weltweit erleben mehr als eine Milliarde Kinder Gewalt, physisch, psychisch oder sexuell. UNICEF Österreich appelliert daher an Politik, Gesellschaft und jede Einzelne / jeden Einzelnen hinzusehen und aktiv zu werden. „Kinderschutz sollte für uns alle oberste Priorität haben, egal ob in Österreich oder in einem der 190 Länder und Territorien, in denen UNICEF aktiv ist“, lädt die Organisation zum Benefizkonzert ein, um neben dem musikalischen Genuss auch ihre und die Arbeit der anderen drei genannten in diesem Bereich aktiven Organisationen mit dem Ticket zu unterstützen.
Drei weiße, gepolsterte Sitzwürfel, dahinter ziemlich viel weißer Stoff auf dem Boden –klinisch sauber die Bühne. Passend. „Klinik“ heißt das neue, zweite Stück der kabarettistischen Schauspielerin, Autorin und Kunsttherapeutin Melike Yağız-Baxant. Wie in ihrem ersten Solo-Programm „Glückskind“, das übrigens im Vorjahr beim United Solo Theatre Festival in New York mit dem Preis für Best Physical Theatre ausgezeichnet wurde, verarbeitet sie persönliche Erfahrungen zu einem abwechslungsreichen, körperlich bewegtem, geistig und gefühlsmäßig bewegenden Abend, gewürzt und durchzogen von so mancher Portionen (Galgen-)Humor. Mit ihrem dem Stück zugrundeliegenden Texte hatte sie einen der Exil-Literaturpreise gewonnen.
War es im ersten Programm die Lebenserfahrung als (angehende) Theaterfrau, so kreist dieses Mal alles um ihre zweite Ausbildung als Kunsttherapeutin. Aus dem Praktikum in einem Krankenhaus schält sie Episoden, die offenbar keine Einzelfälle sein dürften, wie so manche offenkundig wissenden Lacher im Publikum stark vermuten lassen.
Dutzendfach stellt sie, sich direkt mit Augenkontakt an die eine oder andere im Publikum wendend, die Frage „Wie geht’s denn heute?“ Und vermittelt klar: Antwort nicht erwünscht. Um gleich danach in die Rolle von Patient:innen zu schlüpfen, die eher nichtssagende, erwünschte Antworten geben. Äußert die eine oder der andere tatsächlich ernsthafte Befindlichkeitszustände – ernst nehmen ist nicht gerade die erste Reaktion.
Melike Yağız-Baxants Türkisch-Kenntnisse aus ihrer ersten Heimat werden bei einem Patienten in Anspruch genommen, ihre Erkenntnisse, die sich aus dem Gespräch ergeben, dass dieser dement ist, allerdings nicht. Sie als Kunsttherapeutin habe keine Diagnose zu stellen. Ärztliche Fachkraft, die das dürfe, mit der entsprechenden Sprachkompetenz: Fehlanzeige. Und das ist nur eine der Szenen, in denen Yağız-Baxant latenten bis offenen Rassismus – auch in einer solchen Institution – anspielt, wobei sie auch da immer wieder zwischen Rollen von Patient:innen und ärztlichem bzw. therapeutischem Personal hin- und her-switcht.
Breiten Raum widmet die Performerin rund um Gesprächsgruppen – „mir geht’s gut, habe gut geschlafen…“; „schließe mich dem an, mir geht’s auch gut, auch gut geschlafen…“ Tendenz, erwünschte, normierten Antworten, nur ja nicht auf- oder aus dem Rahmen fallen. Herzhafte Lacher so mancher Zuschauer:innen lassen auf nicht gerade unähnliche Erfahrungen schließen.
Dabei sind die überhöht und zugespitzt situationskomisch dargestellten Situationen nicht selten eher zum Heulen, aber so vielleicht verkraftbarer. Und dennoch auch mit einer gehörigen Schicht Frust überzogen. Mental Health wurde – „dank“ des Ausnahmezustands in der Pandemie zum doch fast allgegenwärtigen Thema – mit Forderungen nach besserer Versorgung in Sachen psychische Krankheiten bzw. Gesundheit. Wenn’s dann aber institutionell damit auch nicht zum Besten bestell ist, na dann, hawidere…
Vieles von Gesagtem und Gespieltem dürfte nämlich nicht weit entfernt sein von tatsächlichen Dialogen, Monologen und Verhalten, die eine oder andere überdrehte fiktive Szene – wie aufgedrängte Hilfe gegen den Willen der Betreffenden mit fast slapstickartigen Missgeschicken – gruppiert sich dennoch um so manchen wahren Kern.
Und dennoch ist das viele Ver-Rückte meist deutlich harmloser als das sogenannte Normale in der Welt außerhalb der Klinik – auch das schwingt in der einstündigen Performance unausgesprochen zwischen den Zeilen und Szenen mit.
„Nicht mit mir! Ich will nicht! Ich kann nicht! Ich muss nicht! Ich sage Nein!“ Sätze, mit denen Melike Yağız-Baxant bald nach Beginn und zwischendurch mehrmals fast mantramäßig den Bühnen- und Publikumsraum erfüllt. Die Grenzen zwischen beiden überwindet sie mehrmals auch körperlich, spielerisch sowieso. Doch praktisch jedes Mal fügt sie den starken Statements verschämt „sag ich beim nächsten Mal“ in dieser und ähnlicher Version hinterher.
Neben dem Vielem, das die Schauspielerin auf und vor der Bühne bzw. zwischen den Publikumsreihen sagt, greift sie neben performativen Moves auch auf Grundelemente von Kunsttherapie zu – und blendet animiert, sozusagen Strich für Strich Zeichnungen ein, oder lässt sich in musikalischen Parts in den Rhythmus dieser fallen – und scheint da, in sich zu ruhen. „Malen hilft!“, „Musik hilft!“, sagt sie an einer Stelle und bringt damit wesentliche Elemente von Kunsttherapie auf den Punkt. Neben dem Vielem, das die Schauspielerin auf und vor der Bühne bzw. zwischen den Publikumsreihen sagt, greift sie neben performativen Moves auch auf Grundelemente von Kunsttherapie zu – und blendet animiert, sozusagen Strich für Strich Zeichnungen ein, oder lässt sich in musikalischen Parts in den Rhythmus dieser fallen – und scheint da, in sich zu ruhen. „Malen hilft!“, „Musik hilft!“, sagt sie an einer Stelle und bringt damit wesentliche Elemente von Kunsttherapie auf den Punkt. Und mehrfach führt sie an, wie Humor wirkt, nicht zuletzt durch Freisetzung von Oxytocin und Endorphinen. Außerdem wäre Hoffnungslosigkeit überhaupt eine Sünde…
Erkenntnisse, die die Künstlerin und Kunsttherapeutin auch schon praktisch umgesetzt hat in den Workshops mit Schüler:innen, die als Fortführung ihres Textes und späteren Stücks „Glückskind“ zum Mut machenden Film „Glückskinder“ geführt haben, der kürzlich erstmals gezeigt wurde – in Anwesenheit vieler der dabei selbstbewusster gewordenen Jugendlichen – KiJuKU berichtete – Links, auch zur Stückkritik und zur Literaturpreisverleihung unten.
Von der Decke hängend schweben viele gefaltete Papierkraniche als Symbole für Frieden in einem der Gänge der „Friedensburg“ wie Schlaining im burgenländischen Tauchental seit mehr als 40 Jahren heißt. Seit kurzem führt er auch zu einer neuen kleinen und doch so großen Ausstellung, im „Sadako“-Raum, wie ihn alle hier nennen. Dort findet sich in einer Vitrine ein ganz besonderer Origami-Kranich, gefaltet von Sadako Sasaki vor mehr als 70 Jahren, winzigst klein – ungefähr so wie der Fingernagel eines Kindes.
Sadako Sasaki war 1945 zwei Jahre jung als US-Militärs die allererste Atombombe abwarfen – auf die japanische Stadt Hiroshima (6. August) und drei Tage später die zweite auf Nagasaki. In Hiroshima starben sofort rund 70.000 Menschen, mindestens gleich viele starben in den folgenden Jahr(zehnt)en an Folgekrankheiten, die durch die atomare Verseuchung ausgelöst worden sind. Darunter auch Sadako Sasaki am 29. Oktober 1955.
Ihre Geschichte jedoch wurde weltberühmt. Sie hat als sie mit rund 12 Jahren ins Krankenhaus musste, Kranich um Kranich gefaltet, aus Papiermangel aus den kleinsten verfügbaren Stückerln auch aus Medikamentenbeschreibungen usw. Einer japanischen Legende zufolge führen 1000 gefaltete Kraniche (Senbazuru) zur Erfüllung eines Wunsches von Göttern und stehen daher als Symbol für Glück und ein langes Leben. Japanische Medien berichteten darüber, Kinder aus dem ganzen Land schickten Kraniche ins Krankenhaus… Und sammelten nach ihrem Tod Geld für ein Denkmal im Friedenspark von Hiroshima.
Viele Bücher, Filme, Comics und mehr sind über Sadakos Leben und die Kraniche entstanden. Unter anderem schrieb der österreichische Autor Karl Bruckner das Buch „Sadako will leben“ (1961erstmals erschienen), das in 70 Sprachen er Welt übersetzt und mehr als zwei Millionen Mal verkauft wurde – Details siehe Buchinfos.
Allerdings hat er die Story – wie die meisten anderen – nur aufgrund der Zeitungsmeldungen und sehr frei erfunden verfasst. Vor 21 Jahren – im Mai 2004 – traf das österreichische Theaterduo „Amal“ in Japan Masahiro Sasaki, den Bruder Sadakos, der glücklicherweise überlebt hatte. Nach anfänglichem Zögern – er war nicht gut auf Österreich zu sprechen, da seine Kontaktaufnahme mit Autor und Verlag seinerzeit auf Ignoranz gestoßen war – begann er Ingrid und Christian Mitterecker die wahre, authentische Geschichte zu erzählen, wie sie zuvor nur in einer Ausstellung im Friedensmuseum dieser leidgeprüften Stadt zu sehen war, die sich auf die Informationen des Vaters Shigeo Sasaki stützte.
Ingrid und Christian Mitterecker machten aus den wahrheitsgemäßen Erzählungen das Buch „Sadakos Plan“ – samt Kranich-Faltanleitung und einem kurzen japanische-deutschen Wörterbüchlein, das zunächst vom Buchklub der Jugend, später im Eigenverlag und nun heuer in einer neuen Auflage vom Buchklub veröffentlicht wurde – nun mit einer japanischen Widmung Masahiro Saskis an die Autor:innen – Details siehe Buchinfos.
Übrigens: Der Buchklub bietet den ersten 50 Schulen, die bis zum Tag der Kinderrechte am 20. November 2025, einen oder mehrere Klassensätze des in der Reihe „Gorilla“ erschienenen Buches „Sadakos Plan“ bestellen, von den Autor:innen ein Exemplar des Gedichtbandes „Meine kleine Schwester Sadako“ von Masahiro Sasaki für die Schule geschenkt – siehe nächster Absatz.Ka
Der Bruder, der zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfs vier Jahre jung war, hatte außerdem (poetische) Gedanken an Sadako gesammelt und eigene verfasst, als Manuskript übergab er „Meine kleine Schwester Sadako“ diese an Ingrid und Christian Mitterecker. Diese ließen die japanischen Gedichte übersetzen – das Buch ist zweisprachig (übersetzt von Mio Aizawa) erschienen, heuer wieder neu aufgelegt im Verlag Bibliothek der Provinz – Details siehe Buchinfos.
Rund ein halbes Jahr nachdem die Mittereckers Masahiro und seine Familie in Hiroshima getroffen hatten, waren er, seine Ehefrau Yaeko und Yuji, einer ihrer Söhne, ein Rockmusiker und Übersetzerin Mio Aizawa in Österreich zu Besuch. Dabei hatte Masahiro die Idee, die letzten fünf erhalten gebliebenen, von Sadako gefalteten, Originalkraniche als Friedenssymbole auf die fünf Kontinente aufzuteilen. Für Europa wählte er Ingrid und Christian Mitterecker zu den Botschafter:innen dafür und auch dafür, einen geeigneten Ort zu finden. Welcher wäre geeigneter als die „Friedensburg“, vor rund einem ¾ Jahrtausend als Wehranlage mit meterdicken Mauern und massiven Türmen gebaut. Anfang der 1980er Jahre im sogenannten Kalten Krieg zwischen Ost und West wurde sie zum Friedenszentrum umgestaltet. Das „Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) fand hier seine Heimat, widmet es sich doch der internationalen Forschung und Vernetzung zu diesem Thema. 1987 wurde dieser Einrichtung vom damaligen UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar der Titel „Botschafter des Friedens“ verliehen.
2009 kamen die Sasakis wieder nach Österreich, brachten den kleinen und doch so riesig bedeutenden Papierkranich, ein Exemplar des Gedichtbandes sowie eine CD unter anderem mit vertonten Songs einiger dieser Gedichte, gespielt von Yuji und seiner Band, mit. In einer Vitrine in der Friedensbibliothek in der ehemaligen Synagoge fanden diese ein gemeinsames neues Zuhause. Und Masahiro machte Ingrid und Christian Mitterecker zu den europäischen Botschafter:innen der von ihm gegründeten Friedensinitiative im Namen seiner „kleinen Schwester Sadako“.
Nun sind Bücher, CD und dieser bewegende Mini-Kranich mit so riesiger Bedeutung in einem eigenen Raum in mehreren Vitrinen mit erklärenden Texten zu bestaunen. Übrigens war Kinder-KURIER, Vorläufer von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… damals dabei – der damalige Beitrag ist am Ende unten verlinkt; leider dort nicht mehr auffindbar.
Ingrid und Christian Mitterecker veröffentlichten übrigens 2011 nach dem von einem Erd- und Seebeben ausgelösten Unfall im Atomkraftwerk Fukushima und der nachfolgenden Katastrophe ein weiteres Buch – „Die Dankbarkeit des Kranichs“. Dafür verfasst auch Masahiro Sasaki einen Beitrag, in dem er unter anderem schreibt: „Dieser Unfall wurde zwar durch eine Naturkatastrophe verursacht, stellt aber auch eine von Menschen verursachte Katastrophe dar. … In Erinnerung an die Auswirkungen der Radioaktivitäten durch die Atombombe habe ich auch große Angst. Der Unfall hätte nie geschehen sollen. Nachdem aber er schon geschehen ist, müssen wir daran denken, die ganze Weisheit der Menschheit einzusetzen, um ihn in Griff zu kriegen. Die Sicherheit und die Gefahr trennen sich voneinander nur durch ein hauchdünnes Papier. Wir Menschen haben die Atomenergie entwickelt und genießen, was sie ermöglicht hat. Es gibt da natürlich auch Atomenergiegegner. Mit dem Widerspruch, dass wir das kritisieren, was wir gleichzeitig annehmen und genießen, lebe ich auch. Ich wünsche, dass die Katastrophe, die schon passiert ist, so früh wie möglich ihr Ende finden wird und dass wir bald vor Auswirkungen der Radioaktivitäten keine Angst mehr werden haben müssen…
Am wichtigsten ist die arrogante Idee aufzugeben, die Natur herauszufordern…
Sadakos Wunsch war und ist es, ein „Mitgefühl“ zu haben als Basis für die Kommunikation, bei der wir uns unabhängig von Unterschieden der Rassen, Religionen, Kulturen und Bildungen als gleiche Menschen diskutieren und vergeben können. Um ihren Wunsch zu erfüllen, werde ich weiter in Zusammenarbeit mit Freunden in der Welt die mit Orizuru (Papier-Kranichen)-Mission betreiben.“ (Übersetzung: Akio Yokoyama).
Trotz der Trauer um den Verlust einer der wichtigsten festen und doch so bescheidenen Stimmen für ein friedvolles Miteinander aller Lebewesen und damit überhaupt für ein Überleben der Menschheit und so manch anderer Arten auf diesem Planeten, war die Gedenkmatinee von Hoffnung getragen. Das hätte Jane Goodall (3. April 1934 – 1. Oktober 1925) sicher gefallen.
Hoffnung trotz so vieler negativer Entwicklungen, weil jede und jeder Einzelne sich jeden Tag entscheiden kann, etwas zu tun, um dazu beizutragen, die Welt zu einem besseren, oder wenigstens keinem schlechteren Ort zu machen. Diese Botschaft der weltweit bekanntesten Primatenforscherin, wurde am Sonntagvormittag (9. November 2025) in dem großen Veranstaltungszelt auf dem Gelände der Rösthalle des bekannten Unternehmens Meinl vielfach gesagt. Es war auch in Bildern und Videos ihrer wissenschaftlichen ebenso wie ihrer aktivistischen Arbeit zu erleben und nicht zuletzt in Kinderzeichnungen und -sprüchen auf Plakaten und Postkarten zu sehen und lesen.
Und auf einer kleinen Wiese zwischen Zelt und Klo-Container war und ist ihr Wirken förmlich zu spüren. Denn hier wachsen junge Bäumchen, die Kinder und Jugendliche gemeinsam mit der vor knapp mehr als einem Monat verstorbenen Goodall in einer der von ihr initiierten Roots & Shoots-Gruppen (Wurzeln und Triebe) 2022 gepflanzt hatten.
Die Bedeutung von Goodalls Arbeit verglich Ludwig Huber, Professor an der Veterinärmedizinischen Universität Wien mit jener von Charles Darwin. Beide läuteten durch ihre Forschungen Paradigmenwechsel in der Sicht der Menschen auf Tiere ein; der eine durch die Abstammungslehre, die andere dadurch, dass sie aus der intensiven Vor-ort-Beobachtung von Schimpansen entdeckte – und verbreitete, dass diese sowohl Werkzeuge gebrauchen und herstellen als auch Gefühle haben und zeigen. Und er „interpretierte“ die drei w in Internetadressen für world wide web bei Goodall um in Worte – Werte – Wirkung und fügte ein viertes W hinzu: Wesen. Obwohl so etwas wie ein Popstar der Wissenschaft und des gesellschaftlichen Engagements und charismatisch in ihrem Auftreten sei sie stets bescheiden geblieben – was auch andere Redner:innen mehrfach erwähnten.
Die bekannte Schauspielerin Lillian Klebow, seit fast eineinhalb Jahrzehnten Ehrenbotschafterin des österreichischen Jane-Goodall-Institutes lud die Versammelten ein, im Sinne der nordirischen Friedensaktivistin und -Nobelpreisträgerin Betty Williams (1943 – 2020) aufzustehen – nicht um eine Schweigeminute für Goodall abzuhalten, sondern die Nachbarin / den Nachbarn zu umarmen, „denn Arme sind zum um-armen da und nicht zum Kämpfen!“
Mit der Frau, an die alle dachten und wegen der alle zusammengekommen waren, meinte Klebow unter anderem: Die Erde gehört nicht uns, wir gehören der Erde und wies damit auf die Aktion „Be Jane“ hin, sich in ihrem Geist zu engagieren.
Als Vertreter der Jugend erzählte Tobias Acksteiner einerseits über die von Goodall gegründete Initiative „Roots & Shoots“ (Wurzeln und Triebe), die es mittlerweile in 75 Ländern mit rund 830.000 Kindern und Jugendlichen gibt und verknüpfte dies mit der führ persönlich inspirierenden und Mut machenden Begegnung mit Goodall.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen sandte eine berührende Video-Botschaft, in der er auch an seine Begegnungen mit Jane Goodall erinnerte und an die Bedeutung ihres Wirkens – siehe Video unten verlinkt.
Musikalisch umrahmt wurde die „Matinee der Hoffnung“ vom cantus iuvenis Chor, der Solo-Cellistin Julia Schreyvogel, der Pianistin Maria Rom und Cesár Sampson leitete den Chor möglichst aller Versammelten mit Michael Jacksons „Heal the World“, das, so wurde erzählt, von einer Begegnung Jacksons mit Goodall inspiriert worden sein soll – siehe Videos unten.
sechs-dutzend-kids-tanzten-fuer-jane-goodall <— damals noch im Kinder-KURIER
taenze-ueber-die-vier-elemente <— ebenfalls noch im KiKu
seltenes-metall-dort-wo-schimpansen-leben <— noch im KiKu
Jane Goodall Institute Austria
Ein altes alleinstehendes, lange nicht bewohntes Haus wird neu besiedelt. Die vierköpfige Familie bereitet sich auf Weihnachten vor – Lichterketten und so. Plötzlich rüttelt und schüttelt es. Erdbeben?
Nein, Neuankömmlinge.
„Aliens?“
„Viel schlimmer, es sind Menschen!“
Solche wollen auch ins Haus der verstorbenen Tante Peters, des Familienvaters einer ebenfalls vierköpfigen Familie. Obwohl der Vater von Mikkel und Ane ohnehin das Haus nur mit Angst-Erinnerungen betritt.
Die im ersten Absatz genannte Familie sind – Szenenfotos aus dem Kinofilm haben’s sicher schon verraten – vier Mäuse: Rasmus, Katja, Maximus und Lea. „Mission Mäusejagd: Chaos unterm Weihnachtsbaum“, ein norwegische Film, deutsch synchronisiert, läuft seit einigen Tagen in den Kinos.
Eigentlich wäre das Haus bei Weitem groß genug für vier Menschen und vier Mäuse. Aber wo bliebe da der Konflikt, den sich Susanne Skogstad als Drehbuchautorin ausgedacht und Henrik Martin Dahlsbakken als Regisseur zu knapp mehr als 1¼ Kinostunden gedreht hätten.
Und so spielt sich’s fast kriegerisch ab. Die Mäuse manipulieren elektrische Leitungen, funktionieren einen Toaster zu einer Art Dauerkanone mit harten Bonbons um, sperren die Menschen sogar in einem kleinen Raum ein… Selbst der herbeigerufene „Killer“ scheitert. Er stellt Dutzende Mäusefallen auf, doch die schlauen Nager kommen auf eine List, und die Fallen wenden sich gegen dessen Steller…
Wenngleich so manche der actionreichen Szenen doch einigermaßen gar übertrieben sind, packen die Filmemacher:innen auch da immer wieder einen gewissen Schmäh rein, der den Kampf Mäuse gegen Menschen und umgekehrt einerseits mit einer Portion (Selbst-)Ironie versieht, andererseits mit der zweiten Ebene auflädt: Die Einen gegen die Anderen, Erstbewohner:innen versus Neuankömmlinge.
Natürlich kann das nicht alles sein. Entgegen dem Rat der Eltern freundet sich Maus Lea mit dem Menschen-Jungen Mikkel an, was auch dessen Eltern und seine Schwester so gar nicht mögen, letztlich aber doch den Kern eines versöhnlichen Happy Ends in sich trägt und sozusagen ein Weihnachtswunder ermöglicht. Womit auch hier mehr drinnen steckt als „nur“ der Maus-Mensch-Konflikt. Schon bei Mira Lobes Kinderbuchklassiker „Die Geggis“ freunden sich Gil und Rokko aus den verfeindeten Berg- und Sumpf-Geggis an
In der deutschen Synchronfassung wird übrigens Maus Lea von Lina Larissa Strahl gesprochen, bekannt als Sängerin und Schauspielerin, unter anderem Bibi (Blocksberg) in der Verfilmung der „Bibi & Tina“-Reihe; übrigens wurde sie vor mehr als zehn Jahren im Kinder-KURIER, dem Vorläufer von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, interviewt – unten verlinkt.
bibi-und-tina-voll-verhext-interviews –> damals im Kinder-KURIER
Eine in buntem Body Suit gekleidete Person mit VR-Brille sitzt auf dem Tanzboden, ein Leuchtband schlängelt sich auch noch über ihren Körper. Auf der Brille, die ihr virtuelle Welten zeigen könnte oder auch tut – wer weiß -, hat sie noch ein Tablet geschnallt – Code-Zeilen erscheinen – Mensch oder Android, Cyborg? Am anderen Bühnen-Ende im „Zirkus des Wissens“ hockt ein Typ auf einem weißen Container mit einigen Fenster- und Tür-Öffnungen und scheint in ein Smartphone zu tippen – zumindest ertönen massiv verstärkt Tipp-Geräusche. Wort- und Satz-Fetzen erfüllen den Raum in der äußersten Ecke des Geländes der JKU, der Johannes Kepler Universität am Rande von Linz: Alles wird zu Zahlen, jeder Wert ein Code, Messung von Norm und Abweichung, jedes Wesen ein Datensatz, jede und jeder ent-ziffer-bar…
Was eher atmosphärisch auf „Digital Shadows“ einstimmt, nimmt in den nächsten Szenen Gestalt an in Form von Schauspieler:innen und Tänzer:innen (Doris Roth, Valerio Iurato, Selina Nowak, Alina Lugovskaya), die fast immer in überdimensionalen Masken (Ethem Saygieder-Fischer) als Personifizierung auftreten. Zunächst als drei anonymisierte Typen mit silbrig glänzenden Aktenkoffern, die ein wenig an die grauen Herren Zeitdiebe in Michael Endes Klassiker „Momo“ (derzeit in einer Neuverfilmung im Kino) erinnern. Das Trio erscheint analog, real auf der Bühne und digital vervielfältig im Video auf die Bühnenrückwand projiziert.
Die anonymer Datensammler werden abgelöst von einem Schaukampf der Giganten Elon Musk und Mark Zuckerberg, inszeniert als Show-Wrestling mit Ringrichter, der das Publikum zum Partei-ergreifen oder wenigstens Stimmung machen animieren will. Etwas, das im Rahmen des Ars Electronica Festivals im September in der großen Halle in der Post City einen riesigen Anziehungspunkt in einer Art Kampfring mit Publikum rundum gebildet hat. In geordneten Sitzreihen läuft’s anders.
Und dennoch ist der Schaukampf der Giganten „nur“ eine Art Vorspiel zum Zusammenspiel der weniger Bekannten, aber viel Mächtigeren, nicht nur krasser Daten Sammelnden, sondern auch konkret politischen Strippenzieher, die ebenfalls in Masken auftauchen: Alexander Caedmon Karp und Peter Thiel, beide Mitbegründer von Palantir, einem auf Analyse von Software und Daten spezialisierten Unternehmen, Meister des Durchleuchtens, so dass, wer dies beherrscht, mehr oder minder alles von dir weiß.
Was sich im Folgenden in einem witzig inszenierten Spiel (Regie: Ilona Roth) mit einer Dating-App, samt Einbeziehung des Publikums, gruselig materialisiert. Einige persönliche Fragen zur Ablenkung dienen zur Stimmaufzeichnung und bald danach begegnet die Spielerin, hier immer die Regisseurin, beim Ars Electronica Festival waren’s wirklich Menschen aus dem Publikum, dem „perfekten“ Match begegnet – einem digitalen Zwilling von einem selbst, geschaffen aus den im Netz hinterlassenen Spuren. Spooky. Und so fast provokativer Anstoß, über Preisgabe eigener Daten, Netzsicherheit, Überwachung, Algorithmen und (digitale) Macht weiter zu reflektieren, diskutieren…
Das jetzige Stück im Zirkus des Wissens – bis 15. November 2025 (Details, siehe Info-Box) ist in der darstellenden Art eine Fortführung der Performance am Ars Electronica Festival und beide sind eine künstlerische Umsetzung gemeinsam mit Transitheart Productions eines seit sechs Jahren an der JKU laufenden wissenschaftlichen Projekts mit dem Ziel, global erfasste Daten zu dezentralisieren, demokratisieren und den User:innen mehr Selbstbestimmung über die Verwendung ihrer Daten zu(rück) zu geben.
Aus der Sicht von Kaktus Igor erzählt die diesjährige Text-Siegerin des Dixi-Kinderliteraturpreises eine spannende, sehr genau und detailreich beobachtende Szenerie in der die stachelige Pflanze zum Detektiv wird. Anita Hetzenauer, Mittelschullehrerin im Tiroler Kufstein, las daraus einen sehr neugierig machenden Auszug – siehe Video weiter unten verlinkt – in der ersten Novemberwoche im Figurentheater Lilarum (Wien-Landstraße; 3. Bezirk).
Der Preis in der Kategorie Illustration ging in diesem Jubiläums-Jahr (zum 25. Mal gab es ihn) an Patricia Floh für Bilder, die sie zum Gedicht „Der letzte Elefant“ von Peter Härtling (1933 – 2017) gestaltete. Da sie selbst wegen Long Covid nicht zur Preisverleihung aus St. Pölten kommen konnte, las eine sie gut kennende Freundin, Judith Vrba, den Text zu den projizierten Bildern und stellte auch im Gespräch mit Verena Weigl (Institut für Jugendliteratur und eine der Juror:innen) die vorbereitete Präsentation der Künstlerin vor – ebenfalls in einem Video am Ende des Beitrages.
Der vom Institut für Jugendliteratur ins Leben gerufene Preis, der nur dank des Sponsors, möglich ist, weshalb er auch nach diesem benannt ist, will neue Autor:innen und Illustrator:innen fördern. Es gibt kein Geld, sondern Begleitung durch Profis aus der Kinderliteraturszene, für die schreibenden Preisträger:innen jeweils eine Tutorin oder einen Tutor. Neben Arbeit an der Weiterentwicklung des eingereichten und ausgezeichneten Textes geht es auch um die Vernetzung nicht zuletzt mit Verlagen. Den Illu-Sieger:innen wird eine Reise meist zur internationalen Kinderbuchmesse im italienischen Bologna, mit Schwerpunkt Illustration, organisiert mit den entsprechenden Vernetzungen.
Was 2001 klein und als Versuch begann, hat sich sogar noch schneller und besser entwickelt als gedacht. Von den bisherigen 46 Preisträger:innen sind bisher mehr als 100 Bücher erschienen, allein heuer sind es 31, konnte Klaus Nowak verkünden, der dieses Mal die Veranstaltung knackig moderierte. Unter dem Titel „Was wurde aus…“ wurde dann Lena Raubaum auf die Bühne gebeten, ein Biotop, in dem sich die vielseitige Autorin, die 2016 den Preis in der nur selten vergebenen Kategorie Lyrik gewonnen hatte. Allein sie hat seither 19 Bücher veröffentlicht, so manche davon gemeinsam mit Illustrations-Preisträger:innen.
In der für sie typischen launigen, performativen Art spannte sie einen Bogen von der überraschenden Siegesnachricht vor neun Jahren über das eine oder andere ihrer Bücher, die seither erschienen sind und vor allem Begegnungen mit jungen Leser:innen bis zu Danksagungen auf diesem ihrem äußerst erfolgreichen Weg. So „nebenbei“ prägte sie in ihrem Dankesteil den Begriff „Erziehungsberechtigte für den Dixi-Kinderliteraturpreis“.
Die angesprochenen – Stefanie Schlögl als seit dem Vorjahr neue Geschäftsführerin des Instituts für Jugendliteratur (davor und Gründungsmutter des Preises Karin Haller) und Klaus Muik, Geschäftsführer des Unternehmens Instantina (u.a. Dixi) – schnitten die für den Jubiläumsanlass bestellte Torte mit dem mit bunten Zuckerln ausgelegten 25er an.
Für die musikalische Umrahmung der Veranstaltung sorgte in diesem Jahr „little esmeraldas*taxi“ – Astrid*Walenta und Gernot Hochstöger mit Liedern in Französisch, Englisch, Deutsch und Wienerisch.
Zu dem mehrfach als Mix aus Klassen- und Familientreffen bezeichneten Event im Lilarum waren auch acht Preisträgerinnen – ausschließlich mit kleinem i – aus früheren Jahren gekommen: Kathrin Steinberger (Text, 2003), Elisabeth Etz (Text, 2004), Leonora Leitl (Illustration, 2013), Katharina Fohringer-Hackl (Text, 2023), Lena Raubaum (Lyrik, 2016), Ella Kaspar (Text, 2021), Leonie Schlager (Illustration, 2019), Juliana Guger (Illustration, 2024).
Ein großes schiefes Holzbrett dominiert die Bühne – Rutsche, einfach Symbol für schiefe Ebene oder für in der Versenkung Verschwindendes, im Verborgen Gehaltenes, versunkenes Dach einer Holzhütte.
Um niemals Gesagtes, nicht einmal Erahntes dreht sich das ca. ½-stündige, immer wieder beklemmende Stück „Brennendes Haus“. Mit einer kurzen Entwurfs-Version des T4extes von Anaïs Clerc gewann das Team einen der Nachwuchspreise beim Bewerb in der vorigen Saison zum Thema „Stadtplan oder Wanderkarte“.
Bedrückend die Atmosphäre in einem Setting, das ein Haus auf dem Lande suggeriert. Namenlose drei Protagonist:innen, nur Die Kleinste (Marie Nadja Haller), Der Mittlere (Skye MacDonald) und Der Größte (Alexander Gerlini) genannt. Letztere schleppt sich zu Beginn mit einer elendslangen Stoffbahn (Kostüme: Tanja Maderner) auf die Bühne rund um das Brett. Nicht nur er, sondern alle drei werden sich darin einhüllen.
Wo ein rechteckiger Lichtfleck an die Wand projiziert ein Fenster simuliert, taucht später ein Bild auf – abstrakt, an eine frühe Kinderzeichnung erinnerndes Gemälde, das unschwer ein brennendes Haus erkennen lässt. Angefertigt von der Kleinsten in ihrer Kindheit. Sie hat den Hof verlassen, ist in die Stadt gezogen, um Schauspielerin zu werden. Wo sie beim Vorsprechen mit klischeebeladenen Vorurteilen gegen das „Landei“ konfrontiert wird. Und sie zur fragenden Feststellung veranlasst, ob sie dann nicht gleich mit dem Traktor anfahren hätte können oder sollen.
Sie kommt auf Heimatbesuch, weil der Größte gestorben ist. Hier empfängt sie, wovor sie eigentlich geflüchtet ist: Drückendes Schweigen, von erst nur spärlich tröpfelnden Worten und Sätzen, die oft aber mehr nichts als etwas sagen. Samt einer vorwurfsvollen Atmosphäre, warum sie denn weggegangen sei: „Das ist nicht die Zukunft, die wir uns für dich ausgedacht haben.“ Ihre offene Antwort: „Eine von euch zu sein, das wäre nicht mehr ich!“
Der Mittlere – schon lange in der Doppelrolle als Vater einer- und Sohn andererseits – scheint, ebenfalls ambivalent, nicht verstehen zu wollen, warum die Tochter nicht die Traditionen fortsetzt. Recht spät wird klar, dass auch er einen anderen Lebensentwurf im Sinn hatte. Übrigens ebenfalls künstlerisch, er wäre gern Maler geworden. Doch da hatte der Größte nur lapidar postuliert, Eigelb sei nicht zum Malen, sondern zum Kochen und Essen da.
Und doch ist die Sache nicht so linear. Denn nach und nach wird aus der rückblickenden Erzählung klar, dass der Leberschaden, an dem er verschieden ist, darauf beruht, dass er nicht reden konnte / wollte, weil er sonst weinen hätte müssen und so zum Wein griff. Und das, weil er als Kind schon am Hof fast sklavenartig schuften musste – und außerdem der Dorfpfarrer gegenüber dem kleinen Buben sexuell gewalttätig geworden war. „Traubenwelt“ wird die Trunksucht des Alten genannt – und klingt beim ersten Mal fast wie „Traumwelt“.
Amelie von Godin, die auch die Bühne gestaltete, inszeniert brennendes Haus beklemmend-berührend. Vieles schwebt zwischen den Zeilen, verdeutlicht die Sprachlosigkeit dadurch, dass noch mehr als gesprochen wird, durch Angetipptes gesagt wird. Und obendrein in den Köpfen des Publikums vielleicht mit dem einen oder anderen aus dem eigenen oder anderen bekannten familiären Leben verbinden könnte.
Eine Wand aus 25 Übersiedlungskartons in den Farben zwischen grau bis grünlich steht am Beginn einsam im Hintergrund der Bühne auf dem weißen Tanzboden. Die Performerin mit Headset neben dem Techno-Musik-Pult. Es steht die Eröffnung des sechstens Festivals für experimentelle Zirkuskunst On The Edge (Am Rande) an. „Zirkus? Ja. Aber nicht so wie du denkst“, lautet das Motto des Festivals.
Und das bestätigt sich gleich einmal. Die Performerin ist nicht im knappen Glitzerkleidchen und es folgen keine hals- und beinbrecherischen Sprünge. Am Beginn steht noch nicht einmal die Geschichte selber, die in dieser ¾ Stunde mit Worten, Bewegungen und eingeblendeten Fotos bzw. Video-Ausschnitten erzählt wird. Verena Schneider startet mit der Erzählung des Making of von „Go fishing“, mit der das diesjährige, bereits sechste Festival eröffnet wurde.
Das Festival und sein künstlerischer Leiter Arne Mannott wollten eine Eigenproduktion und das mit einem gesellschaftspolitischen Hintergrund. Die Zirkuskünstlerin Irene Bento aus der einst berühmten Dynastie des Lorch-Zirkusses, ihr Leben, ihr Überleben offen versteckt im Zirkus Althoff sollten Inhalt der Performance sein.
Schon vor 30 Jahren wurde der Fernsehfilm des WDR (Westdeutscher Rundfunk) „Zuflucht im Zirkus – Die Artistin und ihr Retter“ (Drehbuch: Ingeborg Prior, Regie: Micha Terjung, Kamera: Gerald Schlaffke ausgestrahlt, Prior veröffentliche zwei Jahre danach ds gedruckte Buch „Der Clown und die Zirkusreiterin“ über Irene Bento aus der Dynastie des eins weltberühmten Zirkus Lorch. Und dennoch scheint die Geschichte (wieder) in Vergessenheit geraten zu sein, nicht einmal im Wiener Circus- und Clownmuseum findet sich dazu etwas.
Schon 1930 musste der aufgrund des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland als Unternehmen aufgeben, die Artist:innen wurden von anderen Zirkussen engagiert. In ihrem Heimatort Eschollbrücken, einem kleinen Ort nahe von Pfungstadt, wo der Zirkus Lorch sein Winterquartier hatte, erlebte Irene als Schulmädchen am eignen Leib die stärker werdenden Anfeindungen als Jüdin. Nach und nach wollte niemand mehr aus ihrer Klasse etwas mit ihr zu tun haben.
Und es wurde ärger, die Faschisten verhafteten am 7. März 1943 einen Teil der Familie, darunter Irenes geliebte Großmutter Sessi, verfrachteten sie ins Konzentrationslager Auschwitz wo die Oma, die Onkeln Arthur, Eugen und Rudolph ermordet wurden.
Irene selbst hatte das Glück im Zirkus Althoff aufgenommen zu werden, mit ihr auch ihre Schwester Gerda und noch zwei Verwandte. Die Althoffs entschieden sich bewusst, die Zirkuskünstler:innen, die ihnen auch viel für die Programme ihrer Shows brachte, aufzunehmen und damit ihnen das Leben zu retten. Da die Nazis ständig in jedem der Orte der Zirkustouren nach Jüd:innen suchten, mussten die Bentos – aber auch die Althoffs als deren Beschützer:innen – immer zittern. Drohte Gefahr, so klopfte der Zirkusboss meist himself am Zirkuswagen der Bentos an mit den Worten: „Ihr müsst wieder mal fischen gehen“, erinnert sich Irene Bento in der erwähnten TV-Dokumentation.
Und daraus formten Arne Mannott vom Festival und als Ideengeber und dramaturgischer Begleiter des neuen Zirkusstücks, Dorothea Zeyringer als künstlerische Leiteirn des projekts und Regisseurin den Titel „Go fishing“, offenbar nachdem schon das Festival einen englischen Titel hat – und auch international gedacht und angelegt ist, heuer sogar mit einem Symposium und Vernetzungstreffen unter dem Titel „I wanna circus with you“.
Zeyringer fuhr nach Eschollbrücken, wo sie vor allem von Renate Dreesen, die mit dem Arbeitskreis ehemalige Synagoge Pfungstadt 2002 die erste Ausstellung über diese Geschichte in der einstigen und nunmehrigen wieder Heimatstadt der Bentos organisiert hatte, aus der in der Folge auch eine Dauer-Schau im örtlichen Museum wurde. Wobei Irene, wie sie in dem Film sagt, kaum mehr in die Stadt gegangen ist, weil sie Angst hatte, vielen Menschen ins Gesicht zu sagen, was und wie sie ihr als Kind mit der Ausgrenzung und dem Hass weh getan haben. Einen besonders krassen Fall musste sie einige Jahre später bei der Geburt ihres ersten Kindes – noch in der Nazizeit – erleben. Als der Arzt erfuhr, dass sie Jüdin ist, behandelte er sie medizinisch dermaßen arg, dass sie später nie wieder als Artistin auftreten konnte.
Wie das Team zu den Informationen gekommen ist, wie die beiden schon Genannten gemeinsam mit der Performerin Verena Schneider und Gammon, dem Musiker und Gestalter der Videos gemeinsam den Abend entwickelten ist im ersten Teil vor und mit den Karton-Boxen zu hören, sehen und erleben. Die „Mauer“ wird unter anderem zur rettenden Trennwand im Zirkuswagen, hinter der sie sich versteckten, wenn’s ganz eng wurde, die einzelnen Elemente zu Archiv-Boxen, aus denen die Performerin symbolisch ganz wenige Teile hervorholt. Ihre Gänge dazwischen vollführt sie oft im Handstand auf und rund um die Kartons, mitunter mit Überschlägen und anderen akrobatischen Nummern. Zu guter Letzt formt sie aus allen 25 Kartons das Manegenrund. Das noch dazu als gemeinsamer Kreis auch für den Zusammenhalt stehen könnte.
„Go fishing“ erzählte aber nicht nur mit kleinen, wichtigen Mosaiksteinchen die Geschichte, sondern spricht dezidiert, aber nicht platt und aufgesetzt das Thema Solidarität – auch in der Gegenwart an. Und gegen Ende tanzt Verena Schneider durch die neue Manege in einem gemeinsamen artistischen Duett mit der gedachten Irene Bento, die neben Kunststücken auf Pferden auch Seiltänzerin, Akrobatin in Menschenpyramiden, einfach vielseitige Artistin war. Die Musik schwebt wie eine weitere unsichtbare Artistin – nicht nur über der beschriebenen Szene, sondern als fast ständiges Moment, das die Atmosphäre des gerade erzählten untermalt, verstärkt, weitere Assoziationen dazu eröffnet.
Zum Nachgespräch am Eröffnungsabend war unter anderem die schon genannte Renate Dreesen nach Wien angereist, die ihre Arbeit vor allem als Beitrag gegen Antisemitismus und Rassismus versteht. Ebenfalls zur Gesprächsrunde mit Regisseurin und Performerin angereist war einer der Enkel Irene Bentos, Davids Storms, der viele Erinnerungen an seine Oma einbringen konnte.
Mobile kennt fast jedes Kind – und damit nahezu alle. Mehrere Gegenstände, die an Schnüren, mitunter auch an hölzernen kleinen Balken hängen und sich nur durch den Luftzug bewegen. Schauen, staunen, irgendwie zur Ruhe kommen.
„Mobile“ nennt Jörg Möller eines seiner Zirkusprogramme, sein ältestes mit dem er noch immer tourt. Vor nunmehr 31 Jahren hat er damit sein Zirkuskunst-Studium am Centre National des Arts du Cirque im französischen Châlons-en-Champagne abgeschlossen.
Wenn das – im Kreis sitzende – Publikum beim sechsten On The Edge-Festival für experimentellen Zirkus in den Raum im Theater am Werk / Kabelwerk kommt, sieht es fünf glänzende Metallstangen, die an Drahtseilen von der Decke hängen.
Irgendwann betritt auch der Artist den Raum, nähert sich den – noch zusammengebundenen – Stangen an, klemmt seinen Kopf zwischen einige der Drahtseile und beginnt sie auseinander zu schubsen. Langsam, sanft setzt er sie in Bewegungen, gibt der einen oder anderen oder allen immer wieder neue Richtungen.
Die Stangen scheinen zu schweben, dann wieder wild zu fliegen, mal rundum, dann hin und her. Dann tanzt der Zirkuskünstler zwischen den hängenden, sich bewegenden Hindernissen hindurch. Spielt mit ihnen Fangen. Irgendwie ist es wie Jonglieren in der Waagrechten.
Irgendwann, ungefähr im letzten Viertel der kurzen nicht einmal halbstündigen fesselnden Show verwandelt er die Stangen, die er ständig in Bewegung hält, auch in Klanginstrumente. Vor allem mittels der beiden Zeigefinger, die er zu Beginn mit Bändern stark verlängert hat. Von leichten Berührungen bis kräftiges Klopfen reicht sein Instrumentarium.
Selbst 31 Jahre nach der Erfindung seiner Performance schafft Müller mit dieser verspielten, durchchoreografierten, exakt getimten und doch so fluffig leicht wirkenden Show das Publikum so zu faszinieren, wie die Windspiele es bei den meisten Kindern tun.
„Wem hast du mal einen Streich gespielt?“, „Wer ist dein bester Freund, wer deine beste Freundin?“, „Womit baust du am liebsten?“, „Worüber musst du lachen?“, aber auch „Was macht dich traurig?“
Auf mehr als 100 Doppelseiten versammelt – nun neu bearbeitet – die Autorin UND Illustratorin der meisten Bilder Fragen wie die oben genannten und natürlich viele weitere; immer mit einer Zeichnung oder einem bzw. in manchen Fällen auch mehreren Fotos.
Die Antworten bleiben natürlich dir überlassen. Das meiste weißt ja oft du allein, wenn’s vielleicht darum geht, was dir peinlich ist oder du gerne machst, obwohl du’s nicht tun sollst. Könnte gut sein, dass du das bestimmt nicht teilen willst.
Die Autorin – und Illustratorin – stellt aber auch manche Frage, bei der du vielleicht noch keine Antwort hast und diese erst selber erfragen musst; beispielsweise womit deine Großeltern gespielt haben als sie Kinder waren. Könntest du sogar schon wissen, wenn sie’s dir erzählt haben oder du es ohnehin schon von ihnen erfragt hast. Wenn nicht, dann möglicherweise eine Gelegenheit das zu tun, so du Kontakt zu ihnen hast und sie das wollen oder können.
Vielleicht hast du auch noch nie gefragt, „warum deine Eltern deinen Namen ausgesucht haben“, was hat ihnen daran so besonders gefallen. Oder hat er eine spezielle Bedeutung? Könnte sein, dass dir das schon bekannt ist, andernfalls ein Anlass, darüber zu reden…
Viele der Bilder und / oder Zeichnungen eigenen sich außerdem dazu, weiter zu spinnen, denken, fragen – möglicherweise auch, ob das eine Bild für dich viel besser zu einer anderen Frage passen würde. Das Kind im Raumanzug illustriert hier die Frage: „In wen möchtest du dich für einen Tag verwandeln?“ Möglicherweise willst du Astronautin oder Astronaut werden und das nicht nur für einen Tag.
Du könntest vielleicht auch diskutieren wollen, weshalb Frau Damm fragt, „Was würdest du verändern, wenn du König oder Königin wärst“ und nicht, „wenn du Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler wärst?“
Oder weshalb die Autorin offenbar Zeichen- mit Gebärdensprache gleichsetzt oder verwechselt oder manche der Bilder und Zeichnungen zu der einen oder anderen Frage doch eher in alten Mustern gefangen geblieben sind – Familie – Vater, Mutter, Kind, Kind und Haustier…
Trotz dieser kleinen Kritikpunkte, das kleine, dicke Büchlein mit vielen Fragen regt an, darüber zu sinnieren und hoffentlich auch mit anderen zu reden, das eine oder andere zu erfragen, erzählen und neue Fragen auszudenken.
Fragen stehen so „nebenbei“ am Beginn jeder Forschung, sind ein wichtiger Motor aller Wissenschaften. Und so hat auch die Kinderuni Wien ein besonderes Ritual dazu. Zum Abschluss bitten (stellvertretende) Rektor:innen der verschiedenen Hochschule bei der Sponsion die Kinder, zu geloben, „nie aufzuhören, Fragen zu stellen“ sowie „nie aufzuhören, Antworten auf diese Fragen zu suchen“. Erst auf zustimmendes Handzeichen der Kinder bekommen diese die Titel Magistra bzw. Magistra universitatis iuvenum (der Kinderuni) verliehen.
Und so manche Uni-Profs freuen sich, „dass die Kinder auch wirklich noch Fragen stellen. Bei unseren erwachsenen Studierenden dauert es oft lange, bis wir sie dazu bringen, etwas zu fragen“. Ein Uni-Lehrer hat dem Journalisten hier einmal erklärt: „Bei den erwachsenen Studentinnen und Studenten hab ich einmal in einer Lehrveranstaltung begonnen, reinen Blödsinn zu reden. Erst nach mehr als fünf Minuten hat wer aus dem Auditorium erstaunt die Frage gestellt, was ich denn da verzapfe.“
Die gesamte, doch recht große Bühne von einem weißten Tanzboden bedeckt. Im Kontrast dazu an den drei Wänden schwarze, samt wirkende Vorhänge. In der Mitte des Vorhangs ganz hinten öffnet sich eine kleine Lücke: Ein Kopf mit Brille im Haar und Gesichtsausdruck, der an einen Frosch erinnert, schaut hervor. Die Performerin spielt mit Mund und Augen, verändert immer wieder Blicke und verzieht ihr Gesicht ansatzweise zu Grimassen. Zwischen Beobachten des Publikums und dieses zum Lachen bringen, erobert sie so von dieser entfernten und eher fast winzigen Position die gesamte Bühne und dazu die Zuschauer:innen-Tribüne.
In einer Art Popstar-Attitüde tritt sie aus dem Vorhang hervor in Glitzersilber-High-Heels und ebensolcher Hose samt Blink-blink-Riesen-Mikro, unschwer als Phallus-Symbol erkennbar, und bloßem Oberkörper – bis hinein in die Publikumsränge, wo sie der einen oder dem anderen das Mikro hinhält und ersucht, den Namen Sherazade auszusprechen. Jenen der Künstlerin aus den „Geschichten aus 1001 Nacht“, die dank ihrer Erzählungen ihr eigenes Leben rettet und verhindert, dass der König, weitere Frauen ermordet. Zuvor hatte er jede Nacht eine andere Frau „geheiratet“ und sie am Morgen danach umgebracht. Ihr gelang es, den Typen mit ihren Geschichten die ganze Nacht so zu fesseln, dass er am nächsten Morgen unbedingt am Abend wissen wollte, wie die Erzählung weiter ging.
Sherazade ist unschwer als Namenspatin für die Tänzerin und Schauspielerin Shahrzad Nazarpour zu erkennen, die „Shaytan“ (Teufel im Koran, oft auch Iblis, als der der menschen in Versuchung führt, um sie zu prüfen), nicht nur im Kosmos Theater Wien performt, sondern auch selber konzipiert und entwickelt hat. Sie füllt und beherrscht die gesamte Bühne, auf der üblicherweise oft ein halbes Dutzend Schauspieler:innen agieren. Mit ihren Bewegungen, ihren Tänzen, ihren teils fast akrobatischen Moves, die sie aber „nur“ zur Verkörperung und Verdeutlichung ihrer erzählten Geschichten vollführt, zerlegt sie patriarchal und kolonialistisch geprägte Zuschreibungen der weltberühmten Figur ihrer Namensgeberin Sherazade. Exotisch und erotisch – so die Bilder über die meisterinnenhafte Erzählerin.
Nazarpour tanzt von dieser Figur und ihrer von außen getätigten Zuschreibungen weiter bis zu allen möglichen Verhaltens- und Kleidungsvorschriften, meist von Männern für Frauen getroffen. Macht dabei nicht Halt vor selbsternannten Rettern, aber auch Retterinnen, Stichwort Kopftuchdebatte. Den Ärger, die Wut, den Zorn über bevormundendes Agieren setzt die Performerin verbal (Textbearbeitung: Jasmin Behnawa) genauso um wie in ihren raumgreifenden Bewegungen (dramaturgische Beratung: Sunanda Mesquita).
Obwohl ernste Anliegen, schafft Shahrzad Nazarpour, viele ihrer wörtlichen und tänzerischen Argumente immer wieder und das recht oft humorvoll und witzige zu verpacken – bis hin zu teils brüllend komischen Tänzen, die sie mit ihren Brüsten inszeniert. Und dennoch in dieser selbstverständlichen Art nicht den Hauch von sogenannter Erotik ausstrahlt.
Licht am Ende des Tunnels verspricht das Titelbild dieses Bilderbuchs. Dunkel bis hellgrau sitzt ein kleines Wesen, könnte ein Kind sein, auf einer Riesenschildkröte. Auch die Pflanzen Grau in Grau. Gleißende Helligkeit als großer weißer Kreis dahinter. Der rosa runde Aufkleber kennzeichnet das Werk als „Begleitbuch zum Abschied-Nehmen“. Auch der Titel „Komm, ich trag dich ein Stück, sagte die Schildkröte“ hat schon Tröstliches.
„Etwas Trauriges würde passieren. Etwas Unvorstellbares. Wahrscheinlich das Traurigste überhaupt“, lauten die ersten Sätze der Autorin Lena Raubaum zwischen Blumen und Blättern aus denen das Strich-Gesicht eines Kindes vorsichtig hervorlugt – gezeichnet von Leonie Schlager.
„Warum? Warum musste das passieren?…“, fragt das Kind (ist es überhaupt ein Kind?) auf der nächsten Doppelseite und formuliert „ich fühle so vieles gleichzeitig. Vor allem Angst. Große Angst.“
Doch da hört der ich-erzählende Mensch die Stimme der Schildkröte, die einfach da war. Und das bleibt sie – solange sie gebraucht wird.
In sanften, einfühlsamen, poetischen Worten und Bildern, die immer wieder ein wenig an Kinderzeichnungen erinnern, liefert das Duo ein tröstliches Buch für Kinder, die mit Tod konfrontiert sind oder einfach darüber reden möchten. Und dennoch nicht alles im Trauerfall nur auf dieses Thema reduzieren wollen. So zeigt eine Doppelseite die Hauptfigur mit vielen Seiten ihres Lebens – Spaß mit Freund:innen, guter Musik und wertvollen Momenten ebenso wie Ärger über einen verpassten Bus oder das Wetter…
Und auf weiteren Seiten wiederum mit Fragen, was nach dem Tod kommen könnte und sowie den unterschiedlichsten Gefühlen besonders in solchen Zeiten. Für alles soll und muss Platz sein vermittelt auch dieses Bilderbuch, das übrigens von MOMO, dem Kinderpalliativzentrum in Wien initiiert wurde. Die Einrichtung, bewusst nach Michael Endes Heldin im gleichnamigen Roman benannt, betreut Kinder – und ihre Familien – mit lebensverkürzenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen, und fragte bei der Autorin an, ein Buch zum Thema zu verfassen. Gerade in solchen Phasen bekommt Zeit eine außerordentliche Bedeutung, weil vieles aus gewohntem Rhythmus reißt. Deshalb der Name des Kindes, das im Untertitel zum Buch „den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte“.
Das Kinderpalliativzentrum wählte eine Schildkröte als Logo, höchstwahrscheinlich inspiriert von Michael Endes Kassiopeia, die in Momo zwar eine halbe Stunde in die Zukunft schauen, aber dies nicht sagen kann. Was sie sieht, erscheint als Schrift auf ihrem Panzer.
Apropos Panzer: Die Schildkröte als das Wesen, dem das Kind (vielleicht ist es auch ein Erwachsener?) die Trauer, Sorgen, Ängste und alle anderen Gefühle anvertrauen kann, hat einen Panzer, womit der Mensch, der mit Tod konfrontiert ist, sich keine „dicke Haut“ zulegen und die Gefühle einsperren muss, sondern Raum UND Zeit dafür ist, wie es Raubaum formuliert: „Alle Fragen, alle Gefühle wollen atmen. Lasst sie Luft holen.“ Etwas, das sie aus den Gesprächen mit Momo-Mitarbeiter:innen über deren Arbeit mit ins Buch genommen hat.
Und so war für Lena Raubaum klar, „Elemente von Momo und der Arbeit des Kinderpalliativzentrums in das Buch einzubauen“, wie sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… sagt. Der Schreiber dieser Zeilen wollte von ihr wissen, ob Kassiopeia das Vorbild für die tierische Hauptfigur des Buches war oder die Vielfalt an Mythen in allen Teilen der Welt, die sich mit dem gepanzerten Wesen verbinden. „Außerdem ist es ein Tier, das viel trägt und aushält, es gibt 360 Arten von Schildkröten und mindestens so viele Arten zu trauern. Natürlich schwingt auch diese mythologische Weite mit“, so Raubaum zu KiJuKU.
Sowohl im Hinduismus als auch bei einigen Indigenen Völkern Nordamerikas trägt eine Schildkröte die Welt, bei den Aborigines Australiens zumindest alles Wissen aller Vorfahr:innen, weil eine Schildkröte bei der Erschaffung der Welt dabei war. In China und Japan stehen Schildkröten unter anderem für ein langes Leben, in einigen afrikanischen Kulturen symbolisieren Schildkröten Weisheit und Geduld. Außerdem gibt es die Fabel des antiken griechischen Dichters Äsop von Schildkröte und Hase und einem Wettrennen beider. Aber nicht wie bei „Hase und Igel“ aus der Grimm’schen Sammlung gewinnt der Langsamere durch den Trick, dass im Ziel seine Frau schon da ist, sondern weil der Hase in seiner Arroganz während des Laufs ein Nickerchen einlegt, kommt die Schildkröte früher ins Ziel. Die Äsop’sche Fabel findet sich auch in Märchen einiger afrikanischer Kulturen.
Apropos Afrika: der oberösterreichische Autor und Schauspieler Patrick Addai hat vor einigen Monaten seinem tierischen Kosmos aus Märchen aus seiner ersten Heimat Ghana eine ganz neue Geschichte hinzugefügt. „Die Komödienschildkröte“ versammelt ein Welttreffen dieser Tiere, deren Panzer die Flaggen der Welt zieren mit der Botschaft: Viele Farben eine Menschheit. Im Interview mit KiJuKU sagte der Autor rund um die Neuerscheinung, dass er Schildkröten wählte, weil „dieses Tier eine gewisse Langsamkeit und Sicherheit (hat), so kann sie diese Botschaft besser in die Welt hinaustragen“ und „egal woher und mit welcher Sprache, die Schildkröten – und auch wir Menschen – sind alle gleich und sollen lieber miteinander feiern als sich zu bekriegen.“ (Link zur Buchbesprechung und dem Interview unten am Ende dieses Beitrages).
„Kann ein Toter Spaß haben? Und wenn ja, womit?“ Das wollte die fünfjährige Elena wissen. Nun, ihre Fragen wurden nicht beantwortet – zumindest nicht in dem Buch, dessen Autorinnen sie die Frage geschickt hatte. „Hallo Tod, ich hab da mal ‘ne Frage“ ist aber ein außerordentliches Buch rund um das Thema Tod und Sterben, das noch immer oft unter dem Motto behandelt wird, „nicht darüber reden“ in der Angst, das könnte Unglück bringen. Die beiden spanischen Autorinnen Ellen Duthie und Anna Juan Cantavella haben drei Jahre daran gearbeitet.
Und wie!? Sie haben zunächst Schulen, Familien und Bibliotheken aus der ganzen Welt eingeladen, Kinder und Jugendliche (5 bis 15 Jahre) zu bitten, ihre Fragen rund um Tod zu stellen und an die Autorinnen zu senden. Aus den zwölf Ländern Argentinien, Brasilien, Deutschland, Ecuador, Finnland, Großbritannien, Italien, Kolumbien, Mexiko, Spanien, Türkei und USA kam dann eine Flut von Hunderten Fragen. 38 davon haben die beiden ausgewählt und in jeweils ein bis drei Seiten behandelt – mit Antworten, aber auch wiederum mit so mancher Frage, weil sich Vieles davon (noch?) nicht klären lässt.
Und viele der anderen Fragen sind – klein gedruckt – auf den sogenannten Vorsatzseiten – bevor ein Buch richtig beginnt bzw. nach dem Ende zu lesen, unter anderem jene mit dem dieser Beitrag begonnen wurde.
Auch wenn gerade rund um Halloween mit dem Zwischenreich zwischen Leben und Tod viel Spaß betreiben wird, ist der Tod von Angehörigen oder Freund:innen, aber auch von Haustieren traurig, kann in Verzweiflung stürzen. Das nehmen die Autorinnen genauso auch ernst, ebenso aber die vielen Fragen, die ihnen Kinder und Jugendliche geschickt haben und die sie einerseits sachlich und mit so manchen Anekdoten aus der Geschichte und allen möglichen Ecken und Enden der Welt erklären. So manches dreht sich, woher man wisse, wann wer wirklich tot ist. Oder ob Tiefschlaf mit Tod verwechselt werden könnte. Oder eben rund um den Umgang mit Tod und Toten. Dass in vielen Ländern Schwarz als Trauerfarbe gilt und in anderen Weiß…
Da darf natürlich das Beispiel Diá de los Muertos aus Mexiko nicht fehlen, wo gemeinsam mit dem Gedenken an die Verstorbenen zwischen 31. Oktober und 2. November gefeiert wird, die sozusagen als unsichtbare Gäste dabei sind. Über eine Volksgruppe auf der ostafrikanischen Insel Madagaskar berichten die Autorinnen, dass diese „ihre Toten etwa alle sieben Jahre ausgraben, um sich mit ihnen zusammen zum Essen hinzusetzen, zu tanzen und sie schön in neue Tücher einzukleiden, bevor sie sie für die nächsten Jahre wieder begraben“.
Übrigens schreiben Ellen Duthie und Anna Juan Cantavella in der vierseitigen Beschreibung des Arbeitsprozesses unter anderem, dass der Illustrator Andre Antinori von ihnen zuerst nur die ausgewählten 38 Fragen bekommen hat. „Deswegen kann man die Bilder auch als Antworten lesen, als eine ganz eigene Art und Weise, die Fragen zu beantworten“. Übrigens sind die Zeichnungen meist recht witzig, karikaturenhaft gemalt, nicht selten mit witzigen Skeletten, Vampiren, Kasperln und allerhand Tieren.
„Sich Fragen über den Tod zu stellen und gelegentlich in bisschen Angst zu haben, ist ganz normal… über den Tod zu sprechen, sollte uns allerdings keine Angst machen. Im Gegenteil! Nur so können wir anderen anvertrauen, was uns daran wirklich ängstigt“, schreiben die Autorinnen auf Seite 103 (Übersetzung aus dem Spanischen: Ilse Layer).
Blink, blink – ein Moderator mit rosa Glitzer-Zylinder begrüßt freundlichst, mit einem Schuss humorvoller Übertreibung die in den Saal strömenden Zuschauer:innen fast einzeln. Hoch oben in der Mitte der Bühne hängt der Titel des Stücks „Das Haar in der Suppe“ in Leuchtschrift, die immer wieder ihre Farbe wechselt.
Willkommen zu einer Wettbewerbs-Show ums beste Kochen, Servieren und gästisches Verhalten. Die Konkurrent:innen treten in Sportdressen der Farben der Länder, die sie vertreten: Desi für Italien, Maitane für Schweden und Simon für Österreich. Wobei hier die Schauspieler:innen Bonato, Midby und Schober auch ihre echten Vornamen als Show-Teilnehmer:innen tragen. So „nebenbei“ nimmt das Stück so manche, der in praktisch allen TV-Sendern über den Screen flimmernde Koch-Shows ein wenig auf die Schaufel.
Der eingangs schon erwähnte Moderator (Kajetan Uranitsch, der auch Regie führte) ist gleichzeitig Schiedsrichter, gibt die Regeln vor und verteilt die Punkte, die immer wieder in einer Tabelle mit gezeichneten Karikaturen der Protagonist:innen eingeblendet werden. In einem Mix aus clownesk und Slap-Stick müssen / dürfen die Kandidat:innen kochen, in einem feinen Restaurant servieren und immer wieder abwechselnd auch in die Rolle von Gäst:innen dieses Speisentempels schlüpfen. Und das alles meist wortlos.
Beim pantomimischen Kochen sollen die jeweils anderen beiden Spieler:innen erraten, was die / der Dritte zubereitet. Beim Servieren machen es die Konkurrent:innen der jeweiligen Kellnerin oder dem Kellner nicht immer ganz einfach. Wie reagiert die Servicekraft mit solchen Herausforderungen?
Natürlich passiert das alles nicht spontan, sondern geprobt, handelt es sich doch bei der bekannten, schon mehrfach mit Preisen ausgezeichneten „Kompanie Freispiel“ doch um humorvolle Profis, die immer wieder auch in vorherigen Stücken schon mit dem kunstvollen Scheitern spiel(t)en. Wenngleich bei der Premiere rund ums sprichwörtliche Haar in der Suppe in der von vielen witzigen Momenten Aufführung ein bisschen Krampf zu stecken schien, was sich wahrscheinlich im Lauf der Vorstellungen (bis 5. November und dann einige Tage im Jänner) in gelöstere Spielfreude „verkochen“ wird, sozusagen „freispielen“, vielleicht mit ein bisschen Würze aus dem vorangegangenen Stück „Umami“.
Unterschiedliche Querflöten, Klarinetten ebenfalls in verschiedenen Tonlagen, Keyboards, Schlagwerke – klar, dass mit solchen und anderen Instrumenten Musik gemacht werden kann. Die Profimusiker:innen Marina Igelsias, Marco Sala, Špela Mastnak, Alexander Bauer und Matthias Leboucher entlocken den Instrumenten aber nicht nur bekannte Töne und Klänge, sondern auch höchst ungewöhnliche Geräusche, mit denen sie – gemischt mit Versatzstücken von Melodien einen spannenden Mix neuer Musik schaffen. Als NAMES – New Art and Music Ensemble Salzburg erweitern sie in „Klingende Dinge“ darüber hinaus ihre „Werkzeuge“, ihr Instrumentarium. Tischtennisbälle aus einem Küchentopf „tröpfeln“ erst einzeln, dann im Duett, als Trio und bald einmal als unzählige springende Töne zwischen Musiker:innen und ganz jungem Publikum.
Eine Woche lang gastiert das Ensemble nun im Rahmen von Wien Modern im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier. Entwickelt hat das Ensemble diese Performance für das Kleinstkinder-Theaterfestival Bim Bam im Salzburger Toihaus Theater – mit dramaturgischer Beratung der beiden dortigen künstlerischen Leiterinnen Cornelia Böhnisch und Katharina Schrott. Neben den genannten Instrumenten und Tischtennisbällen, zaubern die Musiker:innen auch noch mit Kochtöpfen, Luftballons und Luftpolsterfolien musikalische Geräusche. Immer wieder lassen sie ihre Instrumente bzw. Objekte sozusagen miteinander „sprechen“ – hin und her in musikalischen Dialogen, dann wieder reihum alle im Kreis wie bei der Luftballon-Nummer mit stoßweise verstärkt hörbarem aufblasen, reiben, kratzen, singendem Quietschen, wenn Luft in kleinsten Stößen wieder ausgelassen wird. Oder dem bekannten pfffft, wenn so ein Ballon losgelassen, seinen eigenen Weg fliegt.
Gerade das Spiel mit den genannten Gegenständen erinnert natürlich an Vieles, was Kinder oft spontan im Spiel an Klängen und Tönen erzeugen. Und dennoch ist es mehr, denn alles, was die fünf Musiker:innen spielen, ist geschriebene Musik von Komponist:innen: Terry Riley, Maja Osojnik, Francesco Filidei und Raimonda Žiūkaitė, manches ein halbes Jahrhundert alt, anderes erst heuer geschrieben, bzw. gezeichnet. Denn manche Passagen sind nicht auf den herkömmlichen Notenlinien, sondern in grafischer Notation festgehalten; eine davon erinnert aus der Entfernung an eine Landkarte.
Und damit passt „Klingende Dinge“ besonders gut in das diesjährige Motto des – zum 38. Mal stattfindenden – Festivals Wien Modern: „The Great Learning“. Viele lernen dabei kennen, dass Neue Musik wohl noch viel mehr umfasst als schon gehörte Klänge. Und dass Neugier, wie sie vor allem Kindern eigen ist, solange sie ihnen nicht abgewöhnt wird, ein, wenn nicht DER wichtigste Antrieb von und für Lernen ist.
Natürlich und klar, dass gerade die ja auch bewusst ins Publikum springenden Tischtennisbälle, die Einladung, aus der langen, großen Luftpolsterfolie die eine oder andere Blase durch Platzen erklingen zu lassen und die vielen Luftballons auf der Bühne viele der ganz jungen Kinder dazu animiert, genau dorthin auf die „Musik-Insel“ zu kriechen. Was offenbar so nicht geplant war und Hektik bei den dramaturgischen Beraterinnen auslöste, um die Kinder von der Eroberung der Bühne abzuhalten. In Salzburg sei das nicht so gewesen, da wären die Kinder auf ihren Plätzen geblieben, hieß es danach.
Dem schon genannten Motto der 38. Festival-Ausgabe mit ihrer Kernbotschaft „Wien Modern feiert die Neugier, das Lernen und die Vielfalt“ entspricht das spontane Erkunden-wollen der Kinder, wenn schon spielerische Angebote von der Bühne her gesetzt werden.
Zur „Lernkurve“ kündigt das Festival Wien Modern vor allem seinen Abschluss am 30. November an: Ein Tag lang agieren im ganzen Wiener Konzerthaus Hunderte von Mitwirkenden zusammen. „Das Lernen, für das Konfuzius vor rund 2.500 Jahren erstaunliche Gedanken festgehalten hat, lässt sich bei dieser Gelegenheit wunderbar mit dem Basteln von Steckenpferden, einem Aufenthalt in der Leseecke, im Schrei-Workshop oder, ganz im Gegenteil, im Ruheraum verbinden.“
Ohne den Feiertag Allerheiligen gäbe es Halloween gar nicht, leitet sich doch Letzteres vom englischen All Hallows’ Eve (Abend vor Allerheiligen, also am 31. Oktober vor dem 1. November) ab. In Irland erfunden kam es mit vielen Menschen, die in den Norden des amerikanischen Kontinents auswanderten dorthin – und von dort verbreitete es sich wiederum in den vergangenen Jahrzehnten vor allem kommerziell.
Dem Tag, der allen, auch weniger bekannten Heiligen gewidmet ist, folgt Allerseelen. An diesem Tag wird an verstorbene Menschen gedacht. Irgendwie scheint – hierzulande – dennoch Tod gerade rund um Kinder eine Art Tabu zu sein. Obwohl es schon seit einigen Jahrzehnten gute, spannende, tiefsinnige, mitunter auch mit Humor gewürzte Bücher und Theaterstücke rund um das Ende des Lebens gibt – meist auch, um genau Letzteres zu schätzen und feiern – etliche Links zu Besprechungen unten am Ende dieses Beitrages.
Hier – und in zwei weiteren Beiträgen – kommen neue Buchtipps. Begonnen sei mit einem Titel, der die meisten sicher aufs Erste ziemlich reißen wird. Darf so eine Frage überhaupt gestellt werden? „Oma, wann stirbst du?“, geschrieben von der Leiterin eines Kindergartens und Autorin Nina Mav Hrovat (aus dem Slowenischen übersetzt von Alexandra Natalie Zaleznik) und illustriert von Marta Bartolj.
Wann immer das Enkelkind die Frage, die dem Buch auch den Titel gab, an die Großmutter stellt, antwortet diese ungefähr so: „Jetzt noch nicht“ und fügt an, was sie gerade zu erledigen hat. Auf der ersten Doppelseite muss sie das Essen fertig kochen, später – gemeinsam mit dem Enkelkind – den Küchenboden säubern; einige Seite später dem Kind vorlesen … Immer ist es etwas, das ihr Enkel gerne mag, unter anderem einen Ausflug mit dem Fahrrad zum See, was ein kräftiges „Juhu!“ auslöst.
Auf der letzten Doppelseite fragt nun die Oma ihr Enkelkind: „Warum beschäftigt dich das so sehr?“ Die Antwort darauf – nein, die sei hier nicht verraten. Du kannst sie lesen oder dir vielleicht auch denken, wie sie ausfallen könnte.
Baldachin, Girlanden, Luftballons, einige davon in Herzform, ein Plakat, natürlich in Herzform – alles vorbereitet zur Hochzeit von „Leyla & Joel“ im Foyer des Theaters Spielraum in der Wiener Kaiserstraße.
Häääää? Sollte da nicht das Stück „Spiegel“ der jungen britischen Dramatikerin Sam Holcroft seine deutschsprachige Erstaufführung feiern?! Und das ist doch mit ganz anderen Sätzen angekündigt: „In einer Welt, in der alles unter Kontrolle steht, ist auch die Wahrheit eine Lüge. Und eine Lüge kann die Wahrheit sein…“
Gut gegen Ende des Textes steht schon etwas von „Und eine Hochzeit gefeiert. Oder nicht?“
An der Theaterkassa wird neben dem Ticket auch eine Einladung zu dieser Hochzeit ausgegeben, samt dringendem Hinweis, die sei sogar wichtiger als die Eintrittskarte. Echt jetzt?
Wer die Einladung umdreht, kann dann unter anderem lesen: „Hiermit erkläre ich unter Eid, dass ich die Gesetze meiner Nation unterstützen und gegen alle Feinde im In- und Ausland verteidigen werde; dass ich ihr wahren Glauben und Treue erweisen werde…“ bis hin zur Verpflichtung, nach entsprechender Aufforderung, Waffen zu tragen und sich aufzuopfern…“ Das wiederum hat schon mehr mit der Ankündigung des hochpolitischen Stückes zu tun.
Die Hochzeit ist, so viel darf schon verraten werden, Teil des Stückes und seiner Inszenierung. Dazu zählen auch die Kopien eines Bescheides, die an vielen Stellen an den Wänden hängen: Die Aufführung des angesetzten Theaterstückes wurde untersagt – vom „Amt für bürgerliche Ordnung“. Dieses ABO hätte „das Stück geprüft und eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des sozialen Friedens festgestellt, die Grenzen der künstlerischen Freiheit würden überschritten“.
Jene, die die Rückseite der erwähnten Hochzeitseinladung sowie den genannten Bescheid gelesen haben sollten, nahmen an, das ist wohl Teil der Inszenierung. Die anderen offenbar auch. Das „Verbot“ und der patriotische Schwur stellen die direkte Verbindung zum Kern des Stückes her; die Hochzeit hat eine spezielle Funktion, aber die sei hier ebenso wenig gespoilert wie eine verblüffende Wende gegen Ende der knapp mehr als 2¼ kurzweiligen, bitterbösen und doch immer wieder auch humorvollen Stunden mit Gruselfaktor. Letzterer liegt vor allem an der Außenwelt, der Realität auf der echten Welt mit illiberalen Demokratien, sogenannten alternativen Fakten.
Was mit der Hochzeit von Leyla & Joel mit einem Standesbeamten startet, wechselt in die Achterbahnfahrt rund um den ersten Theatertext des jungen Adem Nariman (Paul Graf, der auch den Bräutigam spielt). Eigentlich ist er Automechaniker, aber ein ausgezeichneter, exakter Beobachter und Zuhörer. Aus allem, was er in seiner kleinen Wohnung mit extrem dünnen Wänden im 9. Stockwerk hört, verpackt er in diesen seinen ersten Stücktext. Und wie in diesem – nicht verorteten – Land erforderlich, reicht er es beim Kulturministerium ein.
Und hat Glück – oder auch nicht, wer weiß?!
Nicht irgendein Unterläufel, sondern der in der Hierarchie weit oben angesiedelte Ministeriumsdirektor Čelik, stets ohne Vornamen, kriegt es auf den Schreibtisch (Paul Wiborny, der auch in die Rolle des Standesbeamten schlüpft). Er lädt den Autor in sein Büro, um den Text zu besprechen.
Adem habe Talent, aber alles, was er da beschreibe, sei so negativ und voller Kraftausdrücke. Das Land brauche Positives, Aufbauendes.
Es sei doch einfach die Wahrheit und nichts anderes als diese, verteidigt der Verfasser seinen Text.
„Vielleicht. Aber du sprichst hier nur von einer oberflächlichen Wahrheit, reiner Realitätstreue… Kunst sagt einem nicht nur, was ist, sondern auch, was sein könnte. Und das ist, fürchte ich, das grundlegende Problem deines Stückes…“, so der Ober-Zensor.
Der Automechaniker hätte zwar das Werkzeug zum Schreiben, aber er müsste es halt richtig einsetzen. „Ein Spiegel ist kein Gemälde“, wird er später sagen. Aber er, der oberste Kulturbeamte, der immer wieder durchklingen lässt, eigentlich auch kompetenter zu sein als die Ministerin, sei ja ein Förderer junger, neuer Talente in allen Sparten der Kunst und Kultur und nicht so ein Abkanzler wie die unterrangigen Beamt:innen. Und so ermunterte Čelik seinen Gast, ein neues Stück zu schreiben – unter den von ihm genannten Eckpfeilern und ließ ihm von seiner neuen Mitarbeiterin Mei (Anna Zöch, auch als Braut im Einsatz) als Leitfaden eine Broschüre überreichen. Deutlich zu sehen deren Titel: 1984.
(Nicht nur) mit diesem Detail schlägt die Inszenierung von Co-Prinzipal des Theaters, Gerhard Werdeker, eine Brücke zur vorjährigen Aufführung des Dystopie-Klassikers von George Orwell (dabei führte Co-Direktorin Nicole Metzger Regie, die dieses Mal für die Dramaturgie verantwortlich zeichnet).
Doch was liefert Adem beim nächsten Mal? Ein wortgetreues Protokoll des ersten Treffens!
Habe er ihn etwa aufgenommen? Nein, er merke sich heben alles.
Aber was wolle er damit, gar den Ministeriumsdirektor auf die Schaufel nehmen?
Gerade diese Szene, aber auch das ganze Stück, so schreibt die Autorin Samantha Holcroft in einer Danksagung zu ihrem Stück, sei inspiriert vom Dramatiker und Filmemacher Lucien Bourjeily. Ihn sowie weitere libanesische und syrische Schriftsteller habe sie 2014 bei einem einwöchigen Schreibworkshop getroffen. „Bourjeily war von der libanesischen Zensur derart frustriert, dass er eine Satire schrieb, die innerhalb der
Zensurbehörde spielt – mit dem Titel „Will It Pass Or Not?“ Dann reichte er das Stück wahrhaft heroisch und dreist beim Ministerium zur Genehmigung ein. Es wurde (natürlich) sofort verboten, Luciens Reisepass anschließend beschlagnahmt.“ Wobei ihr Adem im „Spiegel“ nicht Lucien ist und Holcroft ihr Stück (2023 veröffentlicht) in einem fiktiven Land ansiedelt, mit dem tragischerweise immer mehr Staaten Ähnlichkeiten annehmen.
Zurück zum „Spiegel“: In seiner Kunstfreundlichkeit organisiert Čelik einen Workshop mit dem schreibenden Automechaniker und dem mittlerweile gefeierten Theaterautor Bax (Adrian Stowasser, switcht wenn’s hochzeitlich zugeht in den Trauzeugen). Auch den habe er gefördert und auf den rechten Weg gebracht, das Richtige zu schreiben…
Und da geht’s dann richtig rund. Im nächsten Schreibauftrag sollte Adem als Teilnehmer einer berühmten Schlacht von Kelline seine Erfahrungen in ein Stück verarbeiten. Bei diesem kleinen Workshop schlüpfen Čelik, Adem, Bax und Mei, bisher an den Rand gedrängte dienende Beamtin, nun aufblühend in ihrem soldatischen Element, in die Rollen von Bax‘ Erfolgsstück „Hauptmann Fikris Sichel.“
Durchgespielt, erlaubt sich Adem deutlich kundzutun, dass es sich so genau nicht zugetragen hat, ja nicht einmal möglich gewesen wäre…
Ab da kippt die Stimmung. Der Ober-Kulturbeamte sieht keine Chance mehr, den jungen Neo-Autor au Linie zu bringen. Wie sich das weiterentwickelt? Das Stück und die Inszenierung sowie das Schauspiel leben schon auch von den immer wieder überraschenden Wendungen…
Wie bei Orwells Klassiker geht es bei Holcroft zentral um die Frage von Wahrheit vs. Zurechtbiegen derselben. Allerdings legt die Autorin ihrem Protagonisten Čelik immer wieder auch durchaus schlaue Sätze in den Mund, Gedanken, die durchaus etwas für sich haben und nicht nur verwerflich scheinen.
Wobei sie Bax doch sagen lässt, dass der mehrmals als Vertreter der dumpfen, harten Zensoren genannte Garmsh wenigsten ehrlich sei. „Er schlägt die Leute. Du… verführst sie. Er reißt etwas aus den Skripten heraus. Du reißt etwas aus den Leuten heraus – Nein, nein, das stimmt nicht – du bringst uns dazu, etwas aus uns herauszureißen… was du tust, ist … viel heimtückischer“, hält er Čelik vor.
Neben der Auseinandersetzung um Wahrheit, Kunstfreiheit, Machtstrategien – brutal oder subtil – spielt auch eine weitere Handlungsebene eine Rolle: Mei, obwohl Sachbearbeiterin wird von Čelik eher als Sekretärin behandelt. Selbst als er ihr Theaterbesuche ermöglicht, lässt er mehr als nur durchblicken, dass er sich dabei mehr erwarte. Und als sie gar Adem privat besucht, ist auch sie auf seiner Abschussliste.
Der den Feinsinnigen Gebende trägt übrigens immer Handschuhe (Kostüme wie fast immer im Spielraum: Anna Pollack), was transportiert, dass er sich ja nicht die Hände schmutzig machen will.
Als Zeichen der „Sauberkeit“ sind alle Bühnenelement in weiß gehalten, genial der wandelbare große Schrank, als „Fotobox“ für die Hochzeitsbilder, als Teil des kleinen Wohnraums von Adem einer- und auf der anderen Seite des ebenso mickrigen Verschlags von Bax, als der auf dem absteigenden Ast ist… Für die Bühne zeichnen J-D und Samuel Schwarzmann verantwortlich, die beide auch kurze Schauspielauftritte haben. Wobei Samuel Schwarzmann eine weitere Brücke zur „1984“-Inszenierung vor einem Jahr darstellt. Da er bei einigen Terminen im November anderweitig im Einsatz ist, übernimmt mit Dana Proetsch ebenfalls eine Schauspielerin aus dem Spielraum-Orwell-Klassiker die beiden kleinen Rollen.
Emmi rennt durch den Park, um rechtzeitig ihre Freund:innen zu treffen. Da hört sie plötzlich eine Schreierei. Sie sieht, wie zwei Viertklässl’ler einen Schüler aus Emmis 1. Klasse schubsen und von ihm Geld fordern.
Ihr erster Gedanke: Mattis, so heißt ihr Klassenkamerad, ist „ein richtiger Blödmann, der immer Ärger macht… einen kleinen Denkzettel hat er bestimmt verdient.“
Aber je länger und ärger die beiden Älteren diesen Mattis mit Worten und Taten gewalttätig behandeln, desto mehr kommt in Emmi ein anderes Gefühl auf: „Zwei Große gegen einen Kleinen! Das ist kein Denkzettel. Das ist einfach eine riesengroße Gemeinheit!“
Sie allein dazwischengehen? Zumindest redet sie mit Mattis, als die beiden Missetäter sich verkrümeln. Und dann mit ihren Freund:innen und …
Nein, natürlich wird hier nicht alles verraten. Aber, dass was passieren muss und jede und jeder mit beitragen kann, Mobbing zu verhindern, wenigstens zu besprechen, das spielt sich auf den rund drei Dutzend Seiten in kurzen, knappen, einfachen Sätzen von Frauke Nahrgang und gezeichneten Bildern von Catharina Westphal ab. Samt vier Seiten am Ende mit Tipps, wie und was du vielleicht tun könntest, leider nur mit einer deutschen Nummer gegen Kummer, wäre fein gewesen, wenn der Verlag auch die österreichische Rat-auf-Draht-Telefonnummer 147 mit abgedruckt hätte.
Was das Buch aber auch noch besonders macht, es ist speziell für Erst-Leser:innen gestaltet, hat ein Wort mehr als eine Silbe, so sind diese Selben abwechselnd schwarz und blau gedruckt; das gilt natürlich auch für das erste Wort im Buchtitel „Zusammen sind wir stark!“
„Und Halloween naht – oh Schreck – auch noch heran,
für Junghexen heißt das: Man zeigt, was man kann!
Nur Kresse, der graut es, ihr fehlt jeder Mut;
denn eines steht fest: Zaubern kann sie nicht gut.“
Natürlich ist Kresse hier nicht die essbare Pflanze, sondern „nur“ der Name eines Mädchens, einer jungen Hexe. Während alle anderen schon fliegen und Zaubertränke mixen können, geht bei Kresse fast immer alles schief. Noch bevor diese Künste auf dem Stundenplan stehen, ist sie von der Autorin Helen Docherty (Übersetzung aus dem Englischen: Fabienne Pfeiffer) in vierzeiligen Reimen und Illustrator Steven Lenton als Außenseiterin markiert – ohne den spitzen schwarzen Hut wie alle ihre Schulkolleg:innen und die Lehrerin; außerdem mit Gummistiefeln und grünen Fingern.
Die hängen mit ihrer Leidenschaft fürs Garteln zusammen. Und das kann sie hervorragend. Sie hat nicht nur den sprichwörtlichen grünen Daumen, mit dem Menschen bezeichnet werden, denen das gelingt, sondern eben zehn grüne Finger 😉
Alles, was sie einpflanzt, wächst und gedeiht prächtig – ob Erbsen, Bohnen, Kräuter und Zitronen, Obst und selbstverständlich auch Kresse, ihre Namensgeberin. Auch Kürbisse, was dem Bilderbuch auch in der deutschsprachigen Ausgabe den Titel „Die kleine Kürbishexe“ gab, im englischen Original heißt es hingegen „The Green-Fingered Witch“.
Und genau mit den Kürbissen rettet sie, die vorher von der Lehrerin immer wieder beschämt wird und an den Rand gedrängt, am liebsten gar nicht mehr in die Schule gehen würde, Halloween. Wie, nun das wird hier sicher nicht gespoilert 😉
Allzu viel darf und soll natürlich nicht verraten werden, lebt das abendliche Halloween-Special doch auch von Überraschungen, natürlich mit Gruselfaktor. Zwei Tagen nach der Premiere von „Circus Archetypus“, einer durchaus auch mit Ängsten – aus dem Unbewussten – spielenden Figuren-Theater-Performance mit Live-Musik im Schubert Theater (Wien-Alsergrund, 9. Bezirk), Stückbesprechung unten am Ende des Beitrages verlinkt, lädt das Circus- und Clownmuseum in der Leopoldstadt (2. Bezirk) beim Praterstern zur lust- und humorvollen Bearbeitung von „Coulrophobia“ ein. So heißt nicht nur das an drei Abenden laufende Programm zu Halloween (Details in der Info-Box am Ende). Das ist auch der Fachbegriff für die Angst vor Clowns, dazu etwas später.
Clownerie und Zauberkunst packen die Brüder Swatosch und ihre Söhne in Nummern, die einen mitunter ordentlich reißen, wie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… bei einem Probenbesuch am Vorabend der diesjährigen Premiere erleben durfte. Kopf in Kiste, Messer von links und rechts und noch dazu von oben durch … Natürlich, so viel darf wohl gespoilert werden, ohne Schrammen. „Aber angenehm ist’s nicht“, so Liam Fool, alias Andreas Swatosch zum Probenbesucher.
Wieder mit im Programm sehr aktiv der Jüngste der Fools Brothers, Ju Fool oder vielmehr Julian Swatosch. Der Elfjährige hat im Sommer Jonglieren gelernt, auch schon mit Keulen, was er immer wieder so zwischendurch und nebenbei übend vorzeigt. Er verleiht der tiefen, englischsprachigen Ansage mit der Warnung vor dem Grusel aus dem Off Mimik, Gestik und Körperhaltung im Scheinwerferlicht. Die aufgenommene Stimme gehört übrigens dem als „Anarcho-Clown“ international bekannt gewordenen Jango Edwards, der vor zwei Jahren verstorben ist und im Jahr davor hier im Circus- und Clownmuseum seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte. Bei diesem Hatte Julian, damals acht Jahre, die ganz junge Version Jangos verkörpert. „Ju Fool“, der auch schon ein eigenes Programm hat, zeichnet sich aber auch bei der probe durch ständiges Mitdenken mit Tipps aus. Und meldet sich sofort, als die Frage auftaucht, wer bringt bei der Kerzennummer den Tisch auf die Bühne, „dann spiel ich auch den Assistenten“.
Im zweiten Teil des Abends nach der Pause wird unter anderem zu einer „Therapie“ gegen die Titel-gebende Angst vor Clownerie geladen. Coulrophobia wird meist darauf zurückgeführt, dass durch die starke Schminke die wahren Gesichtszüge nicht erkennbar sind, und damit nicht gedeutet werden kann, was die Clownin / der Clown im Schilde führt. Und, das muss wohl auch zugegeben werden, es gibt natürlich wie in jedem Beruf so auch in diesem solche, die ihre Kunst nicht besonders gut können und dies dann oft mit übertriebener Lautstärke und billigen Tricks zu überspielen versuchen. Was wirklich Angst erzeugen kann.
Die „Therapie“ im Circus- und Clownmuseum erhebt natürlich keinen wirklich therapeutischen Anspruch, sondern arbeitet eben mit clownesken Mitteln, die zum Lachen bringen.
Es ist Zirkuszeit in Wien. Nach „Cagliostro“ mit Strauss-Musik und einer Story von Thomas Brezina im Zelt von Circus Roncalli und vor dem Halloween-Special „Coulrophobia“ (krankhafte Angst vor Clowns) auf der kleinen Bühne im Wiener Circus- & Clownmuseum hatte im Schubert Theater „Circus Archetypus“ seine Premiere.
Auf einer Bühne, die einem einigermaßen chaotisch mit Schachteln, Kisten und Koffern vollgestellten Abstellraum gleicht, packen Stefanie Elias und André Reitter manche Figuren aus solchen Behältnissen. Durch ihr Spiel erwecken sie diese zum Leben. Figuren (Puppenbau: Soffi Povo und Claudia Six) aus einem Zirkus-Umfeld, das sich erst durch Videoprojektionen auf das geordnete Chaos ergibt (Bühne & Ausstattung: Christoph Steiner; Kostüme: Lisa Zingerle).
Da ist zunächst der gar fürchterlich traurige Clown, der kunstvoll genötigt wird, die anderen zum Lachen zu bringen. Diesen spielen die beiden nicht nur mit der arm-langen Puppe, sondern mit Mütze, Mascherl (Fliege) und roter Nase auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten selbst als Ganzes. Genialer Moment bald nach Beginn als sie verkleidet lächelt, lacht, traurig dreinschaut und er einige Meter dahinter dieselben Grimassen schneidet, ohne ihr Gesicht sehen zu können, das sie natürlich dem Publikum entgegenstreckt.
„Im Schatten der Träume“ nennt das Theater den knapp mehr als einstündigen Circus-Abend im Untertitel, für den Co-Direktor Simon Meusburger das Buch geschrieben und Regie geführt hat. „Der Zirkus als Ort der Handlung war für mich schon bald klar“, verrät er Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… nach der umjubelten Premiere, auch wenn es keinen Zusammenhang mit dem in der kommenden Woche (4. November 2025) startendem „On the Edge“-Festival für experimentelle Zirkuskunst“ (seit 2020) zu tun hat, das in den beiden Häusern von Theater am Werk (Petersplatz und Kabelwerk) sowie erstmals auch im Dschungel Wien bis 15. November läuft, samt internationaler Vernetzung. Und last but not least nicht zu vergessen, gibt es in Wien seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten das Theater Olé.
In der Handlung selbst kramen die Spieler:innen aus den Kisten, Schachteln und Koffern sozusagen Unbewusstes hervor, das sich wie in Träumen in Bilder verwandelt und Grundmuster wie Ängste unter anderem vor Scheitern, Sehnsüchte und andere große Gefühle manifestiert, verkörpert in Figuren wie dem schon erwähnten Clown, einer Seiltänzerin, einer magischen übergroßen Persönlichkeit mit kleinen, sehr bekannten Zaubertricks. Meusburger nahm bei Szenen und vor allem deren Typen, Anleihe bei der „Theorie des kollektiven Unbewussten und der sogenannten Archetypen des Schweizer Psychoanalytikers Carl Gustav Jung (1875–1961)“, wie es in den Informationen zum Stück heißt.
Und so machen die Figuren scheinbar nicht immer das, was ihre Spieler:innen wollen, entwickeln eine Art Eigenleben, lassen sich auch hin und wieder nicht so schnell wieder einpacken und verräumen, wie das Bewusstsein gerne hätte 😉
Highlights in der Figurenwelt sind ein tierisches Wesen, irgendwie Hündchen mit Ansätzen zu einem Tausendfüßler, das sich jedenfalls aller Zirkus-Anweisungen widersetzt, sondern artistische Kunststücke „nur“ auf eigenen Antrieb vollführt. Und ein chinesischer Drachenkopf mit langem Stoffkörper, mit dem die Spieler:innen magische Momente auf die Bühne zaubern.
Eine eigene Klasse für sich – und dennoch, obwohl am Bühnenrand sitzend oder stehend – ist die Musikerin Roxanne Szankovich, Selbstbezeichnung „toxic violin“. Mit ihrer E-Geige samt Loop Station und so manch stimmakrobatischer Äußerung, liefert sie einerseits Begleitmusik und andererseits verleiht sie so mancher der Stimmungen des Unbewussten in dem wortlosen Stück gefühlvolle bis heftige Töne und Klänge. André Reitter führt in einer der Szenen das Zwiegespräch mit einer der von Stefanie Elias gespielten Figuren ausschließlich mittels eines Kazoos. Ansonsten kommt der einzige Text im „Circus Archetypus“ von den beiden (Puppen-)Spieler:innen gegen Ende, als sie das weltberühmte, melancholisch-sehnsuchtsvolle „Send in the Clowns“ von Stephen Joshua Sondheim (1930 – 2021) aus dem Musical „A Little Night Music“ (1973) anstimmen, wobei der Komponist und Texter Clowns stellvertretend für „Narren“ verstand. Das hier fast schon wie ein Schlusspunkt wirkt. Aber dann doch noch gebrochen wird, ob Happy oder nicht, das Ende soll offen bleiben…
Kugelrund lässt Zuzanna Kowalska den Mond Doppelseite für Doppelseite leuchten. Selbst dann, wenn er nicht (ganz) zu sehen ist, erhellt er den dunkelblauen Himmer (natürlich mit dem ihm von der Sonne geliehenen Licht). In weißer Schrift ist Lena Raubaums fantasievolle Geschichte in wenigen, knappen Sätzen zu lesen. Die Autorin dichtet dem Mond und den Sternen ein Problem an.
Letztere, für uns und hier den Mond und seine Zeichnerin eher klein wirkend, auch wenn sie in der Wirklichkeit meist riesengroß sind, liegen noch alle in einer Kiste vor dem Mond. Und der hat von der Autorin die Aufgabe zugeschreiben bekommen, die Sterne irgendwie am Himmel zu sortieren. Nach Größe, nach Gewicht, nach Helligkeit und dann in welcher Form – geometrisch, in Wellenlinien, oder…?
Jeweils einem dieser Überlegungen ist im Bilderbuch „Als der Mond die Sterne ordnen wollte“, eine Doppelseite gewidmet. Lassen die Sterne die ersten Überlegungen und Versuche noch so über sich ergehen, begannen sie beim Versuch, sie zu platzieren, zum ersten Mal ihren eigenen Willen kundzutun, indem sie …
… nein, mehr wird hier jetzt nicht verraten. Und schon gar nicht, wie die Geschichte in Wort und Bild weitergeht.
Im Buch findet sich übrigens auch ein QR-Code mit dem du zu einer – im Buchpreis inbegiffenen – Hörbuch-Version kommst, gelesen von der Autorin selbst, die auch das wunderbar kann. Wunderbar auch die Idee dieser Geschichte, die sich auf so manch andere „Ordnungsversuche“ übertragen lässt.
„Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn“ singt die Darstellerin. Was vielleicht schräg bis absurd klingen mag, ist eine sehr frühe, in leichtem, fast ohrwurmartigem Ton daherkommende Anklage gegen das, was als „häusliche Gewalt“ thematisiert wurde und wird. Und das rund um 1960, eher noch ein massives Tabu.
Während sich ihre Freundinnen und Verwandten alle den einen oder anderen Luxusartikel, meist zum Anziehen erträumten, wünscht sich die Sängerin eben einen Vorderzahn, „Den meinen schlug der Ferdinand mir ein“. Samt Erkenntnis: „Ich weiß bis heute nicht, warum er das getan / Aus Liebe kann es nicht gewesen sein.“
Mit einem schwarzen Fleck im Oberkiefer singt Rita Luksch diesen alten Schlager, einen der bekanntesten aus dem Universum des Duos Cissy Kraner (1918 – 2012) und Hugo Wiener (1904 – 1993). Sie sang und interpretierte, was er komponierte und textete; wobei Wiener auch für andere – und nicht nur Liedtexte – verfasste.
Die älteren im Publikum kennen diese alten Schlager, ihre Interpretin sowie den Verfasser der Musik und der Texte vielleicht, sehr wahrscheinlich sogar. Jüngeren werden sie aller Voraussicht nach (noch) nichts sagen. Wie auch immer, Rita und Georg O. Luksch (Multiinstrumentalist und mitunter verkleidet nicht nur als Hugo Wiener) laden mit ihrem rund zweistündigen Programm (eine Pause) ein auf eine amüsante, abwechslungsreiche musikalische Zeitreise und Ausflüge in die Geschichte. Hugo Wiener musste 1938 vor den Nazis, die die Macht übernommen hatten und von allzu vielen Bewohner:innen unterstützt wurden, flüchten. Und selbst das konnte er nur, weil ihm ein bekannter Schauspieler und Sänger (Fritz Imhoff) einen Blankoscheck für die „Reichsfluchtsteuer“ ausstellte.
Mit der Revuebühne Femina, die eine Einladung in die kolumbianische Hauptstadt Bogotá bekommen hatte, konnte er – aber nicht seine Familie, die später großteils in Konzentrationslagern ermordet wurde – entkommen; mit in der Crew Cissy Kraner, die eigentlich Gisela Maria Spitz hieß. Bei früheren Auftritten wurde oftmals ihr Name falsch geschrieben und so nutzte sie einen der Fehler Cissy statt Gisi als Beginn ihres Künstlerinnen-Namens.
In Südamerika heirateten die beiden, eröffneten in der Hauptstadt Venezuelas eine Bar mit ihrer beiden abendlichen Auftritten – sie singen, der Klavier spielend. Weshalb das Duo Rita und Georg O. Luksch ihren Abend auch „Cissy & Hugo a Caracas“ nennen; der ist übrigens noch bis fast Mitte November an den Wochenenden in der Theater Arche zu erleben – Details, siehe Info-Box am Ende des Beitrages. Die Bar, in der Cissy auf Spanische, Englisch, Französisch, Deutsch und Niederländisch sang, wurde bald zum Treffpunkt für geflüchtete Europäerinnen. Sie wurde aber so berühmt, dass auch manche Promis aus dem amerikanischen Kontinent zu Besuch kamen, unter anderem die First Lady aus den USA, Eleanor Roosevelt.
Mit gut einem halben Dutzend Umzügen – manche Kleidungsstücke oder Accessoires, inklusive einer Perücke liegen auf einem kleinen Tisch und einem Sessel bereit, andere holt sie aus der neben der Bühne liegenden Garderobe – singt Rita, die den Abend auch inszeniert hat und erklärende Zwischentexte verfasst hat, als Cissy Kraner. Ohne jedoch – wie so manch Original-Aufnahmen, die online zu finden sind – zu kopieren oder imitieren. Die berühmte Chanson-Sängerin brachte viele der Lieder oft selbstironisierend in einer Art kindertümelnder Akzentuierung zu Gehör. Rita Lukschs Interpretation ist eine eigene, meist ernster klingende.
Was ziemlich genau im Sinne des berühmten Vorbildes sein müsste, die eine eigen- und selbstständige Persönlichkeit gewesen sein muss, unter anderem entgegen familiärem Rat die Laufbahn als Sängerin und Kabarettistin einschlug, klassische Rollenbilder in den ihr von Hugo Wiener sozusagen auf den Leib geschriebenen Chansons humorvoll in Frage stellte bzw. ad absurdum führte.
Georg O. Luksch sitzt – wie stets in den Produktionen beider Gruppen, Ensemble 21 – wie in einer Art musikalischer Steuerungszentrale mit mehreren herkömmlichen, aber wie immer auch ungewöhnlichen Instrumenten. Hier hauptsächlich als Hugo Wiener an einer Klavier-Tastatur, bedient er aber auch ein Glockenspiel in einem aufgeklappten Kunststoff-Köfferchen, kleine Bongo-Trommeln und nicht zuletzt ein Theremin, ein vor rund 100 Jahren erfundenes elektronisches Instrument, das ganz ohne Berührung, aber über Annäherung und Distanz an die / von den Antennen Töne erzeugt. Der Multi-Instrumentalist hat übrigens direkten familiären Bezug zur Protagonistin. Sein, schon verstorbener, älterer Bruder Rudi hat als Akkordeonist Cissy Kraner begleitet und jahrelang das Konzertcafe Schmid Hansl geleitet, wo Cissy Kraner auch oft aufgetreten ist. Der Vater von Rudi und Georg, Georg Luksch senior, hat mit Hugo Wiener Nummern geschrieben.
Die Lukschs spielen nicht nur vorne auf der Bühne, sondern werden immer auch begleitet von Videos im Hintergrund. Sind die Bewegtbilder in vielen der anderen stücke eher experimenteller Natur, so hat Erich Heyduck dieses Mal viele historische Fotos und Dokumente von Kraner und Wiener zum Laufen gebracht – bis hin zur Passagierliste des Dampfers „Costa Rica“, mit dem die beiden von Amsterdam nach Bogotá flüchten konnten. „Diese Bilder hat uns die Autorin Ruth Contreras geschickt, ihre Eltern haben auch auf diesem Schiff Europa 1938 verlassen“, wie Rita Luksch Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… anvertraut.
dj-elektra-und-die-voll-oage-familie <— damals noch im Kinder-KURIER
Cora ist eher zurückhaltend bis zurückgezogen, zeichnet und malt gerne in jeder Pause, die sie nicht dem Opa im sommerlichen Familienhotel helfen muss. In einer der ersten Szenen des rund 36-minütigen sehr atmosphärischen, vielschichtigen Films „Bleistiftstriche“ muss sie vom alten Schreibtisch mit seinen Fächern und Laden aufstehen, Gepäck für neu angekommene Gäst:innen auf deren Zimmer bringen und fragt den Großvater um Hilfe, sie würde so gern Menschen zeichnen lernen. Der darauf praktisch nicht reagiert, weshalb sie sich das notwendige Wissen aus Büchern holt.
Irgendwie aus der Zeit gefallen wirkt die Szenerie, eine Art Landidylle, samt kleinem Schwimmbad, in einer Zeit, als es noch keine Smartphones gab.
Im Zentrum des Films steht die Begegnung, Annäherung und Distanzierung Coras zu und mit Emma, die hier im Hotel mit Familie einge-checkt hat. Die ungefähr gleichaltrige Jugendliche ist eine Art Gegenteil oder auch Wunschbild Coras. Offen geht sie auf alle(s) zu, stets mit einer kleinen Digitalkamera in Händen. Obwohl sie nur Französisch spricht, das Cora nicht kann, verstehen die beiden einander. Ihre gemeinsamen Sprachen sind einerseits das Beobachten samt bildhaftem Festhalten – auf Papier einer- und Kameraspeichere andererseits; und die zweite Sprache ist die Neugier auf Gefühle, die zu zaghafter und dann intensiver Nähe führt, dazwischen auch mit heftigem Abstoßen.
So manche der Szenen scheinen aber auch die ungestellte Frage aufzuwerfen, ob das alles zwischen den beiden Mädchen stattfindet oder sich „nur“ im Kopf von Cora abspielt. Für ihren Film wurde Alice Prosser (Drehbuch & Regie; Kamera: Luca Horak), kürzlich einer der Cash-for-Culture-Awards verliehen – mehr zu dieser Förderschiene der Stadt Wien für jugendliche Künstler:innen aller Sparten in einem schon vor einigen Tagen hier erschienen Beitrag, der unten verlinkt ist.
„Un.erfüllt schließt Fülle mit ein. Ich glaube, dass sich viele junge Menschen mit der Dynamik zwischen Cora und Emma identifizieren können. Es ist einfacher denn je, sich in der heutigen Zeit bloß in das Abbild eines anderen zu verlieben. Die Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit, in der wir uns befinden, überlässt häufig Einsamkeit, die gestillt werden will, aber von unserem Zeitgeist unverstanden bleibt“, schreibt die Künstlerin, die auch schon als Schauspielerin auf Bühnen stand zu ihrer ersten Regie-Arbeit auf der Homepage zum Film, ebenfalls unten – in der detaillierten Info-Box zum Film – verlinkt.
Für die Rolle der Cora konnte Prosser übrigens mit Emilia Lilith Warenski eine mittlerweile schon bekannte junge Filmdarstellerin (wurde heuer 21 Jahre) gewinnen; zuletzt war sie in der TV-Serie „School of Champions“ als ehrgeizige Außenseiterin in einem (fiktiven) Ski-Gymnasium zu erleben. Davor spielte die absolvierte Sport-Gymnasiastin, mit internationaler Erfahrung in Kletter-Wettkämpfen, eine Mountainbikerin im Kinofilm „Madison“ (dazu gab sie übrigens KiJuKU.at ein Interview, unten am Ende des Beitrages verlinkt) – und schon als junges Kind (9 Jahre) im Kinofilm „Rise Up! And Dance“.
Ehrgeizig ist auch Alice Prosser, die als Bühnen-Spielerin schon zwei Mal in Kurz-Interviews im Vorläufer von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, dem Kinder-KURIER vorgekommen ist, Links unten am Ende des Beitrages. „Ehrlich gesagt, ist es für mich ein Wunder, dass dieser Film trotz all der Hürden und Steine die uns auch in den Weg gelegt worden sind, tatsächlich real geworden ist“, schreibt sie in einer eMail an Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… mit der sie den Ansichts-Link zum ganzen Film geschickt hat. „Ein Beweis dafür, dass Glaube Berge versetzen kann und nur Mut zu Verletzlichkeit mich weiterbringt.“
Die unabhängige – nur durch einmalige 1000 Euro aus dem Programm Cash for Culture gefördert – Produktion konnte die Neo-Regisseurin wie sie betont nur „mit Riesen- Unterstützung von ca. 45 Nachwuchsfilmschaffenden aus Wien und Berlin, die alle ehrenamtlich und mit viel Herzblut mit mir darum gekämpft haben, realisieren“, namentlich erwähnt sie „unter anderem Leona Baucek und Philine Hammon, die beim Dreh und in der Vorbereitung als Produktion geholfen haben, aber auch Luca Horak als Kamerafrau, Emilia Leitner als Editorin, Jakob Stefansich als Szenenbildner, Veganes Catering von Selina Zesar.
Im Haus von meinem Opa und seiner Frau Gundi durften wir Holztrennwände aufstellen, Möbeln umstellen und neue aus Fundi einrichten, Sonnenschirme im Garten aufspannen und die Welt von Cora und Emma zum Leben zu erwecken. Wir hatten 12 Drehtage und haben uns insgesamt 4 Monate darauf vorbereitet.“
Den Wechsel vom Schauspiel auf der Bühne zu Drehbuch und Regie sozusagen auf die andere Seite des Geschehens und noch dazu in einem zwar verwandten aber doch einem anderen Medium beschreibt sie so: „Ich komme ursprünglich vom Schauspiel aber habe gemerkt, dass es für mich ein MUSS war, diese Vision zu schaffen und die Perspektive zu wechseln. Bewegt von dem inneren Wunsch zu verstehen, warum man sich manchmal so unerklärlich verbunden fühlt und wo „Ich“ anfängt und „Du“ aufhört. Warum „unerfüllte Lieben“ Fülle miteinschließt. Als ich diese Vision hatte, gab es kein Zurück mehr.“
Busstation Atzgersdorf Bildungscampus. Der an der Breitenfurter Straße mit einer hohen Nummer, fast schon 200 liegende Backsteinbau beherbergte viele Jahre nachdem die hier angesiedelte Sargfabrik dicht gemacht hatte, offene Kulturräume. Die große und eine kleinere Halle harren einer Renovierung und möglichen Nutzung. Dahinter und rundum, wo lange Brachland war, sind Wohnbauten und eben ein Bildungscampus sozusagen aus dem Boden geschossen. „F23“, das Kulturzentrum ist in den gleich dahinterliegenden neunstöckigen Bau ins Erdgeschoß, einen Teil des ersten Stocks sowie einen Teil des Kellers eingezogen. Der Keller – mit Schwingboden – ein Tanz- und Yogaraum.
In einem weiteren der hellen, mit großen Fensterfronten ausgestatteten Neubauten „residiert“ die Zentrale von Junge Theater Wien. Diese Initiative bringt neuerdings in diesem 23. Bezirk von Wien, namens Liesing, sowie in den Bezirken 10 (Favoriten), 11 (Simmering), 21 (Floridsdorf) und 22 (Donaustadt) darstellende Kunst – Sprech-, Tanz-, Musik- und Figurentheater, Performances, Neuen Zirkus – für ein junges Publikum (2 bis 22 Jahre) vor Ort.
Und hier fand knapp vor dem Nationalfeiertag die Uraufführung einer neu geschriebenen und -komponierten Version ausgehend von Ferdinand Raimunds Original-Zauberspiel „Die gefesselte Phantasie“ statt, in einer nicht nur stark verdichteten, sondern doch stark veränderten Version der Kinderoper.Wien / die Wiener Taschenoper.
Zunächst super verkürzt die Story: Auf der – im Original Halb-, hier ganzen – Insel Flora ist Phantasie allgegenwärtig. Alle hier dichten, singen, tanzen, komponieren, malen oder was auch immer. Böse Zauberschwestern – hier eine Person mit einer weiß und einer schwarz bemalten Gesichtshälfte – erobern die Idylle, nehmen die Phantasie gefangen. Nun geht es darum, diese wieder zu befreien. Und dabei spielt die Liebe der Königin von Flora, Hermione, zu Amphio, einem geheimnisvollen, dichtenden Schafhirten, eine große Rolle.
Sarah Scherer, hat sich für ihr Libretto, den Text einer Oper, nicht nur den Einbau einer Künstlichen Intelligenz (KI) ausgedacht, die digitale Avatare für Video-Projektionen (Stephanie Meisl), erschafft, sondern auch für viel Verwirrung sorgt. Der Hirte, der nicht nur seine Schafe, sondern dauern alles zählt, setzt, obwohl einen Abakus in Händen, dann nur auf 0 und 1. Allerdings ohne wirklich ins binäre Zahlensystem einzutauchen, sonst müsste er ja 0, 1, 11, 110, 101 statt nun 0, 1, 0, 1 und so weiter statt 1, 2, 3, 4, 5 zählen 😉 Aber das mag ein wenig unsympathisch besserwisserisch daherkommen.
Scherer führte auch Regie und bauten – auch schon in den Text – einen Kinder-Chor ein. Die rund eineinhalb jungen und jüngsten Sängerinnen und Sänger vom Campus Monte Laa (Favoriten, 10. Bezirk) sind natürlich DIE Rettung für die Phantasie. Christof Dienz komponierte für die rund einstündige Aufführung die Musik, die live von Benny Ommerzell (Synthesizer), Matti Felber (Schlagwerk) und Manu Mayr (E- und Kontrabass) auf engstem Raum (Bühne: Katarina Ravlic) neben den Sänger:innen gespielt wird.
Zu den Sänger:innen – Ana-Marija Brkić (Königin Hermione, Sopran), Brett Pruunsild (Haus- und Hofdichter Distichon, Bariton), Jakob Pejcic (dichtender Hirte Amphio, Tenor) und der doppelgesichtigen böse Zauberschwester (Mezzosopran, jetzt Johanna Zachhuber, im November dann Anna Clare Hauf) gesellt sich – ohne Gesang, dafür schon vor Beginn, wenn das Publikum in den Saal kommt, Witze erzählend Eszter Hollósi als Närrin (in Raimunds Original „natürlich“ ein Narr).
Der Saal im F23 ging bei der Premiere praktisch über, so manche Auftritte und Abgänge vor allem des Kinder-Chors mussten sich ihren Weg fast erst bahnen, umso größer der begeisterte Applaus am Ende, saßen die Zuschauer:innen doch fast mitten im Geschehen.
Die verdichtete, aber nie zu dichte Oper mit ihren Arien und amüsanten Zwischenspielen sowohl musikalischer als auch textlicher Art, witzigen Einfällen wie einem kleinen Wollschaf auf der Mütze Amphios oder ein riesiges „Papier“-Schiff des Hof-Dichters in einem Zeitungspapier-Anzug als nur eines der fantasievollen Kostüme (Denise Leisentritt) endet natürlich – wie auch Raimund Original vor fast 200 Jahren (1828) mit Happy End.
„Spring aus den Mustern / Denk quer, nicht gerade. / Wir brauchen ein Netz / Das größer ist als Zahlen!“, singt Hermione an Amphio gewandt. Und als die Phantasie wieder frei ist, singen hier viel ausführlichere Chöre, zunächst alle, dann der Hofdichter, sowie danach die Königin und der dichtende Hirte, den Schlusspunkt setzen die Kinder als Verkörperung der Phantasie: „Niemand gewinnt, niemand verliert / kein Weg ist fest / kein Ziel bestimmt, / Doch vor des Zufalls Melodie / verbeugt sich tief – die Phantasie!“
Mit hängendem Kopf zeichnet Tanja Komadina Dominik auf dem Heimweg aus dem Kindergarten mit seinem Vater. Dieser schaut zwar neugierig auf seinen Sohn, es kommt ihm aber auch kein Wort aus. „Und das sah den beiden überhaupt nicht ähnlich“, schreibt Autor Žiga X. Gombač (Übersetzung aus dem Slowenischen: Natalie Alexandra Zaleznik).
Wie munter und fantasievoll die beiden üblicherweise diesen Weg zurücklegen, kannst du auf der darauf folgenden Doppelseite des Bilderbuchs „Schnuffel und Hops“ sehen und lesen.
Aber an diesem Tag – nichs, nada, niente, nič, hiçlik… Papa vermutet, dass Dominik vielleicht Streit hatte, aber mehr als Schulterzucken auf die entsprechende Frage kann der Sohn nicht „sagen“, zumindest auf den ersten Seiten.
Da greift der Vater zu einem Umweg-Trick. Er kündig überraschenden Besuch im Kinderzimmer an. Rollo runter, Lampe an – und mit seinen Händen „zaubert“ der Vater Nachbars Hund und Omas Hasen als Schatten an die Wand. „Schnuffel und Hops kannst du alles anvertrauen“, meint Papa. „Bei ihnen sind Geheimnisse gut aufgehoben. Nicht wahr, ihr zwei?“ Die Schattentiere nicken.
Das lockert die verkrampfte Atmosphäre und Dominiks Kindergartenstreit mit seinem besten Freund kommt zur Sprache. Über die Schattentiere hilft Papa seinem Sohn, für den Folgetag eine mögliche Lösung zu finden.
Auch so kann ein Konflikt, ein Problem bearbeitet werden 😉
Ungefähr in der Mitte der Bühne steht senkrecht ein weißer, breiter Schlauch. Einfach so. Und das noch länger. Selbst als die Tänzerin Lilian Mosquera auf die Bühne stürmt, laufend, turnend, tanzend umherwirbelt. Eine kleine Röhre in der Hand, verwendet sie diese für die eine oder andere Turnübung – Brücke, verkehrte Brücke, da als Kopfstütze…-, dann wieder zum Abmessen ihres Körpers.
„Was kommt aus der Röhre?“ heißt die rund halbstündige Performance, in der sie gemeinsam mit Gisela de Paz Solvas, die überraschend auftaucht, tanzt; mal mit-, dann wieder gegeneinander – und mit mehr als einem Dutzend bunter Röhren. Eine nach der anderen kommt aus dem zu Beginn genannten Schlauch geflogen – kleine, größere, schmale, dicke, alle bunt bemalt. Auch der Schlauch selber „tanzt“, verwandelt seine Form – „das sind ja Tiere“, kommentiert eines der vielen sehr jungen Kinder bei der Wien-Premiere dieses Gastspiels aus dem deutschen Leipzig diese magischen Momente.
Raupe, Schlangen, Frosch und für die einen oder anderen auch noch so manch andere Tiere sind zu sehen oder erahnen.
Was wie Kunststoffröhren aussieht, ist – wie die beiden nach der Premiere auf Bühne 3 im Dschungel Wien (MuseumsQuartier) danach Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… verraten, „Pappe – aus dem Baumarkt, Kartonröhren für verschiedene meterweise verkaufte Materialien“; sozusagen stärkere Klopapier-Rollen, wie sie gerade in jungen Kinder-Jahren auch zum Basteln von allem Möglichen verwendet werden. „Es war aber gar nicht so einfach die zu kriegen, zuerst wollten die uns diese Rollen nicht einmal verkaufen“, erzählt Lilian Mosquera, die das Konzept für die Performance hatte und neben dem eigenen Tanz auch noch Regie führte (Dramaturgie und Co-Regie: Ute Kahmann; Musik: Fabian Widmann; Kostüme: Julia Wassner)
Aus den vielen Röhren bauen die beiden im Tanz eine Art Wald, stoßen den wieder um, einen Slalom-Parcours, durch und auf dem sie tanzen und turnen – wobei Gisela de Paz Solvas dabei von Schlangen erzählt, die gerne kuscheln und sogar Geschwister erkennen, die sie lange nicht getroffen haben. Das hat zumindest der US-amerikanische Biologe Rulon Clark von der Cornell University in Ithaca für Waldklapperschlangen herausgfunden, ist im Internet zu finden (Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society: Biology Letters“, Mai 2024).
Morgan Skinner, Doktorand für Verhaltensökologie an der Wilfrid Laurier University (Kanada) beobachte Östliche Strumpbandnattern und kontrollierten Labor-Versuchsbedingungen und kam zum Schluss: „Alle Tiere, sogar Schlangen, müssen mit anderen interagieren.“ Wobei er da keine Vorlieben für Verwandtschaft feststellte, aber für zufällig entstandene „Freundschaften“, zu denen Schlangen, die er aus ihrem Umfeld trennte, zurückkriechen.
Dieses und anderes Miteinander verpacken die beiden Tänzerinnen ebenso in Szenen wie auch heftiges Gegeneinander, wobei die körperliche Bewegung dabei die Gefühle, die vermittelt werden wollen, doch stark überlagert.
Die wenigen Worte und Sätze, unter anderem die Wörter für die verschiedenen Farben der Röhren, kommen in drei Sprachen – neben Deutsch noch den Erstsprachen der beiden Tänzerinnen Spanisch (Lilian Mosquera aus dem kolumbianischen Bogota) sowie Katalan (Gisela de Paz Solvas aus Barcelona, Spanien).
War es vor zwei Jahren eine rote Mütze aus Franks Produktion, mit der Autor und Illustrator Sean E. Avery seinen Außenseiter in der Pinguin-Kolonie zwischen Buchdeckeln kennzeichnete und zum Helden machte, so lässt er Neville nun im ansonsten fast nur schwarz-weiß-Land durch eine rote Schnur als Art Pfoten-Reifen erkennen.
Und natürlich durch Risikofreude, Mut und Furchtlosigkeit. In „Neville gibt nicht auf“ (Übersetzung: Susanne Weber) wird er wieder von einem Killewald verschluckt. Diesmal trifft er im Bauch des riesigen Meeres-Säugetieres auf Robbe Walter, die sich ihrem Schicksal zu ergeben scheint. Und auf ein geräumiges möbliertes Wohnzimmer.
Und wie es der Titel verspricht, dieser Pinguin gibt nicht klein bei, und aufgeben ist schon gar keine Kategorie für Neville. „Wir sind noch nicht gegessen!“, versichert er sich, dem mitverschluckten Kumpel – und natürlich dir und dir und dir und allen anderen Leser:innen. Auch wenn’s noch so ausweglos ausschaut, sucht (nicht nur) der kleine Pinguin nach einem Weg aus dem Dunkel ins Licht…
Als hätte jemand ein Labor für Ries:innen gebaut, stehen die Behälter mit grüner, gelber, violetter Flüssigkeit in der Ausstellungshalle „Freiraum“ in der Vorderfront des Wiener MuseumsQuartiers. Schläuche verbinden die Reaktoren, in denen es blubbert. Dazwischen liegt eine U-Boo-ähnliche Maschine, im Hintergrund, knapp vor dem Durchgang in den Hof mit Kindermuseum Zoom, Kinderinfo und Theaterhaus für junges Publikum, Dschungel Wien, fährt eine Pferdekopfpumpe geräuschvoll auf und ab.
Schließlich thront eine Riesen-Monsterspinne im chronologisch letzten Raum, der auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs liegt, über einer Mega-3D-Drucker-Konstruktion. Eines ihrer Beine steckt in einem Behälter mit gelblicher Flüssigkeit – dazu später. Vor der Spinne liegt auf einem Tisch ein halber weißer 3D gedruckter Riesen-Menschenkopf, teils gefüllt mit schwarzen Kugel-Verbindungen. In einer Ecke lehnt tief gesunken eine Art Comic-Figur mit Kugelkopf, ebensolchen Händen und Füßen und einem sackartigen Körper.
Das Labor ist auch tatsächlich ein solches. Der Künstler, vor allem Bildhauer, Thomas Feuerstein hat „Metabolica“, so nennt er seine Installation, 2017 begonnen, im Vorjahr beim Ars Electronica Festival in Linz – zum Thema Hope- who will turn the tide (Hoffnung – wer wird das Blatt wenden) – aufgebaut und nun ist dieser künstlerisch gestaltete Stoffwechselprozess in Wien zu beobachten, erleben, und bestaunen. Was hier entsteht: Biologischer Kunststoff – aus uuuuuuuralten Mitteln, winzigsten Grünalgen, gut zweieinhalb Milliarden alt, wie Feuerstein Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… erklärt, und Bakterien, die auch schon Millionen Jahre existieren.
Die beiden Elemente treten durch ihre Interaktion in einen Stoffwechselprozess, die Bakterien sorgen dafür, dass die einzelligen Grünalgen Fettsäure produzieren, und die Bakterien wandeln diesen in den Bio-Kunststoff PHB (Polyhydroxydbutyrat) um. In weiteren der Maschinen wird die Flüssigkeit entzogen und dieser neue Stoff kann als feines, weißes Granulat geerntet werden.
Im 3D-Drucker erhitzt, „spuckt“ dieser die ihm einprogrammierten Objekte weiß aus. Aufgekocht werden sie, wie der Künstler dem Journalisten anvertraut, braun – was die anders modellierten Spinnenbeine erklärt. Eines der Spinnenbeine steckt wiederum in einem Behälter mit Flüssigkeit und diesen Bakterien, die nun wiederum das Objekt nach und nach zersetzen. Der Bio-Kunststoff ist natürlich auch biologisch abbaubar. In einem Video auf seiner Homepage nennt der Thomas Feuerstein als ein sehr praktisches Beispiel für ein mögliche Anwendung große Fischernetzte, die nicht selten irgendwann im Meer verfangen und nach und nach zu Mikroplastik werden, mit PHB aber schlicht und ergreifend sich relativ rasch natürlich auflösen würden.
Der Kreislauf wäre geschlossen – als Symbol für dieses Rund von Entstehen und Vergehen wählte der Künstler unter anderem Ouroboros, den Kreis aus einer Schlange oder einem Drachen die bzw. der sich in den Schwanz beißt – wörtliche Bedeutung aus dem Altgriechischen: „Schwanzverzehrender“, ein Bild, das es aber auch schon im Alten Ägypten gab. Wie eine Art Teil einer Ausgrabung von Fossilien hat Feuerstein für eine Vitrine in der Ausstellung ein halbes Skelett eines solchen Wesens – aus dem Biokunststoff modelliert.
Als Bildhauer gehe er zunächst einmal vom Material aus, erzählt er in der Ausstellung / Installation auch bei der Präsentation des Katalogs. Während er aber bei Arbeiten mit Marmor oder anderen harten Materialien den Werkstoff und Werkzeug brauche, seien hier die Algen und Bakterien gleichzeitig beides, sie seien sozusagen „künstlerische Kollaborateur:innen“, weil sie durch ihren Stoffwechsel (Metabolismus) erst das neue Material erschaffen.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…. wollte von Thomas Feuerstein wissen, wie er zur Bildhauerei gekommen ist. „Ich hab schon als sehr junges Kind, so zwischen vier und sieben Jahren aus Ton Skulpturen gemach, immer Elefanten. Von ganz klein und dann immer größer. Ich weiß noch, eines Tages wollte ich damals eine Skulptur bauen, die so groß ist wie ein echter Elefant. Später hab ich dann viel gezeichnet, fotografiert, Filme mit einer Super 8-Millimeter Kamera gedreht. Und mit 18 hab ich mit einem Freund gemeinsam einen Keller zum Atelier gemacht, wo wir große Skulpturen gebaut haben.“
… ist weit mehr als die Beschreibung der Objekte, der Prozesse und der Idee dahinter. Philosophische, grundsätzliche Fragen werden hierin ebenso erörtert wie der bildende Künstler auch seine literarischen Qualitäten manifestierte – indem er viele seiner Gedanken in eine Fantasie-Geschichte verpackte, für die er die Hauptfigur Baha – als Anagramm von Ahab, und zwar jenem Kapitän aus Herman Melvilles „Moby Dick“, erfand.
In die Figur Lukrezia legt er seine eigene Begeisterung für PHB, indem er diese Forscherin sagen lässt: „Die Bakterien sind die neuen Verbündeten. Sie sind die Architekten und Bildhauer unserer Zeit. Die Welt braucht einen revolutionären Werkstoff zur Realisierung utopischer Erneuerung.“
Rund 15 Seiten später sagt sie zum nach etlichen abenteuerlichen Erlebnissen erschöpften Baha: „Du bist viele; dein Name ist Legion. Alles, was jemals auf der Erde gelebt hat, ist in dir. Ammoniak, Sulfide, Kohlenwasserstoffe, atomare Kopulation, molekularer Sex. In deinem Darm feiern Archaeen, Bakterien, Viren eine orgiastische Genese. Du bist nicht Mensch, Mann oder Frau. Du bist das Leben der vielen Geschlechter. Du bist Wirt, Symbiont und Holobiont für eine neue Kunst…“
Entweder rund um die weltgrößte Spielwaren-Fachmesse in Nürnberg Ende Jänner / Anfang Februar oder irgendwann im Herbst – rechtzeitig vor dem für die Branche verkaufswichtigsten Wochen vor Weihnachten – stellen einschlägige Unternehmen ihre Neuheiten vor. So geschehen kürzlich in Wien, zufällig an ein und demselben Tag präsentierte sich Nürnberger Jubiläums-Ausgabe – zum 75. Mal und der bekannte Produzent Schmidt-Spiele zeigte die Neuheiten. Neu dabei: Diesmal gab es auch schon Aussicht auf ein Spiel, das erst in der Endfertigung ist: „Morty Sorty Magic Shop“ – mit zwei Wien-Bezügen.
Erstens lebt der Erfinder Markus Slawitscheck hier und unterrichtet Mathematik an der HTL Spengergasse. Und zweitens war eine der Inspirationsquellen für dieses Spiel der weltberühmte Naschmarkt zwischen der Linken und Rechten Wienzeile über dem Wienfluss zwischen Karlsplatz und Kettenbrückengasse.
„Ich wollte ein Spiel rund um Sortieren von Zahlen entwickeln“, erzählt er den Ausgangspunkt für die Entwicklung des Brettspiels mir Regalen, das noch auf die letzten Design-Schliffe wartet, bevor es in die Produktion geht, in Nürnberg bei der Messe mit an die 60.000 Fach- und Handels-Besucher:innen, fertig spielbar ist und in den Frühjahr in den Verkauf kommt. Einen Prototyp hat er zur Vorstellung der Schmidt-Neuheiten mitgebracht.
„Am Naschmarkt haben mich die wunderschön sortierten Waren – Gewürze, Oliven, Obst, Süßigkeiten… – zum Konzept eines Verkaufsladens angeregt, in dem Zahlen sortiert werden sollten. Slawitschek wurde erst mit Mitte 20 Lehrer, davor arbeitete er nach der Matura als Programmierer, „aber ich hab schon viel Nachhilfe gegeben und dann Lehramt für Mathe und Physik studiert. Ich unterrichte gern Mathe“, lächelt er im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… während er die Prototypen-Teile der Spielfelder auflegt. Die sind nun nicht auf dem Naschmarkt, sondern in einem zauberhaften Laden namens „Morty Sorty Magic Shop“ angesiedelt – einerseits Veränderung beim Entwickeln und andererseits auch Marketing-Idee aus dem Spieleverlag.
Übrigens, seinen bisher größten Erfolg, „Die magischen Schlüssel“, hatte er gemeinsam mit Arno Steinwender, ebenfalls studierter Wiener Mathe- und Physiklehrer (Illustration: Camillia Peyroux, Australien) erzielt: Im Vorjahr wurde es zum Kinderspiel des Jahres vom Verein „Spiel des Jahres“ gekürt. Steinwender, einer der Top-Spiele-Erfinder Österreichs, unter anderem Smart 10, das in Variation seit einigen Jahren im Fernsehen läuft, kann mittlerweile von seiner Leidenschaft leben und ist aus der Schule ausgestiegen. Slawitschek unterrichtet aber auch erst seit einigen Jahren.
Auch der Autor des Kinderspiel des Folgejahrs (2025), Wolfgang Warsch, war Teil des Podiums des Schmidt-Spiele-Mediengesprächs – neben Geschäftsführer Axel Kaldenhoven und Produktmanager Bastian Herfurth – vor einigen Tagen. Passen zu seinem Spiel „Topp die Torte“ wurde – mit Sprühkerze versehen – eine dreistöckige echte Torte mit dem Spiele-Logo in den Raum im Traditions-Café Landtmann geschoben.
Warsch ist übrigens Wissenschafter und zwar Molekularbiologe, Spezialgebiet Krebsforschung. Neben Auszeichnungen für Forschungsarbeiten hat er auch schon etliche Preise für Brett- und Kartenspiele abgeräumt, unter andrem „Die Quacksalber von Quedlinburg“ sowie „Mit Quacks & Co. Nach Quedlingburg“.
Auch schon clever – Dschungelparty
Neue Variante des beliebten Würfelspiels – statt Torte und Kerzen erwarten die Spielenden nun Affen, Elefanten, Blumen und Schmetterlinge.
Autor: Wolfgang Warsch; 2-4 Spieler:innen; ab 6 Jahren; ca. ¼ Stunde; UVP (unverbindlicher Verkaufspreis): 14,99€
Greif zu!
Schnell erkennen, noch schneller zugreifen und am Ende die meisten Plättchen abräumen. Kunterbuntes Reaktionsspiel.
Autor: Wolfgang Kramer; 2-4 Spieler:innen; ab 4 Jahren; ca. 5-10 Minunten; UVP: 14,99€
Turm der Tiere
Acht quirlige Tierpaare genießen ihr friedliches Zusammenleben, aber ein listiger Zauberer hat es auf den glitzernden Edelsteinschatz der Tiere abgesehen und belegt den ganzen Turm mit einem mächtigen Fluch. Plötzlich sind alle Räume, in denen sich je ein Tier zurückgezogen hat, verschwunden – und Igel, Fuchs, Eule und Co. gleich mit. Der Scharfsinn der Mitspieler:innen ist gefragt: Wer hilft den verschreckten Bewohnern, wieder zueinanderzufinden und kann den Zauberspruch aufheben?
Autorin: Sophie Wagner; Memo- und Suchspiel; 2 bis 4 Spieler:innen; ab 5 Jahren; ca. 20 Minunten; UVP: 27,99€
Der geheimnisvolle Brunnen
Vier mutige Freund:innen und die große Wasserwichtel-Prüfung: Mila, Vicky, Linus und Conrad müssen herauszufinden, welche Wichtel sich tief unten im Dunkel des Brunnens verstecken. Doch Vorsicht – wer voreilig seinen Frosch platziert, geht vielleicht leer aus.
Autor:innen: drei Magier; Tippspiel; 2 bis 4 Spieler:innen; ab 5 Jahren; ca. 25 Minuten; 38,99€
Gardlings
Spieler:innen errichten Runde für Runde ihren eigenen Garten und versuchen wertvolle Edelsteine und Münzen zu puzzeln. Nur wer auf die passenden Gardlings setzt und die Gnome möglichst fernhält, hat die Chance auf den Sieg.
Autor:innen: Kristian A Østby (Dr Ø) & Maria Østby; Bag-Building-Spiel; 1-5 Spieler:innen; ab 8 Jahren; ca. ½ Stunden; UVP: 32,99€
DOG® Avatar
Basierend auf dem bekannten DOG®-Spielprinzip, treten die Spieler:innen diesmal nicht nur mit ihren Figuren an, sondern können völlig neue Abkürzungen nutzen sowie den mächtigen Avatar aktivieren. Als offizielles Lizenzspiel zur Kultserie „Avatar – Der Herr der Elemente“ verbindet diese Edition das klassische DOG®-Spielgefühl mit der faszinierenden Welt der vier Elemente – Feuer, Wasser, Erde, Luft.
Redaktion: Nicolas Niegsch; Grafik: Alexander Wollinsky; Brett- und Kartenspiel; 2-4 Spieler:innen; ab 8 Jahren; ca. ¾ Stunde; UVP: 32,99€
Kavango
Die Spieler:innen übernehmen die Rolle von engagierten Expert:innen, die sich dem Aufbau und Erhalt eines der artenreichsten Naturschutzgebiete der Erde widmen. Im Fokus steht die gleichnamige Region im Südwesten Afrikas (Namibia), ein einzigartiges Ökosystem, das durch verantwortungsbewusste Entscheidungen, kluge Planung und gezielte Investitionen geschützt und weiterentwickelt werden soll. „Kavango“ verbindet Naturschutz mit Spielspaß und lädt zu einer strategischen Reise in eine faszinierende, aber leider auch bedrohte (Tier-)Welt ein.
Autor:innen: Matt Brown & Zara Reid; Karten-Strategie-Spiel; 1-4 Spieler:innen; ab 10 Jahren; ca. eine Stunde; UVP: 54,99€
My Seven
In diesem neuen Legespiel geben clevere Kombinationen und strategisches Tauschen den Ausschlag. Tiersteine nehmen, Familien bilden, Joker richtig einsetzen und im entscheidenden Moment das Spiel beenden: bunt, zugänglich und voller überraschender Wendungen lädt „My Seven“ zum cleveren Kombinieren ein. Wer genau hinsieht, kann geschickt auf die Auslagen der Mitspielenden zugreifen und so die besten Kombinationen legen.
Autor: Michael Schacht; Brettspiel; 2-4 Spieler:innen; ab 8 Jahren; ca. 20 Minunten; UVP: 32,99€
Qwirkle Flex…
… folgt den gleichen Regeln wie das Original und erhält durch die neuen Hintergründe der Steine einen frischen Twist. Das Kombinationsspiel behält dabei das einfache Ziel, Reihen aus gleichen Farben oder Formen zu legen, bei. Doch nun eröffnen diagonale Anordnungen gleicher Hintergründe neue Möglichkeiten zur Punktejagd.
Autorin: Susan McKinley Ross; Kombinationsspiel; 2-4 Spieler:innen; ab 7 Jahren; ca. ½ Stunde; UVP: 37,99€
Clear 4
In dem kurzweiligen Ablegespiel geht es darum, die eigenen Handkarten sowie die vor sich liegenden Kartenstapel geschickt zu kombinieren und auf dem Ablagestapel loszuwerden. Mit jedem Zug wächst dieser weiter bis ihn jemand nehmen muss, ein Rückschritt auf dem Weg zum Sieg – und nur ein erlösendes „Clear 4“ kann dies verhindern.
Autor:innen: Joe & Christine Ward; Kartenablegespiel; 2-6 Spieler:innen; ab 8 Jahren; ca. ¼ Stunden; UVP: 14,99€
Rote Schuhe und Handschuhe zum schwarzen Gewand der eine, eine rote Jacke die andere, ein Dritter mit ebensolcher kurzer Hose und der Vierte mit rotem Hemdkragen unterm dunklen Pullover. Die vier Schauspieler:innen Vinzent Gebesmair, Alexandra Diana Nedel, Jakob Schmölzer und Levi R. Kuhr sitzen verteilt auf Plätzen zwischen Zuschauer:innen der Kammerspiele-Studiobühne des Linzer Landestheaters. Sie stimmen – verteilt – mit Sätzen über Schwarz-Weiß-Fotos eines kleinen Zoos in einer Gegend mit schönen Häusern für die einen und Bruchbuden für die anderen, auf das Stück ein.
Auf und zwischen Betonblöcken, die an Mahnmale gegen Krieg und Faschismus erinnern (Bühne und Kostüme: Mona Hapke), mit einigen orange-rostig wirkenden Drahtbügeln und -griffen, sowie einem großen, kleinkarierten Gitterdeckel schlüpfen die vier dann auf der Bühne vor allem in die immer wieder wechselnden Rollen der hier gefangenen Tiere: Von sich zu Chefs aufspielenden Pavianen über Mufflons, ein turtelndes Pärchen schwarzer Trauer-Schwäne aus Frankreich, die sich mit vornehm klingender entsprechender Sprachfärbung ihres Deutsch als Madamm und Mössio abheben, bis zu Eichhörnchen und vor allem einem starke Gefühle zeigenden Murmeltier-Mädchen. Dieses zeigt sich bewegt vom Tod des Nashorns, das eines Tages – mit traurigem Blick – das Leben aushauchte.
Frost? Heimweh? Oder könnte es noch einen anderen Grund für dessen Tod geben? Das legt immerhin der Titel des Stücks nahe, das zu den meistgespielten im deutschsprachigen Raum zählt: „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“. Auf dieser anderen Seite stand das Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar – mit eingesperrten dürren Zebrawesen auf zwei Beinen, rechtlos gehaltenen Menschen, geknechtet von Artgenossen, den „Gestiefelten“.
Jens Raschke hat das Stück vor mehr als zehn Jahren geschrieben, nachdem er sich mit dem historischen Vorbild dieses Tiergartens intensiv beschäftigt hatte: Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald mussten tatsächlich einen Tiergarten zur Belustigung des KZ-Wachpersonals bauen, nur durch einen Zaun von ihrem eigenen Gefangenenlager entfernt. Übrigens, Sonntags machten Familien aus Weimar Ausflüge in diesen Zoo!
Der Autor siedelt das Geschehen in der Welt der Tiere an und lässt alles aus deren Perspektive spielen, pflanzt ihnen allerdings unterschiedliche menschliche Verhaltensweisen ein – das Rezept aller Fabeln. Affen als Diener der Gestiefelten maßregeln Tiere wie das Murmeltiermädchen, das sich Fragen nach dem Grund von Nashorns Traurigkeit stellt. Vor allem die vielen Fragen des neu angekommenen Bären nerven die Hilfs-Kapos, wollen den Bären zum Schweigen veranlassen, er möge sich angepasst verhalten, das wäre für sie alle besser… Andere sind sich zwar unsicher, ob da drüben alles mit rechten Dingen zugehe, wollen sich aber lieber nicht einmischen…
Der Bär aus Sibirien – oder wie Murmeltierkind sagt Sibärien – wundert sich unter anderem darüber, weshalb es da – im Waldgebiet – gar keine Vögel gibt; übrigens auch das eine historische Tatsache. Ob es an dem ekelig nach verbranntem Menschenfleisch riechenden Rauch aus dem Schlot hinter dem Zaun liegt? „Hier stinkt doch etwas gewaltig!“
Während es praktisch alle Tiere, die der Autor in sein Stück einbaute, gab, erfand er den neuen Bären, den er dann auch ein dramatisches, spannendes Ende vollbringen lässt, das hier nicht gespoilert werden soll.
Das Ende der Handlung soll auch gar nicht im Zentrum stehen, sondern vielmehr die Fragen und das Nachdenken über das Verhalten der verschiedenen Tiere, stellvertretend für Menschen angesichts des – an sich nicht zu übersehenden – mörderischen Grauens auf der anderen Seite des Zauns. Das Spiel des Jungen Linzer Landestheaters (Regie: Nele Neitzke; Dramaturgie und Musik: David Baldessari) lässt da immer wieder auch Raum für stille Moment, um selber zu grübeln. Und hat zwei verschiedene Programmhefte – für Zuschauer:innen ab 10 bzw. 13 Jahren – mit fallweisen, ebenfalls aufgeteilten, Nachbesprechungen: Für die Älteren mit den Fakten von 280.000 eingesperrten Menschen zwischen 1937 und 1945, wovon rund 56.000 von den Nazis ermordet wurden bzw. den katastrophalen Haftbedingungen zum Opfer fielen. Für die Jüngeren werden eher Fragen nach dem Verhalten der Tiere gestellt und da vor allem nach dem Hinschauen und Mutig-Sein.
Nicht nur der Zoo neben dem Zaun zum Konzentrationslager Buchenwald war fast absurd wirkende Realität im Wahnsinn der Massenvernichtung menschlichen Lebens durch die Nazis. Im Konzentrationslager Mauthausen (Oberösterreich) fanden regelmäßig Fußballspiele von Häftlingsmannschaften statt und die SS-Mannschaft war ihrerseits Teil der oberösterreichischen Fußball-Liga, feierte 1944/45 den Herbstmeistertitel (Quelle: Mauthausen Memorial, KZ-Gedenkstätte, Link weiter unten).
mauthausen-memorial –> SS-und-Haeftlingsfussball-im-KZ-Komplex-Mauthausen-Gusen
Geschätzte fünf Dutzend der weltberühmten, fast allgegenwärtigen Kunststoff-Sessel – „Monobloc“ ist das meistverkaufte Möbelstück aller Zeiten – auf einem Sandstrand. Manche einzeln stehend, andere gestapelt, etliche durcheinander gewirbelt – was die Assoziationen zum Stücktitel herstellt: „Richterskala 7,8“.
Mit Letzterem wird bekanntlich die Stärke von Erdbeben angegeben, die genannten Größe wird mit „Zerstörung über weite Gebiete“ am oberen Ende der Skala – 10 wurde noch nie registriert – angegeben. Und natürlich – angesichts der beiden Schauspielerinnen Elif Bilici & Özge Dayan-Mair, die das Stück auch entwickelt haben, ergibt sich sofort die Assoziation zu den Erdstößen, die am 6. Februar 2023 den Südosten der Türkei und den Norden Syriens erschütterten. Ein zweites Erdbeben am selben Tag erreichte noch immer die Stärke 7,5. Folgen: mehr als 62.000 Tote, mehr als 125.000 Verletzte.
Doch das steht gar nicht im Zentrum der rund einstündigen Performance mit Sprechpassagen auf Deutsch, Wienerisch und Türkisch, Musik und einem an Derwisch erinnernden Tanz der Erstgenannten gegen Ende der Aufführung im Kabelwerk (Theater am Werk).
Durcheinander im Leben der beiden Künstlerinnen, die in Wien ihre Parallelen – erst bei Solidaritäts- und Charity-Aktionen für überlebende Opfer des genannten Erdbebens – kennengelernt haben, prägen das atmosphärisch, über weite Strecken sehr unaufgeregte Schauspiel, die Dialoge. Beide kommen aus Izmir (Ägäis-Küste), mit drei Millionen Einwohner:innen drittgrößte Stadt der Türkei, eine in der – so betonen sie -, Erdoğan noch nie eine Wahl gewonnen hat.
Altgriechisch hieß sie Smýrna, was antiken Quellen zufolge der Name einer Amazone war. Neben der Multikulturalität (Griechisch, Türkisch, Armenisch, Levantinisch) interpretieren die beiden Künstlerinnen dies als feministisches Signal. Bilici und Dayan-Mair fanden aber noch mehr Gemeinsamkeiten, so ist beider erste Heimat der Stadtteil Karşıyaka. Ebenso wollten sie beiden nach Europa und vermissen hier vor allem Meer und Sonne.
Aber nicht nur das, ihre Träume wurden immer wieder durch Ähnliches erschüttert. In der Türkei erworbenen Qualifikationen zählten ebenso wenig wie ihre Sprachkenntnisse. So hatte Özge Dayan-Mair in Istanbul Klassik-Konzerte organisiert, meldete sich auf ein Inserat der Staatsoper für eine Managementposition. Und wurde in einen Raum mit Barockkleidern gebeten, um auf der Straße Tickets zu verkaufen. Deutsch in und durch Sprachkurse stießen auf die Grenzen der Umgebung, die eine ganz andere Sprache zu verwenden scheinen – schau ma amoi.
Irgendwann dazwischen wird auch das besagte Erdbeben angesprochen – wobei in dieser Szene der „Saal oben“ im Kabelwerk in Dunkel getaucht wird -, aber auch damit verbunden, dass ein Gutteil der Zerstörungen auf illegale, nicht erdebeben-sichere Wohnbauten „dank“ korrupter Politiker zurückzuführen war, staatliche Hilfe kaum ankam und noch immer ein Gutteil der Überlebenden in Containern wohnen muss.
Der Ärger darüber und über die ablehnenden Erfahrungen und Erlebnisse in der neuen Heimat lässt vor allem in Elif Bilici bühnenreif Wut zum Beben bringen. Gibt es Hoffnung – und was ist eine solche überhaupt? Bin ich ein Mensch? Gehöre ich zu ihnen? Müssen wir bei jeder Wahl zittern? Und warum darf ich gar nicht wählen?
Philosophisch-politische Fragen verpacken die beiden Schauspielerinnen in diesem über lange Zeit entwickelten Stück (Martina Gredler; Dramaturgie: Anna Schober) mit Musik von Emanoel Bruckmüller, Çağrı Beklen, Dario Moreno (Her Akşam Votka, Rakı Ve Şarap / Sarhoş – Wodka, Raki und Wein jeden Abend / Betrunken) in teils poetische, mitunter wütende, aber auch weich-liebevolle Szenen (Nicht-Türkisch-Sprachler:innen lernen zwei türkische Wörter für Liebe kennen: Aşk & Sevgi), die immer wieder auch viel Raum und Zeit für mögliche eigene Assoziationen geben.
Ätsch, ausgetrickst. Bis der Hase sich totläuft, narren ihn Igel und Igelfrau mit ihren „ich bin schon da!“-Rufen. Wobei der Igel und seine Frau dies nicht aus Bösartigkeit tun, hat der Hase die Gattung der Stacheltiere zuvor aufs Übelste verspottet. Nein, so soll’s auf keinen Fall im Theater des Kindes zugehen, wenn die bekannte Fabel, die Eingang in die berühmte Sammlung der Gebrüder Grimm gefunden hatte, auf die Bühne kommen soll; wurde doch schon vor ziemlich genau einem Jahr auch das Bilderbuch „Wenn zwei sich streiten“ dramatisiert, um Konkurrenzkampf mit Augenzwinkern zu inszenieren – es wird in dieser Saison wieder aufgenommen; Link zur Stückbesprechung gleich hier unten.
Und so freut sich zwar Igel Igor (Christian Lemperle), dass er das Wettrennen gegen den viel Schnelleren Hasen Harry (Katharina Schraml) gewonnen hat, weil am Ziel Igelin Inge aus dem Gebüsch hüpft – diese übrigens als Schattenfigur. Als solche ist sie in einer früheren Szene auch mit Igor als solch Laser-ge-cuttete Figur samt den drei Igelkindern Ilvy, Ida und Ivo an anderer Stelle der Bühne (Harald Bodingbauer) in Erscheinung getreten.
Zurück zum „Wettlauf“: Igor kriegt aber mit, wie niedergeschlagen sein Konkurrent ist – und daraufhin ein ziemlich schlechtes Gewissen. Ängstlich aber doch, gesteht er den Trick. Und siehe da, der Hase triumphiert nicht, zeigt sich „nur“ erleichtert.
Beide erkunden in der Folge gemeinsam, was sie gut können und was genau nicht, im Schmatzen sind sie Weltmeister, im Jonglieren Nieten… Eine wunderbare Freundschaft der beiden beginnt – alle haben gewonnen, „Neu-Deutsch“ würde das wohl „win-win“ heißen (Regie: Sarah Gaderer).
Das seit mehr als 50 Jahren bestehende Linzer Theater machte der Autorin Nora Dirisamer, an die sie – wieder einmal – den Auftrag vergab, keine Vorgaben, wobei schon klar war – siehe Einleitung. Einerseits mögen doch schon sehr junge Kinder Wettbewerbe, beginnt diese im Gespräch nach der Premiere mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, aber andererseits sollte es natürlich eine Wende geben. Der Hase ist so schnell, weil er ein Fluchttier – und damit auch ängstlich ist. Und der Igel hat Angst, zuzugeben, dass er – gemeinsam mit der Igelin – getrickst hat.
Sich zu entschuldigen, um Verzeihung zu bitten, einen Fehler zuzugeben bedeutet (fast) immer große Überwindung. Nicht zuletzt auch aus der Angst vor der (möglichen) Reaktion. Dies rücken Autorin, Inszenierung und das Schauspiel der beiden Protagonist:innen ziemlich unaufgeregt ins Zentrum des Geschehens, aber „nur“ als Ausgangspunkt für die neu-gewonnene Freundschaft.
Schon bevor es zur Begegnung und zum „Wettrennen“ kommt, dreht Katharina Schraml als Hase Laufrunden nicht nur auf der Bühne, sondern zwischen den Publikumsreihen die Stufen hinauf, ins Theaterfoyer und wieder zurück. Und mit diversen Stangen und Bällen spielt sie noch so manch andere Sportart – vom Gewichtheben bis zum Kugelstoßen. Christian Lemperle als Igor Igel sollte eigentlich Nahrung für die Igelfamilie – als wie oben schon erwähnt Schattenfiguren – holen, trifft aber eben auf Harry, der ihn wegen seiner Kleinheit auslacht und böse Sprüche über ihn und seinesgleichen loslässt. Was erst den Plan des Tricks beim Wettlauf reifen lässt.
20.000 Besucher:innen in 232 Vorstellungen – dies ist die zahlenmäßige Bilanz des Linzer Theater des Kindes für die vergangene Saison 2024/25, womit die Bühne in der Langgasse auf eine Gesamtauslastung von 97 % gekommen ist, wie unlängst bei der Vorstellung des Programms der neuen Saison der künstlerische Leiter, Andreas Baumgartner stolz bekanntgab.
„Sherlock Holmes“ lockte in 54 Vorstellungen 6.611 Besucher:innen an, gefolgt von „Moby Dick“ (3.765 / 46 Vorstellungen und „Der Maulwurf und die Sterne“ (1.930 / 23). Insgesamt standen elf verschiedene Stücke auf dem Spielplan – zehn davon Ur- bzw. Erstaufführungen.
Link zur Stückbesprechung der Premiere hier unten
Manche Geschenke lassen sich nicht verpacken; das Ensemble des Theater des Kindes macht sich mit dieser Stückentwicklung auf eine Reise, in der Geschichten, Bräuche und persönliche Erfahrungen um Weihnachten ein wesentlicher Teil sein werden.
Stückentwicklung von Lena Matthews-Noske / Simone Neumayr / Katharina Schraml / Andreas Baumgartner / Harald Bodingbauer / Christian Lemperle; zu sehen ab 28. November 2025.
Eine traumhafte Freundschaft; Uraufführung nach dem Buch von Mira Lobe
Hannes kann gut tagträumen. Wenn er aus dem Fenster im Kindergarten auf die Hausmauer schaut, sieht er viele Tiere, die Wolke am Himmel ist ein Segelschiff und der Regen, der kommt von der Regenfrau. Genau diese will er basteln – und dafür braucht er Haare, darum schneidet er sich einfach eine seiner schwarzen Locken ab! Da wird ihm die Schere weggenommen. Und als die Kinder mit Buntpapier basteln, muss Hannes das Papier reißen, statt zu schneiden. Er rupft und zupft und plötzlich kommt ein Tier dabei heraus: der Bumpam! …
Regie: Caroline Richards; Dramaturgie: Peter Woy; Schauspiel: Lena Matthews-Noske, Simone Neumayr; ab 6. März 2026
Link zur Stückbesprechung von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hier unten
Link zur KiJuKU-Stückbesprechung hier unten
Ausgehend von einer Besprechung des Bilderbuchs von Linda Wolfsgruber und Gino Alberti, Vorausgeschichte Link hier unten
Zur Stückbesprechung von KiJuKU geht es hier unten
Link zur Stückbesprechung von KiJuKU.at hier unten
Nach dem Buch von Herman Melville
Stückfassung, Regie und Bühne: Mechthild Harnischmacher; Schauspiel: Lena Matthews-Noske, Simone Neumayr, Katharina Schraml; Kostüme: Hisu Park; Musik: David Baldessari; Choreografie: Izabela Soldaty; Dramaturgie: Peter Woy Lichtdesign: Natascha Woldrich; Regieassistenz und Requisiten: Felix Gfällner
Ab 7 Jahren; eine Stunde; ab Herbst 2025
Link zur Stückbesprechung von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hier unten
Ein behelmter Typ, Melodica blasend und mit umgehängter kleiner Trommel, kommt die Stufen von Pavillon 7 herunter, um auf dem Platz davor mit den ersten Schlägen sozusagen den „Startschuss“ zu geben. Von links und rechts wie aus dem finsteren Nichts tauchen Mitspieler:innen des Kollektivs Spitzwegerich auf und tragen, militärisch schreitend, zwei große Kartonschiffe heran. Diese zeichnen sich durch Gewehrtürme aus, ein U-Boot schaukelt ebenfalls heran. Alle Träger:innen konterkarieren die soldatesken Auftritte durch pyjama-ähnliche Monturen nur in hohen Stiefeln.
So startet die knapp eineinhalbstündige Performance „Boom Boom Pansenstich“ des genannten Kollektivs. Nach Rotz (R‘Ó´T`Z) und vor Wasser dreht sich die aktuelle – nur mehr bis Sonntag laufende – zweite Produktion der Trilogie der Fluide nach Gerhard Rühms Gedicht „Wean. Rean. Blean.“ um Blut. Dieser kostbare Saft war der Ausgangspunkt für den von der Gruppe dieses Mal beauftragten Autor, Max Höfler. Dieser war übrigens heuer mit einem seiner experimentellen Texte beim Ingeborg-Bachmann-Preis eingeladen, den Natascha Gangl gewann, die schon mehrmals Texte für die Spitzwegeriche verfasste. Die Gruppe verbindet, verknüpft, näht, filzt, kocht usw. ihre Stücke als Gesamtkunstwerk von Schau- und Puppenspiel mit krassen schrägen Objekten , starken Texten einer- und immer wieder vielschichtigem Humor andererseits, sowie überzeugendem, präzisem Schauspiel und sehr oft Live-Musik sowie Akustik-Performances.
Ein großes und kein leichtes Thema, meinte Höfler nach jener Aufführung, die Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… besuchte, zum Journalisten. Dann seinen ihm militärische Rang- und Ritual-Vorschriften untergekommen. Aus diesen zitierte er so manches, überhöhte dies, und bereicherte es um absurde, schräg, überdrehte Wort- und andere Bilder, fügte Figuren wie Schneewittchen (Katka Csanyiova), in deren Beschreibung ja Blut eines der drei zentralen Elemente ist, aber auch Pinguin (Rebekah Wild), Eisbär (Anna Hauf), Schlumpf (Flora Besenbäck), Banane (Sabrina Hager) und (Super-)Mario (Christian Schlechter) hinzu. Und machte alle Mitwirkenden ebenso wie das Publikum zu potenziellen, lernenden „Blutern“, denn „einmal muss alles aus sein“.
Das ohnehin. Doch hier wird das mögliche Ende immer wieder vorzeitig herbeigeführt. Gewehrsalvenkrach und aus dem Bullauge in der Vorplatz-Szene wird ein Loch, das herausgeklappte Bullauge ist durchgekreuzt, wie beim bekannten Spiel vor allem auf kariertem Papier – „Schifferl-versenken“, für das übrigens bei der Abendkassa Zettel zum Spielen während der Wartezeit auf das oder nach dem Stück aufliegen.
Im Pavillon selber geht es noch viel schräger zu – das (tod-)ernste Thema wird fast durchgängig mit ver-rückten Bildern, Aktionen und (gesungenen) Texten, begleitet von heftiger (Elektro-)Musik, schräg- und schwarz-humorig serviert, und damit verträglich und trotzallem immer wieder amüsant. Apropos serviert. Nach Ablegen „ziviler Panier“ wird das Publikum – immer zwischen roten von der Decke hängenden (Blut-)Fäden hindurch in einen Raum mit ur-langer Tafel gebeten, die belegt ist mit roten Wackel-Gugelhupfs und an Götterfrüchte erinnernden Gelee-Massen aus Puddingformen. Während Simon Dietersdorfer, Anna Hauf und Martin Hemmer heftigste Musik auf die Ohren des Publikums loslassen, beginnen so manche der wackeligen rötlich-durchscheinenden „Blut“-Gerichte auf dem langen Tisch hin und her zu fahren, die Papierwand gegenüber dem Musik-Trio wird durchschnitten und als Handpuppe (gebaut und gespielt von Rebekah Wild) erscheint ein (Super-)Mario, allerdings mit blutrotem Schnauzer. Der aus Videospielen seit rund einem halben Jahrhundert bekannte Installateur in Latzhose hantiert als Puppenfigur an einer Wasserleitungs-Armatur, die zuvor einem der Spieler-Köpfe, die aus dem Tisch unter einer Speisenglocke auftauchen aus dessen Mund entfernt wurde. Super Mario hantiert mit Schraubenschlüssseln bis sie funktioniert – roter Saft rinnt aus der Leitung.
Aus privatem Blut wird, dringt es aus uniformierten und zu „Blutern“ dekorierten Körpern edler „Staatssaft“. Je mehr Orden, desto wertvoller und umso mehr müssen Menschen und Schiffe Trauerflors tragen – auch hier Zitate, die an Originalvorschriften angelehnt sind. (Bereit-)willig lassen sich einzelne im Publikum von Sprech-Musiker Dietersdorfer in einer der Fantasie-Matrosen-Uniformen, bunte Pickerl an die Kleidung heften, nicht selten dabei salutierend ;(
Die Performance-Einheit rund um die lange blutige Götterfrucht-Tafel wird durch einen Pinguin im Aufblas-Kostüm aus bemaltem dünnen Segel- und Fallschirmstoff (Spinnaker) angeführt, einen Stock höher (an-)geführt. Dort tauchen die anderen oben schon genannten Figuren in ebensolchen von Dauer-Ventilatoren aufgeplusterten Kostümen auf, die von den ebenfalls oben schon mitgenannten Spieler:innen zum Leben erweckt werden, in unterschiedlichsten Interaktionen, so scheinen beispielsweise Schlumpf und Schneewittchen zu knutschen, mehr und mehr ent-puppt sich dies aber als ein Bedrängen der Märchenfigur durch den Blau-Mützigen. Wenn Mario den Geist aufgibt, zitiert Musiker Hemmer aus dem Text, der Anleihe nimmt bei einer Begräbnisrede aus einem Kaff beim kleinen deutschen Eck rund um Hingabe für das geliebte – nur leicht verfremdete – „Vati“-Land.
Aber so richtig bereit sind die Figuren noch nicht für die ultimative Blutprobe, konstatiert der Autor in einer kurzen Schauspielrolle mit aufgeplusterten Händen. Die Gruppe bat Höfler, für sich selber auch eine Rolle zu erfinden, und so agiert er mit seinem eigenen Namen als Art Oberaufseher hinter Glaswänden im Akt der aufgplusterten zombieartigen Figuren und ist dabei Berater beim AMS, der aber sicher niemanden zu einem der Kurse geschickt habe, sie aber nun prüfen und testen müsse…
Schließlich müssten sie ja für den Ernstfall ge-rüstet sein. Eine sehr schräge Text-passage über möglichst alle Wortkombinationen mit Fall fand schon sozusagen im Vorspiel zwischen den Kriegsschiffen am Platz vor dem Pavillon statt.
Der Spielort des überdrehten Schau-, Puppen-, Objekt- und Musikspiels, das den Irrsinn von Kriegsgeilheit und Militarismus zerlegt, ist übrigens mit dem Otto-Wagner-Areal am Rande von Wien-Penzing, das vormalige vor allem Psychiatrische Krankenhaus, im Volksmund noch immer als „Irrenhaus“ bezeichnet…
Irgendwie erinnern die sechs aufgeplusterten Figuren im Zusammenhang mit der antimilitaristischen Show an Auftritte vo Clown-Armys – in unterschiedlichsten clownesken Outfits und Gehaben nehmen sie – oft in direkter Konfrontation mit Autoritäten diese aufs Korn. Vor vielen Jahren – sicher mehr als zehn, leider ließ sich in der Recherche nicht mehr finden wann – war Kinder-KURIER, Vorläufer von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… dabei als höchstens zwölf Jugendliche mit roten Nasen, Salatschüsseln und Nudelsieben als Helme auf dem Kopf mit dem Kinderreim „ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm, vorwärts, seitwärts, stopp“, am Nationalfeiertag (26. Oktober) vom Wiener Maria-Theresien-Denkmal weg zur „Leistungsschau des Bundesheeres“ auf dem Heldenplatz marschierten und zwischen auf Panzern und Kampfflieger herumkletternden Kindern den Militarismus persiflierten – und hochdekorierte Armee-Uniformierte fast zum Auszucken brachten.
Im klassischen Hip-Hop-Trainingsanzug versammeln sich vier Tänzerinnen vor vier Podesten rund um einen Tisch mit Mischpult. Auf Zuruf der Choreografin und künstlerischen Leiterin Anna Konjetzky am Technik-Board über der Publikumstribüne beginnen Sahra Huby, Amie Jammeh, Florence Mankenda und Cary Shiu ihre Zeigefinger zusammenzurücken. Gemeinsam drücken sie eine der Tasten und – entsprechend dem Titel der Performance – geht’s los: „SoundON!“ Und nicht nur der Ton, sondern auch die Lichter starten ebenso wie die Tanz-Show. Zuerst mit kleinen eher Aufwärm-Bewegungen und dann mit kräftigen Moves unterschiedlichster Art – und mit Botschaften.
Von „nicht dies oder das sein wollen“ bis zu Wunschtraumwelten, wenn sie sich’s aussuchen könnten – vom Queer- bis zum Marshmellow-Land. Jedenfalls keine Fremdzuschreibungen und eben den Möglichkeiten, so sein zu dürfen, wie’s gerade passt – soft, traurig, k.o. oder schwach sein sollte genauso okay sein wie stark zu sein.
Die Sager kommen in Form von Songs ebenso wie von Fragen aneinander oder projizierten Kürzest-Sprüchen auf die weißen Quader. Letztere verwandeln die Tänzerinnen von anfänglichen Denkmal-Podesten auf denen die vier auf engstem Raum ihre Tanzbewegungen ausführen bis zu einer Art Laufsteg durch Umlegen und Aneinanderreihen. Vor allem aber bewegen sie sich frei im Raum dazwischen – mal in einzelnen kurzen Solo-Auftritten, dann wieder in gemeinsamer synchroner oder jedenfalls abgestimmter Bewegung. Oder eine nimmt Moves von einer anderen auf, reproduziert sie aber nicht 1:1, sondern macht ihr eigenes Ding draus. Hin- und mitreißende Bewegungskunst legen die genannten vier Tänzerinnen auf den Tanzboden und die vier Podeste.
Als tanzende Feministinnen mit Veränderungs-Ansprüchen an die herr-schende Welt bringen sie diese ihre Botschaften immer wieder in der nicht ganz einstündigen Performance zu Gehör – und Ansicht (als wie schon erwähnt projizierte Sprüche), filmen einander dabei immer wieder mit einem Smart-Phone; Projektionsflächen sind die vier Podeste. Hin und wieder versuchen die Performerinnen die Botschaften in Witze zu verpacken, Variationen der bekannten nicht besonders lustigen Glühbirnen-Scherze (wie viele… braucht man zum Wechseln einer solchen) kommen ebenso wie der auch schon mit sehr langem Bart „Wieso kann eine Frau nur mit links schlagen? Weil sie keine Rechte hat…“
Der allerdings alle bereits errungenen, erkämpften Rechte damit Beiseite schiebt und im Widerspruch zum Wunsch, in einem Land der Nicht-Erwachsenen leben zu wollen. Es gibt zwar die Kinderrechtskonvention seit 1989, aber Rechte von Kindern sind wohl kaum realer umgesetzt als jene von Frauen.
Knapp mehr als eine Stunde, kompakt, dicht, aber nie zu dicht verläuft „Der Junge mit dem längsten Schatten im Theater im Zentrum (dem kleineren der beiden Häuser des Wiener Theaters der Jugend) wie im Flug.
Wenngleich der Engelsflug der beiden Zwillingsbrüder Adam (Una Nowak) und Atticus (Mino Dreier) sozusagen als Embryos mit Flügeln im Mutterleib nach der an Michelangelos Gemälde von der göttlichen Erschaffung Adams angelehnten „unbefleckten Empfängnis“ zu Beginn doch ein wenig jenseitig wirkt, spielt sich die Konkurrenz der gerade 12-jährig gewordenen recht realistisch ab.
Finegan Kruckemeyer (Deutsch von Thomas Kruckemeyer) hat sich die Besonderheit einfallen lassen, dass Adam, der um zwei Minuten ältere knapp vor Mitternacht – noch dazu am 31. Dezember 1999 – auf die Welt kommt und Atticus damit erst am nächsten Tag im neuen Jahr(-tausend). Und dass der Jüngere – obwohl beide immer gleich groß sind – einen kürzeren Schatten wirft.
Adam ist der Coolere, oder zumindest der, der bei allen anderen in der Schule besser ankommt. Atticus mehr ein Nerd, Bücherverliebt, sprachenbegeistert und -talentiert, liest Harry Potter auf Japanisch und Französisch… Für seine Schlauheit bewundert ihn der Bruder sogar, wenngleich eher insgeheim.
Natürlich will auch Atticus cool sein, wenigstens anerkennt und respektiert, statt ausgegrenzt und gemobbt zu werden. Und so schmiedet er Pläne. Geht eines Tages als sein Zwillingsbruder in die Schule, als dieser mit der Mutter zum Zahnarzt muss, wird an einem anderen Tag zum Super-A…loch, der sogar den Ober-Mobber der Schule Mike Tanner – in dessen Rolle kurzfristig Una Nowak, ansonsten Adam, schlüpft – fertig macht. Sich selber aber grässlich dabei findet. Auch das ist nix für ihn…
Letztlich – und das ist von Anfang an klar, was der Autor und die Inszenierung sagen wollen (Regie: Gerald Maria Bauer, ansonsten eher Spezialist für überlange, hoch-komplizierte Stücke): Atticus kommt drauf: So wie ich bin ist’s okay, sehr sogar. Und der vergleicht das mit den unterschiedlichen Schatten – vielmehr die Sonneneinstrahlung, die ja dafür zuständig ist – mit Selbstvertrauen…
Mino Dreier und Una Nowak, die eineinander – obwohl nicht verwandt – äußerlich recht ähneln, verkörpern die ungleichen Zwillingsbrüder recht schwungvoll und glaubhaft. Der Regisseur hat’s auch den beiden überlassen, wer wen spielen will. Er selbst war sich, so verrät er im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… nach der vielumjubelten Premiere, nicht so sicher. Auch andere im Haus, die er gefragt habe, hätten keine eindeutigen Präferenzen gehabt. „Aber Una wusste sofort, Adam spielen zu wollen.“
Ein Beweggrund war auch, dass beide schon im Vorjahr in Till Wiebels „Funken“ – damals mit weiteren Schauspielerinnen auf der Bühne agierten und dabei mit Malte Schröder und Twinkle auch konträre Figuren gaben, aber von den Typen eben andersrum als nun im „Jungen mit dem längsten Schatten“.
Sowohl im Stücktext angelegt als auch in der Inszenierung ergibt sie die Erkenntnis der beiden 12-Jährigen, natürlich besonders von Atticus einfach aus den Szenen, aus der Entwicklung ohne belehrenden Zeigfinger; erinnert entfernt ein bisschen an Mira Lobes Kinderbuchklassiker vom „kleinen Ich bin ich“, in dem es nach der Tour zu anderen Tieren, auf der es immer danach fragt, wer es sei, zur Erkenntnis kommt: „So, jetzt weiß ich, wer ich bin! Kennt ihr mich? Ich bin ich!“
Neben den beiden kommen Mutter, Vater und Erzähler nur als Stimmen aus dem Off – Sophie Aujesky, Christian Graf und Till Firid – vor. Für die – mitunter recht starken – Lichtspiele sorgt Christian Holemy.
„Alice im Wunderland“, eines der großen Loblieder auf Fantasie und Durchbrechen herkömmlicher Logiken, noch dazu geschrieben von einem Dozenten für Mathematik an der berühmten Universität von Oxford (Großbritannien), hat schon viele kreative zu weiteren Kunstwerken inspiriert – ob als Bücher, Filme oder Theaterstücke und nicht zuletzt zu Musik-Nummern. Aus „Living Next Door to Alice“ der britischen Band Smokie (1976). Rund 20 Jahre später schufen die niederländischen Band Gompie den Song „Alice, Who the fuck Is Alice?“ (1995), angeblich nachdem sie in einer Bar Die Smokie-Version gehört hatten, wo der DJ jedes Mal nach dieser Nummer diesen Spruch losgelassen hatte.
Diesen Songtitel – nur mit der Abwandlung eines * anstelle des „u“ sowie einem Ruf- nach dem Fragezeichen – machte das inklusive Theater Delphin (Wien) zum Ausgangspunkt eines eigenen Stückes. Dieses – geschrieben und co-inszeniert von Valentina Himmelbauer – baut eine Brücke zwischen den berühmten Geschichten und einigen Szenen aus den Alice-Büchern (im Wunderland sowie hinter den Spiegeln) von Charles Lutwidge Dodgson, besser bekannt unter seinem Künstlername Lewis Carroll und der Gegenwart. Das heute kommt vor allem in Gestalt einer Influencerin (Alea Steiner) daher, die in so mancher Szene ihre eigene Rolle auch mit ein wenig Selbst-Ironie als Möchtegern-Influencerin anklingen lässt.
Als solche landet sie in Wien inmitten der Gruppe einer Reiseführerin für Tourist:innen und begegnet unter anderem der „Zeit“ (Stefan Musil) und damit einer ganz anderen Reise – einerseits ins britische viktorianische Zeitalter des Alice-Autors und später auch dessen berühmten Geschichten mit Protagonist:innen daraus wie Grinsekatze (Ulli Munsch), Herzkönigin (Angela Wirnsberger), Herzogin (Maria Meitner), Weißes Kaninchen (Valentina Himmelbauer), Raupe (Julia Gassner) Tweedledum (Georg Wagner), Teweedeldee (Schülerin: Gabriele Weber; Co-Regie), Weiße Königin (Sinah Steamberg), Jabberwocky (Bianca Bruckner), Herzbube (Judith Czerny), Hutmacher (Rigel Flamond), Märzhase (Verena Spiesz), Haselmaus (Pia Bernardi) und Herzkönig (Lukas Ratzinger). Die genannten Darsteller:innen schlüpfen natürlich auch in der Gegenwart sowie im historischen Zeitalter in andere Rollen.
Wer ist diese andere Alice, angeblich ihre Ururur-Großmutter? Und was ist dem berühmten Autor so an kleinen Mädchen gelegen? Gibt es da eventuell toxische, missbräuchliche Beziehungen? Auch solche Fragen spielt das Stück an, in dem die Influencerin recht exzessiv mit „denglische“ Begriffen um sich wirft – die im Programmheft erklärt werden. Und in dem Smartphones und der Hang zu Selfies in der Gegenwarts-Szene ebenso eine Rolle spielen wie Chats und Projektionen – bis hin zu Text-Passagen aus einer deutschen Übersetzung von Carrolls Büchern – gesprochen und gleichzeitig projiziert – auf das nun ins Querformat gedrehte vormalige Handy-Display 😉 Und wer ist überhaupt sie selber?
… vor rund zehn Jahren erschien ein Buch mit dem Titel „Who the Fuck is Alice?“, Untertitel „101 Antworten auf die drängendsten Fragen der Popmusik“ von Evelyn Peternel & Andreas R. Peternell (Rogner & Bernhard Verlag), unter anderem natürlich zum Titel-gebenden Song.
Darunter spielten die Autor:innen mit dem rund zehn Jahre davor entwickelten Computerprogramm A.L.I.C.E. (Artificial Linguistic Internet Computer Entity; ursprünglich vom Informatiker Richard S. Wallace programmiert, wurde er als Open-Source-Projekt seither von mehr als 300 Wissenschafter:innen weltweit weiterentwickelt), sozusagen einer Vorvor-Form von Chat GPT, das in der Version von Theater Delphin auch eine Rolle spielt. Mit Hilfe dieses Programms führten sie ein Interview mit „Alice“, in dem es unter anderem heißt:
„PP (Peternel & Peternell): Nun, dann sag mir: Ist 42 der Sinn des Lebens?
A: Was ich dir sagen möchte, ist, wie lustig es ist, mit dir zu sprechen.
PP: Es ist offensichtlich 42, oder?
A: Das ist nicht wahrscheinlich.
PP: Eine Schande. Bist du der Sinn des Lebens?
A: Eine Schande, nicht? Ja, ich bin der einzig wahre Sinn des Lebens.
PP: Oh yeah, dank dir vielmals. Jetzt kann ich in Frieden ruhen.“
Düster und voller Spannung ist diese Theater-Improvisation. Kerzen verbreiten eine geheimnisumwitterte Atmosphäre. Schauspieler:innen stellen sich mit einigen Rollen vor – als Bäckerin, Waffenschmied, Bürgermeisterin, Religionslehrerin, Wahrsagerin, Postler, Kräuterhexe…
Worum es geht, ist klar, heißt der Abend – oder auch Nachmittag wie demnächst zu Halloween – „Werwölfe – Die Show“ und geht vom Rollen-, Gesellschafts- bzw. Kartenspiel „Werwölfe im Düsterwald“ aus. Menschen verschwinden. Doch wer war’s?
Die Theater-Improvisation ist aber nicht nur ein abgekartetes Spiel, bei dem das Publikum (mit-)raten und rätseln darf. Die Zuschauer:innen bestimmen zu Beginn, wo im Dorf die Szenen spielen und geben weitere Berufe für die Schauspieler:innen vor. Und das Publikum entscheidet darüber, wer Werwolf sein könnte. Und aus dem Agieren der Schauspieler:innen in mittelalterlichen Szenen sollen / müssen sie trachten, draufzukommen, ob sie wirklich die / den Richtige/n verdächtigt und außer Gefecht gesetzt haben. Wenn nicht, geht dessen / deren Morden ja weiter.
Herausforderung für die Schauspieler:innen ist, auf die Vorgaben der Zuschauer:innen zu reagieren und zu improvisieren – ohne zu viel durch ihr Spiel zu verraten, soll die Spannung doch bis zuletzt aufrechterhalten werden. Und das wiederum ist auch das besonders Spannende für das Publikum – miträtseln und überraschende Wendungen.
Die nächtliche Verwandlung von Menschen in Wölfe, die als solche Menschen töten, ist eine Jahrtausende alte Legende. Manche meinen sogar in Höhlenmalereien solche „Mischwesen“ erkennen zu wollen. Laut Wikipedia ist „das älteste schriftliche Zeugnis das Gilgamesch-Epos, in dem die Göttin Ištar einen Schäfer in einen Wolf verwandelt“.
Mythen darum waren immer wieder Inspiration für Literatur und Filme. Im Computerspiel „World of Warcraft“ tauchen sie in Gestalt von „Worgen“ auf. Seit Langem haben die Stories mit hohem Gruselfaktor Eingang in Karten-, Gesellschafts- und Rollenspiele – meist unter dem Titel „Werwölfe im Düsterwald“ gefunden, um detektivisch jene auszumachen, die den jeweiligen Werwolf spielen. „ViennaImprov – Verein zur Förderung des Improvisationstheaters“ hat aus diesem Prinzip eine interaktive Theater-Show gemacht. Passenderweise wird sie zu Halloween sogar zwei Mal – Nachmittag und Abend – gespielt, im Theater Arche (Wien-Mariahilf); Details in der Info-Box ganz unten am Ende des Beitrages.
Mikroorganismen wie Rädertierchen, Flagelatten, Libellen-Larven sind mindestens genauso wichtig wie die beiden Schauspielerinnen und der Live-Musiker. Vieles dreht sich in diesem multimedialen Stück, das derzeit im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier zu erleben ist, um diese Mini-Wesen unter und über Wasser. In dieses, namentlich den Strom, der unter anderem durch Wien fließt, taucht „Donaustadt“ ein und nimmt das Publikum auf eine vielschichtige, abwechslungsreiche Reise mit. Nur der Titel ist verwirrend, so manche (potenziellen) Besucher:innen dachten, es würde sich um den 22. Bezirk von Wien mit diesem Namen handeln, immerhin mit 228.000 Einwohner:innen gleichsam drittgrößte Stadt Österreichs.
Nein, um Wien als Ganzes, viel mehr um eine sagenumwobene Nixe dreht sich das Spiel. Sie, gespielt von Stefanie Altenhofer, die es unter anderem schafft, gurgelnd zu singen, tritt in Interaktion mit dem Mädchen Frieda (Sarah Zelt), die in der Schule die Hausübung bekommt, eine Geschichte über die Donau zu schreiben. Was ihr so gar nicht behagt. Das kleine Sagenbuch, das ihr die Lehrerin als Anregung gibt, „fällt“ in den Fluss. Und sie hintennach – in Form einer 2D-Figur.
Und so trifft sie die schon zu Beginn genannten Mikro-Organismen – in Form von Puppen und Objekten, geschaffen vor allem aus Putz-Utensilien. Sarah Zelt, die neben Schauspiel im deutschen Rostock auch ein Studium von Kunst trifft Wissenschaft in Wien und Linz absolvierte und speziell zu diesen Tierchen recherchiert hat, lässt sie – ebenso wie ihre Kollegin – im Figurenspiel schier lebendig werden. Und das teilweise sogar in einem kleinen mit Wasser gefüllten Aquarium – mit Handykamera gefilmt und live an die Wand „geworfen“.
So wie Frieda auch als Figur ins Wasser plumpst, so gibt es – so manche Mini-Tierchen auch in trockenen „Aquarien“-Zimmern und in einem zweiten „Haus“ Menschen einerseits in einem tragbaren Haus und andererseits in einem ähnlichen Aquarium. Mit vielen amüsanten Details verfremdeter Namen von Sänger:innen – Phil Froggin, Frörk, Sirena Gomez oder Lady Bubble – schuf Petra Schnakenberg fantasievolle Welten über und unter Wasser ebenso wie die gesamte Bühne und die Kostüme. Außerdem inszeniert sie die Modell-Szenen.
Jenes des dritten lebendigen Menschen auf der Bühne wirkt zunächst, als wäre er einem Krimi entsprungen mit einer Art KTU-Schutzkleidung (Kriminaltechnische Untersuchung). Später stellt sich heraus, neben seiner Hauptfunktion als Live-Musiker und Geräusche-Meister (Gregor Fussenegger alias Lorenz von Hötting) mit Geige und etlichen elektronischen Geräten schlüpft er mit diesem Kostüm in die Rolle eines Wasserflohs und wird geraume Zeit ein Gegenspieler zur Nixe.
Für Text und Regie verantwortlich zeichnet Natalie Campbell. Das Team, damals noch ohne den Musiker, mit einer etwas anderen Grundidee – „feministische Neuschreibung einer Donausage“ – für den Nachwuchsbewerb Magma von Dschungel Wien und Drama Forum Graz zusammengefunden, wurde ausgewählt, um aus dem Stück-Entwurf eine ganze Produktion zu entwickeln, nun auch mit dem Live-Musiker und der Gründung einer eigenen Gruppe, genannt „hydro_“
Die dreht sich nun einerseits um die Lust am Erforschen und die Beschäftigung auch mit kleinsten Wesen, noch dazu solchen, die oft ignoriert werden – und steht damit natürlich…, aber das muss ja wohl nicht erklärt werden. Und andererseits spielt auch das Gegenspiel von Wasserfloh und Donaunixe eine wichtige Rolle und wie dies hinderlich sein und vielleicht überwunden werden kann.
Mit einigen Feedbacks von einer Zwischen-Version beim Schäxpir-Festival in Linz im Frühjahr ging’s dann in die Endproben – das Ergebnis ist nun bis 15. Oktober zu erleben – Details siehe Info-Box ganz unten.
Ob das Ortsschild vor dem Wiener Rathaus fürs kommende Jahr verändert werden muss, stand nach zwei Tagen noch nicht fest. Bis Sonntag 19 Uhr können Fans und Interessierte von vor allem Computer- und Videospielen noch ihrer Leidenschaft kostenlos in vielen Räumen des Rathauses und dem Platz davor frönen. Zum 16. Mal findet – wie immer bei gratis Eintritt – die 16. Game City von wienXtra, dem Freizeitprogramm für Kinder und Jugendliche der Bundeshauptstadt statt. Mit zuletzt 85.000 Besucher:innen in den drei Tagen wurde sie zur siebentgrößten Stadt Österreichs wie auf dem blau umrandeten Ortsschild steht. Die Vorstandsvorsitzende von weinXtra, Neos-Gemeinderätin Dolores Bakos, hofft, dass bald einmal die 100.000er-Grenze überschritten werde – Klagenfurt mit knapp mehr als 105.000 Einwohner:innen liegt auf Platz 6.
Aber ob mehr, gleich viele oder gar weniger – die Homepage zeigt übrigens via Ampelsystem an, ob gerade minimale oder längere Wartezeiten beim Eingang in Kauf zu nehmen sind. Geboten wird einerseits etliche Turniere in eSports-Bewerben, ein besonders „Zuckerl“ bietet ein großer Glas-Container schon am Platz vor dem Rathaus. Das alte, aber immer noch sehr beleibte Spiel Tetris, ermöglich jenem halben Dutzend mit den höchsten Scores zum Weltfinale nach Dubai zu fliegen. Wo 2000 Drohnen so programmiert werden, dass sie die jeweiligen fallenden Spielsteine am Himmel abbilden.
Österreich war übrigens eines der ersten Länder mit einem eigenen eSports-Verband, in dem unter anderem Riesen-LAN-Partys mit bis zu 1000 Spieler:innen organisiert wurden und federführend mitbeteiligt am Aufbau des internationalen Verbandes. Neben Turnieren gab und gibt es fast ständig in der Game-City auch zwischendurch kleinere Bewerben und Wettkämpfe. Manche davon werden auf der großen Bühne im Arkadenhof ausgetragen, was und wie die Spieler:innen dabei schaffen, wird auf große Monitore übertragen und live kommentiert.
Eine, die sich dabei die Seele aus dem Leib zu schreiben scheint ist Rebecca Raschun, besser bekannt unter ihrem Gamerinnen-Namen JustBecci. Sie kennt sich auch voll aus, war und ist sie doch schon seit ihrer Schulzeit kompetente und leidenschaftlicher Spielerin. „Meine Eltern haben mir damals zwar immer wieder gesagt, mit Videospielen kannst du kein Geld verdienen, aber seit einigen Jahren ist das Gegenteil der Fall“, sagt sie in einem kurzen Interview zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…
Manchmal sei damals im Gymnasium schon zu wenig Zeit fürs Lernen geblieben, dann gab’s Gaming-Verbot, aber nach der Matura das Studium von Medien- und Eventmanagement.
2012 startete sie auf Twitch ihren Kanal „Basicplayground“, mittlerweile mit 40.000 Followern. In Streams unterhält sie diese – entweder beim selber Zocken, macht aber auch die Moderationen beim Kommentieren von Spielen anderer zur unterhaltsamen, mitreißenden Show.
„Ich hab immer schon in der Schule gern vor Leuten geredet, Referate geliebt und ähnliches. So hab ich begonnen die beiden Dinge, die ich liebe – Gaming und Reden – beim Moderieren zu verbinden. Davon kann ich ganz gut leben, ich komm nur für meinen Geschmack nicht mehr so viel zum Spielen, halte dafür aber auch Vorträge vor Unternehmen über die Bedeutung von Gaming.“
„Gaming verbindet“ – über viele Grenzen hinweg. Das ist der Leitspruch der Veranstaltung und damit ein Gegengewicht zu Vorurteilen und Schuldzuweisungen, wie sie sehr oft dann kommen, wenn Jugendliche etwas anstellen. Aber das war schon davor beim Fernsehkonsum und noch 100 Jahre früher gab es ähnliche „Argumente“ gegen zu viel Lesen, wie Armin Maiwald, federführender Miterfinder der „Sendung mit der Maus“ vor gut 20 Jahren in einer TV-Diskussion in den Bavaria-Studios von München erzählte.
Seit 2017 findet in der Game-City auch eine starke inhaltliche internationale Konferenz – FROG (Future and Reality of Gaming) statt, heuer unter anderem mit der Präsidentin von „Games for Change“, Susanna Pollack aus den USA. „Wir setzen aber auf positiven Wechsel, nicht auf den, den wir gerade in unserem Land erleben“, sagt sie kurz und bündig zu KiJuKU.at
Aber auch wer nicht bewerbsmäßig spielen, sondern „nur“ das eine oder andere ausprobieren will, kann sich jedes Jahr an diesen drei Tagen im Wiener Rathaus richtiggehend „zu Hause“ fühlen. Unterschiedlichste Spiele – großer Hersteller, aber auch von kleinen unabhängigen Entwickler:innen und in der Kinderzone sogar Brettspiele mit der wienXtra-Spielebox können ausprobiert werden. In einer eigenen Retro-Zone gibt es uralte Spiele und Konsolen, nicht zuletzt Ur-Versionen von Tetris.
Samstag gab’s nicht nur die aus Wien-Mariahilf zum Rathaus führende Cosplay-Parade. Figuren aus Games und Animes tummeln sich ohnehin immer wieder auf der Game-City, die 2007 zum ersten Mal stattfand – und Pandemie-bedingt natürlich Pausen einlegen musste. Zum dritten Mal wählt die Community auch Bürgermeister:innen, heuer mit Lukas Jobst alias Siptom zum ersten Mal einen jungen Mann. Der Einzelhandelskaufmann in einer großen Supermarktkette wurde gleich noch von einer Kollegin als Vizebürgermeisterin begleitet, Carolin Pawel wählte Fantasy Heaven zu ihrem alter ego.
Ein Galgen mit zwei Henkersschlingen stand Samstagnachmittag (11. Oktober) auf dem Platz der Menschenrechte vor dem Wiener MuseumsQuartier. Darunter der Spruch „No to Execution“ (Nein zur Todesstrafe). Kundgebungsteilnehmer:innen hielten Plakate mit staatlicherseits Ermordeten sowie Iranische Flaggen – bis vor 1979, als die jetzt noch immer herrschenden Mullahs an die Macht kamen und Kurdische Fahnen. Vor einem Tisch mit Büchern und Broschüren hing ein Transparent auf Farsi und Englisch: Solidarität mit der Dienstags-Kampagne in iranischen Gefängnissen.
Der erste „Nein zur Hinrichtung“-Dienstag begann am 30. Januar 2024, zeitgleich mit der Hinrichtung von vier kurdischen politischen Gefangenen. Zehn politische Gefangene aus Gezel Hesar erklärten in Solidarität: „Wir werden unseren Hungerstreik jeden Dienstag fortsetzen, bis dieser Kreislauf aus Gewalt und Tod beendet ist.“
Mittlerweile schlossen sich Gefangene in 52 Gefängnissen im Iran den Hungerstreiks dieser Aktion an, darunter im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran, aber auch in vielen anderen Städten. Laut Daten von IHR (Iran Human Rights) wurden heuer bereits mindestens 1000 Menschen hingerichtet, unter anderem „wegen Baghy (bewaffneter Aufstand), Efsad-fil-arz (Verderbnis auf Erden) und Moharebeh (Feindschaft gegen Gott), Vergewaltigung und Spionage für Israel.“
Einige Stunden später hielten andere Exil-Iraner:innen neben der Oper eine Kundgebung zu einem anderen Thema ab: Sie gedachten der 176 Opfer, die beim Abschuss von Flug PS752 von Teheran an Kiew am 8. Jänner 2020 getötet wurden. Nach Protesten im In- und Ausland gab Monate später selbst die iranische Zivil-Luftfahrtbehöre zu, dass die landeseigene Flugabwehr die Maschine abgeschossen hatte.
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