Eine riesige rote Zunge ragt von hinter einem Vorhang bis mitten auf die Bühne. In einer erhöhten Nische lehnt eine große, allem Anschein nach aus Pappmaschee hergestellte überdimensionale Zitrone. Knapp unterhalb der Decke hängen Stoff-Gebilde, die an Karfiol (Blumenkohl) und Brokkoli erinnern. Auf und unter einem kleinen Tischchen stehen dafür Schalen mit echtem Obst und Gemüse. Dazu lehnt noch ein Cello in seinem Ständer vor einer kleinen Sound-Maschine. So präsentiert sich im Wesentlichen die Bühne samt Drumherum für das folgende nicht ganz ¾-stündige Stück „Umami“ (ab 3 Jahren) von der „Kompanie Freispiel“. Klar es geht ums Essen, um Genuss und vor allem Geschmack, vielmehr Geschmäcker.
In diesem Umfeld beginnen Caterina Vögel und Antonia Luksch zunächst ausschließlich mit mmmhhh und ähnlichen Lauten, die rund ums Essen bekannt sind, ihr Spiel, in dem die eine der anderen Zwiebel, Schwammerl, Melanzani und sich selbst versteckt. Echte Lebensmittel sowie gebaute Objekte wie die genannten und weitere werden Mittel des Schauspiels der beiden Performerinnen. Die haben „Umami“ gemeinsam mit Anna Schmid entwickelt, die auch Regie führte und – gemeinsam mit Kajetan Uranitsch
– das Stück konzipierte.
Brokkoli und Karfiol werden von der Decke runtergelassen und zu Gewändern der Spielerinnen, in ihrem sehr rhythmischen Agieren. Manchmal besingen sie – zu eigener Streichmusik unter anderem Gemüsesorten. Dabei flechten sie so nebenbei ein, dass Karfiol auch unter Blumenkohl bekannt ist so wie Paradeisern als Tomaten und Kartoffeln als Erdäpfel.
Nach und nach belegen die beiden Spielerinnen / Tänzerinnen / Sängerinnen die große Zunge mit echten und nachgebildeten Lebensmitteln vor den staunenden, gespannten, herzhaft lachenden, manchmal auch reinrufenden Kindern, besingen „süß, bitter, salzig sauer, die Zunge liegt auf der Lauer“. Immerhin hat sie viel zu entdecken und schmecken.
Gegen Ende lösen sie den für manche möglicherweise rätselhaften Titel. Denn neben den eben erwähnten vier Geschmacksrichtungen gibt es eben als fünfte umami. Das aus dem Japanischen kommende Wort für wohlschmeckend und würzig, ist in unseren Breitengraden noch nicht so besonders lange bekannt. Mit Schilderungen wie „Schwammerln mit Tomaten würzig angebraten“ oder in Maki bzw. Salami versuchen sie diese Geschmacksrichtung zu veranschaulichen – als Überraschung gibt es am Ende eine mit Umami-Gewürz versehene ansonsten geschmacksneutrale Kostprobe für alle.
In China hat übrigens schon vor rund 2500 Jahren der bekannte Philosoph Konfuzius die Verwendung eines fermentierten Würzmittels aus Fleisch, Getreide, Salzwasser und Ethanol beschrieben, das später aus Sojabohnen hergestellt wurde. Der Begriff selbst kam erst vor rund 100 Jahren vom japanischen Chemiker Kikunae Ikeda (1864–1936) ins Spiel, der 1909 „umami“ als Name für diese fünfte Geschmacksrichtung vorschlug.
Zwei weitere spannende Objekte (Bühne, Ausstattung: Christopher Schulz; Kostüme, Ausstattung: Maren Lencer) lösen wohl bei den meisten erwachsenen (begleitenden) Besucher:innen Assoziationen aus: Eine lässig an einer Ecke des Vorhangs in lehnender Position hingestellte Hose aus zwei Karotten mit dem Grünzeug dazu als Oberkörper. „Karottenhosen“, vor rund 40 Jahren erstmals modern mit Revival 20 und dann nochmals zehn Jahre später.
Und fast unscheinbar weit abseits klebt eine Banane an der Wand. Eine solche vom Konzeptkünstler Maurizio Cattelan „Comedian“ benannte Klebe-Banane wurde im November des Vorjahres als Kunstwerk bei Sotheby’s in New York für umgerechnet knapp sechs Millionen Euro versteigert. Der chinesische Unternehmer Justin Sun, der sein Geld mit Kryptowährungen machte, war der Ersteigerer. Und er aß das Kunstwerk einfach auf – nur die Banane, nicht das Klebeband 😉
Was übrigens schon von einem anderen Künstler mit dem ersten Original in der Ausstellung gemacht worden war – von David Datuna bei der Art Basel Miami Beach, der seine „künstlerische Intervention folgerichtige „Hungry Artist“ (hungriger Künstler) nannte.
Alles dreht sich ums Meer, genauer um die Welt unter Wasser. Drehen – das ist aber auch Bestandteil aller elf Projekte, die Volksschulkinder aus Wien, Niederösterreich und Kärnten aus Legosteinen gebaut und die bewegten Teile via Tablets programmiert. In der Woche nach den Osterferien haben die Kleingruppen ihre Konstruktionen und die Ideen dahinter im Rahmen der First Lego League im Turnsaal von St. Ursula in Wien-Liesing vorgestellt. Hinter allen Gedanken stecken auch Umweltschutzideen.
So kümmern sich die von der Küstenwache abfahrenden (U-)Boote der Bau AG von einer der drei Gruppen aus der gastgebenden Schule darum, Meerestiere zu einer Putzstation zu bringen, wo sie von Öl und anderen von Menschen verursachten Verschmutzungen gereinigt werden.
Ihre Kolleg:innen von „Masterminds“ – die Gruppennamen haben als Zusatz fast immer den bekannten Markennamen der genoppten bunten Bausteine aus Dänemark – haben eine ganze Unterwasserwelt gebaut. Mit Eingang durch Schleusen können Menschen dort auch von einem Comic- und anderen Läden, ja sogar einer Disco, die schützenswerte bunte Unterwasserwelt beobachten.
Die Submarines haben ihren Gruppennamen auf der Plakatwand sogar mit Bausteinen geschrieben. In ihrer Unterwasser-Forschungsstation kümmern sich die Wissenschafter:innen vor allem um den sogenannten „Milch-Fisch“. Dieses Fantasiewesen sondert Flüssigkeiten ab, mit denen so manche menschliche Krankheit geheilt werden könnte.
Die beiden Gruppen aus dem Kärntner St. Andrä im Lavanttal, der Schule namens Lavantinum, gaben sich englische Tema-Namen mit Anspielung auf die Bausteine. Die „Burning Blocks“ (brennende Blöcke) stellten in ihre Unterwasserwelt aus Lego-Bausteinen zentral auch ein Buch auf: „Ozeane“ aus der Reihe „Wissen to go“. „Dort haben wir gefunden, dass der Dornenkronen-Seestern ein Problem ist, weil er Korallen frisst“, erklären die Kinder dem Reporter. „Nein, der ist nicht ausgedacht, den gibt es wirklich!“, ergänzen sie auf die Nachfrage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… und schlossen damit eine Bildungslücke und gleich noch die nächste: „Tritonshörner (eine Schneckenart) sind die natürlichen Feinde dieser Seesterne. Aber die sind vom Aussterben bedroht.“ Menschen sammeln sie gerne wegen ihrer wunderschönen, beachtlichen Gehäuse.
Das U-Boot der Burning Blocks sammelt also sicherheitshalber all die gefräßigen genannten speziellen Seesterne ein, um die Korallen zu schützen.
Ihre Kolleg:innen aus der selben Kärntner Volksschule, die sich den Gruppennamen „Flaming Bricks“ (lodernde, leuchtende Ziegel bzw. Bausteine) warteten mit der vielleicht größten Konstruktion aus, einer Art Unterwasserbühne mit einem U-Boot, das sie so programmiert haben, dass es auf mehreren Ebenen hin und her fährt. Schließlich sammelt es schwebende Mikroplastikteile an und am Meeresgrund hinabgesunkene größere Kunststoffteile. „Aus dem gesammelten Plastikmist werden übrigens Lego-Bausteine hergestellt“, schildern sie ihren Upcycling-Gedanken. Zwecks Kreislaufwirtschaft, wird das U-Boot sowie die Forschungsstation mit aus der Meeresströmung gewonnener Energie versorgt.
… nennt sich die Gruppe aus der Volksschule Pressbaum. Da rauscht ein Hai per programmierter Bewegung aus einer Unterwasserhöhle, bewegen sich Korallen, auf Schienen in der Tiefsee fährt ein Wagen in ein kleines Königreich der Tiere. Der Schranken hält aber Menschen davor ab, denn die Tiere in diesem kleinen Reservat sollen vor den Zweibeinern geschützt werden.
Aus der Ganztags-Volksschule Carlbergergasse (Wien-Liesing) stellen gleich drei Gruppen – so wie aus der gastgebenden von St. Ursula – ihre Projekte vor. Allen gemeinsam: Sie haben sich jeweils ganze Geschichten rund um ihre Unterwasserwelt ausgedacht. Und sie alle tragen – englische – Tiernamen: Penguins (Pinguine), Owls (Eulen) sowie Bees (Bienen). Die haben sie aber nicht für die Teilnahme an der First Lego League erfunden, „das sind unsere Klassennamen“, erklären sie dem Journalisten.
Die Erst-Erwähnten, die sich auf ihrem Plakat auch abgekürzt „Pingu’s“ nannten, ließen in ihrer Story ein Flugzeug mit sechs Forscher:innen ins Meer stürzen. Auf der Suche nach ihnen stoßen andere Wissenschafter:innen auf die 365 Jahre alte Spuck-Qualle mit erstaunlichen Fähigkeiten. „Diese Art kann Mikroplastik fressen und zersetzten. Außerdem „ist unsere Forschungsstation barrierefrei und unsere U-Boot hat Lichtsensor und kann drei Geräusche“, was die Kinder zwar vorführen, aber im Geräuschpegel aller elf ständigen Gruppenpräsentationen auch für die umhergehenden Juror:innen nicht leicht hörbar ist.
Die Owls (Eulen) erfanden einen „Stierfisch“ – „seine Nahrung ist Müll, er ist 1,3 Meter groß und mit dem Putzerfisch verwandt“, erfahren Besucher:innen am Stand dieses Projekts.
Die dritte Gruppe aus der genannten GTVS, die Bees (Bienen) dachten sich sechs Jugendliche aus, die im TV verfolgen, wie zwei Forscher:innen im Pazifik nach besonderen Meerestieren suchen. „Die haben Eis- und Feuerkräfte, wirkt vielleicht komsich, aber es geht um besonderes Feuer.“ Außerdem gibt’s hier eine Höhle mit besonderem Schatz und einen Roboter, den sie programmiert haben, „und der Helfi heißt und sein Propeller filtert Mikroplastik aus dem Wasser, saugt es ein und verwandelt es in irgendwas Gutes“.
Ihren Schulnamen haben zwei Gruppen der offenen Volksschule Knollgasse (Wien-Favoriten) in ihre Team-Bezeichnungen eingebaut: Knollgenieure sowie Knollitasten. Und sie waren die einzigen, die echtes Wasser am Rande ihre üppigen trockenen Unterwasserwelt verwendeten. In einen durchsichtigen, oben offenen mittelgroßen Würfel tauch ihr kleines programmiertes U-Boot auch wirklich ein.
Ansonsten ist ihre Meereslandschaft eine Art Freizeitparadies für Menschen samt Konzerthalle. „Wir haben Spaß am Bauen gehabt, sogar als unsere Landschaft drei Mal zerstört worden ist, haben wir sie wieder aufgebaut. Es geht ja darum, Spaß dabei zu haben und am Leben überhaupt“, erklären die Knollgassen-Kinder dem KiJuKU-Berichterstatter.
Ach ja, irgendwann in diesem Bericht ist auch eine Jury erwähnt. Die Jurorinnen und Juroren schauten sich alle elf Projekte genau an, stellten Fragen und vergaben Auszeichnungen an alle – angepasst an die jeweilige Unterwasserwelten von „kreative Forschungsstation“ über „lebendige Unterwasserwelt“ bis zu „spannende Forscherreise“.
Jedenfalls zeigen die Teamarbeiten, was alles in Schulen so „abseits“ und oft „nebenbei“ passiert, Spaß macht, Kreativität und viel mehr fördert: Sich auf ein Thema einigen, dazu recherchieren, die Arbeit auf- und einteilen, sie konsequent auch durchführen und nicht zuletzt zu überlegen, was und wie präsentieren wir unsere Konstruktion und die Gedanken und Ideen dahinter.
„Nicht genügend, setzen!“ – So „begrüßt“ der Schauspieler Sven Kaschte die Jugendlichen in der mobilen, vom niederösterreichischen Landestheater für Klassenzimmer gedachten, Version des Klassikers „Der Schüler Gerber“.
Die drei Worte sind offenkundig die Lieblings-Aussage des Lehrers Artur Kupfer, allgemein in der Schule und darüber hinaus als „Gott Kupfer“ bekannt und benannt. Er ist der absolute Gegenspieler des Schülers Kurt Gerber, Spitzname Scheri (abgeleitet von Geri für Gerber „und daraus entstand, Gott weiß warum, Scheri“ – Zitat aus dem Roman von Friedrich Torberg, Originaltitel 1930 „Der Schüler Gerber hat absolviert“).
Auch wenn das Buch nunmehr fast 100 Jahre alt ist, selbst die berühmte Verfilmung auch schon mehr als 40 Jahre zurückliegt (1981, Drehbuch und Regie: Wolfgang Glück), so hat das Grundthema (viel zu wenig) von seiner Brisanz verloren: Es gibt (noch immer) Lehrer:innen, heute deutlich pädagogisch gebildeter als damals, die in autoritärer Manier Schüler:innen abkanzeln, nieder und fertig machen.
Und so braucht es nicht viel, damit der Schauspieler (Inszenierung: Verena Holztrattner, Dramaturgie: Thorben Meißner) aus dem auf eine Schulstunde gekürzten Romantext (ca. 350 Seiten) ein leider zeitloses Stück macht. Ein großer roter Knopf als Buzzer auf dem mittig gestellten Tisch vor den Reihen der Schüler:innen ermöglicht ihm Pausen-Läuten oder Musik am Laptop zu aktivieren; nahe ran an das Publikum, die eine oder andere Person direkt ansprechen, sie ersuchen, beispielsweise den Vater Kurt Gerbers zu sprechen (Kärtchen mit den Texten überreicht Kaschte aus dem Sakko) oder gar ihn selbst in einem Dialog mit der von ihm angehimmelten Lisa sprechen lassen…
Beim Lokalaugenschein von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… im Souterrain einer Expositur der BASOP / BAfEP (Bundes-Bildungsanstalten für Sozialpädagogik und Elementarpädagogik) jedenfalls waren die Jugendlichen zweier dritten Klassen die ganze Zeit gespannt dabei, trotz fast ständig vorbeirauschenden Verkehrslärms. In der anschließenden Reflexion mit aus der Theaterpädagogik entliehenen Mitteln konzentrierten sich Gespräche rund um die Themen des (nicht) sprechen Könnens über Gefühle – ausgehend von Kurt Gerber. Und über das noch immer allgegenwärtig als Damoklesschwert über Schüler:innen hängende „nicht genügend“. Das oft nicht nur eine Leistung beurteilt, sondern die ganze Person abwertet.
Der Roman endet mit einer „Zeitungsmeldung“, die besagt, dass der 19-jährige Schüler Kurt Gerber durch einen Sprung aus dem dritten Stock seiner Schule starb – vor Bekanntgabe der Ergebnisse der mündlichen Matura; mit besonderer Tragik, dass er bestanden hatte. Die Klassenzimmer-Variante des NÖ-Landestheaters endet hingegen damit, dass der Schauspieler als Kurt Gerber den Raum durch die Tür verlässt und das Ende offenlässt.
Wäre schön, wenn ein derartiges Stück nur mehr als historische, längst überwundene Episode gespielt werden könnte. „So arg ist es bei uns nicht, aber dass sich manche Lehrerinnen oder Lehrer einzelne Schüler:innen rauspicken, die sie niedermachen, das gibt’s schon bei uns auch“, meinte vor fünf Jahren ein Jugendlicher nach dem Stück „Der Schüler Gerber“ im Foyer des Jugendtheaters Next Liberty in Graz (in einer Fassung von Felix Mitterer) zum Journalisten, damals noch für den Kinder-KURIER. Der Gott Kupfer ist wie unsere Englisch-Lehrerin sagten Schüler:innen nach einer „Gerber“-Inszenierung (ebenfalls der Mitterer-Version) im Dschungel Wien.
wenn-lehrer-schueler-mobben -> noch im Kinder-KURIER
Alles dreht sich um eine mysteriöse Puppe. Fotograf Sam Hendrix hat sie von einem Flug von Kanada nach New York von einer Sitznachbarin im Flugzeug ausgehändigt bekommen, mit der Bitte, dass sie diese bei ihm später abholen könnte. Plötzlich ist die Puppe weg. Die Frau, die sie holen wollte, liegt ermordet in einem Müllcontainer in der Nähe. Sam wird zu Fotoshootings am Rande der Stadt gerufen. Bei Susy Hendrix tauchen dauernd Leute auf, die ebenfalls die Puppe wollen.
Plötzlich scheint Sam verdächtig. Turbulentes Hin und Her, so manche der Figuren sind nicht solche für die sie lange gehalten werden… – das zu verraten würde aber schon einen Gutteil der Spannung des mehr als zweistündigen Abends mit so mancher Wendung samt einigen Leichen zerstören. Auch wenn manche vielleicht die Story von „Warte, bis es dunkel ist!“ von Frederick Knott (erste Filmversion: 1967; Regie: Terence Young; Drehbuch: Robert Carrington; u.a. mit Audrey Hepburn, die für ihre Hauptrolle für einen Oscar nominiert war; und Remake als „Das Penthouse“, 2013) kennen könnten.
Wer gehört zu den Guten, wer eher zu den Bösen, wer hat was getan oder nicht – das wogt bei Nicht-kennen der Story ganz schön hin und her. Die Schauspieler:innen, vor allem Marion Rottenhofer als Maggie Talman und Nagy Vilmos als Carlino, lassen da das Publikum aber auch ganz schön im Dunklen tappen. Nur Edward Lischka als Roat ist zwar wandelbar in seinem Auftreten, aber bald als einer der Bösewichte durchschaut.
Durchschaut vor allem von Elisabeth Kofler als Susy Hendrix. Sie ist die Ehefrau des Fotografen und als Figur (nicht als Schauspielerin) blind. Aber nicht, wie in der Version von vor mehr als einem halben Jahrhundert hilfsbedürftig, sondern sehr tough und eigenständig. Und so kann sie, was Menschen, die nichts sehen, zumeist sich angeeignet haben: Viel genauer hören. So checkt Susy, die erst vor recht kurzer Zeit bei einem Unfall erblindete, dass ein alter Mann, der bei ihr auftaucht, derselbe ist wie der junge, anfangs verklemmte musterschülermäßige und später forsche Böse Mister Roat – allein am Geräusch seiner Schuhe erkennt sie, dass es sich um ein und denselben Typen handelt. Kofler spielt diese Hauptfigur so, dass manche im Publikum zumindest zeitweise dachten oder wenigstens darüber grübelten, ob die Schauspielerin wirklich selber blind ist.
Ist sie nicht. Er habe aber, so Regisseur Christoph Prückner, nach der vielumjubelten Premiere im großen Saal des Theater Center Forum in Wien-Alsergrund, auf Frage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „sehr lange gesucht, aber in Österreich keine einzige blinde Schauspielerin gefunden, es gibt nicht einmal eine in Ausbildung.“
Was der Regisseur – und das gesamte Team – aber gemacht haben: Hilfe geholt bei einer Expertin: Janine Zehe. Sie ist Sprecherin von Hörspielen, arbeitet in der Hörbücherei des BSVÖ (Blinden- und Sehbehindertenverband Österreichs), kommt aus Hamburg, wo sie „semiprofessionelle Schauspielerin für sehende Profis und blinde Laien“ war. Was übrigens noch immer – wie sie KiJuKU verrät – ihre Leidenschaft ist. Singen gehört auch dazu, und sofort gibt sie eine Kostprobe ihres Könnens, aus dem Sitz heraus, ohne Einsingen – dem Ensemble, das sich zum Nachgespräch mit dem Reporter auf der Bühne versammelt hat, stockt der Atem, der Journalist bekam, wie er gestand, Gänsehaut.
Janine Zehe fungiert in diesem Theaterstück als Erzählerin, hat die entsprechenden, getakteten Texte, als Sprecherin vorher aufgenommen und gegen Ende der proben auch als Korrektiv der Inszenierung agiert.
Denn diese Aufführung wurde vom Regisseur von Anfang an gedacht als eine, die blinde und sehende Menschen gemeinsam erleben können. So manches Theater bietet eine Handvoll Aufführungen pro Saison mit Audio-Deskription an. Blinde und sehschwache Besucher:innen kriegen einen Knopf ins Ohr und das Bühnengeschehen wird für sie beschrieben. Hier ist jede Vorstellung gleich – und für Sehende vielleicht anfangs gewöhnungsbedürftig.
So bleibt es gleich zu Beginn einmal zappenduster, sogar die Notbeleuchtung geht aus. Und für alle ist Zehes Stimme zu hören, die beschreibt, dass der Vorhang noch zu ist, nun aufgeht, ein wenig Licht angeht samt Beschreibung dessen, was auf der Bühne so herumsteht – von der Couch bis zum Kühlschrank, einigen Treppen bis zur Eingangstür und einer halb-offenen Tür zu einem weiteren Raum… (Bühne: Erwin Bail) – eine Art „bebildertes Hörspiel“ wie es der Regisseur nennt.
So und ähnlich spielt es sich den ganzen Abend ab, bis hin zur Ausstattung mit weißen Fotos an der Wand und einer unbedruckten Zeitung– und somit ist dieser ziemlich innovativ – für Österreich, Inklusion einmal von der anderen Seite angegangen. Aber, so Regisseur Prückner: „Selbst am Broadway wurde das Stück erst 2017 zum ersten Mal mit einer blinden Schauspielerin besetzt.“
Und er ist eine Wohltat für blinde Besucher:innen. Eine davon erzählt KiJuKU.at: „Ich gehe oft und gern ins Theater, leider gibt es noch nicht sehr viele Vorstellungen mit Audio-Description. Aber so wie da, das ist neu, sogar die Programmzettel gibt es in Braille-Schrift.“ Die tastbare Schrift aus erhabenen Punkten feiert übrigens heuer ihren 200. Geburtstag.
Von Anfang an war klar, Susy Hendrix ist Frau über ihr Leben – im Gegensatz zur Originalfassung. Sie checkt nicht nur alles, weiß, wie sie sich wo bewegen muss, kennt aber auch – da kommt aus den Dialogen hervor – natürlich zielsicher ihre Wege in der Stadt. Und sie lässt sich nie und nimmer bevormunden, verfolgt auch ebenso zielstrebig Auswege aus der verworrenen kriminalistischen Situation, selbst in den brenzligsten Situationen. So „nebenbei“ gibt sie dem Publikum über Szenen im Stück so manchen Alltags-Rat mit auf den Weg. Kommt es doch leider nicht so selten vor, dass Menschen im Gespräch mit Blinden mitunter lauter werden: „Ich kann ganz gut hören!“ löst so manches „Aha“-Erlebnis aus;)
Eine weitere wichtige Figur im gesamten Geschehen ist die der Gloria, einer ungefähr 12-jährigen Nachbarin mit dicker Brille und Augenklappe. Diese Pubertierende, glaubhaft gespielt von Iris Pollak, hat Auge(n) nur für den Fotografen Sam, himmelt ihn an und ignoriert Susy, ja mobbt sie sogar ein wenig an. Letztlich freunden sich aber die Frau und das Mädchen ziemlich an und tricksen die Gauner:innen aus. Auch mit demselben Antrieb: Wir sind selbstständig und auf keine der Männer angewiesen.
Florian-Raphael Schwarz als dieser Fotograf und Ehemann Sam hat eher nur kurze Auftritte zu Beginn und gegen Ende, ist aber nicht nur Liebender, sondern auch noch Lernender im Umgang mit seiner selbstbewussten Ehefrau und deren Handicap. Einen Kürzest-Auftritt hat Benjamin Lichtenberg ganz am Ende, den Großteil des Abends handhabt er Licht- und Tontechnik.
Neugierig schaut die schwarze – oder auch nur schwarz gezeichnete – Katze vom Giebel eines Daches auf ein Hügelchen hinter Häusern gegenüber. Dort sitzt ein offenbar alter, ergrauter Bär auf einer Bank und schaut recht traurig zu Boden. Das ist die erste Doppelseite des poetischen und berührenden Bilderbuchs „Wenn der Wind vom Meer erzählt“ – geschrieben und illustriert von Sonja Stangl.
Der Bär war hier neu aufgetaucht. Die Menschen kamen, bestaunten ihn, wollten mit ihm reden – aber er reagierte nicht. Sie machten sich zwar den einen oder anderen Gedanken, weshalb; ob es an der Sprache, an seinen Ohren oder woran auch immer liegen könnten. Blieben dann aber aus.
Außer einem Kind, das zur Ich-Erzählerin ab der dritten Doppelseite wird. Sie bastelt aus Karton eine Art große, offene Tüte. So wird ihre Stimme wie in einem Megafon lauter, der Bär kann sie hören. Zum ersten Mal erhellt sich seine Miene, die beiden kommen ins Gespräch.
Und der Bär beginnt davon zu erzählen, dass er vor allem die Geräusche der Natur vermisse, seit er nicht mehr gut hören kann. Das Kind dreht einfach den Trichter um und so kann der Bär nicht nur sie, sondern auch wieder den Wind, das Wasser und noch viel mehr wunderbare Geräusche und Töne vernehmen – und er nimmt die Erzählerin mit in den Wald, an den Bach, ans Meer, in den Regen.
Da es sich um kein Hörbuch handelt, erklingen all diese Geräusch natürlich nicht direkt aus den Buchseiten, aber über die kurzen, knappen Texte und die eindrucksvollen Bilder, entstehen vielleicht in deinem Kopf die beschriebenen und gezeichneten Töne – so du solche selber schon einmal gehört hast. Wenn nicht, ist es vielleicht ein Anlass, sich aufzumachen in die Natur und ihr zu lauschen. Vieles davon bleibt dann sicher „ewig“ lang in dir hängen wie es vielleicht auch Gerüche sind, selbst wenn du dann nicht an diesem oder jenem Ort weilst.
So ergeht’s dem Kind im Buch auch am Ende als der Bär eines Tages nicht mehr da ist: „Obwohl sein Platz jetzt leer war, hatte Bär mein Leben voller hinterlassen.“
Drachen – sind längst aus dem Eck der bösen Monster befreit. Jahrhundertelang standen sie für Sagen und Geschichten von feuerspeienden, ur-argen Wesen, die a) Prinzessinnen rauben und b) von jungen Rittern besiegt werden mussten. In anderen Kulturen, etwa der chinesischen, gelten Drachen eher als Glückssymbol, stehen für Weisheit und Güte.
Aber auch bei uns quellen seit Jahrzehnten Geschichten aus Büchern, Filmen, Musicals und Theaterstücken, die das eine oder andere Exemplar dieser Fabelwesen ziemlich anders zeichnen – nicht zuletzt der kleine Grisu, der am liebsten Feuerwehrmann werden möchte.
Dass sich machen auf Drachen reimt, schlägt sich auch als Titel einiger Kinderbücher nieder. Ganz druckfrisch ist ein knallbuntes Bilderbuch namens „Drachen machen Sachen“ (Text: Mathias Jeschke, Illustration: Artur Bodenstein). Jede der zwölf Doppelseiten widmen sie einem anders aussehenden, anders handelnden Drachen. Obendrein hat der Autor diesen Wesen jeweils sehr fantasievolle Bezeichnungen bzw. Namen verpasst und dessen Hauptzweck immer in einen kurzen Reim gefasst.
Das beginnt mit „Norburga, ein Nasenherziger Wellenschwanz, vollführt ihren alle verzaubernden Flammentanz.“
Manche Reime grenzen fast an Zungenbrecher, die Namen gehen nicht immer nicht über die Lippen, etwa Woggmonn, Schorrgoppa oder Fommtocka.
Aus der kunterbunten Schar mit oft liebenswerten Vorlieben sticht einzig und allein Torsmolla in einem fast durchgängig düsteren Schwarz-Weiß Bild hervor. Doch seine Aufgabe ist auch eine sehr ernste: „Torsmolla, ein angsteinflößende Schwenkflügler jagt die übelbösen Kinderprügler.“
Ein alter Lustgreis mit Glatze und Brille – mit einer derartigen Perücke verwandeln sich fast alle Schauspieler:innen des Abends in diese Figur – wandelt der Regisseur durch die verschiedenen Räume des Wiener Off-Theaters, das sich in bei „006.Am.Psychosee“ von „das.bernhard.ensemble“ (Regie / Konzept: Ernst Kurt Weigel; Konzept/Immersiv-Expertin: Christina Berzaczy) in verschiedenste Stationen eines Filmsets verwandelt.
Der Typ ist eine Legende des österreichischen Films. Neben der Verfilmung von „Der Bockerer (Theaterstück von Ulrich Becher und Peter Preses) rund um den schlawinerischen, leicht widerständigen, Fleischhauer, ist Antel aber vor allem für frühe, seichte Soft-Porno-Komödien berühmt geworden. Das Plakat für einen solchen Film, „Wenn Mädchen zum Manöver blasen“, hängt in der „Rezeption“ des Theater-/Film-Etablissements, in dem die Tour durch das Set beginnt. „Alles Sommerfilme, die Mädchen sind sehr leicht bekleidet“, versucht einer der Tour-Guides augenzwinkernd zu beschönigen.
Der große Filmemacher, der sich in seiner Autobiographie noch mehr oder minder zum Erfinder von allem überhöhte, war aber in der Szene auch bekannt für seine übergriffige, missbräuchliche Art. Und das steht bei diesem Theater-Abend im Vordergrund. Kaum wird „der Franz“ eines weiblichen Wesens ansichtig – ob Darstellerin, Kamerafrau, Tonangel-Halterin, schon geraten seine Grapsch-Finger in Zuckungen.
Alles das, was bis zur Me-Too-Bewegung nach dem Aufdecken von Harvey Weinsteins sexuellen Belästigungen und mehr sozusagen „nur“ ein offenes Geheimnis war und nun zum No-Go samt Verurteilungen von Tätern wurde, wird in den verschiedenen Räumen angespielt und von so manchen Opfern mit lapidaren „das gehört halt dazu“ mitgetragen.
Zum einen schwingt sozusagen mit, zum Glück wurden solche Missbräuche aufgedeckt, wenngleich sie noch immer nicht völlig überwunden sind, zum anderen kann die Drastik mit der hier gespielt wird, wenngleich ins Karikaturhafte verzerrt (unterschiedlich gespielt von Sophie Resch, Christian Kohlhofer, Christina Berzaczy, Leonie Wahl und besonders provokant Rina Juniku), auch ganz arg triggern. Weswegen für den Theaterabend einerseits eine entsprechende Warnung gegeben wird. Und, das noch viel besser und vor allem neu in der Szene: Unter den vielen Räumen des Off-Theaters, das diesmal – wie schon vor zwei Jahren bei „Die.Stunde.Shining“ – in seiner Gänze bespielt wird, steht einer unter dem Titel Safe Space (sicherer Raum) zur Verfügung.
Wem das Gesehene und Erlebte zu weit geht, kann sich hier vorübergehend zurückziehen. Das machen hin und wieder auch die eine oder der andere von den Schauspieler:innen – und steigen hier aus ihrer Rolle / ihren Rollen (viele switchen) – aus. Ein Beispiel das (Theater-)Schule machen könnte, wo es angebracht scheint.
Ob immersiv wie hier oder im Mash-Up von Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ und Stanley Kubricks „The Shining“ (nach dem gleichnamigen Roman von Stephen King) oder auch in den „nur“ Bühnenstücken verknüpft „das.bernhard.ensemble“ seit Jahren einen Film (in diesem Fall „00 Sex am Wörthersee“) mit einem Theaterstück. Der zweite Teil des Titels „Psychosee“ basiert auf Sarah Kanes „4.48 Psychose“. Die britische Dramatikerin, die in ihren fünf innovativen mit vielen Konventionen brechenden Theaterstücken einen Bogen vom Bürger- über Familien-Krieg bis zum Inneren Kampf mit sich selbst bis zu ihrem Freitod spannte, wandelt als irritierender Geist (Yvonne Brandstetter, die als einzige in keine andere Rolle schlüpft) durch die Stationen des Filmsets. Mal verkörpert sie als direkter Gegenpol eine Darstellerin, die Besucher:innen ersucht, sie zu berühren, um ihre eigenen Grenzen zu spüren, begleitet von Leonie Wahl als Intimitäts-Coach – ein mit Me Too neu erschaffener Berufszweig. Mal wälzt sie sich nackt in klein geschnittenem Kraut – als Symbol für das angeblich so berühmte Szegediner Krautfleisch, das Franz Antel für Hunderte Gäste zubereitete; wohl eher zubereiten hat lassen.
Die schon genannten Franz-Antel-Darsteller:innen verkörpern immer auch noch – mindestens – eine weitere Rolle – vor und hinter der Kamera. Ergänzt wird das Schauspiel-Ensemble von Bernhardt Jammernegg als Ton, Kamera-mensch sowie Handwerker, Matthias Böhm (Produzent / Kamera-Mensch / Schmäh-Schreiber) und Mastermind Ernst Kurt Weigel als einer der Tour-Guides sowie in verschiedenen Kostümen (Julia Trybula) für F.A.s Mode-Schau. Musik (Rafael Wagner) und teils schockierende Visuals mit Einsatz von viel KI (Evi Jägle) runden den immersiven, intensiven, fast an, für manche auch über die Grenzen gehenden Abend ab. Der trotz dessen auch von viel sarkastischem Humor lebt. Und in der Figur der vielen Franz Antels vielleicht ein wenig auch Anklänge an Sarah Kanes „Gier“ hat – ein Stück, in dem sie vier Personen ein Leben teilen lässt. Nicht zuletzt lässt sie die Stimme eines alten Mannes Begierden eines Menschen sagen, der andere missbraucht.
Volkshalle im Wiener Rathaus, ein Ort für viel Veranstaltungen – nicht selten auch „nur“ Back-Stage für Künstler:innen, die ihre Auftritte auf der Bühne im gleich angrenzenden Arkadenhof haben. In den Sommerferien – meist in der vorletzten Woche gegen Ende August – gehört die Halle und der Hof Kindern für ihre eigene Stadt. Bei „Rein ins Rathaus“ üben sie alle Jobs aus, verdienen dabei Holli Cent, die hier gültige Währung, wählen täglich ihre eigene Regierung, stimmen über Gesetzesvorschläge ab – UND produzieren ihre eigenen Medien – vom Stadt-TV bis zur Tageszeitung.
Und hier schließt sich der Bogen zu einem Event knapp vor den Osterferien. Da gehörte ein Gutteil dieser Halle mehr als 200 Oberstufen-Schüler:innen aus dem privaten Gymnasium Sacre Coeur (Wien-Landstraße), in ihrer Funktion als Teilnehmer:innen der campus.a-Journalismus-Akademie.
campus a – sicher nicht ganz zufällig Namens-Ähnlichkeit mit der Edition, die ebenfalls „nur“ den ersten Buchstaben unseres Alphabets trägt – will einerseits Plattform für seriöse journalistische Beiträge sein; inspiriert vom legendären, jahrzehntelangen Journalisten Hugo Portisch (1929 – 2021). Und andererseits sollen über die genannte Akademie Jugendliche in Schulen Zugang zu diesem mittlerweile heftig umkämpften Gebiet gewinnen können.
Der aktuelle US-Präsident schleuderte schon in seiner ersten Amtszeit seriösen Medien wie CNN und anderen immer wieder „Fake News“ an den Kopf, sperrt nun in seiner neuen Machthaberschaft ernsthafte Medien aus seinen Medienterminen aus. Gleichzeitig geben sich (parteipolitische) eindeutige Propaganda-Kanäle als journalistische Medien aus, wollen dafür einschlägige Förderung, ein Politiker bezeichnete kürzlich ein österreichisches Qualitätsmedium als Sch… blatt verbunden mit der Drohung, die Medienförderung dafür einzustellen, wenn seine Partei an der Macht ist.
Fakten-Check, sorgfältiges Recherchieren, Fairness, Respekt, Wahrheit, sozusagen Fakten statt Fake, Trennung von Bericht und Kommentar… – das will die Akademie Schüler:innen vermitteln – durch professionelle Journalist:innen. Etwas, das übrigens auch die in mehreren U-Ländern arbeitende Initiative Lie Detectors mit Kurz-Workshops von Journalist:innen in möglichst vielen Schulen oder die ebenfalls EU-vernetzte Initiative Safer Internet, der Fake-Hunters-Tour des ISTA (Institute of Science and Technology Austria, Exzellenz-Uni Klosterneuburg) und nicht zuletzt die Demokratie-Werkstatt des Parlaments seit vielen Jahren machen.
Die campus a Akademie ist derzeit in sieben Schulen Wiens, Nieder- und Oberösterreichs am Werk. Mit der Veranstaltung in der Volkshalle des Wiener Rathauses war nicht nur die Präsentation in einer größeren Öffentlichkeit verbunden, sondern auch eine Praxis-Lecture. ORF-Redakteurin Ambra Schuster, die Nachrichten und Themen auf TikTok für diesen Kanal artgerecht aufbereitet und damit jüngere Menschen mit seriösen Infos dort versorgt, wo sie „zu Hause“ sind, stellte sich – moderiert von campus a-Chefredakteurin Lara Wagner – Fragen von Schüler:inne. Anschließend gab sie Praxisbeispiele für gelungene Interviews mit drei der Jugendlichen, die sich gemeldet hatten. Auf der Bühne fanden nicht nur die Live-Interviews statt, sondern wurden auch die Vorgespräche dafür öffentlich – weil die überwiegende Mehrheit der Anwesenden das so wollte – für alle hör- und sichtbar.
So war zu erfahren, dass der 17-jährige Leonhard gerne Sport betreibt, am allerliebsten Schach. Die Schule hat bei ihm „nicht so einen hohen Stellenwert“. In jenen Fächern, die ihn interessieren, sei er super gut, in die anderen stecke er ein bisschen Arbeit rein.
Seinen Bruder (14) und ihn „unterscheide sehr viel, er ist sehr gut in Programmieren und Sprachen“.
Leila (17) brennt leidenschaftlich für Naturwissenschaften, vor allem Physik und Astronomie, beschäftigt sich aber auch viel mit Kunst, malt und schreibt. Seit gut zehn Jahre wisse sie, dass sie erst Physik im Bachelor studieren wolle, um ein Masterstudium in Astronomie anzuschließen. Am liebsten würde sie danach in die Forschung gehen.
Derzeit aber zentriere sich alles um die Schule, „ich bin in der 8. Klasse und maturiere. Es geht nicht nur ums Durchkommen, sondern um gute Noten“.
Sie haben ein großes Zuhause – „mit neun Geschwistern und Eltern und wir verstehen uns alle sehr gut“.
Mit Elena hatte sich auch eine deutlich Jüngere für die Live-Interviews auf der Bühne gemeldet. Sie betreibe gerne Sport, ist an Sprachen interessiert – Englisch, Deutsch, Spanisch und schreibt gerne eigene Texte.
Im Gegensatz zu den beiden Mitschüler:innen davor ist sie Einzelkind, „auch sonst hab ich nicht wirklich eine große Familie“ Sie lebt „mit Eltern und einer Katze in einer Wohnung“.
Weil der Titelheld ein Hase ist und ein besonderes Ei bald nach Beginn eine große Rolle spielt, passt diese Buchbesprechung von „Hase Hollywood und das Geheimnis des Drachenlandes“ wohl ganz gut zu Ostern 😉 Ist aber ein zeitloses Vergnügen, das indirekt eine Fortsetzung anklingen lässt.
Schon die Vorgeschichte zur abenteuerlichen Reise von Punkrock-Katze Kate, kochender Maus Giovanni, dem namenlosen Affen und seinem vorübergehenden Adoptivkind, Drachhorn Chili sowie dem Titelhelden Hase Hollywood ist spannend. Sie und dazu noch Nilpferd Mama Lu und einige andere ungewöhnliche Tiere leben an dem was „Ende der Welt“ genannt wird und kümmern sich um ein Gasthaus namens „Zum fröhlichen Pups“.
Also nicht wirklich, eigentlich hieß es „Zum fröhlichen Oktopus“, die erste vier Buchstaben haben sich im Verlauf der Jahre vertschüsst und ein Matrose, der einst einkehrte und freche Scherze auf Lager hatte, bastelte ein P und nagelte es zwischen U und S… Was Kapitän Möhrchen sehr ärgerte. Aber so oft er es entfernte, fand sich wer, der eine neues P zimmerte, knüpfte oder was auch immer.
Möhrchen war ein Uropa von Hibiskus Martini Knackwurst Hollywood – alle Vornamen haben eine Bedeutung, jener der US-amerikanischen Filmproduktions-Stadt rührt von Vorlieben der Eltern des Hasen. Der selbst steht eher auf Bücher, liest, sofern er nicht im Gasthaus arbeitet, ständig.
Eines Tages taucht im „Pups“ der weltweit gefürchtete Pirat Captain Grünzahn auf – mit seltsamen Speisewünschen, die den Koch fast zur Verzweiflung brachten, zum Beispiel Pommes mit Erdbeereis, Spinat mit Schokosauce, Apfelstrudel mit Hühnerhaxen…
Aber, bei seinem überstürzten Aufbruch vergaß er einen alten Leinensack, den er unter den Tisch gelegt hatte…
Von dem Abenteuer selbst, du dem die eingangs genannten Tiere und das Drachhorn aus ganz speziellen Gründen aufbrachen – mit Hilfe eines schwimmenden und per Ausklapp-Rädern auch an Land fahrenden Schiffes, ausgedacht und gebaut von Erfinderkatze Dimitri, sei hier gar nicht viel gespoilert, höchstens erwähnt, dass sie auf eine Hexe treffen, auf „Wuffel-Puffel, ein Sumpf-Monster und noch viel mehr.
Die rund 200 Seiten lesen sich recht flott, sind vor allem zum Vorlesen gedacht, bringen viele Wendungen und Überraschungen, samt so manchem Sprachwitz und vor allem sehr vielen bunten (hand-)gemalten Bilder. Auf diesen lassen sich selbst beim wiederholten Betrachten immer wieder neue Details entdecken. Und auf Seite 187 findest du in einer kleinen Fußnote sogar indirekt eine Anregung, nochmals alle Bilder nach einem Tier abzusuchen.
Über eine ungewöhnlich ausführliche Lese- und Schauprobe kannst du dir mehr Einblick in die Story verschaffen. Die gibt’s kostenlos auf der Website des Verlages, der offenbar genau für dieses Buch und mögliche Fortsetzungen gegründet wurde – und ist unten am Ende des Beitrages in der Info-Box verlinkt. Das Buch gibt es auch als dreistündige Hörspiel-Version – mit ebenfalls ungewöhnlich langer Hörprobe (mehr als ¼ Stunde) – natürlich ebenfalls in der Info-Box verlinkt.
Die Entstehung des Buches ist mindestens so spannend wie das Produkt selbst: Simon Rasch, damals fünf Jahre, hatte offenbar immer die falschen Kinderbücher bekommen und begonnen sich – mit seinem Vater Stefan – die Figur des besonderen, Bücher-liebenden, irgendwie ängstlichen Hasen, der dann doch zum Helden wird, auszudenken. Mutter Anja Abicht malte – analog mit Pinsel und Aquarellfarben – die vielen bunten Bilder. Mehr zum Making of auf der schon erwähnten Verlags-Homepage, von der auch diese Making-of-Fotos hier stammen.
Simon, der heuer zehn wurde oder wird, denkt sich auch gern Fahr- und Schwimmzeuge sowie Maschinen aus und bastelt sie. Bilder davon, samt der Möglichkeit, sich Bastelanleitungen schicken zu lassen, finden sich auf seiner Homepage – klarerweise ebenfalls in der Info-Box verlinkt.
Computer-Tastatur, Schläuche, Sauerstoff-Masken, ein Fass, weitere Gefäße, irgendwie geheimnisvoll wirkende Lichter, Theaterrauch – ein Labor. Der große (Forschungs-)„Durchbruch“ beginnt als Ausbruch. Ein Wesen reißt Löcher in eine Folie – am Ende ergeben diese gemeinsam eine Art großes Smilie-Gesicht. Durch den Mund entkommt die titelgebende Figur des Stücks „Sukuna“ im kleinen Theater Delphin in Wien-Leopoldstadt.
Bevor dieses im Labor erschaffene „Monster“ (Bianka Bruckner) davoneilt, richtet es noch etliches an Durcheinander im Labor an. Verzweifelt stellt die herbei eilende Doktorin Lucy (Anna Fellner) fest, was passiert ist. Sie ist die leitende und offenbar einzige Mitarbeiterin von Professor Ezechiel Hieronymus Baum, dessen Experimente Sukuna schufen. Er taucht nie wirklich auf, nur seine, doch meist despotische, Stimme ist zu hören.
„Natürlich“ sei ein Fehler Lucys schuld an dem Ausbruch. Und Sukuna ist ganz schön gefährlich. In der Folge passieren in der Stadt einige grausame Morde.
Und damit eröffnet sich auf der zweiten Hälfte der Bühne eine weitere Szenerie mit schlichtem Tisch und einem Sessel sowie zusammengeklapptem alten Laptop: Kommissariat mit einem diensteifrigen Polizisten namens Müller (Dušan Ostojić) und einem kottanesken Kommissar Leopold Ochsenknecht (Georg Wagner, auch Stimme des Profs sowie Co-Regisseur gemeinsam mit Gabriele Weber). Der gibt maximal Anweisungen, wirft aber stets in erster Linie die Papiersackerln seiner Schnitzelsemmeln – Anspielungen auf Kommissar Rex (?) – auf den Schreibtisch, was seinen Untergebenen fast zur Verzweiflung bringt, manchmal muss er, um den „Geruch“ zu übertünchen zu einem vernebelnden Spray greifen.
Soweit die Ausgangsszenerien des rund eineinhalbstündigen neuen Stücks im inklusiven Theater Delphin. In Zusammenarbeit mit dem ÖHTB (Wohnen für Menschen mit Behinderungen) entwickelte die Gruppe das komplexe, vielschichtige Stück. Ausgangspunkt war die Hauptfigur, entlehnt aus einer bekannten Manga- und Anime-Serie Jujutse Kaisen (von Gege Akutami). Ryomen Sukuna ist dort der wichtigste Gegenspieler, ursprünglich Mensch und nach seinem Tod König der Flüche und größter Magier. Seine bösen Kräfte verteilten sich auf 20 Finger.
Diese brachte Bianka Bruckner, die eine eigene kleine Sukuna-Figur aus Klebestreifen und anderen Materialien angefertigt hatte, ins Spiel. Davon ausgehend dachten sich die Teilnehmer:innen die Geschichte mit dem geheimnisumwitterten Forscher aus, der im Labor dieses Wesen erschafft, das dann entkommt und mordet. Aber „nur“ – das steht zwar im Programmheft, kommt aber in der Bühnenversion leider nicht wirklich heraus – brutale Verbrecher, was ihn triggert.
Während die Ermittler – eigentlich ja nur einer, denn der Kommissar hat außer an seinen fleischgefüllten Gebäcken nicht wirklich an anderem Interesse -, im Dunklen tappen, macht sich Journalist Rudi Richter (Marcell Vala) in seinem fahrbaren Untersatz stets auf der Suche nach Sensationsstorys auf zu eigenen Nachforschungen. Entdeckt, dass bei einer der Leichen – sowie bei allen anderen – abgeschnittene Wüstenfuchs-Ohren abgelegt wurden.
Dessen Ermittlungen und Zeitungs-Berichte regen den Kommissar fürchterlich auf, „weil sie Massenpanik in der Stadt verbreiten“. Der Reporter demütigt den Schnitzel-Semmler obendrein, indem er dessen Namen stets offenkundig nicht unabsichtlich verballhornt – Ochsenfrosch, -schwanz, – auge… – vielleicht das eine oder andere Mal zu viel, weil schon sehr erwartbar, aber zum Gaudium so mancher Besucher:innen, die stets herzhafte fast Lachanfälle darüber bekamen.
In der Zwischenzeit versucht der Professor das entkommene Wesen zu finden und entweder einzufangen oder umzuprogrammieren, vielmehr finden zu lassen – denn auch dieser Chef lässt lieber arbeiten 😉
Dafür soll Dr. Lucy Spezial-Mitarbeiter:innen anheuern, die in einer abgeschiedenen Akademie ausgebildet werden. Und so meldet sich Fuente Rodriguez (Judith Czerny) – besondere Fähigkeit: Sich unsichtbar machen. Was gelingt, weil schon die eigenen Eltern ihr Kind nicht wahrgenommen haben. Dazu gesellt sich der unorthodoxe Mike Zargus (Marcus Zirg), der sich kaum Regeln und Benimm-Regeln unterwerfen kann sowie Josef Salazah (Erich Rosenberger), der hypnotisieren und Feromonenstaub verbreiten kann. Was wieder den Bogen zu den vielfältigen magischen Eigenschaften der Manga- und Anime-Figur einerseits schlägt. Und andererseits auch zur Szene von Menschen mit Behinderungen, die darüber hinaus über Talente verfügen, die von vielen nicht wahrgenommen werden (wollen).
Neben Szenen aus den Akademie-Prüfungen spielt noch ein dritter Spielort eine Rolle: Tiergarten. Hier hat Sukuna Zuflucht gefunden als Tierpfleger – hin und wieder baumeln zwei lange Tierarme in den Innenseiten des langen, großen Mantels. Kollege Günther Edmund (Danijel Marinković) mehrfach mit Bananen unterwegs, weil er hauptsächlich für die Affen verantwortlich ist, hat immer wieder ausufernd theatrale fast opern-arienmäßige Auftritte – mitunter mit Gesang.
Wie das Trio aus der Forschungs-Akademie versucht, Sukuna wieder einzufangen, was dabei noch alles passiert und ob die Morde aufhören… – das sei hier sicher nicht gespoilert. In der Woche nach Ostern wird noch drei Mal gespielt.
„Fake News“ (Fäik Njus) ist zum allgegenwärtigen Schlagwort geworden – sosehr, dass das gängigste Online-Übersetzungsprogramm bei der Eingabe dieser beiden Wörter sie gar nicht mehr als „gefälschte Nachrichten“, sondern auch auf Deutsch gleich als „Fake News“ anzeigt.
Spätestens seit der (wieder) neue US-Präsident Donald Trump schon in seiner ersten Amtszeit diesen Begriff besonders seriösen, recherchierenden Medien an den Kopf war und nun eine ganze ernsthaft arbeitende Agentur aus seinen Medienterminen aussperrte, hat er sich fast ins Gegenteil verkehrt. Vielleicht ist dir noch in Erinnerung, dass rund um die weltweite Corona-Erkrankungen immer auch die Beschimpfung „Lügenpresse“ für Medien gefallen ist.
Was ist nun echt, was falsch, was wahr, was gefälscht? Weit über Online-Medien oder gar Social-Media-Kanäle hinaus beschäftigt sich das nicht ganz 60-seitige, bunt und immer wieder auch witzig illustrierte Buch „Die ganze Wahrheit über das Lügen“ damit (Text: Johannes Vogt, Illustration: Felicitas Horstschäfer).
In kurzen, knackigen Geschichterln und Geschichten liefert das sich ergänzende Duo Beispiele dafür, dass nicht alles, was nicht wahr ist, schon eine Lüge sein muss. Besonders kommt dies auf einer Doppelseite rund um das Zusammenkommen einer ausgedachten Familie zu Weihnachten zum Ausdruck.
So beginnt die erste davon mit der Sprechblase „Die lieeebe Verwandtschaft! Schön, dass ihr da seid!“, die aus dem Mund jener Person kommt, die die Tür öffnet.
Einmal umgeblättert und schon lässt die gleiche Person in der halboffenen Tür die Schultern sinken und in der Sprechblase steht: „Bin ich froh, wenn ihr alle wieder weg seid!“ Diese Doppelseite trägt die Überschrift „Seid ehrlich!“, die davor „seid höflich!“
Aber auch Schauspiel, Fantasiegeschichten – ob in Filmen, Büchern, Comics, Serien oder auch „nur“ von dir ausgedacht und erzählt, für einen Schreibwettbewerb oder eine Schularbeit bzw. Hausübung geschrieben sind keine Lüge.
Bei Ausreden wird’s schon enger – auch das zeigt das Buch anhand von Beispielen. Und es schildert auch, dass bewusstes Lügen ganz schön mühsam und anstrengend sein kann: So musst du dir merken, wem genau du was in allen Einzelheiten erzählt hast und darfst beim nächsten Mal, wenn du auf diese Story zurückkommst nichts erzählen, das der vorherigen Version widerspricht. Bei der Wahrheit weiß du ja, was sich wie, wann, wo abgespielt hat.
Und Lügen löst bei den meisten Menschen ganz schön viel Stress aus – der von anderen nicht selten auch bemerkt wird, wenn du übermäßig schwitzt, deine Augen nervös zucken, du dein Gegenüber nicht anschauen kannst…
Weil Lügen sehr oft mit der Figur des Pinocchio und seiner bei jeder Lüge länger werdenden Nase verbunden ist, hat sich die Illustratorin eine sprechende, von vornherein schon große Nase als Figur einfallen lassen, die immer wieder im Buch auftaucht: Professor Doktor Quatschnasi.
Auf einer Doppelseite gibt es eine Art märchenhafte Geschichte wie es zur Einführung von Hofnarren gekommen sein könnte, die Herrscher:innen – im Gegensatz zu allen anderen im Hofstaat – die Wahrheit in humorvoller Weise sagen durften / sollten.
Ist also gar nicht so einfach, immer ehrlich zu sein, kann auch ganz schön verletzend wirken. Oder sogar lebensgefährlich. Dafür, dass Anne Frank und ihre Familie im Amsterdamer Hinterhaus doch knapp mehr als zwei Jahre versteckt überleben konnte, bevor sie verraten wurden, durften die wenigen Eingeweihten nicht die Wahrheit sagen, das zählt eindeutig zu Notlügen.
Neben den meisten doch recht humorvollen Episoden verweist das Buch unter anderem auf wichtige Wahrheiten, die du nie verheimlichen solltest. Auf Seite 29 sind sie rot unterlegt zu finden – siehe hier unten. Die beginnen damit, dass dir jemand Stärkeres Angst macht, aber ja nicht will, dass du es wem erzählst. Ganz im Gegenteil, du suchst dir eine Vertrauensperson, der du davon berichten kannst!…
Wenn sich wer verrechnet oder Fehler macht, fällt das natürlich – meistens – nicht unter Lügen, es sei denn, wer verlangt für etwas bewusst mehr als es kostet. Dies galt / gilt sicher nicht für dieses Taschenbuch, das auf der Website einer großen Buchhandelskette für 47.370,63 € zu finden war – nachdem KiJuKU dies via eMail sowie Social-Media verklickert hatte, fand es sich um 16,99 € (der fehlerhafte Preis hätte also mehr als dem von 2788 Exemplaren entsprochen). Wobei diese Kette übrigens die meisten gedruckten Bücher um fast immer um ½ Euro teurer verkauft als andere Buchhandlungen.
Und baut schon – wie fast alle Medien in einer Art Verkaufs-Schmäh – eine kleine Unwahrheit in den Titel: „Die GANZE (!?) Wahrheit“ über so ein großes Thema wie Lügen würde wohl ganze Bibliotheken füllen – mindestens. Auch praktisch alle Medien betiteln Sonderbeilagen oder -sendungen gern mit „alles über“ 😉
Übrigens ein auch sehr informatives – und ebenfalls witziges – Buch rund um Fake News und Hilfsmittel, sie aufzudecken ist „Angriff der Killer-Unterhosen“ – Buchbesprechung unten verlinkt.
In knapp mehr als einer Woche, am 27. April 2025, findet die Wahl in Wien statt. Da die Bundeshauptstadt auch gleichzeitig eines der neun Bundesländer ist, sind Gemeinderat und Landtag praktisch ident – von den Mandatar:innen her, nicht von den Vorsitzenden. Gewählt werden nicht nur die Gemeinderät:innen = Landtagsabgeordnete über die bei der Wahl antretenden Parteien samt Möglichkeit, Kandidat:innen mit Vorzugsstimmen auszustatten, sondern auch die 23 Bezirksvertretungen. Für letztere sind auch die rund 265.000 Bürger:innen aus den anderen 26 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wahlberechtigt. Was der 19-jährige Maturant Witold (polnischer Staatsbürger) vor kanpp einem Monat in einem Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „nur eine halbe Sache“ nannte „wenn ich nicht darüber mitbestimmen darf, wer in Wien Bürgermeister wird.“
Weder da noch dort wahlbrechtigt sind mehr als ein Drittel der Wiener:innen, die keinen österreichischen bzw. EU-Pass haben. Unter den jüngsten und jungen Bewohner:innen Wiens sind es gar 44 Prozent (16 bis 30-jährige) bzw. fast die Hälfte (46 Prozent bei den 31- bis 44-Jährigen), die oft jahr(zehnt)elang hier leben, oft schon hier geboren sind, aber nicht ihre Stimme abgeben dürfen.
Im Vorjahr lebten mehr als die Hälfte (55 Prozent) jener Wiener:innen ab 16 Jahren (Wahlalter), die nicht wahlberechtigt sind, schon mindesten zehn 10 Jahre in Wien. Elf Prozent der bei der Wiener Gemeinderatswahl 2025 nicht wahlberechtigten 16 bis 30-Jährigen sind in Österreich geboren.
Yurdanur und Monsef – zwei Jugendliche, die das betrifft, kamen wie der oben schon zitierte Witold in Interviews auf dieser Seite hier vor als die Wiener Jugendzentren in einem Mediengespräch auf diese demokratiepolitische große Lücke und Ungerechtigkeit für die Betroffenen hinwies – alle diese Beiträge am Ende dieses Artikels verlinkt. In dem Überblicksartikel dazu sagen auch Expert:innen, dass Österreich eine der allerhöchsten Hürden beim Zugang zur Staatsbürger:innenschaft haben!
In einer Aussendung am Gründonnerstag werden Vizebürgermeisterin und Integrationsstadträtin Bettina Emmerling sowie der für Umwelt, aber auch die Wahlen zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky zitiert, die auf eine „kleine Wahlhilfe“ in einigen EU-Sprachen – der sieben größten Zuwanderungsgruppen – neben jenen aus Deutschland: Bulgarisch, Italienisch, Kroatisch, Polnisch, Rumänisch, Slowakisch und Ungarisch. Zusätzlich findet sich die „kleine Wiener Wahlhilfe“ auf der entsprechenden Rathaus-Website – Link in der Info-Box am Ende des Beitrages – auch auf Englisch für wohl alle anderen zugewanderten EU-Bürger:innen sowie auch in einer (deutschsprachigen) „Leicht lesen“-Version.
Die oben zitierten Fakten über die nicht-wahlberechtigten Wiener:innen finden sich übrigens ebenfalls auf einer Stadt-Wien-Site, wurden – abgesehen vom einfachen Link (ebenfalls in der Info-Box) – in der Aussendung „verschämt“ verschwiegen.
Weil immer mehr Bürger:innen in Österreich, in diesem Fall in Wien, ihre Stimme nicht abgeben können, organisierten zivilgesellschaftliche Organisationen seit vielen Jahren „Pass Egal Wahlen“ in Vereinen und Einrichtungen – u.a. in der Kinderinfo im Wiener MuseumsQuartier und an einigen Schulen – Link zur Liste in der Info-Box Ende des Beitrages.
Erstmals machen Würstelstände als Wahllokale mit – Motto: „Gib deinen Senf dazu“ (21. und 22. April 2025):an fünf Wiener Würstelständen gewählt werden.
Außerdem gibt es am 22. April 2025 um 19 Uhr – in Kooperation mit dem Stadtkino – ein exklusives Screening des Films „Noch lange keine Lipizzaner“ (über den extrem hürdenreichen Weg zur österreichischen Staatsbürgerschaft und zum Wahlrecht) der Regisseurin Olga Kosanović mit anschließendem Publikumsgespräch.
Als Höhepunkt und Abschluss der Wiener Pass Egal Wahl veranstaltet SOS Mitmensch am Mittwoch, 23. April 2025, von 15 bis 20 Uhr am Yppenplatz ein großes Demokratiefest. Anschließend werden die Stimmen aus dieser Wahl, bei denen Staatsbürgerschaft keine Rolle spielt, ausgezählt und bekanntgegeben. Die Links zu diesen Events ebenfalls in der Info-Box am Ende des Beitrages.
„Ha, ha, ha, Gemüseheld, Suppenlöffler, Salatpflanze! Das ist alles andere als normal und schon gar nicht lecker, was du da futterst!“
Das kriegt Max offenbar immer wieder von anderen Tieren des Waldes an den Kopf geworfen. Max ist – im Buch kommt’s textmäßig erst ungefähr in der Mitte vor, aber schon die Zeichnung auf der Titelseite zeigt es – ein Fuchs.
Seine Leidenschaft ist garteln und er steht auf Obst und Gemüse. Doch eines Tages machen ihm all die Vorwürfe der anderen zu schaffen, „hat Max eines Tages wirklich das Gefühl, dass ihm etwas fehlt. Er fasst einen Entschluss.“
Auf den folgenden Seiten ist zu sehen, wie der Fuchs sich aufmacht durch den Wald und von einem Bauernhof sich durch den Zaun ein Huhn krallt. Wilma nimmt er mit sich nach Hause.
Na endlich hat er seine Natur ge-checkt, meinen Wolf und Bär und laden sich mir nichts dir nichts zum Essen ein, das Max nun kocht.
Dabei erleben sie eine Überraschung 😉 Die hier, im Gegensatz zur Verlagsseite selber, aber nicht verraten sei!
Neben einem Plädoyer für „Gemeüsetiger“ schwingt so unterschwellig auch das in jüngster Zeit wieder stärker aufgepoppte Thema mit, was denn „normal“ wäre.
Inspiriert von den berühmten (Friedens-)Tauben mit einem Ölzweig im Schnabel tummeln sich ganz viele – unterschiedlichste – Tiere in dieser bzw. ähnlicher Pose. Nicht selten auch Fantasie- und Fabelwesen. Am Beginn und am Ende des üppig, fantasievoll und immer wieder auch berührend illustrierten Buches – auch mit so manchen Texten – demonstrieren Tiere mit Tafeln für Frieden – in unterschiedlichsten Sprachen.
„Das Friedenstier“ – Untertitel: „mit Stift und Flügel für den Frieden) ist ein Gemeinschaftsprodukt Dutzender Künstler:innen, initiiert von den bekannten Illustratorinnen Friederike Ablang, Merle Goll und Sabine Kranz. Gerade weil die aktuellen Zeiten alles andere als friedlich sind, wollten sie – in einem Gespräch auf der berühmten Frankfurter Buchmesse was dafür und gegen die – nicht nur eigenen – Ängste, Sorgen samt Ohnmachtsgefühlen tun. Ihrer Initiative folgten viele Illustrator:innen und dachten sich die unterschiedlichsten Friedenstiere aus, später folgten auch Autor:innen.
Die Texte reichen von Kurzgeschichten – etwa wenn Friede und Krieg aufeinandertreffen. Kristina Kreuzer lässt letzteren sagen: „Ich möchte Böses tun. Basta. Alle sind gemein zu mir, keiner versteht mich. Und ja, schlecht geschlafen habe ich außerdem. Aber umso besser, denn wenn es mir selbst schlecht geht, kann ich besser Böses tun.“
„Der kleine Friede fragt den Krieg: Was hältst du von einem Croissant? Komm, ich gebe dir einen Kakao dazu aus und wir setzen uns in die Sonne! Widerwillig stimmt der große Krieg zu und folgt dem kleinen Frieden zum Café am See…“
Mag diese Sichtweise vielleicht ein wenig naiv sein, blendet sie gesellschaftliche Faktoren und (wirtschaftliche) Interessen, die zu Krieg führen aus – übrigens durchgehend im Buch -, so setzt sie dort an, wo die oder der Einzelne, egal wie alt oder jung, etwas im eigenen Umfeld tun könnte für ein friedliche(re)s Zusammenleben.
Viele der Texte sind in Gedichtform. Manche utopisch, andere fantasiegetrieben, dritte auch ein wenig skeptisch: „Wo lebt es denn, das Friedenstier? / Bestimmt weit for von hier. Fernab / an einem streng geheimen Ort…“ (Text: Dirk Pope mit Zeichnungen von Svenja Kretschmer und Kathrin Rödl).
Die drei Initiatorinnen wollten aber gleich auch noch – über das Buch hinaus Gutes tun: „Sämtliche Erlöse aus dem Verkauf des Buches, auch die Honorareder Künstlerinnen und Künstler und die Arbeit des Verlags fließen als Spende an die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen.“
948 Plätze in zweiwöchigen Kursen, die auch mit einem Schwimmabzeichen absolviert werden können, sowie noch einmal 100 Wassergewöhnungskurse für Kleinkinder mit Eltern sind in den Sommerferien 2025 – erstmals – kostenlos. Die Idee kam von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des großen Mitbestimmungsprojekts „Kinder- und Jugend-Million“. Ein einzelner Bub sowie Jugendliche des Jugendzentrums Just Wienerberg hatten diese Idee vorgeschlagen. Und so viel Unterstützung in der Online-Abstimmung dafür bekommen, dass es diese Kurse nun gibt. Immerhin zählt Ertrinken zu den meisten Todesursachen bei sehr jungen Kindern.
Ein weiteres – schon umgesetztes – Projekt, das Jugendliche aus einem der von Juvivo betreuten Treffs (Juvivo.06) vorgeschlagen hatten – Apfelbäume mit Früchten zum freien Ernten – wurde ebenfalls bei dem Medientermin Dienstagfrüh auf der Wiener Donauinsel – bei der U6-Station neue Donau – präsentiert. 40 junge Bäume – mit Schutzanstrich und Drahtgitter um den noch dünnen Stamm, damit sie vor Bibern und anderen Nagern geschützt sind (Gesamtkosten: 30.000 €), stehen nun auf der Wiese gleich bei der U-Bahnstation sowie einige weiter entfernt beim nahen Spielplatz: je zehn Elster- und Jonagold dazu jeweils fünf Bäume mit Notaris, Roter Boskop, Cox Orange sowie Schöner von Boskop. Nachdem einige der Bäumchen, die vor weniger als einem Monat gesetzt wurden, schon Blüten tragen, könnte es sein, dass schon im Herbst die ersten Äpfel verzehrt werden können.
Da der Termin in den Osterferien stattfand, mussten die Medienmenschen Vorlieb nehmen mit verantwortlichen Politiker:innen – Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz, Bettina Emmerling, Floridsdorfs (21. Bezirk, zu dem die Donauinsel in diesem Bereich gehört) Bezirksvorsteher Georg Papai, Gemeinderat Jörg Neumayer (SPÖ), dem Leiter der MA 45 (Wiener Gewässer) Gerald Loew sowie Vučko Schüchner, wienXtra-Geschäftsführer. Dieser Verein trägt die Mitbestimmungsprojekte wie Kinder- und Jugendparlament sowie die Million, die heuer in die dritte Runde geht. Neben den Genannten tummelten sich noch Mitarbeiter:innen aus den zuständigen Magistratsabteilungen 44 und 45 – Gewässer sowie Bäder – bei dem Medientermin und standen für konkrete Realisierungsfragen bereit.
Kinder und Jugendliche schlagen Projekte vor, die – eben bis zur genannten Höhe – auch tatsächlich umgesetzt werden. In der zweiten Runde waren 148 Projekte eingereicht, wovon es 49 in die engere Wahl schafften, über die dann online abgestimmt werden konnten. 4700 Stimmen wurden abgegeben – die ersten zehn Projekte wurden / werden realisiert, zwei davon sind die hier Genannten.
Zu den Schwimmkursen und Details dazu führte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… ein Interview mit dem für die Öffentlichkeitsarbeit der Wiener Bäder zuständigen Leiter, Martin Kotinsky – das, zwecks Vermeidung langen Runter-Scrollens, in einem eigenen hier gleich untern verlinkten Beitrag zu finden ist.
Zu diesen Schwimmkursen befragte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… den für die Öffentlichkeitsarbeit der Wiener Bäder (MA 44) zuständigen Oberamtsrat Martin Kotinsky.
KiJuKU: Wie viele Plätze gibt es in diesen Kursen in den Sommerferien?
Martin Kotinsky: 948 ab 6 Jahren zum Schwimmenlernen plus weitere 100 für Kleinkinder (3 bis 6 Jahre). Das sind Wassergewöhnungskurse mit den Eltern, die dauern nur eine Woche. Die anderen dauern zwei Wochen, immer Montag bis Freitag.
KiJuKU: Und am Ende können die Kinder dann schwimmen?
Martin Kotinsky: Das hoffen wir. Die Kinder können heuer auch am Schluss ein Schwimmabzeichen ablegen, wenn sie eine 80-prozentige Anwesenheit haben, dafür machen wir einen Pass, in dem sie Stempeln sammeln.
KiJuKU: Welches Abzeichen können sie da ablegen?
Martin Kotinsky: Je nach Können, das entscheidet dann der Schwimmlehrer oder die -lehrerin.
KiJuKU: Was haben die Kurse bisher gekostet?
Martin Kotinsky: 100 Euro und der einwöchige für die jüngeren Kinder 50 €.
KiJuKU: Ab wann können Eltern ihre Kinder anmelden?
Martin Kotinsky: Ab 2. Juni, 8 Uhr früh.
KiJuKU: Wo und wie?
Martin Kotinsky: Wir werden auf der Homepage der Wiener Bäder – Link am Ende des Beitrages – eine eigene Unterseite einrichten. Und es wird sicher auch so etwas wie eine Warteliste geben bzw. werden wir frei werdende Plätze dort bekanntgeben, denn was wir nicht wollen ist, dass so ein Angebot nicht genutzt wird.
… heißt die Geschichte mit den eingangs zitierten ersten sechs Worten, die Anfang März 2025 zum ersten Mal auf Deutsch veröffentlicht wurde – zusammen mit bunten, fantasievollen Zeichnungen von Hildegard E. Keller, die den teilweise verspielten Text erweitern. Die Illustratorin ist auch verantwortlich, dass dieses Buch überhaupt erst erschienen ist.
„Es war einmal ein kleines Mädchen…“ Was beginnt wie eines der klassischen Märchen, ist eine Fabel oder vielleicht auch Parabel über ein aufgewecktes, neugieriges weibliches Kind. Ausgedacht und geschrieben von einer Frau, die für ganz andere Texte berühmt geworden ist: Hannah Arendt, Denkerin, Philosophin, scharfsinnige gesellschaftspolitisch kritische Autorin diktatorischer Herrschaft, insbesondere des deutschen Faschismus (Nationalsozialismus), vor dessen Verfolgung sie flüchten musste.
Die Hauptfigur ist das einzige menschliche Wesen in der rund 80-seitigen Geschichte und bleibt namenlos. Sie hütet Tag für Tag Gänse, die sie frühmorgens aus allen Häusern abholt und mit ihnen auf die Weide marschiert. Eigentlich sind Gänse ja sogar Zugvögel. Einige Arten dieser Flieger wurden über Generationen von Menschen zu einer Art Haustier gemacht, weshalb sie kaum mehr ihre Flügel dafür verwenden wofür sie bestimmt sind.
Eines Tages war da eine Gans mehr in der Herde, eine ganz besondere – mit einem wunderschönen schwarzen Fleck auf der Brust. Dieser fremden Gans widmete sich das Kind ganz besonders. Doch plötzlich erhob sich die in die Lüfte und flog davon.
Das wollte das Mädchen so nicht hinnehmen und machte sich auf den Weg, und wollte genau diese Gans ein- oder zurück.
Nun, so beginnt das Abenteuer der entdeckungslustigen jungen Dame. Erst heuerte sie bei einem Piloten an, der der Gans nachfliegen sollte, doch ihr Manöver – über das Gans ab- und auf ihren Rücken zu springen, misslang. Gut für die Geschichte.
So landete das Mädchen wieder auf der Erde – bei einem Wald, wo sie vom Uhu erfuhr, sie könne sich bei den weisen Tieren Rat holen, die sich in einer großen Waldlichtung versammeln. Vom Uhu lernte das Mädchen übrigens rasend schnell die Vogel-Sprache.
Und auf der Lichtung erlebte es so manche wundersame Tierbegegnungen, die sich aus fantastischen Erzählungen und nicht zuletzt aus metaphorischen Bibelbildern ergaben: Der Löwe, der friedlich neben dem Lamm liegt war eine solch ungewöhnliche neue Bekanntschaft. Aber sie stolperte auch über die Schlange, die angeblich schuld war, dass Eva den Apfel vom Baum der Erkenntnis angebissen hatte und damit gemeinsam mit Adam aus dem Paradies vertreiben wurde. Und sie traf auf ein vöööööllig abgemagertes Kamel. Diese erklärte dem Mädchen, weshalb es so mager sei: „Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.“ Dieser Bibelspruch sei verantwortlich. Denn, wenn doch einmal so ein guter Reicher komme, dann müsse es eben durch die schmale Öffnung einer Nadel hindurch.
Bei dieser Begegnung diskutierte das kleine Mädchen ganz schon ausgiebig, wie das denn sei, was Reiche tun müssten, um doch in den Himmel kommen zu können. Wenn sie alles weggeben, dann seien sie ja nicht mehr reich und so weiter…
Von so manch weiteren Tier-Bekanntschaften – alle fragte das Mädchen wie es zur weggeflogenen Gans käme – und einem ganz besonderen Ringelspiel wie hier nicht viel mehr als die reine Erwähnung geschrieben, soll doch nicht die ganze spannende, interessante, vielfältige Reise gespoilert werden. Zu nennen ist vielleicht noch ein langweiliges, selbstmitleidiges Mondkalb, vor allem aber das geflügelte Pferd Pegasus, das das Mädchen ans Ziel brachte – ins Land der Gänse mit unterschiedlichsten schönen Flecken…
Das Ende ist klassisch märchenhaft und ziemlich klischeehaft, was doch einigermaßen enttäuschend bei dieser Autorin ist.
Im Nachwort erzählt die Hildegard E. Keller (Schriftstellerin, Illustratorin, Filmemacherin, Performerin, Professorin, Verlegerin, langjährige Jurorin beim Ingeborg-Bachmann-Preis), wie sie – im Zuge eines Romans über Hannah Arendt („Was wir scheinen“; 2021) bei der Recherche – auf diesen Text gestoßen ist, der erst nach ihrem Tod (4. Dezember 1975) in ihrem US-amerikanischen Zufluchtsort New York in ihrem Nachlass entdeckt worden ist. Hildegard E. Keller verfasst in diesem Nachwort auch einige Gedanken zu möglichen Interpretationen des Textes im Zusammenhang mit Hannah Arendts privaten Beziehungen.
Rund um den 80. Jahrestag der Befreiung Österreichs von der faschistischen Diktatur (Mitte April) spielt das Theater zum Fürchten – derzeit im Stadttheater Mödling und danach im Mai im Wiener Theater Scala „Unten durch. Eine Komödie vom Anfang des Friedens“ von Heinz R. Unger, (1938 – 2018) den ersten Teil seiner Trilogie rund um das – kommende – Ende des Nazi-Regimes („Die Republik des Vergessens: Unten durch, Zwölfeläuten und Hochhinaus).
„Unten durch“ spielt im Wien der letzten Kriegstage. Die Faschisten sind noch an der Macht, aber die Rote Armee der Sowjetunion ist schon dabei einige Teile der Stadt von der Nazi-herrschaft zu befreien. In einem Haus, auf das Bomben fallen beginnt die Handlung. Blockwart Böhm (Georg Kusztrich) ist dabei die Bewohner:innen in den Luftschutzkeller zu treiben. Die Jüngste, Fräulein Elfi (Fanny Alma Fuhs) sucht noch nach Hans. Diesen Hans, mit Nachnamen Tannenbaum (Thomas Marchart), hat sie in ihrem Untermietzimmer beim Hofrat Selznik (Jörg Stelling) die ganze Zeit versteckt.
Die Situation wird brenzlig… – und sorgt für erstes befreiendes Lachen als die Klospülung verrät, wo der Gesuchte sich gerade aufgehalten hat.
Er taucht auf, flüstert nur, musste er dies doch die vergangenen Jahre tun. Und er hat Angst, in den Keller zu gehen. Während sich die anderen dort sicherer fühlen, kann er dieses Gefühl nicht entwickeln, sind diese anderen doch solche, die ihn womöglich bis eher sicher verraten würden.
Soweit die Ausgangslage, in der sich einerseits die Dynamik des ständigen Weiterwanderns durch unterirdische Gänge von Haus zu Haus in der sich immer wieder drehenden Bühne (Inszenierung und Raum: Marcus Ganser; Bühnenbau: Adrian und Emanuel Burcea, Andrei Indries, Gabriel Galea) abspielt. Für die innere Dynamik sorgen die unterschiedlichen Typen, die der Autor geschaffen hat: Die schwangere Hausmeisterin Maria Reitmeier (Samantha Steppan), der hochrangige Ministerialbeamte, der schon genannte Hofrat Selznik, der sich von seiner Frau scheiden ließ, weil diese keine Arierin ist / war, Frau Zapletal (Christina Saginth), die offen und deutlich gegen das noch herrschende Regime auftritt und eben die bereits erwähnte junge Frau, die den Juden Tannenbaum gerettet hat und dieser selbst, der natürlich noch voller Angst steckt, sich dann aber doch der Gruppe zögerlich anschließt.
Und dann treffen sie alle auf den Weinhändler Toni Schmeiler (Philipp Stix, der auch einen Feld-Gendarmen spielt), einen Typen, der sehr stark an den „Herrn Karl“ von Helmut Qualtingers und Carl Merz erinnert. Ein „Schlawiner“, der sich’s immer zu richten weiß. Da das Ende der Nazi-Herrschaft nur mehr eine Frage von Tagen ist – auch wenn sie noch wüten und selbst in den letzten Stunden noch Menschen ermorden -, sei der Jude doch so etwas wie ein Alibi, helfe für eine zukünftige Karriere. Alle mutieren nun plötzlich zu Widerstandskämpfern – „in meinem Innersten Inneren“…
So ernst die Story, so phasenweise gut gespielt scheinbar unfreiwillig ist der Humor, der sich aus diesem Opportunismus etlicher der Charaktere ergibt. Wenngleich diese komödiantische Note den Keim für die jahrzehntelange Geschichtslüge von Österreich als erstem Opfer der Nazis in sich birgt. Erst rund 40 Jahre später (rund um die Präsidentschaftskandidatur von Kurz Waldheim, der seine SA-Vergangenheit verschwiegen hatte) setzte eine breitere Diskussion ein, dass nicht nur viele Österreicher:innen den Nazis zujubelten, sondern nicht wenige führende Köpfe der faschistischen Diktatur stellten.
Auch wenn das Stück zeitlich eindeutig verortet ist, so führt gerade die Zeichnung der unterschiedlichen Charaktere zu einer Art Zeitlosigkeit und damit auch Aktualität – gerade in den Entscheidungssituationen u.a. des (Nicht-)Teilen-wollens von wenigen Lebensmitteln angesichts des Hungers aller.
Finja hat einen liebevollen Vater. Auch wenn er König ist, nimmt er sich täglich Zeit fürs gemeinsame Frühstück und am Ende des Tages, um der Tochter vorzulesen.
Allerdings macht er sich so große Sorgen um die Sicherheit – des Landes und seiner Tochter -, dass er sie in ihrem Zimmer nachts einsperrt und die Fenster vergittert sind. Da hilft auch der Humor von Finja nichts: „Papa, ich hole gleich ein Bügeleisen und bügle deine Sorgenfalten glatt.“
Überhaupt ist dem Autor (auch Puppenspieler und Sonderpädagoge) Stefan Karch, der sein Buch „Finja und der Riese“ auf fast jeder Seite mit einer meist feingliedrigen Zeichnung versah, in praktisch jedem der kurzen, leicht lesbaren 19 Kapitel mindestens eine spannende, oft blumige Formulierung eingefallen. Beispiele gefällig?
„Der Kummer windet sich um seinen Hals wie ein Schal. Der wird sich noch verknoten! …“
Unten (im Keller, Anmerkung der Redaktion) angekommen, fühlt sich die Luft schwer an. „Voller gefangener Geheimnisse“, flüstert Finja. Hier ist der Sohn des Riesen in einem Käfig eingesperrt.
Die Riesen im Wald würden das Land bedrohen – geht das Gerücht um. Und um das Land und sein Volk zu schützen hat der König den genannten jungen Riesen gefangen nehmen und einsperren lassen. Denn dann, so der Sicherheitsglaube…
Doch das geht Finja gegen den Strich. Noch dazu, wo sie es geschafft hat, mit dem gefangenen Buben zu reden. Eben ein Kind einzusperren, das ist nicht fair, nicht gerecht – (emp-)findet sie und so ersinnt sie einen Trick, um aus ihrem Hochsicherheits-Zimmer zu entkommen, macht sich auf in den Wald und … – nein, das große Spannungsmoment sei hier nicht verraten.
Nur so viel, sie hat sich eine List ausgedacht, ihren Vater dazu zu bewegen, umzudenken. Auch wenn ihm das nicht leicht fällt, weil viele seiner Untertan:innen gar nicht einverstanden sind, dass er dem Rat seiner Tochter folgt, und den jungen Riesen menschlich behandelt… „Kuckuckskind“, „Riesenbalg“ oder gar „dreckige Kakerlake“ beschimpfen sie ihn.
Märchenhaft angelegt, erzählt und sehr szenisch geschrieben (schreit fast nach einer Theaterversion!), verpackt der Autor und Illustrator durchaus aus dem (gesellschafts-)politischen Alltag bekannte Phänomene – ohne dass diese aufgesetzt oder gar überstülpend wirken.
Eine Couch, drei junge Männer in Fußballdressen (unter anderem spanischen Nationalteam, mehrfache deutsche Weltfußballerin Birgit Prinz), Wasserkocher, Häferln (Tassen), Mikrophone liegen am Boden. Vor ihnen ein Teppich und gegenüber, knapp vor der ersten Publikumsreihe eine Kamera und eine Frau, ebenfalls im Sportdress.
Das Trio erhebt sich, ebenso die Kamerafrau – Regisseurin des Stücks „Call me (,) Daddy oder rettet die Zärtlichkeit oder die Räuber, aber nicht von Schiller, sondern von dein Herz“. Kreisbildung, Umarmung – die Trainerin und das Team stimmen sich sozusagen auf das einstündige Match im Dschungel Wien ein.
Dieses dreht sich die folgende Stunde um Männlichkeit: Augenzwinkernd von Sexbessesenheit und Anmache zu Beginn. Traurigkeit, dass der fiktive eigene Vater fast nie Gefühle zeigen konnte; wobei sich das Trio da in „brüderlicher“ Eifersüchtelei um die fast wortgleiche Wiederholung der Szene streitet, womit auf Karl und Franz Moor in Friedrich Schillers „Die Räuber“ wie im Titel des Stücks angespielt wird. Ausgelassene, überschwängliche Emotionen beim Betrachten eines wichtigen Fußballmatches samt Szenen, wie sie sich auf Fußballfeldern abspielen mit Umarmungen, abbusseln… Da ist es ja auch „offiziell“ Männern erlaubt so emotional zu reagieren 😉
Die Regisseurin (Nele Christoph) hat sich von der Kamera entfernt und sorgt nun wieder in den Saal kommend für einen „magischen Theatermoment“: Für drei Minuten sollen sich „alle Männers“ im Raum in Häschen verwandeln. Zumindest das Bühnentrio – Crispin Hausmann, Kaspar Maier, Jakob Leanda Wernisch – macht das: Hoppelnd, losend, Karotten knabbernd – ziemlich nahe an den Originalen 😉 Eine witzige Umkehrung und Demaskierung der noch immer weit verbreiteten Bezeichnung machistischer Männer für Frauen als „Hase“ oder Bunny nicht zuletzt verkörpert im Symbol des Playboy-Magazins.
Dass sich (viele) Männer – abseits der geschilderten Fußball-Szenen sowohl am Rasen als auch vor Monitoren – schwer tun mit dem Zeigen von Gefühlen und noch schwerer mit körperlichen, gar zärtlichen Begegnungen, demonstriert das Trio in einer Annäherung ans „Kuscheln“. Da zitieren die Schauspielschüler vom Max Reinhardt Seminar aus einer Art Gebrauchsanleitung dafür, um danach die jeweiligen Positionen einzunehmen. Wirkt urkomisch und sorgt für viele Lacher aus dem Publikumsreihen auf Bühne 3 des Theaterhauses für junges Publikum im MuseumsQuartier.
Der Schluss des Stückes, in den das Bühnentrio eigene und Texte der Regisseurin sowie von „unseren Vätern, ABBA, Jeremy Fragrance und ChatGPT“ eingebaut haben, sei nicht verraten – zumindest einmal, Samstagabend (12. April) wird ja noch gespielt.
Bretter sägen, schrauben, zusammenbauen, unter etliche der Bretter kleine Holzstücke montieren, immerhin verläuft der Boden schräg. Latte für Latte entsteht ein Bretterboden, werden Seitenwände aufgestellt, Kunststofftröge in hölzern Halterungen reingestellt und mit Blumenerde befüllt. Wie an so manchen Orten der Stadt entsteht hier in der Baumannstraße (Wien-Landstraße) eine Grätzeloase.
Kreative, geschickte künstlerische Handwerker:innen von „Die Werkstatt – Baumanstraßen-Verschönerungsverein“, die schon im Vorjahr erstmals am letzten Samstag im August für das erste Straßenfest hier sorgten, bauen nun hier eine kleine, feine Erholungsinsel. Das Gestell für eine Hollywoodschaukel ist noch mit Klebestreifen abgesperrt, auf dem Zettel der Hinweis, dass das Holz frisch eingeölt ist.
Einige Kinder aus der Gasse helfen beim Zimmern des Bretterbodens mit, eine kleine Gießanlage ist schon montiert. Demnächst werden Pflanzen in die Beete eingesetzt. Eine Bank aus der benachbarten Baum-Insel muss hierher übersiedelt werden. Offenbar gefällt nicht allen in der Gasse die wohnlichere Umgestaltung.
Auf der besagten Bank – und zwei weiteren bei Baum-Inseln in der kurzen Sackgasse, die im Sünnhof nahe von Wien-Mitte mündet, kleben Zettel vom Stadtgartenamt „mit der Bitte um Entfernung“, ansonsten würden „Unsere Gärten“ der Stadt Wien die Sitzgelegenheiten wegräumen müssen. „Schlechter Aprilscherz“, dachten die „Verschönerer:innen“ und vorbeikommende Bewohner:innen.
War es leider nicht, wie Luca, einer der führenden Köpfe des „Verschönerungsvereins“ Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… auf Nachfrage mitteilte: „Habe heute mit dem Verantwortlichen der MA42 (Wiener Stadtgärten) telefoniert, dessen Nummer auf dem Zettel angeführt wird. Er findet die Sitzelemente grundsätzlich gut und in der Vergangenheit haben sie da gerne ein Auge zugedrückt, aber grundsätzlich nicht erlaubt.
Vor kurzem hat sich scheinbar ein Anwohner der Baumannstraße offiziell über die Bänke beschwert und dadurch eine offizielle Handlung der MA42 erzwungen.“
Am Ende fügte er noch seine Enttäuschung hinzu: „Bin echt ein wenig sprachlos, mit welcher negativen Energie sich einzelne Personen hier vehement gegen eine offensichtliche Verschönerung des Grätzels stemmen. Gleichzeitig bekommen wir aber täglich auch zahllose positive Reaktionen zu hören und lächelnde Passanten zu sehen – das gibt uns die nötige Kraft und Motivation zum Weitermachen.“
Das erinnert den Autor dieses Textes übrigens an eine Bewohnerin im Wiener MuseumsQuartier über dem Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum. Immer wieder beschwert sie sich – mitunter mehr als lautstark, einmal sogar mit einem Kübel Wasser auf spielende Kinder an einem Wochenend-Nachmittag. „Höhepunkt“: Bei einem Kinder-Silvester vor einigen Jahren mussten Polizisten antanzen. Je näher sie kamen, desto breiter wurde ihr Grinsen: „Wir müssen kommen, weil es eine Beschwerde gab. Aber wissen sie, das ist der leiseste Ort im ganzen Umkreis…“ Denn das Krachen von Böllern im MQ ebenso wie auf der dahinter liegenden Mariahilfer Straße konnte die Dame nicht wirklich anzeigen.
Unwillkürlich kommt da Friedrich Schillers Zitat aus Wilhelm Tell in den Sinn: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“
„Es sollte in der Schule, aber nicht nur dort, Automaten mit gesundem Essen wie Obst und Gemüse geben und weniger mit süßen Sachen“, sagten Kinder der Offenen Volksschule Wagramer Straße am Rande des Kinder- und Jugendparlaments, das nach mehrmonatiger Tätigkeit am Donnerstag (10. April 2025) zu Ende ging. Unter anderem hatten sich diese Volksschüler:innen mit Gesundheit beschäftigt.
In neun Themenbereichen erarbeiteten rund 300 Kinder und Jugendliche aus Wiener Schulen ihre Forderungen – Fotos der Plakate mit den Ergebnissen weiter unten in einer Bilder-Galerie.
Der Abschluss mit der Übergabe des in den vergangenen Monaten erarbeiteten Forderungskatalogs von Kindern und Jugendlichen war sehr interaktiv gestaltet. Im Wappensaal standen Karton-Würfel und anderen Elemente neben einer großen weißen Fläche auf dem Boden, in Boxen warteten vor allem bunter Filz als Material für Blumen und Bäume darauf, etappenweise zu einer Wunsch-Stadt verbaut zu werden. Dazu gehörte auch ein „lost place“, eine alte leerstehende Fabrik-Halle.
Ein Jugendlicher benannte ein Hochhaus „Ministerium für alles“ – was den Reporter an eine wahre Anekdote erinnerte: Vor vielen Jahren meinte ein Ministerialrat im Bildungsministerium, das immer wieder unter anderen Bezeichnungen firmiert und damals „Bundesministerium für Unterricht, Kunst und kulturelle Angelegenheiten“ betitelt wurde: „Nennen wir es doch einfach Ministerium für Angelegenheiten, dann müssen wir es nie mehr umbenennen!“
Gleich daneben lag eine schwarze Folie, auf der Kinder bzw. Jugendliche aus großen Spritzen mit weißem „Pulver“ ihre wichtigsten Anliegen schreiben konnten. Das „Pulver“ war Salz, die Aktion nannte sich „Salz der Demokratie!“
Im Raum mit Bewegungsspielen konnten Gruppen gemeinsam nur mit Hilfe von vernetzten Seilen einen Turm aus hölzernen Klötzen bauen – das lässt sich dabei eben nur miteinander schaffen! Wie vieles andere der Wünsche und Forderungen auch, die am Ende Vizebürgermeisterin und u.a. Bildungsstadträtin Bettina Emmerling und Gesundheits- und Sportstadtrat Peter Hacker übergeben wurden. Die versprachen, dass diese Ergebnisse in die nächste Kinder- und Jugend-Strategie der Stadt Wien einfließen werden.
Da die Delegierten des Kinder- und Jugendparlaments nur zu einem der Themen gearbeitet hatten, konnten sie nun die Forderungen auch aller anderen Ausschüsse lesen und dazu ihre Gedanken äußern.
„In der Schule sollten mehr die Stärken gefördert werden, statt immer nur die Schwächen hervorzuheben“, lautete die erste Antwort auf die Frage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… an eine Runde von Gymnasiast:innen aus einer vierten Klasse in der Bernoullistraße. „Und es wäre sehr schön, wenn wir mehr bei der Gestaltung vom Unterricht mitreden können“, nannte eine Mitschülerin eine weitere Forderung. „Einige Lehrer:innen sind dafür schon offen, aber leider bei Weitem nicht alle.“
Da wollte der Reporter vor allem – nicht zuletzt im Sinne des Schüler:innen-Wunsches Stärken zu fördern – wissen, ob und welche positiven Beispiele es dafür gibt.
„Wir haben in einer Stunde Stadt – Land – Fluss gespielt“, tönte es aus der Runde. Sicher lustvoller als andere Test-Formen. „In Chemie haben wir vorgeschlagen ein Experiment vorgeschlagen, Lipgloss herzustellen“, kam ein weiters Beispiel. „Und in Kunst und Gestaltung (früher BE – Bildnerische Erziehung) haben wir gelernt Podcasts zu erstellen!“ Das dürfte so spannend gewesen sein, dass die Runde nun ins Schwärmen und Schildern kommt. Beispielsweise, so erzählen sie, hat ein Mitschüler vor der Nationalratswahl im Herbst Politiker eingeladen, „die wir dann interviewen durften“.
Dieses Gespräch darüber mit dem Journalisten war so anregend, dass Ilya, Malek, Tobias und Mario sich gleich zu einer eigenen interviewrunde zusammensetzten für einen Teil eines Podcasts über das eben stattfindende Kinder- und Jugendparlament. Tobias, der davor schon Videos am Computer geschnitten hatte, und ein Mitschüler machten sich auf, um noch weitere der jungen und jüngsten Abgeordneten vor das Smartphone-Mikro zu holen.
Mehr Indoor-Spielplätze, aber auch mehr Möglichkeiten für verschiedene Ballsportarten draußen wünschen sich Schüler:innen der MSi (Mittelschule mit Informatik-Schwerpunkt) in der Leopoldstädter Feuerbachstraße im kurzen Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…
Einige Jugendliche waren nicht mit ihrer Klasse gekommen – Vier Mädchen aus dem Gymnasium Geringergasse (Simmering) und der VBS Schönborngasse waren schon im Bericht im Februar auf KiJuKU.at vorgekommen (Warisha, Anna, Shivani und Nepheli) – und natürlich auch dieses Mal dabei. Stärkung von Frauenrechten, aber auch anderen diskriminierten Gruppen sind ihr wichtigstes Anliegen. So lange es noch keine verwirklichte Gleichberechtigung gibt, brauche es Quoten in Unternehmen – für Frauen, aber auch für Menschen mit Behinderung. Möglichst früh in Schule und Kindergarten solle es Präventions-Workshops geben, um die Entstehung von Gewalt zu verhindern. Einerseits brauche es mehr Frauenhäuser, aber viel eher müssten Gewalttäter zum Beispiel mit Fußfessel daran gehindert werden, in die vorigen gemeinsamen Wohnungen zurückzukommen. Und es sollten schon möglichst früh Kinder aufgeklärt werden, dass die Menschen vielfältig sind und Diversität – auch was Geschlechter und Sexualitäten betrifft – normal ist.
… alle sind in den Fotos der Plakate in der Bilder-Galerie zu sehen, einige – aus den verschiedenen Themenbereichen – seien hier aber auch noch aufgeführt: Ausreichende und leistbare Psychotherapie, kinderfreundliche(re) Krankenhäuser und ärztliche Praxen, mehr Fitness-Stationen im öffentlichen Raum, mehr Infos über gesunde Ernährung, mehr konsumfreie Aufenthaltsräume, mehr öffentliche Klos, mehr autofreie Bereiche, SOS- Knöpfe und Notrufstellen – wie in U-Bahn-Stationen auch auf öffentlichen Plätzen und in Parks, mehr junge Menschen in Entscheidungspositionen, TikTok nicht verbieten – diese und andere Social-Media-Plattformen haben große Bedeutung für junge Menschen -, aber „mehr Schutz und Sicherheit im digitalen Raum“ und „eine sichere Online-Plattform für Kinder“ sowie „mehr freizugängliches Internet in der Stadt“, Senkung der Lebenshaltungskosten, mehr Kindegeld für Familien, die es brauchen, Vermögens- und Erbschaftssteuern, mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Arbeitsplätze und praktikumsstellen für Jugendliche in den Ferien, Praktika müssen bezahlt werden…
Zur Schulaufführung der Kinder kommt der Vater zu spät – und widmet Nachrichten auf seinem Smartphone mehr Aufmerksamkeit als den Kindern auf der Bühne. So ist Fu Zhao (der in China bekannte Schauspieler Liu Ye) immer business-mäßig unterwegs und familiär abwesend. Und wundert sich, dass Sohn Tian (Noé Liu Martane) in Games auf der mobilen Spielkonsole versinkt und weniger Kopf für Schule und Lernen hat.
Soweit die Ausgangssituation für den knapp mehr als eineinhalbstündigen fast märchenhaften Film „Moon, der Panda“ – der mit 10. April 2025 in den Kinos anläuft.
Dieser Panda ist nicht die Hauptfigur eines Computerspiels, sondern ein ganz lebendiger, noch junger seiner Art. Auf den trifft Tian zufällig in den Ferien, die er mit seiner Schwester Liya bei Großmutter Nai Nai verbringt.
Die ältere Frau (Sylvia Chang), die viel mehr Draht zu den Enkelkindern findet als deren Eltern, hat ein romantisches einfaches Holzhaus mitten im Wald. Sie schickt Tian aus, um Holz zu holen. Widerwillig geht er los, stolpert, verliert die Switch und landet vor der Höhle eines jungen Pandas. Wegen dessen rundem Gesicht nennt er ihn Mond.
Dass der Junge in die anregende Begegnung mit dem Tier noch dazu recht rasch reinkippt, ist noch glaubhaft nachvollziehbar. Dass er ganz auf seine Spielkonsole vergisst und nie mehr danach sucht, eher weniger.
Der Film stellt diese Veränderung durch diese ungewöhnliche Begegnung ins Zentrum. Und lebt nicht zuletzt von den umwerfenden Landschaftsbildern (Kamera: Marie Spencer), die auf einem großen Kino-Screen sicher beeindruckender rüberkommen als auf einem Laptop oder gar einem Smartphon.
Drehbuchautorin Prune deMaistre und Regisseur Gilles deMaistre (die beiden sind verheiratet) erzählen in einem Interview, das der Fimverleih in einem digitalen Heft für Medien veröffentlichte: „Wir haben sechs Kinder, die an der Entstehung dieser Geschichten beteiligt und unser erstes Publikum sind. Prune liest ihnen Auszüge aus dem Drehbuch vor und bespricht sie mit ihnen, was uns hilft, die Perspektive der Kinder in den Geschichten, die wir erzählen, einzunehmen…“
Darüber hinaus sprechen die beiden „immer wieder mit Kindern, die sich für die Beziehung zwischen Mensch und Tier sowie den Natur- und Umweltschutz einsetzen möchten. Mit „Moon, der Panda“ wollten wir, wie auch in unseren vorherigen Filmen, Kindern – und ihren Eltern – zeigen, dass es möglich ist, durch kleine Beiträge einen Unterschied zu machen, und dass gerade die Summe dieser scheinbar unbedeutenden Handlungen die Welt voranbringt. Das ist der „Kolibri-Effekt“. Die Welt ist, wie sie ist, aber das Leben ist schön, und man kann in ihm Sinn finden.“
Über das Eintauchen in diese neue Beziehung des freundelosen Tian samt Versinken in die Natur, findet der Außenseiter eine neue (Lebens-)Perspektive. Gegen Widerstände der Eltern, insbesondere des Vaters. Und ungefähr in der zweiten Hälfte des Films bekommt auch Liya (seine Schwester; Nina Liu Martane) mehr Raum für sich und ihre Leidenschaft fürs Tanzen – jenseits der fast militärisch strengen Choreografien, die sie anfangs auf der Schulbühne ausführen muss.
Mit Pandas drehen war übrigens, so verraten sie im besagten Interview, nicht einfach – was weniger an den Tieren liegt als unter dem strengen Schutz der chinesischen Behörden. Immerhin sind die Pandas eine gefährdete Art. Was dann auch im Film thematisiert wird – samt der Problematik dieser verspielten nahen Begegnung und Beziehung, die den Schutz auch gefährden kann. Was auch gezeigt wird und eine durchaus dramaturgische Wende einbaut. Tian nutzt das Internet als Recherche-Quelle und mausert sich so nach und nach zu einem jungen Forscher in Sachen Pandas.
„Durch unsere Filme (zuvor unter anderem „Mia und der weiße Löwe“) möchten wir die Schönheit der Welt und die Bedeutung ihrer Verteidigung unterstreichen. Wir können sie durch tief persönliche Handlungen retten, und indem wir ihre Schönheit zeigen, ist es möglich, den Wunsch zu wecken, sie zu schützen.“
Neben der Mensch-Tier-Natur-Beziehung spielt aber auch die (Nicht-)Kommunikation in der Familie Zhao eine große Rolle, die sich durch das bisher Geschilderte auch insgesamt mit verändert – in Richtung auf Augenhöhe und wertschätzend miteinander umgehen. Zur Wertschätzung gehört übrigens auch, dass das Film-Duo Tiere – auch wenn das Panda-Kind recht verspielt ist – „Vermenschlichung“ bewusst vermeidet.
„Es gibt keine einzige künstlich erzeugte Szene. Wir haben mit zwei Pandas gedreht, einem jungen und einem erwachsenen, die mit unserem jungen Schauspieler interagierten und eine echte Verbindung aufbauten. Wir sahen diese Beziehung als etwas Authentisches im Leben des Charakters, was es auf der Leinwand spektakulär machte. Da nichts inszeniert ist, schafft diese Methode etwas Visuelles, Emotionales und Organisches, das mit Spezialeffekten nicht erzeugt werden kann.“
Gedreht wurde in Sichuan, im Zentrum Chinas, rund um die Mega-City Chengdu. Die bergige Region darum herum ist Heimat der größten Panda-Reservate.
„Wir haben nach eurasischen Kindern gesucht, da Alexandra Lamy die Mutter spielt und ein chinesischer Schauspieler den Vater. Ich wollte auch, dass sie Englisch sprechen und einen französischen kulturellen Hintergrund haben“, sagt der Regisseur in dem schon genannten Interview. „Der lokale Produzent stellte mir einen franko-chinesischen Jungen vor und erklärte, dass seine Eltern in China sehr bekannt seien. Der Junge machte ein Vorsprechen, und das Ergebnis war eindeutig.
Einen weiteren Sprung ins Ungewisse wagend, sagte ich, es wäre großartig, auch seinen Vater, Liu Ye, einen riesigen Star in China, zu besetzen, obwohl ich überzeugt war, dass er uns ablehnen würde. Aber er nahm an und schlug vor, dass ich auch seine Tochter für die Rolle von Tians Schwester vorsprechen lasse. So begannen wir diese Reise mit dem Vater und seinen zwei echten Kindern. Das erklärt die emotionale Kraft ihrer Begegnungen, wenn sie gegeneinander aufbegehren. Es gibt nichts Besseres, als authentisches Material auf der Leinwand zu verwenden.“
Bücher zum Film „Mia und der weiße Löwe“ <- damals noch im Kinder-KURIER
Interview mit dem Mädchen, das mit dem weißen Löwen drehen durfte <- ebenfalls noch im KiKu
In der Vor-Euro-Zeit zierte ihr Porträt von 1966 bis 1997 den 1000-Schilling-Schein (umgerechnet 72,67 €): Bertha von Suttner, erste Friedens-Nobelpreisträgerin 1905, Journalistin und Schriftstellerin, berühmt geworden nicht zuletzt für den Roman „Die Waffen nieder“ dessen Titel sich als Losung verselbstständigte (1889 veröffentlicht) in dem sie unter anderem die grausamen Folgen von Krieg drastisch schilderte.
Die in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts geborene fiktive Fine sitzt an ihrem Laptop und versucht an ihrer Dissertation über diese berühmte Friedenskämpferin zu schreiben. Auf dem Tisch daneben einige Bücher Suttners. So beginnt das 1½-stündige Stück „Bertha von Suttner. Ein Traum von Krieg und Frieden“ des „Lichtzeit.Ensembles“ (Text und Regie: Paula Kühn) im Linzer Theater Phönix – im kleineren Raum auf dem Balkon.
Irgendwie kommt die „Studentin“ nicht weiter. Ihr Freund Sami will zum Militär. Nein, er sei nicht kriegslüstern, argumentiert er. Aber die aktuelle neue geopolitische Lage samt Bedrohungen der Werte wie Freiheit und Demokratie erfordere die Bereitschaft, diese auch zu verteidigen, zur Not auch mit militärischen Mitteln. Irgendwann fällt auch der Name des überfallenen Landes „Ukraine“.
Das blockiert Fine. Konsequent Kriege und Waffen ablehnen und dann sch… der eigene Lebensgefährt auf dieses Konzept. Und ist seine Argumentation nicht ganz so von der Hand zu weisen? Fine pendelt zwischen Zweifel und konsequentem Festhalten an ihrer Überzeugung. Doch passt diese noch in die radikal, ja extrem veränderte Zeit bzw. Weltenlage?
Da taucht Nergal auf, so etwas wie ihre innere Stimme, die immer wieder zu von ihr geäußerten oder auch nur gehegten Gedanken den Widerpart spielt. In dieser Anfangs-Sequenz führt er sie „zurück, an den Anfang“ und mit Hilfe eines äußerlich einfachen Tricks – Jacke weg, geblümtes Schaltuch her – verwandelt sich Stefanie Altenhofer von Fine in Bertha von Suttner. Und spielt so einige der Lebensstationen jener Bertha durch, die ihrer Zeit auch in Sachen eigenständiger Frau weit voraus war: Trotz eigener Heiratssehnsucht, zog sie Unabhängigkeit einer untergeordnete Rolle in einer Ehe vor. Von zweifelnd über betrübt, kämpferisch, wütend bis zu glücklich in ihrer nun erfüllten gleichberechtigten Liebe mit Arthur Suttner lässt Altenhofer jede der unterschiedlichen Emotionen spüren.
Auch Simon Brader switcht gekonnt zwischen dem liebenden Arthur, der entgegen den Weisungen der wohlhabenden Frau Mutter, sogar die Familie verlässt, um mit Bertha zusammen zu sein, sowie Sami, der Fines Friedensüberzeugung für naiv und aus der Zeit gefallen hält. Fast ängstigend wirkt er in einer Szene, in der er eine Waffenübung für richtiggehend geil findet, viel besser als jedes Action-Computerspiel.
Irgendwie mit einem Hauch von nicht ganz fassbarem Geheimnis legt Michael Glantschnig die Rolle der inneren Stimme Fines an, überzeugt aber auch als Alfred Nobel und sorgt im einzigen Auftritt von Arthurs Mutter mit einem Pelzimitat um den Hals (Kostüme: Ronja Christof) für schmunzelnde Distanz zu dieser hoch„feinen“ Art.
Sehr cool ist, dass das Stück letztlich keine dogmatische Antwort gibt, sondern den Zweifel sensibler Menschen, das mit sich Ringen jeder und jedem Einzelnen überlässt. Und dennoch die Botschaft mit auf den Weg gibt mit Fragen wie, ob sich für den Frieden wirklich mit Waffen kämpfen lassen kann. Darüber hinaus redet das Stück trotz der aktuell schieren Aussichtslosigkeit dem Optimismus das Wort: Nicht aufgeben und wenigstens für die eine oder andere Hoffnung spendende positive Veränderung im Kleinen einzutreten, am besten selber zu sorgen. Aber es bleibt den Zuschauer:innen überlassen, was sie damit anfange oder daraus machen.
Übrigens: Heute findet sich Suttners Konterfei auf der Österreich-Vorderseite der 2 €-Münze. „Werte-Verfall“?
Aus rund drei Dutzend Figuren mach knapp mehr als ein halbes Dutzend – und die „nur“ von vier Schauspieler:innen verkörpert. Verknappt und verdichtet, das Wesentliche beibehalten und immer wieder auch gereimt, nahe an der (übersetzten) Originalsprache, läuft derzeit im THEO, dem THEaterOrt Pertcholdsdorf (bei Wien-Liesing), „Romeo & Julia“ nach William Shakespeare (Bühnenfassung: Joachim Henn).
Übrigens ist offenbar wieder einmal Hochsaison für Versionen dieses Klassikers demnächst startet die Volkstheater-in-den-Bezirken-Tour mit diesem Stoff, in der Jugendschiene des Linzer Landestheaters läuft seit September eine, im auch oberösterreichischen Kulturhof Perg eine im Juli.
Zurück nach Perchtoldsdorf: Während Selina Heindl in die Rolle der Julia und Jakob Griesser in die des Romeo schlüpfen, switchen ihre beiden Kolleg:innen Pia Schiel und Thomas Bammer von einer Figur in die andere. Und steigen dazwischen hin und wieder aus allen aus: „Was machst du noch da, du sollst doch gleich die Amme (Julias) spielen.
Diese Amme, aber auch den Tybalt (Neffe der Gräfin Capulet) spielen übrigens die beiden abwechselnd. Liest sich vielleicht hier verwirrend, aber dem punktgenauen Schauspiel der Akteur:innen konnten alle im Publikum folgen (bewusst hatte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… die Premiere mit vielen professionellen Zuschauer:innen vermieden und eine Schulvorstellung besucht).
Womit endet die vielleicht meistgespielte – im westlichen Kulturkreis, im persisch-kurdischen gibt es beispielsweise eine ähnliche namens „Mem û Zîn“ – tragische Liebesgeschichte?
Mit dem Tod von Julia und Romeo – ist die häufigste Antwort. Weil oft Prolog und die letzten nicht einmal zwei Dutzend Zeilen von William Shakespeares Original (auch in Übersetzungen!) weggelassen werden: Die Erkenntnis in den beiden verfeindeten reichen Familien Veronas, der Montagues und der Capulets, dass sie wegen ihres gegenseitigen Hasses beide ihr Liebstes, ihre Kinder, verloren haben.
Nicht so im THEO – hier sind die vier Schauspieler:innen anfangs noch nicht und am Ende nicht mehr in ihren Rollen, sondern zunächst der erzählende Chor, am Ende Überlebende der beiden Familien, die diese todtraurige Erkenntnis offen an- und aussprechen. Nachdem „Romeo und Julia“ so allgemein bekannt ist, wird selbst über den Prolog ja nicht die Spannung genommen, wie es für die beiden Liebenden endet, weiß schon von Anfang an praktisch jede und jeder im Publikum.
Diese Inszenierung legt das Schwergewicht darauf, wie es zur Tragödie kommt, eben die tödliche Feindschaft, die durch so manche Szene, nicht zuletzt den Rollen-Switches, auch auf witzige Weise diese Absurdität enthüllt.
Regie führte Hans-Peter Kellner, der auch gemeinsam mit Birgit Oswald, die das Theater leitet, für die stark reduzierte und damit tournee-taugliche Bühne sowie die Kostüme sorgte.
Im oben kurz erwähnten Stück „Mem û Zîn“ – entstanden vermutlich im 14. Jahrhundert (laut Wikipedia) und in der bekanntesten schriftlichen Version von Ehmedê Xanî (1651 – 1707) überliefert, sind beide Angehörige verschiedener Clans. Beko aus einem dritten Clan ermordet ihn und sie stirbt an seinem Grab. „Für die Kurden symbolisiert Mem das kurdische Volk und Zîn das kurdische Land, die durch unglückliche Umstände voneinander getrennt bleiben und keine Einheit werden können“, deutet der Wikipedia-Eintrag die Symbolik dieser vor allem über kurdische Dengbêj-Sänger jahrhundertelang verbreitete Geschichte. Bis heute haben Kurd:innen keinen Staat, sind auf mehrere Länder (Türkei, Syrien, Irak, Iran, Aserbaidschan – in der Sowjetzeit gab es zu Beginn wenigstens dort eine autonome Provinz) aufgeteilt. In der Türkei war ihre Sprache und Kultur lange sogar verboten, noch heute werden immer wieder prokurdische Parteine verboten, ihre mit überwältigender Mehrheit gewählten Bürgermeister:innen abgesetzt und verhaftet…
„Pumpaj, Pumpaj, Pumpaj“ – immer und immer wieder hallen Sprech-Chöre mit diesem serbischen Ruf Montagabend über „ZwideMu“, den Platz zwischen den beiden großen Museen – Kunst-, sowie Naturhistorisches. Vor dem Denkmal der hoch zwischen den Kunsttempeln thronenden steinernen Maria Theresia ist ein roter Teppich ausgerollt. Zu Ehren der 80 Radlerinnen und Radler aus den verschiedenen Universitäten Serbiens, die sich fünf Tage zuvor in Novi Sad auf ihre Sättel geschwungen hatten. Wien ist eine der Zwischenstationen auf dem Radweg nach Straßburg, einem der beiden Amtssitze des Europäischen Parlaments.
Seit dem 1. November des Vorjahres, als in der 300.000-Einwohner:innen-Stadt Novi Sad das Vordach des Bahnhofes einstürzte und Menschen unter sich begrub (mittlerweile 16 Tote – darunter ein fünfjähriges Kind, eine Person starb Wochen später an den Folgen), protestieren Hunderttausende in Serbien gegen Korruption und die Regierung samt ihrem Chef. Mehrmals schon fanden in Wien vor der Botschaft in der Ölzeltgasse (Wien-Landstraße) Kundgebungen um die Mittagszeit statt – KiJuKU hat berichtet; Link unten am Ende des Beitrages. Um 11.52 wird’s dabei immer laut – dem Zeitpunkt des Dach-Einsturzes. Mit Sprechchören und Pfiffen. Danach ganz leise – Trauerminuten, erst 15, mittlerweile 16 (Zahl der Todesopfer).
Zurück zum Montagabend vor dem Denkmal der einstigen Kaiserin: Trotz der Verspätung – oder vielleicht auch gerade deswegen, weil dadurch später Menschen zum Empfang der Radler:innen dazustießen, ging der Platz fast über, von geschätzten 2000 Menschen war die Rede. Dichtes Gedränge. Die Wartezeit wurde mit viel Musik und dazu teilweise Tanz, immer wieder Sprech-Chören, lauten Pfiffen und wenigen, kurzen Reden überbrückt. Vor allem Wiener Serb:innen waren es, die Solidarität mit den Landsleuten ihrer ersten Heimat lautstark oder mit Plakaten und Fahnen zum Ausdruck brachten. Gesichtet wurde auch eine große sowie eine kleine Flagge des ehemaligen Jugoslawiens.
Und dann kamen sie – angeradelt, auf dem roten Teppich ihre Räder schiebend, teilweise hochreißend. Einer ist auf einem großen Hochrad unterwegs, auf dem das Symbol der blutigen Hand im Gedenken an die Todesopfer große aufgemalt ist. Luca mit voll verpflastertem Kinn. „Ich bin sehr unglücklich und schwer gestürzt, aber ich hab nicht aufgegeben und radle weiter. Diese unsere gemeinsame Protestfahrt ist mir zu wichtig“, vertraut er Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… an. – Auch das sozusagen ein „pumpaj“ – so wie das Herz ständig pumpt, solange wir leben, so muss auch der Protest weitergehen. „Wir dürfen nie und nimmer aufhören“, hatten zuvor schon wartende Manifestant:innen dem Reporter den Sinn des Spruches verklickert.
Von Wien aus geht’s am Dienstag ins niederösterreichische Emmersdorf, die Tage daraf nach Linz und Salzburg. Nach insgesamt 13 Tages-Etappen wollen die 80 Radler:innen Straßburg erreichen, um Abgeordneten des Europäischen Parlaments ihre in der Heimat missachteten Forderungen für ein „sauberes“ (korruptionsfreies) Serbien in dem die Menschenrechte gewährleistet sind, überreichen.
Apropos überreichen: In Wien erhielten die Radfahrer:innen von Helfer:innen von Blokada Beč (Blockade Wien – in Serbien besetzen Studierende so manches Uni-Institut) Medaillen, Urkunden und Blumen überreicht – und eine Vielzahl von gespendeten brauchbaren Dingen für die weitere Reise. Die Initiative hatte auch Schlafplätze organisiert.
„Für Vera ist es nicht leicht, Lisas Schwester zu sein. Lisa weiß das, weil Vera ihr das ständig erzählt. Vera ist cool und Lisa peinlich…“
Die beiden sind Zwillinge und gehen in dieselbe Klasse. Die eine ist mittendrin – in der Klassengemeinschaft oder zumindest in der richtigen Clique. Lisa eben nicht. Sie will es auch gar nicht sein, hält so manche der Spiele und Spielchen ihrer Schwester und deren Freundinnen eher für blöd. Manchmal wünscht sie sich doch, eher dazuzugehören, so zu sein wie die anderen, „normal“ oder was die meisten dafür halten.
Das ist der Ausgangspunkt für die sehr flott, spannend zu lesenden rund 120 Seiten des Buches „Lisa mit einem Herz drum rum“ (angegeben ab 9 Jahren).
War sie noch im Kindergarten aufgeweckt und redefreudig, so zieht sie sich in der Schule immer mehr in sich zurück. Und in eine spannende Welt, die der Zahlen und Mathematik. Überall sieht sie die – zählt Wolken, findet Regelmäßigkeiten und Muster – ob in Wolken, den Fenstern eines Hauses oder beim Gang durch den Wald an seinen Bäumen.
Ihre Vorliebe war ausschlaggebend, dass sie ihr Kaninchen Hypatia nannte – nach der gleichnamigen griechischen Mathematikerin, Philosophin und Astronomin, die vor rund 1600 Jahren lebte.
Mathe das ist auch das Lieblingsgebiet des Vaters von Vera und Lisa. Von ihm erfährt sie auch einen spannenden Zusammenhang zwischen Kaninchen und Mathe. Leonardo Fibonacci, der vor rund 800 Jahren lebte beobachtete, wie rasch sich Kaninchen vermehren:
1 +1 =2, 1 +2 =3; 2 + 3 =5; 3 + 5 = 8; 5 + 8 =13… immer die beiden letzten Zahlen zusammengezählt setzen die Reihe fort. Das sei in vielen Bereichen der Natur zu beobachten – von Tannenzapfen bis zu Blättern verschiedener Blumen. Und so versinkt Lisa in der Suche und im Finden von Fibonacci-Reihen an allen möglichen Ecken und Enden.
Auch wenn Lisa sich in dieser Welt von Zahlen und mathematischen Mustern wohl fühlt, so geht es natürlich nicht spurlos an ihr vorbei, wenn sich die anderen – samt ihrer Schwester – lustig über Lisa machen. Und dann steht da noch die Aufgabe von Lehrer Ole an: Jedes Kind der Klasse soll sich in einem Referat den anderen vorstellen, damit alle einander besser kennen lernen. Das stürzt Lisa, die in der Schule immer mehr „verstummt“, sich zurückzieht wie in ein Schneckenhaus, der reinste Horror.
Natürlich bleibt’s nicht dabei. Und immerhin ist Lisa nicht die Einzige, die sich absondert und dennoch von den anderen verspottet wird. Ähnlich geht’s Jonas, auf den zuerst alle Mädchen stehen. Einst bester Kindergartenfreund von Lisa. Und der auch sehr gern Zeit im Wald verbringt, durch den der Weg zur und von der Schule verläuft… Aber mehr sei jetzt nicht verraten, außer dass es viel mit Herz zu tun hat…
Nur so viel: Kjersti Annesdatter Skomsvold (Übersetzung aus dem Norwegischen: Ina Kronenberger) schafft mit der Geschichte um Lisa eine starke sehr junge Außenseiterin. Auch wenn sie ihre eigene Welt findet, in der sie sich wohlfühlt, legt sie sich nicht eine dicke Haut oder gar einen Panzer zu. Die Autorin gibt Lisas Verletzungen und Verletzlichkeit angesichts des Mobbings und der Verspottungen Raum, die den zunehmenden Rückzug aus der Klassengemeinschaft erklären. Dennoch schimmert stets auch die Stärke und eigene Persönlichkeit des jungen Mädchens durch.
In der zweiten Hälfte des in kurze Kapitel-Happen aufgeteilten, schnell und leicht lesbaren Buches mit einigen Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Olivia Vieweg – meist kleineren, an manchen Stellen ganzseitigen im Comic-Stil – kommt der Titel stärker zum Vorschein: „mit einem Herz drum herum“.
Dass Fledermäuse kopfüber hängend schlafen, regte das Team der schallundrauch agency offenbar zu der ungewöhnlichen Eingangs-Szene an. Scheinbar schlafend hängen die Performer:innen René Friesacher, Michael Haller, Joachim Rigler, Sara Wilnauer-Leitner und Elina Lautamäki (die erst drei Tage vor der Premiere für die verletzte Janina Sollmann, die auch für die Dramaturgie sorgte, eingesprungen ist) in den Sitzreihen des kleineren Saals im Dschungel Wien herum, scheinbar schlafend. Das Publikum befindet sich zu Beginn auf der Bühne – und wurde schon vor dem Saal gebeten „mmmmmh“ zu brummen. So könnten die „Fledermäuse“ Vertrauen schöpfen. Langsam „erwachen“ die Spieler:innen, hängen kopfüber über die Lehnen der Sitzreihen und mustern die neu hinzugekommenen Wesen.
Das Schauspiel, der Tanz, die Musik, die Spiele können nun Fahrt aufnehmen, Performer:innen und Publikum tauschen die Plätze. Und nun beginnen rund 50 Minuten einer theatralen Lehrstunde über diese Säugetiere, die als einzige ihrer und damit auch unserer Art fliegen können. Und von denen es eine riesige Vielfalt gibt Fledermäuse und die mit ihnen eng verwandten Flughunde stellen mit an die 1300 Arten rund 20 Prozent aller bekannten 6600 Säugetierarten der Welt.
Wie sie mit mehr als nur ihren Ohren hören, Laute im Ultraschallbereich ausstoßen, sich sogar in absoluter Dunkelheit über den zurückgeworfenen Schall ihrer Laute (Echo) orientieren können, dass sie vor allem am liebsten in Gemeinschaften leben und gemeinsam „abhängen“ und vieles mehr verpacken die genannten Performer:innen, die auch gemeinsam das Stück (Regie: Gabriele Wappel) entwickelt haben, in Szenen, in denen sie schauspielerisch und / oder tänzerisch Verhalten dieser Flatterwesen imitieren. Und immer wieder auch singen und musizieren, also all jene Elemente zu einer runden, spannenden und unterhaltsam-vergnüglichen Bühnenshow verbinden für die schallundrauchagency seit mehr als 20 Jahren bekannt und beliebt ist.
Ausgangspunkt für die Produktion „Fledermäuse“ war allerdings das laufende Johann-Strauss-Jahr, dessen Geburtsjahr heuer genau 200 Jahre zurückliegt. Und weil seine berühmte Operette „Fledermaus“ am 5. April 1874 uraufgeführt wurde, fand nun 251 Jahre später ein diesem Tier gewidmeter Tag – sowohl im Schönbrunner Zoo als auch im MuseumsQuartier mit unterschiedlichsten Stationen statt – vom Schminken über die Präsentation von Trickfilmen, die Kinder im Zoom Kindermuseum gestaltet hatten – KiJuKU hat berichtet, unten verlinkt – bis eben hin zu dieser Theater-Performance (bis 13. April im Dschungel Wien zu erleben und im Herbst im Rahmen von Junge Theater Wien in einigen großen Bezirken am Rande der Stadt).
Auch wenn die Operette nicht wirklich was mit den Tieren, sondern nur mehrmals angespielt mit einem Fledermaus-Kostüm zu tun hat, stehen hier diese Tiere, die nicht zuletzt auch die berühmte Batman-Figur inspiriert hat, im Zentrum. Vom verkehrt-herum Abhängen über die Suche nach einer passenden Höhle bis zum Vorspielen echter aufgenommener Laute verschiedener Fledermausarten, szenischer, getanzter, gesungener Darstellung und Darlegung wichtiger Infos über diese Flatterwesen vermittelt das Stück Wissen in spannender Weise.
Gegen Ende schweben dann allerdings noch Geigen von der Decke des Theaterraumes und die Performer:innen spielen Melodien aus der Operette an. Ausgehend vom Sozialverhalten der flatternden Säugetiere schließen sie sich nun – von Fledermäusen zu Menschen werdend – zu einer Band zusammen…
Für die erste Irritation sorgt das E3 Ensemble mit dem jüngsten Stück, „Eine Ballettoper“ im Theater am Werk (wo die Gruppe erstmals spielt) schon mit der Beschriftung der Sitzplätze: „Prater“, „Ballon Mitte“, und ähnlich fast kryptisch wirkende Bezeichnungen. Die einen wundern sich, dass so viele Sitze schon reservierte seien, andere fürchten: „Oje, steht das für Sitzplatzgruppen, die je nachdem während der Aufführung in irgendeiner Form mitmachen müssen und dritte erhalten die Erklärung: „Parterre“, „Balkon“… sozusagen „verbuchselte Wechstaben“ eines großen Theater-, in dem Fall eher Opernhauses.
Während des Einlasses laufen Buchstaben über ein altes Über-Kopf-Laufband in den früher bekannten roten Leuchtpunkten über der mit einer spiegelnden Folie ausgelegten Boden: „Erster Akt“.
Mit Betreten der ersten Protagonistin leuchtet „zweiter Akt“ auf. Wie später ihre Kolleg:innen ist sie mit einem – in ihrem Fall orangefarbenen – Tutu und einer mächtigen turmartigen Perücke (dazu noch weiter unten) ausgestattet. Von einem kleinen zerknitterten Zettel liest sie einen Text vor, der sich einerseits durch praktisch absolute Unverständlichkeit auszeichnet, andererseits so viele Anklänge an und Ähnlichkeiten zu hochgestochen pseudo-intellektuellem Sprech enthält, dass du ins Grübeln kommst, von wem könnte dieses Zitat stammen. Spoiler: Ein Produkt bei der Entwicklung von „Eine Ballettoper“ (Konzept: Isabella Jeschke, Gerald Walsberger, Sebastian Spielvogel, der auch für die Bühne verantwortlich zeichnet).
So viele und geballter Text kommt übrigens in der Folge – insgesamt 1¼ Stunden – nie mehr, da beschränken sich die Worte auf Satzfetzen – die pendeln zwischen Dadaismus und bekannten Allgemeinplätzen à la „da müsste man doch, aber…“ oder einem dann doch ganzen Satz: „wichtig, in der gestrigen Zeit ans heute denken“… Wer auch immer von den sechs Darsteller:innen – neben der schon genannten Isabella Jeschke noch Antonia Dering, Lilian Gartner, Leon Lembert, Michaela Schausberger und Gerald Walsberger – so ein Bruchstück ausspuckt – die anderen stimmen in eine Art „blablabla“-Chor ein.
Aber 😉 gesprochen Sprache spielt nur am Rande eine Rolle. Selbst die opernarienmäßig gesungene – mit Versatzstücken aus Französisch und Italienisch – tut nicht viel zur Sache. Über das oben erwähnte Laufband läuft mitunter korrespondierende verspielte Schrift – von GRA GRAZIE L über „Je suis le societe“ (ich bin die Gesellschaft – könnte übrigens auch Firma heißen!) bis zu „ICHICHICH…“ – letzteres übrigens gleich zehn Mal in Serie.
Ins Zentrum stellen Inszenierung und Performance höchst körperliches Schauspiel, tänzerische Bewegungen, Gesang und gekonnte künstliche und künstlerische Auszucker sowie immer wieder gleichzeitig den Kampf um den Platz im Mittelpunkt, um Aufmerksamkeit. Zu viel wurde und wird geredet – ist die Botschaft, die so „nebenbei“ damit transportiert wird. Was hier nun leider nicht so ganz möglich ist, obwohl: mehr als drei Dutzend Szenenfotos sowie das Trailervideo bieten auch Einblicke abseits von Worten 😉
Auch wenn jede Produktion wie vieles, ja das meiste im Leben mehr oder minder Teamwork ist, dreht sich (nicht nur) auf Bühnen nicht selten so manches ums große Ego von Stars und jenen, die gern solche wären. Satirisch und vor allem selbstironisch nehmen die sechs Protagonist:innen derartiges Verhalten und nicht selten sich selbst auf die Schaufel. Führen sich dabei heftigst auf – und haben ihren Spaß an dem (selbst-)zerstörerischen Spiel, beginnen nach und nach Fetzen aus der Spiegelfolie am Boden raus- und Perücken einander vom Kopf zu reißen.
Ruhepol an der Seite der Spiegelfläche: Clemens Sainitzer mit seinem Cello und selbst komponierter Live-Musik – die er nicht nur mit dem Bogen spielt, sondern auch zupfend, in der Art einer hochgestellten Gitarre fast rock-opernmäßig und dem Instrument nicht zuletzt auch mit Trommeln, Kratzen und anderen Behandlungen des hölzernen Resonanzkörpers Töne und Klänge entlockt.
Seine Perücke erinnert an einen Turm aus Lockenwicklern – nur völlig glatt. So wie Carlotta Dering & Marlene van Dieken hier die inneren Kartonröhren von Klopapier-Rollen verarbeitet haben, so bauten sie auch alle anderen Turmfrisuren aus Recyclingmaterialien: Wischmobs, Drahtwascheln, einem Handtuch und die irgendwie an ein Herz – oder zwei Hörner erinnernde Perücke Gerald Walsbergers aus einer Vielzahl von BH – alle eingefärbt in orange, pink, lila Farbtönen wie die Tutus.
„Eine Ballettoper“ ist ein mehr als gelungener Mix aus systemischer Kritik in einer locker-leichten Art mit viel Humor, die mehr noch als den Kopf das (Bauch-)Gefühl adressiert – und in einer Szene rund um „outsourcing“ des Pumpens von Herzen noch deutlich metaphorisch anspielt. Bei den allermeisten Empfänger:innen kommt das auch an. Schade, dass es nur mehr Restkarten gibt – aber eine Zusatzvorstellung am 14. April, der allerdings leider schon in den Osterferien liegt.
„Valerie, die will nie abends in ihr Bett. Will noch plaudern, will noch singen / will noch auf und nieder schwingen auf dem Schaukelbrett…“ Mindestens zwei Kinder-Generationen sind schon mit diesem Klassiker von Mira Lobe – illustriert von Winfried Opgenoorth – rund um das Nicht-einschlafen-Können oder -wollen aufgewachsen. Links zu weiteren Besprechungen von Bilderbüchern zu diesem Thema am Ende des Beitrages.
Nun ist ein ähnlich aufgebautes Bilderbuch rund um Gorilla Rille erschienen. Dem haben Fee Krämer (Text) und Nikolai Renger (Illustration) zuvor schon zwei andere Bilderbücher um klassisches Verhalten von Kindern gewidmet: „Wann ist bald?“ und „Ich will auch!“. Geht’s beim zuletzt genannten darum, dass Rille endlich in die Schule will, so im vor wenigen Tagen erschienen „Nur noch einmal!“ um „Hindernisse“ beim Schlafengehen.
Hier ist’s aber nicht nur der kleine Gorilla. Tante Tatu, ein Gürteltier-Weibchen will die Tiere des Dschungels zum Einschlafen bringen. Aller versammeln sich auf dem Herzbaum. Da fällt dem kleinen Wasserschwein ein, erst sollte noch Verstecken gespielt werden. Dann hat der Tapir Hunger. Klar, das muss sein. Und da fällt dem Papagei ein Spiel ein: „Ich esse was, was du nicht isst, und das ist rund…“
Rund geht’s auch Doppelseite für Doppelseite weiter. So müssen nach dem Essen ja noch Zähne geputzt werden, irgendwer muss Pipi – und damit auch alle anderen Tiere. Und das ist bei Weitem noch nicht alles, muss sich doch natürlich bis zum Ende des Buches was abspielen.
An manchen Stellen wirst du selber als Kind angesprochen – beginnend mit einem Wort in großen, fetten Buchstaben und einer Computerschrift, die aussieht, als wäre sie mit der Hand und Stift geschrieben: Die zum Mitspielen einladenden Fragen wie beispielsweise „Was darf für dich zum Einschlafen nicht fehlen?“ oder „Was hast du heute erlebt?“
Nach einem Start aus dem Off, einem Telefonat zwischen der Künstlerin und ihrer Mutter samt sprachlich kreativen Missverständnissen („Schildkröten-Unterfunktion“) betritt Aida Loss, so ihr Künstlerinnen-Nachname, die Bühne im Theater Forum Schwechat. Einerseits Heimspiel, sie wohnt wenige Gehminuten vom Theater entfernt. Andererseits verkündet sie augenzwinkernd eine Entschuldigung. Hat sie doch schon mehrfach, auch in einer TV-Sendung den Reim-Kalauer vom Stapel gelassen: „Wer ein Pech hat, wohnt in Schwechat“.
Aber was fast alle Kabarttist:innen verbindet: Für eine Pointe „verkaufen“ sie auch sprichwörtlich die eigene Oma. In dem Fall den Wohnort. Aber bei weitem nicht nur, wie schon das angesprochenen Eingangs-„Telefonat“ beweist. Und auch nicht nur die eigene Mutter, sondern auch Ehemann, Kinder, frühere Freunde und nicht selten sich selbst nimmt die vielsprachige Rampensau auf die Schaufel. Switchend zwischen Dialekt, Hochdeutsch und Akzenten verschiedener Sprachen – in diesem Best-of-Programm namens „Zeitloos“ praktisch nur Persisch.
Das Spiel um die Reaktionen auf ihren Vornamen darf als eine der ersten Szenen nicht fehlen – Anspielungen auf Punschkrapferln einer, die Oper anderseits und zum Drüberstreuen das „Clubschiff“. Ebenso wie die unterschiedlichen Aussprachen – von Aïda über Eida bis zu großen Ähnlichkeiten mit Oida.
Dazu packt sie noch den bei etlichen Zuschauer:innen nach der Vorstellung hängen gebliebenen Witz mit dem Spiel ihrer beiden echten Namen – Aida Hossein -, den sie einst (angeblich) in ein kleines Rätsel verpackte: „Vorname wie eine bekannte Oper, Nachname wie ein verrückter Diktator nur mit O.“ (Vielleicht heute nicht mehr allen bekannt: Bis 2003 herrschte Saddam Hussein über den Irak). Ergebnis: „Ach, Carmen Hotler!“
Wie alles im Best of natürlich aus den vorherigen Programmen „Arbeits-Loos“, „Filter-Loos“, „Hartes Loos“, „Achtung! Fertig! Loos!“ Den eben zitierten Witz hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… noch Jahre später von früheren Besucher:innen mit heftigem Lachen erzählt bekommen.
Mit einem Lokalkolorit – ebenfalls in unterschiedlichsten Sprachfärbungen – entschädigt sie örtliches Publikum, von dem mehr oder minder alle vom nahen Flughafen und den über die Stadt donnernden Maschinen betroffen sind: Einflug-Schneise. Der dazugehörige weit verbreitete Spruch scheint offenbar – wie die entsprechenden spontanen Lacher beweisen – zu sein: „Nau, heite kennan’s es wieda!“
Und der zuvor genannte Begriff wird von Aida Loos wird je nach Betonung, Aussprache, Mimik und Gestik zum AMS-Kurs, zur bedrohten Tierart, zum Demo-Spruch, zu einem juckenden Pilz im Unterleib oder gar zu einer beleidigenden Beschimpfung.
Neben wortspielerischen Witzen, menschliche Schwächen durch den Kakao ziehen, schwingen immer wieder ernste gesellschaftspolitische Themen, humorvoll aufs Korn genommen, größere Rollen in einzelnen Nummern. Zu nennen ist etwa ihr echter lebensbedrohlicher Blinddarm-Durchbruch am Tag vor Weihnachten (vor drei Jahren). Einlieferung ins Krankenhaus. Ach, zum Glück ist der Arzt ein Ausländer. Denn ein Österreicher am Tag vor Weihnachten müsse wohl weit unten in der Spitals-Hierarchie stehen.
Oder das Geschlechter-Missverhältnis. Könnten Männer schwanger werden, wäre die Menschheit vielleicht schon ausgestorben. Und es gäbe in Krankenhäusern Mannstruations-Stationen 😉
Neben witzigen Szenen baut die Schauspielerin und Kabarettistin noch einige Gesangsnummern im Chanson-Stile der Wiener Legende Cissy Kraner in den rund zweistündigen Abend (eine Pause) ein. Und – bei entsprechendem Applaus – gibt’s eine Zugabe: Da darf das Publikum aus Vorschlägen wählen, die ins nächste Programm im kommenden Jahr einfließen werden.
schickt-doch-auch-rassisten-vor-die-tuer <- damals noch im KiKu
hartes-gluecks-nun-filterloos <- auch noch im KiKu
„Das ist kein Monster!“ Immer und immer wieder rufen Kinder dies in Richtung der Kasperlbühne auf Bühne 3 im Dschungel Wien. Der Regenbogenwurm hat Angst vor einem solchen. Auch die Kasperl, seine Begleiterin, glaubt anfangs das, was Schlotter-Otter über ein furchterregendes Wesen im kuschelig-plüschigen Wald erzählt.
Gesehen hat er’s nicht, aber der Dachs hat davon erzählt, weil die Eule Etienne darüber berichtet hat. Und möglicherweise hat auch sie’s nicht aus eigener Anschauung…
Der genannte bunte Wurm – Kind von Regenwurm und Regenbogen – und die Hauptfigur wollen eigentlich zu einer Party bei Mika Maus. Da taucht eben der Otter mit seinem Gerücht auf. Und darum kreist „Die Kasperl und ihre Abenteuer“ für Besucher:innen ab 3 Jahren nicht ganz eine ¾ Stunde.
Natürlich haust kein Monster im Wald. Was auftaucht ist ein haariges grünes Wesen mit Glubschaugen, das ein wenig an das alte Kinder-TV-Maskottchen Confetti (gelb mit grünen Haaren, 1994 – 2008) erinnert. Es hat zwar zwei lange gebogene Zähne ähnlich von Elefanten, aber ist wie auch der dazu passende Name „Kuschelwuschel“. Und neu hier im Wald. Nach Schrecksekunden bei der ersten Begegnung, freunden sich natürlich Regenbogenwurm und die Kasperl mit dem neu zugezogenen Wesen an. Noch dazu wo sie draufkommen, es ist kuschel-wuschelig wie Kasperls Haare und dessen Höhle farbenfroh wie Regenbogenwurm.
Die Titelfigur mit Wuschelhaar, die gern klettert und „Astronautin oder Chefin“ werden möchte, ist nach Jahrhunderten nun eben einmal weiblich – auch wenn das Rechtschreibprogramm oder gar die Autokorrektur den bestimmten Artikel als Fehler anzeigt oder gar gleich auszubessern trachtet 😉
Benita Martins und Thomas Kolle, die sich das Stück ausgedacht haben und die Figuren auf der kleinen Puppenbühne führen, sie immer wieder aber auch darüber hinaus auftauchen lassen, nennen es im Untertitel „feministisches Puppenspiel“, was vielleicht doch ein wenig hoch angetragen ist: müsste doch sonst jede Geschichte mit einem Mädchen oder einer Frau in einer traditionell männlichen Rolle schon feministisch sein, aber bitte.
Zu den beiden Puppenspieler:innen gesellt sich als Dritter im Bunde – und das neben der Bühne mit Simon Scharinger ein Live-Musiker: Ukulele, Gitarre, „singende“ Säge mit Geigenbogen gespielt, Rassel, Miniatur-Synthesizer, Loop-Station und ein Nussknacker sind sein vielfältiges Instrumentarium mit dem er Melodien für – selber gesungene – Lieder ebenso wie unterschiedlichste Geräusch-Kulissen erzeugt.
Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe. Das junge Detektiv-Duo Elsa und Karl leben in einer „zauberhaften“ Straße, der „Andersgasse 7“, die der Serie von Christiane Schreiber auch den Titel gibt. Hier passieren weniger kriminelle, als vielmehr sehr merkwürdige und auch unglaublich magische Dinge.
So lebt in diesem Haus nicht nur eine Hexe, deren Schlüssel Beine hat und immer eigenständig den Weg nach Hause findet, sondern auch mindestens ein Geist sowie ein Klabautermann, eine Art böser Kobold. Und diese Phänomene der unsichtbaren Gesellen lassen sich nicht als mysteriös erscheinende natürliche Vorkommnisse erklären. Es gibt sie eben. Schließlich geht es hier nicht um Fakten, sondern um eine fantasievolle Geschichte.
Die beiden Kinder halten übrigens auch nicht über Handys Kontakt, wenn es schon spät und Schlafenszeit ist oder wie in diesem Fall über viele Kapitel hinweg Karl Hausarrest hat. Sie verständigen sich über Funkgeräte.
Ohne allzu viel zu verraten, im Zentrum dieses ersten Bandes steht nach einigen kleineren Erkundungen und Entdeckungen der Samen einer geheimnisvollen „Allwachspflanze“. Ein Wassertropfen und sie „explodiert“ förmlich. Was anfangs vielleicht spannend wirken mag, wird rasch sozusagen zur Albtraumpflanze, die alles überwuchert und zerstört. Daher darf so ein Samen niemals… aber Karl hat von seinen Eltern sozusagen Forscherdrang „vererbt“ bekommen. Das Unheil nimmt seinen Anfang.
Natürlich, aber das ist von Beginn an klar, kriegen die beiden Kinder-Detektive – sie „Adlerauge“, er „Riechnase“ – das am Ende in den Griff. Leider verrät schon der Untertitel des Buches „Ein Fall für den fantastischen Flusenwutz“ viel zu früh den Weg zur Lösung. Dennoch lesen sich die knapp mehr als 150 Seiten mit Zeichnungen, die auch die Autorin angefertigt hat, nicht nur leicht, sondern doch immer wieder auch spannend.
Das Gastspiel-Team verwandelt die Bühne in einen offenen Ring ohne Seil-Geviert oder Käfig. Das Schauspiel: ein showmäßig choreografierter, akrobatisch-athletischer Ringkampf mit Geschichte – diese über weite Strecken eher nur angedeutet und Subtext, dazwischen immer wieder doch auch vordergründiger. Der nordische Götterkampf „Mythos Ragnarök“ wird seit Kurzem – bis fast Ende April – im großen Haus des Theaters der Jugend, dem Renaissancetheater in der Wiener Neubaugasse, von Wrestler:innen gefightet und gespielt.
Und führte schon bei der Medien-Premiere zu heftigen Publikumsreaktionen. Szenen-Applaus, manches Mal nur knapp unter der Schwelle zum Anheben von Gejohle wie bei den (Schau-)Kämpfen, wie sie weltweit, in Wien heute in der Stadthalle, im vorigen Jahrhundert (bis 1997) noch immer legendär weitererzählt, auf dem Heumarkt (wo im Winter Eislaufen stattfindet) über die „Bühne“ gehen bzw. gegangen sind. Fast noch legendärer als die Schaukämpfe und Charaktere, die Berühmtheit erlangt hatten, die entfesselten Publikumsreaktionen.
Odin, Thor, Loki, Freya, Hel – das bekannteste Personal aus der Sagenwelt der nordischen Gött:innen -, Feuer- und Eisriesen und dazu noch einige, die Eingeweihten geläufig, für alle anderen neu sind. Sowie der große Graben zwischen extrem heiß und frostig kalt, Gut gegen Böse ausgehend von einem Irgendwo zwischen „middle of no-where und everything every-where“ wird zu einem dramatischen Ringen auf Biegen und Brechen – zumindest klingen viele der Schulter- und anderen Würfe auf der gefederten Kampffläche so. Und doch immer wieder auch mit augenzwinkernden Show-Effekten.
Dennoch: Die einen im Publikum können sich vor Partei ergreifender Zustimmung samt fast ekstatischem Applaus nicht zurückhalten, andere zucken zusammen, halten sich immer wieder die Augen zu. Auch wenn klar ist, alles ist gespielt, so eine geballte Ladung von inszenierter Gewalt auf der Bühne ist nicht für alle aushaltbar – so erging’s dem Schreiber dieser Sätze und Zeilen. Fast noch erschreckender, die im Theater zwar „zivilisiertere“ aber doch spürbaren fast martialischen Reaktionen in den Reihen der Zuschauer:innen.
Aber jedenfalls: Symbolischer Hut ab vor der (schau-)spielerischen Leistung, die sprichwörtlichen sagen-haften Kampf in einen durchgängig extrem körperbetonten übersetzt.
Wobei: Der Weg war hier umgekehrt. Die Truppe – das sind echte Wrestler:innen. Einzig Ed Gamester hat „einen Background am Theater“, wie er nach der umjubelten Premiere Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… anvertraute. „Vor fünf Jahren haben wir als Gruppe das Angebot bekommen, so einen Bühnen-Show zu entwickeln. In einem Tag hab ich das Script verfasst. Dann hat es viel Überzeugungsarbeit gekostet, das Team dazu zu bringen. Da gab’s die große Angst, wie wird das sein, wenn nicht gejohlt wird, wenn wir kämpfen.“
Melanie Watson, die gemeinsam mit Gamester die Crew leitet, in dieser Show als Fate kämpft und spielt, hat „vorher Büro- und Verwaltungsarbeit gemacht; in knapp zwei Wochen hab ich dann die ganzen Kostüme für Mythos Ragnarök designt und geschneidert. Und das ist eine spezielle Herausforderung. Die Gewänder müssen nicht nur passend ausschauen und gut sitzen, sondern ziemlich viel aushalten.“
London, das Edinburgh Fringe Festival, Australien, Kanada, Niederlande, nun Wien, Istanbul hat angefragt, bei der Premiere war ein Gast aus Frankreich im Publikum, der die Show erleben wollte, um sie gegebenenfalls nach Paris zu holen…
Mit Ausnahme der Übersetzung vom Englischen ins Deutsche – dies als Übertitel zur in Originalsprache gespielten Aufführung sowie Dramaturgie und Inspizienz, die vom Theater der Jugend kommen, liegt alles bei „Mythos Ragnarök“ mit dem das TdJ völlig neue jugendliche Publikumsschichten ansprechen will, beim Mythological Theatre, das die darstellenden Kämpferinnen bzw. kämpfenden Darsteller:innen stellt.
Der Master of Ceremonies, Ed Gamester agiert selber in der Roll von Loki. Louise Young gibt eine umwerfende Gullveig, die ihre Kämpfe dominiert. Und dennoch verlieren muss, weil es der Mythos so vorsieht. Des Weiteren beweist Heidi Katrina als Freyja, dass in der doch eher männlich dominierten, kampfbetonten Wrestling-Szene jene Frauen, die an den Start gehen, um nichts nachstehen. Wie die beiden genannten sowie Melanie Watson als Fate und Staecey Coad, die als getötete Hel aus der Unterwelt wieder in Kämpfe einsteigt sind sie im akrobatisch-athletischen körperbetonten Schauspiel ihren Kollegen Howard Drake (Odin), James Dunn (Thor), Sam Gardiner (Surtr und Jormungandr), Beau Charles (Baldr), Fin McCarthy (Borr bzw. Fenrir) ebenbürtig. Wenngleich die alte Sagen-Story letztlich einige der Männer siegen lässt.
Im ausführlichen, bunt bebilderten, zweisprachigen Programmheft, in dem die mythologischen Hintergründe der einzelnen Figuren erläutert sind, erklärt Ed Gamester die Beweggründe für die Show ausführlich: „Das Erzählen von Geschichten als gemeinsame menschliche Erfahrung zu kultivieren und zu erleben“ einerseits. Und andererseits: „Professionelles Wrestling in einen neuen Kontext zu stellen und dadurch dem Publikum zu zeigen, was für eine phänomenale Performance-Kunst es ist. Wrestling ist eine grob missverstandene und nicht gewürdigte Form der Kunst, die als „unecht“ angesehen wird, während Stunts, Bühnenkampf und Schauspielerei „echt“ sind.“
Wie bei Pop-, Rock- und anderen Konzerten sowie eben Wrestlings-Events, stellen sich die Akteur:innen nach der Vorstellung dem Publikum für Selfies zur Verfügung und verkaufen am Merchandising-Stand einschlägige Schmuckstücke von Thor-Hämmern bis zu mythologisch komplexeren Symbolen.
Zu einem Tanz oder auch nur Tänzchen mit dem Wolf kommt es in den nicht ganz 1½ Stunden doch nicht. Dennoch legt die Botschaft aus dem Untertitel („Wer tanzt hier mit dem Wolf?“) dieser Rotkäppchen-Version im Rabenhof-Theater (Wien-Landstraße) schon nahe, dass es nicht ums Auffressen von Menschen geht. Übrigens auch nicht um den Abschuss von Wölfen. Und das, obwohl Marie Jägerin werden will.
In der rhythmischen und von den Bewegungen dann oft doch fast tänzerischen, lustigen „Rotkäppchen“-Version im Wiener Rabenhof-Theater hat die Hauptfigur endlich einen Namen. Im Grimm’schen Märchen wird sie ja immer nur mit ihrer auffälligen Kopfbedeckung genannt.
Und sie hält sich bewusst nicht an die weit verbreitete Märchen-Version. Das taten übrigens auch schon andere Versionen – vom mitreißenden für das Grazer Next Liberty geschriebenen Musical „Grimm! – Die wirklich wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf“ (Musik: Thomas Zaufke, Text: Peter Lund) , das vor acht Jahren dann auch im großen Haus des Theaters der Jugend lief bis zu „Das Rotkäppchen und der gar nicht so böse Wolf“ im Wiener WuK (Theater Zeppelin; Text: Stephan Lack, Regie: Yvonne Zahn).
Zurück in den Rabenhof: Hier ist eine Wolfsfamilie neu in jenen Wald gezogen, in dem Maries Großmutter ihr Häuschen hat. Marie trifft mit ihrem Korb – in dem Fall übrigens ohne Wein und Kuchen, nur mit Obst – auf Wolfi, das Kind von Wolfram, dem 3. und Sylva. Der junge Wolf ist eher schreckhaft. Marie und Wolfi spielen miteinander, freunden sich an. Er nimmt sie nach einigen Treffen sogar zu seinen Eltern mit. Die aber bald überreißen, dass sie vor sich das Objekt ihrer Rache haben. Ist Marie doch die Urenkelin jenes Jägers Jörg, der einst sechs der sieben Geißlein verspeiste (fälschlicherweise ist im Stück hier immer die Rede, dass er sieben gegessen hätte).
Das Jüngste hatte sich ja im Uhrkasten versteckt und überlebt. Statt wie bei Grimm die Geißenmutter, ist es hier der besagte Jäger, der dem Wolf den Bauch aufschlitzt, schwere Steine reinsteckt und zunäht. Mit dieser schweren Last im Bauch fällt der Wolf beim Versuch, Wasser zu trinken in den Brunnen. Aus. Ende. Und daher Fortsetzung – nämlich Rache. Hat es sich doch bei diesem Wolf um Wolfram, den Ersten, Großvater von Wolfis Vater gehandelt. Und so muss nun Wolfram, der Vierte, also Wolfi, schwören, diese Rache auszuüben.
Seine Eltern sind ein wenig verzweifelt. Wolfi will weder ein Schaf, noch eine Ziege reißen; Menschen fressen übrigens auch nicht, ist er doch Vegetarier. Und obendrein – wie auch sein Vater – ein wenig schwer von Begriff – zum Gaudium des Publikums.
Übrigens weder Oma noch ihre Eltern glauben Marie, dass sie einem Wolf begegnet ist. „Bei uns im Wald gibt’s keine Wölfe“, Vater Wilhelm tut’s als Fantasiegeschichte ab. Außerdem will er, dass seine Tochter die rote Mütze ablegt, wenn sie schon Jägerin werden will. Sie aber will sich nicht vorschreiben lassen, was sie anziehen oder aufsetzen darf.
Auch dieser Vater ist nicht der Schlaueste, womit Bernhard Majcen, der beide Väter spielt, mehr oder minder in seiner Rolle – nur mit anderen Kostümen (Julia Klug) bleiben kann. Regisseur und Autor dieser Version, Roman Freigaßner-Hauser hat darüber hinaus sowohl dem jungen Wolf als auch Maries Bruder Moritz für Lacher sorgende geistige Beschränktheit in die Rollen geschrieben. „Nicht die hellste Kerze auf der Torte“, beschreibt Marie ihren Bruder, den Christoph-Lukas Hagenauer ebenso spielt wie den Wolfi. Letzterer ist allerdings gutmütig angelegt, ersterer als rechthaberischer Bruder.
Elena Hückel ist die einzige aus dem Bühnen-Quartett, die „nur“ in eine Rolle, die der Marie, schlüpft. Bettina Schwarz gibt Großmutter und die beiden Mütter – jene von Marie, sowie die von Wolfi.
Viel Spiel- und so mancher Wortwitz durchzieht diese „Rotkäppchen“-Fassung mit einem Ende, das hier nicht verraten werden soll, vielleicht so viel doch: Zu Schaden kommt niemand; vielleicht abgesehen davon, dass alle männlichen Rollen durchgängig ein bisschen blöd, wenngleich mit einer ordentlichen Portion Schmäh, daherkommen. Und Wolfi jedenfalls genauso sympathisch rüberkommt wie Marie, die allerdings um etliches schlauer.
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„Baustelle Demokratie“ folgte als Podiumsdiskussion auf die Vorstellung „WIR! Eine Solo-Show“, die den Untertitel „Sie müssen ja nicht meiner Meinung sein…“ trug – Stückbesprechung am Ende des Beitrages verlinkt.
Für einige Besucherinnen und Besucher begann der Nachmittag im „Zirkus des Wissens“ an der Linzer JKU, der Johannes-Kepler-Universität, aber schon mehr als eine halbe Stunde vor dem Stück. Organisiert von diesem Theater und über den oberösterreichischen Blindenverband an die Betroffenen herangetragen, konnten Gästinnen und Gäste, geführt vom Schauspieler Andreas Pfaffenberger, der gemeinsam mit Martina Winkel das Stück auch entwickelt hatte, die Requisiten und Kulissenteile auf der Bühne im wahrsten Sinn des Wortes be-greifen. Ob die papierene Krone, das kleine Papiertheater mit seinen dünnen, metallenen Stangen, auf die Papierfiguren eingehängt werden können, das große Podest, kleine Servierwägen, künstliche Olivenbäume, den Schreibtisch mit seinem Chaos…
Und während der Vorstellung setzten sich jene Theaterbesucher:innen, die das Geschehen wenig bis gar nicht sehen konnten, einen kleinen Kopfhörer ins Ohr, schalteten davor schon ein kleines Gerät ein, und bekamen erklärt und geschildert, was sich auf der Bühne abspielte. Wo der Schauspieler sich gerade befand, was er tat, welche Gegenstände er in die Hand nimmt – all das, was die anderen Besucher:innen sehen konnten. Das zweite Ohr blieb jedenfalls frei, denn was er sprach, das konnten sie ja hören!
Für die Audio-Deskription sorgte von der Regie-Kabine knapp unter dem Dach des Theaters Alexandra Kloiber, selber Schauspielerin, seit mehr als zehn Jahren (ab 2012) vor allem aber auch Live-Kommentatorin in Theatern und fürs Fernsehen. Theatermäßig vor allem in Graz und Wien, nun zum ersten Mal in Linz.
„Vor allem das Stück war super“, beginnt Edith Kohn nach Vorstellung und Diskussion im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… „und mit der Audiobeschreibung haben auch wir was davon, nur ein oder zwei Mal kam der Kommentar mitten rein, wenn der Schauspieler gesprochen hat. Ich bin extra aus Niederösterreich hergefahren. Sonst fahr ich öfter nach Graz, wo oft etwas für uns Blinde audiokommentiert wird oder nach Wien in ein Theater. Übers Internet erfahr ich vom Blindenverband immer, wo etwas für uns gespielt wird.“
Häufig ist Regina Welles gemeinsam mit der zuvor genannten Besucherin unterwegs. Sie selber ist aus dem oberösterreichischen Enns, Edith Kohn aus dem benachbarten aber schon in Niederösterreich liegenden Ennsdorf. Sie schwärmt von Graz, „wo es oft Audiokommentare gibt, in Linz leider selten. Dabei könnte das tolle Musiktheater doch wenigsten ein bis zwei Mal im Jahr, vielleicht einmal im Frühjahr und einmal im Herbst so wie die Grazer Oper ein Stück einsprechen, so dass wir auch was davon hätten.“ Das Musiktheater hat wie die Oper in Wien an jedem Sitzplatz einen kleinen Monitor für Untertitel – davon haben Gehörlose und Gehörbeeinträchtigte etwas. „Ich hab das Gefühl, bei Barrierefreiheit wird oft auf uns Blinde vergessen“, kommt ein Zwischenruf aus der Runde der um den Reporter stehenden Besucher:innen.
„Sehr zufrieden mit der heutigen Vorstellung“, zeigt sich auch Edith Rosenthaler. „Das Stück war sehr gut gemacht. Besonders gut war, dass wir vorher alles angreifen konnten. In Graz gibt’s das auch immer wieder.“ Sie geht gern und oft in Theaterstücke, Operetten, „aber leider gibt’s Audiobeschreibungen nur in Graz und Wien. Mein Mann, der sieht, begleitet mich immer, aber es ist unangenehm, wenn er mir was erklären will, weil dann sofort alle rundherum zischen „pscht“, daher gehe ich nur dann, wenn die Vorstellung audiokommentiert wird. Außer ins Kabarett, da braucht es das nicht, das lebt allein vom Gesprochenen, das ist super.“
Sie – und da fallen ihre Kolleginnen und Kollegen gleich ein – bedauern, dass es „auch im ORF viel zu wenige Audiokommentare gibt. Im Sport ja, beim Skifahren und Fußball, aber ansonsten gibt es auf deutschen Sendern viel öfter Audio-Deskripiton!“
… standen im Zentrum der eingangs erwähnten Podiumsdiskussion nach der Vorstellung „WIR! Eine Solo-Show“. Organsiert wurde diese vom Zirkus des Wissens in Zusammenarbeit mit der Studierenden-Vertretung des Masterstudiums Politische Bildung. Im Podium sprachen Robert Hummer von der Pädagogische Hochschule Salzburg, Claudia Fahrenwald von der PH Oberösterreich, wo erst wenige Tage dvor der fünfte Geburtstag des Projekts „Demokratie in Schule leben“ gefeiert wurde und Eric Amelin (Leiter der Agentur Müllers Freunde, die unter anderem die Demokratiewerkstatt des österreichischen Parlaments durchführt). Moderation Martina Kapsammer von der Studierenden-Vertretung hatte Fragen vorbereitet.
Wichtig sei, nicht reine Institutionenkunde wie Anzahl der Abgeordneten im Nationalrat auswendig und abprüfbar zu lernen, sondern unterschiedliche und gegensätzliche Standpunkte zu diskutieren einerseits und Mitbestimmung zu erleben andererseits. Sicher viele spannenden Beiträge, im Sinne des „Wir“ und von Demokratie und Mitbestimmung wäre es nicht schlecht (gewesen), den Podiums-Teil knapper zu halten und mehr Zeit und Raum fürs Publikum zu gewähren.
Maschinengewehrfeuer, Lärm, Krach… ein Mann hetzt vom Seiteneingang im „Zirkus des Wissens“ auf die Bühne, rennt – um sein Leben. Vergeblich. Getroffen stürzt er zu Boden. Sekunden später steht er wieder auf, ruft – scheinbar zur Regisseurin – in Wirklichkeit zum Publikum, dass dies nur die Probe für eine Szene war, die auch gar nicht die erste des Stücks sei.
„WIR! Eine Solo-Show“ heißt dieses und trägt noch den Untertitel „Sie müssen ja nicht meiner Meinung sein…“, womit klar wird, dass es irgendwie mit Demokratie zu tun hat. Andreas Pfaffenberger, der eben ein Solo spielt, hat es gemeinsam mit Martina Winkler entwickelt. Der scheinbare Widerspruch im Titel veranlasst manche Besucher:innen, es als Majestätsplural zu interpretieren, steht doch auch von Anfang an eine Papierkrone im Zentrum eines großen Podests auf der Bühne. Könnte sein, muss aber nicht. Er selber und das ‚Stück wolle das gar nicht vorgeben, möge jede und jeder den eigenen Schluss daraus ziehen, so Pfaffenberger in einer Spezialführung vor der Vorstellung – dazu mehr in einem eigenen Beitrag, der am Ende unten verlinkt sein wird.
Der Solist schlüpft in gut mehr als zwei Dutzend Rollen – als Schau-, ebenso wie als Figurenspieler und spannt einen 2500-jährigen Bogen vom antiken Athen bis zur Gegenwart. Wird Letzteres doch immer wieder als „Wiege der Demokratie“ bezeichnet.
Volks-herrschaft, doch was war mit den Frauen Griechenlands? Die ebenso wie Sklaven und „Fremde“ kein Mitspracherecht hatten.
Ein Thema, das sich übrigens immer wieder durchzieht. Wichtige Stationen der Geschichte – antikes Rom, England im 13. Jahrhundert (King John), französische Revolution, Nordamerika mit der US-Verfassung, die mit den berühmten Worten „We the People of the United States…“ (Wir, das Volk der Vereinigten Staaten… beginnt, werden durch das Bühnenspiel – mit kleinem Papier-theater, Schattenspiel ebenso lebendig wie mit großem immer wieder auch bewusst überhöhtem Schauspiel. Der Kampf um Demokratie und Mitsprache gegen Monarchie, Diktatur und neuerdings wieder zunehmende autoritäre Bestrebungen wird als nie endendes Ringen durchgängig spürbar.
Immer wieder auch mit so manchen mehr oder minder große Lücken. Wie schon eingangs bei der Athener Demokratie angemerkt, bleiben von dieser Mitbestimmung meist mehr oder minder große Gruppen ausgeschlossen. Selbst in der französischen Revolution wurde Olympe de Gouges, Verfasserin der „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ nach einem Schauprozess ermordet.
Zum Volk der US-Verfassung zählten offenbar jene Bevölkerungsgruppen, die seit Jahrtausenden hier lebten, die Indigenen, nicht. Bürgerliche Revolution 1848, Habsburgerreich – natürlich wieder nix…, Große Rückschläge – für (fast) alle durch die (austro-)faschistische Herrschaft in den 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts – noch dazu mit dem Anspruch für „das Volk“ zu herrschen.
Der Kampf um Demokratie ist nie zu Ende. Selbst dann, wenn wirklich alle mitsprechen dürften, gelte es wachsam zu sein und gegen das Zurückdrängen von schon Erreichtem aufzutreten. Und Demokratie ist mehr als nur einmal alle paar Jahre wählen zu dürfen, es umfasst das ständige Aushandeln und Diskutieren um die Gestaltung des Zusammenlebens. Solches steht am Ende des knapp 1 ¼-stündigen Stücks im Zirkus des Wissens an der JKU, der Johannes-Kepler-Universität in Linz, als dezidiert ausgesprochener Appell da. Fast ein bisschen zu draufgedrückt und zu wenig vertraut auf das deutliche Spiel davor. Auch im Sinne von Demokratie-Bildung könnte der Erkenntnisprozess, sozusagen die Lehre daraus, dem Publikum selbst überlassen bleiben.
Ein bisschen fehlt hingegen zumindest das Antippen, dass in Österreich bei den jüngsten Wahlen im Vorjahr und den künftigen gut ein Drittel der Bevölkerung von der Teilnahme an Wahlen ausgeschlossen ist. Oft hier geboren, zumindest aber jahr(zehnte)lang hier lebend, arbeitend, Steuer zahlend, sehen sie sich dem restriktivsten Staatsbürgerschaftsrecht gegenüber, werden mitunter über mehrere Generationen zu „Fremden“ gemacht.
Außerdem schmerzt das Ausblenden eines Gutteils der Welt, bleibt reduziert auf Europa und das von Europäern eroberte Nordamerika. Dabei war Vélez in Kolumbien 1853 die erste Stadt der Welt in der Frauen wählen durften. Auf den Cookinseln in der Südsee waren 1890 vier der fünf Häuptlinge von Rarotonga Frauen. Und dort konnten Frauen auch schon vor den Neuseeländerinnen wählen, wo deren Recht 1893 – vor allen Europäerinnen Gesetz geworden ist. Was in Europa erst im darauffolgenden Jahrhundert begann, in der Schweiz beispielsweise überhaupt erst viele Jahrzehnte später (landesweit 1971, im Kanton Appenzell Innerrhoden gar erst 1990).
Ein wenig unheimlich wirken die bunten Flüssigkeiten in Eprouvetten auf dieser „Zaubermaschine“ mitten auf der Bühne. Noch spookiger allerdings die Gläser links und rechts am Bühnenrand in Regalen: Farbenprächtig schillern Totenköpfe in diesen. Vor dem einen Regal eine Holzkiste mit Seil und Schloss versperrt, vor dem anderen eine Kiste mit Korne und dem Schriftzug „World of Habsburg“. Im Bühnenhintergrund links und rechts zwei Bögen, die wie magische Tore wirken mit Rauch und Nebel (Bühnenbau: Angelo Konzett).
So startet Teil 3 der Habsburger Trilogie im Wiener Schubert Theater, wo Figuren und Puppen die meist größeren Rollen einnehmen als Schauspieler:innen; wobei letztere in der Regel erstere auch führen.
Nun schließt sich der Kreis. In Teil 1 der Trilogie standen Geschichten und Gerüchten um Glauben an Vampire unter Kaiserin Maria Theresia und dem Versuch durch deren Leibarzt Gerhard von Swieten, diesen Aberglauben zu vertreiben im Zentrum. Zwei Teile später und zum Abschluss experimentiert die Wissenschafterin Doktorin Swieten, Urururur…enkelin des Arztes, damit, aus Genmaterial der kaiserlichen Leichen die eine oder den anderen als Klon zum neuerlichen Leben zu erwecken. Mit beschränktem Erfolg. Aus einer großen Hutschachtel keppelt ein loser Kopf, jener von Marie Antoinette. Zweiter im Bunde der Geschöpfe Dr.in Swietens wird Erzherzog Maximilian, Kaiser von Mexiko. Allerdings in einer Schrumpfversion.
Während der ersten Labor-Versuch am und rund um diese verspielte magische Maschine mit ausfahrbarer Klapp-Tastatur, genannt Buchstaben-Klavier, bringt eine Stimme aus dem Off unter dem Titel „was bisher geschah“ die Geschichte des Kaiserhauses zu Gehör. Soffi Povo, die auch all die Puppen baute, agiert, als hätte sie deutlich mehr als zwei Hände. Als Schau- ebenso wie als Puppenspielerin. Ist scheinbar da und dort und überall. Und verfügt über unzählige Stimmen und Sprachverfärbungen. Vrleiht dem guillotinierten Kopf der Brot-Kuchen-Sagerin französischen Akzent und rund um Maximilian und dessen Erschießung durch Revolutioniere den passenden spanischen Einschlag (Text: Stephan Lack, Regie: Simon Meusburger; Kostüm, Ausstattung & Produktionsleitung: Lisa Zingerle).
Die 1¼ Stunden changieren zwischen Anspielungen an die einstige echte Geschichte und viel Situations- bzw. sprachspielerischer Komik der neugeschaffenen geisterhaften Figuren. Fallweise taucht noch Markus-Peter Gössler in eingespielten Videos als Chef der Wissenschafterin auf, der sie daran erinnert, dass die Auftraggeber perfekte Wiedergeburten oder Auferstehungen von Habsburger:innen wünschen. Und das subito.
Und über bzw. hinter all dem schwebt unausgesprochen das Phänomen, dass mehr als 100 Jahre nach der Überwindung der ¾-tausendjährigen Herrschaft dieses Kaiserhauses Gebäude, die unter diesen errichtet wurden, als Magnet für Tourist:innen funktionieren. Vielmehr aber noch das Flair von Maria Theresia, Sisi & Co. nostalgische Gefühle auch bei Generationen nach der Monarchie Geborener auszulösen scheint.
Ein fast unaussprechliches, völlig neues Wort für den neu in die Klasse, die Schule, das Land gekommenen Jaša, führt die rund fünf Dutzend Seiten lang durch eine kurzweilige, spannende, warmherzige Geschichte einer neuen Freundschaft.
„Deine Arme sind zu dünn. Du solltest mehr Liegestütze machen, Jaša.“ Dieser erste Satz, ausgesprochen von der Lehrerin, die dabei auf ihre eigenen Oberarme zeigt und lächelt, eröffnet das Buch „Ein Liekesch für Jascha“.
Und damit weißt du von Anfang an bereits, worum es sich dreht – und auch wie Jaša ausgesprochen wird 😉
In seinem Kopf aber kommt an: Lie-Kesch-Tut-Sen. Deutsch ist für den jungen Bosnier eine ganz neue Sprache. Die ersten beiden Silben behält er und beginnt eben nach Liekesch zu suchen. Und dabei landet er vor – und nach dem ersten schüchternen nur durch die Auslagenscheiben starren beim zweiten Mal in dem Geschäft, das ein junger Mann namens Frank führt.
Der weiß, obwohl er jedes Mal im Internet such, auch nichts über den vermeintlichen neuen sportlichen Trend, vermutlich aus den USA. Außerdem ist er – obwohl offensichtlich Deutscher – im Schreiben auch nicht besonders gut. Das zeigen die in jedem Kapitel neben Jašas Erlebnissen abgedruckten Briefe Franks an seine Mutter.
Frauke Angel und Mehrnousch Zaerie-Esfahani haben das leicht zu lesende, spannende Buch geschrieben, in das sie so manch anderes noch mit verpacken wie Gedanken zu fair und unfair. Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… wollte von Ersterer, von der hier schon einige Bücher besprochen worden sind, ob die beiden sich die Texte aufgeteilt haben – die eine Jaša und die andere Frank. „Nicht so rigide. Wir sind zusammen durch die Geschichte und haben uns gegenseitig befeuert, befruchtet … wobei Mehrnousch mehr bei Jaša und ich mehr bei Frank war“, lautete die Antwort auf die Frage über einen Social-Media-Kanal.
Sich gegenseitig befeuern, animieren, förderen – das tun auch Jaša und Frank in der abwechslungsreichen Geschichte – in jeweils kurzen Portionen samt gezeichneten Bildern.
Jedenfalls haben sie sich ausgedacht, dass Jaša auf dieses geheimnisvolle Liekesch spart, wie er etwa über das Malen von Lesezeichen mit dem Versuch sie zu verkaufen zu Geld kommen könnte, aber damit scheitert. Doch der Bub gibt nicht auf. Und immer mehr entwickelt sich zwischen ihm und Frank eine Freundschaft. Letzterer – und damit du als Leserin oder Leser, wenn du nicht ohnehin Bosnisch verstehst, lernst in paar Worte aus dieser Sprache.
Und wunderst dich vielleicht am Ende, weil die letzten bosnischen Wörter Konopac za preskakanje nicht im Text übersetzt sind – die siehst du dafür in einer der Zeichnungen von Barbara Jung, die das ganze Buch durchziehen. Genau diese soll hier aber nicht veröffentlicht werden, die Spannung bleibt. Und weshalb dies dann doch nicht „Lie-Kesch-Tut-Sen“ sind? Nun, eben Liekesch 😉
„Wie viele kommen denn da noch?“, tönt es aus einigen Mündern, der in einem großen Kreis sitzenden Volksschulkinder in einem Klassenzimmer in der Simmeringer Brehmgasse. Großer Auftrieb am 8. Vorlesetag (dieses Mal war’s in Österreich der 28. März, in Deutschland fand der bundesweite Vorlesetag im November statt). Aus den Dutzenden Schulen, die sich dafür angemeldet haben, hatten sich der neue Bildungsminister, die ebenfalls neue Wiener Vizebürgermeisterin und Stadträtin u.a. für Bildung sowie die auch noch nicht lange in ihrem Amt befindliche Wiener Bildungsdirektorin diese Schule ausgesucht, um Kindern aus einem gedruckten Buch vorzulesen. Dementsprechend stellten sich auch Medien ein, nicht zuletzt Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…
So, der Auftrieb füllte den Rest des Raumes hinter und rund um einige der Kinder der 2a und 2b. Die genannten Personen sprachen auch über die Wichtigkeit von Lesen im Allgemeinen und von Vorlesen im Besonderen. Das aber wussten die Kinder längst, wurde diese Schule doch ausgesucht, weil sie sich seit vielen Jahren „Leseschule“ nennt.
Und so ging’s rein in das Bilderbuch „Rosi in der Geisterbahn“ von Philip Waechter (2008, Beltz Verlag). Rosi ist eine Häsin, die in der Nacht von einem Monster geträumt hatte, zitternd und klatschnass davon munter wurde. Und weil sie öfter ähnlich träumte, begann sie sich zu überlegen, wie sie gegen Monster vorgehen könnte. Den Schluss des Bilderbuches nach Christoph (Wiederkehr, Minister), Bettina (Emmerling, Vizebürgermeisterin) und Elisabeth (Fuchs, Bildungsdirektorin) las Stefan (ein Schüler).
Übrigens: Heinz Janisch und Helga Bansch, zwei vielfach ausgezeichnete österreichische Kinderbuch-Autor:innen, sie häufiger noch -illustratorin, haben Hasen, die oft mit Angst in Zusammenhang gebracht werden das Bilderbuch „Angsthase“ gewidmet. Hasen und Häsinnen aus allen Ecken und Enden kommen zusammen und veröffentlichen eine internationale Erklärung: „Der ganzen Welt muss ein für alle Mal gezeigt werden, wie unerschrocken, mutig, schnell, klug, geschickt wir Hasen sind.“ Am Ende ihrer Weltversammlung beschließen sie, „dass ab sofort alle Kinder, die so hasenschnell und erfindungsreich wie wir sind, den Ehrentitel „Muthase“ bekommen“.
Angst hatte übrigens keines der Kinder bei der Geisterbahn-Geschichte, auch die Spannung war schon davor weg. „Wir haben die Geschichte schon vorher gelesen und gekannt“, verrieten einige der Kinder nach dem großen Rummel dem KiJuKU-Reporter. Von dem sie sich die Kamera ausborgten und selber viele Fotos machten – die hier weiter unten veröffentlicht werden.
Stefan vertraut dem Journalisten noch an: „ich wurde ausgewählt“. Offenbar, weil den Lehrpersonen klar war, dass er das gut auf die Reihe kriegt. „Ich lese gerne spannende Bücher, am liebsten, wenn es um Fußball geht“, beantwortete er die entsprechende KiJuKU-Frage. Im letzten das er gelesen hat, dreht sich vieles um einen Lukas, der in der Verteidigung seines Teams spielt. „Wir dürfen uns aus der Lese-Ecke immer Bücher für zu Hause mitnehmen und bringen das Buch zurück, wenn wir fertig sind.“
Leseschule sei die Brehmgassen-Volksschule schon vor ihrer Zeit als Direktorin gewesen, so Elisabeth Dirr im Gespräch mi Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Bei uns wird in jedem Fach immer auch Wert auf Lesen gelegt. Außerdem haben wir acht Lesepatinnen und -paten. Auch die Erstsprachen-Lehrer:innen für Türkisch und BKS sowie ein engagierte Mutter mit Arabisch kommen zum Vorlesen.“
Schon bisher arbeitet diese Volksschule, so die Direktorin, mit einem Kindergarten zusammen, eine Kooperation mit einem Senior:innenheim ist in Vorbereitung.
Zwei bis vier Stunden pro Woche verbringen die Lesepat:innen in den Klassen, um aus gedruckten Kinderbüchern vorzulesen. Stellvertretend für diese nahm Ursula Handl an dem medialen Rummel am Freitag um die Mittagszeit in der Brehmgasse teil. Von Beruf einst Sekretärin, „wollte ich in der Pension einfach etwas Sinnvolles tun. Und diese zwei Stunden, die ich hier in der 2a und 2b einmal in der Woche von 9 bis 11 Uhr bin, machen mir sehr viel Freude, wenn ich spüre, wie die Kinder Freude daran haben, dass ich ihnen vorlese.“
Ein weiterer Baustein der Leseförderung ist das bundesweite Lesegütesiegel, das ab diesem Schuljahr an engagierte Volksschulen verliehen wird, die Lesekompetenz gezielt fördern und Lesekultur im Schulalltag verankern. Die Leseschule im 11. Bezirk strebt klarerweise so eines an. Ergänzend dazu läuft die Pilotphase des Leo-Lesetests an 20 Wiener Schulen. Ziel ist es, die Lesefähigkeiten der Schüler:innen frühzeitig zu erfassen und gezielt zu stärken – die Evaluation folgt im Mai 2025.
Eine Studie der Ohio State University besagt, dass Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, bis zu 1,4 Millionen Wörter mehr hören, bevor sie in die Schule kommen. Das stärkt nicht nur die Sprachentwicklung, sondern auch die Lernfreude. Gerade in Wien, wo fast die Hälfte der Erstklässler eine andere Erstsprache als Deutsch spricht, ist Sprachförderung essenziell – wäre sie allerdings auch in allen anderen Sprachen!
Lesepat:innen besuchen einmal pro Woche für zwei Stunden auch Kindergärten. Ziel ist es, Kinder bereits im Kindergartenalter spielerisch an Bücher und Sprache heranzuführen. Das Projekt wird seitens der Stadt Wien-Kindergärten in Zusammenarbeit mit dem Wiener Roten Kreuz umgesetzt.
Zurück zum Vorlesetag: Mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten lasen im Vorfeld eine halbe oder eine ganze Stunde aus Klassikern und / oder neuen Kinderbüchern vor. Als „Lesemarathon“ sind diese auf der Website des Vorlesetags auch danach noch anzuhören und als Videos anzuschauen – Link weiter unten.
Fasziniert stehen Kinder der 4b der Volksschule Daniel Gran in St. Pölten vor einer hohen, luftig wirkenden Säule. „Das schaut aus wie ein Tornado“, meinen diese Besucher:innen der aktuellen Ausstellung im Kinder Kunst Labor der niederösterreichischen Landeshauptstadt. Dieser „Tornado“ wurde von der Künstlerin Sakshi Gupta (1979 in New Delhi, Indien, geboren) aus Zehntausenden auseinandergezwirbelten dünnen metallenen spiralförmigen Drähten gebaut. Solche Spiralen kennst du sicher, wie sie die Blätter von Notizblöcken und Kalendern zusammenhalten. Sozusagen ein – im wahrsten Sinn des Wortes – Upcycling, wenn die alten vollgeschriebenen Blöcke oder abgelaufenen Kalender als Altpapier recycelt werden.
„Papier Stein Schere“ heißt die aktuelle Ausstellung, an deren Gestaltung übrigens Kinder gemeinsam mit den Verantwortlichen dieses Hauses für zeitgenössische Kunst in Ideenwerkstätten mitbestimmt haben – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte im Herbst bei einer solchen Runde dabei sein; der Beitrag darüber ist weiter unten verlinkt.
Nicht alle Objekte der neuen Ausstellung, die bis fast Ende August (2025) läuft, sind direkt diesen drei Begriffen zugeordnet. Aber viele. Manche sind so gar nicht zeitgenössisch. So findet sich in einer Vitrine eine uralte metallene Schere – aus dem Stadtmuseum von St. Pölten. Rund 2500 Jahre ist dieses Schnitt-Werkzeug alt und unterscheidet sich von den heute üblichen. Zwei Nachbildungen aus 3D-Drucken aus Kunststoff-Filament können daneben ausprobiert werden. „Geht viel einfacher“ sagen die meisten der Kinder, die dafür nicht Finger in Löcher einfädeln müssen, um diese Schere – wie sie in dieser Form übrigens nach wie vor beim Schafe scheren verwendet wird, zusammenzudrücken.
„Die können Links- und Rechtshänder gleich verwenden“, fällt einigen der Kinder übrigens auf. Gefunden wurde das Original in der Vitrine übrigens als Grab-Beigabe in einem keltischen „Brandgrab“ bei Pottenbrunn, einem nordöstlichen Stadtteil von St. Pölten. In den Vitrinen daneben sind noch viel ältere Werkzeuge zu bestaunen wie jungsteinzeitliche Äxte, die rund 6000 Jahre alt sind.
Neben den Vitrinen mit den Uralt-Teilen aus dem Stadtmuseum warten auf einer halbrunden niedrigen Tischchen Papier und Stifte darauf, dass vor allem junge Besucher:innen zeichnen, malen und schreiben. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wurde dabei von einigen der Volksschülerinnen mit Portrait-Zeichnungen beschenkt.
In anderen Vitrinen finden sich sehr rundliche, metallene, verspielte Objekte. Die Künstlerin Maria Bartuszová (1936 – 1996, Tschechoslowakei) hatte Lufballons und Kondome mit flüssigem Gips gefüllt, dann die dünne Haut abgezogen, nachdem der Gips hart geworden war und davon Abgusse in Bronze, sehr oft aber dem billigeren Aluminium angefertigt. Bei ihren Kunstwerken ließ sie sich von Regentropfen, Wolken und Getreidekörnen inspirieren. Womit die harten Materialien einen doch recht weichen Eindruck machen.
Von einem ihrer Kunstwerke, das aus mehreren Teilen fast wie ein Puzzle erst zusammengefügt das Objekt ergibt, wurde eine metallene Kopie erstellt, die nun neben der Vitrine steht. Und auch angegriffen, auseinandergenommen und wieder zusammengefügt werden kann. Eine Idee dahinter, so die Kuratorin der Ausstellung, Gabriela Garlatyová, die das Archiv der genannten Künstlerin leitet, sowie die Kinder Kunst Labor-Leiterin Mona Jas: Auch blinde Besucher:innen können so ein Kunstwerk ertasten. Und schon schlossen einige der genannten Volksschüler:innen die Augen und versuchten sich im Metall-Puzzlen.
Papier-Drachen in Bambus-Rahmen, von denen einer eine raketenähnliche Form hat, vor einem gewebten Teppich (Rirkrit Tiravanija), ein „Teppich“ aus Tausenden gedruckten Fotos von Menschen in Zeitungen und Zeitschriften in einer auf dem Boden stehenden länglichen Vitrine (Katarzyna Józefowicz) sind einige der weiteren Ausstellungsstücke. Gleich beim Eingang in die große Halle steht auf dem Boden der verchromte Bronze-Abguss eines Formel1-Autoreifens der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury. Schräg gegenüber an der Wand hängt ein Relief, das – von weiter weg – fast wie eine hölzerne geschnitzte Arbeit wirkt. Aber es handelt sich um ein Gewebe aus Stoff und Epoxy, das als Stützgerüst in Autoreifen verwendet wird und früher in der Fabrik Glanzstoff in St. Pölten hergestellt wurde. Dieses Werk „Ohne Titel“ stammt vom österreichischen Künstler Hans Kupelwieser.
Mindestens so faszinierend wie den Spiral-„Tornado“ am Anfang dieses Beitrages finden Kinder der genannten Volksschule das einzige Video der Ausstellung. Vor dem Monitor stehen obendrein hölzerne Liegen, um sich den Film gemütlich reinzuziehen. Kay Walkowiak filmte am Stadtrand von Cheyyur (Indien) Makaken (Äffchen), wie sie mit unterschiedlich gefärbten Holzplatten spielten. Beim Betrachten von „Stimuli“ (Reihe) – so der Titel des Videos – entsteht fast der Eindruck, als würde es würde es sich um Vorformen kreativer Betätigung handeln (das Video ist in der Info-Box am Ende verlinkt).
„Oje“, denkt der gemütlich mit einem Buch, einem Keks und einem Luftballon an einer Schnur auf einer Bank sitzende, aber ein wenig ängstlich in die Welt schauende Bär. Aber „na klar“ sagt er zum Fuchs, der sich zu ihm setzen will.
Als der Wolf kommt und vom Keks des Bären abbeißen will, denkt er „nie im Leben“ – und was er sagt, ist hingegen „gern“.
Ähnlich geht’s die nächsten Doppelseiten weiter. Das von vielen bis allen anderen erwartete erwünschte Verhalten – in dem Fall teilen – macht er, obwohl es gar nicht möchte, sozusagen das „Drama des begabten Kindes“ (Alice Miller, Psychologin und Autorin, 1923 – 2010).
Natürlich belässt es die Autorin und Illustratorin Natalia Shaloshvili (Übersetzung aus dem Englischen: Ebi Naumann) nicht dabei. Irgendwann lernt der unfreiwillig großzügige – wollig-ausgefranst und fast ein wenig unförmig gemalte, ähnlich illustriert sind auch die anderen Tiere – Bär auch seine eigenen Bedürfnisse zu äußern. Und dabei, dass es doch auch ein „nein“ geben kann.
Shaloshvili, auf der ukrainischen Krim aufgewachsen, später im russischen St. Petersburg beheimatet und nun schon länger in London lebend, „wollte schon als Kind Illustratorin werden. Eine meiner frühesten Erinnerungen ist, dass ich davon träumte, Kinderbücher zu illustrieren“, sagte sie in einem englischen Interview mit der Website childrensillustrators. „Ich habe ein Architekturstudium abgeschlossen und kam nach der Geburt meiner Tochter wieder auf die Idee, Kinderbuchillustratorin zu werden. Sie hat mich also wohl inspiriert.“
Lange Zeit habe die studierte Architektin „digital gearbeitet, als ich Zeitschriften illustrierte. Vor ein paar Jahren habe ich angefangen, mit traditionellen Medien zu arbeiten, und bin daher immer noch dabei, meinen eigenen Stil zu entwickeln… Ich arbeite gerne mit Acrylfarben, Aquarellstiften und Buntstiften.“
Ein Vogel aus bunten Papieren collagiert immer auf einem braunen Karton führt durch dieses Bilderbuch über Gefühle. Der Bogen spannt sich sozusagen von himmelhoch jauchzend bis tief betrübt: Mutig, niedergeschlagen, neugierig und schüchtern fliegt, flattert oder versteckt sich der Vogel – auf der einen oder anderen Doppelseite begleitet von Artgenossen.
Die jeweiligen Eigenschaftswörter sind noch um dazu passende Sätze ergänzt. Beispielsweise „Wie funktioniert das?“ und „Erzähl mir mehr davon“ bei neugierig / interessiert / wissbegierig. Oder „Entschuldigung, es tut mir leid.“ Und „das ist mir peinlich“ bei beschämt / schuldbewusst / zerknirscht.
Das „bunt“ schlägt sich auch im Titel nieder: „In mir drin ist’s bunt“ – ausgedacht, geschrieben und illustriert von Theresa Bodner, das es schon vor ein paar Jahren gab, ist nun neu erschienen: Erweitert um vier Sprachen: Arabisch, Englisch, Türkisch und Bosnisch / Kroatisch / Serbisch / Montenegrinisch: ‚iinah mulawan fi dakhili / All the colurs inside me / İçimdeki Dünya Rengarenk.
Bei den Adjektiven klappt das Zusammenfassen der vier eng verwandten Sprachen, oft auch als BKS bezeichnet, bei den Sätzen nicht immer, was übrigens gleich für den Buchtitel gilt.
Aber gerade über Gefühle zu reden ist für schon sehr junge Kinder ganz wichtig, da sind die vier zusätzlichen Sprachen neben Deutsch in diesem Bilderbuch ein wunderbares Werkzeug besonders in Kindergärten. Da wäre es vielleicht nur nicht unspannend gewesen die arabische Schrift durch lateinische Lautschrift zu ergänzen – oder auf der Homepage des Verlags bzw. über QR-Codes überhaupt diese Sprachen von Original-Sprachler:innen einsprechen zu lassen und als Audio-Dateien zum Anhören anzubieten
„Leila, Nico, Ahmed und Herrn Herzog hat sich der Autor ausgedacht. Aber wie in vielen seiner Bücher verpackte Robert Klement, jahrzehntelanger Deutsch- und Geschichte-Lehrer und vielfach ausgezeichneter Autor, reale, ausführlich recherchierte, Schicksale und Vorgänge in seine fiktive Geschichte und Figuren. „Halbmond über Rakka“ mit dem Untertitel „Verführung Dschihad“ versucht – wie auch die anderen in den vergangenen rund zwei Jahren (vor 2016, Anmerkung der Redaktion) erschienenen Jugendbücher zum Thema IS – auf die Frage zu fokussieren, wie können – in der Regel grundvernünftige – Jugendliche auf der Suche nach so etwas wie Sinn in ihrem Leben, in den Sog, den Strudel einer derart totalitären Ideologie, die sich als Religion tarnt, geraten. Oder diesem – wie Nico hier – sich auch wieder entziehen.“
Das stand in meiner Besprechung des in diesem Absatz erwähnten Jugendbuches – Link zur vollständigen Buchbesprechung sowie zu einem Interview mit dem Autor weiter unten -, das vor wenigen Tagen für Wirbel in Niederösterreich sorgte. In einer Mittelschule in Wr. Neustadt lesen die Schüler:innen dieses Buch. Ausgehend von einer aufgeregten Aussendung des Bildungssprechers der FP, der das Buch, ja offenbar nicht einmal den Untertitel auf dem Cover – „Verführung Dschihad“ gelesen hatte („So etwas kann und darf es nicht geben!“), trommelten reichweitenstarke (Online-)Medien – „heute“ (Eltern, FPÖ schlagen Alarm: „Schüler müssen Buch über Heiligen Krieg lesen“) und „oe24“ („IS-Buch“ in Schule? Skurriler Polit-Streit in NÖ) – ebenfalls gegen die Lektüre dieses aufklärerischen Buches.
Der Politstreit bezieht sich darauf, dass der Landesgeschäftsführer der niederösterreichischen ÖVP, Matthias Zauner, in einer Aussendung schrieb: „Dass FPÖ-Abgeordneter Sommer ausgerechnet ein Buch, das sich mit religiös motivierter Radikalisierung auseinandersetzt und die dadurch entstehenden Probleme anspricht, mokiert, zeigt nicht nur, dass er das Buch selbst wohl nicht gelesen hat, sondern auch, dass er ihm nur um die schnelle Schlagzeile geht. Denn hätte er sich mit dem Inhalt auseinandergesetzt, wüsste er, dass die Behandlung dieses Buchs im Unterricht genau das Gegenteil von politisch Radikalisierung zum Ziel hat – nämlich diese schon im jungen Alter zu verhindern.“ Und er empfahl dem Bildungssprecher seiner Koalitionspartei in „dringend eine Nachhilfestunde“.
„heute“ hat übrigens mit dem Artikel, in dem dann doch auch aus Buchbesprechungen sowie einem Interview dieses (Vorläufer-)Mediums, Kinder-KURIER mit dem Autor, zitiert wurde, eine Online-Umfrage angehängt – „Findest du es gut, dass das Thema IS im Unterricht thematisiert wird?“ Und die erste mögliche Antwort lautete: „Nein, also mit diesem Buch kommen Jugendliche nur auf dumme Gedanken“, der schließlich fast zwei Drittel (64%) zustimmten.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wollte von der Bildungsdirektion einerseits Kontakt zur Schule, um von Schüler:innen und Lehrpersonen zu erfahren, was sie dazu sagen und andererseits, „ob und inwiefern Sie in diesem oder anderen Fällen aktiv werden, um in diesem Fall doch verleumderischen Berichten entgegen zu treten oder eventuell auch zu problematisieren, dass via medialer Online-Umfrage Schul-Lektüre beeinflusst werden sollte“.
Die Leiterin der Stabstelle Kommunikation in der Bildungsdirektion antwortete folgendermaßen: „Das Buch „Halbmond über Rakka“ ist genau das Gegenteil von IS-Verherrlichung, es hat vielmehr zum Inhalt, vor Radikalisierung zu warnen. Robert Klement ist ein bekannter und anerkannter Jugendbuchautor. Es gibt darüber hinaus didaktische Materialien zu der Lektüre und es gibt auch Empfehlungen für die Altersgruppe, für die das Buch eingesetzt wurde.
Zur Schularbeitsvorbereitung mussten sich die Schüler in die Perspektive einer der handelnden Figuren begeben und aus dieser Sicht eine E-Mail an einen Freund schreiben. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich allerdings nicht in die Perspektive von „IS-Verherrlichern“ versetzen, sondern – im Gegenteil – eine kritische Position eines in Österreich lebenden Jugendlichen einnehmen.“
Nun haben der Autor selbst sowie die Interessensgemeinschaft Autorinnen Autoren ebenfalls öffentlich Stellung genommen.
„Als Autor des Romans „Halbmond über Rakka“ bin ich entsetzt über die völlig willkürlichen Attacken der FPÖ auf engagierte Lehrende in Wiener Neustadt, die mein Buch für den Unterricht verwenden. Ich denke, dass der Roman nach Villach und 2020 (Anschlag Wiener Innenstadt) und besonders nach den islamistischen Attentaten in Europa eine sinnvolle und aktuelle Ergänzung des Deutschunterrichts darstellt. Meine Positionierung gegen Islamismus, Extremismus und Gewalt ist in diesem Roman für jeden kritischen Leser klar zu erkennen.
Ich bin Literatur-Staatspreisträger und wurde in den letzten 40 Jahren mehrfach ausgezeichnet. Meine 29 Romane wurden in 15 Sprachen übersetzt. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich unser Land Autokratien und Diktaturen annähert, in denen kritische Bücher aus öffentlichen Bibliotheken und Schulen verbannt werden. Ein FPÖ-Politiker, der meinen Roman attackiert, obwohl er ihn nicht gelesen hat, disqualifiziert sich als „Bildungssprecher“. Dass eine politische Partei die Schullektüre bestimmen will, ist nicht zu akzeptieren!
Da ich den Medien entnehme, dass die FPÖ bei der Bildungsdirektion NÖ Beschwerde eingelegt hat, erscheint mir dieses Schreiben notwendig“, veröffentlichte Robert Klement als offenen Brief an Bildungsdirektor Dr. Fritthum auf seiner Website.
Am Dienstag (25. März 2025) veröffentlichte im Namen der Interessensvertretung österreichischer Schriftsteller:innen, der IG Autorinnen Autoren, deren Geschäftsführer Gerhard Ruiss eine Aussendung. In dieser heißt es unter anderem: „Der Angriff des FPÖ-Niederösterreich-Bildungssprechers verkehrt den Inhalt und Wert des Buches von Robert Klement in sein Gegenteil. „Halbmond über Rakka“ wurde dementsprechend von rechten Medien auch sogleich als „Propaganda für den Heiligen Krieg“ und als „Kniefall vor dem Islam“ und „Zwangslektüre“ bezeichnet. Der Autor hat auf die FPÖ-Attacken auf seiner Website robertklement.com in einem Offenen Brief an die Bildungsdirektion NÖ bereits geantwortet.
Es ist beschämend und ein Armutszeugnis zugleich, wie sich FPÖ-Bildungssprecher Sommer Aufklärungsarbeit über Radikalisierung vorstellt. Und Herr Sommer ist nicht irgendwer, er ist der Wirtschafts-, Finanz-, Budget-, Jugend- und Bildungssprecher der FPÖ im Niederösterreichischen Landtag. Es ist schlimm um die österreichische Bildungspolitik bestellt, wenn das die Bildungsvorstellungen eines Bildungssprechers für den Umgang mit politisch brennenden Themen an österreichischen Schulen sind, engagierte Lehrer/innen und Schulen mit Büchern, die sich schwierigen Themen stellen, zu Islamistenhandlangern zu machen, um sich auf deren Rücken den billigen Applaus aus der rechten Ecke zu holen. Es ist übel um sie bestellt, wenn ein Bildungssprecher einer mitregierenden Landtagspartei glaubt oder meint oder verbreitet, dass sich ausgerechnet ein angesehener österreichischer Jugendbuchautor und Staatspreisträger dazu hergibt, islamistische Propaganda zu verfassen und ein österreichischer Traditionsverlag dazu, islamistische Propaganda zu veröffentlichen und zu verbreiten. Österreich hat nicht nur ein Bildungsproblem, Österreich hat ganz offensichtlich auch ein Bildungspolitikerproblem.
Wir fordern Herrn Sommer auf, seinen Irrtum einzubekennen, sich dafür zu entschuldigen und den von ihm angerichteten Schaden umgehend wieder gutzumachen.“
Die KiJuKU-Anfrage an die FP-Niederösterreich „hat er (der Bildungssprecher) oder haben Sie (der Pressereferent) in der Zwischenzeit wenn schon nicht das ganze Buch, so die Kurzbeschreibungen oder Rezensionen dazu gelesen?“ blieb übrigens unbeantwortet.
Die Anfrage ins Achen Kontakt zur Schule an die Bildungsdirektion bzw. die zuständige SchulQualitätsManagerin (vormals Inspektorin) harrt noch einer Antwort, wenngleich auch verständlich ist, dass die betreffende Schule bzw. vor allem Jugendliche und Lehrpersonen vorerst von Medien genug haben.
Die einen vermeinen im Bühnenbild Fliesen zu sehen, die anderen – solche, die das Buch schon gelesen haben und jene, die am Computer zocken – erkennen natürlich die Pixel (Ausstattung und Licht: Friedrich Eggert). Immerhin ist die Hauptfigur Till Kokorda (Ludwig Wendelin Weißenberger) ein Gamer, in „Age of Empires II“ sogar ein internationaler Champion. Er, der – zumindest im Roman, auf dem das Stück im kleineren Haus des Theaters der Jugend basiert – eher durch Nicht-Auffallen-Wollen durch die Schulzeit kommen will, wurde von Autor Tonio Schachinger ins Zentrum gerückt.
Das Abtauchen ins Computerspiel reicht nicht, der strenge, fast karikaturhaft – im Buch und folgerichtig im Stück – gezeichnete schikanöse Lehrer „Der Dolinar“ (Sebastian Pass) kriegt auch Till noch auf den Kieker. Allein die Vorliebe des Schülers für Informatik statt für klassische Literatur, ist schon Angriffsfläche genug. Wobei Till sich für neuere Autor:innen schon erwärmen kann, für Thomas Bernhard etwa.
Und weil Schachinger den sehr gelungenen Versuch von Regisseur Gerald Maria Bauer die fast unspielbaren autobiographischen Teile Bernhards über Kindheit und Jugend – „Ein Kind“ und „Der Keller“ – vor zwei Jahren gelungen fand, gewährte er dem Theater der Jugend die Rechte, seinen Roman „Echtzeitalter“ zu dramatisieren. Die 360 dichten von vielen Episoden eines strengen Schul-Regimes ebenso wie den Freiräumen, die sich Jugendliche erkämpfen, samt Anspielungen auf zeitgeschichtliche und aktuell politische Ereignisse (nach Schachingers eigener Schulzeit – Ibiza-Video etwa oder die Anspielung auf Polizeipferde des damaligen Innenministers Herbert Kickl und nicht zuletzt auf Corona) sind in ihrer Essenz UND in vielen Details in den knapp mehr als zwei Stunden auf der Bühne zu erleben.
Der „Schlüsselloch“-Roman des Autors über (seine) Schulzeit im Theresianum, nur leicht verändert Marianum genannt, wurde als sein zweites Buch (nach „Nicht wie ihr“ über einen Profi-Kicker namens Ivo) bereits vor zwei Jahren mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
Neben den beiden schon genannten Gegenspielern – die einzigen, die „nur“ ihre jeweilige Rolle haben – switchen die fünf Mitspieler:innen in verschiedenste Figuren. So gibt Sophie Aujesky sowohl die Schülerin Fina als auch Tills Mutter sowie die Schuldirektorin, eine Therapeutin und eine Buchhändlerin, bei der sich die Jugendlichen mit Reclam-Ausgaben eindecken wollen, wie sie „Der Dolinar“ möchte. So unterschiedlich die Figuren, so gekonnt stellt sie die Schauspielerin dar.
Curdin Caviezel pendelt zwischen Mitschüler Khakpour, dem Notar in Sachen Erbe nach dem Tod von Tills Vater.
Stefan Rosenthal spielt zwei verschiedene Mitschüler und obendrein bei einer Schulfeier den Opa des einen mit ungarischen Wurzeln. Feli, Tills Freundin, wird ebenso wie seine Tante von Aña-Maria Kunz verkörpert. Schließlich pendelt Clemens Matzka zwischen Tills Vater, der früh stirbt, einem ein wenig karikaturhaften Sektions-Chef bei einem „bemühten“ Kreativbewerb und noch weiteren drei Figuren.
Von Tills Gamer-Karriere wissen nur wenige, die hängt er nicht an die große Glocke. In einem Anfall von bemühter Kontaktaufnahme seiner Mutter zu ihm, versucht er ihr krampfhaft die Faszination dafür zu vermitteln. Fällt unter die Kategorie „bemüht“, die in der Schule kaum besser als ein „Fleck“ ist.
Im Roman formulierte es Schachinger so – noch für Mutter und Vater: „Sie sprechen über Computerspiele, wie jemand, der nicht lesen kann, über Bücher spricht, und ihre Sorgen unterscheiden sich kaum von den Sorgen derjenigen, die zur vorletzten Jahrhundertwende ins Kino gingen und fürchteten, der Zug könnte aus der Leinwand über sie hinwegrollen.“
Die Liebe des Lehrers Dolinar zur Literatur, die er über Druck versucht, seinen Schüler:innen zu verklickern, prallt an Till eher ab, auch wenn ihm Freundin Feli sagt: „Bücher sind wichtiger als Spiele, weil Bücher Mitgefühl vermitteln.“
Aber gilt das auch so generell? Gibt es nicht auch Bücher – ebenso wie Filme, Lieder, Bilder und jedwede künstlerische Äußerung, die auch Hass vermitteln?
Eine Dimension des Romans, die im Stück weniger zur Geltung kommt, ist die immer wieder durchblitzende subtile bzw. fallweise sarkastische Kritik am abgehobenen elitären Dasein und der daraus resultierenden Haltung in dieser privaten eher Upper-Class-Schule, in der unter anderem viele überkommene Umgangsformen überleben.
Kunterbunt wie das erste Wort im Titel dieses Papp-Bilderbuchs – sind auch die Buchstaben. Fast jeder in einer anderen Farbe – zumindest bis zur zweiten Doppelseite. Da wiederholt sich auch der Buchtitel „Kunterbunt und kugelrund“ – ausgedehnt auf zwei Doppelseiten samt einem Mädchen mit Ball. Auf der nächstfolgenden Doppelseite noch ein dazu passender Reim: Lenas Hund.
Es folgt Bild und Schrift: Scharfe Tatze. Wem die wohl gehören wird? Was reimt sich auf die Tatze?
Und wie geht’s dann dem Ball?
Vergnüglich zum Schauen und vielleicht auch zum Weiterspinnen der Reime mit eigenen kleinen Geschichten?!
„Ich höre das Zuhören meiner Mitmenschen im ganzen
Raum.
Ich höre, was sie reden.
Ich höre zu.“
So beendet Markus Klambauer sein Gedicht, dem er den Titel gab: „Ich wünsche mir von mir, zuzuhören“. Und das er mit der sinnlich-poetischen Zeile beginnt: „Ich höre den Winter, wenn der Schnee vom Himmel fällt.“
Das ist große Literatur. Wieder einmal bewies und beweist „Ohrenschmaus“, der heuer zum 18. Mal vergebene Literaturpreis, dass der Untertitel der ersten Jahre „für Menschen mit Lernschwierigkeiten“ längst völlig zurecht jenem gewichen ist „für Schreibtalente“.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… das den „Ohrenschmaus“ von Beginn an begleitete – damals noch im Vorläufer Kinder-KURIER – darf Auszüge aus allen Texten veröffentlichen – im Bereich „Einfach“ sind die Passagen aus den drei Hauptpreis-Texten in eigenen Beiträgen zu finden, Zitate aus den Texten, die von der Jury auf die Ehrenliste gewählt wurden, finden sich in einem gesammelten Beitrag und jene vier kurzen Texte des Schoko-Preises sind vollständig in einem weiteren online – alle sind am Ende dieses Beitrages verlinkt. Alle Beiträge vollständig, samt kurzen Biographien der Autor:innen und den ebenfalls vollständigen Laudationes sind in einem eigenen broschürten Buch veröffentlicht – siehe Info-Box.
Klambauer bekam für sein Gedicht einen der drei Hauptpreise von der Jury, der beispielsweise von Beginn an als Schirmherr der bekannte Felix Mitterer angehört.
In seiner Lobrede (Laudatio) meinte der erst im Vorjahr mit dem renommierten Andersen-Preis, inoffiziell Nobelpreis der Kinderliteratur, ausgezeichnete Heinz Janisch unter anderem: „Wir alle kennen die Frage, die man Kindern gerne stellt: Was willst du einmal werden? Ich habe als Kind gesagt: Fußballspieler, Cowboy oder Zorro.
Würde ich heute gefragt werden, würde ich sagen: Ein Zuhörer. Was kann es Schöneres und Aufregenderes geben als zuzuhören, wie die Welt ringsum klingt!“
Das was viele unter dem Begriff „von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt“ kennen hat noch viel treffender ein zweiter Hauptpreisträger zu Papier gebracht: In „Mal Luftsprung – mal Dammbruch“ schildert Julian Peter Messner in wunderbaren poetischen Wortbildern die beiden unterschiedlichen Gefühle. Jedes Mal der gleiche Anlass – das in Händen halten seiner Bücher. Beim ersten „Ausnahmsweise ohne Titel“:
„breitete sich vom bauchraum her
ein glucksen und pfnuttern aus
stieg bis in die mundhöhle
und explodierte dort
in ein schallendes gelächter
da stieß ich mich ab
es katapultierte mich
durch zimmerdecke und dach
und ich stieg hoch und höher
in den sternenhimmel hinauf
ehe ich an einem stern anstieß
machte ich einen salto rückwärts
und schwebte federleicht
zurück in mein bett“
Beim zweiten Buch „„Wörtersammeln und Stichwörteln“, beschreibt der Autor seine Gefühle nicht lyrisch, sondern in Prosa ganz anders:
„Noch immer hatte ich keine Worte, stimmt gar nicht, mein Inneres war voller Worte. Sie drängelten in mir, verkeilten sich, verkrampften sich, hatten Form und Klang verloren. Ich fühlte mich übervoll und zugleich völlig leer, unsagbar glücklich und abgrundtief traurig. Und dann brach es aus mir heraus, die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten… Diesmal kein Luftsprung, diesmal ein Dammbruch.“
Bettina Hering, die unter anderem das Landestheater Niederösterreich geleitet hat, aber auch das Schauspielhaus in Hamburg und jenes in Frankfurt (beides Deutschland) und neu in der „Ohrenschmaus“-Jury ist, würdigte diesen Text unter anderem so: „Vom Gipfelkreuz der Gefühle ins Tal der Tränen und dann in ein warmes Zuhause führt uns Julian Peter Messner. Er weiß, dass die Liebe vieles besiegt und eine Umarmung heilen kann. Das beschreibt er äußerst berührend und wahrhaftig in einem.“
„Lügner! Klar hast du mich gesehen! Bist ja keine zwei Meter an mir vorbeigestampft mit deinen schneeblindweißen Sneakers! Ja, Mann, du hast mich kurz angeguckt, quasi bloß gestreift mit deinem Blick. Aber nur nicht länger hinschauen, hast du dir gedacht, deine azurblaue Tasche aus Kroko-Leder enger an dich gedrückt. Der Penner da am Boden könnte ja aufspringen und mein blaues Krokodil mitgehen lassen! Ja, hast du gedacht, nur schnell weg!“
So beginnt Daniela Tödling ihren – ebenfalls mit einem der Hauptpreise ausgezeichneten – Text „Tipsy (Oder: Beachte mich einfach nicht!“). Sie beschreibt einen Obdachlosen, der nicht zuletzt durch rot-grüne Irokesen-Frisur und Gitarrengeklimper auffällt und doch wie viele seinesgleichen meist krampfhaft „übersehen“ oder beschimpft wird. So „nebenbei“ bringt sie „Löcher in eurem sogenannten Sozialen Netz“ zur Sprache. Und endet mit ein wenig Sarkasmus.
Ein ebenfalls neues Mitglied in der Jury, Lisa Taschek, Deutschlehrerin und ORF-Mitarbeiterin in der Abteilung für Barrierefreiheit und Inklusion, würdigte den Text unter anderem so: Er „ist aber auch eine Einladung an uns, die Welt mit „Tipsys“ Augen zu betrachten. Inmitten der Traurigkeit und Verzweiflung schimmert tiefe Menschlichkeit und die Hoffnung auf Dazugehörigkeit durch.“
Zu einem Interview mit Daniela Tödling geht es in einem eigenen – hier unten verlinkten – Beitrag.
Eine besondere Auszeichnung beim „Ohrenschmaus“ erfahren kurze, meist gedichtete, Texte. Die bekannte Shoko-Manufaktur Zotter produziert in Zusammenarbeit mit diesem Literaturpreis eine Sonder-Edition, immer eine Doppelschokolade in ihrer Reihe „Labooko“, also zwei verschiedene Sorten. Werden die beiden schmalen Tafeln aufgeklappt finden sich die von der Jury ausgewählten Schoko-Preis-Texte. Dafür wird immer ein Motto vorgegeben, für dieses Jahr war es „Hoffnung“.
„Ein Leben ohne Hoffnung ist ein Leben ohne Süße“, schreibt auszugsweise Gabriele Fischer.
Der fast jedes Jahr mit einem Text im ausgezeichneten Feld zu findende Peter Gstöttmaier formuliert – auch wie immer – im Dialekt: „Hoffnung / is wia a Stiagnglanda / konnst die festhoidn / konnst die wieda aufrichtn…“
Ursula Teufl fasste es knapp auf den Punkt: „Hoffnung ist für mich, auf Dinge zu warten, die ich mag.“
Barbara Peintner beendete ihren 6-Zeiler so: „Hoffnung fühle ich im Körper drin, / da hofft der Bauch — vor allem auf Schokolade.“
Sie ist leider mittlerweile verstorben, hat aber noch zu Lebzeiten erfahren, dass ihr Text für die Schoko-Verpackung ausgewählt worden ist.
Die vier Schoko-Banderolen-Texte sind in dem unten verlinkten Beitrag vollständig veröffentlicht.
Neben Haupt- und Schoko-Text-Preise vergibt die Jury immer auch weitere Auszeichnungen, genannt Ehrenliste. Dies sind keinesfalls Trostpreise, sondern ebenfalls herausragende Kunstwerke – Auszüge daraus in einem eigenen, unten verlinkten, Beitrag. Dieses Mal sind es elf Texte – 202 aus Österreich, Deutschland und Südtirol waren eingereicht worden. Vielleicht besonders hervorzuheben das Wortspiel von Christian Mitter „normAal“.
Hier unten geht’s zu Auszügen aus diesen elf Texten.
Wie jedes Jahr wurden bei der Preisverleihung sämtliche ausgezeichneten Texte – vollständig – von einem renommierten Schauspiel-Duo fast szenisch gelesen. In diesem Jahr waren dies Dorothee Hartinger und Markus Hering, beide vom Burgtheater, das nun in der neuen Direktionsära wieder in der Kurzform „Burg“ heißen darf.
Für die musikalische Umrahmung im Raiffeisen-Saal am Donaukanal sorgte in diesem Jahr Sofia Reyna mit selbst geschriebenen und komponierten englischen Songs, die launig-lockere Moderation bewerkstelligten wie fast immer Dani Linzer und neu Stuart Safai. In Gebärdensprache übersetzten Sandra Doubek und Marietta Gravogl.
Ich höre den Winter, wenn der Schnee vom Himmel fällt.
Ich höre die Arbeit, das Rucken der Tische und Sessel.
Ich höre die Stille im Haus. Das ist gruselig und ich habe
Angst.
Ich höre die Konflikte der Arbeitskollegen.
Ich höre das Miteinander Reden, es ist gut. Ich höre, wenn sich jemand Zeit zum Zuhören nimmt…
neulich
um genau zu sein
am 30. november
konnte ich erstmals
mein eigenes buch
in händen halten
was für emotionen
abends im bett
ich noch total aufgekratzt
breitete sich vom bauchraum her
ein glucksen und pfnuttern aus
stieg bis in die mundhöhle
und explodierte dort
in ein schallendes gelächter…
…
Neulich, um genau zu sein, am 1. Oktober 2024 konnte ich zum ersten Mal mein zweites Buch mit dem Titel „Wörtersammeln und Stichwörteln“ in die Hand nehmen…
… Ich fühlte mich übervoll und zugleich völlig leer, unsagbar glücklich und abgrundtief traurig. Und dann brach es aus mir heraus, die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten… Diesmal kein Luftsprung, diesmal ein Dammbruch.
… Die Löcher in eurem sogenannten „Sozialen Netz“ sind so weit, dass viele Leute durchfallen und zu Pennern werden. (UND DA IST DAS BÖSE WORT WIEDER!)
Ich selber nenne mich Tipsy. (Bin kein Säufer. — Verzeihung! — Alkoholiker — Tipsy heißt nämlich „beschwipst“.)
Habe blaue Augen, eine rot-grüne Irokesen-Frisur und Second-Hand-Klamotten. Meist in Schwarz. Wenn ich in der Sonnenstraße sitze, auf meiner Gitarre klimpere oder jongliere, schenkt ihr mir manchmal Beachtung. Manchmal schreit ihr: „Such dir’n Job!“, oder guckt, als hätte ich euch allein mit meiner Existenz beleidigt.
KiJuKU-Interview mit Daniela Tödling in einem eigenen Beitrag, unten verlinkt.
Die zarte, adrette, häufig lächelnde Daniela Tödling gewann mit ihrem Text „Tipsy (Oder: Beachte mich einfach nicht!“) einen der drei Hauptpreise – siehe unten verlinkten Bericht sowie Auszug aus ihrem Text. Ganz anders als sie selbst ist die Hauptfigur in diesem Text ein auffälliger auf der Straße lebender Obdachloser mit bunter Irokesenfrisur. Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… traf sie kurz nach der Preisverleihung zu einem kurzen Gespräch. Auszüge aus ihrem Text in einem Beitrag, am Ende dieses Artikels verlinkt.
KiJuKU: Die Hauptfigur in Ihrem Text wirkt fast wie ein Gegenteil von Ihnen selbst?
Daniela Tödling: Ich mag auffällige Personen und ich beobachte sehr gerne und viel
KiJuKU: Wie reagieren Sie selbst, wenn sie an Obdachlosen vorbeikommen?
Daniela Tödling: Manches Mal bleib ich stehen und frage, wo sie schlafen.
KiJuKU: Sie haben auf der Bühne gesagt, dass Sie mit 12 Jahren zu schreiben begonnen haben, wie kam das?
Daniela Tödling: Ich habe die Harry-Potter-Bücher geschenkt bekommen und mir gedacht, so etwas will ich auch können und machen.
KiJuKU: Haben Sie damals schon Texte veröffentlicht oder bei Bewerben eingereicht?
Daniela Tödling: Damals hab ich nur für mich geschrieben, später hab ich beim Ohrenschmaus eingereicht, bin 2019 schon einmal mit einem Text auf die Ehrenliste gekommen. Außerdem veröffentliche ich Texte auf einer deutschen Website, dort allerdings unter einem Pseudonym.
KiJuKU: Wie schreiben Sie – mit dem Computer oder mit Stift auf Papier?
Daniela Tödling: Früher auf dem Computer, seit der nicht mehr funktioniert auf dem Handy.
Für den Literaturpreis „Ohrenschmaus“ wird jedes Jahr eine eigene Schokolade von Zotter hergestellt – es sind immer zwei verschiedene keline Tafeln und so verpackt, dass sie sich wie ein schmales Büchlein aufklappen lassen. In dieser Verpackung werden eigene Texte vom Bewerb abgedruckt. Hier sind diese. Weil sie kurze Gedichte sind, sind sie hier vollständig.
Ein Leben ohne Hoffnung ist ein Leben ohne Süße.
Hoffnung stärkt die Seele, den Geist und Körper.
Hoffnung ist die Süßspeise unserer Seele.
Hoffnung
is wia a Stiagnglanda
konnst du festhoidn
konnst di wieda aufrichtn
Hoffnung
is wia Schwimmreifn
trogt di
gehst net unta
Hoffnung ist beim Spielen nur langsam zu laufen
und fest zu glauben, dass der Ball doch ins Tor geht.
Bei Blitz und Donner hofft die Angst,
dass der Strom nicht ausgeht.
Hoffnung fühle ich im Körper drin,
da hofft der Bauch — vor allem auf Schokolade.
Hoffnung ist für mich, auf Dinge zu warten, die ich mag.
Von den 202 eingereichten Texten beim Literaturpreis Ohrenschmaus 2025, hat die Jury neben drei Hauptpreisen und den Texten für die Schokoladen-Verpackung auch weitere Texte von Autorinnen und Autoren auf die Ehrenliste geseetzt, dieses Mal elf. Auszüge daraus sind hier zu lesen. Die ganzen Texte sind in dem Büchlein „Ich höre das Zuhören im ganzen Raum“ abgedruckt (Infobox am Ende des Beitrages).
paradies und hölle
sind beide auf der erde vertreten
je nachdem, was man draus macht
wir sind einen text gegangen
statt einen weg zu suchen
Vielleicht hätte ich Theaterlehrerin werden können, so wie Helle.
Wenn … ja, wenn ich nicht mit 5 Monaten Meningitis gehabt hätte. Kopfweh und starke Mittelohrentzündung. Meningitis, hat der Arzt der Mutter erzählt, lässt Gehirnzellen absterben. Die hätte ich aber gebraucht fürs leichter lernen. So war für mich das Rechnen sehr schwierig.
Am Strand lag ich mit Cola in der Hand und ganz
ohne Verstand rutschte mir der Sand ins Gewand.
Auf meiner Brille tanzte eine Grille mit drei Promille
und aß dabei ein Eis mit Vanille oder es war eine Marille
mit Brille…
Nur die Harten kommen in den Garten-Eden, sonst
trifft es jeden, sogar an Bleden.
Hoffnung auf ein Leben ohne Anfälle.
…
Hoffnung ist der Glaube, dass alles gut wird!
Carina wäre gerne keine Pflanze.
Christian wäre gerne ein Tannenbaum, dann wird er geschmückt.
Die Micha wäre gerne eine Trauerweide, weil sie sich so schön im Wind wiegt.
NormAal ist ein tolles Tier.
Und ich denke mir,
heute bin ich der NormAal.
So geht es mir dann.
Viel zu viele Papiere in meinem Zimmer Ich habe die Papier-Sucht. Ich komme nie aus meiner Sucht heraus. Alle Freunde raten mir: Nimm nicht so viele Papiere mit!!!!!!
Du hast ja genug Papiere oder etwa nicht?…
… Ich beobachte die Menschen, die um mich herum sind. Dann mache ich mir ein paar Gedanken. Ich schreibe alles auf. Da schalte ich lieber mein Smartphone aus….
In einer ruhigen Nacht traf ich im Traum mein zweites Ich — eine Version von mir, die ohne Behinderung lebt. Sie erzählte mir von einem Leben, das anders verlaufen ist:
Nach der Schule machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester und träumte davon, auf einer Geburtenstation zu arbeiten. Sie erlebte Freiheit mit dem Führerschein, verbrachte viele Abende mit Freundinnen und lernte ihre erste große Liebe kennen…
Ich lag in den Wehen mit meinem Sohn Fabian. Meine Mama und mein Papa warteten draußen mit großer Vorfreude. Um 12:41 kam Fabian zur Welt. Meine Eltern kamen gleich nach der Geburt hinein. Mein Papa nahm seinen Enkel sofort in den Arm und lachte vor Stolz…
… Dann im Dezember 2018 hat er die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs bekommen. Das war ein sehr großer Schock für die ganze Familie…
die zeit mit dir
die ist wunderschön
doch davon bleibt nicht mehr sehr viel
ich wünschte mir
ich hätte davon noch mehr
mehr zeit mit dir
Als ich in die Wohnung kam, freute ich mich total. Ich hatte echte Freudentränen, die konnte ich nicht mehr zurückhalten. Jetzt ist meine große Baustelle in der Küche beendet. Hurra! Hurra! Jetzt kann ich richtig kochen.
Aber ich muss sagen ohne Mama und ohne Papa hätte ich die Küche niemals. Das sind die besten Eltern. Ich liebe beide über alles. Jetzt weiß ich endlich, dass sie auf mich stolz sind, weil ich selbständig bin. Ich habe eine tolle Familie, weil sie haben mich alle super unterstützt. …
Das war die größte Baustelle, die ich jemals hatte. Selbstverständlich habe ich auch selbst mitgearbeitet und habe den schweren Müll runtergetragen.
Nie wieder eine Baustelle in meinem Leben. Das hat gereicht.
Im überdachten Teil des Arkadenhofes wartet ein riesiges Gehirn in verschiedenen Farben – außen dran kleben Zettel, welche Region wofür in unserem Kopf zuständig ist, um Informationen zu erhalten und Befehle für Handlungen zu geben. Innen drinnen durchziehen symbolische Fäden mit etlichen grauen Stofffiguren das Netzwerk in unserem „Oberstübchen“ samt vielen Verknüpfungen und Verbindungen. Daneben wird anhand von Stoffpuppen erklärt wie Informationen ins Kurzzeitgedächtnis wandern, dass dort nur begrenzt Platz ist… Einen Tisch weiter gibt’s die Hirnregionen als Stoff-Puzzleteile.
Ein Stück weiter produziert ein Roboter eine Palatschinke nach der anderen, lässt in einem Kreis Schoko-Soße darauf tropfen, rollt sie ein und auf ein von Menschenhand vorbereitetes Stück Küchenrolle gleiten – fertig zum Verzehr für das nächste interessierte Kind.
Es ist Forschungsfest. Noch am Sonntag (23. März 2025; siehe Info-Box am Ende des Beitrages) kannst du im Arkadenhof sowie im großen Festsaal des Wiener Rathauses an rund drei Dutzend Stationen in unterschiedlichste, spannende Wissenschaftsgebiete eintauchen.
Neben den schon genannten Bereichen, warten viele unterschiedliche 3D-Drucke – bis hin zu Ersatzteilen im menschlichen Körper, die bei Operationen eingesetzt werden können. Wie ein Algorithmus funktioniert, ist anhand von analogen (Bewegungs-)Spielen auf einem großen Spielfeld oder bei einer Tafelwaage ansatzweise nachvollziehbar.
Wie sich Töne, Klänge, Musik im Hirn und auf Gefühle auswirken kannst du ebenso ausprobieren wie, ob und wie leicht es möglich ist, beim Trommeln in einer Gruppe zu gleichem Rhythmus zu kommen. Und weshalb bei Rhythmischen Arbeiten Gesänge helfen (können).
Im großen Festsaal des Rathauses herrscht mitunter dichtes Gedränge im Mittelgang, links und rechts wartet eine spannende Attraktion nach der anderen. Vom Pflegeroboter über deinen eigenen Parcours für einen kleinen Roboter bis zu vielen unterschiedlichen Sprach-Stationen. So kannst du versuchen über Kopfhörer einen Satz einem der österreichischen Dialekte zuzuordnen – und im Vergleich dazu erfahren, wie eine Künstliche Intelligenz diese schon richtig oder nicht verortet. Viele der Sprachen und Schriften, die von Wiener:innen verwendet werden, findest du, kannst aber auch lernen, deinen Namen in Gebärdensprache zu zeigen. Oder versuchen, einen Lego-Bausatz richtig zusammenzustellen – und das mit verbundenen Augen und gehörter Anleitung über eine Website.
Und einer der jüngsten Forscher erklärt sein kompliziertes Wissensgebiet anhand von Online-Videos aber auch einem von ihm selber gebastelten Puzzle. Mit Hilfe von einem lernenden Algorithmus will er mithelfen, Krebszellen frühestmöglich zu entdecken. Mit diesem Projekt war Alessandro Rodia im Vorjahr ins Bundesfinale von Jugend Innovativ gekommen und mit einem der Anerkennungspreise sowie einer Einladung zur internationalen Wissenschaftsmesse in Luxemburg belohnt worden.
Auf der Bühne im Rathaus warten Tische, wo du auf Zettel mit dem lachenden Smilie-Logo des Forschungsfestes deine eigene Idee für eine dir wichtige Forschung oder anderes zeichnen und schreiben kannst. Vom Aufräumroboter bis zu einem Zauberstab, um aus einem Pferd ein Einhorn zu machen, fanden sich beim Reportage-Besuch von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schon an die große Wand gepinnt. Vor allem aber kam sehr oft vor: Weniger Autos, mehr Bäume und Blumen, weniger Mist, und keinen Müll auf den Boden werfen…
Über die vielen Stationen hinaus, wo du einfach jederzeit das eine oder andere ausprobieren, spielen, erfragen kannst, gibt es noch eine Reihe von Workshops. Für die musst du dich anmelden, weil sie nur funktionieren, wenn erstens kein ständiges Kommen und Gehen und zweitens nur jeweils eine begrenzte Zahl von Teilnehmer:innen mitachen kann, damit alle was davon haben. KiKuKU begleitete einen der Workshops von Chemie on Tour. Drei teils „zauberhafte“ Experimente konnten die Kinder durchführen und Medien begleiten. Wie sich Wasser mit rotem Pulver fast magisch in grüne Flüssigkeit verwandelt – mit Hilfe von Drähten sich dieses wieder in grün und rot teilt; tiefblaues Wasser blass wird und mit Hilfe einer Mini-Taschenlampe wieder dunkel wird und eine kleine Backpulver-Rakete – siehe Fotos und Video.
„Alles keine Zauberei, „nur“ Chemie!“, sagt eine der Mentorinnen im Workshop, die auch aus „Fakt oder Fake“ im TV (ORF) bekannte Chemikerin Stefanie Allworth.
Der tote Alvin Kelby, der sozusagen als Geist aus und in der Erinnerung die Gedanken – und die Bühne – füllt, ist über weite Strecken viel lebendiger als sein (ehemaliger) Freund Thomas Weaver, der nun für ihn die Trauerrede halten soll. Zwei Stunden lang (eine Pause) spielen und singen Aris Sas und Christof Messner, begleitet von Live-Musik Bernhard Jaretz (Piano; musikalische Leitung), Maike Clemens (Cello) und Sebastian Gerhartz (Klarinette) die vielumjubelte Premiere von „Die Geschichte meines Lebens“ im Theater Spielraum in der Wiener Kaiserstraße.
… selbst lässt sich kürzest so zusammenfassen: Der Erfolgsautor Thomas Weaver kommt zurück in die Kleinstadt, in der er aufgewachsen ist, um den Nachruf auf seinen (einst) besten Freund Alvin Kelby der Trauergemeinde zum Besten zu geben. Dabei werden die Erinnerungen an diese intensive Freundschaft in einzelnen Episoden erzählt. Diese Geschichten hat er für seine Bücher verarbeitet, mit denen er berühmt wurde. Was anderes fiel ihm praktisch nie ein. Schon lange hatte er übrigens die Freundschaft vernachlässigt.
„Die Geschichte meines Lebens“ (im englischen Original „The Story of My Life“) ist ein (Broadway-)Musical (Buch: Brian Hill, Musik und Gesangtexte: Neil Bartram), dessen deutsche Fassung von Daniel Große Boymann in der Inszenierung von Robert G. Neumayr an manchen Stellen gemeinsam mit dem Darsteller-Duo textlich adaptiert wurde.
Zu Beginn und immer wieder zwischendurch wird diese Geschichte verwoben mit dem Schwarz-Weiß-Film „Ist das Leben nicht schön?“ (Originaltitel: It’s a Wonderful Life) von Frank Capra, der wiederum auf der Kurzgeschichte „The Greatest Gift“ (Das größte Geschenk) von Philip Van Doren Stern aufbaut.
George Bailey, der immer wieder Menschen rettet, aber selber viel Pech im Leben hat, will sich in der Weihnachtsnacht von einer Brücke stürzen. Er wird vom Schutzengel Clarence gerettet, der erst in letzter Sekunde seine Flügel bekommen hat. Georges Tochter Zuzu hatte den Spruch geprägt: „Jedes Mal, wenn ein Glöckchen klingelt, bekommt ein Engel seine Flügel.“
Vor riesigen leicht angeknüllt wirkenden leeren Papierseiten in Gestalt von (Lein-) Tüchern, auf und zwischen ebenso umhüllten Würfeln (Ausstattung: Anna Pollack) werden allein durch die Erzählungen berührende und skurrile Geschichten aus der tiefen Freundschaft aus Kinder- und Jugendtagen lebendig. Dabei ist mit Ausnahme zweier Schnee-Engel, die einander an den Händen halten als Lichtprojektion, weder die bärtige Lehrerin, noch das Nachthemd-Gespenst in Plüschpatschen zu sehen. Vor dem geistigen Auge der Zuschauer:innen materialisieren sich diese und noch so manch andere schräge Figuren und Situationen aber durch die schauspielerische und gesangliche Kunst des Duos.
Der chaotischer, liebenswürdige, vor Kreativität und Fantasie sprühende Alvin, dem kaum etwas peinlich ist, inspiriert seinen Freund Tom in Kindheit und Jugend zu verrücktesten Aktionen. Letzterer, der in die Großstadt abwandert, sitzt immer wieder mit einer Schreibblockade vor leeren Papierblättern. Bis ihm – aus der Erinnerung – sein Freund Gedankenanstöße für die nächste Geschichte zukommen lässt. Was ihm Erfolge beschert, aber nach und nach auch arrogant(er) werden lässt. Nach einigen Jahren lässt er seine alljährliche weihnachtliche Rückkehr in die Kleinstadt sausen, antwortet dem Freund auf dessen Postkarten kaum bis nicht mehr.
Die zwei Stunden (eine Pause), in denen die beiden Protagonisten ansatzlos zwischen Sprechtheater und Gesang hin und her switchen, sind gekennzeichnet von so manch witzigen, noch viel mehr berührenden Momenten – jener des Zerbrechens hätte sich ein paar mehr Sekunden verdient. Ausgehend von den beiden Figuren ist das Musiktheater-Stück erfüllt von so großen Themen wie Erinnerung, die schon angesprochene Schreibblockade, vor allem aber, was Freundschaft ausmacht bzw. machen kann oder könnte. Und nicht zuletzt dem Widerspruch Leben im Moment vs. strukturiertem (Karriere-)Plan.
Gezwitscher, Pfeifen und fast Gesänge unterschiedlichster Vögel ertönen im Theater des Kindes. Noch sind die drei Schauspieler:innen nicht zu sehen, aber ihre kunstvollen Stimmen, die Geräusche des Waldes auf die Bühne und in den Publikumsraum zaubern zu hören. Der Wald, genauer Sherwood Forest im englischen Nottinghamshire, ist das Zuhause des berühmtesten Umverteilers der Literatur, des legendären Robin Hood.
Seit Kurzem läuft in diesem Linzer Theater „Die Geschichte des Königs der Diebe neu erzählt“ (Stück und Regie: Christian Himmelbauer). Neu ist jedenfalls, dass mit Lena Matthews-Noske eine Frau in die Rolle Robin Hoods schlüpft. Locker und leichtfüßig wird die Geschichte mit dem habgierigen Möchtgern-König John, dem Bruder des abwesenden Königs Richard Löwenherz, dessen fast noch hartherzigeren Unterläufels, dem Sheriff von Nottingham, gespielt.
Hin und wieder mit so manchem Augenzwinkern. Etwa wenn John eine von mehreren Holzkisten, die im Wesentlichen das Bühnenbild ergeben (Ausstattung: Isabella Reder) zu einer Wanne umfunktioniert und er in Dagobert-Duck-Manier in Goldmünzen badet.
Während Lena Matthews-Noske ausschließlich Robin Hood charmant, sympathisch, zielstrebig und kämpferisch spielt, schlüpfen ihre beiden Kolleg:innen in viele Rollen. Katharina Schraml ist nicht nur der böse Sheriff, sondern gibt auch einige der bekannteren Mitglieder von Hoods Bande, den kirchlichen Bruder Tuck, die feine Will Scarlett, den ganz jungen Müllersohn, aber auch Lady Marian. Zwischen ihr und Robin liegt ein Knistern in der Luft, auch wenn beide jeweils heftig abstreiten, aneinander Gefallen zu finden. Wenngleich schon dabei immer mit Spielraum, dass da doch was sein oder werden könnte, was mehr ist, als gemeinsam Reiche zu überfallen, um geraubtes Geld an Arme zu verteilen.
Dritter im Bunde ist Christian Lemperle, der einerseits den dümmlich, machtgierigen Prinz John spielt, der sich gekonnt ein bisserl tollpatschig die Königskrone aufsetzt. Andererseits ist er einer der ersten und treuesten Hood-mitkämpfer Little John und obendrein noch Alan von Dale, der so gerne Liebeslieder auf einer Laute spielen würde. Zum Leidwesen aller anderen aus der Bande. Hin und wieder gibt es dann allerdings schon Musik (David Wanger) und Gesang des Trios.
Fast nebenbei und doch zentral schwingen in dieser rund einstündigen locker-leichten Inszenierung so schwere Fragen mit wie das ist mit großen Gräben zwischen Reich und Arm. Die einen, die in Goldmünzen baden, von goldenem Klopapier träumen. Letzteres erinnert an die Legende von König Midas, bei dem alles Gold wird, was er angreift. Bis er schmerzhaft draufkommt, dass er dann auch nichts mehr essen oder trinken kann. Auf der anderen Seite die verarmte Bevölkerung, die für diesen Reichtum unter immer neuen Steuerlasten leidet und selber sozusagen nur mehr zum viel zum Sterben, aber zu wenig zum Leben hat.
Aber, so thematisieren die drei Schauspieler:innen auch in der Rolle ihrer Figuren im Stück, ist es dennoch überhaupt okay, dass jemand wie Robin Hood mit seiner Crew auf eigene Faust durch Überfälle und Diebstahl versucht, so etwas wie eine Art ausgleichende Gerechtigkeit herzustellen? Wer bestimmt überhaupt, was gerecht ist? Und wer legt Steuern und deren Höhe fest…
Recht krass – aber „nur“ im Hintergrundmaterial des Theaters allerdings mit mehr als zehn Jahre alten Zahlen für Österreich, jüngere, etwa übersichtlich beim Momentum-Institut zeigen, in Österreich ist sind Vermögen besonders ungleich verteilt:
„Im Eurozonen-Vergleich liegt Österreich auf Platz 1 der Ungleichverteilung. Die reichsten fünf Prozent der Haushalte besitzen hierzulande mit 55 Prozent mehr als die Hälfte des privaten Nettovermögens. Das ist der höchste Anteil unter den zwanzig Ländern der Eurozone und 12 Prozentpunkte mehr als der Eurozonen-Durchschnitt.
Beim Unternehmensvermögen liegen ganze 95 Prozent in den Händen des reichsten Zehntels. Das zeigt eine Auswertung des Momentum Instituts der neuesten Datenaktualisierung der Distributional Wealth Accounts (Vermögensverteilungs-Konten) der Europäischen Zentralbank…
Während die reichsten 5 Prozent in Österreich überdurchschnittlich viel besitzen, haben die ärmsten 50 Prozent der Haushalte unterdurchschnittlich wenig Vermögen. Der Anteil der ärmeren Hälfte der Haushalte beläuft sich auf nicht einmal 4 Prozent und liegt damit unter dem Durchschnitt der Eurozone (5 Prozent). Nur in Deutschland besitzt die ärmere Hälfte noch weniger (2 Prozent).
momentum-institut -> oesterreich-hat-hoechste-vermoegensungleichheit-im-euroraum
Den Welttag des Theaters für junges Publikum nutzten Kinder und Jugendliche aus drei der Theaterwerkstätten – „Respekt“, „Spiel des Lebens“ und „Her mit dem schönen Leben“ – im Dschungel Wien, um einige ihrer Wünsche und Forderungen öffentlich auf dem Platz der Menschenrechte vor dem MuseumsQuartier an der Ecke Mariahilfer Straße lautstark szenisch an die Öffentlichkeit zu bringen.
Dafür hatten sie zuvor einerseits kurze Szenen erarbeitet und geprobt und zum anderen mit bunten Farben einige ihrer Anliegen auf Karton gemalt.
Und so waren, so manches in Glitzerbuchstaben zu lesen: Keine Kriege! Respektiert die Umwelt! Es gibt keinen Planet B! Autofreie Zonen! Rettet die Pinguine! Kein Massenkonsum! Dazu performten Mitglieder dieser Werkstatt kurze Szenen – etwa zwei, die einander bekriegen und durch eine Streitschlichterin zum friedlichen Miteinander gebracht werden.
Die Jüngsten durchwanderten choreografisch einen Teil des Platzes, um danach Aufstellung zu nehmen und ihre Berufswünsche – von Malerin, Filmregisseurin, Schauspieler, Tierärztin, Kellnerin, mehrmals Naturwissenschaft zu nennen und zum Abschluss zu skandieren: „Her mit dem schönen Leben!“ Diese Losung hatten sie zuvor schon in großen Buchstaben und vielen Plakaten gemalt, wobei sie da den Spruch noch erweitert hatten: „Her mit dem schönen, echten, superschönen Leben!“
Schließlich errichteten Teilnehmer:innen der „Respekt“-Werkstatt mit grauen, leichten, massiv wirkenden Platten (einst ein Bühnenbild in einem Dschungel-Stück) ein Podest sowie einen Sockel einer Art Denkmal. Zum einen erzählten sie über das Denkmal an diesem Platz. Die Bildhauerin Ulrike Truger hatte auf eigene Faust und eigene Kosten den Gedenkstein für Marcus Omofuma gestaltet. Der Nigerianer, der in Österreich um Asyl angesucht hatte, wurde abgeschoben und starb auf dem Flug qualvoll, weil die Polizisten ihm den Mund verklebt und seinen Körper gefesselt hatten und er erstickt ist. Lange Zeit war sogar das Denkmal nicht genehmigt worden.
Zum anderen schilderten die Jugendlichen, dass sie sich die anderen Denkmäler in der Umgebung angeschaut haben, und stellten daraufhin Fragen in den Raum wie: „Kann es sein, dass es viel mehr Denkmäler für Männer als für Frauen gibt?“ Oder dass so manche Denkmäler eher an kriegerische Taten erinnern. Und so hatten sie zuvor begonnen, Leute auf der Straße zu fragen, woran Statuen erinnern sollten / könnten. Um solche dann szenisch darzustellen: Für Alleinerzieher:innen, Krankenpfleger:innen, Denkmäler für Mitmenschlichkeit, Zivilcourage, „meine Oma“ – das allerdings doch stark klischeebeladen dargestellt wurde mit einer alten tatrigen Frau – sowie als Abschluss ein Denkmal für die Zukunft des verletzlichen Planeten. Außerdem werde zu oft auf die Zukunft vergessen!
Die drei genannten und weitere Werkstätten des Dschungel Wien (Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier) arbeiten weiter an Performances, die sie Mitte Mai (10. bis 13.) bei einem Festival zeigen werden – Link dazu weiter unten.
dschungelwien -> festival-der-theaterwerkstaetten
Immer und immer wieder tritt die Titelfigur aus dem schmal scheinenden Gang des Waschraums ganz nach vorne, ins Zentrum der Bühne. Dahinter links und rechts Duschköpfe an den Wänden, in der Mitte ein metallenes, mobiles Baustellengerüst, das auch als Aufstiegshilfe in Theatern für die Montage von Scheinwerfern dienen kann und hier eine Art Thron symbolisiert (Bühne: Andreas Lungenschmid).
Stets die selben Sätze deklamierend, verklickert Petra Staduan, die Schleife in der „Elektra“ gefangen ist: Sie will, nein muss den Mord an ihrem Vater Agamemnon rächen. Sonst, so ist es schon vom Text und erst recht im Schauspiel Staduans zum Greifen nah, findet diese junge Frau kein Seelenheil. Aber kann sie’s? Schafft sie den Rachemord? Wollen und nicht können?
Eine der verzwickten, Dilemma-Situationen (griechischer) Tragödien. Neben Schlachtfeldern – und heutzutage Straßen – ist Familie der gefährlichste, nicht selten todbringendste Ort.
Der Vater wurde im Komplott von seiner Ehefrau Klytämnestra (Nina C. Gabriel) und deren Liebhaber Ägisth (Lukas Haas) getötet. Wie ein Henker mit verhülltem Kopf und Beil wanderte der noch immer durch die Gänge.
Allerdings war dies nicht die erste Tragödie in dieser Familie. Agamemnon hatte zuvor seine älteste Tochter Iphigenie geopfert, damit Gött:innen die Windstille stoppten und ihm mit seinen Kriegern die Weiterfahrt nach Troja ermöglichten. (In anderen Versionen des Mythos opferte er eine Hirschkuh und ließ Iphigenie in Sicherheit bringen.)
So sehr sich die Mutter bemüht, Zugang zur titelgebenden Tochter zu gewinnen, so ist deren Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Elektra muss den Vatermord rächen, auch wenn ebenfalls durchgängig zu spüren ist, dass dies zwar ihr Ruhebedürfnis stillen, sie dennoch nicht glücklich machen würde.
Vierte im Bunde der Schauspieler:innen in diesem dichten, beklemmenden Spiel in einer der Röhren der Kasematten, einer ehemaligen Wehranlage, in Wiener Neustadt im Rahmen des aktuellen Wortwiege-Festivals, ist die auch als Singer-Songwriterin bekannte Pippa Galli in der Rolle der Chrysothemis, Elektras Schwester. Psychodruck, sich einem Racheplan anzuschließen, begegnet sie immer wieder mit dem herzzerreißenden Satz: „Ehe ich sterbe, will ich auch leben!“ Etwas das Elektra kaum zu fühlen vermag.
Und dann taucht der vermeintlich tote, aber nur in Sicherheit gebrachte Bruder Orest auf, auserkoren, die Rache auszuführen. Spannenderweise wird der vom selben Schauspieler dargestellt wie der Vater-mitmörder!
Sarantos Georgios Zervoulakos inszenierte die vielgespielte Tragödie – in der Antike in mehreren Versionen von Aischylos über Euripides bis Sophokles – auf der Basis eines viel jüngeren Textes, dem von Hugo von Hofmannsthal (1903), den dieser bald danach zu einem Libretto für die Oper von Richard Strauss bearbeitete. Die Wortwiege (Dramaturgie: Marie-Therese Handle-Pfeiffer) bearbeitete diesen wiederum für die bis 29. März laufenden Aufführungen. Hofmannsthals Text ist – wie Interviewer (Wolfgang Müller-Funk) und Regisseur in der Programmzeitung des aktuellen Festivals zu entnehmen ist – vor allem durch Sigmund Freund und die Psychoanalyse beeinflusst. Die inneren Konflikte der Figuren rücken so ins Zentrum.
Und die aktuelle Inszenierung lässt aber – unausgesprochen – die gesellschafts- und geopolitische Dimension von Rache(gelüsten) mitschwingen. Optisch kommt sie im Bild des Rächers Orest zum Ausdruck, wenn er sich eine gehörnte Tiermaske aufsetzt (Kostüme: Ece Anisoğlou; Maske: Ece Anisoğlou, Henriette Zwölfer). Die löst sofort Assoziationen an den Verschwörungstheoretiker der QAnon-Bewegung aus, der führend am Sturm auf das Kapitol im US-amerikanischen Washington am 6. Jänner 2021 beteiligt war. Die Putschisten wollten Donald Trumps Niederlage bei der vorvorigen Präsidentschaftswahl nicht anerkennen.
„Gerade in der Gegenwart, in der sehr stark ausformulierte Opfernarrative kursieren, interessiert mich auch zu erzählen, wie man sich aus diesem Zustand heraus bewegen könnte“, sagt etwa Regisseur Sarantos Georgios Zervoulakos in besagtem Interview (auch auf der Homepage der Wortwiege zu finden).
Kleinwunzig – höchstens einen Millimeter -, langsam, aber praktisch unkaputtbar und überall lebensfähig. Ob Salz- oder Süßwasser, Eiseskälte oder große Hitze, tief unter Wasser oder oben auf höchsten Bergen – und sogar im Weltall – das sind die sogenannten Bärtierchen oder auch Wasserbären. Ihre wissenschaftliche Bezeichnung lautet Tardigrada – das sich aus „tardus“ für langsam und „gradus“ für Schritt zusammensetzt. Mit ihren bis zu acht Füßchen bewegen sie sich tapsig wie Bären fort – was ihnen den deutschsprachigen Namen bescherte.
Liebevoll abgekürzt als „Tardi“ bevölkert ein solches Tierchen ein wunderbares, spannendes Bilderbuch – und zehn, nein eigentlich sogar elf YouTube-Videos des „Museums der Zukunft“, des Ars Electronica Centers in Linz. Leider gibt es nur mehr Rest-Exemplare und es wird nicht neu aufgelegt. Auf Moos fühlen sich Bärtierchen ziemlich wohl. Was sie zum Leben brauchen, ist Wasser. Den Winzlingen reicht schon ein Tropfen. Aber sie überleben sogar in Trockenheit. Da stellen sie sich scheintot, nein sie stellen sich nicht, ihre Körper verfallen tatsächlich in einen solchen Zustand. Doch schon ein Wassertropfen und sie erleben sozusagen eine Wiederauferstehung.
Viel Wissenswertes – neben Bärtierchen auch über Zellen, Künstliche Intelligenz, Algorithmen, Weltraum-Satelliten und einen kleinen Fadenwurm namens C. Elegans findest du auf elf der zwölf Doppelseiten des Bilderbuchs auf einem seitlichen Streifen. Gut zwei Drittel der Doppelseite füllen lustige Computer-Zeichnungen (Nini Spagl) und eine durchgängige Geschichte über die Hauptfigur, ein Tardi aus dem AEC (Idee und Geschichte: Ulrike Mair; Konzept und Umsetzung: Katharina Hof).
Heuer jährt sich übrigens jener Tag, an dem angeblich zum Ersten Mal ein Mensch die Bärtierchen entdeckt hat, zum 253. Mal. Laut Wikipedia gilt Johann August Ephraim Goeze als Entdecker der Tardigrada – seine erste Beobachtung, über die er berichtet fand am 10. Dezember 1772 statt.
Natürlich nur ein solches, sondern mehrere leben tatsächlich im Museum. Und dort kannst du es unter Mikroskop auch analog und real live anschauen. Bis dahin – oder wenn du einfach nicht nach Linz kommst – kannst du dich ins Buch vertiefen – oder dir die Doppelseite für Doppelseite – aufgeteilt auf zehn Videos vorlesen lassen – und mehr.
Jedes der meist rund ¼-stündigen Videos, das im AEC gedreht wurde, widmet sich einer Doppelseite und liefert dazu aber viele weitere Infos in Film-Form. Unter anderem zeigen und erklären die Videos, was die Menschheit vom Bärtierchen lernen kann und will – etwa wie es möglich ist, in so unterschiedlichen Bedingungen zu leben und vieles mehr.
Erstveröffentlicht im Kinder-KURIER
(dort funktionieren aber die Links zu den Buchseiten und den Videos nicht mehr)
„Das ist wie wenn du als Kind auf den Spielplatz gehst, aber nur zuschauen und nicht (mit-)spielen darfst!“ So brachte Ahmad, einer von fünf Jugendlichen es auf den Punkt, dass rund vier von zehn 16- bis 24-Jährigen bei der kommenden Wien-Wahl (27. April 2025) nicht mitbestimmen darf.
Witold, polnischer Staatsbürger, darf als Bürger der Europäischen Union zwar die Bezirksvertretung mitwählen ebenso wie im Vorjahr die österreichischen Abgeordneten zum EU-Parlament, „aber über Gemeinderat und damit auch den Wiener Bürgermeister darf ich nicht mitbestimmen!“
Yurdanur musste darüber hinaus schon früher ihren ersten Berufswunsch kübeln.
Fünf Jugendliche – die schon genannten und dazu noch Yurdanur, Daniel und Monsef (Einzelinterviews mit diesen drei in eigenen, unten verlinkten, Beiträgen) sowie die Geschäftsführerin des Vereins Wiener Jugendzentren (JuZ), Manuela Smertnik und der Politikwissenschafter mit Expertise für Staatsbürgerschafts- und Wahlrecht, Gerd Valchars, luden eineinhalb Monate vor der Wien-Wahl zu einem Mediengespräch in den Jugendtreff J.at am Volkertmarkt in der Leopoldstadt (2. Bezirk).
Der Politologe präsentierte einige bemerkens- und bedenkenswerte Fakten: Während die Wiener Bevölkerung im Wahlalter (ab 16 Jahren) in den vergangenen fünf Jahren um fast 100.000 Menschen (97.503) gewachsen ist, ist der Anteil der Wahlberechtigten um 23.074 Menschen gesunken. In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Prozentsatz der – wegen ihrer Staatsbürgerschaft – nicht wahlberechtigten Wiener:innen gar verdoppelt (von 17,5 auf 35,4 %). „Und das sind heuer 600.000 Menschen – so viel wie Graz, Linz und Klagenfurt oder das Bundesland Salzburg insgesamt an Einwohner:innen hat“, stellte der Wissenschafter fest.
Außerdem komme es zu einer zunehmenden Verzerrung zwischen Bevölkerung und Wahlberechtigten. So stellen die 16- bis 44-Jährigen zwar die Hälfte der Einwohner:innen Wiens, aber nur 43 Prozent der Wahlberechtigten, hingegen die Ü-60 ein Drittel der Wahlberechtigten, aber nur knapp mehr als ein Viertel (27%) der Bewohner:innen. Lücken tun sich auch in Sachen Einkommen und anderer Parameter zwischen Bevölkerung und Wähler:innen auf.
Obendrein habe Österreich einer Studie zufolge eines der einschränkendsten Staatsbürgerschaftsrechte, „nur die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudiarabien haben einen noch restriktiveren Zugang“. In der Europäischen Union liegt die durchschnittliche Einbürgerungsrate bei 2,6 Prozent, in Deutschland bei 1,5 % und in Österreich bei 0,7%. Hohe Einkommenshürden – netto müssen rund 1.100 Euro übrigbleiben nach Abzug von Wohn- und anderen Fixkosten – sowie hohe Gebühren erschweren den Zugang, um rechtlich Österreicherin oder Österreicher zu werden.
Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist der Anteil jener, die nicht wählen dürfen, noch höher, so die Wiener JuZ-Chefin. „Bei der Nationalratswahl im Herbst waren es rund 41 Prozent. „In den mehr als drei Dutzend Einrichtungen erleben wir, dass sich viele Jugendliche in ihrem Umfeld engagieren, ob für Umwelt oder soziale Anliegen. Die meisten wachsen den Großteil ihres Lebens hier auf, viele sind schon in Österreich geboren und wollen auch politisch teilhaben.“ Dass sie vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, sei (nicht nur ) für sie frustrierend, ungerecht und damit auch letztlich desintegrierend. Smertnik zitierte einen Jugendlichen, der es so treffend formulierte: „Wir werden künstlich fremdgemacht“. Die Wiener Jugendzentren verstehen sich als „Stimmenverstärker“ auch dieses jugendlichen Wunsches nach Mitbestimmung.
Die Wiener Jugenzentren präsentierten bei diesem Mediengespräch auch ihre neu Plakatkampagne gegen dieses Demokratie-Defizit. Auf einem sind drei gleich Fußbälle, auf zwei anderen jeweils drei gleiche Kopfhörer sowie Spraydosen zu sehen. Jeweils eines der Objekte ist eingeringelt. Darüber steht die Frage: „Siehst du einen Unterschied?“ und am unteren Rand des Plakats die Frage Warum nicht GLEICH? Mit einem Kästchen und einem Kreuzerl wie er von Stimmzetteln bekannt ist.
Vor fünf Jahren war jeder dritte Buchstabe aus einem Plakat entfernt worden, um rund ein Drittel Nicht-Wahlberechtigter optisch einfach hinzuweisen.
warum-duerfen-wir-nicht-waehlen <- damals noch im Kinder-KURIER
gewaehlte-sprecherinnen-wollen-auch-ausserhalb-der-schule-waehlen-duerfen <- auch damals im KiKu
Monsef wählt für das Foto jenes Plakat mit den drei gleichen Fußbällen, von denen einer eingeringelt ist als Symbol für ein Drittel der Wiener Bevölkerung, die vom Wahlrecht ausgeschlossen ist. „Ich liebe Fußball“, beginnt der 20-jährige zu erzählen. „Ich hab bei Hellas Kagran gespielt und dann zu Rapid gewechselt.“ Der beidbeinige Flügelspieler und Stürmer hat drei Jahren HTL in der Ettenreichgasse absolviert und wechselte danach als Elektro-Lehrling zu Wien-Energie. „Dort bin ich jetzt im zweiten Lehrjahr, meine Kolleginnen und Kollegen haben mich zum Jugendvertrauensrat gewählt, auch in der Berufsschule wurde ich Schulsprecher und bin Stellvertreter in der Bundesschülervertretung.“
Schon in Syrien – die Familie flüchtet aus dem total zerstörten Homs zuerst in die Türkei und später nach Österreich, wo Monsef nun seit acht Jahren lebt – war er Klassensprecher, „weil ich mutig bin, offen sage, wenn ich etwas unfair finde und mich gern für andere einsetze“. Das hat er offensichtlich beibehalten, woraus sich die einigermaßen absurde Situation ergibt, dass er von Mitschüler:innen und Kolleg:innen zu ihrem Vertreter bzw. Sprecher gewählt wird, aber selber weder in der Stadt noch in dem Land, in der bzw. dem er lebt, arbeitet und damit auch Steuern zahlt, wählen darf.
Übrigens ist der nicht nur beidbeinig, spielt – nun bei Wien Energie – sowohl am linken als auch am rechten Flügel, sondern auch vielsprachig: Neben Deutsch noch Arabisch, Türkisch, Französisch und von Freunden lern ich noch Russisch und Bosnisch.
Übrigens kamen in dem Beitrag zur Wien-Wahl vor fünf Jahren auch zwei Jugendliche zu Wort, die damals von Mitschüler:innen gewählt wurden, aber selber nicht in der Stadt wahlberechtigt waren – Link zu diesem Artikel damals noch im Kinder-KURIER unten am Ende des Beitrages.
gewaehlte-sprecherinnen-wollen-auch-ausserhalb-der-schule-waehlen-duerfen <- auch damals im KiKu
„In der Volksschule so mit sieben oder acht Jahren haben wir unsere Berufswünsche gezeichnet. Ich habe eine Polizistin mit Polizeihund gemalt. Die Lehrerin hat daraufhin gesagt: Lass es, du hast nicht die österreichische Staatsbürgerschaft“, beginnt die 17-jährige vielsprachige Yurdanur das Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…
Die Absolventin der Mittelschule Greisenecker Gasse in der Brigittenau (20. Bezirk) unterrichtet derzeit als Assistentin bei der „Hobby Lobby“ Kinder beim Tanzen bzw. Töpfern. „Und ich suche eine Lehrstelle, am liebsten als Zahnarztassistentin oder als Augen-Optikerin.“ Aber oft wird – obwohl das unzulässig ist – auch da die österreichische Staatsbürgerschaft verlangt.
Gäbe es nicht so viele Hürden für die Staatsbürgerschaft, würde sie diese gern haben und dann sowohl wählen dürfen als es auch bei der Lehrstellensuche leichter haben, hofft Yurdanur. Die Jugendliche könnte übrigens neben Deutsch noch Türkisch und Bulgarisch als Kompetenz im Umgang mit Klient:innen / Kund:innen einbringen.
Witold (19) steht wenige Monate vor seiner Matura in der HLW (Höhere Lehranstalt für wirtscahftliche Berufe) Straßergasse (Döbling, 19. Bezirk), eine der ersten, die sich einen Europa-Schwerpunkt gegeben hatte. „Europa, Wirtschaft, nationale und internationale Sicherheit sind mein Ding“ nennt er im KiJuKU-Gespräch als Themen, die ihn schon lange interessieren und über die er im Familien- und Bekanntenkreis auch oft diskutiert.
Seine (berufliche) Zukunft sieht der eloquente, kämpferische Jugendliche „in der Diplomatie“.
„Dass ich bei der EU- und der Bezirksvertretungswahlen meine Stimme abgeben darf, ist nur eine halbe Sache, wenn ich nicht darüber mitbestimmen darf, wer in Wien Bürgermeister wird.“
Alles beginnt mit einem Referat über Hai. Das Ungewöhnliche daran: Es wird von einem Gewöhnlichen Putzerfisch gehalten. Und so geht es weiter, in 20 Kapiteln kommen rund 200 Tiere vor, immer spricht ein Tier über ein anderes. Naja, nicht immer. In einem Fall stimmt der deutschsprachige Untertitel „Was Tiere über sich erzählen“ – der Schneeleopard spricht nur über sich.
Aber ansonsten lässt Bibi Dumon Tak (aus dem Niederländischen übersetzt von Meike Blatnik) immer Vögel, Fische, Körten, Würmer, Schlangen und andere weder menschliche noch pflanzliche Lebewesen über eine Tierart sprechen. Halt, nicht ganz, der Brüllaffe erzählt eine teils abenteuerliche Geschichte über ein Einhorn. Da ent„spinnt“ sich eine heftige Diskussion. Alles nur ausgedacht. „Wenn man ein Referat hält, müssen die Fakten stimmen“, meint der Schwertschnabel-Kolibri. Der Brüllaffe hält dagegen, dass doch alle ganz gebannt zugehört hätten und der Seestern sogar begonnen habe, an manchen Stellen dazu zu reimen. Dennoch „Fake News“ ruft der kurzzeitige Dichter.
Erst als die schlaue Eule auf den Plan tritt, gibt der Brüllaffe zu: „Also gut, ich habe alles erfunden. Aber das war doch eine gute Geschichte? Findet ihr nicht?“
Im Gegensatz zum Brüllaffen, der im Brustton der Überzeugung die Fantasiegeschichte erzählt, taucht in Kapitel 7 ein Tier auf, das sehr, sehr schüchtern mehr als eine Seite braucht, um sich selbst vorzustellen. Hätte er aus dem Schneckenhaus, das er unter Wasser bewohnt, sprechen können, wär’s ihm – so der Einsiedlerkrebs – viel leicht gefallen, über den Fisch zu referieren…
Die Autorin hat aber nicht nur viel Wissenswertes über viele Tiere in die mehr als 100 Seiten dessen Text durch viele spannende Zeichnungen von Annemarie van Haeringen aufgelockert ist, von „Regenwurm und Anakonda“ eingebaut. Neben der schon erwähnten Diskussion rund um Fake News und Faktentreue, oder dem schüchternen Referenten gibt’s nicht zuletzt eine sich über mehrere Kapitel ziehende um Mobbing noch dazu auf der Basis von Gerüchten.
Als das „Gila-Monster“, auch Gila-Krustenechse genannt, in Kapitel 17 zu sprechen anhebt, wird es sofort mehrfach unterbrochen und zum Verschwinden aufgefordert: „Du bist gefährlich.“ Da hilft es der Echse nicht, auch auf andere gefährliche Tiere zu verweisen, die schon ihre Referate halten durften. Aber der Atem dieser Echse sei tödlich, hätten alle gehört. „Aber ihr lebt doch noch? Ich habe jetzt ein paar Mal ein- und ausgeatmet…“ Über mehrere Seiten geht das so hin und her, bis die Gila-Krötenechse abhaut.
Einige Seiten weiter tut es den anderen Tieren leid, wie sie das angebliche todbringende Monster behandelt haben, sie schämen sich auch, dass sie nach den ersten Gerüchten einfach alle mitgemacht und diese Echse vertrieben haben. Die darf nun ihr Referat halten – über den „Blauen Drachen“.
Erste Reaktion: Wieder eine Fantasiegeschichte wie das Einhorn des Brüllaffen?
Nein, eine real existierende Nacktschnecke im Meer.
Und so wie diese kommen neben bekannten ganz schön viele Tiere in diesem Buch vor, von denen du vielleicht zuvor noch nie gelesen oder gehört hast.
Apropos hören: Fast das ganze Buch gibt es als inszenierte Lesung – Sprecher:innen David Nathan, Cathlen Gawlich, Julian Greis, Vanida Karun, Jodie Ahlborn, Matti Krause – als Hörbuch (2 CD). Statt Illustrationen sind dafür immer wieder Musikstücke eingebaut.
Die Zuschauer:innen sitzen zum Teil schon auf ihren Plätzen im Theater Akzent, andere kommen noch in den großen Saal. Da ertönt eine Lautsprecherdurchsage, die aufs Erste verwirrt: „Wir bitten Sie nun, sich zum Ausgang zu begeben…“
Bitte wie?
„… das Museum schließt in fünf Minuten“.
Aha… Genau, die folgende eineinhalbstündige, abwechslungsreiche, spannende, berührende Tanz-Performance heißt ja „Aus dem Rahmen tanzen“. Ausgehend von Bildern und Objekten in einigen Wiener Museen ließen sich die Tänzer:innen der inklusiven Studios von „Ich bin O.K.“ gemeinsam mit Schüler:innen des Theresianums, Studierenden der MUK (Musik- und Kunstuni der Stadt Wien) sowie der Vitalakademie und den Choreograf:innen inspirieren – von einer solchen Probe in einem Museum hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schon berichtet – Link am Ende des Beitrages. Die Mitwirkenden sowie die nächsten Vorstellungen sind ncoh weiter darunter in der Info-Box ganz am Ende des Beitrages.
Nun also auf der großen Bühne unterschiedlichste Tänze – klassische, zeitgenössische, Hip*Hop, Breakdance bis zu abschließenden Walzern nach berühmten Melodien von Johann Strauss, dem viele Veranstaltungen im Jahr 2025 – 200 Wiederlehr seines Geburtstages – gewidmet sind.
Zu Beginn ziert eine riesige Vergrößerung des Gemäldes „Die bösen Mütter“ von Giovanni Segantini aus dem Museum Belvedere die gesamte Bühnenbreite im Hintergrund. Auf einem recht vertrockneten Baum in einem offenbar zugefrorenen See „wächst“ eine Frau wie ein Ast aus dem Stamm hervor. Als alle sitzen, beginnt die sich scheinbar zu bewegen. Nun nicht die Frauenfigur im Bild selbst, aber in ähnlicher Position eine Tänzerin ein einem Video aus diesem Bild heraus auf der Projektionswand. Die hebt sich kurz, und eine nun leibhaftige Tänzerin in einem Kostüm im Baum-Design erobert tänzerisch die gesamte Bühne.
Sie bleibt nicht allein, ihr gesellen sich weitere Tänzer:innen hinzu und aus den „bösen Müttern“ wird ein ganz anderes Bild im Hintergrund: „Blühender Mohn“ von Olga Wisinger-Florian. Diese „Frühlingserwachen“-Szene geht über in Wetter (in en April-Aufführungen wird Vulkan-Feuer folgen), später in gewaltigen Seegang eines Ozeans – viele der Fotos von Gemälden durften animiert werden – was Bild im Hintergrund mit den Bewegungen der Tänzer:innen im Vordergrund fallweise wie zu einem einzigen Gesamtkunstwerk zusammenfügt.
Neben figuralen Landschaftsdarstellungen hatten sich Tänzer:innen und Choreograf:innen aber auch in manchen Museen abstrakte Bilder oder Installationen ausgesucht, von denen sie sich zu ihren Bühnen-Bewegungen inspirieren lassen wollten. Für eine Szene („Making-of“ Auf hoher See) stand sogar ein Stummfilm Pate.
Neben Live-Musik (Martin Burk – Kontrabass, Fabian Pollack – Gitarre, Valentin Duit – Schlagzeug), erklangen bei vielen Szenen auch bekannte hitverdächtige Nummern aus der Sound-Anlage, unter anderem „Sweet Dreams“ von Eurythmics zum Foto „Tiny für Hollywood gekleidet“ (Galerie Westlicht).
Manche Szenen wurden von ganz wenigen, die meisten aber von etlichen bis vielen Tänzer:innen ohne und mit Behinderungen gemeinsam getanzt – voller Energie, Leidenschaft, Lust und meist im synchronen Gleichklang oder so die Choreografie es erforderte als gegenseitige ergänzende Bewegungen. Die eine oder der andere kokettierte dabei noch zusätzlich mit dem Publikum.
Ein gänzlich neues „Museums“-Erlebnis, wobei die jeweiligen Tänzer:innen teilweise schon – inspiriert von den ausgewählten Kunstobjekten – in den jeweiligen Museen performt haben oder noch werden.
Ausgehend von Architekturmodellen, in die sie mit einer Handykamera immer wieder reinzoomen, thematisieren Chantal Dubs und Petra Schnakenberg in (schau-)spielerischer Manier viele Benachteiligung von Frauen, nicht nur, aber schwerpunktmäßig eben im Städtebau. Da noch immer ein viel zu großer Teil von Care-Arbeit an Frauen hängen bleibt, sind es auch sie, die in erster Linie bauliche Hürden zu überwinden haben. Da gleichzeitig in der Stadtplanung und im Hausbau wiederum oft Männer die Tonangebenden und Ersteller von Richtlinien sind, wird wenig, zumindest nicht genügend getan, um solche Barrieren erst gar nicht zu errichten. Oder darauf zu achten, dass öffentliche Räume gut ausgeleuchtet und einsehbar sind. Nicht zuletzt kommt die bei praktisch allen öffentlichen Orten – ob Gastronomie oder Veranstaltungshäuser wie Theater, Kinos… – ständig zu beobachtende Klo-Lücke zur Sprache. Lange Warteschlangen auf den Frauen-Toiletten, weil es von denen zu wenige gibt, lassen doch im Gegensatz dazu viele Männer im Stehen an Pissoirs ihr Wasser ab, was weniger Zeit in Anspruch nimmt.
Die beiden tauchen bald nach Beginn als Handwerkerinnen mit Werkzeugkoffer auf. Gegen Ende präsentieren sie auf dem dritten der fahrbaren Tische mit den Stadtteil-Modellen ein viele Aspekte von Planung mit weiblichem Blick berücksichtigendes Viertel – als von Weitem sichtbares Statement in einer Form, die an eine Vulva denken lässt, was sie auch so postulieren. Und ihrem Stück – die beiden haben es auch konzipiert, Schnakenberg die ganzen Modelle gebaut – gaben sie den Titel „Civitas Cunt“ (Stadt plus ein eher vulgäres Wort für Vulva).
Dazwischen liefern sie sich ein Rollenspiel, in dem Chantal Dubs den aufgeklärten, sich feministisch bezeichnenden Firmen-Chef gibt. Kaum tippt jedoch Petra Schnakenberg mit Fragen nach dem konkreten Verhalten – den Mitarbeiter:innen gegenüber oder in seinem privaten Bereich in Sachen Care-Arbeit – an die Fassade, bröckelt diese recht rasch.
Teils mit voraufgenommenen Stimmen aus dem off, die für kleine Figuren zwischen den Häusern oder in diesen sprechen sowie auch mit aufgenommenen Interviews auf der Straße – extra für die Wiener Vorstellungen hat das Duo hier Leute befragt – bespielen die beiden variantenreich sehr viele unterschiedliche Themen bzw. Facetten von Geschlechterungerechtigkeiten.
Das Duo holt zwischendurch immer wieder viel zu wenig bekannte Frauen sozusagen vor den Vorhang, etwa Mary Beatrice Davidson Kenner (1912 – 2006), Erfinderin unzähliger Produkte, von denen die meisten nicht produziert wurden. Ihre bekannteste war ein Menstruationsgürtel, Vorläufer der Monatsbinde. Den Gürtel wollte niemand herstellen, erst als ihr Patent abgelaufen war, wurde er von Unternehmen auf den Markt gebracht.
Nicht zuletzt durchziehen Gedanken von Christine de Pizan (1364 – 1429) die dichte, variantenreich gespielte Performance. Die in Venedig geborene, schon als Kind mit dem Vater nach Paris gezogene spätere Schriftstellerin – sowohl von Romanen als auch von Gedichten – schuf unter anderem „Das Buch von der Stadt der Frauen“, eine Art Frühwerk der Frauenbewegung.
Die drei Figuren daraus – Vernunft, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit – lassen die beiden Spielerinnen auftreten. Und dieses Trio macht in Pizans Roman der Ich-Erzählerin Mut gegen Frauenhasser aufzutreten. So schreibt sie unter anderem: „Diejenigen, die Frauen aus Missgunst verleumdet haben, sind Kleingeister, die zahlreichen ihnen an Klugheit und Vornehmheit überlegenen Frauen begegnet sind. Sie reagierten darauf mit Schmerz und Unwillen, und so hat ihre große Missgunst sie dazu bewogen, allen Frauen Übles nachzusagen … Da es aber kaum ein bedeutendes Werk eines angesehenen Verfassers gibt, das nicht Nachahmer fände, so gibt es gar manche, die sich aufs Abschreiben verlegen. Sie meinen, das könne gar nicht schiefgehen, da andere bereits in ihren Büchern das gesagt haben, was sie selbst sagen wollen – wie etwa die Frauenverunglimpfung; von dieser Sorte kenne ich eine ganze Menge.“ („Das Buch von der Stadt der Frauen“, S. 51/52; zitiert nach Wikipedia).
Mit der Figur von Girlboss Zaza verweben Dubs und Schnakenberg einerseits Einschränkungen durch Mutterschaft, weil halbe/halbe noch lange nicht stattfindet mit sozialem Gefälle. Denn Zaza entlastet sich durch eine bezahlte Betreuerin für ihre Kinder. Quin Ling, die Zaza im Nagelstudio kennenlernt, übernimmt immer mehr Aufgaben von ihrer Auftraggeberin und somit neuer Chefin. So nebenbei kommt in dieser Passage so manch (Selbst-)Ironisches von Bobo-Frauen zur Sprache und sorgt für so manchen Lacher.
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Um rund 2500 Jahre nach vor gerückt, spielt diese „Antigone“-Version von Theater Wozek nicht mehr im antiken Griechenland, sondern rund um einen Konzern namens Theben und seiner korrupten und undurchsichtigen Machenschaften. Dennoch ist der Kern von Sophokles Tragödie erhalten, deutlich erkennbar. Und doch gleichzeitig eine zeitlose Auseinandersetzung zwischen einem despotischen auf die Fassade achtenden Herrscher und (s)einer aufrechten, kämpferischen Widersacherin (Konzept und Regie: Karl Wozek).
Antigone, Ödipus‘ Tochter, will ihren Bruder Polyneikes begraben. Kreon, der neue Tyrann Thebens, verbietet das, weil der Genannte gegen diese Machtübernahme seines Onkels gekämpft hatte. Polyneikes ist im tödlichen Streit mit seinem Bruder Eteokles wie dieser gestorben. Den einen ließ Kreon als Helden begraben, den anderen eben gar nicht. Und weil sich die Nichte nicht an Kreons Verbot hält, lässt er sich lebendig einmauern. In der Folge bringt sich deren Schwester Ismene um, ebenso deren Verlobter Haimon, übrigens Sohn von Kreon. Das veranlasst auch seine Mutter Eurydike, Kreons Ehefrau, ihrem Leben ein gewaltsames Ende zu setzen. Diese Tragödie von Sophokles wurde – laut Wikipedia – „wahrscheinlich im Jahr 442 v. Chr. uraufgeführt“.
Kreon, in dieser Version, die nach mehrtägiger Aufführung in der Theater Arche (Wien-Mariahilf) in den nächsten Wochen und Monaten im Burgenland, in Oberösterreich und Salzburg – auch in Schulaufführungen – zu erleben ist, herrscht nun wie eingangs schon erwähnt, über einen Konzern. Ein Gutteil von dessen Geschäften sind nicht gerade sauber. Der Boss (unverbindlich freundlich, unnahbar Niklas Zoubek) selber macht sich die Finger nicht schmutzig, dafür hält er sich einen mafiösen (Schläger-)Trupp, angeführt von Svetlana (Karoline Sachslehner) mit ihren Unterläufeln Jonas (Georg Müller-Angerer) und Pascal (Nicolas Hoser).
Die zuletzt genannten drei Schauspieler:innen schlüpfen im Verlauf der kurzweiligen, immer wieder auch amüsanten, aber auch emotional tiefbewegenden Vorstellung in weitere Rollen. So ist Karoline Sachslehner vor allem auch Antigones Schwester Ismene, darüberhinaus aber auch noch eine TV-Reporterin Rosalie, die eher eine Stichwortgeberin als Interviewerin Kreons und ihm den Raum für sein „Wir haben alles richtig gemacht“ gibt.
Nicolas Hoser spielt noch Ismenes Verlobten Hämon, der damit auch Sohn Kreons ist sowie den Kameramann fürs TV, eher ein Seitenblicke-Format. Georg Müller-Angerer mimt neben dem Bösewicht des Mafia-Trios vor allem Angelo, den Gute-Geist-Helfer Antigones, sozusagen die männliche Version der Sophokles’schen Amme. Und er steigt hin und wieder aus der ganzen Geschichte aus und schildert als eine Art Conférencier den Fortgang der Story.
Last but not least natürlich die Antigone-Darstellerin. Julia Wozek ist eine Wucht, die zwischen ständiger Kampfbereitschaft samt List, wie sie den Bruder doch noch bestatten kann, und tiefer Verzweiflung angesichts der despotischen Anordnung Kreons und des lange Zeit einsamen Widerstands pendeln kann. In den passenden Momenten samt echter Tränen auf der Bühne, die dir als Zuschauer oder Zuschauerin sehr nahe gehen können.
Besonders krass und stark der Wortstreit mit ihrem Onkel Kreon, wo sie diesen nahe an seine Grenzen bringt, wenn sie ihm auf den Kopf zusagt, dass er im Gegensatz zu ihr nicht (mehr) ehrlich agiert, sich für seine Geschäfte (die Macht) verbiegt. Und lässt damit vor allem in dieser Szene ganz ohne es an- oder auszusprechen Assoziationen zu aktuellen geschichtsträchtigen geopolitischen Szenen auftauchen.
Lediglich der Untertitel „ich weiß nicht, warum ich sterben will“ verwirrt ein wenig, vermittelt doch diese Antigone-Protagonistin zwar ihren Lebenswillen, aber auch ihre feste Überzeugung, alles, auch den Tod, in Kauf zu nehmen, um sich eben nicht verbiegen zu müssen.
Gleich mit drei Bänden startet eine neue Buchserie – „Die Ampelchen“, das sind klein rote und grüne Figürchen, die sich mitunter auch unsichtbar machen können, vor allem sind die meisten von ihnen quirlig, abenteuer- und entdeckungslustig und nicht zuletzt lassen sie sich kaum einbremsen, Schabernack zu treiben und Streiche zu spielen.
Band 1, „Aus den Ampeln, fertig, los!“ bringt auf rund 50 Seiten mit vielen kleinen – roten bzw. grünen – Zeichnungen auch jenseits der Ampelchen und hin und wieder riesengroß geschriebenen Wörtern die Geschichte wie es dazu gekommen ist. Clärchen, ein schusseliges Kind, stolpert auf dem Weg zur Schule bei einer Kreuzung, wo gerade Arbeiter dabei sind, die Ampeln zu reparieren. Eine Kettenreaktion – sie hält sich an der Leiter fest, ihr Schlüssel fliegt in hohem Bogen in den Sicherungskasten… und plötzlich sind die Kleinen wuseligen Wesen aus den Ampeln auf der Straße. Bei Clärchen landet der grüne Mo-Bert und bei ihrem neuen Mitschüler Emre ein rotes Ampelchen namens Mini.
Aber da ist der fiese Finn, der meint die kleinen Figuren würden ihm gehören, sie seien aus einem seiner Handyspiele entlaufen. Gleichzeitig müssen sich Clärchen und Emre darum kümmern, auch die anderen zehn entlaufenen Ampelchen zu finden…
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“ Mit dem biblischen Schöpfungs-Mythos beginnt die 1¼-stündige Performance „Do you belieeeeve in Life after Love?“ (ausgehend vom ersten Top-10-Hit der US-amerikanischen Rockband Huey Lewis and the News) mit unterschiedlichsten Teilen – witzig-ironischen und brutal-traurigen. Letztere unter anderem aus der Literatur, gespeist durch reale Gewalt gegen Frauen. Kern, der sich durchzieht: Darstellung und Auseinandersetzung mit patriarchalen Verhältnissen (noch zu erleben am Sonntag, 16. März im Dschungel Wien – siehe Info-Box).
Und so rückt die Arbeit der vier vormaligen Studierenden der MUK (Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien), Hannah Joe Huberty, Paul Clementi, Felix Werner-Tutschku, Leonid Sushon, schon im einleitenden Mythos die erste große Fehlstelle der christlichen Bibel ins Zentrum: Lilith. Die erste Frau, die nach dieser Vorstellung von Gott erschaffen wurde – und dies gleichzeitig mit Adam, dem Manne.
Weil sie auf ihre Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit pochte und sich im nicht unterwerfen wollte, was er gern gehabt hätte, verließ sie das Paradies. Er bettelte Gott um eine neue Frau an und bekam aus einer seiner Rippen Eva.
Spannenderweise steht in der Bibel (Luther-Übersetzung): „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf einen Mann und ein Weib.“ Und nur wenige Seiten später ist dann die Rede davon, dass der Mensch, in dem Fall offenbar aber der Mann, allein war und er eben diese Rippengeburt erledigte.
In die biblische Phase mischt das Quartett (Künstlerische Betreuung: Dora Schneider, Markus Meyer) schon den für große Lacher sorgenden bewussten Versprecher: „Seid furchtbar und mehret euch“ statt fruchtbar.
Es folgt die Persiflage auf TV-Dating-Shows mit männlichen Helden und Frauen, die per Lichtsäulen buzzern samt Animation des Publikums in Sprüche miteinzustimmen. Szenen, die scheinbare männliche Größe durch Lächerlichkeit schrumpfen lassen.
Hier eingebaut ein „Match“ zwischen Marie (der vorherigen Lilith-Darstellerin) und Franz – und den Übergang zu einer Art Hintergrund-Talkshow über dieses Paar, fast zwei Jahrhunderte zurückversetzt – in Georg Büchners Woyzeck, in dem Franz die Ehefrau ersticht. Büchners Romanfragment hatte übrigens ein reales Vorbild mit tatsächlichem Namen Woyzeck; Letzteres zu erwähnen wäre schon gut statt den Autor zu verdächtigen, er hätte in diesem Fragment willkürlich Partei für den Mörder ergriffen.
Von da an wird’s heftig. Auseinandersetzung mit verharmlosenden (medialen) Darstellungen der Ermordung von Frauen mit Begriffen wie Liebesdrama, Tat aus Leidenschaft und ähnlichem bekanntem – und dem entgegenstellend „Femizid“, ermordet, weil Frau und nicht Eigentum oder unterworfen sein wollend… Samt einer rund zehnminütigen Lesung eines Kapitels aus Yvonne Widlers „Heimat bist du toter Töchter“ über die Tirolerin Larissa, die von ihrem – einheimischen – Freund ermordet wurde.
Doch so heftig und gleichzeitig auch niederschmetternd will das Stück das Publikum nicht entlassen. So wird einerseits groß der Schriftzug „Die Scham muss die Seite wechseln“ über die ganze Breite der Bühne projiziert. Es handelt sich um das berühmt gewordene Zitat von Giséle Pelicot rund um den wenige Monate zurückliegenden Prozess gegen ihren Ehemann und Dutzende weitere Männer. In Frankreich hatte er die Ehefrau an Dutzende andere Männer zur Vergewaltigung verkauft. Und mit diesem Spruch, vor allem dieser Haltung kämpfte sie sich aus der Rolle des Opfers in die der moralischen Anklägerin. Die Täter müssen beginnen sich zu schämen, ihr Unrecht einsehen.
Mit einer wieder witzigen Aktion schließen die vier jungen Schauspieler:innen den Bogen zurück zur „Bibel“. In einem Video sind sie zu sehen, wie sie an verschiedensten Orten aus einem Korb heraus Äpfel der Erkenntnis verteilen. Wurden Eva und Adam von Gott aus dem Paradies vertreiben, weil sie die Früchte vom Baum der Erkenntnis aßen, so geht es doch genau darum zu erkennen, wieso Männer aus unterschiedlichsten Machtgelüsten zu Mördern an Frauen werden.
Übrigens platzieren die Spieler:innen am Ende auch im Foyer des Theaterhauses Dschungel Wien
Ein dichte, abwechslungsreiche, spannende Theaterstunde voller immer wieder krasser Wendepunkte samt sarkastisch-ironischen Momenten lebt darüber hinaus aber vor allem davon, dass es sich um eine echte Lebensgeschichte – und dies mit Happy End handelt. „Lotfullah und die Staatsbürgerschaft“ im Vestibül des Wiener Burgtheaters erzählt szenisch die Jahre in Österreich nach seiner Flucht. Als Kleinkind mussten die Eltern mit ihm das afghanische Ghazni verlassen, fanden Zuflucht in Pakistan, wo nach einigen Jahren das Leben auch nicht mehr erträglich war. Es war schon äußerst schwierig für die Familie, das Geld für die Flucht eines der ihren aufzutreiben. Tränenreich verabschiedet die Mutter den jugendlichen Sohn. Und rät ihm, auf der gefährlichen Fluchtroute im Schlaf immer doch auch irgendwie wach sein zu müssen (adir).
Europa war das Ziel, irgendwann landete er zufällig in Österreich. Weder flossen hier Milch und Honig im sprichwörtlichen Sinn, noch wurden Menschen, die flüchten mussten, mit offenen Armen empfangen wie es in früheren Fluchtbewegungen – von Ungarn (1956), Tschechoslowakei (1968) bis zu den Jugoslawienkriegen (Anfang der 90er Jahre) noch eher der Fall war. Schikanen, Willkür trotz Rechtsstaat, Waaaaaarten auf Papiere, ein Flüchtlingscontainer hinter Drahtzaun, Abnahme des Ausweises durch die Behören, weil im Asylinterview nicht verstanden wurde, dass viele Afghan:innen schon lange vor der wieder völligen Machtübernahme durch die demokratiefeindlichen Taliban, von dort flüchten mussten – die einen in den Iran, andere nach Pakistan.
Monatelang staatenlos. „Wenn du keinen Ausweis hast, existierst du nicht“, fällt der treffende Satz. Der erinnert an Bert Brechts „Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so eine einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.“ (Flüchtlingsgespräche 1940/41).
Leben im Freien – im „Rosengarten“. Irgendwann dann doch wieder ein Ausweis, Flüchtlingsunterkunft weit ab im tiefsten Niederösterreich. Und dennoch nahm Lotfullah dreieinhalb-stündige tägliche Reisen in die HTL Mödling, aber auch nach Wien ins Burgtheater zu Proben für Projekte auf sich. Die Theaterprojekte boten ihm geborgenen Halt, auch wenn er manches nicht verstand, wie es im Stück heißt und nachvollziehbar zu erleben ist – für Außenstehende kaum verständliche Aufwärmübungen für die Stimme mit bedeutungslosen Lautkombinationen 😉
Der Humor kommt in dieser Stunde nicht zu kurz. Das Stück entstand in langem Hin und Her aus der neun Jahre währenden Zusammenarbeit von Anna Manzano, Marie Theissing, Lotfullah Yusufi und Magdalena Knor, anfangs als Spielclub im Burgtheater, später als freie Gruppe. Ergänzt und erweitert um Florian Jungwirth, Waltraud Matz, Himali Pathirana, Marlen Schenk-Mair, Ben Schidla und Patrick Werkhner sowie Alex Teufelbauer, der in den „Rosengarten“-Szenen in Lotfullahs Rolle schlüpft, entwickelte das Team rhythmisch choreografierte Szenen, die Begegnungen mit Bürokratie ebenso wie mit Helfer:innen knapp und rasch wechselnd, teilweise chorisch schildern.
Der Staatsbürgerchor mit fast höfischen Halskrausen, getrötete Bundeshymne, beamtliche Stempelzeremonien… – was für Theaterpublikum und -beschäftigte vielleicht „kafkaesk“ wirken mag, ist Alltag der meisten Geflüchteten seit Jahren. Kaum ein oder einer kennt es anders. Rascher Erwerb der deutschen Sprache, gut integriert, sozial engagiert – hilft alles (fast) nichts. Bewahrt nicht vor widersinnigen Entscheidungen, Ablehnungen, drohender Abschiebung…
Doch neben Zielstrebigkeit, Ausdauer, Energie und doch die einen oder anderen Menschen, die helfen, unterstützen, sich einfach menschlich zeigen, sind verantwortlich für ein Happy End. Die Energie Lotfullah Yusufis, der gemeinsam mit Regisseurin Anna Manzano sowie seinen Mitspieler:innen Marie Theissing und Magdalena Knor (auch Live-Musik) das Stück entwickelt hat, macht den Raum zeitweise fast zu klein für seine Power. Eine Art befreites Aufspielen, ist das Stück doch ein geglückter Sieg über alle Hindernisse und Schikanen.
Ohne es direkt anzusprechen, ergibt sich so „nebenbei“ die Lehre: Hätte Lotfullah Yusufi selbst aufgegeben und wäre er nicht bei seinem Einspruch gegen den ersten Abschiebebescheid unterstützt worden, gäbe es auch diesen bewegenden und doch Mut machenden Theaterabend nicht!
Der Buchtitel irritiert wohl auf den ersten Blick. Vielleicht auf den zweiten auch noch: „A wie Biene“. Der Untertitel hilft schon ein wenig auf die Sprünge: „Ein ABC mit tierisch guten Übersetzungen“.
So, also gleich zur Auflösung des Buchtitel-Wirrwarrs: Arı ist etwa das türkische Wort für Bienen. Auf dieser ersten der Bilderbuchseiten von Ellen Heck (Illustration und Text im englischen Original, Übersetzung: Regina Jooß) gibt’s noch drei weitere Bienen-Bezeichnungen: Abelha (Portugiesisch), Aamoo (Ojimbwe – so steht’s im Buch, dürfte aber eher korrekt Ojibwe heißen, und dies ist laut Wikipedia eine der größten indigenen Bevölkerungen in Nordamerika – Kanada und USA). Schließlich beginnt Biene noch in Igbo, einer der mehr als 500 Sprachen im westafrikanischen Nigeria, mit A – Aṅụ.
Und so geht das weiter. Jede Seite ist einem anderen Buchstaben gewidmet – in der Reihenfolge des deutschsprachigen Alphabets. Wie bei Biene, die bei A zu finden ist, fliegen, krabbeln, schwimmen… die liebevoll und detailreich gezeichneten Tiere in ganz anderen Sprachen zu diesem großen Buchstaben. Bei L wie Kaninchen hätte vielleicht das aus dem altdeutschen Sprachgebrauch noch immer bekannte (Meister) Lampe neben Lapin (Französisch), Lepur (Albanisch) und Lāpaki (Hawaianisch) dazugepasst 😉
Ach ja, dass Löwe mit S was zu tun hat wie in der Überschrift dieses Beitrags zu lesen ist, kennst du vielleicht aus dem Film „König der Löwen“. Simba ist da nicht nur der Name eines „Königs der Tiere“, dies ist dessen Bezeichnung in Kisuaheli (Swahili), einer Sprache in Kenia, Tansania und Uganda (Ostafrika).
Neben Deutsch – in dem die Tiernamen die Seiten zieren – kommen 67 andere Sprachen vor – von Afrikaans bis Zulu (übrigens beides Sprachen in der Republik Südafrika). So kannst du auf jeder Seite vielleicht das eine oder andere dir bekannte Wort finden, das aber immer mit einem ganz anderen Buchstaben beginnt als im Deutschen. Viel wahrscheinlicher ist, dass du viiiiele neuen Wörter findest. Und auch so manche Sprache, von der du möglicherweise noch nie etwas gehört hast. Da wäre es übrigens nicht schlecht gewesen in der übersichtlichen Liste der vorkommenden Sprachen zumindest bei nicht so bekannten das Land bzw. die Länder oder Regionen dazu zu schreiben, in denen diese verwendet werden.
Da viele Sprachen unterschiedliche Schriften haben, musste alles ins lateinische Alphabet transkribiert werden. Da gibt es offenbar im Englischen andere Regeln als im Deutschen. Dass das Farsi (Persische) Wort für Bär unter X (Xers) auftaucht, ist merkwürdig, wird der Laut doch üblicherweise mit Kh umschrieben, es klingt wie ein hartes „ch“. Während das Mandarin (Chinesische) Xióng ebenso wie xie-xie (für danke) tatsächlich die gebräuchliche Transkription für diesen als „sch“ gesprochenen Laut ist.
Aber, wie hören sich die Wörter im Original an? Nun dazu verweist das Buch nach allen Tiervorstellungen – am Ende steht übrigens ein Elefant auf einer Doppelseite (Zaan – Mongolisch), Zehon (Amharisch), Zilonis (Lettisch) und Zō (Japanisch) – auf eine eigene Website, auf der die jeweiligen Tiernamen beim Anklicken vorgelesen werden. Ein QR-Code wäre übrigens eine einfachere Variante (gewesen), die entsprechende Website zu erreichen.
Kinder und Jugendliche tanzten Mitte dieser Woche auf dem Ballhausplatz, dem Sitz von Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei. Kein Happening, keine Open-Air-Disco. Sie, Mitglieder der Kindergruppe aus der Pfarre Rossau und Vertreter:innen der Initiative „Kinderarbeit stoppen“, wählten Tanz als Mittel von Protest bzw. hoffnungsvoller Forderung an die neue Regierung.
Nun, in Österreich selber gibt es kaum bis keine Kinder die arbeiten müssen, aber ein internationales Mittel, um Kinderarbeit zu stoppen, scheint auf der Kippe zu stehen.
Die Lieferketten-Richtlinie der EU (CSDDD – Corporate Sustainability Due Diligence Directive / Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitssorgfaltspflicht) soll Unternehmen eben verpflichten, unter anderem darauf zu achten, dass in ihren Produkten alle beteiligten Firmen fair, nachhaltig und ohne Kinderarbeit auskommen. Unter dem populär gewordenen Schlagwort „Entbürokratisierung“ drohen diese Regelungen verschoben und verwässert zu werden.
„Eigentlich wollten wir die neue österreichische Regierung um eine zügige und ambitionierte Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) in Österreich ersuchen“, heißt es in der Aussendung der Dreikönigskation. Sie ist gemeinsam mit Katholischer Jungschar, Jugend Eine Welt, FAIRTRADE Österreich, Kindernothilfe Österreich und solidar Austria Teil der Initiative „Kinderarbeit stoppen“. Stattdessen, so die Erklärung zum Protest-Tanz, „sind wir wieder an dem Punkt, die Richtlinie an sich zu verteidigen. Jahrelang haben wir gemeinsam mit Partner*innen im globalen Süden für die EU-Lieferkettenrichtlinie gekämpft. 2024 konnten wir deren Beschluss als wichtigen Meilenstein im Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit und zum Schutz von Menschenrechten, Umwelt- und Klimaschutz in internationalen Lieferketten feiern. Doch auf EU-Ebene droht nun die Aushöhlung und Verschiebung des Gesetzes, wie die EU-Kommission Ende Februar bekannt gab.“
Mit der Forderung, „der Schutz von Kinder- und Menschenrechten darf aber nicht mit Bürokratie gleichgesetzt werden“, gab es nicht nur die Aktion auf dem Ballhausplatz, sondern wird aufgerufen, einen entsprechenden Appell an die Bundesregierung – online – zu unterzeichnen (Link unten am Ende des Beitrages). Unter dem Titel „Menschenrechte schützen – CSDDD nicht verwässern!“ wird gefordert, dass sich die Regierung klar gegen die Verwässerung des EU-Lieferkettengesetzes ausspricht:
„Ich fordere Sie daher nachdrücklich auf, als österreichische Bundesregierung die vorgeschlagenen Änderungen im Rat abzulehnen und die ursprüngliche Fassung der CSDDD rasch national umsetzen. Ich vertraue darauf, dass Ihnen der Schutz von Mensch und Umwelt am Herzen liegt und Sie sich gegen ausbeuterische Kinderarbeit einsetzen“, heißt es in dem Online-Appell.
Angekündigt wird außerdem, dass Ende März eine weitere Mitmachaktion „Kinderarbeit stoppen“ für Kindergruppen und Junggebliebene jeden Alters startet.
„Reingelegt, April, April!“ Scherze am ersten Tag des vierten Monats haben eine lange Tradition, obwohl es keine gesicherte Erklärung gibt, was es mit Streichen und diesem Datum auf sich hat. Viel bekannter – und nicht auf diesen einen Tag beschränkt – sind vor allem unterschiedlichste Streiche mittels Videos in der Online-Welt, genannt Prank. Ein neuer Kinofilm verbindet Prank und Aprilscherz – in einer turbulenten Komödie mit etlichen Action-Szenen und heißt folgerichtig „Der Prank – April, April!“
Im Zentrum stehen zwei, zeitweise drei Kinder bzw. junge Jugendliche: Lucas Roosen (gespielt von Noèl Gabriel Kipp), Xi Zhōu (Max Zheng) und Charly (Maïmouna Rudolph–Mbacké). Xi wohnt als Gastschüler aus China bei Familie Roosen. Ständig filmt er (fast) alles mit seinem Smartphone, nutzt es (scheinbar) auch zur Übersetzung, bis er – so viel sei gespoilert – zu erkennen gibt, dass er hervorragend Deutsch versteht und spricht. Er lässt sich einen Streich am 1. April einfallen.
Da es in fast allen Ankündigungen des Filmverleihs verbreitet wird, sei dies auch hier „verraten“. Der Freund der erwachsenen Tochter der Roosens, Caro (Jana McKinnon), träumt von einer Rap-Karriere, sein Geld verdient Schaaf (Cedric Eich) als Pizza-Bote. Xi tauscht einen der Pizzakartons aus. Doch in diesem – so stellt sich heraus – sind gebündelte Geldscheine und das nicht zu knapp. Schutzgeld, Mafia, Verwechslungen, Verfolgungen, Schlägereien, ein tollpatschiges Polizei-Duo (Polizist Kurtz: Philippe Graber, Polizistin Lendel: Tilla Kratochwil). Rasant, turbulent, hektisch, spannend, fast gefährlich – durchbrochen allerdings von einer kräftigen Portion Humor und Komödiantik.
Die jungen Schauspieler:innen – Noèl Gabriel Kipp und Maïmouna Rudolph–Mbacké hatten schon aus anderen Film- bzw. auch Theaterarbeiten Erfahrung, Max Zheng ist eine Neu-Entdeckung -, die den Film weitgehend tragen, brauchen keinen Vergleich mit ihren erwachsenen Profi-Kolleg:innen zu scheuen. Als schauspielendes Crew-mitglied konnte (für die Rolle der Miss Nelly im „Clan“ rund um den Pizza-Chef) Patricia Pembele aka „Die P“, eine bekannte Hip*Hoperin gewonnen werden.
Mitverantwortlich für den Dreh auf Augenhöhe der Kinder bzw. jungen Jugendlichen (geboren zwischen 2009 und 2012) war sicher auch, was Regisseur Benjamin Heisenberg in einem Interview für das Medienheft des Filmverleihs sagte: „Mein Koautor Peer Klehmet und ich haben beide zwei Söhne. Als wir anfingen, den PRANK zu schreiben, waren sie im Alter unserer Protagonisten und wir wurden von ihnen und ihren
Freunden mehr als einmal gepranked. Diese Streiche und Practical Jokes waren ein fester Bestandteil ihrer Welt, befeuert durch Social Media und YouTube, wo Pranks ein eigenes Unterhaltungsgenre geworden sind. Das hat uns inspiriert, eine Geschichte zu entwickeln, die die Energie und Kreativität dieser Streiche aufgreift, sie in ein turbulentes Abenteuer verpackt und gleichzeitig zeigt, wie Kinder und Jugendliche mit Mut und Einfallsreichtum – ein bisschen bigger than life – über sich hinauswachsen können.
Wir haben die Geschichte zusammen mit unseren Jungs entwickelt und immer wieder mit ihren Freund:innen diskutiert. Diese Gespräche haben uns geholfen, die Charaktere und die Handlung nah an der Imaginationswelt der Kinder zu halten. Figuren wie der chaotische Austauschschüler Xi Zhou oder der rappende Pizzabote Schaaf sind von eigenen Erlebnissen und den Gesprächen mit den Kindern und Jugendlichen inspiriert…
Wir wollten die Energie und Dynamik der Kinder spürbar machen – sowohl visuell als auch emotional. Die Kamera ist sehr viel in Bewegung, folgt den Charakteren durch Straßen, Parks und U-Bahnhöfe, sodass das Publikum förmlich mit ihnen rennt, ohne dabei in einen Handkamera-Doku-Stil zu verfallen. Gleichzeitig war es mir wichtig, einen Film zu machen, der Kinder ermutigt, mutig, kreativ und ein bisschen rebellisch zu sein – und Erwachsenen zeigt, wie wichtig es ist, diese Qualitäten nicht zu verlieren.“
Vorsichtig positiv und leicht optimistisch was Umsetzung der Kinderrechte in Österreich betrifft, zeigten sich vier Kinder- und Jugendanwält:innen (KiJA) – stellvertretend für alle neun (eine Person pro Bundesland) – bei einem Mediengespräch in der Wiener Einrichtung. Zwar stehe im Regierungsprogramm vieles auch Kinder und Jugendliche Betreffende unter Budgetvorbehalt, doch einiges aus dem 10-Punkte-Paket, das die schon im November den damaligen Regierungsverhandler:innen von ÖVP, SPÖ und NEOS übermittelt haben, findet sich nun im Programm der 3er-Koaltion. Allerdings brauche es zur Umsetzung eben wirklich entsprechende Ressourcen, einige „Baustellen“, wo noch viel zu tun ist, orten die KiJa ebenso. Und auf Frage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zum aktuell von der Bundesregierung beschlossenen Stopp von Familiennachzug wurde vor allem darauf verweisen, dass die Kinderrechtskonvention das Recht von Kindern auf Familie verankert – siehe azu einen eigenen Beitrag – Link am Ende dieses Beitrages.
Der Wiener Vertreter, Sebastian Öhner: „Welchen Zugang ein Kind zu seinen Kinderrechten hat, darf nicht von der Postleitzahl des Wohnortes abhängen.“ Verlangt werden „einheitliche Vorgehensweise auf Bundesebene, damit Kinderrechte flächendeckend gefördert und geschützt werden können.“
Wesentliche kinderrechtliche Baustellen orten alle neun Kinder- und Jugendanwält:innen vor allem in den Bereichen Kinderschutz, Lebensraum Schule sowie effektives Kinderrechtemonitoring. Alle neun KiJA-Vertreter:innen fordern gemeinsam nach einem eineinhalbtägigen Treffen in ihrer regelmäßigen StänKo (ständige Konferenz) „die neue Bundesregierung auf, hier wirksame Maßnahmen zu setzen.“
Kinderschutzkonzepte sind ein wirksames Mittel, um Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorzubeugen. Dies sei, so die KiJA-Vertreter:innen, mittlerweile im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen. „Zusätzlich braucht es aber auch ausreichende finanzielle Ressourcen für die Entwicklung von Kinderschutzkonzepten, um diese nachhaltig zu implementieren. Kinderrechte und Schutzkonzepte haben eines gemeinsam: Wir alle müssen diese auch mit Leben füllen, damit junge Menschen davon profitieren können und diese nicht nur am Papier existieren,“ sagt dazu Tirols Kinder- und Jugendanwalt Lukas Trentini.
Alarmiert sind die Kinder- und Jugendanwält:innen über die steigende Anzahl von Schulsuspendierungen in Österreichs Schulen: Im Schuljahr 2023/2024 wurden österreichweit 2.013 Schulsuspendierungen ausgesprochen, eine Steigerung von 100 Fällen im Vergleich zum Vorjahr. Suspendierungen dürften aber keine Strafmaßnahme sein, sondern nur bei Gefahr in Verzug zum Schutz von Schüler:innen und Lehrpersonen. Außerdem würde ein Ausschluss von Kindern oder Jugendlichen allein „selten eine nachhaltige Verhaltensstabilisation bewirken“. Pädagogische bzw. therapeutische Begleitung gäbe es derzeit allerdings zu selten. Salzburgs Kinder- und Jugendanwältin Johanna Fellinger dazu: „Wir begrüßen die Pläne der neuen Bundesregierung, hier österreichweite Standards und Angebote für Suspendierungsbegleitung zu etablieren. Dafür werden die Schulen aber zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen benötigen. Das neue Angebot der Suspendierungsbegleitung darf nicht zu Lasten der sonstigen Aufgaben, beispielsweise von Schulpsycholog:innen und -sozialarbeiter:innen, gehen.“
Zu wenige Ressourcen sowie zu wenig Prävention im Rahmen digitaler Grundbildung ortet Christine Winkler-Kirchberger (Oberösterreich) in Sachen Mobbing und Cybermobbing. Außerdem würde externe Expertise, u.a. Kinder- und Jugendanwaltscahften, häufig erst „zu spät ins Boot geholt. Dann ist die Situation oft schon so verfahren, dass nur noch wenig für die Betroffenen getan werden kann. Cybermobbing ist besonders heimtückisch, da es rund um die Uhr stattfinden kann und die Betroffenen oft keine Möglichkeit haben, dem zu entkommen. Es ist daher unerlässlich, dass sowohl präventive als auch intervenierende Angebote in den Bundesländern zur Verfügung stehen, um die psychische Gesundheit der jungen Menschen zu schützen.“
Von der Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS erhoffen sich die Kinder- und Jugendanwaltschaften insgesamt eine Stärkung der Kinderrechte. Im Regierungsprogramm fänden sich einige Forderungen der KIJA, so der Wiener Kinder- und Jugendanwalt Sebastian Öhner. Eine bundesweite Stärkung der Kinderrechte könne auch trotz des klammen Budgets gelingen, glaubt er. „Man braucht nicht immer mehr Geld, manchmal braucht man ein Umdenken.“ Oft seien es Fragen der Verwaltung, der gesetzlichen Bestimmungen oder des Dienstrechts. Als Beispiel nannte er die vorgesehenen einheitlicheren Standards in der Kinder- und Jugendhilfe.
Viel stärker noch als bisher müsste in allen Bereichen eine Säule der Kinderrechtskonvention, die Partizipation also die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen beachtet, wahrgenommen und verankert werden, meinte vor allem Sebastian Öhner. Insofern sehen es die Kinder- und Jugendanwält:innen auch – auf Frage von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… als demokratispolitisch und kinderrechtlich problematisch an, dass junge Menschen, die einen Großteil oder ihr ganzes Leben in Österreich verbringen, nicht wählen dürfen, wenn sie eine andere Staatsbürgerschaft haben.
Im Übrigen wird eine „große kinderrechtliche Lücke“ im „Fehlen eines systematischen Kinderrechtemonitorings, bei dem die Überprüfung und Bewertung der Umsetzung von Kinderrechten bundesweit sichergestellt wird“ geortet. „Nur durch regelmäßige und systematische Überprüfungen können wir Missstände frühzeitig erkennen und strategisch gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Und nur so können wir sicherstellen, dass die Rechte von jungen Menschen auch in der Praxis umgesetzt werden,“ verlangte Sebastian Öhner ein regelmäßiges innerstaatliches Monitoring. Die Kinderrechtskonvention selber sieht einen Prozess der Evaluierung vor und international wird das auch gemacht.
„Familie kann Leben retten“ – Ersteres in rot, die anderen drei Worte in schwarz stand Mittwoch um die Mittagszeit auf mehr als einem Dutzend Plakaten vor dem Bundeskanzleramt in Wien. Die Kundgebungsteilnehmer:innen hielten im Vordergrund zudem ein großes Transparent auf dem stand: „An die neue Regierung: Kein Kompromiss bei Menschenrechten!“ Das Wort kein rot unterstrichen. Und unter der Forderung die Logos von Roten Falken, der Aktion kritischer Schüler:innen, der Sozialistischen Jugend sowie des VSSTÖ (Verbandes sozialistischer Student:innen). Daneben ein großes Transparent „Haltung statt Festung“ von der Initiative SOS Balkanroute, namentlich stark verbunden mit dem Rapper Kid Pex alias Petar Rosandić.
Anlass für die Demonstrant:innen war der im Ministerrat auf der Tagesordnung stehende Stopp der Familienzusammenführung. „Konkret bedeutet das, dass Menschen, die vor Krieg und Leid geflohen sind, kein Recht mehr darauf haben, ihre engsten Familienangehörigen legal nach Österreich zu bringen. Aus unserer Sicht ist diese Entscheidung eine Anbiederung an rechtsaußen Positionen, wie sie in Österreich vor allem die FPÖ vertritt. So sehr die SPÖ auch betont, dass im Moment Kompromisse notwendig seien: Menschenrechte sind unteilbar! Bei ihnen darf es keinerlei Kompromisse geben!“. Das meinten in einer Aussendung dazu die Vorsitzenden der SJÖ (Larissa Zivković), des VSSTÖ (Miriam Amann), der AKS (Dede Koudouovoh) sowie der Roten Falken (Dilovan Shekho).
Laut Larissa Zivkovic würde es sich beim Stopp des Familiennachzugs vor allem um Symbolpolitik handeln: „Es steht außer Frage, dass das österreichische Asylsystem im Moment starke Defizite aufweist. Immer noch werden Menschen teilweise jahrelang im Unklaren über ihre Zukunft gelassen. Es ist mehr als fragwürdig, ob ein Stopp des Familiennachzugs an dieser grundlegenden Situation irgendetwas verändern würde. Abgesehen natürlich von der Tatsache, dass sich die Lage für geflüchtete Menschen in Österreich weiter drastisch verschlechtert. Dass die SPÖ diese rechte Symbolpolitik mitträgt, ist mehr als nur ärgerlich!“, so Zivkovic.
Miriam Amann weist darauf hin, dass Kompromissbereitschaft nicht zu einer weiteren Öffnung nach Rechts führen darf: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine Übernahme rechter Positionen, wie sie die FPÖ vertritt, nur zu einer weiteren Verstärkung des rechten Diskurses führt und damit die extreme Rechte weiter stärkt. Zudem will sich die Regierung bei ihrem Vorhaben auf einen Notstandsartikel der EU beziehen, obwohl führende Expert:innen nicht einmal im Ansatz der Meinung sind, dass es sich hier um einen Notstand handeln könnte. Angesichts dessen ist es aus unserer Sicht mehr als unverantwortlich, dass sich die aktuelle Regierung bereits nach so kurzer Zeit dazu entschieden hat, solche Maßnahmen in die Wege zu leiten! Die Regierung sollte sich besser darum kümmern, dass geflüchtete Menschen gut in Österreich ankommen und Integration in deren Sinne stattfindet!“, meint Amann.
„Der Stopp des Familiennachzugs ist nicht nur eine politische Fehlentscheidung, sondern schadet nachhaltig der Entwicklung junger Menschen. Kinder und Jugendliche brauchen die Unterstützung ihrer Eltern, um emotional und psychisch stabil zu wachsen. Ohne diese Unterstützung werden ihre Inklusion und Zukunftsperspektiven stark beeinträchtigt oder gar kategorisch zunichte gemacht. In einem Land, das sich zu Menschenrechten bekennt, ist es inakzeptabel, Familien auseinanderzureißen und den betroffenen jungen Menschen die Grundlage für eine stabile Zukunft zu entziehen“, sagte Dede Koudouovoh.
Dilovan Shekho betont ausdrücklich, dass Kinderrechte nicht zum Spielball der Politik werden dürfen: „Die Abschaffung des Familiennachzugs bedeutet, dass etliche Kinder weiterhin von ihren Eltern getrennt bleiben. Diese Maßnahmen widersprechen grundlegenden Kinderrechten und gefährden das Wohl der Betroffenen massiv. Die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet Österreich dazu, das Wohl von Kindern an erste Stelle zu setzen. Trotzdem werden Kinderrechte in der aktuellen Asyl- und Integrationspolitik ignoriert. Die Regierung spricht von Werten und Zusammenhalt, doch gleichzeitig werden Familien auseinandergerissen. Kinderrechte müssen in allen politischen Entscheidungen oberste Priorität haben!“, so Shekho abschließend.
Man müsse die Herausforderungen, die durch Familiennachzug vor allem auf Schulen zukommen, sehen, meinte stellvertretend für die österreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaften (KiJA) Johanna Fellinger (Salzburger KiJA), „gleichzeitig ist es ein wichtiges Anliegen, die Kinderrechte sowie die Verfassungskonformität“ zu prüfen, „bevor eine Maßnahme gesetzt“ werde. Die Kinderrechtskonvention und Teile davon, die in Österreich im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kinder, stehen, beinhalten Garantien zum Zusammenleben von Kindern und Jugendlichen mit ihrer Familie. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hatte bei einem Mediengespräche nach dem Treffen aller neun Kinder- und Jugendanwält:innen (ständige Konferenz) die Haltung zum sofortigen Familiennachzugs-Stopp der Bundesregierung erfragt. Das Mediengespräch drehte sich um mehrere Themen rund um das Regierungsabkommen – mehr zu Letzterem in einem eigenen Beitrag.
ebenso im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern. Eine etwaige Regelung müsse deshalb vorab darauf überprüft werden, ob sie verfassungs- und auch kinderrechtskonform ist, forderte sie.
„Jedes Kind hat das Recht, in einer sicheren und liebevollen Familie aufzuwachsen. Der Stopp des Familiennachzugs gefährdet dieses fundamentale Kinderrecht“, psoteten die Österreichischen Kinderfreunde (sozusagen Eltern der „Roten Falken“) auf Social-media-Kanälen. „Kinder bleiben weiterhin von ihren Eltern getrennt und sind gezwungen, lebensgefährliche Fluchtrouten auf sich zu nehmen – ein unhaltbarer Zustand. Kinder brauchen Geborgenheit, Stabilität und Schutz – und dazu gehört, dass sie mit ihren Eltern zusammenleben dürfen.
Wir fordern: Familiennachzug erhalten, sichere Fluchtwege für Frauen und Kinder schaffen und das Kindeswohl immer an erste Stelle setzen!“
Treffpunkt vor einem riesigen Rad, einer senkrechten Dampfmaschine im Technischen Museum in Wien. Kinder – und ihre erwachsenen Begleitpersonen – warten auf das angekündigte Stationentheater. Da taucht eine Dame auf und meint, die Vorstellung sei abgesagt. Was ihr ohnehin kaum wer glaubt, haben so manche doch schon einen im Hintergrund aufgebauten kleinen roten Theatervorhang entdeckt. Außerdem erscheinen zwei Personen in üppigen hellgrünen Kostümen (Ausstattung: Gudrun Lenk-Wane).
„MINT ist meine Lieblingsfarbe“ heißt ja auch das Stationentheater, zu dem die Besucher:innen extra hierher gekommen sind. An einer Tafeln mit dieser Ankündigung sind sie beim ersten Stiegenaufgang vorbei gegangen und hier neben diesem riesigen technischen Ausstellungsstück steht eine weitere Tafel mit diesem Spruch.
Obwohl die Pflanze Minze in der Regel ein deutlich dünkleres Grün aufweist, wird in der Mode „Mint“, die englische Bezeichnung, immer wieder für ein recht helles grün verwendet. Die vier Buchstaben erleben aber vor allem im schulischen oder universitären Zusammenhang seit vielen Jahren einen Hype, stehen sie doch für die Fächer bzw. Wissensbereiche Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Allüberall wird auf diese gesetzt, sie werden gefördert – nicht zuletzt, weil es A) großen Fachkräftemangel in diesen Bereichen gibt und B) vor allem Erstgenannteres noch immer als Angstfach gilt.
Noch immer wird gerade in so manchen künstlerischen Bereichen ein Gegensatz zwischen Mint- und kreativen Fächern gesehen, vermutet, gespürt. Dabei hatte sich schon vor einem ¼ Jahrhundert eine der interaktiven Mitmachausstellungen im Zoom Kindermuseum im Wiener MuseumsQuartier den Verbindungen und Zusammenhängen von Mathe und Musik gewidmet. An der Linzer Johannes-Kepler-Universität übersetzt der „Zirkus des Wissens“ unterschiedlichste wissenschaftliche Themen in künstlerische Performances, darunter oft auch naturwissenschaftliche – u.a. Figuren- und Objekttheater über die bekannte Erfinderin einer Vorform einer Computersprache – über Lochkarten -, Ada Byron Lovelace und die bei uns kaum bekannte „Königin der Physik“, Chien Shuing Wu.
Hier im Technischen Museum verbinden Anna Maria Eder, Tina Haller und Lina Venegas (Regie: Julia Nina Kneussel; Text: Katharina Tiwald, Regie und Ensemble) in Gesängen, Erzählungen und Tänzen Informationen zu den genannten vier wissenschaftlichen Bereichen mit dem einen oder anderen Objekt in der Ausstellung des Museums – nicht dem beim Treffpunkt. Da deuten die beiden auf eine Galerie im obersten Stockwerk, knapp unter dem Dach. Da tanzt die dritte Person mit einer großen roten Scheibe auf. „Der Mars“ ist Ziel so mancher Mission – und hier nun für die Wanderung durchs Museum – vorbei an Ausstellungsstücken rund um Raumfahrt.
Erzählt wird unter anderem von Carmen Possnig, einer österreichischen Medizinerin, die aus mehr als 20.000 Bewerber:innen als Ersatz-Astronautin der ESA (European Space Agency / Europäische Raumfahrtagentur) ausgewählt wurde. Ihr Traum ist es seit Langem, zum Mars zu fliegen. Zwar war sie noch nicht im Weltall, aber monatelang mit einer Forschungsgruppe in der Antarktis – abgeschieden, unwirtliche Umgebung und dennoch intensiv wissenschaftliche arbeiten – das konnte dabei trainiert werden.
Auch wenn sich vieles in dem Stationentheater, wo die Kinder von einer zur nächsten Station Spuren suchen und finden – Kreise, Quadrate, Dreiecke und Rechtecke – um Flüge ins All dreht, kommen andere Wissenschaften und übrigens ausschließlich Forscherinnen vor. Von der Atom-Physikerin Lise Meitner über eben auch Ada Byron Lovelace, die vor mehr als 200 Jahren über Lochkarten eine riesige Rechenmaschine steuern wollte, die dann doch nicht gebaut wurde, die Architektinnen Margarete Schütte-Lihotzky, Zaha Hadid und Amaza Lee Meredith. Die zuletzt Gennante (1895 bis 1984) ist hierzulande weniger bekannt, als Frau und Schwarze durfte sie offiziell in den USA nicht als Architektin arbeiten und war deshalb vor allem als Kunstlehrerin an einer Uni tätig, entwarf und plante aber dennoch einige Häuser, nicht nur das für sich und ihre Ehefrau.
Mehrmals wird auch auf ein offenbar unkaputtbares Lebewesen, die Bärtierchen, hingewiesen. Vor knapp mehr als 250 Jahren erstmals von Menschen entdeckt, können die kleinwunzigen Wesen, wissenschaftlich Tardigrade bezeichnet (tardus = langsam, gradus = Schritt) sowohl in Salz- als auch in Süßwasser, aber auch ganz trocken, in Hitze und Eiseskälte (über-)leben und auch im Weltall waren sie schon zu Forschungszwecken von Raumfahrer:innen mitgenommen. Das „Museum der Zukunft“, das Ars Electronica Center in Linz, hat dazu vor fünf Jahren ein Bilderbuch herausgebracht und Videos dazu gedreht. (Buchbesprechung – damals noch im Kinder-KURIER, dem Vorläufer von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… veröffentlicht – in einem der Links unten)
Mit dem Spruch „Wissenschaft ist eine Superkraft!“, der auch bald nach Beginn gesungen wird, endet die Tour durch Museum und Wissenschafterinnen.
Besprechung des Bilderbuchs über Bärtierchen <- damals noch im Kinder-KURIER
In einem kleinen würfelförmigen Zelt mit durchscheinenden Wänden liest ein Typ als lebendige Schattenfigur aus einem Buch über eine Schatzsuche. So beginnt das aktuelle Stück im Zirkus des Wissens an der Linzer JKU (Johannes Kepler Universität).
In „Kohle, Knete & Moneten“ mit Untertitel „immer dieses Theater ums Geld …“ nimmt der Puppen- und hier auch Schauspieler Andreas Pfaffenberger das (junge, ab 8 Jahren) Publikum mit auf eine knapp mehr als einstündige Zeit- und Weltreise rund um die Jagd nach Geld, Gold, Reichtum – samt Fragen, ob’s das allein wirklich bringt.
Er sei nun verarmt, das Zelt, ein Wasserkocher, Tee, ein paar Mandeln, ein bisschen Reis und einige Schokostücke im Meerestierformen seien alles, was er noch besitze, erzählt „der Stüber“. (So hießen bis ins 19. Jahrhundert Kleingeldmünzen im Nordwesten Deutschlands; 1924 mit der Einführung des Schillings in Österreich, den es bis zur gemeinsamen Währung Euro gab, wurde überlegt das Kleingeld so zu benennen bevor dafür Groschen gewählt wurde – so wie Cent beim Euro.) Wie komme er zu Geld und möglichst viel davon. Eine kuschelige Stoff-Eule als Handpuppe, der Pfaffenberger auch seine verstellte Stimme leiht, landet auf der Gedankentour im alten China, wo lange mit Tee-Ziegel bezahlt wurde. Er aber kommt gerade an China an, als der mongolische Herrscher Kublai Khan auch Kaiser von China war, 1278 als neues Zahlungsmittel Papiergeld einführte. In dieser Station spielt „der Stüber“ mit kleinen Figuren hinter einer erleuchteten papierartigen Wand Schattentheater.
Die Legend um das sagenumwobene Eldorado in Südamerika spielt er, der gemeinsam mit Martina Winkel das Stück geschrieben und erarbeitet hat, mit goldglänzenden Objekten in einem kleinen Wasserbecken. Für die antike griechische Sage von König Midas greift er zu Karton-Objekten – auf der einen Seite schwarz-weiß, auf der anderen goldglänzend. Mit Midas‘ Wunsch an Gott Dionysos, ihm die Gabe zu verliehen, dass alles Gold werde, was er berühre, wird recht anschaulich, dass dies nicht nur nicht glücklich mache, sondern… Wasser, Essen, ja die eigene Tochter – berührt und…!
So „nebenbei“ – auch mit der hier nicht gespoilerten Geschichte seiner Verarmung – transportiert die Welt- und Zeitreise sowie eine zwei Mal fast gleich gespielte Szene bei der Frage nach einem Kredit bei der Bank, Ungerechtigkeiten und vor allem die Botschaft, dass nicht alles, was einen Wert hat, einen Preis haben müsste / sollte!
Vier Schauspieler:innen, neutral schwarz gekleidet stellen sich dem Publikum bei „Cityscape“ im Wiener WuK (Werkstätten- und Kulturhaus) im Rahmen des – noch bis 23. März laufenden – Slup-Festivals mehrerer Häuser, die Theater für junges Publikum machen. Vorgabe: eine von zwei Personen soll Hauptfigur sein. Das Publikum stimmt – per Lautstärke – ab. In diesem Fall fiel die Wahl auf den Mann. Sehr oft entscheiden die Zuschauer:innen, dass die Frau den Main-Character spielt, verraten die Akteur:innen danach dem fragenden Journalisten.
Ebenfalls per Lautstärke teilen sie ihm dieses Mal von mehreren zur Auswahl stehenden Eigenschaften Stärke zu. Die noch weiße Landkarte füllen sie per Zuruf mit Berg, Wald, Wüste und Meeresstrand. Der Süden des Landes bleibt noch geheimnisvoll. Den muss der Held, den die Schüler:innen per Zuruf Ben nennen, erst erkunden.
In einer Art analogem Open-World-Computerspiel muss der Avatar Ben jene Aufgaben lösen, die vor allem auf Zuruf erst entstehen. Seine Kolleg:innen spielen der Reihe nach ein Kuh, eine Baumfällerin, eine Fischerin, eine uralte Frau in einer einsamen Berghütte, einen Delfin, einen Baum und noch so manches, das ihnen improvisierend, spontan einfällt in der Umsetzung der zugerufenen Abenteuer.
Fast schade war, dass der massive, ständige Zuruf eines Schülers, Ben solle in seinen Ruck-Zack doch eine Kalaschnikow einpacken – offenbar aus Shooter-Games inspiriert – „nur“ ignoriert wurde. Wäre doch schön zu spielen gewesen, wie wenig er mit solch einem Maschinengewehr in der Praxis anfangen hätte können: Bäume fällen? Einen Abgrund überwinden? Kühe suchen? Da hätte der Rufer – und alle anderen – erkennen können, dass so eine Waffe für Vieles ziemlich ungeeignet ist 😉
Auf jedem der Publikums-Sessel liegt ein Smartphone mit Klettband, um es an einem Unterarm zu fixieren. Bei „Bubble Jam“, mit dem Rimini Protokoll (die erstmals etwas für Jugendliche entwickelten) & Grips Theater aus Berlin beim aktuell (bis 23. März 2025) laufenden Slup-Festival in Wien gastierte, handelt es sich um ein interaktives Spiel. Und nein, es geht nicht darum, über Szenen, die von Schauspieler:innen dargestellt werden, abzustimmen. Zuschauer:innen werden zu Mitspieler:innen.
Das Spielfeld auf Bühne 3 – dieses Mal im Dschungel Wien (MuseumsQuartier) wirkt wie eine überdimensionale Platine. Bald nach Beginn und den ersten Eingaben und Fragen von den Sitzplätzen aus, sollen / müssen / dürfen die rund fünf Dutzend Mitwirkenden ernsthafte und weniger seriöse Fragen in Quizes beantworten. Die reichen von Fakten über digitale Welt – u.a. zur überraschenden Antwort auf die Frage nach der sprachlichen Herkunft von Algorithmus * – bis zu Persönlichem. Bei Letzterem sind sowohl Verhalten im digitalen als auch im analogen Leben gefragt.
Plötzlich geht’s um das Auftauchen von Nacktfotos. Irgendwer hat solche weitergeschickt. Nur eine Story oder was Echtes? Kennt das oder anderes jemand aus dem realen digitalen Leben? Jugendliche beginnen Cyber-Mobbing- und andere teils ziemlich heftige Erfahrungen von Mitschüler:innen mit dem gesamten Publikum zu teilen.
Wie umgehen damit – und wie mit dem „Spendieren“ von Daten? Aus einem Nebenraum taucht der Supervisor des Spiels auf, und führt vor, was er alles schon über die Mitspieler:innen in Erfahrung gebracht hat, was sie alles nur über dieses Spiel preis gegeben haben… Mit heftigen Reaktionen, Diskussionen, Widerständen bis hin zur massiven Forderung, die gesammelten Daten zu löschen.
Ein spannender, spielerischer Zugang in den kritischen Umgang mit Datensammlung, eigner Weitergabe von Fotos, Fake News sowie dem (eigenen) Verhalten in der (Online-)Welt insgesamt. Wäre nicht schlecht gewesen, mit der Initiative Safer Internet zu kooperieren, um gleich weiterführendes Informationsmaterial zu teilen und auf einschlägige Workshops hinzuweisen.
*„Das Wort Algorithmus ist eine Abwandlung oder Verballhornung des Namens des persischen Rechenmeisters und Astronomen Abu Dschaʿfar Muhammad ibn Musa al-Chwārizmī, dessen Namensbestandteil (Nisba) al-Chwarizmi „der Choresmier“ bedeutet und auf die Herkunft des Trägers aus Choresmien verweist. Er baute auf die Arbeit des aus dem 7. Jahrhundert stammenden indischen Mathematikers Brahmagupta. Die ursprüngliche Bedeutung war das Einhalten der arithmetischen Regeln unter Verwendung der indisch-arabischen Ziffern. (wikipedia)
„Meine Fotos“, hauchte sie. „Mein Leben!“ So fertig reagierte Libby auf den Vorschlag ihrer Lehrerin für dieses Experiment: Eine Woche ohne Handys. Alle smarten Mobiltelefone wurden in eine Kiste gesperrt und alle sollten Tagebuch – auf Papier – darüber führen. Rosa, die Erzählerin schildert wie ihre Freundin, mit der sie in einer Arbeitsgruppe ist, sich das so überhaupt nicht vorstellen konnte. Auch die Lehrerin und die Familien sollten / wollten mitmachen.
Dieses Setting wählte Autor Thomas Feibel, der sich seit Jahrzehnten mit Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzt, für sein Buch „Hilfe! Eine Woche ohne Handy“. Der dritte im Bunde der Arbeitsgruppe, Malik, konnte sich gar nicht vorstellen, ohne Spiele auf seinem mobilen Gerät auskommen zu können. „Weckt mich einfach, wenn es vorbei ist“, stöhnte er.
Doch er blieb wach, zeichnete und suchte Sticker für das Tagebuch, Rosa, die Erzählerin, schreib und Libby machte Fotos mit einer Sofortbildkamera. Zur Verstärkung holte sich das Trio Rosas Kater Dix. Der konnte sprechen und über die Kette der Klospülung im Gartenhaus lud er die drei Kinder ein, mit ihm Zeitreisen zu unternehmen.
Über diesen „Trick“ verrät der Autor in recht einfacher Sprache und mit sehr vielen Zeichnungen (Josephine Wolff) geschichtliche Bögen – von Rauchzeichen bis zur SMS, vom Telegrafen bis zur Videotelefonie, aber auch Zusammenhänge zwischen Computern und Handys, die Wichtigkeit von Spielen fürs Lernen und nicht zuletzt Infos und Tipps in Sachen Fake News und Achtung vor Gefahren im Internet.
Am Ende – natürlich kriegen alle ihre Handys wieder und präsentieren ihre Projekt-Tagebücher – gibt’s noch Erklär-Seiten von Dix zu wichtigen Begriffen rund um Internet und Smartphones.
Angst vor der Dunkelheit? Das hat sie – vorgeblich – nicht. Marlen, die als Schauspielerin mit gleichem Vornamen (Nachname: Weingartmann) das Zuschauer:innen in kleinen Gruppen in eine Jurte, kreisrundes Stoffzelt geführt hat, erzählt von ihrem bisher erfolgreichsten Tag. Alles was sie sich vorgenommen hat, erledigt. Noch dazu großteils Dinge, die sie nicht musste, sondern wollte.
Nun steht nur mehr die letzte Handlung aus: Dafür nimmt sie einen klobigen Lichtschalter in die Hände.
„Nein“, „noch nicht jetzt“, „bitte nicht“… Stimmen von hinter den Stoffwänden erklingen. Und dann zeigt sich der Verursacher: Völlig schwarz gekleidet bettelt er, der sich Leo nennt (Leo Plankensteiner), es nicht ganz dunkel zu machen. Denn das sei sein Ende, ist er doch Schatten, jener von Marlen. Nicht nur sie wundert sich, wieso der Schatten ein Eigenleben führt.
Sie hat aber Verständnis für seine Ängste vor der Finsternis. Und damit beginnt ein – streckenweise sehr witziges – Spiel rund um Ängste vor Dunkelheit, Monstern und Gespenster…
Mehr sei über das Stück „Licht aus“ des tao!, des Theaters am Grazer Ortweinplatz, das damit derzeit in Wien beim Slup-Festival gastiert, nicht verraten. Naja, doch noch zwei Triggerwarnungen: Stroboskoplicht kommt einmal vor und völlige Dunkelheit auch ein paar Mal kurz.
Nur noch so viel: Am Montag, 10. März 2025 ist es noch zwei Mal im Dschungel Wien zu erleben. Das Festival selbst läuft bis 23. März 2025 im genannten sowie weiteren Theaterhäusern der Bundeshauptstadt – WuK, Burgtheater, NEST (Neue Staatsoper im Künstlerhaus) – siehe Info-Box am Ende des Beitrages.
Zu Weihnachten leuchtet es aus vielen Fenstern. Dieses eine Haus aber blieb finster. Es war noch leer. Und so freute es sich, als Huda mit ihrer Familie einzog. Endlich war es belebt. Doch auch dieses Mal wurde es nicht erleuchtet, als es aus fast allen anderen Häusern hell strahlte. Schon zuvor als beim herbstlichen Diwali-Fest ein anderes Haus in der Nachbarschaft glänzte, ebenso als in einem weiteren die Lichter des Chanukka-Leuchters flackerten, blieb dieses finster.
Natürlich änderte sich das irgendwann – die Bewohner:innen glauben an Allah, ihre Religion ist der Islam. Und auch da gibt es wie bei Christ:innen, Jüd:innen und Hindus Fest mit Lichterglanz. Dazu musste dieses Haus warten, denn der Fastenmonat Ramadan samt seinem festlichen Abschluss Eid al Fitr (auch Id al-Fitr oder Zuckerfest) wandert durchs Jahr (Mondkalender).
So wird im Bilderbuch „Das Haus ohne Lichter“ mit bunten Zeichnungen von Nadia Alam über das Gebäude in dem Huda und ihre Familie wohnen, das Fest am Ende des Ramadan (übrigens derzeit, Februar, März 2025) näher gebracht. In einer letzten Seite erklärt Autorin Reem Faruqi (Übersetzung aus dem Englischen: Aisha Meier-Chaouki) ein bisschen dazu und auch zum Fest Eid al-Adha (am Ende der jährlichen Hadsch, der Pilgerfahrt nach Mekka).
Was ein bisschen abgeht ist, wenn schon andere Religionen über ihre Lichterfeste Ausgangspunkt sind, darauf zu verweisen, dass auch diese Fastenzeiten haben. Und eine zentrale Erklärung für den Fastenmonat zu erwähnen. „Dankbar zu sein und auf die Bedürftigen ja nicht zu vergessen: Das ist der Geist von Ramadan“, formulierte dies treffend Ruşen Timur Aksak jüngst in seiner Kolumne in der Wochenzeitung „Falter“.
Nach „Liebe üben“ und „dÄmonen“, schließen die Schauspielerin Nora Vonder Mühll und der Tänzer Yves Thuwis mit „Die letzte Show“ ihre gemeinsame Trilogie ab. Damit gastier(t)en sie derzeit im Dschungel Wien im Rahmen des Slup-Festivals, das gemeinsam mit anderen Theaterhäusern bis 23. März 2025 läuft. Das stark berührende und doch humorvolle Stück ist noch am Montag, 10. März 2025, zu erleben – siehe Info-Box am Ende des Beitrages.
Wie die beiden anderen Shows dreht sich auch „Die letzte Show“ stark ausgehend von den eigenen Gefühlen der beiden um zentrale Emotionen – nach Liebe, Ängste nun Abschied. Wobei keine der Emotionen isoliert existiert, mischen sich doch in Liebe oft auch Ängste, nicht zuletzt solche vor Abschieden und umgekehrt mischen sich viele Ängste in jene Momente in denen es darum geht, Abschied zu nehmen.
In der rund einstündigen Performance, in der wieder einige bei der Recherche aufgenommene Kinderstimmen eingespielt sowie hin und wieder das Publikum zu Wort kommt, spielt auch viel Liebe mit. Die Liebe beider zu ihren Berufen – Schauspiel bzw. Tanz. Die Liebe dazu, gemeinsam Stücke zu erarbeiten und sie miteinander auf die Bühne zu bringen. Und nicht zuletzt die Liebe zu den Zuschauer:innen, zu diesem Live-Erlebnis im Theater.
Die beiden lassen über an eine mitten in den Raum gestellte, geschlossene Tür (wenn sie geöffnet wird, erscheint der Rahmen mit einer Lichterkette verziert; Ausstattung: Regina Rösing), projizierte Fotos von Produktionen ihres bisheriges – davor getrennten – berufliches Leben Revue passieren. Kombinieren diese mit Anekdoten, mitunter lustigen oder auch peinlichen. So musste Nora in ihrem ersten Stück während eines Monologes einen Apfel essen – sabber, sabber… „Was machst du denn jetzt da?“, rief seine Mutter in einer zentralen Szene in Yves’ erstem Stück.
Erzählungen sowie ihr tänzerisches Spiel pendelt zwischen Rückblicken und dem Hier und Jetzt. Samt der Wehmut, dass dies nun ihre letzte gemeinsame Show ist – die sie aber auch noch öfter spielen (Regie: Hannah Biedermann). Danach wollen sie wieder getrennte eigene künstlerische Wege gehen, spielen, tanzen.
So klar die Ansage von vornherein – bis hin zum Titel – der Show ist, so nachvollziehbar sicht-, hör-, und spürbar fällt ihnen dieser Abschied – mit fast unzählbaren scheinbaren Enden des Stücks. Und Tränen in den Augen auch so mancher Zuschauer:innen, vor allem solcher, die die drei gemeinsamen, (gefühls-)intensiven Shows erlebt haben.
Analog zum „Liebe üben“ spielen sie Kinderstimmen ein – eine, die sagt, Abschiede ließen sich üben und eine andere gleich danach, die das Gegenteil in den Raum wirft.
Mit welch kurzer, prägnanter Choreografie Yves Thuwis und Nora Vonder Mühll am Ende dennoch sich und dem Publikum diesen Abschied mit der Einladung gemeinsam mit ihnen auf der Bühne zu tanzen, erleichtern, sei aber nicht im Detail verraten – es gibt ja noch wie eingangs erwähnt eine Show am Montagvormittag.
„5 Schritte Frieden“ – ein Projekt der Visuellen Theaterbibliothek und des Theaters im Urbanen Raum mit vier Szenen von Dževad Karahasan, gespielt in Österreichischer Gebärdensprache von Werner Mössler und in deutscher Lautsprache von Markus Rupert (Regie: Herbert Gantschacher) wurde am Klagenfurter Hauptbahnhof gespielt – und ist am Abend (20 Uhr) des internationalen Frauentags – 8. März 2025 – online zu sehen; Link am Ende des Beitrages.
Als bosnischer Moslem wurde Dževad Karahasan im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina mit Ermordung bedroht, weil er mit einer Frau serbischer Herkunft verheiratet war. Die Flucht aus Sarajevo führte Karahasan in Österreich im Jahr 1993 zu ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater und der Produktion der Österreichischen und der Tschechischen Erstaufführung der Originalfassung der Anti-Kriegsoper „Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung“ von Viktor Ullmann (Musik und Libretto) in der Inszenierung von Herbert Gantschacher. So begann die langjährige Zusammenarbeit. Karahasan war dann Dramaturg für die Österreichische Erstaufführung der Kinderoper „Brundibár“ von Hans Krása (Musik) und Adolf Hoffmeister (Libretto). Diese Kinderoper wurde im Konzentrationslager Theresienstadt im Rahmen der Freizeitgestaltung 52 Mal gespielt. Karahasan war Garant der authentisch in Szene gesetzten Schicksale von Jugendlichen und Kindern unter den Bedingungen eines Konzentrationslagers.
Es folgten die künstlerischen Zyklen „Begegnungen an der Grenze“, „Geschichten vom Reisen“ und „Krieg = daDa“. Dafür schrieb Karahasan Dramen, Szenen und dramaturgische Texte, machte Klassikerbearbeitungen von Hölderlin und Büchner gemeinsam mit Herbert Gantschacher. Die Titel der einzelnen Szenen sind somit auch Programm des Projektes beginnend mit „Privileg Sterben“, fortgesetzt mit „Auf der Akademie“, „Die einen und die anderen“ und „Eine orientalische Parabel“ und fokussierend im gemeinsamen Text von Dževad Karahasan und Herbert Gantschacher „Gespräch als Kunst“.
In einem Raum mit riesigem Bett und glänzendem roten Überwurf für dieses spielt Angie (Alice Peterhans) intensive fiktives Unboxing, preist die unsichtbaren Waren für ihre Follower an mit Fingerzeig, wo sie Likes oder Comments hinterlassen könnten. Das war ihr Leben bevor sie hier ins „sozialökologische“ Therapiezentrum kam.
Im Raum daneben massiert Enzo (Phillipp Laabmayr) Blätter einer schon groß gewachsenen Topfpflanze, spricht mit ihr. Sie ist ebenso wie der legendäre Karl, der später im großen Gruppentherapieraum Gesprächsthema sein wird, „übergegangen“.
Wer zu viel CO2 verbraucht, bekommt zuerst Flecken und verwandelt sich dann in eine Pflanze. Insbesondere Bäume sind „Maschinen gegen den Klimawandel“ wie es schon vor rund 20 Jahren die von Kindern ausgehende Initiative „Plant for the Planet“, die weltweit Millionen von Bäumen gepflanzt bzw. deren Pflanzung initiiert hat, auf den Punkt brachte.
Neurowissenschafterin Jutta (Julia Schranz), die schon als Kind davon getrieben war, Gutes für die Menschen zu tun, kriegt sich bei einem Tischtennisspiel mit Angie in die Haare. Das via Social Media-Kanäle Anpreisen von Waren, die meist weit mit dem Flugzeug transportiert werden, schade doch dem Klima extrem. Wahrscheinlich in den Frachträumen jener Flieger, mit denen die Wissenschafter zu Kongressen, Tagungen usw. reise. Außerdem würde sie ja ihren Followern Glücksmomente verschaffen…
Vierter im Bunde der Klient:innen ist Marcel (Martin Hemmer) an seinem ersten Tag. Er habe sich sozusagen selber eingeliefert, weil er zu viel Energei verbrauche – und zwar ausgerechnet durch Gadgets an jedem seiner elektrischen und elektronischen Geräte, die den Stromverbrauch drosseln sollen 😉
Hier in der Klinik – übrigens spielt die Performance in einem Pavillon der Baumgartner Höhe, die früher Lungen sowie psychiatrische Abteilungen beherbergte – sollen die Klient:innen ressourcenschonenderes Verhalten in ihrem Leben erlernen. Weshalb sie in der Waschzeremonie üben, mit einer kleinen Spritze Wasser aufzunehmen und mit wenigen Tropfen den Körper reinigen lernen. Andernfalls sie „verbaumt“ oder „verpflanzt“ werden.
Das Publikum kann in „Kill my Phantoms“ (bis Mitte März 2025 – siehe Info-Box am Ende des Beitrages) von Raum zu Raum wandern, sozusagen Einzeltherapiesitzungen beobachten, hin und wieder ruft die Leiterin Britta (Birgit Stöger, die bei jener Vorstellung, die KiJuKU gesehen hat, erkrankt und von der Regisseurin Veronika Glatzner – lesend – ersetzt wurde) alle in den Gruppen-Therapieraum, wo’s zugeht wie in Parodien solcher Sitzungen in Kabarettprogrammen und Filmen. Momente, die zum Lachen einladen, ja fallweise fast zwingen.
Glatzner hat die rund eineinhalbstündigen Performance (Produktion von TEMPORA – Verein für vorübergehende Kunst in Koproduktion mit WUK performing arts) konzipiert und leitet sie auch künstlerisch. Mit an Bord ist als „medizintechnischer Assistenzarzt“ Barry b. fleischmann, der über seinen Laptop Musik, Sounds und Geräusche erklingen lässt. Auf ihrem krankenhaus-grünen Gewand (Nina Samadi) tragen die Klient:innen übrigens den Spruch „Protect me from what I want“ (Schütz mich vor dem was ich möchte/will)!
Eine humorvoller „Wander“-Abend von Station zu Station, Szene zu Szene, der nicht nur unseren Umgang mit Ressourcen, sondern auch den zwischenmenschlichen gar nicht besonders plakativ thematisiert und (möglicherweise) in den Köpfen nachhallt – sozusagen eine „Nebenwirkung“ der Therapie-Persiflage.
Zum 19. Mal werden in diesem Jahr Preise für herausragende Leistungen in der darstellenden Kunst für junges Publikum vergeben, landläufig Kinder- und Jugendtheater genannt. Die Verleihung der Stella-Awards – wie sozusagen die Nestroys in diesem Bereich heißen – findet jedes Jahr in einem anderen Bundesland statt, dieses Mal am 15. November 2025 in Salzburg. Von 11. bis 15. November findet das dazugehörige Festival statt, wo viele der nominierten Produktionen (nochmals) zu sehen sind – ergänzt um ein Spot On mit vor allem partizipativen, interaktiven, interdisziplinären Formaten aus ganz Österreich sowie lokalen/ regionalen Blicklichtern auf Produktionen eben in dem Fall aus Salzburg bzw. von salzburgerisch-bayrischen Kooperationen. Dazu gesellen sich ergänzend noch Workshops, Diskussionsveranstaltungen unter anderem zu Interdisziplinarität und New Generations at Theater for Young Audiences sowie weitere Veranstaltungen.
Nun aber zu den von der Jury – Cornelia Lehner, Daniela Oberrauch, Simon Schober & Teresa Stoiber – 23 Nominierungen in fünf Kategorien: Produktionen von 22 unterschiedlichen österreichischen Theatergruppen, -häusern aus acht Bundesländern im Jahr 2024. Gesichtet und bewertet haben die Juror:innen 116 Produktionen aus ganz Österreich. Mindestens drei der nominierten Produktionen – Stück, darstellerische Leistung, Ausstattung – drehen sich u.a. rund um Kleidung – was zum Titel dieses Beitrags und dem Cover-Foto inspirierte.
+ Emil und die Detektive
Vorarlberger Landestheater
Ab 6 Jahren
+ Rotz und Wasser
Tiroler Landestheater
Ab 7 Jahren
+ Licht aus
Tao! Theater am Ortweinplatz, Steiermark
Ab 8 Jahren
+ Oskar und die Dame in Rosa
Landestheater Linz | Junges Theater, Oberösterreich
Ab 10 Jahren
+ Zunder
Dschungel Wien, Wien
Ab 11 Jahren
https://kijuku.at/buehne/zwischen-komisch-lustig-und-beaengstigend/
+ Who cares what you wear?
Austria Fashion Association (NL), Dschungel Wien, Fashionclash (NL), Mayke Roels (NL) Wien
Ab 11 Jahren
+ Wir stapeln Stühle
Theater der Mitte und Jugendclub kleines theater Salzburg
Ab 12 Jahren
+ Ich rufe meine Brüder
Salzburger Landestheater
Ab 13 Jahren
+ Laura Dittmann, Claudia Kainberger, Lara Sienczak in „Muttertier“
Burgtheaterstudio Wien, Wien
+ Rebecca Hammermüller in „Bitch Boxer“
Vorarlberger Landestheater
+ Cordula Nossek in „Das Kleid – Theater zum Erinnern“
Dachtheater & MÖP Figurentheater, Niederösterreich
+ Samouil Stoyanov, Mechthild Harnischmacher in „Pettersson und Findus“
Volkstheater in den Bezirken – Tourformat des Volkstheaters, Wien
+ Daniel Angermayr in Kooperation mit der HBLA für künstlerische Gestaltung Linz in „Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse“
Landestheater Linz | Junges Theater, Oberösterreich
+ Anna Fucijas & Felix Huber in „Mirabilia“
VRUM Performing Arts Collective, Wien
+ Yuliia Makarenko in „Träum, Schachtel“
TanzCompanyELLA, Steiermark
+ Helene Payrhuber in „Balzen“
ZUSHG, Wien
+ Anselm Dalferth in „Die Prinzessin“
Musikverein, Wien
+ Anna Handler in „Die Kluge“
Salzburger Festspiele | Jung & Jede*r, Salzburg
+ Daniel Riegler in „Es ist Zeit“
Wiener Konzerthaus in Koproduktion mit Studio Dan, Wien Modern, TaO! Theater am Ortweinplatz, Salzburger Festspiele | Jung & Jede*r, Wien
+ Moritz Weiß Klezmer Trio in „Ende Gut, Alles Gut“
Studio KECK in Kooperation mit Wiener Konzerthaus, Brucknerhaus Linz und Jeunesse
+ Spuren
Theater.nuu – Kooperation mit Kinderkulturzentrum Kuddelmuddel, Schäxpir Festival und Anton Bruckner 2025, Wien
Ab 1 Jahr
+ ?Neugierig?
OLIVIA productions Theater Kunst und Kultur für junges Publikum, Wien
Ab 2 Jahren
+ AS-LAS-Glas
Theater Rampa, Kärnten
Ab 3 Jahren
+ Der Anfang von fast Allem
Salzburger Landestheater
Ab 5 Jahren
+ Im Orbit (Gleis 21)
tanz.sucht.theater, Wien
Ab 7 Jahren
+ Tanzlabor: Alles & Nichts
Junge Staatsoper Wien, Wien
Ab 12 Jahren
+ Spiel des Lebens
Theater Ansicht, in Koproduktion mit SOHO Studios Ottakring, Wien
Ab 14 Jahren
+ Hope
schallundrauch agency, Wien
Ab 14 jahren
+ Unerwartete Gemeinsamkeit
Landestheater Niederösterreich | Bürgertheater
Von der ASSITEJ Austria, der Österreich-Sektion der internationalen Kinder- und Jugendtheatervereinigung (Association internationale du théâtre pour l’enfance et la jeunesse) 2007 ins Leben gerufen, ist der STELLA-Darstellender.Kunst.Preis für junges Publikum ein zentraler Impuls, um auf die Qualität und Vielfalt der österreichischen Tanz- und Theaterszene für junges Publikum aufmerksam zu machen.
kijuku_heinz
Ein Kranich, und zwar ein typisch aus Papier gefalteter (Origami), fliegt durch dieses Bilderbuch – von der Titelseite weg. Er ist die Hauptfigur. Auf der ersten Doppelseite versucht er einen Landeplatz zu finden. Er ist müde vom Fliegen. Und nicht nur davon.
Aber es kommt noch viel schlimmer. Er lässt sich auf einer hohen Mauer nieder. Doch statt sich ausruhen zu können, hört er nur vier Kinder, die streiten – zwei Buben um einen Ball, zwei Mädchen um eine Springschnur (musste es so klischeehaft sein?). In riesigen Buchstaben fliegen viele „Ich“, manchmal in Kombination mit „Nein, ich will…“ oder „haben“ durch die Bilder vor der Mauer, auf der der Kranich sitzt und von der lauten, heftigen Streiterei fast runterfällt. Am liebsten würde er wegfliegen, doch dafür fehlt im jetzt die Kraft.
„Wer bist du?… wohnst du hier?“, reißen ihn die beiden Mädchen aus der Müdigkeit. Auch die beiden Buben kommen, einer findet: „Du siehst schon aus“, der andere meint „irgendwie geheimnisvoll“.
Weniger die Fragen und Aussagen, aber dieses „du“ ist’s, das den Vogel nach den vielen und ausschließlichen „Ich“ putzmunter werden und zu neuen Kräften kommen lässt. Und er beginnt ihnen davon zu erzählen, dass er Streitschlichter ist. Bei den vier Kindern muss er nun nicht mehr ran, die haben’s ge-checkt. Noch viel mehr, sie beginnen nun sogar gemeinsam zu spielen – und zwar erst Ball und dann Springschnur – und haben so den Weg vom Ich zum Du und gar zum Wir durch das kurze Gespräch gefunden.
Heinz Janisch hat diese Geschichte wie das bei ihm so oft ist, in knappen, treffenden Sätzen geschrieben. Und dieses Mal war es Nadine Kappacher, die den Text mit ihren Bildern erweitert. Beim Streit ist die Mauer, auf der sich der Kranich niederlässt, recht hoch und düster, die Kinder erscheinen in ihrer Ichbezogenheit nur wie weiße Kreidezeichnungen an dieser Wand. Erst mit der Begegnung mit dem Kranich auf der Mauer und dem ersten Du werden sie bunt – und nun mit sympathischem Gesichtsausdruck. Was sogar dem gefalteten Papiervogel ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Die Mauer ist übrigens keine fiktive, ausgedachte, sondern die der burgenländischen Burg Schlaining, wo vor mehr als 40 Jahren das Österreichische Friedenszentrum einzog und sie zu einem Forschungs- und Begegnungszentrum für Frieden machte. Von dort ging auch die Initaitive zu diesem Bilderbuch aus, namentlich von Ursula Gamauf-Eberhardt (Friedenspädagogik am Österreichischen Friedenszentrum auf der Friedensburg Schlaining) und Klaus Novak (Fort- und Weiterbildung an der privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland).
Der Kranich ist nicht zufällig Held dieser Geschichte: Vor rund 15 Jahren kam Masahiro Sasaki mit dem Theaterduo Ingrid und Christian Mitterecker in die Friedensburg. In der Bibliothek übergab der Gast aus Japan einige kleinwunzige, gefaltete Papierkraniche und zwar ganz besondere. Die hatte Jahrzehnte zuvor seine kleine Schwester Sadako gefaltet.
Die Sasakis lebten in Hiroshima. Diese Stadt legten die USA mit einer Atombombe am 6. August 1945 in Schutt und Asche (drei Tage später auch Nagasaki). Zehntausende Menschen starben unmittelbar. Tausende überlebten und litten an Spätfolgen. Sadako brach rund zehn Jahre nach dem Atombombenabwurf zusammen, kam ins Krankenhaus und hörte von der japanischen Legende, dass 1000 gefaltete (Origami) Kraniche Gesundheit bringen oder Wünsche in Erfüllung gehen lassen würden. So begann sie zu falten, ihre Geschichte ging durch Zeitungen, Kinder aus ganz Japan schickten Papierkraniche ins Spital. Doch Sadako starb letztlich doch mit nicht ganz 13 Jahren.
Ihr Bruder, der überlebte, hatte einige der Kraniche gesammelt. In seiner Pension verfasste der Friseur Gedichte an seine kleine Schwester. Die sind – auf Japanisch mit deutscher Übersetzung – ebenso im Verlag Bibliothek der Provinz erschienen wie das Buch der beiden Theatermacher:innen und Autor:innen „Sadakos Plan“ (dieses zuvor als Buchklub-Taschenbuch). Später erschienen diese beiden und noch weitere rund um Sadako Sasaki im Verlag *ingridundchristian.at*.
Auf einer Theaterreise durch die halbe Welt hatten Ingrid und Christian Mitterecker Masahiro Sasaki in Japan getroffen und sich die echte Geschichte seiner Schwester erzählen lassen. Womit ihr Buch – und ein Theaterstück, das sie auch in Schlaining spielten, viel näher an der Wahrheit ist als andere eher fiktive Bücher wie „Sadako will leben“, das sich nur auf Medienberichte stützte, oder Zeichentrickfilmen, Comic und ein Musical. Masahiro brachte übrigens mit einem seiner Söhne, Yuji, auch eine CD mit in die Friedensburg. Yuji ist Musiker geworden und hat mit seiner Band einige der Gedichte des Vaters für seine Tante, die er nie kennenlernen durfte, komponiert und gespielt.
(Diese Darstellung hier ist übrigens auch weit näher am tatsächlichen Besuch in Schlaining als jene auf der Website des Friedensinstituts, zu der du über einen QR-Code auf der letzten Buchseite von „Der Kranich und das DU“ kommst.)
Neben einem weißen, zarten Vorhang, der durch jede Bewegung leicht ins Wehen kommt, sitzt – im Video an die Wand projiziert eine Frau mit großer Handtasche, schmatzend, neugierig schauend und das Geschehen kommentierend. Bald gesellt sich am anderen Ende des Bühnenhintergrunds ebenfalls an die Wand „geworfen“ ein Mann mit Hut dazu. Die beiden sind eine Art Side-Kick für das folgende spannende, bedrückende und doch immer wieder von Humor und Sarkasmus durchbrochene Stück, das sich in der Mitte zwischen ihnen abspielt. Wobei die beiden als Video dann ohhen immer wieder verschwinden.
„Alles gerettet!“ spielt sich hier in der mittleren der drei Röhren der Wiener Neustädter Kasematten – wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt – ab. Es handelt sich um einen für die Bühne adaptierten von Helmut Qualtinger und Carl Merz (berühmt u.a. für „Herr Karl“) geschriebenen TV-Spielfilm (1963 erstveröffentlicht, u.a. mit Attila und Paul Hörbiger) über den Wiener Ringtheaterbrand (8. Dezember 1881, Schottenring 7 – wo heute die Polizeidirektion Wien residiert). Dieser forderte offiziell 384, manchmal ist die Rede von 386, Todesopfer, informelle Berichte sprachen von bis zu 1000 Toten. Die beiden nahmen den Prozess, der immerhin schon wenige Monate nach der Katstrophe stattfand und bei dem auch führende Feuerwehr- und Polizeimänner angeklagt waren, zum Anlass für ihren dramatischen Text.
Die Wortwiege (neuerdings mit dem Untertitel „Festival für Theaterformen“), die seit 2020 in der ehemaligen Befestigungsanlage der Stadtmauer (2019 für die damalige niederösterreichische Landesausstellung renoviert) hier regelmäßig Programm macht, hat das in Vergessenheit geratene Stück sozusagen ausgegraben, eine eigene Bühnenfassung, die sich ziemlich an den Originaltext hält, erstellt – und inszeniert (Regie: Anna Luca Krassnigg; künstlerische Mitarbeit: Ira Süssenbach). Wichtigste Abweichung: Etliche Männer aus dem Original und der damaligen Realität sind hier mit Frauenrollen, teils wiederum von Männern gespielt, besetzt; u.a. die eingangs erwähnte Gerichtskiebitzin Hromatka (die im Stück hier nie mit Namen genannt wird) mit Martin Schwanda; oder Zeugin Völkl (Vorgänger:in in der Ringtheater-Direktion) mit Jens Ole Schmieder, der wie auch seine Kolleg:innen Lukas Haas, Ida Golda, Isabella Wolf und Saskia Klar in etliche der Rollen als Zeug:innen bzw. Angeklagte schlüpfen; Schmieder vor allem auch als einer der Hauptangeklagten, Polizeirat Landsteiner.
Ringtheaterbrand – dies ist in der Theaterszene Wiens und Österreich ein bekannter Begriff – strenge Sicherheitsbestimmungen sind darauf zurückzuführen. Die reichen vom Eisernen Vorhang, der vor Beginn eines Stückes Bühne und Publikumsraum großer Theaterhäuser trennt, ständig sichtbare Notbeleuchtung bis hin dazu, dass Mäntel und dergleichen bzw. Taschen und Rucksäcke an der Garderobe abzugeben sind, damit im Notfall, niemand auf der Flucht vor einem Brand über irgendetwas stolpert und die Nachfolgenden dann über diese Person.
Aber was sich so wirklich am Abend des 8. Dezember 1881 abgespielt hat, kennt kaum wer. Dabei hatten Helmut Qualtinger und Carl Merz – ausgehend vom Prozess im Frühjahr 1882 und mit vielen Zitaten aus den Gerichtsakten – einen Fernsehfilm „Alles gerettet!“ geschrieben. Erst vor weniger als zehn Jahren gab es auch bei der Viennale und der Diagonale den Film „Sühnhaus“ der Journalistin und Filmemacherin Maya McKechneay über diesen Brand.
Der Titel „Alles gerettet!“ bezieht sich auf eine Aussage, die dem obersten Polizisten beim Brand zugeschrieben wird. Und dies obwohl zahlreiche Menschen, die sich aus dem Theater retten konnten von Leichenbergen sprachen. Ausgelöst durch einen lichterloh brennenden Vorhang, der durch einen heftigen Luftzug bis hinauf in die vierte Publikumsgalerie geweht wurde, stand bald das ganze Theater in Flammen. Die Notbeleuchtung funktionierte nicht und so stolperten Menschen, die dem Feuer bzw. der Hitze entkommen wollten, fielen übereinander. Vor allem eben aus der vierten und dritten Galerie, also von den billigen Plätzen. Always the Same ;( – siehe Untergang der Titanic.
Wer trägt Verantwortung, bzw. wer hat solche selbstlos aus eigenem Antrieb übernommen? Wer hat Hilfe verunmöglicht oder gar be- oder verhindert? Diesen Fragen wollte das Gereicht nachgehen. Das hier ausschließlich als vorgenommene Simmen aus dem Off zu hören ist: Präsident (Horst Schily), Staatsanwältin (Lena Rothstein), Rechtsanwalt Dr. Fialla (Helmut Jasbar), Rechtsanwalt Dr. Markbreiter (Franz Schuh), Schriftführerin (Julia Kampichler).
Während die meisten Zeug:innen schilder(te)n, wie lax oder gar kontraproduktiv Einsatzkräfte vorgegangen sein sollen, putzen sich die Angeklagten ab. Von sie hätten alles Mögliche getan bis zum Abstreiten der Vorwürfe ihrer Untätigkeit. Unterschiedliche, individuelle, teils karikierte Typen, die dennoch ein gesamtgesellschaftliches Panoramabild ergeben: Es sei nichts zu verhindern gewesen. Alles in Ordnung. Ohne dass dieser Satz fällt, entsprechen viele der „Verantwortungen“ dem Geist von „ich habe nur meine Pflicht erfüllt“ – damals oft noch viel weniger.
Obendrein hatte ein halbes Jahr davor im französischen Nizza ein Theater gebrannt und 200 Menschen das Leben gekostet. Daraus wurden Lehren gezogen und es gab bereits auch in Niederösterreich schon neue Brandschutzbestimmungen – die von Wien noch nicht übernommen worden sind.
Im Gegensatz dazu schildern einige der Zeug:innen, dass sie beherzt versucht hatten, trotz Flammen, trotz Rauch und trotz der Drohungen, da ja nicht hineinzugehen, es doch getan und wenigstens die eine oder den anderen gerettet zu haben. Womöglich waren gerade diese Aspekte der Grund, weshalb das kritische Erfolgsduo dieses – damals (Fernseh-)Stück geschrieben hatte.
Die fünf genannten Schauspieler:innen switchen bei ihren jeweiligen Rollenwechseln in immer wieder unterschiedliche Charaktere – sowohl als konkrete Personen als auch als stellvertretende Typ:innen in einem schrägen Bühnen- und teils auch Kostüm-Ambiente (Bühne: Andreas Lungenschmid, Kostüme: Antoaneta Stereva Di Brolio, Maske: Henriette Zwölfer).
Die zwei Figuren aus dem Video sind inszeniert als typische „Herr-Karl“-Figuren. Martin Schwanda als Hromatka kommentiert das Prozessgeschehen in diesem Stil, bedauert selbst nicht in den Zeugenstand geholt zu werden. Kramt immer wieder in der Tasche, reicht dem Kollegen übers „Nichts“ hinweg ein „Wiener Zuckerl“, hält ein solches auch aus dem Film mit ausgestreckter Hand dem Publikum hin. Was die mit einer solchen Kette geschmückte Regisseurin und Co-Leiterin der Wortwiege, Anna Luca Krassnigg, am Premierenabend erklärt, war also keine Anspielung auf den aus Wr. Neustadt stammenden Bundeskanzler der sogenannten Zuckerlkoalition;). Hromatkas kongenialer Video-Partner (Film und Musik: Christian Mair) als Gerichtskiebitz: Lukas Haas alias Schagerl, der auch als Zeuge aussagt, aber auch noch in der Rolle weiterer Zeugen sowie eines Angeklagten (Feuerwehr-Exerziermeister Heer) auftritt.
Das Krasse, das an diesem (mehr als zweistündigen) Theaterabend mitschwingt: Das war keine Fiktion, die dramatischen Szenen, die Zeug:innen schildern, haben tatsächlich stattgefunden. Und: Trotz offensichtlichen Bemühens des Gerichts: Die hohen Herren wurden alle freigesprochen, Haftstrafen für Beleuchter als Bauernopfer.
Eine kreisrunde Bühne auf der Bühne, anfangs verdeckt durch einen Vorhang an runder Stange, wie eine Art Zirkusmanege. Baustellenlärm erklingt als das Publikum in den größeren der beiden Säle des Theaterhauses Dschungel Wien im MuseumsQuartier strömt. Und dann legen sie los. Vier recht junge Erwachsene, die Jugendliche spielen. In den Szenen sind sie meist noch Schüler:innen. Die (literarische) Epoche „Sturm und Drang“ (wie eine Komödie von Friedrich Maximilian Klinger heißt) und spätere Ausläufer (Frank Wedekinds „Frühlingserwachen“) stehen sozusagen auf dem Stundenplan.
Eine Stimmung von „pfau, wie nervt mich das, was geht das uns an?!“ – und das ziemlich energiegeladen performt von Stella Biziyaremye, Yves Jambo, Maggie Al-Ghraibawi und Justina Nyarko erfüllt den ganzen Raum. Aber nicht in der Art der erfolgs-Filmkomödien „Fack ju Göhte“, sondern mit der Forderung: „Lass uns über Themen reden, die uns betreffen. Uns als jugendliche Rebell:innen, als junge Menschen mit Verbindungen zu Kulturen in verschiedenen Gegenden der Welt. Warum immer alles aus eurozentristischer, vor allem deutscher Sicht?
Hin und wieder die eine oder andere Anspielung bzw. gar ein Zitat aus Wedekinds All-Time-Klassiker, vor allem aber Diskriminierungs-, Rassismus-Erfahrungen aus dem Alltag. Aber kein Versinken in Opfermentalität, sondern Ausgangspunkt für Widerstand. Rasant, wild, laut, rebellisch Widerstand, Auflehnung, Anklage an die Generation der Erwachsenen für deren Versäumnisse, Fehler, Ignoranz den Problemen der Welt gegenüber im Allgemeinen und der Jugendlichen im Speziellen…
Neben Schauspiel und Performance in unterschiedlichster analog-Version auf der Bühne werden per Video eine TV-Talk-Show sowie die Persiflage auf ein Schauspiel-Casting eingespielt. (Da fehlen leider in den Infos zur Performance die Mitwirkenden, die nicht selber auf der Bühne in Erscheinung treten.)
Und das alles mit riesiger Power, viel Musikalität, auch im Gesprochenen, überwältigend, mitreißend, irgendwie nicht zuletzt Mut machend angesichts der Weltlage, der wieder einreißenden Ignoranz gegenüber der Klimakrise und als – geplante – Zugabe ein Song einer weiteren jungen Künstlerin, Laura Asemota, performt von ihr und dem Quartett, das die Stunde rockt, das Publikum im vollbesetzten Saal mit Energie ansteckt.
Großer Jubel auch aller Erwachsenen im Saal – sei es, weil sie sich als Ausnahme sehen, sei es aus schlechtem Gewissen oder gar, weil sie froh sind, dass die nächste Generation zeigt, dass sie Ungerechtigkeiten den Kampf ansagt, aktiv werden will – wie vor ein paar Jahren die Klimabewegung – und damit die Welt rettet, indem sie den (gesellschaftlichen) Müll wegräumt, den (wir) Älteren angerichtet haben.
Und siehe da – der Kreis zum Beginn schließt sich (Regie: Myassa Kraitt, Dilan Şengül; Outside Eye /Regie-Beratung: Aslı Kışlal, Mani Obeya, Steffo Sourial). Reclam-Heft in die Höhe gehalten, Klassiker-Zitat und: War das nicht auch der Sinn von Sturm und Drang, gegen die alte Ordnung anzuschreiben?
Und doch drängt sich beim Reflektieren eine Frage auf: Ist es wirklich (nur) ein Kampf der Generationen? Gibt es nicht auf der einen Seite beispielsweise Initiativen wie „Omas gegen Rechts“ und auf der anderen Seite gar nicht so wenige rechte, patriarchal-machistische, antifeministische, rassistische bis faschistische Jugendliche?
Zwei rote Klapp-Sessel, ein hoch hängender Kleiderhaken mit weißem robenartigem Kleid und ein Laptop (Ausstattung: Ria Papadopoulou), über den Musik und aufgenommene Interviews abgespielt werden – da reicht den beiden Darsteller:innen für eine berührende, witzige, von Auf und Abs gekennzeichnete sehr tänzerische Performance mit nicht allzu vielen Worten über eines der größten, vielbesungenen und oft doch recht komplizierten Gefühle.
Mit „Liebe üben“ starteten Nora Vonder Mühll und Ives Thuwis den ersten Teil einer Trilogie im Rahmen der internationalen Gastspiele beim erstmals ausgetragenen Slup-Festival für vor allem jugendliches Publikum. Dafür haben sich die Theaterhäuser Dschungel Wien, WuK-Kinderkultur, Burgtheater und NEST (Neue Staatsoper im Künstlerhaus) zusammengetan (nicht ganz drei Wochen bis 23. März 2025).
Möglicherweise wahre Gefühle der beiden vor allem zueinander – und viele gesammelte Aussagen von Kindern aus der Schweiz, Österreich, Liechtenstein und Deutschland als Audiodateien, aber auch vorgelesenen Briefen – bildeten die Basis für getanzte und hin und wieder gesprochene Gefühle der Annäherung, des Zweifels dabei, des schüchternen bis dezidierten sich Zurückziehens. Vom Gegensatz bis zu synchronen Bewegungen, von Nähe trotz Distanz, wenn sie miteinander per Stöckelschuh von einem zum anderen Ende der Bühne „telefonieren“.
Alles ist ja gefahrlos, denn sie „üben“ ja nur Liebe, spielen Gefühle auf der Bühne, um sich die Gefahr echter Gefühle – samt möglichen Enttäuschungen – zu ersparen. Vor allem Nora Vonder Mühll will das probieren, habe sie sich doch beim ersten Aufeinandertreffen vor Jahrzehnten in Yves Thuwis verliebt. Der aber war damals schon mit einem Mann verheiratet. Wie umgehen damit, dass jemand verliebt ist in einen anderen Menschen, der in einer Beziehung ist, wie reagieren, das sagen oder nicht? Die beiden wenden sich dabei und an anderen Stellen mit ihren Fragen auch ans Publikum, fangen dort Antworten ein.
Ach ja, das Kleid – ein Hochzeitskleid. Ausgehend von Kinder-Aussagen zum Heiraten schlüpft einmal sie, dann wieder er in dieses. Es wird aber auch zu einem großen Stoffballen, unter dem das Gesicht verhüllt werden kann oder zu einem Baby.
Tänzerisch, ja akrobatisch liefern die beiden zwei Highlight-Momente: Einmal versucht sie sich ihm anzunähern, obwohl der zusammengeklappte Sessel, den er um den Hals trägt, eine rein physisch fast unüberwindbare Hürde darstellt. Nur noch übertroffen von einem minutenlangen Kuss mit tänzerischen Bewegungen und Verrenkungen über die ganze Bühne, Drehungen, Wendungen, liegend, sitzend, stehend – ohne die Lippen voneinander zu lassen – dafür gab’s Szenenapplaus. Und gleich danach eine Kinderstimme aus dem Lautsprecher des Laptops, Zuschauen Küssender in der Öffentlichkeit ekelig zu finden 😉
Auch wenn in dieser Stunde „nur“ geübt wird (Regie: Hannah Biedermann), so verströmt die Performance tiefe Gefühle – übrigens auch des Gegenteils, denn einige Minuten lang „üben“ die beiden auch Trennungen.
Wenn das Opernhaus an der Wiener Ringstraße zu einem riesigen Ballsaal umgebaut ist, dann wird das seit viiiielen Jahrzehnten zum gesellschaftlichen Großereignis, das seit Langem schon auch von praktisch allen Medien groß zelebriert wird. Da wird sogar die ORF-Nachrichtensendung ZiB2 zeitlich verschoben und auf Mindestmaß zusammengestutzt. Die billigste Loge beim Ball der Reichen und (angeblich) Schönen kostet 15.000 Euro. Dafür müssten Durchschnittsverdiener:innen (netto knapp mehr als 2.000 €) siebeneinhalb Monate lang jeden Euro sparen – ohne Wohnen, Essen und sonstige Ausgaben. Und das für eine Nacht – ohne dort einen Tropfen zu trinken bzw. einen Bissen zu essen!
Dieses Ball„vergnügen“, das nur einmal 1991 wegen des ersten Irakkrieges sowie in den Jahren 2021 und 2022 wegen der Pandemie abgesagt wurde, gab sich im Vorjahr auch die Schriftstellerin Stefanie Sargnagel gemeinsam mit der Theaterregisseurin Christina Bona Maria Tscharyiski – zu Recherchezwecken im Auftrag des Theaters im Wiener Gemeindebau Rabenhof. Und was für eine satirische, sarkastische Show ist daraus geworden! Natürlich überspitzt und überzeichnet, wurden ihre Wahrnehmungen zu einer verspielten Show mit Live-Musik. Und doch ist ihr Text – gespielt von Laura Hermann, Martina Spitzer, Skye MacDonald, Jakob Gühring in Ganzkörper-Blumenkostümen in der Art von zu Baumformen gestutzten Figuren (Miriam Draxl) – kein reines „Eat the Rich“-Bashing. Sondern enthält auch Elemente des offenbar massenhaften Gerne-dabei-sein-wollens. Und auch die Reflexion ihrer eigenen Anwesenheit. Um 360 Euro (heuer schon 390) gibt’s Eintrittskarten.
„Das ist für ein Ballett, die Philharmoniker, einen Ball und so weiter gar nicht so viel. Auf eine andere Veranstaltung dieser Art würdest du gar nicht kommen.“
„Das ist meine Monatsmiete!“ ruft die Kellnerin entsetzt.
„Das ist ein Viertel meines Gehalts. Das ist viel Geld!“
„Naja wennst bissl was sparst, dann geht sich das schon aus. Die haben nicht mal unseren Ausweis kontrolliert.“
So heißt es unter anderem im eineinhalbstündigen Stück, für das sie fiktive Begleiter:innen – eine Kellnerin und einen Museumswärter – miteinbaut. Wechselnd schlüpfen die vier Schauspieler:innen in die Rollen dieser beiden, von Stefanie Sargnagel herself und so manche Ballbesucher:innen.
Natürlich darf in dem unterhaltsamen, schrillen, schrägen, temporeichen, bitterbösen Spiel jene Zentralfigur der Berichterstattung nicht fehlen, der (im Vorjahr im Sommer verstorbene) Baumeister „Mörtel“ Lugner mit seinen jeweiligen eingekauften prominenten Gästinnen. Anfangs von den Reichen und Schönen naserümpfend kommentiert, wurde er in den folgenden Jahren immer mehr zu einer Art Ballkönig. „Lugner ist mächtig, denn er ist zu allem bereit und unmöglich zu kränken. Ihm ist alles scheiß egal. Niemand interessiert sich für Betrand de Billy, Garanca oder – Strauss. Alles, was die internationale Öffentlichkeit wissen will, ist, ob seine neue Freundin Vogi, Schweindi, Hexi, Schwubsi, Popschi, Furzi oder Gaxi heißt. Wie übergriffig er diesmal seinen Gast behandelt, wie oft er ihren Namen falsch ausspricht. Chinchilla, Brunzilla, Gozilla. Spitzenpolitikerinnen, Weltstars, Milliardäre werden zur Seite gebulldozert, wenn er durch die Festgesellschaft will.“
Congenial ist das Zusammenspiel der „Blumenkinder“-Darsteller:innen, die mit Fortdauer des Stücks und der Illuminierung der Ballgäste Teile ihrer Dekoration ablegen, mit der Live-Band Saló, die lautstark eigene Songs mit ironischen Opernball-Texten performen. Von „Wer ist in Wer, Wer ist ein Was?“ bis zu einem über Lugner. Phasenweise wäre ein bisschen weniger Lärm nicht schlecht, um mehr von den Texten zu verstehen.
Zwei Schauspieler stehen zunächst seitlich vom Publikum, kommen auf die Bühne und schlüpfen vor aller Augen erst in ihre Rollen. Jugendliche. Pubertierende. Burschen. Goschert der eine, voll der Macker – zumindest will er sich so geben, sähe sich auch selbst gern so. Manchmal aufbrausend. Ohne Ansatz. Eher zurückhaltend, schüchtern, verträumt, ja poetisch der andere.
Aber sie sind nun einmal hier zusammen. Auf engem Raum. Zusammengeschweißt durch Schicksalsschläge, von denen der Name Ikarus noch nicht der allerschlimmste ist. Der ist querschnittgelähmt von TH 10 – von zwischen Brust- und Bauchmuskeln abwärts. Francis, der spätere Kumpel, hat Multiple Sklerose, geht mit Krücken.
Ihre Behinderungen haben sie hier in einer Rehabilitationsklinik zusammengebracht, sind klarerweise nicht zuletzt deswegen Gesprächsthema. Und mit dem gehen sie – wie es echt Betroffene oft wirklich tun, scheinbar respektlos, bitterböse, schwarzhumorig um. Weshalb der ursprüngliche Stücktitel „Mongos“ (das in gut einem halben Dutzend deutschsprachiger Theater lief/ läuft) ziemlich zutreffend ist – so wie sich in Wien vor mehr als einem Vierteljahrhundert eine Gruppe von Satirikern mit verschiedenen Behinderungen „Krüppelkabarett“ nannte. Weil der Begriff aber doch diskriminierend wirkt, haben sich Verlag und Theatergruppe entschlossen, es unter neuem Titel zu spielen: „Irreparabel“.
Geblieben ist die für manche mitunter verstörend radikale Ablehnung von Pseudo-Mitgefühl, das eher ins Mitleid abgleitet. So zeigen sie einander – und dem Publikum wie Respekt geht: Sich als Menschen zu behandeln, genauso wie wenn sie keine Behinderung hätten. Nicht in Watte packen, also auch benennen, vielmehr sogar beschimpfen, wenn sich einer als A…-loch aufführt…
Vor diesem Hintergrund spielt sich in diesen knapp eineinviertel Stunden des Stücks von Sergej Gößner vor allem die Annäherung zweier völlig unterschiedlicher Typen ab: Von der Ablehnung des Zwangsgenossen – es gibt anfangs fast keine echte gemeinsame Gesprächsbasis – bis hin zur Freundschaft. Derzeit ist eine Version des Stücks in einer Koproduktion der Grazer Gruppe „Follow the Rabbit“ mit dem Theaterhaus TiG7 Mannheim in Österreich zu sehen – derzeit im Wiener Werkstätten- und Kulturhaus (WuK), demnächst im Grazer Theater am Ortweinplatz (taO!).
Gefühle – auch da klafft’s lange auseinander. Ach wozu sollen die gut sein, lehnt Ikarus (sehr überzeugend Nuri Yıldız) die ab. Macho. Frauen sind in seinem Hirn und in seinen Sprüchen nichts als Sexualobjekte. Schüchtern im Gespräch, tiefgreifend gefühlvoll in seinen aufgenommenen Gedichten hingegen Francis (voll glaubhaft Jonas Werling). Und dann taucht Jasmin auf. In die verknallt sich Ikarus – und wird sanfter. Zunächst nur vorübergehend. Dauerhaft will – oder kann – er noch nicht von seinem schon eingeschliffenen Männlichkeitswahn lassen. Als er droht, allein in der Reha-Klinik zurückzubleiben, bereut er kurz, will alles gut machen, nochmals von vorn anfangen, um wieder und nochmals ins alte Fahrwasser zu kippen, bis … – schau und erlebe dieses Stück selbst mit!
Der Vater malt am liebsten, die Mutter widmet sich der Erforschung von Kleintieren wie Insekten, der Bruder liebt Musik und bläst auf einer riesigen Tuba, doch was will sie, seine Schwester? Alles mögliche probiert sie aus – vom Tennis über Trompete bis Karate, kochen und tanzen…
Nun gut, in Wahrheit verrät schon der Buchtitel, worauf die junge Hauptfigur steht: „Ich mag Mathe“ – in Wort (auf Englisch) und Bild (Wasserfarben und Tinte) vom in Italien lebenden Spanier Miguel Tanco (Übersetzung aus dem Englischen: Margot Wilhelmi) zeigt zunächst den längeren Weg, bis die namenlose Heldin draufkommt, dass ihre Leidenschaft Zahlen und vor allem geometrische Formen sind.
Da staunt etwa die Lehrerin nicht schlecht – und nicht besonders angetan-, dass das Mädchen Formeln, Kurven und Diagramm auf das Blatt auf der Staffelei zeichnet, während ihre Mitschüler:innen alles mögliche andere malen.
Auf den folgenden Doppelseiten gelingt es dem Autor und Illustrator den Satz „Mathematik ist praktisch überall. Man muss nur die Augen aufhalten!“ wunderbar in ein Bild umzusetzen, das dies sogar bis in die Äste von Bäumen oder Klettergeräte auf dem Spielplatz sowie beim Steine-in-den-See-werfen beweist. Oder wie hilfreich die Kenntnis dieser Wissenschaft sein kann, wenn es darum geht, Essen gerecht auf die vier Familienmitglieder aufzuteilen. Und dennoch wird letztlich in diesem Bilderbuch nicht alles durch die Mathe-Brille betrachtet, sondern der Blick erweitert.
Nach der Bilderbuchgeschichte gibt es am Ende einen Anhang unter dem Titel „mein Matheheft“ mit anschaulichen Beispielen und Erklärungen aller möglichen geometrischen Formen. Ein wunderbares Buch, um diese Wissenschaft, die in Schulen oft noch immer als Angstfach gilt, charmant und interessant darzustellen.
Gemütlich lümmelt Helene Hütter als Kuh namens „Mama Muh“ auf einem Kunstrasenteppich vor einer Bilderbuch-Kulisse (Bühne & Kostüme: Birgit Oswald und Hans-Peter Kellner) im THEO, dem THEaterOrt in Perchtoldsdorf bei Wien. Entstammt sie – nicht die Schauspielerin, aber die Figur – auch einer Serie von mehr als einem Dutzend Bänden (1993 bis vorläufig 2021) über dieses unternehmungs- und abenteuerlustige Rindvieh von Jujja Wieslander, teils auch Tomas Wieslander; illustriert von Sven Nordqvist (bekannt von Petterson und Findus), Übersetzung aus dem Schwedischen: Angelika Kutsch, Maike Dörries. Sie, ihre ungewöhnlichen Aktivitäten und so manche ihrer Freund:innen wurden auch schon vor 15 Jahren zu einer Zeichentrickserie, einem Spiel- sowie einem Animationsfilm (beim Kinderfilmfestival des Vorjahres zu sehen) und immer wieder auch zu (Puppen-)Theaterstücken verarbeitet.
Bis Ende März ist eine solche Bühnenfassung (Joachim Henn, der auch Texte für einigen im stück eingebaute Lieder schrieb; Musik: Monika Kutter) zu sehen und hören. In der Regie von Hans-Peter Kellner wurden einige Episoden aus verschiedenen Mama-Muh-Büchern zu einem Stück zusammengebaut und vor allem die ungewöhnliche Freundschaft mit einer Krähe (zwei Bände aus der Buchserie) ins Zentrum gerückt.
Während die Kuh Radfahren lernen möchte, schaukeln will und sogar einen Ausflug in die Stadt unternimmt, zeigt sich die Krähe (Rebecca Richter) angesichts all dieser Unternehmungslust ziemlich skeptisch. „Ich glaub mich trifft ein Flügelschlag“, rät sie der neuen Freundin ab. Außerdem flattert sie hektisch und schrill herbei, um mehrfach zu betonen, „ach, ich hab überhaupt keine Zeit“, weil noch so viel zu tun sei.
So wie die Kuh über den Ausflug in die Stadt „nur“ erzählt, während die Schauspielerin im Kuh-Kostüm tatsächlich schaukelt und – zum Gaudium der jungen Zuschauer:innen – gekonnt tollpatschig versucht, sich verkehrt herum aufs Fahrrad zu setzen, einen Sturz baut oder nicht bremsen kann, schildert Krähe auch einen Ausflug in den Dschungel.
Den nimmt ihr die Kuh nicht ganz ab, bis die Vogel-Darstellerin gesteht, dass sie den halt „nur“ in der Fantasie unternommen hat. Und so stehen gespielte Szenen neben blumig und ausgeschmückt erzählten Abenteuern samt Verwunderung der Kuh über das Leben in der Stadt. Da dachte sie, die nette Frau würde ihr Essen servieren und dann wurde diese böse, als Kuh die Blumen fraß. Und was soll ein Park-Haus sein, wenn es dort keinen Park gibt?
Jedenfalls versichern die beiden gegen Ende einander, dass ihnen mit der jeweils anderen nie langweilig werde – was auch fürs Publikum gilt. Und so „nebenbei“ werden Botschaften wie Freundschaft über (Art-)Grenzen hinweg ebenso vermittelt wie, auch wenn etwas neu und ungewöhnlich ist, trau dir’s zu, du kannst es lernen.
Im Gegensatz zu seinem echten Dasein verwandelte sich Leo, ein kleiner gelb-weiß gestreifter Vogel in seinen (Tag-)Träumen zu einem Höhenflieger. Hing er im echten Leben schlapp auf einem Zweig, während seine Kolleg:innen hin und herflogen, zwitscherten, sangen, pfiffen, so führten ihn die Bilder im Schlaf zu großen Abenteuern. Den größten für Vögel überhaupt.
Während die (Stuben-)Tiger für die fliegenden Tiere eher als eine der größten Gefahren gelten, träumte Leo davon, ausgerechnet mit Katzen befreundet zu sein. Doch auch für jene Katze, der Leo im Wachzustand seinen Wunsch verklickerte, galt das als „Unverschämtheit… eine ordentliche Katze will doch einen Vogel nicht zum Freund haben. Sondern zum Frühstück!“, schreibt Julian Tapprich in dem auch von ihm illustrierten Bilderbuch „Tigerträume“. Und schon stürzte sie sich auf den Frechdachs.
Doch da zog sie gegen Leo – durch zahlreiche Träume im Umgang mit Katzen geübt – den Kürzeren, verkroch sich in einer Blumenvase. Leo aber konnte den Triumph nicht als solchen genießen, wollte er sie doch als Freundin. In der Wohnung der Katze aber fand er ein offenes Bilderbuch mit Riesenkatzen, die im Dschungel leben – Tigern.
Und so wurde aus dem zuvor meist schlafenden und träumenden Vogel einer der sich in die Lüfte erhob und zu einer weiten Reise ansetzte – mit kurzen Begegnungen mit unterschiedlichsten Tieren, die ihn vor der Gefährlichkeit seines Vorhabens warnten.
Im Dschungel fand er den Tiger zwar bald, aber der wirkte ziemlich grimmig – und einsam, denn kein anderes Tier wagte sich an ihn heran. Leo hingegen hatte keine Angst, näherte sich der gestreiften wilden Großkatze und mutig sagte er ihm: „Ich weiß, ich sehe köstlich aus!“… aber warte einen Moment, friss mich nicht glich, ich bin nämlich ein Vogel, der viele wilde Geschichten und Geheimnisse zu erzählen hat!“
Und wie Scheherazade in Tausendundeine Nacht dem König Schahriyar Geschichte um Geschichte erzählt, so schilderte Leo dem Tiger seine wilden Träume und noch dazu auch solche, die er sich spontan ausdachte.
„Du kennst wirklich die aufregendsten Geschichten, aber ich merke schon, dass du mich nur mit ihnen fütterst, damit ich dich nicht verschlinge!“, brummte der Tiger. Da lockte Leo den Tiger mit der Ankündigung eines Geheimnisses, das nicht einmal dieser mächtige Dschungelbewohner kenne… Das aber wird hier sicher nicht gespoilert.
Miranda ist eine Wucht. Voller Energie. Springt, rennt und – haut sich auf den Boden, wenn sie nicht kriegt, was sie will. Vordergründig liebevoll loben ihre Eltern sie ständig als bestes, schönstes, tollstes, kreativstes und so weiter Kind. Um Auszucker der Tochter zu vermeiden, schenken sie ihr alles, was sie sich wünscht.
Ihre beste Freundin Tina aus der Nachbarschaft hat ziemlich gegenteilige Eltern. Keine Sekunde Zeit für die Tochter. Kaum fängt Tina an auch nur irgendwas zu sagen, sind Mutter wie Vater an ihren Handys und jedenfalls nicht wirklich anwesend. Zuhören? Fehlanzeige.
Tina ist gern bei Miranda, dort ist’s irgendwie paradiesisch. Obwohl so wirklich gehen auch deren Eltern nicht auf sie ein – überhäufen mit Geschenken und Superlativen an Lobpreisungen wirken eher, als erkauften sie sich damit ihre Ruhe, auch wenn sie viel empathischer agieren als ihre Gegenstücke.
In dieses Setting pflanzt Alan Ayckbourn die turbulente Kinderkomödie „Miranda im Spiegelland“ (2004 auf Englisch erschienen „Miranda’s Magic Mirror“), von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting auf Deutsch übersetzt und nun – wieder (erstmals schon 2006) – im großen Haus des Theaters der Jugend, dem Renaissancetheater in der Wiener Neubaugasse (Regie dieses Mal: Nicole Claudia Weber), zu erleben: Turbulent, rasant, vergnüglich mit Botschaft, die sich aus der Geschichte selbst ergibt und damit keinen erhobenen Zeigfinger nötig hat.
Miranda ist so von sich eingenommen, so auf sich allein konzentriert, von sich besessen, dass sie sich in dem neuen Spiegel, den sie sich gewünscht hat, stäääändig nur selber anschaut, posiert… (Was ausgehend von einer griechischen Sage in der Psychologie als Narzissmus bezeichnet werden würde.)
Nun hat auch sie keine Zeit mehr, mit Tina zu spielen. Nicht nur das, sie fängt an ziemlich garstig zu werden, die Freundin wüst zu beschimpfen und vor allem abzuwerten. Worauf diese sich verzieht – und bei ihr Zuhause verkriecht. Sie verinnerlicht die Abkanzelungen – dumm, hässlich usw. Von ihren Eltern hört sie ja nix Gegenteiliges.
Und so traut sie sich nicht mehr in den Spiegel zu schauen. Weshalb ihr Spiegelbild abhaut. Aber auch das von Miranda verzieht sich. Mit so einem eingebildeten, aufgeblasenen, herumkommandierenden Gegenüber auf der anderen Seite des Spiegels will Adnarim nix zu tun haben. Und so schaut eines Tages Miranda ganz schön verblüfft in den Spiegel, aus dem ihr Kram entgegenblickt. Der ist wiederum von Mark davongerannt. Genau – Spiegelbildliche Namen.
Natürlich gibt sich Miranda damit nicht zufrieden, auch wenn Kram sie ganz schön spiegelt. Gerade das gefällt ihr nicht, sagt er ihr doch die Wahrheit, dass sie sich unerträglich aufführt. Aber er hilft ihr, in den Spiegel zu steigen und auf die andere Seite zu kommen, um nach Adnarim zu suchen. Die Bühne dreht sich und ist gar nicht mehr so bunt – irgendwie wie hinter den Kulissen eines Theaters (Bühnenbild: Judith Leikauf und Karl Fehringer). Im Spiegelland ist links recht und vorwärts rückwärts. Der Einfachheit halber aber werden Sätze nur wortweise von hinten nach vorne gesagt und nicht – wie manche Menschen es perfekt können komplett rückwärts gesprochen, also nicht: nehcorpseg sträwkcür, sondern dann „nur“ gesprochen rückwärts.
Auf der Suchen nach dem Spiegelbild und damit gleichzeitig ihrem Inneren wird es für sie notwendig, ihren Hochmut einzusehen, sich zu entschuldigen, läutern und so weiter… Charlotte Zorell ist eine herrlich auszuckende Miranda, die sich auch nicht ruck-zuck wandelt, sondern die Mühsal solch einer Läuterung spürbar erleben lässt.
Olivia Marie Purka verfällt, von den Eltern ignoriert und von der Freundin runtergemacht, glaubhaft in depressive Zurückgezogenheit und lässt sich nur zögernd in die gegen Ende neu erwachenden Freundschaftsangebote Mirandas ein. Ihr Vater Uwe Achilles spielt auch einen etwas minderbemittelten Wachmann beim Palast der Spiegelfürstin, Pia Baresch ihre Mutter, schlüpft auch in der Rolle dieser Fürstin Allebasi – unnahbar und doch letztlich mitfühlend spielt.
Mirandas Vater Frank Engelhardt übernimmt überhaupt glich viele Rollen – Trops Gnagflow, das Spiegelbild von Wolfgang Sport, den Hauptmann und Chef der Palastwache sowie den Ober-Verwalter aller Spiegelbilder und erweist sich als stark wandlungsfähig. Mirandas Mutter wird von Christine Garbe gespielt, die auch als Tergram (Spiegelbild von Margret) im Spiegelland in Erscheinung tritt.
Neben den Rollenwechsler:innen und den schon genannten Darstellerinnen von Miranda und Tina bzw. Adnarim und Anit ist auch Fabian Cabak als Kram (der Mark ist nie zu sehen) auf eine Rolle konzentriert. Und nicht zu vergessen: Wie eine Art Showmaster fungiert Jonas Graber als Erzähler, der die Story kapitelweise am Laufen hält – aber auch direkt ins Geschehen eingreift. Etwa mit dem Schluss-Gag – nein, das sei hier nicht verraten.
Leere Bühne. (Fast) total finster. Licht geht ein. Ein Mann in Militärmantel und Stiefeln liegt auf dem Boden. (Fast) tot.
So beginnt die Inszenierung und das sehr dichte, packende, berührende Solo-Schauspiel mit vielen Rollenwechseln. Ein Klassiker der deutschsprachigen Dramatik, jahrzehntelang auch Schullektüre, „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert war – leider nur ein Mal (vorläufig?) im Studio des Theaters Akzent zu erleben. Gespielt und inszeniert von Bagher Ahmadi.
Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg (erst als Hörspiel, ein halbes Jahr später als Theaterstück) wurde die fiktive Geschichte des Soldaten Beckmann, der in der Schlacht von Stalingrad eine kleine Truppe befehligte, später in sowjetische Kriegsgefangenschaft kam und einige Jahre später nach Deutschland zurückkehrte, uraufgeführt. Er findet nicht mehr ins Leben zurück. Die Ehefrau lebt mit einem anderen Mann. Er weiß keinen Ausweg, springt in die Elbe.
Der Fluss schwemmt den Mann ans Ufer – die Ausgangsszene. Beckmann im Dialog mit der Elbe. Auch die will ihn nicht. „Nein. Du Rotznase von einem Selbstmörder. Nein, hörst du! Glaubst du etwa, weil deine Frau nicht mehr mit dir spielen will, weil du hinken musst und weil dein Bauch knurrt, deswegen kannst du hier bei mir untern Rock kriechen? Einfach so ins Wasser jumpen? … Du bist mir zu wenig, mein Junge. Lass dir das von einer alten Frau sagen: Lebe erst mal. Lass dich treten. Tritt wieder! Wenn du den Kanal voll hast, hier, bis oben, wenn du lahmgestrampelt bist und wenn dein Herz auf allen vieren angekrochen kommt, dann können wir mal wieder über die Sache reden.“
Also auch da unerwünscht. Und so humpelt er wegen einer Kriegsverletzung weiter durch ein Leben, in dem er immer und allerorten unerwünscht ist und bleibt – eben „draußen vor der Tür“.
Bagher Ahmadi stemmt das Stück mit mehr als einem Dutzend an Personen als Solist, switcht von einer Rolle in die andere, anderer Tonfall, hinkend oder nicht, Brille oder nicht, und spielt in hohem Tempo – anfangs vielleicht eine Spur zu schnell gesprochen – und macht aus dem nicht selten betulich und lehrhaft inszenierten Stück einen mitreißenden rasanten Höllentritt.
Als Musik wählte Ahmadi für den Beginn jene von Peter Gabriel (Stimme von Nusrat Fateh Ali Khan) für den Film „The Last Temptation of Christ“ (1988). Am Ende ist persische Musik zu hören, die der Schauspieler aus dem chinesischen Action Drama „14 Blades“ (2010) kennt.
Der Schauspielabsolvent der MuK (Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien), der schon im Volkstheater in den Bezirken, dem St. Pöltner Landestheater sowie in Filmen (u.a. einem Tatort) zu sehen und erleben war, verleiht dem Borchert-Stück unausgesprochen durch seine auch sichtbare Herkunft eine weitere – aktuelle – Dimension. Der gebürtige Afghane (1996), flüchtete als 13-Jähriger in den Iran, wo er drei Jahre als Schneider in einer Fabrik gearbeitet hat, mit 16 landete er in (Ober-)Österreich. Neben dem Schauspielstudium machte der 3-Sprachige (Dari/Farsi, Englisch, Deutsch) Ausbildungen in Stunt, Kickboxen, Parkour. Ihm selbst gelang und gelingt es so auch so manche Tür zu öffnen. Durch sein Spiel, das sofort die Wand zum Publikum niederreißt, jedenfalls die zu seinen Zuschauer:innen.
ibrahim-und-moses – Volkstheater-Bezirke <- damals noch im Kinder-KURIER
Sieben – die Zahl um die sich viele Mythen in verschiedensten Gegenden der Welt ranken, mal für Glück, andernorts für Unglück stehen, ist sehr oft auch mit der biblischen Geschichte um die Entstehung der Welt verknüpft. Linda Wolfsgruber, die vielfach ausgezeichneten Kinderbuch-Illustratorin und -Autorin, hatte vor zwölf – auch so eine mythische Zahl 😉 – Jahren schon die Idee zu einem derartigen Buch. In der Pandemie holte sie die Skizzen aus einer Lade und daraus wurde sieben mal sieben: Sieben Blätter für jeden der sieben Tage.
Die Originale dieser 49 Seiten, dazu die der Vorsatzseiten sowie des Buchcovers hängen seit einigen Tagen in einer Ausstellung im Kardinal-König-Haus (Wien-Hietzing).
Zur Eröffnung hatten die Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur (STUBE) sowie die Verlage Tyrolia, Jungbrunnen, Obelisk, NordSüd, Ueberreuter, edition lex liszt und Bibliothek der Provinz geladen. In all diesen hat neben Linda Wolfgsruber auch Heinz Janisch unzählige Bücher veröffentlicht. Er wurde im Vorjahr mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis ausgezeichnet, der informell als der „Nobelpreis“ der Kinderliteratur gilt.
Heidi Lexe, Leiterin der Stube und u.a. Lehrbeauftragte für Kinder- und Jugendliteratur am Germanistik-Institut der Uni Wien, sprach mit beiden über viele der Bücher und deren Entstehungsgeschichte bzw. über die Zusammenarbeit der beiden sowie die mit vielen anderen Kinder- und Jugendbuchmacher:innen.
Welches Tier steckt in dir? Was ist dein Krafttier? Einfache Online-Tests, ausgefeiltere psychologische und / oder therapeutische Gespräche arbeiten mit diesen Bildern. In unterschiedlichster Form kommen sie (nicht nur) in Kinderbüchern oft vor. Zum einen werden häufig ganze menschliche Geschichten in tierische Welten versetzt, zum anderen finden in manchen Verwandlungen von Menschen in Tiere und umgekehrt statt.
Der vielseitige und vielfach ausgezeichnete Autor Heinz Janisch – im Vorjahr mit dem sogenannten Nobelpreis der Kinderliteratur, dem Hans-Christian-Andersen-Preis (ohne Geldpreis übrigens) ge„adelt“ – hat schon vor drei Jahren in „Schneelöwe“ die inneren Werte eines Kindes in Wortbilder eines Tieres verwandelt (illustriert von Michael Roher).
In „Gazelle“ (illustriert von Michaela Weiss) ist es in gewisser Weise umgekehrt. „Wenn Lioba traurig ist, verwandelt sie sich manchmal in eine Gazelle. Ihre Traurigkeit fällt dann von ihr ab, mit einer Bewegung wie ein Mantel aus dunklem Staub.“
Auf der ersten Doppelseite, auf der die beiden zitierten Sätze stehen, lässt die Illustratorin das Mädchen hinter einer fast durchsichtig zarten Gazelle mit dieser zu einer kuscheligen, Sicherheit gebenden fast wolkigen Einheit verschmelzen. Um auf der folgenden Doppelseite selbstbewusst und aufrecht zu tanzen, in der Folge zu schweben, bunt und „flatterhaft“ wie ein Schmetterling entpuppt sich die sich nun sicher und stark fühlende Lioba voller teils ausgelassener Lebensfreude. Verliert aber nie ihre Feinfühligkeit, sozusagen die Gazelle in ihr wie spätestens das Schlussbild sehr deutlich zeigt.
Fast poetischer Text und ebensolche Bilder können vielleicht neben Lese-, Schau-, und Nachdenkvergnügen vielleicht auch Anstoß sein, sich für Momente der Schwäche eigene gedankliche, verträumte Hilfstiere oder -mittel auszudenken.
Nach heftigen Auseinandersetzungen, die nicht nur in Wortgefechten, sondern auch in einer Reihe von Schlägen, Kinnhaken und ähnlichem zwischen Karagöz (schwarzäugig heißt dieses türkische Wort) und seinem Nachbarn Hacivat (hässlich), macht sich erster auf, um mit einem kleinen Boot Fische zu fangen. Die beiden sind in der Türkei bei (fast) allen Kindern bekannt wie bei uns Kasperl, Petzi & Co.
Für sein Boot verwendet Karagöz einen großen Bottich, aus einem Stock macht er seine Angel und auch sein Angelhaken scheint eine Notlösung zu sein. Dennoch gelingt es ihm nach und nach drei kleinen roten Fische zu fangen – oder ist es nur immer wieder ein und derselbe? Außerdem trifft er einen Hammerhai, einen Sägefisch sowie einen Delfin (yunus) und eine Meerjungfrau. Irgendwie erzählen die auch von einem Monster und plötzlich erscheint eine Art riesiger Drache als dieses See-Ungeheuer. Dieses lässt sich nur einigermaßen besänftigen, indem ihm Karagöz die roten Fische zuwirft, die sich durch die grünen Kugeln schlängeln und „verdaut“ werden.
Das Monster steht stellvertretend für Meeresverschmutzung erzählten die Künstler:innen zu Beginn.
In knapp mehr als einer halben Stunde spielen und erzählten Nazım Öney Olcaytu und Müzeyyen Aslan (Technik: Güçlü Aslan) von der Theatergruppe Karagöz’ün Kukla Atölyesi aus dem türkischen Çanakkale (wo einst das antike Troja lag) diese Geschichte (Karagöz Balıkçı /Karagöz, der Angler) mit den bunten Schattenfiguren beim Lesofantenfest von Wiens städtischen Büchereien.
Gespielt wurde in der Hauptbücherei in türkischer Sprache mit kurzer deutscher Einführung. Einige Kindergartenkinder verstanden alles und manches Mal übersetzten sie gleich für die umsitzenden Kolleg:innen bzw. versprachen, danach im Kindergarten alles zu erzählen, was andere nur sehen konnten.
Nach der Vorstellung nutzten die jungen Besucher:innen die Chance, hinter die hell erleuchtete weiße Stoffwand zu kommen und selber die eine oder andere an Holzstäben befestigte Figur im Schatten spielen zu lassen.
Zwei Tage vorher hatte die Gruppe im Wiener Figurentheater Lilarum im Rahmen der zentral- und osteuropäischen Kooperation dieses Theaters eine Karagöz’sche Liebesgeschichte für Erwachsene – in englischer Sprache gespielt (Karagöz the swing operator).
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