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Marlies Planegger und Katarina Schmidt untersuchten Wasserproben auf den "Sekundärschadstoff" TFA (TriFluorAcetat)

Heimliche Schadstoffe, Supra-Leiter, digitale Sehnen-Analysen, falscher Fisch und Hühner-Musik

Von 34 Anmeldungen in der Kategorie Science schafften’s fünf ins Bundesfinale. Hier werden sie vorgestellt.

Platz 1: Hidden Agenda: TFA, die lauernde Gefahr in unserem Wasser
HLUW Yspertal (Niederösterreich)
PLUS: Einladung zu EUCYS (European Contest for Young Scientists) im Herbst 2023 in Brüssel

Fast scheinen Schüler:innen aus der Höheren Lehranstalt für Umwelt und Wirtschaft im niederösterreichischen Yspertal auf den Gewinn der Wissenschaftskategorie abonniert zu sein – zum vierten Mal innerhalb der letzten fünf Ausgaben von Jugend Innovativ ging die Trophäe für Platz 1 an Jugendliche der HLUW. Bisher wenig bis (fast) gar nicht beachtete Schadstoffe im Wasser – um diese Themen kreisten die meisten der siegreichen Arbeiten. 2019 war es Mikroplastik im Süßwasser, speziell in der Ybbs, das Yasemin Gedik und Hannah Schatz, untersuchten (sie besuchten übrigens heuer das Bundesfinale). In diesem Schuljahr widmeten sich Marlies Planegger und Katarina Schmidt sogenannter versteckter Schadstoffe, Trifluoracetat (TFA).

Dabei handle es sich um einen „Sekundärschadstoff“, erklären die beiden Schülerin dem Reporter. Auf die achtet kaum jemand, sie werden kaum untersucht, weil sie „nur“ Abbauprodukt anderer Stoffe (Pestizide, Medikamente, Kühlmittel…) sind – und die Untersuchung kompliziert und teuer ist. Die beiden sind die ersten, die in aufwändigen Untersuchungen Wasserproben – aus dem Wiener Becken, weil das für die Wasserversorgung sehr wichtig ist – genommen und auf TFA untersucht. Dafür mussten sie Partnerinstitute suchen und fanden eines im deutschen Karlsruhe, das darauf spezialisiert ist (Technologiezentrum Wasser).

Wir haben dann Nährlosungen erstellt, um zu beobachten, wie Pflanzen geschädigt werden, wenn die Konzentration von TFA hoch ist. Zwei Schüsseln mit Wasser – einmal mit und einmal ohne diesem „verborgenen“ Schadstoff – standen auf dem Tisch vor dem Stand des Duos in der Jugend-Innovativ-Finalausstellung. Grün die einen, mit bräunlichen Rändern die anderen Wasserpflanzen.

Ein Drittel aller Proben aus der Science-Projekt-Untersuchung wies Konzentrationen von mehr als 1000 Nanogramm pro Liter auf, über 500 ng/l kamen sie alle ist auch der Info auf der JI-Homepage zu entnehmen.

Story über das Projekt der Siegerinnen aus 2019 -> damals noch im Kinder-KURIER

Platz 2: Synthese und Analyse von Yttrium-Barium-Kupferoxid (YBCO)
Wiedner Gymnasium, Sir-Karl-Popper-Schule (Wien)
PLUS: Einladung zum International Swiss Talent Forum 2024, Nottwil

Am ersten Tag des Jugend Innovativ-Finales hat es fallweise am Stand von Karoline Jahn immer wieder „geraucht“. Sie leerte aus einem Spezialbehälter flüssigen Stickstoff in ihre Versuchsanordnung, einem von Dämm-Material umgebenen kleinen Kreislauf. Minus 180,15 Grad Celsius oder 92 Grad Kelvin wie sie zunächst dem Reporter sagt und es dann gleich auf „handelsüblich“ umrechnet. Sinn und Zweck des flüssigen Gemischs, das natürlich bei Zimmertemperatur sofort gasförmig wird, den Nachweis eines Supraleiters, den sie selbst hergestellt hat, vorzuzeigen.

Supraleiter leiten Strom mit praktisch keinem Widerstand weiter und erzeugen damit auch keine Abwärme, Leitungen oder Geräte würden nicht heiß. Für ihre vorwissenschaftliche Arbeit an der Sir-Karl-Popper-Schule für Hochbegabte am Wiedner Gymnasium hat die Schülerin aus Yttrium-, Barium-, Kupfer-Nitrat und Sauerstoff sowie Zitronensäure und Ammonium-Hydroxid bei einem pH-Wert zwischen 6,5 und 7 das Gemisch langsam erhitzt. Im Weiteren musste das Gemisch zwei Mal je 41 Stunden erhitzt und das entstandene Pulver gepresst werden.

Diese dunkle „Tablette“ legte Jahn in den besagten Kreis – und siehe da, der Strom floss und der kleine Metallmagnet, der zuvor auf einem Podest in der Mitte des Ringes gelegen war, hob sich. „Meißner-Ochsenfeld-Effekt“ heiße dieser Test, der nachweist, ob dieses Teil, in dem Fall die „Tablette“ ein Supraleiter ist, erklärt die Jugendliche Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

Auf die Frage, weshalb sie keine technische Schule gewählt habe, meint die Schülerin, „weil ich nicht nur an Physik und Chemie, sondern auch an Sprachen sehr interessiert bin“ und zählt ihre schulischen Sprachfächer auf: Deutsch, Englisch, Latein, Französisch und Spanisch.

Platz 3: Digital Tendon Scoring Tool
HTBLuVA Salzburg

Auch wenn der Riss der sogenannten Achilles-Sehne über den jeweiligen heftigen Schmerz hinaus sogar etwas Sprichwörtliches ist, werden – vielleicht mit Ausnahme dieser kräftigsten Körpersehne dessen „Kollegen“ bisher weniger beachtet. Zumindest ist es recht aufwändig und dauert lange, um (Sport-)Verletzungen von Sehnen zu untersuchen. Theres Resch, Dagmar Müller, Philipp Rolinek, Kathrin Pürstinger und Maria Franek von der Salzburger Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt haben Pionierarbeit geleistet.

Die fünf Schüler:innen erdachten und entwickelten – auf Wunsch der Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) – ein Verfahren, um Sehnenverletzungen schneller zu finden, um sie danach behandeln zu können. Die Jugendlichen kamen darauf, eine Software zu programmieren, die Bilder von Sehen in Bruchteilen von Sekunden analysiert und deutlich sichtbar darstellt. So ist dann für Medizinier:innen leicht zu erkennen, ob alle Kollagenfasern schön gerade parallel verlaufen oder sich in deren Verlauf Biegungen, Knicke oder gar Risse finden.

„Digital Tendon Scoring Tool“ ist baut auf einer A oder KI auf (artificial oder künstliche intelligence/Intelligenz), die automatisch gescannte Gewebeschnitte analysiert. Noch ist das digitale Sehnen-Bewertungs-Werkzeug in einer frühen Probephase – mit Ratten-Sehnen. „Es muss sozusagen auf Herz und Nieren geprüft werden, wir wollen dranbleiben und es weiterentwickeln bis zur Marktreife“, sagen die Teammitglieder Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… und fügen gleich noch ein, „aber es soll jedenfalls open source (also eine allen zugängliche Software) sein“.

Anerkennungspreis: A bogus fish (veganer Lachsersatz)
HTL für Lebensmitteltechnologie Wels (Oberösterreich)

Vom Umstieg auf fleischliche oder fischige Ernährung auf vegetarische oder gar vegane Kost hilft vielen offenbar so etwas wie Ersatzprodukte – von der Form („Würstel“) oder dem Geschmack. Julia Neubauer und Anna Obermair von der höheren technischen Lehranstalt für Lebensmitteltechnologie im oberösterreichischen Wels haben getüftelt und einen Lachsersatz gefunden – den sie der Ehrlichkeit halber „A bogus fish“ (falscher oder gefälschter Fisch) nennen.

„Wir garen Karotten sous vide (lange bei niedrigen Temperaturen) und legen sie dann in eine Marinade ein aus Öl, einem speziellen Räuchersalz, das wir selber kreiert haben, und dazu noch Nori-Algen, Salz und Wasser“, schildert die Erstgenannte und holt mit einem Gäbelchen Kostproben aus einem Glas, das sie auf – natürlich vegane – Brotscheiben legt und Interessierten anbietet.

Das Ganze ist Teil der Produkte der Junior Company, die sie mit Klassenkolleg:innen gegründet haben. „Wir haben auch vegane Hanf-Protein-Cracker.“

Anerkennungspreis: Auswirkung von verschiedenen Musikrichtungen auf das Wohlbefinden und die Legeleistung von Hühnern
BG Vöcklabruck (Oberösterreich)

Ihre vorwissenschaftliche Arbeit im Vöcklabrucker Gymnasium (OÖ) brachte Sarah Auer ins Bundesfinale von Jugend Innovativ. Sie wächst mit ihrer Familie auf einem kleinen Bauernhof auf „und die Hühner waren am Anfang ganz hektisch, durcheinander. Ich beschäftige mich gern mit Tieren und hab mir gedacht, vielleicht kann Musik sie beruhigen.“ Gedacht – getan. Und genau beobachtet. Mikrophon und Wildtierkamera waren ihre Arbeitsgeräte. Und Systematik ihr Mittel zur Untersuchung. Jeweils zwei Wochen beschallte sie die zwölf Hühner zwischen 6 Uhr früh und 12 Uhr Mittag. Dann einige Tage nicht, um schließlich wieder mit Musikberieselung zu starten – dann mit einer anderen Stilrichtung: Klassische Musik von Anton Bruckner, Singer-Songwriterin Ina Regen sowie die Metal-Band „We Blame the Empire“ war die Auswahl an drei verschiedenen Musikrichtungen, die den Hühnern am Vormittag in den Stall gespielt wurde. „Die Klassik hat ihnen am meisten gutgetan“, fasst die Schülerin Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… das Ergebnis ihrer kleinen (vor)wissenschaftlichen  Arbeit zusammen.

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Do it Yourself-Anleitungen für Upcycling programmier(t)en Karim Jonas Gröller, Sascha Hren und Luka Furundžija

Geschäftsideen mit Recycling, Pflanzenwissen, Holz und Vernetzung

Von 56 Anmeldungen in der Kategorie Engineering II schafften’s sechs ins Bundesfinale. Hier werden sie vorgestellt.

Platz 1: RefurbMe
HTBLVA Spengergasse (Wien)

Eine Grünpflanze wächst aus einer Konservendose. Dieses symbolische Ding steht am Stand des Projekts RefurbMe Karim Jonas Gröller, Sascha Hren und Luka Furundžija aus der HTBLVA in der Wiener Spengergasse – neben einem Kunstwerk aus einem alten Buch mit Origami-artig gefalteten Seiten. „Wir wollen Do-it-Yourself-Anleitungen – und zwar Schritt für Schritt – in einer App zur Verfügung stellen, wie aus alten Dingen neues gemacht werden kann“, ist der Grundgedanke des Projekts. „Unsere App ist noch nicht fertig, das soll Ende des Jahres sein“, gestehen sie zunächst dem Journalisten.

Sie wollen die aber gar nicht alleine befüllen. RefurbMe soll community-orientiert sein – jede und jeder kann dann eigene Bastelanleitungen raufstellen – und natürlich alle verfügbaren verwenden. Aber, so das Trio, es sei auch daran gedacht, dass die App wie ein Marktplatz funktionieren kann. Wer will kann dann auch DiY-Anleitungen kostenpflichtig anbieten – 80 % der Einnahmen kommen an den Anbieter, 10 % ans Betreiber-Trio und die restlichen 10% an eine soziale Organisation – ausgewählt von den jeweiligen Anbieter:innen.

Das heißt, die drei Noch-Schüler werken weiter an RefurbMe und gehen „erst online, wenn wir wenigstens einen brauchbaren Pool an DiY-Anleitungen haben, das wird so gegen Ende des (Kalender-)Jahres sein.“

Platz 2: Coming Home Safe
HTL Wien West
Gewann auch den Publikumspreis

Schon einsatzbereit wäre eine App, die drei Schüler:innen der HTL Wien West (vormals Ottakring) programmiert haben. Und was für eine noch dazu! „Coming Home Safe“ will und soll insbesondere Frauen Sicherheit vermitteln, wenn sie auf dem Heimweg Angst haben.

Der gleichnamige Verein, der ein Heimwegtelefon angeboten hat, das mittlerweile vom Land Niederösterreich übernommen worden ist, persönliche Begleitung vermittelt, hatte die Idee für so eine App und wandte sich an diese Schule. Lukas Semler und Benjamin Stauf wollten die Programmierung einer solchen, über die Frauen sich sozusagen tracken lassen, chatten können, als Diplomprojekt übernehmen und holten sich als Expertin dazu eine Schülerin aus der vierten Klasse, Ena Zekić. Für sie, die leider einschlägige Erfarhung hatte, war es gleichsam ein ehrenamtliches Projekt – wie auch die Helfer:innen sozusagen am anderen Ende der Leitung ehrenamtlich arbeiten. Da der Verein noch nach Menschen oder Einrichtungen sucht, die diese Aufgabe übernehmen, kann die App zwar schon runtergeladen werden – https://www.cominghomesafe.at/heimwegapp/ – aber sie funktioniert noch nicht.

Die App ermöglicht nicht nur im Angstfall den Dauerkontakt via Tracking und Chat, sondern verfügt für den Notfall über einen Alarmbutton, der erstens einen lauten, schrillen Ton aus dem Smartphone erklingen lässt und zweitens rasch die Polizei zum Ort des Geschehens lotst

Lukas Hornich Jonas Fußenegger und Raphael Anderle erzählen, dass ihnen die soziale Komponente ihres Projekts noch wichtiger ist als die Produkte selber
Lukas Hornich Jonas Fußenegger und Raphael Anderle erzählen, dass ihnen die soziale Komponente ihres Projekts noch wichtiger ist als die Produkte selber

Platz 3: KEYTAR
HTL Dornbirn (Vorarlberg)

Plektren heißt diese kleinen – abgerundeten – dreieckigen Teile, mit denen viele Gitarrist:innen die Saiten schlagen oder zupfen. Viele Musiker:innen brauchen unbedingt ihr höchstpersönliches Plektron. Damit sie es immer bei sich tragen, haben sich drei Schüler der HTL Dornbirn (Vorarlberg) einen speziellen Schlüsselanhänger ausgedacht, der als Behälter dafür dient. Woraus sich die wortspielerische Mischung aus dem englischen Wort für Schlüssel (Key) und dem lautmalersich einer Guitar ähnlichen Keytar ergab.

Aber, so betonen Lukas Hornich Jonas Fußenegger und Raphael Anderle im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „viel wichtiger noch als die Teile selbst war uns die Zusammenarbeit mit einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigungen.“ Und zwar wollten die drei Schüler einerseits, dass die Gegenstände von Menschen in der lokalen Werkstätte der Lebenshilfe hergestellt werden – aber nicht nur, „wir wollten sie auch einbeziehen in den Prozess der Gestaltung“, so die HTL-4.-Klass‘ler. „Die Leute haben uns gesagt, dass sie meistens nur irgendwas anfertigen müssen, was sonst niemand machen will und nichts mitzureden haben. Wir haben sie von Anfang an in die Ideenfindung eingebunden, wie die Dinge ausschauen sollen.“

Das Trio will übrigens im kommenden Schuljahr weitermachen – mit einer anderen Form von Schlüsselanhängern, die als Box für Kondome dienen können. Daraus könnte vielleicht sogar eine Junior Company werden.

Anerkennungspreis Felerfrei
Holztechnikum Kuchl (Salzburg)

Benedikt Wallner ist „leidenschaftlicher Handwerker“ wie er sich gegenüber Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „outet“. Nicht zuletzt deswegen besucht(e) er das Holztechnikum Kuchl in Salzburg. Gemeinsam mit seiner Mitschülerin Anna Wieland stellte er das Projekt „Felerfrei“ – natürlich bewusst ohne h – auf die Beine. „Kein echtes Holz ist fehlerfrei“, so Wallner, aber es verbreitet immer angenehme Atmosphäre in einem Raum, ergänzt Wieland.

Holz aus alten Möbeln herrichten, schleifen, ölen zu neuen Einrichtungsgegenständen zusammenbauen usw. gehört zu ihrem Projekt – gleichzeitig eine Junior Company – ebenso dazu wie das schier unendlich erweiterbare Regalsystem Mark 7: Bretter mit Löchern an den Seiten, sodass über Metallstangen der nächste Stock oder auch Verbreiterungen möglich sind.
Und, „wir kaufen Möbel, die wir verkaufen, auch zurück, wenn Kund:innen sie nicht mehr wollen oder brauchen. Das ist uns lieber als wenn sie auf dem Müll landen. Dann richten wir sie erneut her.“ Und schon gehen sie wieder in den Wirtschaftskreislauf. Womit „felerfrei“ zu jenen der vielen Projekten bei Jugend Innovativ zählt, das so „nebenbei“ auch auf Nachhaltigkeit setzt.

Anerkennungspreis: Growledge
HBLA Ursprung (Salzburg)

Eine Holzbox, gefüllt mit Erde, eine der Wände ist aus durchsichtigem Plexiglas. Aus der Erde sprießt Kresse, daneben das oberflächliche Grünzeug von Radieschen und daneben Erbsenpflanzen. So zeigen Barbara Langwieder, Celine Kraus, Stefan Piereder und Adam Rainer von der HBLA Ursprung (Salzburg) Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … ihr „Growledge“-Projekt.

So – oder ähnlich – könnte/sollte sie dann in Volksschulen ausschauen. Die vier – und dazu neun weitere Schüler:innen (Matthias Bacher, Johanna Gruber, Thomas Hofer, Lukas Hofer-Moser, Lukas Lusser, Lara Rohrmoser, Jakob Schlick, Jakob Thaller und Elisabeth Zauner) aus ihrer Klasse haben ausgetüftelt, wie sie jungen Kindern Landwirtschaft näher bringen können. Die Klassen kriegen die Kiste, Erde, Pflanzensamen und dazu jede Menge dazu passender Arbeitsblätter, Spiele und Rezepte für das Gemüse.

Übrigens die am ersten Tag im Jugend Innovativ-Finale nicht anwesenden Schüler:innen holten gleichzeitig beim Landesfinale des Junior-Company-Bewerb den Sieg und damit den Einzug ins Bundesfinale des Wettbewerbs der Schüler:innen-Firmen.

Die Aufgaben und Rätsel sollen/wollen Wissen rund um die Pflanzen und die Erde (in diesem Fall nährstoffreicher Kompost), das Wirken von Regenwürmern – nein, solche sind nicht dabei – vermitteln. Und dazu das sinnliche Erlebnis, den Pflanzen beim Wachsen in der Klasse zuschauen zu können – aber auch darauf zu achten, wie oft sie gegossen werden müssen usw.

Das „Growledge“-Pflanzenkistl ist ein praktisches Projekt aus dem Betriebswirtschaftsunterricht, die Jugendlichen haben dafür eine Junior Company gegründet und bereits 14 dieser Pflanz- und Lern-Kisten à 75 Euro an Schulklassen verkauft.

Anerkennungspreis: Helpers – connect and help
HTL Dornbirn (Vorarlberg)

„Hey ihr, ich bin grad einkaufen, braucht wer was, das ich mitnehmen kann?“ Oder umgekehrt: „Ach, die Milch ist sauer, ist wer grad beim Einkaufen und könnt mir eine frische mitbringen?“

So oder ähnlich könnten die Nachrichten in der „Helpers“-App lauten. Elias Purin, Noah Auer und Damian Schneider, Schüler der vierten Klasse in der HTL Dornbirn haben den Prototypen dafür innerhalb von 48 Stunden bei den Innovation Days in Vorarlberg entwickelt. Die App unter dem Motto „helpers – connect and help“, die sie weiterentwickeln und dann wirklich on air schicken wollen, soll einfach Communitys ermöglichen Einkaufslisten zu erstellen und zu teilen. Ein „Hinter“gedanke dabei: So könnten auch ganz schön viele Auto-Kilometer und damit CO2 gespart werden.
Angedacht sind Zusatzfunktionen wie ein Punktesystem mit Boni, Online-Bezahlung und die Einbindung von Handelsunternehmen, die in der „Unterwegs“-Phase schon einmal alles herrichten könnten.

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Szenenfoto aus "Montagskinder"

Spielfreudige Warnung vor digitaler Dystopie

„Jeder Wappler wird ein Held, wenn er in den Bio-Adapter fällt“, ertönt es unter anderem aus dem Off bevor das Stück „Montags Kinder“ auf der großen Bühne im Dschungel Wien beginnt.

Der Titel hat nichts mit dem Wochentag zu tun, sondern mit dem Nachnamen der Hauptfigur in Ray Bradburys dystopischem Roman „Fahrenheit 451“, in dem er führender Feuerwehrmann für die Verbrennung von Büchern ist, sich aber zunehmend davon distanziert. Nun ist er Familienvater im digitalen Zeitalter.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Montagskinder“

Fahrenheit 451 – Zwei punkt null

Bücher werden nicht mehr verbrannt, aber verbannt – die aus Papier. Die digitalen Bücher sind zensuriert. Seine Frau Linda ist Fan des total vernetzten, kontrollierten Zeitalters ebenso wie eines der drei Kinder, Babbage. Die anderen beiden Ada und Benjamin hingegen hassen das Eintauchen via VR-Brillen in die virtuelle Welt, besonders Ada ist eine absolute Anhängerin gedruckter Bücher. Aber nur, wenn alle in einer Familie andauernd online sind, können sie in die Liga der Auserwählten auf- und in den Bio-Adapter einsteigen. Der erfüllt alle Wünsche und Sehnsüchte…

Der Bioadapter wurde ins Spiel gebracht, weil es schon in den 60er Jahren eine „Vision“ von Oskar Wiener dazu gab, in einen Anzug zu steigen, der mit genau diesem Titel Wunscherfüllung ermöglicht – oder vorgaukelt? Im Stück wird dafür der Werbeslogan „happy pepi – connect me“ erfunden.

Diese szenische Kritik an einer drohenden digitalen Dystopie hat die künstlerische Leitung der Gruppe „Die schweigende Mehrheit“ gemeinsam mit rund einem Dutzend Kindern und Jugendlichen gemeinsam erarbeitet. Stück für Stück wurde über Inhalte diskutiert und diese in Szenen „verwandelt“. Eine konzentrierte kurze Fassung war bereits im vergangenen Kultursommer in Wien zu sehen und erleben. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hat damals darüber berichtet und mit Beteiligten Interviews geführt – Links zu diesen beiden Beiträgen unten am Ende des Beitrages.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Montagskinder“

Spielfreude und gewachsenes Selbstbewusstsein

Nun gab’s eine Aufführungsserie im Theaterhaus für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier – kijuku.at konnte leider erst die letzte Vorstellung besuchen. Wenngleich an manchen Stellen ein bisschen gar fast Zeigefinger-lehrhaft warnend vor zu viel Digitalisierung, kennzeichnet die Stunde sehr viel Spielfreude der jungen Schauspieler:innen und im anschließenden Publikumsgespräch doch der nochmals dezidierte Hinweis, jede und jeder ist Schmied:in des eigenen Umgangs mit den Mitteln der vernetzten Welt. Und überdies erzählten zwei der sehr jungen Darsteller:innen, wiesehr die Arbeit am Stück und das Spiel vor Publikum ihr eigenes Selbstbewusstsein enorm gesteigert habe. Und zu Gefahren, Umgang und mehr Wissen in Sachen Überwachung, Vernetzung, Digitalität verweist „Die schweigende Mehrheit“ vor allem auf Materialien von epicenter – Link in der Info-Box.

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Alexander Pichler, David Geiler, Max Rohracher, Emma Tagger, Marie Rohracher, Tim Klinger und Johanna Keil mit ihren vielfältigen Fußbällen und Teilen dafür

Unendlich viele Formen für Fußball-Teile und Bewegungen, die Töpfe zum Kochen bringen

Von 50 Anmeldungen in der Kategorie Design schafften’s fünf ins Bundesfinale. Hier werden sie vorgestellt. Die Jury vergab in dieser Kategorie – nicht zum ersten Mal – zwei 2. Preise, weshalb damit der dritte Platz ausfiel. Alphabetisch – nach Projektname – sind sie hier vorgestellt.

Platz 1: Was haben Fußbälle mit Nanotechnologie und Architektur zu tun?
BG/BRG Lienz (Tirol)

Fußbälle bestehen meist aus 5- und 6-Eck-Flächen. Aber muss das sein? Nein, gar nicht, nicht einmal gerade Linien braucht’s um aus vielen Elementen einen runden Ball zusammen zu bauen. Das war am Stand der Jugendlichen aus dem Lienzer (Osttirol) Gymnasium und Realgymnasium zu sehen. Aus unterschiedlichsten – 3D-gedruckten Teilen bauen sie sozusagen als 3D-Puzzles runde Bälle zusammen, darunter ist auch ein Ball aus Teilen mit geschwungenen Linien, den sie „Schlangenball“ nennen.

Alexander Pichler, David Geiler, Max Rohracher, Emma Tagger, Marie Rohracher, Tim Klinger und Johanna Keil erzählen Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… aber, dass sie darauf nicht bloß aus Spielerei gekommen sind, sondern sich dabei von den Formen der Kohlenstoff-Moleküle inspirieren haben lassen. Und aus den 8-, 6- und 4-eckigen Formen mit Kappen von Ecken bzw. Ersetzen gerade Linien durch Viertelkreise so darauf gestoßen sind, „dass es unendlich viele mögliche Formen gibt, aus denen einen Kugel zusammengesetzt werden kann“.

Somit verbanden die sieben Schüler:innen Wissen und Erkenntnisse aus Darstellender Geometrie, Nanotechnologie, die sich viel von kleinsten Atomen und Molekülen abschaut und Kunst, speziell den Bereich der Architektur miteinander. Was die Jury begeisterte.

Platz 2: Körper als Medium
die Graphische (Wien)

Helena Vancura, Schülerin der Grafik-Klasse in der berufsbildenden höheren Schule „die Graphische“ (Wien) ist zeitgenössische Tänzerin. Ihre beiden Schulkolleginnen Miriam Kandera und Ida Kieslinger aus der Foto-Klasse und sie präsentierten – nicht nur bei Jugend Innovativ im Finale – ihr Projekt „Körper als Medium“.

Dutzende künstlerische, durchkomponierte Fotoshootings – in freier Natur und indoor – verwob das Trio zu einem spannenden, interessanten Buchband. Der beinhaltet nicht nur die beeindruckenden Fotos, Kombinationen von Tanzbewegungen und der sogenannten Labanotation – dem grafischen Festhalten von Choregrafien, wie sie Rudolf Laban erfunden hat -, sondern auch so manch poetischen Text, Gedanken zu und rund um Tanz. So schreiben die Jugendlichen etwa im Abschnitt „tanzende Drachen im Wind“ eingangs: „Du musst einem Drachen vertrauen, dass er von selber ganz hinauf will… ohne dich existiert der Drache auch, er ist nur ein bunter Stofffetzen, der nicht fliegen kann. Es braucht Mut und Willenskraft, den Drachen in die Luft zu werfen, und er wird hoch hinauffliegen…“

Der Brandstätter Verlag hat 15 Exemplare für die drei Schülerinnen gedruckt – für ihre Präsentationen in der Schule und bei Bewerben. Vielleicht folgen – bei entsprechendem Interesse – ja eine richtige Auflage, die verkauft wird.

Platz 2: Ganzkörpersportgerät
HTBLuVA St. Pölten (Niederösterreich)

Ein Sportgerät für zu Hause, das mehr oder minder den ganzen Körper und (fast) all seine Muskeln beansprucht und trainiert aber obendrein gut ausschaut, eine Art Designerobjekt ist und nicht im letzten Winkel verräumt werden muss – das war die Idee, die Kilian Lampl, Philipp Neuwirth und Anton Mayr von der St. Pöltner (NÖ) höheren technischen Lehr- und Versuchsanstalt hatten.

Vorweg: Es gibt es noch nicht, „nur“ virtuell, aber voll ausgetüftelt, berechnet und sogar 3D-visualisiert via VR-Brille.

Bevor sie aber das Gerät entwickelten und am Computer konstruierten und designten, befasste sich das Trio ausführlich mit verschiedensten Sportarten – recherchierte dazu wissenschaftliche Grundlagen und im Vergleich entschieden sich die drei Schüler dann für eine Art Kajak-Rudermaschine. Die Bewegungen sollen geführt werden, damit die Trainierenden nichts falsch machen oder sich gar verletzen.

In der Folge begannen sie mit den digitalen Konstruktionszeichnungen. Das Ding lässt sich so einklappen, dass es sogar unter einen Tisch passt. Und schaut – sowohl in den auf Rollups gedruckten Detailzeichnungen als auch via VR-Brille elegant aus. „Nun wollen wir nach der Schule probieren, ein Star-Up zu gründen, um unsere Idee zu realisieren“, sagen sie zu Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…

Anerkennungspreis: Konstruktion und Design eines Jetboards
HTBLuVA St. Pölten

Ja, Jetboards – auch solche mit E-Motor, also strombetrieben, gäbe es schon, so gestehen Florian Hofbauer und Paul Gradinger auf die erste Frage von Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…, ob es sich bei ihrer Erfindung wirklich um was Neues handle. „Aber“, so das Duo aus der HTBLuVA St. Pölten (Niederösterreich) „wir wollen das Sportgerät optimieren – längere mögliche Jet-Zeit übers Wasser und trotzdem erträgliches Akku-Gewicht.

Noch haben die beiden keinen Prototypen gebaut, aber getüftelt – und in Kooperation mit einem Unternehmen, das bereits einen Jet-Ski produziert – ihr sozusagen strombetriebenes Surfbrett digital komplett durchkonstruiert und sich eine entsprechende Bauweise ausgedacht.  

Anerkennungspreis: Der Topf rührt um? – Theorien zur Entstehung sozialer Bewegungen
HTBLuVA Salzburg

Klingt/liest sich ungewöhnlich, aber die vier Schülerinnen beteuern, am Beginn ihres Projekts „Der Topf rührt um“ stand tatsächlich der Traum einer von ihnen, von Lena Eder. „Ja, ich schreib mir immer Träume auf“, so sagt sie zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … am Bundesfinal-Stand von Jugend Innovativ. „Nein, es war nicht das Projekt von dem ich geträumt habe oder auch die Graphic Novel, die wir gemacht haben, aber wirklich dieser Titel.“

Eder erzählte von dem Traum-Titel ihren Klassenkolleginnen Michaela Bzonek, Elisa Hirnsperger und Antonia Köhnlein. „Es ist eine gute Metapher“, waren sich alle vier schnell einig, was damit zusammenhing, dass wenige Tage vorher im Unterricht Stilmittel durchgenommen worden waren.

Metapher aber wofür – da drängte sich bei den vier Jugendlichen der HTBLuVA bald Fridays For Future und andere soziale Bewegungen auf. Andere Bewegungen fielen ihnen rasch ein, etwa Black Lives Matter. „Aber wir wollten mehr, nicht nur Bewegungen beschreiben, sondern haben auch zu Theorien über die Entstehung verschiedener sozialer Bewegungen und auch ihre Geschichte recherchiert.

Klar war den vier Schülerinnen bald, dass am Ende eine Graphic Novel stehen sollte, eine insbesondere bei Jugendlichen populäre Form des Darstellens und Lesens.

Und so teilten sie sich Epochen und Bewegungen auf: Souffragetten, Antisemitismus, Bürger:innenrechts-Bewegung/USA, 68er/Westdeutschland, Hongkong und damit Bewegung im Zeitalter der Digitalisierung. Zu der Darstellung der entsprechenden Theorien und realer Persönlichkeiten haben sich die Schülerinnen jeweils auch fiktive Protagonist:innen ausgedacht. Im Wesentlichen – sicher nicht zuletzt aus Kostengründen – ist das Buch schwarz-weiß gehalten, nur wenn die jeweilige Bewegung stark kocht, kommt orange als Signalfarbe ins Spiel.

Auf ihrer eigens zum Projekt eingerichteten Homepage – https://dtru.poseins.com -kann das Buch nicht nur bestellt werden, dort finden sich auch Hoch- und Tiefpunkte aus dem Schaffensprozess an der Graphic Novel bzw. dem Projekt insgesamt. Außerdem finden sich zwei Videos, die Abschnitte aus dem Buch als Animationen in Bewegtbildern an-teasern.

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Faruk Alıcı, Moritz Burtscher und Simon Köck mit ihrem kleinen, handlichen EKG-Messgerät

Kleines handliches EKG-Gerät und Tinder für Haustiere bzw. Elektro-Schrott

Zwei der Finalprojekte in der Kategorie ICT & Digital setzen darauf, das Internet und seine Mittel genau dafür einzusetzen, worauf viele mit seiner Erfindung schon gehofft haben: Auf Ver-Netz-ung. Von 94 Anmeldungen in der Kategorie ICT & Digital schafften’s sechs ins Bundesfinale. Hier werden sie vorgestellt.

Platz 1: HerartChart
BHAK/BHAS Feldkirch (Vorarlberg)
PLUS: Einladung zur Luxembourg International Science Expo – Young Scientist Festival 2023

Als Simon Köck mit Verdacht auf Herzmuskel-Entzündung mehrmals ein EKG vornehmen lassen musste und er im Krankenhaus stundelang darauf warten musste, war der Grundstein für sein Diplomprojekt gemeinsam mit Moritz Burtscher und Faruk Alıcı von der Feldkircher Handelsakademie (Vorarlberg) geboren. Wäre doch viel einfacher – nicht nur für ihn als Patienten – wenn er seine Herzströme zu Hause oder wo auch immer unterwegs messen und die Daten an Ärzt:innen übermitteln könnte – und erst bei Bedarf zur Befundbesprechung müsste.

Es gibt zwar sogar wie Fingerkuppen-Sensor und Smart-Watch diese Möglichkeit, „die ist aber nicht so genau, Sie müssen denken, zwischen Herz und Fingerkuppe liegt doch eine Wegstrecke ;)“, sagt das Trio als es sein kleines, handliches Kästchen vorstellt (Gehäuse aus dem 3D-Drucker). „HeartChart“, wie die Schüler ihre Entwicklung nennen zu der sie mittlerweile auch eine Homepage, ein Logo und Pins mit demselben haben, erfasst mittels Drei-Kanal-Kurzzeit-Ruhe-EKG – Abnehmer direkt auf der Brust – den Herzrhythmus der Person, die es trägt. Die Daten werden via Bluetooth ans Handy gesendet. Der HeartChart-Server wertet sie binnen zehn Sekunden aus, und können für behandelnde Ärzt:innen für deren Zugriff freigegeben werden.

Derzeit verfügbare kleine EKG-Geräte „haben keine Analyse integriert: d.h. es wird dem Benutzer/ der Benutzerin nur das EKG ohne Analyse angezeigt“, erklärt Simon Köck, „unser Produkt hat somit den Vorteil, dass auch medizinische Laien ein solches EKG auswerten lassen können.“

Die Stromversorgung erfolgt über einen Akku. Köck und Burtscher wollen einschlägig weiter studieren – an den Technischen Unis Graz bzw. Wien Biomedizintechnik oder ähnliches und möglicherweise würde eine Bachelor-Arbeit zur Weiterentwicklung bis zur Marktreife führen können. Der Dritte im Bunde, Alıcı, leistet zunächst einmal seinen Zivildienst und kann sich vorstellen, danach Medizin-Informatik zu studieren

Platz 2: MatchYourPet
BHAK Waidhofen/Thaya (Niederösterreich)

Nicht Dinge, sondern Tiere und Menschen wollen Carina Pöppl und Georg Schlager aus der Handelsakademie im Waldviertler Waidhofen an der Thaya zusammenbringen. Warum gerade aus Tierheimen?

Nun, nach Ende der Pandemie landete wieder viele Vierbeiner in solchen Unterkünften, aus denen sich so manche Menschen in den Lockdown-Phasen Tiere „als Rechtfertigung fürs Spazierengehen zugelegt hatten“. Und über diese Matching-Site sollen sich dauerhafte neue Tier-Begleiter:innen finden.

Ihr Diplomprojekt wollen die beiden über den Sommer noch praxistauglicher machen und – wie sie kijuku.at sagen – „im ersten Quartal des nächsten Jahres an den Start bringen und Investoren suchen, um ei eigenes Start Up zu gründen“.

Platz 3: Document Dataset Synthesizer
HTBLA Grieskirchen (Oberösterreich)

Tim Peko und Dominik Wernsdorfer aus der HTBLA im oberösterreichischen Grieskirchen entwickelten – gemeinsam mit ihrem Schulkollegen David Rathmair – für eine Linzer Datenfirma den „Document Dataset Synthesizer“. Die komplizierten Wörter erklären die beiden Erstgenannten dem Journalisten so: „Die Firma opta data macht unter anderem die Krankenkassa-Abrechnungen für medizinische Leistungen. Die kriegen von den Ärztinnen und Ärzten oder aus anderen Gesundheitseinrichtungen ausgefüllte Formulare und eine KI (Künstliche Intelligenz) soll die einlesen. Jetzt schaut aber zwar jedes Formular gleich aus, wird aber sicher immer verschieden ausgefüllt. Manche handschriftlich, andere computerausgefüllt, die Schriften sind unterschiedlich. Manchmal am Rand, dann in der Mitte der Felder und so weiter. Wir haben eine Software programmiert, die möglichst viele unterschiedliche Trainingsdaten erzeugt, damit die KI das auslesen lernen kann. Derzeit haben wir eine Million verschieden ausgefüllter Formulare.“

Die von dem Grieskirchner HTL-Trio programmierte Software kann auch Modifikationen solcher Formularfelder vornehmen.

Anerkennungspreis: Coll.E.W – Collect E-Waste
TGM – die Schule der Technik (Wien)

Aleksandar Latinović, Jan Langer, Paul Schadauer, Patrick Stadt und Johannes Wustinger aus der Schule der Technik, vormals Technologisches GewerbeMuseum von wo noch die Abkürzung stammt, wollen Menschen, die elektronischen Schrott – alte Handys, Laptops, Computer, digitale Kameras oder was auch immer – loswerden wollen, mit Unternehmen zusammenspannen, die genau diese Gegenstände zerlegen, wertvolle Teile und Materialien entnehmen und für Re- und Upcycling verwenden und verwerten wollen.

Die Website und die dazugehörige App sind in einer Prototypen-Version fertig, aber noch nicht on air. Einerseits wollen die fünf demnächst Maturanten noch Feinschliffe vornehmen und andererseits nicht zuletzt auch einige Partnerfirmen an Land ziehen, damit der Austausch auch von Anfang an funktionieren kann.

Das ist sozusagen ein Win-Win-Win-Projekt, denn gewinnen werden jene, die das Klumpert los werden wollen, jene, die die Rohstoffe und Teile verwerten können – und last but not least die Umwelt, weil weniger Müll entsteht.

Anerkennungspreis: Neurologie
TGM – Die Schule der Technik (Wien)

Wie hoch ist die Überlebens-Chance nach einem Schlaganfall – und zwar bei welcher Behandlungsmethode. Dafür interessierten sich Dominik Bosnić, Felix Kampas, Alexander Zmugg und Philip Damianik, der beim Finale nicht dabei sein konnte) vom Wiener TGM (Technologisches GewerbeMuseum, heute „Die Schule der Technik“) im Projekt „Neurologie“. „Wir haben echte Daten (natürlich anonymisiert) von der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft bekommen, diese analysiert und daraus Überlebens-Wahrscheinlichkeiten berechnet“, erzählen die Schüler Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

In Zusammenarbeit mit Neurolog:innen wurden für diese Berechnungen von rund 200 möglichen Parametern die elf wichtigsten herausgefiltert und das entsprechende Computerprogramm von den Jugendlichen entwickelt. Unser System wirft dann vier Varianten der Überlebens-Wahrscheinlichkeit aus – von geringer, wenn nichts getan wird bis zu drei verschiedenen bei unterschiedlichen Behandlungsmethoden.

Auch nach der Matura wollend die dann nicht mehr Schüler dran bleiben, um ihr System laufend zu verbessern wozu auch die Vergrößerung des Datenpools zählen würde.

Anerkennungspreis: Trailer-Buddy
HTL Mössingerstraße (Klagenfurt, Kärnten)

In der HTL Mössingerstraße (Klagenfurt, Kärnten), aus der es in diesem Jahr übrigens gleich vier Projekte ins Bundesfinale geschafft haben (drei in Engineering II) kommen Hannes Gietler und Paul Mikosch (der in der Finalwoche erkrankt war und daher nicht dabei sein konnte). Die beiden haben eine einfache Lösung für einen Einparkhilfe für PKW mit Anhänger geschaffen. Ein kleines Kastl, vielmehr in echt vier Stück hinten und seitlich mit Abstands-Sensoren werden per Magnet am Ende des Anhängers angebracht, per Funk und damit drahtlos werden die Daten an ein Anzeigenmodul übermittelt. Dieses stellt der Fahrer/die Fahrerin neben das Lenkrad, sieht und hört ständig, ob genügend Platz – seitlich und hinten – ist, ob’s geht bzw. noch zurückgefahren werden kann. Dieser „Trailer-Buddy“, den die beiden entwickelt haben, ist somit flexibel, „es ist ein Prototyp, der so rund 150 € kostet, im Vergleich zu einem Schaden, oft auch nur Kratzer, zahlt’s sich schon aus“, so Gietler zu Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…

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Johann Markus Wernig, David Riedl und Michael Kotschnig stellen ihren automatischen Schikantenschleifer vor

Vom automatisches Schikantenschleifer bis zur schlauen Luft- und Bodenmess-Station

Von 80 Anmeldungen in der Kategorie Engineering II schafften’s sechs ins Bundesfinale. Hier werden sie vorgestellt.

Platz 1: Automatischer Schikantenschleifer
HTL Mössingerstraße (Klagenfurt, Kärnten)
PLUS: Einladung zu EUCYS (European Contest for Young Scientists) im Herbst 2023 in Brüssel

Johann Markus Wernig, David Riedl und Michael Kotschnig haben vor sich auf dem Tisch einen Schi liegen – in einer Halterung. Und darauf ruht ein mechanisches Teil. Ein „automatischer Kantenschleifer“ wie sie ihr Projekt nannten, mit dem sie die Klagenfurter (Kärnten) HTL Mössingerstraße – aus der es heuer vier ins Bundesfinale geschafft haben – abschließen.

„Du kannst deine Kanten entweder in einer riesengroßen Maschine in einem Sportgeschäft schleifen lassen oder es selber mit einer Feile machen – dazu brauchst du ziemlich viel Geschick und gleichmäßig wird’s fast nie“, schildern die drei leidenschaftlichen Skifahrer sozusagen den Ausgangspunkt für ihr Projekt. Und ergänzen: Dadurch dass immer mehr Pisten kunstbeschneit sind, der härter ist und leichter vereist, sind gute Kanten zunehmend wichtig.

So wie es jetzt da steht oder liegt, so gestehen die drei gerade noch Schüler, sei das Gerät, das gleichzeitig und damit gleichmäßig beide Kanten, noch nicht sehr praktikabel. Aber funktionstüchtig. Zwei gegenüberliegende Schleifscheiben werden durch kleine, akkubetriebene Elektromotoren auf einem mechanischen Gestänge angesteuert. Die Akkus lassen sich über ein kleines Solarpanel netzunabhängig aufladen. Angepasst an die Taillierung des Schis liegen die Scheiben immer perfekt ausgerichtet an den Kanten an. Ein Knickgelenk in der Mitte sorgt dafür, dass es auch um die Kurve gehen kann.

„Wir werden sicher auch nach der Matura privat daran weiterarbeiten, die Teile kleiner bekommen und Abdeckungen schaffen, sodass es wirklich gut transportabel wird, kündigt das Trio die Weiterentwicklung an.

Platz 2: Bandsägewerk
HTBLA Eisenstadt (Burgenland)

Neben dem Laptop und Flyern liegen drei Holzklötze auf dem Tisch der vier HTL-Schüler aus Eisenstadt. Ein heller, ein sehr dunkler und ein nicht ganz so dunkler Holzklotz symbolisieren drei Arbeitsschritte – hobeln, flämmen, bürsten. „Und diese Arbeitsschritte kann das von uns entwickelte Bandsägewerk in einem“ erklären Jakob Bauer, Luca Gruber, Manuel Medwenitsch und Manuel Milalkovits dem neugierigen Journalisten, der wissen wollte, was das Innovative an ihrem Sägewerk ist.

Außerdem ist ihr Sägewerk ein fast kleines, handliches, jedenfalls mobiles – dazu zeigen sie eine weitere Computergrafik in der das Gestell, auf dem Baumstämme bis zu einem Durchmesser von 65 Zentimetern und einer Länge von 4 Metern be- und verarbeitet werden können, noch Autoreifen drauf hat. Mit einer eigenen Vorrichtung kann es an einen LKW angehängt werden.

Platz 3: LEVI – Levitating Scale
HTBLuVA Salzburg

Aufs erste fällt das Besondere an dieser hängenden Waagschale gar nicht auf. Dazu steht die Vorrichtung ein bisschen zu tief, aber in die Hocke gehen – oder auf das Trickreiche warten, dass eine/einer aus dem Trio Thomas Greimel, Sophie Öttl und David Pollanz mit den Fingern oder einer bunten Spielfigur zwischen vermeintlicher Aufhängung und dem Querbalken durchfährt. Denn – die Waage schwebt.
Kein Zaubertrick, sondern einfach Physik: Mit Elektromagneten und Mikrocontrollern bleibt die Schale in der Luft.

Es ist aber mehr als eine physikalische Spielerei, erklärt das Trio aus der HTBLuVA Salzburg dem Journalisten. „Im Weltraum könnte man ohne so einer Waage gar kein Gewicht messen“, lautet die erste Erklärung. Und auf die Bemerkung, dass auf der Raumstation sicher nicht so oft etwas gewogen werden müsste, kommen aber auch irdische praktische Beispiele. Die herkömmliche daneben auf dem Tisch stehende Waage zeigt ganz leichte Dinge viel ungenauer an als die schwebende Waage aus deren englischer Bezeichnung die Schüler:innen das Kürzel LEVI genommen haben, „die ist viel empfindlicher“ sagen sie und die Anzeige gibt die geringe Grammanzahl samt zwei Kommastellen an.

Weil es in dieser Kategorie erstmals sechs Projekte ins Bundesfinale geschafft haben, gab es neben den drei Erstplatzierten noch drei – nicht gereihte – Anerkennungspreise, die hier nach alphabetischer (Projektname) Reihenfolge vorgestellt werden

Anerkennungspreis: Blackout-Simulator
HTL Mössingerstraße (Klagenfurt, Kärnten)

Was müsste alles passieren, damit der Strom komplett ausfällt, es zappenduster wird, kein Computer oder was auch immer funktioniert und so weiter wäre. Und wie könnten die Stromnetze wieder hochgefahren werden? Christian Gerold, Silvana Oberhauser und Dominik Mitterfellner zeigen Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… den Blackout-Simulator, den sie an der HTL Mössingerstraße in der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt gemeinsam mit ihrem Kollegen Florian Ortner programmiert und designt haben.

Natürlich haben die Verantwortlichen bei den österreichischen Netzbetreibern ähnliche Simulationen und Programme, die sicher bewusst geheim sind. Nach Recherchen bei der Austrian Power Grid, der Betreiberin des österreichischen Übertragungsnetzes, bauten die vier genannten Schüler:innn das Simulationsprogramm, bei dem versucht und gespielt werden kann, welche Abschaltungen welche Auswirkungen hätten. Es gibt aber auch eine Option den Mix der Energie-Erzeugung zu verändern, etwa mehr Sonnen- und Wind-Strom usw.

„Wir haben aber auch ein Hardware-Modul gebaut – Großer Touchscreen auf einer Stange und einem Untersatz auf Rädern – für den Einsatz in Schulen oder auf Messen. Da wir mit dem Zug angereist sind, war’s zu groß und schwer es hierher nach Wien zu bringen“, so die Blackout-Simulator-Entwickler:innen.

Das Trio beim JI-Finale in Wien träumt davon, „mehr solcher Teile produzieren zu lassen und zu verkaufen für Bildungszwecke.“

Anerkennungspreis: Drone Landing and Maintenance System (DLMS)
HTL Mössingerstraße (Klagenfurt, Kärnten)

Vor einem weiteren Projekt-Trio im 36. Bundesfinale von Jugend Innovativ liegt oder steht – was ist hier wohl angebracht? – eine Drohne.
Ach ja, und?
Natürlich darf sie hier in dieser Halle nicht fliegen, selbst davor nicht – dazu bräuchte es Sondergenehmigungen. „Aber für Klagenfurt haben wir die“, beteuern Jonas Granig, Gianna Mendoza und Maximilian Binder bevor sie zu schildern beginnen, was das Innovative an ihrer Drohne ist. Also nicht am Fluggerät selbst, sondern das von ihnen programmierte „Drone Landing Maintenance System“ (DLMS), das sie In Kooperation mit dem berühmten Halbleiter-Hersteller Infineon entwickelt haben. „Unsere Drohne wird ständig mit Telemetriedaten gefüttert und landet punktgenau. Etwas, das heute generell noch eine Schwierigkeit bei autonom fliegenden und nicht händisch gesteuerten Drohnen ein Problem ist.

Anerkennungspreis: Smarth Agriculture Observation System
HTL Mödling (Niederösterreich)

Das erste Wort im Projekttitel von Sebastian Anderseka, Elias Flammer und Josua Marth ist kein Tippfehler; du hast vielleicht anhand des zuletzt genannten Namens vielleicht schon erkannt, dass es sich um ein Wortspiel aus der englischen Bezeichnung für schlau und Josuas Nachnamen handelt. Seine Familie betreibt einen Bauernhof im Südburgenland. Er und seine beiden Kollegen haben an der HTL Mödling (Niederösterreich) ein umfassendes, robustes, dauerhaftes Mess-System für alle in Frage kommenden wichtigen Daten entwickelt und einen Prototyp gebaut.

In der rund 3,2 Meter langen Stange – „sie soll ja auch noch auf einem Maisfeld rausschauen“ – befinden sich die unterschiedlichsten Sensoren. Temperatur, Witterung, Bodenfeuchtigkeit, pH-Werte usw. werden täglich zwei Mal gemessen und automatisch übermittelt. „Und das langfristig. So kann auch leicht geschaut werden, wo sich welche Pflanzen am wohlsten fühlen und sie daher ge- oder gegebenenfalls versetzt werden, wo wann wieviel bewässert werden muss oder noch Dünger nötig ist …“

So müssen die Landwirt:innen nicht täglich zu ihren Feldern fahren, um Nachschau zu halten – spart „nebenbei“ Schadstoff-Ausstoss und Benzin/Diesel oder auch Strom bei einem E-Fahrzeug.

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Paul Gasselseder, Lukas Feuchtl, Philipp Grömer und Matthias Feitzinger mit ihrem "Vorflügel"-Modell

Vom Vorflügel bis zum Exo-Skelett

Von 72 Anmeldungen in der Kategorie Engineering I schafften’s fünf ins Bundesfinale. Hier werden sie vorgestellt.

Platz 1: Vorflügel für Segelflugzeuge
HTBLA Eisenstadt (Burgenland)

Den wohl längsten und kompliziertesten Titel aller 40 Projekte, die ihre Projekte im aktuellen Bundesfinale von Jugend Innovativ – 38 Finalist:innen plus zwei zusätzlich für den Sonderpreis Vorarlberg – vorstellten, wählten vier Schüler der höheren technischen Lehranstalt Eisenstadt. Hinter „Research and development of a slat to improve the flight characteristic for a highperformance glider” (Forschung und Entwicklung eines Vorflügels zur Verbesserung der Flugeigenschaften eines Hochleistungsseglers) steckt der Weg, Segelflugzeuge schneller, leichter und besser starten und landen lassen zu können.

Dafür forschten und vor allem berechneten Paul Gasselseder, Lukas Feuchtl, Philipp Grömer und Matthias Feitzinger in mathematischen Simulationen mehr als 4000 Varianten wie vor dem Flügel ein beweglicher Vorflügel und am Ende eine Wölbung dessen Eigenschaften verbessert. Die Ergebnisse ihrer Berechnungen „gossen“ die vier Schüler in drei verschiedene Modell-Flügel, die sie im Windkanal testeten und ein daraufhin – ausschließlich digital konstruiertes – Segelflugzug mit diesen neuartigen Flügeln konnten sie von einem Supercomputer des Vienna Scientific Cluster an der Wiener Technischen Uni durchtesten lassen.

„Unser Plan ist es, nun Firmen zu finden, mit denen wir kooperieren können und die unsere Erkenntnisse auch wirklich bauen“, sagen sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

Ach ja, dieses Projekt brachte dem Quartett den Sieg in der Kategorie Engineering I ein.

Platz 2: Lock N Ride
HTL Rennweg (Wien)

Parndorf und Bruckneudorf – beide im Burgenland – sind die Heimatorte von Leon Mramor und Bruno Kattinger. Die beiden besuchen in Wien die HTL Rennweg. Den Weg von zu Hause zum Bahnhof – und am Abend retour legen sie mit Fahrrädern zurück. Auch ihr Kollege Lukas Bernhard nutzt das Fahrrad – für den Weg zur gemeinsamen Schule. Zwei des Trios hatten schon schlechte Erfahrung mit dem Diebstahl ihrer fahrbaren Untersätze.

Das war der Ausgangspunkt für ein ausgetüfteltes Fahrrad-Schloss-System. Am Bahnhof, in einer Schule, vor einem Unternehmen oder wo auch immer errichten die Betreiber:innen massive Säulen mit massiven Ketten, die dort einge-lockt werden. Öffnen und Schließen funktioniert über das „Hirn“ Hubmagnet, Leistungstransistor, Mikrocontroller, RFID-Lesegerät) der Radschloss-Säulen mittels eines Chips. Die Stromversorgung könnte – so ein Ergänzungsvorschlag des Trios – über ein Solarpaneel etwa an einem kleinen Dach über den Radabstellplätzen erfolgen.

Platz 3: KEBA Spritzguss-Simulator
HTBLA Neufelden (Oberösterreich)

Nein, Lego-Steine spuckt die große Maschine nicht aus vor der und rund um die Viktoria Mahringer, Tobias Mittermair, Thomas Rabeder und Elias Reisinger aus der HTL im oberösterreichischen Neufelden herumwuseln und den Wissbegierigen erklären, was sie wirklich kann. „Das ist die Simulation für eine Spritzgussmaschine“, beginnt die Erstgenannte dem Journalisten zu erklären. „Sie kann nichts produzieren, weil das hier – und dabei deutet sie auf eine Stelle an der eine Metallspirale zu sehen ist – nicht offen sein dürfte. Außerdem würde hier auch zu große Hitze entstehen. Die Maschine dient zu Schulungszwecken.“

„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens Keba für das die Schüler:innen diesen Simulator entwickelt haben, können leichter und anschaulicher auf die Bedienung eingeschult werden als würde das nur in digitalen Zeichnungen erfolgen“, ergänzen die Kollegen aus dem Team. Und da Keba Zubehör für Spritzgussmaschinen herstellt, kann anhand des Simulators die Funktionsweise auch anschaulich den (potenziellen) Kund:innen vorgeführt werden.

Übrigens: Die Kunststoffteile des Simulators stammen aus dem 3D-Drucker.

Anerkennungspreis: ModuStat – Das modulare Messstationen-Mesh-Netzwerk
HTL Rennweg (Wien)

Runde Farbtürme haben Lukas Löschl, Kristof Katzenberger und Florian Wehse aus der HTL Rennweg (Wien) vor sich auf dem Tisch stehen. Wie ein großes Steck-Spielzeug sieht ihr ModuStat aus. Dabei handelt es sich um ein „modulares Messstationen-Mesh-Netzwerk“.

Die grüne Scheibe beinhaltet die Stromversorgung, die gelbe das „Hirn“ mit der Steuerung und die orangefarbenen können mit verschiedenen Sensoren bestückt werden – je nachdem was gemessen werden soll – von der Temperatur über die Luftfeuchtigkeit bis zum CO2-Gehalt der Luft. Das System kann „natürlich“ die Messdaten auf einem externen Display anzeigen und so ausgestattet werden, dass es bei bestimmten Grenzwerten ampelmäßig anzeigt ob gut, mittel oder gegebenenfalls auch Handlungsbedarf – etwa lüften müssen.

Anerkennungspreis: Entwicklung eines Exo-Skeletts für gehbehinderte Menschen im Rahmen der Rehabilitation
HTBLuVA Salzburg

Gleichsam Skelette außen gibt es – abgeschaut vom Tierreich – unter anderem bei der Unterstützung schwerer Arbeit zur Kraftunterstützung. „Unser Exoskelett für Menschen, die im Unter- aber nicht im Oberkörper gelähmt sind, das Gehen vollständig übernehmen“, erklären Ewan Rothenwänder, Stefan Schwab und Pascal Sturm Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… Sie und Anabel Panitz, die nicht in Wien sein konnte, entwickelten – vorerst „nur“ die Idee und das ausgereifte ausgetüftelte Konzept für ein flexibles System eines solchen Geh-Apparats für 90 % betroffener Menschen (unter 2 Meter und höchstens 120 Kilo). Es lässt sich dann aber auch sehr leicht adaptieren.

Die Maschinenbauer:innen aus Salzburg tragen sich – wie übrigens in diesem Jahr besonders viele Projektteams – mit dem Gedanken dran zu bleiben – die Patentanmeldung ist bereits im Laufen, aber die Realisierung samt wirtschaflticher Verwertung steht auf dem – dann nicht mehr – Stunden-, sondern nur mehr Plan.

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Großgruppenfoto (fast) aller Finalist:innen von Jugend Innovativ 2023

Awards für Aktivist:innen der Zukunft

In einer alten Halle eines aus dem Boden sprießenden neuen Viertels bei St. Marx in Wien stellten vor dem pfingst-Wochenende (2023) 40 jugendliche Teams – mehr als in den meisten Jahren davor – ihre Finalprojekte von Jugend Innovativ vor – einander gegenseitig, der Öffentlichkeit und nicht zuletzt den Fach-Jurys. Denn am Ende wurden die besten dieser ohnehin schon besten der 450 im Herbst gestarteten Projekte mit Preisen belohnt – in Form von Geld – in Summe werden 45.000 Euro vergeben – und nicht zuletzt mit Reisen zu internationalen Bewerben und Messen.

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schaute sich wie (fast) jedes Jahr wo dies möglich war – wir wissen es gab dazwischen zwei reine Online-Jahre – unter allen Finalist:innen um. Allesamt sind es zukunftsweisende Projekte, viele auch mit einem sozialen Impetus und noch mehr in Richtung achtsamer, nachhaltiger Umgang mit unserer Umwelt. Insofern sind all die Jugendlichen, die an den Projekten mitgewirkt haben „Aktivist:innen der Zukunft“ wie es in einem Video in der Award-Show heißt.

Und damit’s nicht ganz unübersichtlich wird, werden hier die Projekte gegliedert in die Kategorien als eigene Beiträge vorgestellt.

Aus orangefarbenen Legosteinen ist das Jugend-Innovativ-Logo nachgebaut - das sind die Award-Statuen der verschiedenen Kategorien
Aus orangefarbenen Legosteinen ist das Jugend-Innovativ-Logo nachgebaut – das sind die Award-Statuen der verschiedenen Kategorien

Die Katgorien…

… sind – alphabetisch gereiht:
Design – mit 50 Anmeldungen und fünf Finalprojekten
Engineering I – 72 Anmeldugen/ 5 Finalprojekte
Engineering II – 80 Anmeldungen/ 6 Finalprojekte
Entrepreneuership (Unternehmerisches Denken, meist in Form von praxisnahen Projekten, oft Junior Companys /Schüler:innen-Firmen) – 56 Anmeldungen/ 6 Finalprojekte
ICT & Digital – 94 Anmeldungen/ 6 Finalprojekte
Science (Wissenschaft) – 34 Anmeldungen/ 5 Finalprojekte
Sustainability (Nachhaltigkeit) – 71 Anmeldungen/ 5 Finalprojekte
Und zum zweiten Mal gab’s einen Sonderpreis Vorarlberg – für Projekte aus diesem Bundesland, weshalb sich zu den 38 Finalprojekten der Kategorien – in die es auch Projekte aus dem „Ländle“ geschafft hatten, zwei weitere aus Gsi-berg gesellten, die neben zwei der Finalist:innen für diesen Spezialpreis nominiert waren.

Damit die Beiträge hier nicht zu unübersichtlich werden, veröffentlicht Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… von heute an in den folgenden Tagen die Projekte jeweils einer oder zwei Kategorien.

Heute sei mit den beiden Engineering-Kategorien begonnen, die von Maschinenbau bis Elektronik reichen. In den folgenden Tagen werden Berichter über die Projekte weiterer Kategorien hier veröffentlicht.

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Symbolfoto für Schulstress: Schüler klappt über Lernheften und Büchern zusammen

Drei Viertel der Schüler:innen klagen über zu hohen Prüfungsdruck

Mehr als drei Viertel der Schüler:innen müssen oft so viel lernen, dass sie das Gelernte gleich nach der Prüfung wieder vergessen. Dies ist eines der Ergebnisse einer Online-Umfrage unter 800 Schüler:innen (zwischen 10 und 19 Jahren). Das Nachhilfe-Institut LernQuadrat stellte am Mittwoch (24. Mai 2023) die Ergebnisse dieser Umfrage, die im Frühjahr durchgeführt wurde, durch. Schon vor sieben Jahren (2016) hatte das Institut (80 Standorte in ganz Österreich) praktisch dieselben Fragen unter Kindern und Jugendlichen erhoben – damals bei 500 Schüler:innen.

Die Vorstellung der Ergebnisse dieser Umfrage erfolgte übrigens am zweiten Tag des Bundesfinales des großen Schulwettbewerbs Jugend Innovativ. Hunderte Jugendliche stellen dort mehr als drei Dutzend Projekte vor, von denen einige schon in der Patentierungsphase sind, praktische Erleichterungen, Hilfen oder Vernetzungen ermöglichen – mehr dazu demnächst hier auf Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

Chart aus der Umfrage
Auswertung der Fragen zum „Bzlimie“-Lernen

Krasse Zunahme

Kürzest zusammengefasstes Ergebnis: Der Prüfungsdruck hat enorm zugenommen. Beispielsweise nannten vor sieben Jahren weniger als die Hälfte der Befragten dieses oben beschriebene Ausmaß des sogenannten Bulimie-Lernens – Reinstopfen, rauskotzen – als Problem (heuer: 76,6 %, 2016: weniger als die Hälfte). Fast jeden dritten Tag steht eine Schularbeit oder ein Test auf dem Stundenplan

Fast drei Viertel (74,9 Prozent) machen sich selbst hohen Druck (2016: 43,3 Prozent), mehr als zwei Drittel (68,3 Prozent) verspüren starken Druck seitens der Lehrkräfte (2016: 35,7 Prozent), fast die Hälfte (44,8 Prozent) durch die Eltern (2016: 27,2 Prozent).

Nach Corona hält jede/r Dritte die Freizeit für wichtiger als früher. Lediglich nicht ganz ein Fünftel (18,6 Prozent) geben der Schule nunmehr einen höheren Stellenwert.

Chart aus der Umfrage
Befragt wurden die 800 Schüler:innen auch danach, wie die Pandemie-Phase die Einstellung verändert hat

Mehr Alltags-Wissen!

Sieben von zehn der befragten Schüler:innen sind der Ansicht, nicht einmal die Hälfte des Gelernten im späteren Leben brauchen zu können. Besonders schlecht schneiden dabei die Wiener Schulen ab, AHS schlechter als BHS. Ausgenommen von dieser Einschätzung wird vor allem Englisch, von dem fast neun von zehn (89,2 Prozent) der Befragten annehmen, dass sie es im späteren Leben brauchen werden. Bei Deutsch und Mathematik sind dies bereits weniger als zwei Drittel. Ideen für spannenden Schulstoff gibt es bei den jungen Menschen durchaus, beispielsweise mehr Finanzbildung, Wirtschaft oder „Alltagskunde“, nicht so sehr hingegen Politik und Kunst.

„400 Schülerinnen und Schüler haben geschrieben, dass sie „mehr Dinge lernen wollen, die mit dem Leben zu tun haben wie Verträge schreiben oder Geld zu verdienen und damit umzugehen“, sagte die Unternehmenssprecherin Angela Schmidt zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

Gutes Zeugnis für Pädagog:innen

Ein interessantes Ergebnis brachte die Notenvergabe, zu der LernQuadrat die Schüler:innen im Rahmen der Umfrage aufgerufen hat. Das Beste an der Schule sind demnach die Pädagog:innen. Mit einer Durchschnittsnote von 2,4 schneiden diese besser ab als die Lerninhalte (2,6), die Unterrichtsform und das Notensystem (jeweils 2,7). Noch schlechter als schon vor sieben Jahren wird das Schulsystem insgesamt mit einer Durchschnittsnote von 3,2 eingestuft.

Generell wird die Schule von jüngeren Schüler:innen etwas besser beurteilt als von älteren. BHS-Schüler:innen benoten insgesamt die Lerninhalte etwas besser, AHS-Schüler:innen die Lehrkräfte.

Chart aus der Umfrage
Schüler:innen wollen lieber fürs Leben lernen

Wie kann’s besser gehen?!

LernQuadrat hat aus den Antworten der 800 Schüler:innen Schlussfolgerungen gezogen, die gemeinsam mit den Ergebnissen der Umfrage Medien veröffentlicht worden sind. Unter dem Titel „Wie kann Schule besser gelingen?“ heißt es zusammenfassend:
* Den Schwerpunkt auf Kompetenzvermittlung statt überfrachtetem Faktenwissen legen.
* Das Prüfungsstakkato reduzieren, den Druck aus dem „Lernkessel“ nehmen, die Allmacht der Noten relativieren und damit Freude am schulischen Lernen ermöglichen.
* Die Motivation steigern durch bessere Verdeutlichung des praktischen Nutzens des Gelernten in allen Fächern.
* Wunschthemen wie Finanz- und Wirtschaftsbildung oder „Alltagskunde“ in verstärktem Umfang
* Dem Prunkstück unseres Schulsystems, den Lehrkräften, mehr freie Entfaltung ermöglichen statt sie mit Bürokratie zu belasten.

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Ballspiel nun von der Rückseite ;)

Kopf-Ball im wahrsten Sinn des Wortes

Efekan hält einen Fußball in Händen, spielt damit. Neben ihm auf der Couch in einem der Filmstudios des Medienzentrums von wienXtra sitzen Randy und Furkan. Vor ihnen steht eine Leinwand. Davor baut Udo, ein Mitarbeiter des Medienzentrums eine Kamera auf, daneben greift Regine vom Programm AFit Potenzial Jugend bei T.I.W. – Verein für Training, Integration & Weiterbildung – zum Handy und telefoniert mit Radmila. Die ist unterwegs, um einen leichten Ball zu kaufen, nachdem es – derzeit noch – keinen Wasserball in den umliegenden Geschäften gibt. In der Zwischenzeit kommt auch Olivera. „Ich schnupper heute nur und schau zu“, stellt sie sich vor und verrät, dass sie am liebsten in einer Hotelrezeption arbeiten würde.

Die Jugendlichen sind alle zwischen Schulabschluss und Suche nach ihren weiteren Bildungswegen. Randy wird eine weiterführende Schule für Tierpflege besuchen, die beiden anderen Jungs wollen Lehren im Bereich KFZ-Mechanik machen und Radmila würde lieber heute als morgen eine Lehrstelle als Bürokauffrau, vielleicht mit Buchhaltung, antreten. Neben Praktika in diversen Partnerfirmen des Vereins steht jedes Jahr für jene, die das wollen, auch die Produktion von (Trick-)Filmen im Medienzentrum auf dem Programm. Hier dreht es sich darum, die kreativen Potenziale ins Zentrum zu rücken.

Ideen-Findung

Für jenen Film, bei dessen Entstehung Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… zuschauen und fotografieren darf, haben sich die genannten Jugendlichen eine Geschichte mit einem Ball ausgedacht. Grundsätzlich. Noch ist nicht (ganz) klar, was mit dem Ball wirklich passieren soll. Im Zimmer neben dem Studio, sozusagen dem Regie- und Ton-Raum, sitzen alle im Kreis, Ideen werden einge- und wieder verworfen. Bis eine sich verfestigt. Randy und Efekan schupfen den Ball hin und her. Irgendwann trifft der Ball auf Efakans Kopf. Der fliegt weg – der Kopf, nicht der Ball wohlgemerkt. Landet in Randys Händen. Die Idee mit „la lü la lü“ und Rettung wird gleich wieder beiseite geschoben. Nein, der Kopf wird wieder zurückgeworfen, landet auf Efekans Hals. Ende gut, alles gut! Nur mit Verblüffung, Erstaunen.

Umsetzung

Gesagt – nun geht’s um die Umsetzung in die Tat. Udo holt Kartons, Stifte und Messer, klebt den Karton an die Rückseite der Leinwand. Efekan stellt sich davor, Olivera und Regine zeichnen die Umrisse des Schattens, den sein Kopf auf den Karton wirft, nach und schneiden den Papier-Kopf danach aus. Udo, Furkan und Efekan kleben eine durchsichtige Anglerschnur an eine lange ausziehbare Teleskopstange und an den anderen Enden den Ball. Das Gleiche passiert mit dem ausgeschnittenen Karton-Profil.

Nun stellen sich Randy und Efekan hinter die Leinwand, das Saal-Licht wird ab- und dafür eine starke Lichtquelle hinter der Leinwand aufgedreht. Furkan und Regine halten an den Stange Ball bzw. Kopf. Udo gibt Tipps – auch für die eine oder andere Wiederholung mit Varianten. Vor der Leinwand nimmt Radmila hinter der Kamera Platz. Klick, klick, klick. Die ausgedachte und beschriebene Szene wird gespielt. Die Schatten fotografiert.

Vertonung

Eine halbe Stunde und 300 Fotos später sitzen alle im Regie-Raum, schauen einige der Bilder an – und überlegen gemeinsam, welche Geräusche und/oder Ausrufe zu welcher der Szenen passen würden. Mehr oder weniger mutig, stellen sich die Jugendlichen ans Mikro, um die Vertonung des Trickfilms vorzunehmen. Noch bleibt einiges zu tun, bevor der Trickfilm geschnitten werden kann – das steht beim nächsten Nachmittagstermin im Medienzentrum auf dem Programm. Einige der jährlich hier von diesen Jugendlichen gestalteten Filme werden übrigens für die Video- und Filmtage, die das Medienzentrum seit mehr als zwei Jahrzehnten ausrichtet – Einreichungen für Kinder und Jugendliche (bis 22 Jahre) bis zum 28. August; Festival 5. bis 9. Oktober 2023) gezeigt, andere im Sommer auf ORF III im Format „Kunstraum – Kurzfilmbühne für benachteiligte Jugendliche“ ausgestrahlt.

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ausbildungsfit-potenzial-jugend

videoundfilmtage 2023

Doppelseite aus "Das wirklich witzige witzebuch"

Ein paar schon ganz gute Witze

„Haben Sie Tik Tok?
„Klar, es ist kurz nach halb fünf.“

Einige der „mehr als 500 Kinderwitze (die auch Eltern witzig finden)“ wie es im Untertitel dieses Buches heißt, nehmen Erwachsene auf die Schaufel. Die schienen sich mit neuen Medien gar nicht auszukennen. Schadenfreude ist immer noch ein häufiger Treibstoff von Witzen.

Kurze und lange Witze, Scherzfragen – manche auch auf den Kopf gestellt, in Kreisen oder Wellen geschrieben und so manche Wort-Bildspiele hat Georg Cadegginanini für dieses knapp mehr als 160-seitige Buch zusammengetragen – die Bildkombinationen und Illustrationen hat Dominik Wendland gezeichnet. Viele spielen mit ber/bär. Neben den sehr bekannten Hubschraubär usw. findest du hier auch einen „Bärg“ – einen Bären als Berg „verkleidet“ (S. 32). Von den Zeichnungen leben auch die „Kritzelrätsel“: Einfache Strichzeichnungen in jeweils quadratischen Rahmen, die „Verblüffendes“ darstellen – so ist ein langer schräger Strich mit einem kleinen Knick ein „Strohhalm für Giraffen“ (S. 154)

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Das wirklich witzige Witzebuch“

Du findest sicher so manches zum Lachen oder wenigstens Schmunzeln in diesem Buch, insgesamt aber stellt es doch unter Beweis, wer sein Werk „Das wirklich witzige Witzebuch“ zu nennen meint, sitzt einem Werbe-Schmäh auf. Für so viele Seiten bleiben nicht „wirklich“ viele gute Witze, Scherzfragen usw. übrig.

Eine Scherzfrage noch (S. 139): „Welches Gebäck weiß auf alles eine Antwort? –
Der Google-Hupf“

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Titelseite des bebilderten Witzebuches/ Wilhelm Heyne Verlag München
Titelseite des bebilderten Witzebuches/ Wilhelm Heyne Verlag München
Große Arbeitsgruppe der Kinder für den Außenbereich für den sie auch Modelle gebaut haben

Demokratie ist machbar – wollen die „Schulen der Superkräfte“ zeigen!

Während in manchen Gebäuden zwei Schulen fast vollkommen getrennt sind und zwei Direktionen haben, gibt es beispielswiese zwei Schulen, die eine Viertelstunde voneinander entfernt liegen – acht Busstationen – und doch zusammengehören. Die kleinste Schule Wiens in den Weinbergen von Neustift am Walde in der Celtesgasse gehört zur Volksschule Krottenbachstraße, genannt Krotti. Bis jetzt, denn die beiden Schulen, vielmehr die Kinder der Schulen haben einen gemeinsamen Namen gesucht. In Ateliers und Arbeitskreisen neue Vorschläge erarbeitet. Namen und Logo wurden entworfen. Die Idee rechten von „Die-5-Sterne-Schule“ über Schulen des Friedens, der Freundschaft, Interessen, Gerechtigkeit, Demokratische Schulen Wien bis zu „Activity Mint Grätzl 19“ – wobei die zuletzt genannte Zahl für jene des Bezirks Döbling steht.

Viele der vorgeschlagenen Begriffe stecken nun sozusagen in Untertiteln des neuen Schulnamens: „Schulen der Superkräfte“ – mit einem knallbunten Logo und den in farbenfrohen Sprechblasen, -Sternen und -Blitzen stehenden Wörtern Gerechtigkeit, Kreativität, Freundschaft, Begabung, Mint, Natur.

Teil eines großen, langfristigen Projekts

Der neue Schulname und das dazugehörige Logo sind aber „nur“ Teil eines umfangreichen dauerhaften Demokratieprojekts. So wie die Namens- und Logo-Findung von vielen von den Schüler:innen eingebrachten Ideen bis zum Ergebnis unter ständiger Mitwirkung der Kinder stattgefunden hat, so wurden und werden diese laufend einbezogen, Ideen für Verbesserungen einzubringen. Solche reichen vom großen Schulsportplatz über die Außenwände bis zu den Klassenzimmern, den Speisesaal, der nun „Kinderrestaurant“ heißt, bis zu Unterrichtsinhalten und den Umgang miteinander.

Eigene Verfassung

So heißt es in der – in den ersten Monaten dieses Demokratieprozesses ebenfalls entstandenen eigenen Verfassung unter anderem:
* Alle Kinder sollen die gleichen Rechte und Pflichten haben.
* Wir nehmen alle Kinder so an wie sie sind, auch wenn sie  anders aussehen, anders denken oder anders handeln als wir. 
* Wir schließen niemanden aus, halten zusammen und helfen einander.
* Ich will mitfühlend sein und nehme Rücksicht auf andere. Denn jede und jeder verdient es, geliebt zu werden, auch wenn sie mich manchmal nerven. 
* Ich löse meine Probleme, indem wir miteinander reden und ohne zu schlagen. 
* Ich bedrohe, beschimpfe und schlage niemanden
Aber auch
* Lehrer und Lehrerinnen dürfen mich nicht anschreien

Dauerhafte Mitbestimmung

Für die Gestaltung des großen Sport- und Freizeitbereichs im Grünen außerhalb des Schulgebäudes haben die Kinder Ideen zusammengetragen und in Ateliers in einer Projektwoche auch Modelle gebastelt. Die Ateliers, für die sie sich selbst einteilen konnten, sollten aber von vornherein keine einmalige Sache bleiben. Die Mitbestimmung – wie sie ja eigentlich die Kinderrechtskonvention generell seit mehr als 30 Jahren Kindern zugesteht – wird als langfristiges dauerhaftes Element in den Schulalltag eingebaut. So gibt es seither wöchentliche Klassenrats-Sitzungen, die von Kindern abwechselnd geleitet werden und wo alles besprochen wird, was sich auf die jeweilige Klasse bezieht und auch dort selbst gelöst werden kann.

Fragen, Vorschläge, Ideen, Anregungen, Forderungen, die mehrere Klassen oder gar die ganze Schule bzw. sogar beide Schulstandorte betreffen, werden entweder in themenbezogenen Arbeitskreisen weiter behandelt oder sie kommen ins übergreifende Schulparlament. Jede Klasse hat zwei Vertreter:innen gewählt, aber es sollen auch möglichst viele andere Kinder immer wieder einbezogen werden, beispielsweise in den Arbeitskreisen.

Zudem sieht die – von den Kindern selbst erarbeitete – schon erwähnte Verfassung auch ein „erweitertes Schulparlament“ vor, in dem dann auch (Freizeit-)Pädagog:innen, Direktorin und Eltern-Vertreter:innen sowie andere Mitarbeiter:innen der Schule gemeinsam mit den Kindern Themen besprechen und beschließen.

Ausdiskutieren

Dass Demokratie nicht eine einfache Friede-Freude-Eierkuchen-Sache ist, zeigte sich an Wünschen vieler Kinder, die Straße vor der „Krotti“ in der Zeit bevor die Schule in der Früh beginnt, und in der Hauptabholzeit am Ende des verschränkten Ganztagsbetriebs jeweils rund eine halbe Stunde autofrei zu machen. Alle würden sich dann sicherer und freier fühlen. Halt, nicht alle, manche meinten, aber ihre Eltern würden sie ja mit dem Auto bringen und holen. Und schon entstanden Diskussionen darüber und über die Busverbindungen usw.

Ähnliches erlebte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … beim Lokalaugenschein Mitte Mai am Arbeitskreis-Mittwoch auch bei Diskussionen im Speisesaal an einem der Tische. Auf die Frage, was sie sich beim Essen vor allem wünschen, waren sich alle sofort einig: „Mehr Abwechslung beim Obst, nicht immer fast nur Äpfel!“ Aber gleich danach wollte ein Mädchen „Burger“, was andere sofort ablehnten, „das hat zu viel Fett“. Dafür schlug eine andere Schülerin vor, „es wär ganz schön, wenn es hin und wieder Karotten zum Knabbern geben würde“. Sofort einig waren sich jedoch alle wieder als es um die Jausen ging: „Bitte, nicht immer das Gleiche!“, „Und keine harten Nudeln!“ Außerdem mehr und bunte Dekoration im „Kinderrestaurant“ hätten alle gern sowie „zum Beispiel zu Weihnachten Lichterketten“.

Präsentation beim Schulfest

Mitte Juni gibt es ein großes Schulfest, bei dem die Kinder ihre bisherige und noch bis dahin erarbeiteten Wünsche, Vorschläge und Forderungen allen – Eltern sowie den Gäst:innen aus Schulverwaltung und Bezirks- und Stadtpolitik – vorstellen werden. Bis dahin – so hat der Bezirksvorsteher, der am Tag des kijuku.at-Lokalaugenscheins ebenfalls anwesend war und sich Vorschläge von Arbeitsgruppen, insbesondere Schulgarten, anhörte – und dann doch aufschrieb – werde er für etliche Wünsche und Forderungen schon Antworten haben.

Hymne

Ach, übrigens hat diese Schule mit zwei Standorten jetzt nicht nur einen gemeinsamen Namen und ein dazugehöriges Logo, sondern auch eine Hymne. Wie bei anderen Ateliers und im gesamten Prozess holte sich die Schule Unterstützung von außen, von Theater Ansicht, das schon etliche partizipative (Theater-)Projekte gemacht hatte. Und in einem solchen Atelier entstand die fröhliche Hymne, in der Kinder auch etliche ihrer Familiensprachen einbringen konnten und so wird u.a. von 1 bis 3 auf Deutsch, Englisch, Türkisch, B/K/S (Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch) Farsi bzw. Kurmandschi, Ungarisch und Arabisch gezählt gesungen.

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Schulen der Superkräfte

theateransicht

Szenenfoto aus dem Minidrama "Die Einen und die Anderen" von Dževad Karahasan

Als Tribut für Dževad Karahasan: Die Einen und die Anderen beim Visual-Festival

„Ich bin zum Scheiterhaufen verurteilt und folglich werde ich verbrennen. Aber das ist nur ein Ereignis, kein Argument. Wir werden uns also in der Ewigkeit wieder begegnen und dort die Diskussion fortsetzen.“ Diesen Satz lässt Dževad Karahasan in seinem Minidrama „Die einen und die Anderen“ den in einem Calvinistenprozess in Genf Verurteilten sagen. Anlässlich des am Samstag bekannt gewordenen Todes des 70-jährigen Schriftstellers aus Sarajevo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegovinas hob „Visual 2023, das 24. Europäische und Internationale Visuelles Theater Festival“ dieses kurze so aussagekräftige auf den Punkt gebrachte und so aktuelle Stück ins Programm.

Szenenfoto aus dem Minidrama
Szenenfoto aus dem Minidrama „Die Einen und die Anderen“ von Dževad Karahasan

Werner Mössler, Markus Pol, Rita Luksch und Markus Rupert setzten den Text in Szene, die beiden zuletzt Genannten in deutscher Lautsprache; Ersterer in österreichischer Gebärdensprache, die dann als „Echo“ vom Zweitgenannten im Hintergrund verstärkt wurde. Alfred Aichholzer, Gregor Narnhofer und Thomas Trsek spielten – ebenfalls im Hintergrund – begleitende, unterstützende Musik zu dem Stück um einen seines Glaubens wegen Verurteilten. Auf der Seite der Eine – und andererseits jene, die meinen, im Besitz der Wahrheit zu sein und sich damit das Recht herausnehmen über das Leben anderer zu entscheiden, heißt es doch unter anderem bei Karahasan: „Diese Situation ist sehr kennzeichnend für die Politik (und leider auch für die Geschichte) als Theater: auf der einen Seite stehen jene als Figuren beziehungsweise Protagonisten, die über die Macht verfügen, Ereignisse hervorzurufen und zu gestalten, auf der anderen stehen als Antagonisten beziehungsweise Gegenfiguren jene, die an die Wahrheit glauben und über Argumente verfügen. Zwischen Ihnen – als Basis ihrer Beziehung – steht der Tod. Der Tod verknüpft diese Figuren in zweifacher Weise:
1. dadurch, dass erstere ihn den Zweiten zufügen (sie töten)
2. dadurch, dass er beider gemeinsames Kennzeichen ist, denn zum Glück sind beide sterblich.“

Szenenfoto aus dem Minidrama
Szenenfoto aus dem Minidrama „Die Einen und die Anderen“ von Dževad Karahasan

Dževad Karahasan …

… hatte Romane, Dramen, Essays und theoretische Schriften verfasst, mit denen er sich immer wieder als Vermittler zwischen Kulturen und Religionen verstand. Geboren 1953 in eine muslimische Familie in Bosnien, besuchte er eine christliche Schule (Franziskaner). Er studierte in Sarajevo Literatur- und Theaterwissenschaft, lehrte auch dort an der Akademie für szenische Künste. Als Sarajevo belagert wurde, konnte er flüchten – nach Österreich und wurde Gastdozent an verschiedenen europäischen Universitäten u.a. in Salzburg.

Zu seinen wichtigsten Werken zählen „Sara und Serafina“ (2000), „Der Trost des Nachthimmels. Roman in drei Teilen“ (2016) und 2019 der Erzählungsband „Ein Haus für die Müden“. Vor wenigen Monaten erschien „Einübung ins Schweben: Eine ethische und existentielle Grenzerfahrung vom literarischen Chronist Sarajevos“. Nach Ende der Kriege im vormaligen Jugoslawien wurde Karahasan Dramaturg am Nationaltheater von Sarajevo. Zugleich fand er in Graz eine zweite Heimat, wo er von 1996 bis 2003 als Stadtschreiber tätig war. Dabei empfing ihn die neue Heimat auch mit entsprechenden Auszeichnungen. So erhielt Dzevad Karahasan etwa 1995 für „Tagebuch der Aussiedlung“ den Bruno-Kreisky-Preis, 1999 den Wiener Herder-Preis, 2017 den Grazer Franz-Nabl-Preis. Und 2020 wurde Dževad Karahasan mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt geehrt.

Szenenfoto aus dem Minidrama
Szenenfoto aus dem Minidrama „Die Einen und die Anderen“ von Dževad Karahasan

Karahasan – ARBOS

Weniger in der breiten Öffentlichkeit bekannt ist, dass Dževad Karahasan ist seit seiner Flucht vor dem Krieg auch Dramaturg und Dramatiker von „ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater“ war. „Ich werde nie vergessen, wie er im Feber 1993 in Klagenfurt vor dem Probenraum stand nur mit den Sachen, die er bei sich trug. Also hab ich die Tür aufgemacht … Und daraus wurde eine sehr schöne Zusammenarbeit, die den Tod überdauert“, schreibt Herbert Gantschacher, der „Vater“ von ARBOS in einer eMail an Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… Er führte bei vielen Stücken, die Karahasan für ARBOS schreib, Regie und übersetzte viele seiner Theatertexte. Dem oben genannten Monodrama „Die Einen und die Anderen“ fügte die Gruppe aus gegebenem Anlass einen Satz am Ende hinzu: „Wir werden uns in der Ewigkeit wiedersehen und die Diskussion dort fortsetzen“.

Kain

Nach dem aktuellen Einschub begann das Festival Visual 2023 wie geplant mit einer Inszenierung von Anton Wildgans‘ „Kain“. In der Regie Herbert Gantschachers spielten Werner Mössler, Markus Pol, Rita Luksch, Alfred Aichholzer, Markus Rupert, Gregor Narnhofer und Thomas Trsek.

In „Kain“ verbindet Anton Wildgans die biblischen Geschichten von der Vertreibung aus dem Paradies (Adam und Eva) und den bekannten Brudermord (Kain und Abel). Bei ihm ist die Titelfigur gehörlos. Damit war aufgelegt, diese Figur in der ARBOS-Version mit einem gehörlosen Schauspieler zu besetzen – und natürlich bilinguale zu inszenierne und spielen – Laut- und GebärdenspracheInszenierung.

Festival

Das 24. Europäische und internationale visuelle Theater-Festival läuft noch bis 17. Juni – live und analog im Theater Spielraum in der Wiener Kaiserstraße (siehe Info-Bos) UND vieles auch als Online-Streams – siehe Info-Box.

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Szenenfoto aus "Heimliche Idioten"

Über und auf den Brettern, die ein Regal bedeuten

Massiv und zentral steht es da. Mitten auf der Bühne. Ein Regal – für Ries:innen. Und in der folgenden Stunde ein, nein DAS Symbol für eine gewisse Art der Kommunikation in Blasen, in Bubbles diverser Social Media-Kanäle. Das Schauspiel-Trio, das die ganz in Weiß gehaltene Bühne– mit Ausnahme des Regals in Holzmuster (Tapete über den Brettern) – des Wiener Kosmos Theaters betritt, unterhält sich in Sätzen, die aus vor allem Facebook stammen könnten, über dieses Regal. Die Rollen wechseln.

Zunächst ist es Johanna Sophia Baader, der das Regal geliefert wurde und sie nicht weiß, wie sie dazu kommt. Das „postet“ sie in die Welt der digitalen Kommunikation – hier natürlich gesprochen in den Bühnenraum. Die Kommentare lassen nicht lange auf sich warten. Vielleicht hast du bei einem Gewinnspiel mitgemacht, meint Gesa Geue. Die Verneinung dessen, ruft den Erklär-Bären auf den Plan. Samuel Simon lässt einen Sermon los, wie Erinnerungen Menschen täuschen können. Doch, nein, es geht um mehr/anderes als Mansplaining. Der gleiche Trialog spielt sich mit vertauschten Rollen im weiteren Verlauf des Stücks nochmals ab.

Das Große ist viel zu klein

Die Stunde – Text & Regie: Milena Michalek, Sahba Sahebi, die tatsächlich im Netz Materialsuche betreiben haben – dreht sich um diese oft verbissen geführten Diskussionen im Netz, vielmehr oft eher ums Loswerden der eigenen Position, häufig ohne Eingehen auf das von anderen Geschriebene. Nicht selten auch losgelöst vom realen Geschehen. Das kommt in dem – immer wieder sehr witzigen Stück, dessen Humor nicht zuletzt davon lebt, dass die meisten im Publikum solche und ähnliche Postings kennen, mitunter sich daran beteiligen – Stück wohl am krassesten in jenen Passagen heraus, in dem die jeweiligen Neu-Besitzer:innen des Regals klagen, dass es viel zu klein sei. So klein, dass nicht einmal die eigene Bücher- oder Gewürze-Sammlung reinpasse. Die im Übrigen aus zwei Büchern bzw. zwölf Gewürzen, die im Zuge eines anderen Onlinekaufs erworben worden sind, bestehen.

Das Trio umkreist das Regal – verbal und körperlich. Ja in der letzteren Dimension erklimmen die drei abwechselnd sogar die Bretter, die das Stück bedeuten, Geue bzw. Simon entrollen dabei ihre zuvor die ganze Zeit eingewickelten urlangen Hosenbeine (Bühne & Kostüm: Tanja Maderner). Nicht zuletzt, um nochmals die Größe des Ungetüms, zur Geltung kommen zu lassen – als Gegensatz zwischen Realität und dem was sie selber darüber verbreiten.

Spruch„weisheiten“

Das Regal ist übrigens so groß, dass es tatsächlich erst auf der Bühne zusammengebaut werden konnte, weil es so wie es da steht durch keine Türe hindurch transportiert werden hätte können. Apropos Tür – neben dem Regal sind auch so manche Allerwelts-„Sprüche“ Thema des ironischen Zerlegens an diesem Abend wie „wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich sicher woanders mindestens eine andere“ oder „wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“, „andere Mütter haben auch schöne Söhne“… In null komma nix mit wenigen Sätzen, oft nur Andeutungen nehmen die drei Schauspieler:innen diese und solche „Weisheiten“ auseinander. Und zeigen damit, dass sinnbefreite Sager nicht eine Erfindung des Social-Media-Zeitalters sind.

Aber auch den bitteren Nachgeschmack zurücklassen, dass es sich dabei um First-first-World-Problems handelt.

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Szenenfoto aus "Die Namenlosen" der Performancegruppe "Nesterval"

Fast hautnah am Geschehen tödlicher Ausgrenzung

Zwei Männer treffen einander, offenbar heimlich im Dunkeln. Schauen sich ängstlich um, fühlen sich verfolgt, laufen davon. Ein erster Eindruck aus der Wanderung durch einen der Gänge zwischen von schwarzen Stoffen abgehängten Szenen-Orten in einer großen Halle des ehemaligen Nordwestbahnhofs (Zugang über brut, Wien-Brigittenau, 1200). Ein Eindruck, den nicht alle Zuschauer:innen haben. Denn jede und jeder muss sich entscheiden, welchen Weg sie/er einschlägt: Welchen Protagonist:innen folgen? Bei dieser/diesem bleiben oder zu anderen wechseln.

Eigene Wege finden

Mehr als 160 verschiedene Szenen, 300 Seiten – das könnte keine Zuschauerin/kein Zuschauer bewältigen. Und es würde logistisch gar nicht möglich sein, weil viele Szenen zeitgleich spielten. So erlebt nach einem kurzen gemeinsamen Intro in der „Kantine der Porzellanfabrik Nesterval“ nicht jede und jeder im Verlauf des rund dreistündigen Geschehens im Wander-Stationenstück „Die Namenlosen“ dasselbe, jedenfalls kann niemand alles erfahren. Dafür aber bist du – mit einer Handvoll anderer – sehr nah am Geschehen, oft in engen Räumen fast hautnah dran, tauchst in privateste Situationen ein.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die Namenlosen“ der Performancegruppe „Nesterval“

Jede und jeder muss aber nicht bei der zuerst gewählten Figur bleiben. Wechseln in ein anderes Ambiente, einen anderen Erzählstrang mit anderen handelnden Personen ist jederzeit möglich. Sorgt zwar vielleicht für kurzfristiges Grübeln – bei wem und welcher Handlung bin ich da jetzt gerade. Aber auch möglich. Vielleicht, nein wahrscheinlich nicht ganz so intensiv wie beim Dranbleiben an einem Strang…

Wahre Hintergründe

Spätestens seit Nennung des Kantinen-Namens im vorigen Absatz ist klar, es handelt sich um eine, die jüngste, Produktion der Performance-Gruppe Nesterval rund um Teresa Löfberg (Buch) und Martin Finnland (künstlerische Leitung, Regie und Schauspiel – in der Rolle des Fotografen F.). Für „Die Namenlosen“ haben vor allem die beiden sowie Gisa Fellerer und Lorenz Tröbinger als Co-Autor:innen mit Andreas Brunner von qwien.at inhaltlich und dokumentarisch zusammengearbeitet. Letzterer hat u.a. mehr als 60 Biografien von Männern, Frauen und Personen, die heute als Trans* oder intergeschlechtlich gelesen werden können, und die in der Nazi-Zeit wegen homosexueller Handlungen verfolgt wurden, recherchiert und als Buch veröffentlicht (siehe Info-Box am Ende des Beitrages).

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Szenenfoto aus „Die Namenlosen“ der Performancegruppe „Nesterval“

Puzzles aus echten Lebensgeschichten

So manche dieser Lebensgeschichten dieser echten Menschen sind als Puzzlestücke eingeflossen in jene Charaktere des Stücks, die nur mit Anfangsbuchstaben bezeichnet sind und als Ensemble der „Namenlosen“ gespielt werden. Als Gruppe stehen diesen Verfolgten „Die Anderen“ gegenüber, die Rollennamen tragen und auf der Seite des Regimes stehen – zumindest anfangs und lange Zeit. Zu ihnen gehören unter anderem die Fabriksbesitzerin Martha Nesterval (Aston Matters) und ihr Ehemann, der Arzt Arthur Nesterval (Johannes Scheutz), der nicht nur seine Ehefrau demütigend behandelt, sondern den Fotografen F. (wie schon oben erwähnt: Martin Finnland) in jenes Bad lockt, das als Schwulentreff bekannt ist. Der schöpft Hoffnung, wenn sogar so einer wie der Arzt auf ihrer Seite steht, dann könnte der sie vielleicht vor Verfolgung schützen.

In einer sehr intensiven Szene im Bad stellt sich jedoch heraus, was zu vermuten war, dass es sich um eine Falle handelt, um F. an die Nazis auszuliefern. Mit fürchterlichen, letztlich tödlichen Folgen für diesen.

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Szenenfoto aus „Die Namenlosen“ der Performancegruppe „Nesterval“

Rettungsversuche

Du kannst aber eventuell auch die Filmschauspielerin R. (Romy Hrubeš) begleiten, die versucht, ihre Berühmtheit und auch Beleibtheit bei Nazi-Bonzen zu nutzen, um die eine oder den anderen der Verfolgten zu retten – was immer weniger gelingt. Es gibt unzählige Erzählstränge, Figuren und Szenen, die natürlich immer wieder das eine oder andere Mal zu Überschneidungen und Begegnungen führen.

Wandlungen

Und die – spätestens mit der Wende im Krieg und der sich abzeichnenden Niederlage der deutschen faschistischen Wehrmacht – dazu führen, dass einstige glühend-fanatische Anhänger:innen sich vom „Führer“ entfernen. Und sei es „nur“, weil sie nun ihr eigenes Leben bedroht sehen, nachdem sie doch – wie der Arzt – an die Front beordert werden.

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Szenenfoto aus „Die Namenlosen“ der Performancegruppe „Nesterval“

Heftigst ist die Schluss-Szene mit ihren schlichten Grabstellen und einem – alles sei nicht gespoilert, darum nur verklausuliert umschrieben – krassen Bezug zur Realität jenseits der fiktiven Figuren des intensiven dreistündigen Stationen-Theaters, das schon emotional sehr mitnimmt. Da kommt – meiner Meinung/meinem Gefühl nach dann der Übergang zum fröhlichen Ende wieder in der Kantine mit Schlussapplaus zu abrupt.

Wenngleich in der Kantine, die anfangs als Art Bar einer der letzten Zufluchtsorte für queere Menschen in der Zeit des aufkommenden Faschismus ist, nun am Ende Chansons wie „Kann denn Liebe Sünde sein?“ der inhaltliche Bogen wieder geschlossen wird.

Szenenfoto aus

Aktuelle Bezüge

Apropos Inhalt: Das ausführliche Programmheft weist nicht nur auf die Geschichte der Verfolgung homosexueller oder von Trans*-Menschen hin, sondern stellt natürlich auch Bezüge zu aktueller Homophobie in verschiedensten Teilen der Welt her, die auch vor Österreich nicht Halt machen – siehe die erst wenige Wochen zurückliegende Kampagne mit Aufmarsch Rechts(extrem)er gegen eine Kinderbuchlesung einer DragQueen.

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Foto bei einer der Proben - nicht jener, die KiJuKU.at besuchte: Es sollen keien falschen optischen Eindrücke vermittelt werden, daher nur aus Besprechungssituationen

Bewegen und tänzeln bis der (Sprach-)Rhythmus passt

Über dem Eingangstor in der Wiener Kaiserstraße stehen die Buchstaben „Bienenhof“. Es duftet nicht nach Honig, Blüten und Blumen finden sich auch nicht. Aber neben dem Firmensitz einiger Geschäfte und Produkte rund um Honig geht’s zeitweise doch ähnlich zu wie in einem Bienenstock. Hier finden sich seit Jahrzehnten Proberäume des Theaters Heuschreck, das seit Jahrzehnten farbenfrohe Fantasie bei jungem Publikum und dessen älterem Anhang setzt. Und immer wieder mieten sich andere Theatergruppen hier in diesen Proberäumen ein. Derzeit das aktionstheater ensemble. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durchquert die mehreren Höfe bis zum Ende und stapft die Stufen hinauf in den Proberaum, um ein paar Stunden dem Entstehungsprozess der jüngsten Produktion zuschauen und -hören zu dürfen. „Morbus Hysteria – Wir haben alle Recht“ hat Ende Mai im Werk X in Wien-Meidling Premiere – ausnahmsweise, sonst finden die Uraufführungen meist in Vorarlberg statt bevor die Spielserie in Wien steigt.

Rhythmus suchen und finden

Bevor jedoch auch nur ein Wort auf dem Tanzboden und einem weiteren mit Klebestreifen markierten Stück davor, die die originale Bühnentiefe markieren, fällt, bewegen sich die Schauspieler:innen durch den Raum. Nicht wahllos zum Aufwärmen, sondern gezielt, in Gruppen, synchron bewegen sich Michaela Bilgeri, Thomas Kolle, Benjamin Vanyek – Tamara Stern ist an diesem Probentag krank – diagonal übers Feld. Kirstin Schwab ist irgendwie gegenteilig unterwegs. Den Sitzball mit ihren Armen mal hoch, dann weniger hoch gehalten, schaut sie sich um. Sucht – nicht zielgerichtet. Blick sich um – hin und wieder verschreckt, verstört. Bringt Verwirrung zum Ausdruck. Zwischen „was ist mit denen los“ und „bin ich auf dem richtigen Weg?“

Irgendwie drängt sich der oben genannte Schriftzug über dem Hauseingang auf – Wo geht’s hier zur nächsten Blüte, um Nektar zu zapfen? Aber schnell weggewischt, denn das würde sicher genauso ablaufen, wenn das Ensemble woanders proben würde 😉

Gesamtkunstwerk

Mehrfach wiederholt das Ensemble die Schritte und Bewegungen – nicht in Form eines Einübens, sondern selber noch insgesamt suchend. In einer andere Szene sagt Kirstin einmal „also so, fühlt sich die Bewegung auf dem Ball jetzt für mich ganz falsch an“. Die Sitz-Folge auf den Bällen wird wieder geändert, jetzt wirkt’s stimmig.

Passt alles zusammen, stimmt ein gewisser Rhythmus? Denn das kennzeichnet – neben inhaltlicher Tiefe, Bissigkeit, Humor und Selbstironie – Stücke des aktionstheater ensembles meist in den bisherigen fast dreieinhalb Jahrzehnten.

Nach einigen Wiederholungen scheinen die Bewegungen und Gänge in dieser Szene ziemlich stimmig, nun das Ganze mit Musik. Die Live-Musiker:innen Nadine Abado, Andreas Dauböck, Pete Simpson unterlegen die Szene mit stimmigen Sounds, in anderen dominieren eher sie, geben Takt und Rhythmus vor – auch wenn es mitunter genau gegengleich läuft/laufen soll: Musik rauf, Bewegung runter und umgekehrt – die Gesamtenergie muss passen.

Stimmungsvolles Gruppenfoto als Sujet fürs kommende Stück
Stimmungsvolles Gruppenfoto als Sujet fürs kommende Stück

Miteinander

Kritischer, fördernder und fordernder teilnehmender Beobachter der Szenerie ist mittig vor dem Geschehen sitzend Martin Gruber, Mastermind und „Vater“ des aktionstheater ensembles, der jedoch stets ausstrahlt: Wir entwickeln das jetzt gemeinsam. Und tun dies sicher nicht nur, wenn ein Medium zu Besuch ist! Er ist übrigens wohl einer der ganz wenigen, die Regie führen, und doch bei (fast) jeder Aufführung auch anwesend ist – mit gemeinsamer Einstimmung vor dem Stück und gemeinsamer Reflexion danach.

Beim KiJuKU-Probenbesuch mit dabei noch Valerie Lutz, die für Kostüme und Bühne zuständig ist, „Resa Lut“, die Videos produziert, die eingeblendet werden, hin und wieder auch Martin Ojster (Dramaturgie), der nur immer wieder raus muss, um telefonisch das eine oder andere zu checken. Unmittelbar vor der Bühne am Boden sitzt Regie-Assistent Johny Ritter – vor sich auf dem aufgeklappten Laptop-Monitor den Test der aktuelle Stückfassung.

Denn irgendwann wird die Szene natürlich auch mit Text geprobt. Johny spricht jene Sätze ein, die von der erkrankten Tamara kommen würden und ganz selten hilft er bei „Hängern“ aus, die die eine oder der andere kurzfristig hat.

„Das hat ja schon eine Frau gesagt“

In der eingangs geschilderten Szene dreht sich der Text dann um die Erkenntnis, dass das was einer der Männer so groß hinausposaunt im Prinzip dasselbe ist, das Kirstin schon wenige Augenblicke vorher gemeint hat. Eine – noch immer – häufige Alltags-Erfahrung: Aussagen von Frauen werden häufig(er) ignoriert, sagt ein Mann das wenig später, wird ihm zugehört. Ähnliche Muster erleben auch andere an den Rand gedrängte Gruppen.

Hauseinang zum Probenraum
Im „Bienenhof“ „wohnt“ das Theater Heuschreck mit seinem Probenraum, den auch das aktionsetheater ensemble immer wieder nutzt …

Raus aus den Bubbles

Um Kommunikation, um die „Blasen“ (Bubbles), ums Recht-haben dreht sich das neue Stück. „Der Untertitel (wir haben alle Recht) war unser Ausgangspunkt“, sagt Martin Gruber am Beginn der Gesprächsrunde des Ensembles mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… in der Pause zwischen Proben-Einheiten. Und wie immer haben in dem Fall Michaela Bilgeri, Thomas Kolle, Kirstin Schwab, Tamara Stern und Benjamin Vanyek eigene Beispiele eingebracht. Wenngleich nicht immer jede und jeder die eigenen Erlebnisse darbringt, die auch verändert werden können im Laufe der Proben. Das Beharren auf eigenen Positionen, das ich, ich, ich nur ich, das Diskurs, Diskussion, Austausch verunmöglicht, Gräben aufreißt, Solidarität verhindert, Populist:innen den Boden aufbereitet … das will das aktionstheater ensemble thematisieren. „Aber wir wollen auch keine fertige Antwort geben. Wir sind nicht diejenigen die sagen, was richtig ist. Nur wir haben Recht. Wir wollen Anstöße zum selber Nachdenken, zum Reflektieren des eigenen Verhaltens liefern“, so die Conclusio aus der Gesprächsrunde mit den Akteur:innen auf der Bühne und dem Regisseur.

Das Labile, das In-Bewegung-Sein – auch im Sitzen – wird dann nicht zuletzt in den Sitz-„Bubbles“ (!) zum Ausdruck kommen.

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Die Zeichnung der Wiener Siegerin und ihre Volksschulklasse

Gute Luft und Stimmung in Klassenzimmern

9000 Kinder und Jugendliche hatten in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem Zeichnungen, manche auch Fotos von gebastelten Arbeiten zum Thema „Gute Laune, gute Luft“ eingeschickt. Damit nahmen sie teil am mittlerweile neunten Schulwettbewerb „Luftsprung“ der Plattform „MeineRaumluft“

Kürzlich ging der zu Ende, für jedes Bundesland wurden von einer Jury die nach deren Meinung besten Bilder ausgezeichnet, viele davon farbenfrohe, fröhliche Clowns und Clowninnen – kein Wunder, lautete die „Aufgabe“ doch einen „Luftclown“ zu gestalten, der für eine positive Stimmung im Klassenzimmer sorgen soll.

Marie Böhm, die Landessiegerin aus Wien
Marie Böhm, die Landessiegerin aus Wien

Die Plattform, die Lüften und damit eine gesündere Luft in den Klassenzimmern promoten möchte, hat sich für das oben genannte Motto für dieses Schuljahr entschieden, es „soll Lehrkräften dabei helfen, nach den herausfordernden Pandemie-Jahren wieder mehr Spaß und Freude in den Klassenraum zu bringen.

Mit dieser Bastelarbeit gewann Alexander Neuweg aus der Volksschule St. Aegidi den neunten
Mit dieser Bastelarbeit gewann Alexander Neuweg aus der Volksschule St. Aegidi den neunten „Luftsprung“-Bewerb in Oberösterreich

Lüüüüüüften!

Übrigens präsentierten vor ein paar Jahren Jugendliche in einem Finalprojekt des Schulwettbewerbs Jugend Innovativ – lange vor Corona – Messungen, wonach in einer durchschnittlich vollbesetzten Schulklasse pro Schulstunde ungefähr sechs bis sieben Mal gelüftet werden sollte/müsste!

Hier nun die Sieger:innen, viel mehr ihre Zeichnungen bzw. gebastelten Objekte, aus den acht teilnehmenden Bundesländern Burgenland, Kärnten, Nieder- und Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Wien. Hätte aus Vorarlberg auch wer mitgemacht hätte es heuer sozusagen mehrfach „alle 9e“ heißen können: Neunter Durchgang des Bewerbs, 9000 Teilnehmer:innen…

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Die „Luftsprung“-Gewinner:innen-Bilder aus den Bundesländern

Szenenfoto aus "Pinocchio" im und vom Marionetten Theater Schwandorf (Deutschland)

Mit Pinocchio wurde das erste Theater der Kleinstadt eröffnet

„Hör auf, unsere Karriereleiter zu essen! Du Holzkopf!“, sagt die Sockenpuppe Chisèl auf der kleinen Nebenbühne zu ihrem Sockenpuppen-Partner Hazel. Die Hände, um sie zu bewegen leiht ihnen Michael A. Pöllmann. Es sind sozusagen mit die ersten Worte und Bewegungen in diesem neuen Marionettentheater in der Oberpflanz (Deutschland). Dabei handelt es sich um das allererste feste Theaterhaus in Schwandorf, einer immerhin 30.000 Einwohner:innen-Stadt. Eigentlich liegt das Theater in Fronberg, das mit seinen nicht ganz 2000 Menschen seit 50 Jahren zu Schwandorf gehört (seit einer Gebietsreform 1972).

Wenig später begann der Schwandorfer Kunstlehrer Raimund Pöllmann mit Marionetten-Figuren, die er mit Schüler:innen im Werkunterricht und seiner Frau Christine baute, Stücke rund um Weihnachten zu spielen – meist im Dachgeschoss der „Kebbel-Villa“, dem Oberpfälzer Künstlerhaus, das gleich neben dem neuen Theater liegt.

Zurück zu den Wurzeln

Michael, meist Micha genannt, wuchs in Schwandorf, wohin die Pöllmanns gezogen waren, um vom Schulamt gemeinsam Stellen als Lehrer:innen zu bekommen, auf. Und war von Klein auf mit den Figuren, die an Fäden hängen und mit den Händen über hölzerne Kreuze bewegt werden, vertraut. Als Jugendlichen zog es ihn jedoch raus aus der Kleinstadt, zunächst nach Ulm zum Schauspielstudium. Und später nach Wien. Obwohl er selbst auf der Bühne spielte, zog es ihn später wieder zum Spiel mit Figuren und Objekten, die vor allem Scarlett Köfner designt und baut. Gerne arbeiten Scarlett Köfner und Michael Alexander Pöllmann in internationalen Koproduktionen z. B. mit den slowenischen Puppenbauer:innen Aleksander Andželović, Darka Erdelji und Primož Mihevc Köfner vom Puppentheater Maribor.

2019 übernahm Micha die Leitung des Schwandorfer Marionettentheaters und als die ehemalige Bankfiliale neben dem Künstlerhaus frei wurde, gelang es den Puppenbauer:innen en Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung für die Idee eines fixen, wie schon geschrieben, ersten Theaterhauses zu begeistern. Gespielt wird – ein breites Spektrum von Stücken – auf Wunsch der Puppenspieler:innen aus Schwandorf werden aller Voraussicht nach auch wieder alte Stücke der Eltern aufgenommen – immerhin gibt es dazu einen Fundus aus einigen Hundert Figuren. Pöllmann und Köfner verlegen ihren Lebensmittelpunkt aber nicht aus Wien nach Schwandorf, sondern kommen, um blockweise im neuen Theter in der Oberpfalz zu spielen und Workshops zu geben – ins Marionettenspiel aber auch in Upcycling.

Eröffnungsproduktion war aufgelegt

„Pinocchio war als Eröffnungsproduktion aufgelegt. Wenn aus einem Stück Holz eine lebendige Figur wird, gibt’s nichts Besseres für ein Figurentheater“, so Pöllmann zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Auf Einladung des neuen Theaters reiste kijuku.at nach Schwandorf, um zu berichten.

Pöllmann und Köfner bauten aber nicht nur die Puppen und Objekte für das Stück, sie bauten auch das einstöckige Bankhaus in ein Theater um, vor allem der Raum über der Bühne ist ausgetüfelt. Von hier aus ziehen die Spieler:innen, teils ehemalige Schüler:innen von Pöllmann senior, der heuer 85 Jahre wird, die Fäden. An diesen hängen u.a. mehrere Pinocchios – einer sogar mit einem Spezialmechanismus, mit dessen Hilfe die Nase aus dem Kopf weit rausgefahren werden kann. Das Wachsen der Nase beim Lügen gehört einfach zu dieser klassischen Figur, die Carlo Collodi erfunden hat.

Fantasievolle Abweichungen

Ansonsten hat Michael A. Pöllmann eine doch eigene Version nach dem Original entwickelt, die zwar entlang der bekannten Geschichte aber mit fantasievolleren Ausflügen und Abweichungen erzählt. So wird die Fee praktisch zu so etwas wie der Mutter Pinocchios oder zumindest der Lebensgefährtin des Tischlers Gepetto, der ja doch der Vater des lebendig gewordenen hölzernen Jungens ist.

„Ein bisschen eigen sind wir schon, wir drei“, sagt Gepetto kurz vor Schluss.
„Fee: Wieso eigen? …
Pinocchio: Ein alter Träumer, eine blaue Fee und eine lebendige Holzpuppe.
Gepetto: Tja, normal ist anders.
Fee: Nein, anders ist normal.
Gepetto: Sind wir eben eigen. Normal eigen.
Pinocchio: Wie auch immer, Hauptsache zusammen…
… Fee: Ihr seid die allerschrägsten Typen dieser Welt..
Alle (3): Wir sind die besten Ruhestörer auf der Welt.“

Die eben zitierte Passage gegen Schluss des rund 1 ½-stündigen Stücks bringt stark den kompletten Bruch mit dem Grundtenor des Originals als Art „Erziehungsroman“ zum Ausdruck. Der schlug/schlägt sich nicht zuletzt in dem eher diskriminierenden Namen nieder, steht doch Pinocchio eher für Dummkopf (pinco = Dummkopf). Hier aber wird die Neugier des kleinen Jungen gefeiert und (nicht nur) sein Anders-Sein!

Side-Kicks

Zu den Abweichungen bzw. Erweiterungen gehört auch das schon eingangs zitierte Holzwurmpärchen als witzige Side-Kicks, die auf der kleinen Nebenbühne beginnen, mehrmals zwischendurch auf der großen Marionettenbühne in Erscheinung treten, mitunter das Geschehen in der Pinocchio-Geschichte kommentieren. Vor allem aber unterhalten sie sich über wertvolle Nahrung im hölzernen Theater unterhalten, wobei Hazel (Haselnuss) von der französisch ausgesprochenen Variante des englischen Begriffs für Meißel (chisel) einbremsen lassen muss.

Musik

Die Stimmen – von Schauspieler:innen eingesprochen – kommen sozusagen vom Band. Das Marionettentheater gab darüberhinaus Musik in Auftrag, die Nele den Broek komponierte und die Liedtexte sang. Der erste Song orientiert sich an Bert Brechts und Kurt Weills „Dreigroschenoper“ – auch da die ersten Zeilen – von der Ausruferin Lucinola fast aufgelegt: „Und Gepetto hat ein Messer und das trägt er in der Hand…“

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Compliance-Hinweis: Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wurde vom Marionetten Theater Schwandorf auf die Reise und den Aufenthalt in dieser Stadt eingeladen.

Weitere Fotos aus dem und rund um das neue Theater

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Montage aus zwei Fotos - Lilli Böckl (11) führt Objekte im "tapferen Schneiderlein" und ERika Eichenseer (89) begegnet ihrem Puppen-Ebenbild - und Logo vom Marionetten Theater Schwandorf

Von sehr jung bis ziemlich alt

Lilli Böckl ist elf Jahre, am Tag der Premiere des neuen Marionetten Theaters Schwandorf hilft sie rund um mit, schreibt mit Kreide auf eine kleine schwarze Tafel, was es alles nach dem Stück zu trinken gibt. Vor allem aber fühlt sie sich schon heimisch, weil sie selbst seit rund einem Jahr in manchen Stücken – eben noch nicht in diesem Haus – mitwirken durfte. „Dort wo wir bis jetzt gespielt haben, war’s schon sehr eng, da mussten wir uns ganz schön zusammenquetschen“, freut sie sich im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „dass wir da jetzt mehr Platz haben“. Das gilt für jene, die von oben Marionetten an Fäden führen aber auch für die, die zu ebener Erde von der Seite oder von unten Puppen oder Gegenstände an Stäben bewegen.

Im „Tapferen Schneiderlein“ hat sie Luftballons, die Gegner gegen die der Held kämpft, zerstochen, bei anderen Stücken Herzen bewegt, Kirchturmglocken läuten lassen, Torten auf Servierwägen ins Spiel geschoben… „Du musst dir halt alles genau merken, wann du was machen musst“, verrät sie die Herausforderung. „Am Anfang ist mir manches zu schnell gegangen, aber jetzt kann ich das gut. Vielleicht spiel ich dann später einmal auch mit Puppen in einigen Stücken.“

Alter Geschichten-Schatz

Am anderen Ende des Altersspektrums taucht nach dem Stück Erika Eichenseer auf. Sie ist 89 Jahre und wird sozusagen von ihrem Puppen-Ebenbild begrüßt, an Fäden geführt von Scarlett Köfner, die auch diese spezielle Puppe gebaut hat. Sie selbst aus einem Kreis von Laienschauspieler:innen und befreundet mit den Pöllmanns erzählt kijuku.at: „Ich hab vor 15 Jahren einen wahren Schatz gefunden – in Regensburg in einem Archiv fielen mir die Originale der von Franz Xaver Schönwerth (1810 – 1886) gesammelten Sagen, Märchen, Kinderreime und -spiele in die Hände. Seither verbreite ich diese Geschichten bei allen möglichen Gelegenheiten, bei fachkundlichen und pädagogischen Tagungen zum Beispiel. Im Gegensatz zu den Grimm’schen Märchen sind die nie verändert und umgeschrieben worden. Und er stammte aus dieser Gegend.“ Und daraus wurde ein Stück, das wenige Tage nach der Eröffnung seine Premiere feierte – und im Sommer wieder gespielt wird.

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Compliance-Hinweis: Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wurde vom Marionetten Theater Schwandorf auf die Reise und den Aufenthalt in dieser Stadt eingeladen.

Szenenfoto aus „Don Q oder: Don Quijote rettet die Welt“

Noch ein Loblied auf Don Quijotes Fantasie

Dass der berühmte Ritter von der traurigen Gestalt nicht wirklich ein Ritter war, sondern sich nur durch das Lesen vieler solcher Romane in diese Rolle reinversetzte, das enthüllt „Don Q oder: Don Quijote rettet die Welt“ gleich zu Beginn. Und damit’s niemand vergisst, kommt das in dem einstündigen Stück (von dem es auch eine längere Version dann mit Band gibt) im Veranstaltungssaal der Wiener Hauptbücherei am Muttertag.

Szenenfoto aus „Don Q oder: Don Quijote rettet die Welt“
Szenenfoto aus „Don Q oder: Don Quijote rettet die Welt“

In (selbst-)ironischer Weise erzählen die beiden Schau- und Puppenspieler:innen Michaela Studeny & Ch. Picco Kellner einige der Abenteuer, darunter natürlich das wohl bekannteste vom Kampf gegen Windmühlen – auch wenn dies im Original von Miguel de Cervantes (1547 – 1616) keine zwei von rund 1500 Seiten umfasst. Ein riesiger Schirm mit aufgemalten Flügeln wird zu den sich drehenden Flügeln der Windmühle. Ebenso wie ein Leiterwagen später zum Esel, davor zum Gasthaus, Himmelbett der Wirtin, die der in seiner Fantasie versinkende „Ritter“ für eine Königin hält. Sie möge ihn zum Ritter schlagen – das mit den Schlägen spielen die beiden slapstickartig zum Gaudium der vollbesetzten Publikumstribünen. Für den friedlichen Part sorgt dann Knappe Sancho, den Kellner als Person verkörpert – den Don Quijote spielt er mit einer Klappmaulpuppe: „Ich bin kein Feigling“, kontert er dem Möchtegern-Ritter, „ich kämpfe halt nur nicht so gern!“

Schnappschuss aus der Windmühlen-Szene in „Don Q oder: Don Quijote rettet die Welt“
Schnappschuss aus der Windmühlen-Szene in „Don Q oder: Don Quijote rettet die Welt“

Wie auch „Frau Franzi“ in „Don Quijote, oh mein Gott“ – Link zur Besprechung dieses Stücks, das vor einem halben Monat Premiere hatte, am Ende dieses Beitrages – spielt und singt (Livemusik und -gesang: Robby Lederer) auch diese Koproduktion von Theatro Piccolo und Figuren Atelier Wien (bzw. bei der längeren Version mit Gomera Streetband) ein Loblied auf die Fantasie (Text: die beiden Spieler:innen sowie Eva Billisich, die auch Regie führte).

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Skulpturen im Park - geschaffen von Künstler:innen, die zeitweise hier arbeiteten: "Himmelszeichen" von Hubert Baumann

Künstler:innenhaus, Theater, Dirt-Bike-Parcours

Neben und hinter dem Marionetten Theater Schwandorf liegt ein großer Park mit unterschiedlichsten Skultpuren. Sie stammen von Künstler:innen, die als Artists in Residence in der neben dem Theater liegenden „Kebbel-Villa“, dem „Oberpfälzer Künstlerhaus“ für jeweils rund ein bis zwei Monat(e) zu Gast sind und in Ateliers in einem relativ neuen Nebengebäude arbeiten – derzeit gastieren die Bildenden Künstlerinnen Polina Shcherbyna aus dem ukrainischen Kyiw, Camille Tsvetoukhine aus Paris (Frankreich) sowie die Autorin Marie-Anne Legaut aus Abitibi (Quebec, Kanada), um hier zu leben und künstlerisch zu arbeiten. Im Gegenzug ermöglicht diese seit rund 40 Jahren bestehende Einrichtung regionalen Künstler:innen Auslandsaufenthalte bei/mit Partner-Institutionen.

Das Künstler:innen-Haus beherbergt laufend Ausstellungen – aktuell Michael Franz: New Sad und India Nielsen: I’m in the Dark Right Now (Feeling Lost, but I like it) sowie Jacky Conolly: Descent Into Hell. Außerdem bietet die Kebbel-Villa künstlerische Werkstätten für Kurse in verschiedensten Techniken wie Lithografie, Radierung, Siebdruck usw.

Einstiges Wohnhaus der Eisenwerk-Besitzer-Familie

Die Villa war der einstige Sitz der Eigentümer:innen des Eisenwerks in der Nähe. Das existiert noch immer – einige Künstler:innen wie Leah Jacobson, Klaus Caspers und Hubert Baumann haben in Zusammenarbeit mit dem Werk  Skulpturen geschaffen; Erstere baute eine bunte, metallene „Naturbrücke“, Zweiterer brachte schienenartige Metallteile zum „tanzen“ und der dritte genannte Künstler schuf „Himmelszeichen“ an langen Stangen.

Gleich hinter dem Theater zwitschert’s aus einem Baum – doch es handelt sich nicht um echte Vogelstimmen, sondern um eine Art Remix aus verschiedensten „Vogelliedern“, die Stephan Dillemuth selbst komponiert hat. In Titeln wie Erdmusik oder Flügelstaub im Glockengestühl stellt er Verbindung von Vogelgezwitscher und zeitgenössischer Kunstwelt her.

Künstliche und künstlerische Vogelstimmen

„Die Vogelstimmen“ hat er vor mehr als 20 Jahren aufgenommen und (als CD) veröffentlicht. Seine Inspiration dazu holte er sich von der Künstlerin Louise Lawler, die 1972 eine Schallplatte veröffentlicht hat, auf der sie die Namen männlicher Künstler in Form von Vogelstimmen wiedergibt. Bei Dillemuth lassen sich bei genauem Hinhören nicht nur die Namen von Künstlern, sondern auch von Künstlerinnen ausmachen: „Tracy Emin“ und „Sarah Lucas“ etwa tauchen zusammen mit „Jake & Dinos Chapman“, „Peter Doig“ und „Damien Hirst“ auf.

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Eines der Kunstwerke - samt einem vergrößerten Detail von India Nielsen
Eines der Kunstwerke – samt einem vergrößerten Detail von India Nielsen

Theater-Geschichte

Im Dachgeschoß der Kebbel-Villa spielte Raimund Pöllmann, Vater des nunmehrigen Leiters des nebenan gelegenen Marionetten Theaters Schwandorf, mit Schüler:innen seit 1977 Figurentheaterstücke – rund um die Weihnachtszeit jeweils ein Stück für Kinder und eines für Erwachsene. „Vor fünf Jahren rund um den 80. Geburstag von Pöllmann senior ergaben sich dann erste Gespräche die Stadt könnte das freiwerdenden Nebengebäude der Sparkasse erwerben und daraus ein Marionetten Theater machen“, sagt Oberbürgermeister Andreas Feller in einem Telefonat mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

„Ja, es stimmt“, so der OB auf die Journalistenfrage, ob es in der Stadt mit rund 30.000 Einwohner:innen bisher gar kein Theater gegeben habe, „aber nur, kein eigenständiges Haus, wir haben Vereine, die Theater spielen – teils im Innenhof des Schlosses, teils im Felsenkeller-Labyrinth und jahrzehntelang eben auch in der Kebbelvilla, die auch von der Stadtgemeinde stark unterstützt wird.“

Interview mit dem Oberbürgermeister

Außerdem verweist der Oberbürgermeister (CSU) darauf, „dass wir das Theater mit einer sensationell günstigen Miete unterstützen mit dem Angebot, dass das Theater auch für Schulen und Kindergärten spielt. Außerdem erhoffen und erwarten wir uns als Stadt gegenseitige Befruchtung von Künstlerhaus und Theater, das auch andere Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte und Kleinkunst präsentieren wird.“

KiJuKU: Gibt es andere Initiativen für Kindern und/oder Jugendliche?
OB Andreas Feller: Wir haben mitten in der Stadt einen eigenständigen Jugendtreff K3, geben einen Kinderstadtplan heraus und haben einen Jugend-Beirat ins Leben gerufen.

KiJuKU: Der kann was und wird bestimmt oder gewählt?
OB Andreas Feller: Jugendliche zwischen 12 und 18 aus der Stadt können sich in diesem offenen Gremium engagieren. Der Beirat macht Vorschläge – für Konzerte, Bürger-Freiflächen. Offen ist noch eine neue Skater-Anlage, da ist noch nicht klar, ob das alles planungsrechtlich abgesichert werden kann. Ich weiß schon, für Jugendliche geht immer alles zu langsam. In Planung ist außerdem ein Dirt-Bike-Parcours.

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Szenenfoto aus "Skriker" im Theater Arche (Wien)

Mystisch-düsteres Horromärchen über Abgründe

In einem mystisch, meist dunklen Ambiente mit sehr aufwändigem Bühnenbild spielen Schauspieler:innen und solche, die gerade ihre Ausbildung dazu machen das düster, teils Angst machende „Horror-Märchen“ namens „Skriker“ – eine Koproduktion von Yellow Cat Theatre mit der Open Acting Academy-Konservatorium für Schauspiel.

Apfel, Tierköpfe und Fluss zur Unterwelt

Wenige Tage spielt(e)n 18 Darsteller:innen die rund zweistündige Geschichte im Wiener Theater Arche. Im Schwedischen würde Skriker für Schreien stehen, aber die britische Autorin Caryl Churchill siedelte ihre (vor rund 30 Jahren geschriebene) sehr wandelbare Fee in einer schottischen mystischen Fantasiewelt an, einer Art Jenseits. Und paarte sie mit Märchen- und anderen Versatzstücken – von der Stiefmutter, die Schneewittchen mit einem Apfel vergiften will über Shakespeares Sommernachtstraum mit einem Menschen mit Tierkopf bis zur griechischen Mythologie mit dem Fluss Styx als Grenze zwischen Lebenden und Toten.

Dies- und Jenseits

In dieser Inszenierung (Regie: Colleen Rae Holmes) – 2017 war eine andere Version im Kosmos Theater zu sehen – wird die titelgebende Figur von drei Schauspielerinnen gespielt, die zeitweise im Trio, sehr oft aber abwechselnd allein und in immer neuen Gestalten in Erscheinung treten: Nadja Kruselburger, Pia Schiel und Matea Novak. Die beiden Hauptfiguren im Diesseits sind Josie (Jasmina Eder) und Lily (Julia Wiehart). Erstere war schon „drüben“ – irgendwie als Sühne für eine böse Tat womit sie sozusagen in den Bann der Skriker gekommen ist. Diese Last will sie abschütteln und auf Lily, die ein Kind erwartet, übertragen.

Großes Ensemble

Der Kampf der beiden – gegeneinander einer- und gegen die Inbesitznahme durch die Jenseits-Feen andererseits – steht im Zentrum des fast zweistündigen, emotional fesselnden Abends, der für so manche Schreckmomente sorgt. Die genannten fünf Darsteller:innen werden von gut einem Dutzend weiterer in vielen kleinen und größeren Rollen ergänzt – manche mit Tierköpfen, dominierend dabei der sehr oft präsente Wachhund aus dem Jenseits (Christian Georgita). Alle einzelnen Rollen, ihre Funktion sowie ihre Darsteller:innen zu nennen, wäre hier vielleicht zu verwirrend – sie alle machen aber erst aus dem doch lange dauernden Stück einen kurzweiligen Abend, ob sie nun nur kurz auftreten, spielen oder tanzen.

Echter kleine Flusslauf

Mehr als bemerkens- und erwähnenswert ist allerdings die vielleicht aufwändigste Bühne, die je in diesem Theater – noch dazu nur für wenige Vorstellungen – aufgebaut wurde: Die düstere, mystische Landschaft mit knorrigen Bäumen, Erde und einem kleinen Flusslauf – mit echtem Wasser – und viel Müll. Denn das jenseits, das Reich des Todes winkt nicht nur für individuelle böse Taten, sondern der ganzen Menschheit dafür, wie sie den Planeten zerstört.

Wobei dieses Jenseits, getrennt durch den Wasserlauf, vielleicht auch „nur“ das schlechte Gewissen, die eigenen dunklen Abgründe sind?! Das würde erklären, weshalb Lily beispielsweise verwundert ist über Josie, die von ihrem urlangen Aufenthalt in der anderen Welt spricht, ihre Abwesenheit aber kaum bis gar nicht wahrgenommen haben will.

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Doppelseite aus dem Bilderbuch "wir"

Wir … – sind da und vielsprachig

Von mirmirrok (grantig auf Kurdisch) über le latsche gondi hi (einfallsreich, Romani) lekful (tierisch, Schwedisch) bis niezapomniany (unvergesslich, Polnisch) kannst du dich in diesem fast 100-seiigen Bilderbuch lesen – und vor allem schauen. Linda Woldsgruber, vielfach ausgezeichnete Kinderbuchillustratorin und oft auch -autorin, hat ihr Buch „wir“ nach mehr als einem halben Jahrzehnt ergänzt, erweitert. Und wie!

Sprachen zugelost

2017 standen nur deutschsprachige Adjektive (Eigenschaftswörter) bei ihren gezeichneten Gesichtern. Womit schon die Sichtweise auf eine Zeichnung verändert werden konnte. In der neuen, brandaktuellen Version wurden den 44 gemalten Porträts verschiedene Sprachen zugeordnet. Wobei das zuletzt genannte Wort so nicht ganz stimmt. Um möglichen Klischee-Fallen zu entgehen – Österreicher:innen sind so, Nigerianer:innen so… -, wurden die Sprachen den Bildern und ihren deutschen Adjektiven zugelost. Diesen Vorgang filmte der Verlag und stellt ihn als Video ins Internet (Link dazu in der Info-Box am Ende des Beitrages).

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „wir“

Es tauchten noch weitere Fragen auf, denen sich Autorin/ Illustratorin und Verlag stellten. Nicht jedes Eigenschaftswort lässt sich einfach 1:1 übersetzen, bzw. hat in manchen Sprachen eine andere, vielleicht negativere Bedeutung. Umgekehrt gibt es ja in den verschiedensten Sprachen auch (fast) unübersetzbare Begriffe, natürlich auch bei Eigenschaften. So würde das Finnische „humalassa syntymästä asti“ auf Deutsch „seit meiner Geburt betrunken“ heißen, was aber mit Saufen gar nichts zu tun hat, sondern ungefähr so viel wie kreatives Ver-rücktsein von Anfang an bedeutet.

Um „Fettnäppfchen“ zu vermeiden, kontaktieren die Verleger:innen einerseits Menschen, für die die entsprechende Sprache ihre Erstsprache ist und andererseits auch Wissenschafter:innen. Anhand einer speziellen Herausforderung schildert der Verlag (Tyrolia) die Vorgangsweise: „Da es für Gebärden kein standardisiertes, schriftliches Darstellungssystem gibt – vom Fingeralphabet allerdings schon“, entschlossen sie sich, zickig mit den sechs Buchstaben-Gebärden des Wortes darzustellen – und ein Video der dazugehörigen Gebärde aufnehmen zu lassen – der entsprechende QR-Code im Buch führt zu diesem. Wobei’s noch ein bissl komplizeirter war, aber das lässt sich im pädagogischen Begleitmaterial im Detail nachlesen – Link in der Infobox.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „wir“

Ergänzungen, Erweiterungen im Internet

Dem Internet sei Dank, finden sich auf der Verlags-Homepage zum Buch darüber hinaus auch Kopiervorlagen, u.a. für Burgenlandkroatisch. Die lassen sich ergänzen – möglicherweise um weitere Sprachen oder solche, die sich aus Anregungen und vielleicht auch Kritik ergeben, so wurde „übersehen“, dass manche Sprachen in mehreren Schriften existieren, etwa Serbisch oder Kurdisch – bzw. bei letzterem es sogar mehrere kurdische Sprachen gibt. Und Alphabete, die nicht von links nach rechts, sondern umgekehrt geschrieben werden, hätten vielleicht auf den Seiten auch rechts statt links beginnen können.
Und cool wäre es auch noch: Begriffe in anderen Schriften vielleicht dort entweder in Lautschrift oder per QR-Code oder Audio-File zum Anhören zu platzieren. „Das Buch soll aber ja auch anregen, Leute zu suchen, die diese Sprachen können und es dann vorsagen“, heißt es auf die entsprechende kijuku.at-Anregung. Also auf zum Sprachen-Sammeln 😉

Wie auch immer – das Buch kann vor allem in Kindergärten und Volksschulen einen Gutteil der Sprachen, die Kinder aus ihren Familien mitbringen, zur Sprache bringen, zur Weiterarbeit anregen, zum Diskutieren und Spielen, wie mit Gesichtsausdrücken – oder auch Körperhaltungen – Gefühlen dargestellt werden können. Und „Wir“, das auf der Rückseite des Buches um „…sind da“ ergänzt ist, zeigt die Wertschätzung über vorhandene Vielfalt und den natürliche Umgang damit – und kann somit Einfalt verhindern.

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Szenenfoto aus "Kassandra 4D"

Nehmt die „blinde Seherin“ endlich ernst!

Grünlich-bläuliche Bubbles bewegen sich im Hintergrund über die Leinwand. Meist wandern abstrakte Muster, hin und wieder re-mixed mit konkreten Fotos, selten auch mit Wörtern über die grafisch-künstlerisch von Experimentalfilmer Erich Heyduck gestaltete Video-Kulisse hinter der Schauspielerin und dem Musiker.

Letzterer liefert Musik, Sound, Geräusche aus einem Live-Studio unterschiedlichster Tasten-Instrumente und Regler. Hin und wieder greift Georg O. Luksch zu einer „Pipe“, einem ein wenig klobig wirkenden Blasinstrument samt Knöpfen zu elektronischen Verzerrungen. Mit seinem analogen, elektronischen Tonstudio fast in Form eines Cockpits schafft er durchgängig die akustische Atmosphäre für „Kassandra 4D“, das er gemeinsam mit Rita Luksch entwickelt hat und nun live performt. Die Schauspielerin lässt Texte lebendig werden, schlüpft in die Rolle der mythologischen Titelheldin, switcht mühelos über rund viereinhalb Jahrtausende – mit verbalen Ausflügen Millionen Jahre zurück.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kassandra 4D“

Mauern schließen auch ein

Und lässt – wie natürlich viele neuzeitliche „Kassandra“-Bearbeitungen seit Jahrzehnten – aktuelle Themen mitschwingen. War’s bei der DDR-Schriftstellerin Christa Wolf nicht zuletzt „die Mauer“, die Troja angeblich schützen sollte, so finden wir in der Quadrophonie-Version bald nach Beginn folgende Sätze: „Jedenfalls Priamos, unser Herrscher, König von Troja, mein Vater – doch er hat sich verschlossen vor meinen Warnungen. Will nichts hören von der Gefahr, die uns bedroht, uns auszulöschen droht! Ihr schließt euch ängstlich ein, die Mauer um unsere Stadt wird größer und größer, die Gräben tiefer und tiefer zwischen den Völkern. Die Fremden auf der einen Seite und wir auf der anderen. Griechen gegen Trojaner. Habt ihr das gewollt?“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kassandra 4D“

Tanz auf dem Vulkan?

Zwischendurch lädt Rita Luksch einmal das Publikum ein, sich von den Sitzen zu erheben und zum Fest des Apollon mit ihr als neuer Priesterin zu tanzen. Das ist allerdings eher ein Tanz auf dem Vulkan oder der Titanic, haben wir doch schon davor von der Kassandra – in Vergangenheit und Gegenwart – düstere Vorhersagen erfahren; keine esoterischen durch Blicke in Glaskugeln oder via gelegter Karten usw., sondern „einfach“ aus der messerscharfen Analyse der Ereignisse. Die im einen Fall durch Machtgier zu unzähligen Todesopfern im Krieg zwischen Griechen und Trojanern führten und im anderen, im heutigen Fall zum möglichen Untergang der ganzen Menschheit.

Wobei zu letzterem kommen die heftigeren Fakten erst im Teil nach dem Tanz. Aber sie sind natürlich schon zuvor gegenwärtig. Die von Menschen angerichtete Klimakrise ist wohl mittlerweile jeder und jedem in irgendeiner Weise zumindest nicht entgangen. Auch wenn Rita Luksch vor allem gegen Ende vielleicht manch weniger bekannte Fakten – u.a. solche, die möglicherweise gerade noch Abhilfe schaffen könnten – rezitiert, wirkt das letzte Viertel doch zu sehr nach lehrhaftem Vortrag. Natürlich alles wichtig und richtig.

Fleisch-Facts

Eine Passage daraus: „Wenn wir Konsument*innen die Empfehlung der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung beachten und statt pro Person 60 Kilo Fleisch im Jahr nur die empfohlenen 19 Kilo verzehren, reduzieren wir unseren Fleischkonsum um zwei Drittel, so braucht es in Österreich 64 Millionen weniger Nutztiere. Damit werden große Flächen für eine Umstellung auf Biolandbau oder zur Aufforstung frei. So würden im Ernährungsbereich 28 Prozent der Treibhausgase eingespart.“

Es gäbe sicher noch viel mehr solcher Fakten, aber das bisschen Overkill, wirkt, als hätte das Duo gar nicht an die Kraft der eigenen zuvor so konzentrierten und doch ent-dichteten, der poetisch-atmosphärischen, Performance geglaubt, die das Publikum sinnlich in diesen Wahnsinn der Ignoranz gegenüber analytischen bzw. wissenschaftlichen Warnungen mitnimmt.

Wabbernde Sounds tröpfelnde Linsen

Das kongeniale Zusammenspiel von Musik bzw. Geräuschen, die zeitweise voll durch den Raum wabbern, und der Schauspielerin, die übrigens fallweise auch mit auf einer runden Rahmentrommeln und darauf „tröpfeln lassenden“ Beluga-Linsen musiziert sowie dem auf die Szenen abgestimmten Experimentalvideo nimmt mit auf eine Reise, die zwischen Faszination und kaltem Schauer pendelt. So schön und doch so arg, wie die große Mehrheit oder gar wir alle sehenden Auges ins Verderben rennen, das die blinde Seherin voraussagt.

War’s, weil es sich bei Kassandra um eine Frau handelt(e), dass die Herrscher ihr nicht glaubten? Das war wohl (mit) ein Grund, aber nicht der alleinige. Warnungen auch vieler männlicher Wissenschafter, die seit Jahrzehnten auf Folgen von Ressourcen-Vernichtung und Erwärmung der Erdatmosphäre hinweisen – wir wissen, was mit ihnen passiert (ist).

Kommt wieder

Premiere, bei der vielleicht trotz wunderbaren Zusammenspiels der Schauspielerin und des Musikers vielleicht der eine oder andere Blickkontakt oder körperliches Zusammenspiel noch besser gewesen wäre, war in der ersten Mai-Woche im Gleis 21, einem Veranstaltungsraum im gemeinschaftlichen (Wohn-)Projekthaus im neuen Sonnwendviertel beim Wiener Hauptbahnhof. Dort wird noch zwei Mal im Juni und dann im September gespielt, einmal auch im niederösterreichischen Wilhelmsburg – siehe Info-Box.

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kassandra 4D“

Doppelseite aus dem Bilderbuch "Monsteraffen gibt es nicht"

Wie aus einem „Käffchen“ ein urarger Monsteraffe wird

„Simma bald da?“, tönt’s in einer Sprechblase aus dem Kleinbus der Familie Köpenick. Und das ist nicht der einzige Satz, der die lange Urlaubsfahrt charakterisiert. „Ick muss Pipi!“, deutet darauf hin, dass die Familie aus einer Gegend Deutschlands anreist. Und sie landet irgendwo in den Bergen wo gejodelt wird – und dem Dialekt nach irgendwo in Österreich liegen könnte: „Da drüben san Fremde.“

Ein Missverständnis in der gemeinsamen deutschen Sprache wächst sich zur zentralen Geschichte des Bilderbuchs „Monsteraffen gibt es nicht!“ aus. Leonora Leitl lässt ihre Figuren – die Urlauber:innen und die Einheimischen – in Wort und Bildern in Angst und Schrecken versetzen. „Voi soark soll’s sein“, das kleine Äffchen, das die mitgebracht haben. Dabei hatte Vaddi doch nur gefragt: „Ham se mal ‚n Käffchen für uns?“

Einmal als Wort in die kleine Welt gesetzt, wird das Äffchen immer größer und wilder, Menschen und Tiere meinen sich, fürchten zu müssen. „Die wilde Nachricht rollt weiter über die Gipfel. In der Burgruine Schreckenstein mit ihren dicken Mauern findet sie besonders schaurigen Widerhall“, schreibt die Autorin und Illustratorin in Personalunion und lässt in Bildern die Gespenster der Ruine zittern.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Zu Beginn das „Personal“ der Geschichte, um den Überblick nciht zu verlieren 😉

Ur-arg

Ein paar Seiten weiter ist das Äffchen schon „ein wüster Monsteraffe mit Krallen so spitz wie Stricknadeln. Ein Pratzenschlag und du blutest wie nix. Ur-arg!“ Alarmistische Radiomeldungen, Hubschraubereinsatz zur Suche nach dem Monster, „nur der Adler Horst, der versteht die Welt nicht mehr“, denn durch seine Höhenflüge hat er den Überblick und obwohl sonst zurückhaltend teilt er den Menschen mit: „Leute! Das ist gequirlter Blödsinn! Ein Monsteraffe auf unsern Bergen?? Der Heimat von Gämsen, Steinböcken und Murmeltieren? Denkt doch mal ein bisschen nach! Was für ein Schwachsinn!“

Damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende, aber Spannung soll ja wohl ncoh bleiben in dieser leicht fasslichen und bunt fast im Stil von Kinderzeichnungen bebilderten Geschichte über eine Art wie Fake News sich verbreiten (können).

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Monsteraffen gibt es nicht“

Kein Plan(et) B, aber Planet E und K

„Wenn wir der Erde etwas wegnehmen, müssen wir ihr auch etwas zurückgeben. Wir und die Erde sollten gleichberechtigte Partner sein. Was wir der Erde zurückgeben, kann etwas so Einfaches – und zugleich so Schwieriges – wie Respekt sein.“ Dieses Zitat von Jimmie C. Begay, vom Stamm der Navajo, einer der indigenen Gruppen oder First-Nations aus Nordamerika setzten Schüler:innen der HLW (Höhere Lehranstalt für Wirtschaftliche Berufe) aus Šentpeter/ St. Peter gemeinsam mit dem Slowenischen Kulturverein/ Slovensko prosvetno društvo Rož (SPD Rož) in Szene. Als zwei einander verfeindete Gruppen begannen sie mit weißen bzw. schwarzen Sesseln auf der Bühne der Kammerlichtspiele, eines Theaters in Klagenfurt bzw. Celovec wie die Kärntner Landeshauptstadt auf Slowenisch heißt.

Diese und einige andere (Schul-)Gruppen stellten Auszüge aus ihren Projekten im Rahmen von „Schule-Jugend-Theater/ Šolsko-mladinsko-gledališče“ im Rahmen eines internationalen inklusiven Theater-Treffens kurz vor dem Muttertag 2023 vor („Europäische und internationale Partnerschaften zur Entwicklung von Fertigkeiten zur sozialen Inklusion mittels Kreativität und Kunst“). Und damit wurden neben den beiden schon erwähnten Kärntner Landessprachen Deutsch und Slowenisch noch eine dritte sichtbar: Gebärdensprache.

Elementar

Letztere wurde – neben der Live-Simultan-Übersetzung vor allem in einem Projekt mit einem fast unaussprechlichen Titel sichtbar: FeOSiMgSNiCaAl. Wer in der Schule schon Chemie hatte, könnte draufkommen. Es handelt sich um die Zeichen für die chemischen Elemente Eisen (Fe), Sauerstoff (O), Silizium, Magnesium, Schwefel, Nickel, Cadmium und Aluminium. Sie kommen am häufigsten auf der Erde vor. Einige der Schüler:innen dieses Projekts der Mittelschule 5 Klagenfurt-Wölfnitz / Srednja šola 5 Celovec-Golovica sowie der Volksschule 20 Klagenfurt-Viktring /Ljudska šola 20 Celovec-Vetrinj hatten die Kurzbezeichnungen auf ihre T-Shirts gemalt und zeigten in Gebärdensprache den vollen Wortlaut, den sie in Lautsprache wiederholten.

„Außerirdische“

Der Umgang der Menschen mit unserem (Heimat-)Planeten und die drohende Zerstörung der Lebensgrundlagen desselben – für uns, aber auch viele Tiere und Pflanzen – war das Generalthema für diese Projekte zwischen Schule und (Theater-)Kunst). Der passende Titel wie er schon von vielen Demos der Bewegung Fridays für Future bekannt und doch hier abgewandelt wurde: „Es gibt keinen Plan(eten) B“/ „Plan(eta) B ni“. Dafür aber (er)fanden Kinder und ihre Pädagog:innen aus der VS Klagenfurt 1 / LŠ Celovec 1 sowie des Montessori Kindergartens Bunte Knöpfe / Montessori vrtec pisani gumbi den „Planeten E“ – für Erde, einmalig, einzigartig! Sie setzten dies in einen fantastischen Film um, in dem sie in wenigen Sekunden die Entstehung des Uni-was?, des Universums vom Urknall weg recht witzig schildern und einige sich in die Montur von Wissenschafter:innen in Labors begeben, die an umweltverträglichen und nachhaltigen Antrieben „forschen“. Für Schmunzeln bis Staunen sorgte ihr Zeichentrick-Antwort auf die selbstgestellte Frage, ob es Außerirdische gibt: „Zuerst schickten die Menschen einen Hund ins Weltall, das war damit der erste Außer-Irdische!“

Planet K

Mit den Planeten unseres Sonnensystems setzten sich auch Kinder der Volksschule Nötsch / LŠ Čajna auf der Bühne auseinander. Wobei in dem Projekt „Katz im Sack III, Der Planet (B) auf dem Spiel“ gemeinsam mit der VS Bad Bleiberg / LŠ Plajberk pri Beljaku sowie der  Mittelschule Nötsch-Bad Bleiberg / NSŠ Čajna/ Plajberk pri Beljaku und dem Bergmännischen Kulturverein Bad Bleiberg / Knapovsko kulturno društvo Plajberk pri Beljaku auch der alte vor 30 Jahren stillgelegte Blei-Bergbau mit ehemaligen Minenarbeitern zur Sprache kam. In diesem Projekt treffen wir auf einen „neuen Planeten“, den namens K – für Kinder.

Letzter Aufruf

„Lalü lala“ – die Sirenen eines Rettungsautos sind zu hören, als eine fast wildromantische Flusslandschaft im Bild zu sehen ist. Der Film dokumentiert das Projekt „Last Call“ (letzter Aufruf) des Lehrgangs der Kärntner Volkshochschulen / Koroška ljudska univerza) zur Nachholung des Pflichtschulabschlusses sowie von Schüler:innen der SOB (Schulen für Sozialberufe Wolfsberg – Šola za socialne poklice Volšperku). Die Jugendlichen machten sich auf und sammelten leere Getränkedosen, Plastikflaschen und anderen in der Natur weggeworfenen Müll – und beklebten damit einen riesigen aufgeblasenen Ball (Durchmesser: 2,5 Meter) als Symbol für unsere vermüllte Weltkugel, die nun in einem leerstehenden Geschäftslokal in der Kärntner Landeshauptstadt zur abschreckenden Besichtigung ruht.

Wo holt ihr euch Informationen?

Gemeinsam mit der neuebuehnevillach / neuebuehnevillach Beljak machten sich Jugendliche  der Sportmittelschule Villach Lind / Srednja športna šola Lipa pri Beljaku auf ins Görschitztal. Erkundeten die Natur und ließen sich zunächst zum Thema Umwelt recht allgemein befragen. Unbeeinflusst sagten sie – in der filmischen Dokumentation gezeigt – ihre Meinung. Dann ging’s konkret um den vor fast zehn Jahren hier stattgefundenen Umweltskandal. HCB (Hexachlorbenzol), ein Wirkstoff, der Pilze oder ihre Sporen abtötet oder ihr Wachstum verhindert, wurde aus einer ehemaligen Deponie der Donau-Chemie freigesetzt, versuchte Grundwasser und in der Folge Nahrungsmittel. Und wurde zumindest monatelang von den Behörden verschwiegen.

Wo holten sich die Schüler:innen Informationen darüber – das war ein Teil des Projekts. Die meisten gaben an, aus dem Internet, ein paar hatten auch ihre Eltern befragt, sie selbst waren damals ja noch deutlich zu jung (aufgeflogen im Jahr 2014). Davon ausgehend ist im Film zu sehen, wie der Lehrer die Jugendlichen fragt, wo sie sich am informieren – bei Eltern, Lehrer:innen oder im Internet. Bei Letzterem gingen die meisten Arme in die Höhe.

Von da her schlug bei den filmischen Präsentationen im Spiegelsaal der Kärntner Landesregierung am Vormittage – bevor die oben schon geschilderten Szenen in den Kammerlichtspielen gezeigt worden sind – der Projektleiter von Schule-Jugend-Theater Šolsko-mladinsko-gledališče, Herbert Gantschacher, der gemeinsam mit dem u.a. für Bildung zuständigen Landesrat Daniel Fellner Urkunden an die beteiligten Schüler:innen und Lehrer:innen verteilte, den Bogen zum Thema im kommenden Schuljahr: Fake News.

Gruppenfoto der Mitwirkenden am internationalen Projekt („Europäische und internationale Partnerschaften zur Entwicklung von Fertigkeiten zur sozialen Inklusion mittels Kreativität und Kunst“
Gruppenfoto der Mitwirkenden am internationalen Projekt „Europäische und internationale Partnerschaften zur Entwicklung von Fertigkeiten zur sozialen Inklusion mittels Kreativität und Kunst“ aus Polen, Israel, Schweden, Belgien, Deutschland und Österreich

„Blind“ und gehör-beeinträchtigt

Die Gäst:innen des schon genannten inklusiven Theater-Treffens – aus Polen, Israel, Schweden, Belgien, Deutschland und Österreich – ließen sich nach den Präsentationen der Schüler:innen und diversen Besichtigungen vor allem auf einen Workshop ein in dem sie Augen verbanden, Ohren zustöpselten und „blind“ und gehör-beeinträchtigt Gegenstände auf einem Tisch zu erkennen trachteten und im Gänsemarsch – Hände auf Schultern der jeweils davorstehenden Person – sich durch den Raum und Gang eines Gebäudes führen ließen.

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Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung konnte/kann nur erfolgen, weil Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … im Rahmen des EU-Projekts „Europäische und internationale Partnerschaften zur Entwicklung von Fertigkeiten zur sozialen Inklusion mittels Kreativität und Kunst“, in dem Österreich von „ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater (Klagenfurt/Salzburg/Wien, Österreich)“ vertreten ist, auf die Reise nach Klagenfurt eingeladen worden ist.

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Szenenfoto aus "Muttertag" im Theater Forum Schwechat

„I sog’s glei, i woar’s ned!” – „Muttertag” kehrt auf die Bühne zurück

„Die härtere Komödie“ – so bezeichnet das Internetlexikon wikipedia „Muttertag“, den mittlerweile zum Kult gewordenen Film, der (fast) jedes Jahr rund um diesen zweiten Sonntag im Mai im österreichischen TV läuft und heuer seinen 30. Geburtstag feiert. Dass rund zwei Jahre vor dem Film dieses nummernkabarettistische bitterböse Stück mit überzeichneten Klischee-Figuren ein Bühnenwerk der Gruppe Schlabarett (Eva Billisich, Alfred Dorfer, Roland Düringer, Andrea Händler, Reinhard Nowak) war, weiß kaum noch wer. Auch nicht, dass der danach gedrehte Low-Budget-Film in den Kinos eher floppte.

Aber auch Kottan oder Mundl hatten anfangs alles andere als Erfolg. Die Bekanntheit des Kultfilms im Fernsehen und seine jährliche Wiederholung lockt(e) auch viele Zuschauer:innen ins Theater Forum Schwechat. Seit der Premiere beschert „Muttertag“ dem Theater knallvolle Publikumsreihen und Vorbestellungen. Noch wird (ca. 2 Stunden, eine Pause) bis 24. Mai gespielt – und es gibt nur mehr Restkarten.

„Wiedaschauauaun!“

Jene Altersschichten, die den Film – viele sicher mehrfach – gesehen haben, kommen mitunter schon mit dem einen oder anderen Spruch daraus ins Theater wie „I sog’s glei, i waor’s ned!“. Spätestens bei den Verabschiedungen wird das „Wiedaaschauauaun“ entsprechend lang gezogen mit einem sarkastischen Unterton – aufgefrischt durch die Aufführung, die auch einige jüngere Zuschauer:innen ins Theater lockt, die bei der Geburtsstunde des Kabarettprogramms noch gar nicht auf der Welt, meist nicht einmal noch geplant waren.

Das Bühnenstück in Schwechat spielt nicht 1:1 den Film, aber auch nicht die alte Kabaretttheater-Version nach, orientiert sich aber sehr daran, auch am Ablauf als aneinander gereihte Nummern, die dennoch einen dramaturgischen Bogen ergeben. Das alte Postamt mit Wählscheiben-Telefon und gleichzeitig Sparkassa feiert ebenso fröhliche Urstände wie das Treffen der Jungschargruppe mit den pubertierenden Jugendlichen und der strengen auf Seriosität bedachten Gruppenleiterin oder der Drogeriemarkt, in dem die Frau Neugebauer vom Detektiv als Ladendiebin entlarvt wird, während ein anderer „Konsument“ mit prall gefülltem Mantel „nur schauauaun“ war. Als Abschluss und sozusagen Höhepunkt die „Muttertagsfeier“ von Ehemann, Sohn und Opa für „Trudl“ Neugebauer auf dem Balkon der Gemeindwohnhausanlage Schöpfwerk (im Film, in Wien-Meidling). Wo alles aus dem Ruder läuft. Und gut und gern auch gespoilert werden könnte, ist doch den meisten alles bekannt. Aber vielleicht gibt’s doch die eine oder den anderen, wer’s noch nicht weiß, und trotzdem auch noch Spannungsmomente erleben möchte – daher seien die Eskalationen doch nicht verraten!

Von der Chefin bis zum Oldie

Zu sehen und erleben sind – in der Regie von Andy Hallwaxx: Die künstlerische Leiterin des Theaters, Manuela Seidl, die die legendäre Postbeamtin, die eher auf Sperrschluss pocht, die Jungscharleiterin sowie Trudl, die Ehefrau, Mutter und Schwiegertochter der Familie Neugebauer spielt. Evelyn Schöbinger, mit der alle Männer gern eine Affäre hätten/haben, wird von Adriana Zartl verkörpert, die u.a. auch in die Rolle einer der Jungschar-Jugendlichen schlüpft.

Hubert Wolf – der wie seine Kolleg:innen und wie seinerzeit die Ur-Besetzung viele Rollen dasrstellt, überzeugt vor allem als Opa Neugebauer mit (vorgegebener) Schwerhörigkeit, (gespielter) Senilität und bitterböser Wehr gegen die drohende Abschiebung ins Heim sowie das Auseinanderfliegen der Familie. Seinen Enkel Mischa und damit Sohn von Trudl und Edwin Neugebauer gibt Olivier Lendl, der u.a. auch den Dieb mit weitem Mantel, der „nur schaut“, spielt.

Last but not least zu nennen ist Reinhard Nowak, der auch schon in der Original-Partie vor 32 Jahren auf Bühnen und dann zwei Jahre später im Film dabei war – und hier in seine alten Rollen schlüpft, vor allem den Kaufhausdetektiv Übleis sowie Edwin Neugebauer, der auf braver Ehemann tut und dennoch eifersüchtig auf seinen Kumpel Garry ist, der mit Evelyn Schöbinger – so wie er selbst – eine Affäre hat.

Realsatire

Gerade die Balkonszene am Schluss lässt trotz ihrer bitterbösen Ironie die Frage aufkommen, ob hier (Geschlechter-)Rollenklischees lächerlich bloßgestellt oder gar „nur“ lustig weitergetrieben werden?

Wie auch immer: Im Programmzettel zu „Muttertag“ kündigt Theater Forum Schwechat an: „Wir schreiben eine Fortsetzung – Vatertag – die Frauen schlagen zurück. Realsatire: Was die Männer können, können die Frauen schon lange und wenn sich der Opa auf den Willi setzt, macht die Oma ihn mit ihren Gesangskünsten fertig. Eine Antwort auf Muttertag, nur über 30 Jahre später! Alles hat sich geändert, die Emanzipation hat Einzug gehalten, es wird gegendert, was das Zeug hält, aber haben wir uns tatsächlich weiterentwickelt?“
Sogar die Premiere ist schon angekündigt: 4. Mai 2024, 20 Uhr

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Befreiungsfeier in der Gedenkstätte ehemaliges KZ Mauthausen: Julia Zierlinger, Dilovan Shekho, Julius Pilz, Ingrid Haab

„Morgen musst du weg!“ – Heute sammelt er Bildungsabschlüsse in Österreich

„Zuerst hab ich es gar nicht glauben können, gedacht die wollen mich ver…. Aber es war leider sehr ernst. Ein Bekannter hat meine Eltern informiert, dass mein Name auf einer Liste der Polizei steht von Personen, die sie verhaften werden“, beginnt Dilovan Shekho im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … die Momente zu schildern, als es hieß: „Du musst ein paar Sachen packen, wir geben dir das nötige Geld und dann musst du morgen weg!“

KiJuKU: Wie war das in diesem Moment, als 16-Jähriger zu erfahren, morgen musst du weg und das ganz allein?
Dilovan Shekho: Meine Mutter sagt oft, das war die schwierigste Entscheidung ihres Lebens. Aber sie hat mir die Verantwortung und das Geld dafür – insgesamt 10.500 $ anvertraut.

KiJuKU: Und für dich selber? Klar, du hast erfahren, wenn nicht, dann landest du im Häfen, aber trotzdem – ganz allein weg?
Dilovan Shekho: Naja, wir sind alle so aufgewachsen, dass uns – noch drei Geschwister – unser Papa, unsere Eltern immer stückweise Verantwortung übertragen, uns sozusagen nicht immer alles in den Mund gesteckt haben. Das hat schon sehr geholfen.

Dilovan Shekho
Rote-Falken-Konferenz

Matura, 2 Lehrabschlüsse, C1-Deutsch-Niveau

Der heute 26-jährige ist mittlerweile ehrenamtlicher Bundesvorsitzender der Roten Falken, Vollzeit-Bürokraft und -organisator – Sekretariat, Buchhaltung und Organisations-Service – mit Matura und zwei abgeschlossenen Lehren und noch weiteren Ausbildungen, etwa dem WienXtra-Grundkurs in Kinder- und Jugendarbeit. Seit knapp mehr als zehn Jahren ist er in Österreich, hat in Sachen Deutsch das C1-Zertifikat (fortgeschrittenes Sprach-Niveau, das fünfte der insgesamt sechs Levels des europäischen Referenzrahmens) und waaaaartet nun darauf, endlich auch all jene Hürden zu überwinden, die ihm die österreichische Bürokratie in den Weg stellt, um Staatsbürger werden zu können.

Auf Liste zu Verhaftender

KiJuKu: Zurück zum Ausgangspunkt, zu deiner Flucht aus Syrien…
Dilovan Shekho: „Ich hab in Qamishli – Nordost-Syrien – an vielen Demos gegen das autoritäre Regime teilgenommen, deshalb musste ich weg – zuerst in einem Bus bis in die Nähe von Kobane und dort über die türkische Grenze. Dabei hat mir geholfen, dass ich einer Frau einen Teil von ihrem Gepäck getragen habe. Frauen ließen sie über die Grenze, von Männern – auch Jugendlichen – haben sie erst die Pässe einkassiert. Die Frau hat geschrien, dass ich ihr Cousin sei und ihre Sachen noch bei mir habe – dann ließen sie mich gehen. Danach trennten sich in der Türkei unsere Wege, ich fuhr nach Istanbul und von dort mit LKW versteckt über Bulgarien, Rumänien, Ungarn nach Österreich. In einem Monat war ich da. Am 21. März 2013 hab ich im Flüchtlingslager Traiskirchen meinen Asylantrag gestellt, wurde dann bald ins Laura-Gantner-Heim für Jugendliche in Hirtenberg überstellt.“

Rote-Falken-Konferenz
Rote-Falken-Konferenz

Abschluss-Sammler

KiJuKU: Wie ging’s dann weiter?
Dilovan Shekho: „Drei Monate Betreuung samt Alphabetisierungs- und Deutschkurs habe ich bei der Einstufungsprüfung schon A2-Niveau erreicht, drei weitere Monate und ich hatte das B1-Zeugnis.“

Nebenbei kümmerte er sich um einen Pflichtschul-Abschluss, besuchte das Gymnasium Rahlgasse (Wien) – neben dem Deutschkurs ein paar Schnupperwochen in einer vierten Klasse. Dort war auch die PROSA – Projekt Schule für Alle – untergebracht. Schulabschluss, dann 5. und 6. Klasse Gym – „die musste ich wiederholen, da war dann meine Motivation ein bissl runter. Ein Freund hat mir dann erzählt, dass es in Wien auch eine lybische Schule gibt, wo auf Arabisch unterrichtet wird – mit dem ich neben Kurdisch aufgewachsen bin – so hab ich dort begonnen, die Matura absolviert. Zeitweise bin ich aber auch noch parallel in die Rahlgasse gegangen, um mein Deutsch weiter zu verbessern, außerdem hatte ich dort ja meine Freunde.“

Nach der Matura hat er noch einen ECDL-Kurs (europäischer Computer-Führerschein) gemacht, war ein paar Monate arbeitslos und hat begonnen, über ein „Connect“-Projekt der Kinderfreunde ehrenamtlich immer wieder Dinge auf Arabisch und Kurdisch (Kurmandschi) zu übersetzen. „Dann hab ich bei einer Leihfirma gearbeitet, die Kinderfreunde haben mich dann gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, eine Lehre als Bürokaufmann bei ihnen zu machen. Eigentlich wollte ich soziale Arbeit studieren, hab mir aber gedacht, das kann ich später auch noch, eine Lehre vielleicht aber nicht mehr.“

Kinderrechte-Aktion, im Foto: Dilovan Shekho, Corinna Schumann, Jörg Leichtfried, Yannick Immler, Christian Oxonitsch, Michael Kogl und Daniele Gruber-Pruner
Kinderrechte-Aktion, im Foto: Dilovan Shekho, Corinna Schumann, Jörg Leichtfried, Yannick Immler, Christian Oxonitsch, Michael Kogl und Daniele Gruber-Pruner

Kinder- und Jugendarbeit

Da die Matura anerkannt wurde, dauerte seine Lehrzeit nur mehr zwei Jahre „und dann hab ich noch bei der Wirtschaftskammer die Lehrabschlussprüfung für Finanz- und Rechnungswesen gemacht und weil ich immer neue Herausforderungen suche den Grundkurs für Kinder- und Jugendarbeit von WienXtra. Dafür müssen alle immer ein eigenständiges Projekt machen. Meines war über Kickboxen Jugendliche mit Älteren zusammenzubringen – einerseits bringt Sport viel und andererseits wollte ich was generationenübergreifendes initiieren.“

Urlaub für Ehrenamt

KiJuKU: Nach der Lehre wurdes du übernommen?

Dilovan Shekho: Ja, nach der Lehre wurde haben mich die Roten Falken in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen. Ich mache hier Büroarbeiten, die Buchhaltung und leite das Organisations-Service.
Dilovan Shekho: Ja, nach der Lehre wurde haben mich die Roten Falken in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen. Ich mache hier Büroarbeiten, die Buchhaltung und leite das Organisations-Service.

KiJuKU: Du bist auch Vorsitzender der Roten Falken, wie kam es dazu?
Dilovan Shekho: Schon während meiner Lehrzeit wurde ich gefragt, ob ich nicht im Vorsitzteam mitarbeiten wolle – ich hab schon früher bei den Ferienlagern und anderen Aktionen und Aktivitäten mitgeholfen. Ich hab ja gesagt und wurde stellvertretender Vorsitzender und bei der Bundeskonferenz im Oktober des Vorjahres zum Vorsitzenden gewählt.“

KiJuKU: Das ist aber eine ehrenamtliche Funktion, oder?
Dilovan Shekho: Genau und mir war von Anfang an wichtig, das strikt zu trennen – wenn ich bei den Ferien-Camps Kinder betreue, dann nehm ich mir dafür Urlaub – oder Zeitausgleich. Ich find das ist korrekt und ich hab dadurch ein gutes Gewissen.“
Dilovan Shekho: Genau und mir war von Anfang an wichtig, das strikt zu trennen – wenn ich bei den Ferien-Camps Kinder betreue, dann nehm ich mir dafür Urlaub – oder Zeitausgleich. Ich find das ist korrekt und ich hab dadurch ein gutes Gewissen.“

KiJuKU: Das ist aber meist mehr als ein bissl Nebenher-Engagement
Dilovan Shekho: Klar, es ist echt viel zu tun, aber es macht voll Spaß. Vielleicht habe ich das am Anfangs sogar ein bisschen unterschätzt, auch die viele Verantwortung, die mit dieser Funktion verbunden ist. Wir wollen unsere Ferienlager auch weiterentwiclen, arbeiten an Konzepten, wie wir sie verbessern können, binden dazu auch Kinder und Jugendliche selber ein, um auf ihre Vorschläge einzugehen. Aber ich bin immer wieder fasziniert, was und wieviel Kinder und Jugendliche einbringen.

KiJuKU: Du hast kurz angedeutet, dass du nun nach zehn Jahren in Österreich um die Staatsbürgerschaft angesucht hast, und das nicht so einfach ist.
Dilovan Shekho: Ja, das nervt. Ich komm ja aus der Bürokaufleute-Ausbildung, bin voll organisiert und mit mehreren Ordnern zur MA 35 hingegangen, habe alle Unterlagen fein säuberlich vorgelegt und dann kommen die damit, dass ich in einer Wohnung mit meinem Bruder lebe, der neben seiner Lehrlingsentschädigung Sozialhilfe bezieht um auf die Mindestsicherung aufgestockt zu werden.

Ich find’s ein bisschen schade, dass Österreich nicht das Potenzial von Menschen wie mir und uns sieht und solche Hürden aufbaut. Übrigens, der nächste freie Termin, um das zu besprechen wäre erst im April 2024 (!).

KiJuKU-Interview mit Dilovan Shekho in einem Besprechungsraum der Roten Falken und Kinderfreunde
KiJuKU-Interview mit Dilovan Shekho in einem Besprechungsraum der Roten Falken und Kinderfreunde

Allein auf der Flucht

KiJuKU: Du bist als sogenannter UMF – unbegleiteter minderjähriger Flüchtling allein nach Österreich gekommen, wie geht’s deiner Familie?
Dilovan Shekho: Mein älterer Bruder war schon vor mir da, meine Eltern und mein jüngerer Bruder sind mittlerweile auch in Österreich – die sind legal eingereist. Aber ich will und muss betonen, die/wir sind keine Wirtschaftsflüchtlinge. Ich musste ja weg, weil ich sonst als politischer Aktivist gegen das Regime verhaftet worden wäre. Für meine Eltern war es danach auch nicht mehr ungefährlich.

Wirtschaftliche Basis in Syrien

UND: Wir hatten in Syrien eine gute wirtschaftliche Basis. Mein Vater hatte eine Fahrschule – gemeinsam mit drei Partnern – die haben alle Bevölkerungsgruppen abgedeckt: Araber, Kurden und Christen. Das Haus, das uns gehört, haben wir an Binnenflüchtlinge vermietet. Die Landwirtschaft, die meinem Opa gehört, kann leider nicht mehr bestellt werden. Die wurde während der Kämpfe von IS-Leuten vermint, das wäre zu gefährlich. Ein Geschäft, das uns gehört, wurde vermietet und wird von einem Freund von meinem Papa verwaltet. Mein Vater hat überhaupt so viel gearbeitet – in zwei Jobs, dass wir ihn als Kinder zu Hause nur wenig gesehen haben.

Hier wurde er fast krank, als er am Anfang nicht arbeiten durfte. Das haben wir alle von ihm irgendwie auch übernommen. Er hat uns immer beigebracht, nichts als selbstverständlich hinzunehmen, sondern für alles arbeiten und kämpfen zu müssen.

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Doppelseite aus dem Bilderbuch "Minu und der Geheimnismann"

Gras wachsen hören und Wünsche im Schick-Saal

„Hörst du etwa wieder das Gras wachsen?“ Dies Frage stellt Papa seiner Tochter Minu. Und er meint es liebevoll. Meist wird der Spruch im Alltag verwendet, um anderen der Spinnerei zu bezichtigen, etwas zu sehen oder hören, das es gar nicht gibt.

Aber der Vater in dieser fantasievollen, einfühlsamen Bilderbuchgeschichte „Minu un der Geheimnismann“ – ausgedacht und verfasst von Andrea Karimé und illustriert von Renate Habinger – hat selbst seinen Arbeitstisch auf dem er am Computer schreibt, in die Wiese gestellt. Zwischen bunten, fantastischen Blumen, Käfern, Insekten und Vögeln fühlt sich Minu wohl. Hier kann sie auch mit der Oma, die weit weg lebt, gedanklich und gefühlsmäßig in Kontakt treten.

Jenseits der Mauer entdeckt Minu ein kleines Männlein, das ähnlich tickt wie sie, den Geheimnismann. Mit dem freundet sie sich an, der lädt sie und ihren Papa ein, nachdem sie ihm eine wunderbare, mysteriöse Handtasche, die er verloren hat, zurückbringt.

Was es mit dieser Tasche auf sich hat, sei hier nicht verraten, höchstens so viel, sie treibt Karimés Wortspiellust an, den sie veranlasst den Geheimnismann Minu von einer Wunschblume und Feen zu erzählen, die Wünsche in den „Schick-Saal“ tragen.

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Titelseite vom Bilderbuch
Titelseite vom Bilderbuch „Minu und der Geheimnismann“
(Proben-)Szenenfoto von "Am Galgen" im alten Waschsalon im George-Washington-Hof in Wien-Favoriten

Makabre Totentänze „Am Galgen“

Die später heftige Performance mit einem fast unaushaltbaren Ende beginnt mit einer harmlosen Wanderung von der Spinnerin am Kreuz (fast) am südlichen Ende Wiens durch den George-Washington-Hof, einer der großen, vielteiligen Gemeindewohnhausanlagen aus dem Roten Wien, aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Wanderung zu „Am Galgen“ des Kollektivs „Das Planetenparty Prinzip“ endet beim ehemaligen Waschsalon. Dahinter über der Straße hohe gläserne Finanzkapital-Türme. Die stehen da wie historische steinerne Galgen im Wald von Birkfeld wo die Gruppe die erste Aufführung ihres Stücks über einstige Todesstrafen samt Massenbelustigung spielte.

(Proben-)Szenenfoto von
(Proben-)Szenenfoto von „Am Galgen“ im alten Waschsalon im George-Washington-Hof in Wien-Favoriten

Totentänze

Der einstige Waschsalon – ein leicht versenkter kahler, großer, kühler (Achtung, warme Kleidung mitnehmen!) Raum: In der Mitte zwischen zwei Säulen eine hölzerne Tribüne mit Galgenkonstruktion und Stricken an Gummizügen (Bühne, Kostüm, Ausstattung: Rosa Wallbrecher). In diese hängen sich die vier Schauspieler:innen Leonie Bramberger, Nora Köhler, Moritz Ostanek, Nora Winkler mit Klettergurtvorrichtungen, die es ihnen erlauben sich gegenseitig aber auch selbst so aufzuhängen, dass es optisch wirkt, als würden sie wirklich hingerichtet worden sein. So hängen sie mal, baumeln „Am Galgen“, dann wieder vollführen sie in dieser Körperhaltung fast „Totentänze“, dann lässt sich die eine oder der andere als „Leiche“ zu Boden fallen.

Spektakel

Nach anfänglichem fast gespenstischem Schweigen mit hintergründiger Musik (Robert Lepenik) erzählen sie – von der Hinrichtungsstätte bei der Spinnerin am Kreuz, die am Ende spektakulärer Kriminalfälle wie jener der Theresia Kandl (siehe Link zur Besprechung des seinerzeitigen Stationentheaters über die Gattenmörderin am Ende des Beitrages), zehntausende Zuschauer:innen zu einem spektakulären Fest anlockte. Und über viele andere Fälle – und auch Arten – von vollzogenen Todesstrafen, wie sei über Jahrhunderte auch in Österreich üblich waren. Die meisten in dem einstündigen Stück vorkommenden staatlich Ermordeten sind anonymisiert und exemplarisch erzählt: Von reumütigen Sünder:innen, die auch dieses Schcksal als gerechte Strafe empfanden über selbst in den letzten Lebensminuten Widerständige – vielleicht auch weil sie unschuldig waren bis zu einem besonders tragischen Fall eines Jugendlichen, für den sogar eine richterliche Begnadigung einlangte – um Minuten zu spät nach vollstreckter Hinrichtung.

(Proben-)Szenenfoto von
(Proben-)Szenenfoto von „Am Galgen“ im alten Waschsalon im George-Washington-Hof in Wien-Favoriten

Das Stück (Regie: Siomon Windisch) erzählt auch davon, dass die meisten Leichen unmittelbar in der Nähe der Dutzenden Hinrichtungsstätten in ganz Österreich vergraben worden sind – die Wohnhausanlage somit auch den Gebeinen Hunderter, vielleicht Tausender steht. Und hat auch in der Steiermark schon praktisch unter noch stehenden Steinsäulen von Galgen gespielt. Das umfangreiche Begleitheft listet auch die unterschiedlichen Todesarten – samt den Delikten für die sie verhängt worden sind – auf.

Makaber

Der „verhängte“ Tod, der fast fünf Dutzend Menschen zu Leichen machte, wird szenisch erzählt – etliche kommen nur stakkatoartig angeführt vor. Makaber endet die Performance mit dem Abgang von drei der Schauspieler:innen und dem (zu) lange alleinigen Hängen von Nora Köhler im Übergang von Licht zu Dunkel. Der Applaus nahezu unmöglich macht und dann doch einen Großteil des Publikums Beifall klatschen lässt – womit sich der Bogen zum seinerzeitigen Spektakel bei Hinrichtungsstätten schließt – bis die drei Kolleg:innen doch wieder erscheinen und auch die vierte wieder abgehängt sich verbeugen kann.

(Proben-)Szenenfoto von
(Proben-)Szenenfoto von „Am Galgen“ im alten Waschsalon im George-Washington-Hof in Wien-Favoriten

Vielleicht löst aber gerade dieses Ende auch ein Nachdenken über eigenes spontanes Applaudieren aus – und darüber hinaus über die Tatsache, dass es noch immer in etlichen Ländern auf der Welt die Todesstrafe gibt – staatlich verordneter Mord. Und in den USA überdies sozusagen eine Art privater Todesstrafe über die „Stand your Ground“-Regel wonach (vermeintliche) Einbrecher:innen auch erschossen werden dürfen.

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Stückbesprechung über Stationentheater Fink über Theresia Kandl -> damals im KiKu

Foto aus dem Projekt "Ein Haus schenken"

Aus Dankbarkeit Hilfe für Erdbebenopfer

Neben fundierter wirtschaftlicher (Aus-)Bildung engagieren sich viele Schüler:innen der VBS (Vienna Business School, private Handelsakademien und -schulen) auch in sozialen Projekten. Dafür gibt es bei der alljährlichen Gala für beste schülerische und pädagogische Einzelleistungen sowie Projekte auch eine Kategorie „best social and ethic project“. Eine der sechs Schulen der VBS (fünf in Wien, eine in Mödling) hat vor 20 Jahren sogar einen eigenen Preis für sozial engagierte Projekte geschaffen. Die VBS Wien I, Akademiestraße, verlieh in der ersten Maie-Woche 2023 zum 20. Mal den „Amicus Award.

Das Thema des 20. Amicus Award war „Dankbarkeit“. Dankbar zu sein für die Begegnungen, die Möglichkeit etwas zu verändern, aber auch für das eigene Leben. Es sind die kleinen Momente, die nachhaltig in den Herzen wirken, weiß der katholische Religionslehrer Piotr Kubiak, der den Preis initiierte. „Ich sehe es jedes Jahr: Nach ihrem Einsatz sind diese jungen Leute nicht mehr dieselben.“

Sammeln von Spenden für Kinder in den Erdbebengbieten der Türkei und Syriens
Sammeln von Spenden für Kinder in den Erdbebengbieten der Türkei und Syriens

Für Erbebenopfer

Die Top-Projekte der elf, die sich um den „Freund“-Preis beworben hatten, kamen Kindern im Tschad und im Erdbebengebiet von Syrien und der Türkei zugute.

„Alle vereint für die Kinder im Erdbebengebiet“. Gleich zweimal – einmal von der Jury, einmal mit dem Publikums-Award – wurde eine Gruppe ausgezeichnet, in der katholische und muslimische Schüler:innen aus vier ersten Klassen gemeinsam ein Hilfsprojekt für Kinder im Erdbebengebiet Türkei/Syrien auf die Beine gestellt hatten.

Es wurden Geld- und Sachspenden gesammelt, sortiert, dringend benötigte Lebensmittel, Hygiene- und Babyartikel gekauft und auch der Transport ins Erdbebengebiet wurde organisiert. Begleitet wurde der Transport von einem sehr persönlichen, von den Schüler:innen in Türkisch verfassten Brief an die Eltern der unterstützten Kinder. Der Zusammenhalt der Projektgruppe über religiöse Unterschiede hinweg war für die Schüler:innen besonders bedeutend. „Wir vereinen an unserer Schule über 30 Nationen und 18 Religionen“, erklärt eine der Schüler:innen auf der Bühne. „Zu sehen, was Teamarbeit und Interreligiosität erreichen können, bedeutet uns viel.“

Foto aus dem Projekt
Foto aus dem Projekt „Care4Hair“

Zwei Mal Tschad

„Care4Hair“. Das Projekt der Religionsunterrichtsgruppen aus drei ersten Klassen ermöglichte sechs jungen Burschen in einem Heim für ehemalige Straßenkinder im Tschad (Afrika) einen Friseurkurs samt Ausrüstung. Mit ihrer Ausbildung und dem nötigen Gerät können sie nun selbständig auf den umliegenden Märkten ihre Leistungen anbieten und werden so unabhängig.

Foto aus dem Projekt
Foto aus dem Projekt „Ein Haus schenken“

„Ein Haus schenken“. Im selben Kinderheim konnte durch die Spendenaktion von Schüler:innen aus den zweiten Klassen ein Wohnhaus für acht ehemalige Straßenkinder gebaut werden. Das Fundraising war sportlich: Mit einem Sponsorlauf im Turm des Stephansdoms wurden pro gelaufenes Stockwerk Spenden gesammelt und für den Hausbau verwendet.

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Die Jury des Amicus mit Gewinner:innen (v.l.n.r.): Johann Hisch (Gründer des Bildungsnetzwerks „Pilgrim“), Schulsprecher Kristian Marinković, Wiktoria Krupa (Team „Care4Hair“), KommR Helmut Schramm (vom Schulträger Fonds der Wiener Kaufmannschaft), Fabian Beltinger (Team „Alle vereint für die Kinder im Erdbebengebiet“), Dr. Piotr Kubiak (Lehrer und „Amicus-Award“-Initiator), Mateo Lovaković (Team „Ein Haus schenken“), Ing. Mag. A Christine Wogowitsch (Präsidentin des Bildungsnetzwerks „Pilgrim“), MMag.a Evelyn Meyer (Schuldirektorin), Mag.a Maria Moser (projektbegleitende Lehrerin)
Die Jury des Amicus mit Gewinner:innen (v.l.n.r.): Johann Hisch (Gründer des Bildungsnetzwerks „Pilgrim“), Schulsprecher Kristian Marinković, Wiktoria Krupa (Team „Care4Hair“), KommR Helmut Schramm (vom Schulträger Fonds der Wiener Kaufmannschaft), Fabian Beltinger (Team „Alle vereint für die Kinder im Erdbebengebiet“), Dr. Piotr Kubiak (Lehrer und „Amicus-Award“-Initiator), Mateo Lovaković (Team „Ein Haus schenken“), Ing. Mag. A Christine Wogowitsch (Präsidentin des Bildungsnetzwerks „Pilgrim“), MMag.a Evelyn Meyer (Schuldirektorin), Mag.a Maria Moser (projektbegleitende Lehrerin)
Szenenfoto aus "In Arbeit" vom E 3 Enemble

Im Kampf gegen den Klimawandel kleben oder schlittern?

Tiefblauer Tanzboden, himmelblaue Anzüge der Musiker sowie der Schauspieler:innen und auf dem Boden durchsichtig flüssige kreisrunde große und kleinere Klekse. Wasser kann’s nicht sein, dafür wirken sie zu wenig flach, eher zähflüssig. Kleister? Als Anspielung auf Klimakleber? Nein, es ist Gleitmittel (kübelweise bei Landwirtschaftszubehör gekauft) erklärt eine der Protagonist:innen später in der Performance „In Arbeit“ des E3 Ensembles in einem eigens in die White Box im Wiener Off Theater nochmals reingebauten Zelt-Bühne – mit zwei großen Ventilatoren als Windmaschinen (Bühne: Sebastian Spielvogel).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In Arbeit“ vom E 3 Enemble

Zu Livemusik auf zwei E-Gitarren und einem eBass (Dominik Essletzbichler, Daniel Neuhauser, Tobias Pöcksteiner) führen sich die vier Schauspieler:innen Isabella Jeschke, Rinu Juniku, Leon Lembert und Gerald Walsberger wie in vielen der E3-Ensemble-Stücken ärgstens auf, mit vollem körperlichen Einsatz treten sie in die Gleitmittel-Klekse, hinterlassen Spuren, Fußabdrücke, rutschen, schlittern über die Bühne. Lösen Schrecksekunden beim Publikum – und vielleicht hin und wieder auch bei sich selbst aus, ob da niemand zu Schaden kommt.

Großes mit Kleinem verbunden

Reihum thematisieren sie die großen Probleme und Herausforderungen der Klimakrise und die scheinbar kleinen, wie jede und jeder etwas dagegen unternehmen könnte, die Erwärmung der Atmosphäre zu stoppen oder geringer ausfallen zu lassen – und dies fast durchgängig in einer Kombination aus der erforderlichen Ernsthaftigkeit mit einem Schuss Humor, Sarkasmus, Ironie und Witz. Loben sich selbst dafür, Müll richtig zu trennen oder Bewegungsmelder im Haus organisiert zu haben, damit das Ganglicht nicht immer brennt. Finden Ausreden, warum sie dies, das oder jenes nicht können oder wollen – eine künstlerisch überhöhte Aneinanderreihung von Ausreden.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „In Arbeit“ vom E 3 Enemble

Auferstehung von Dinosauriern

Und trotz des Ernstes schafft es das Ensemble ähnlich dem aktionstheater ensemble, das die Stücke auch immer im Kollektiv erarbeitet, allgemein politisch und gesellschaftliches stets in sogenannten kleinen Alltagserlebnissen und -begebenheiten konkret aufs Persönliche herunterzubrechen und diese beiden Ebenen sinnlich-spielerisch zu verknüpfen. Und trotz der Ensembleleistung sowohl der Schauspieler:innen als auch der Live-Musiker muss in diesem Fall wohl einer namentlich hervorgehoben werden: Gerald Walsberger, der die unterschiedlichsten Tiere, auch Dinosaurier-Arten in Gang und Körperbewegungen leibhaftig vor den Augen der Zuschauer:innen über die Bühne trampeln, springen, trippeln lässt.

Die intelligentesten Wesen …

Die Saurier sind längst ausgestorben, die Menschen als die angebliche intelligentesten Wesen, die je auf dem Planet Erde leb(t)en, sind dabei sich selbst auszurotten und in dem Zusammenhang fällt mehrmals der Satz: „Ich hoffe, wenn wir aussterben, bin ich schon davor tot!“

Jubiläum

Mit „In Arbeit“ feiert das E 3 Ensemble – rund um seinen dreiköpfigen Kern (Isabella Jeschke, Gerald Walsberger und Sebastian Spielvogel) – den zehnten Geburtstag. In den bisherigen 14 Produktionen wirkten insgesamt mehr als fünf Dutzend weitere Künstler:innen mit, die nicht nur als Gäst:innen spielten, sondern das jeweilige Stück auch kollektiv mitentwickelt haben.

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Szenenfoto aus "Fest der Feinde" im theater Drachengasse (Wien)

Kann aus Kälte Wärme werden?

Space Race, das Wettrennen ins All – aus der Zeit des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion, die ersterer mit dem ersten Menschen im Weltraum an Bord von Sputnik den gleichnamigen Schock verpassten, die dafür als erste den Mond betreten ließen. Und in der Gegenwart waren’s Elon Musk und Jeff Bezos, die einander einen neuerlichen Wettflug über die Erdatmosphäre hinaus lieferten.

Konkurrenz bis oder samt Gegnerschaft thematisiert „Fest der Feinde“ auf immer wieder auch sarkastisch-humorvoll bis witzige Weise – mitunter durch Lächerlich-machen sogenannter Tod-Feindschaften. Ohne jedoch das zugrunde liegende Problem zu verharmlosen. Die Gruppe YZMA (keine Abkürzung, sondern inspiriert von der gleichnamigen Filmfigur aus dem Film „Ein Königreich für ein Lama“, deren Schatten, abweichend von ihrer körperlichen Gestalt meist eine Katze ist) nennt die eigene Stückentwicklung in diesem Fall „eine Sabotage“.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Fest der Feinde“ im theater Drachengasse (Wien)

Baby Jane …

Dieses sechste gemeinsam von Schausspieler:innen, Autor:innen, Regie, Musik, Bühne usw. von YZMA im Wiener Theater Drachengasse erarbeitete Stück arbeitet unter anderem mit eingespielten Videos alter Schwarz-Weiß-Filme bzw. im Stile solcher neu gebauten Film-Sequenzen (Video: Moritz Geiser). Feindschaft wird spielerisch personalisiert vor allem in den Figuren zweier einstiger Hollywood-Größen, Bette Davis und Joan Crawford. Ihre Feindschaft füllte vor allem die Klatschspalten, die sich zu vielseitigen Strecken auswuchsen, der sogenannten Yellow Press, bzw. nicht nur der Boulevardmedien.

Jene, die den Film kennen (gestehe ich nicht) sagen, dass dies offenbar nicht nur aufgebauschte Geschichten waren, sondern in dem einzigen gemeinsamen Streifen „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“ (1962), den Robert Aldrich drehte als die Karrieren der beiden mehr oder minder schon zu Ende gegangen waren, sehr sicht- und direkt spürbar gewesen sei.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Fest der Feinde“ im theater Drachengasse (Wien)

Im „Fest der Feinde“ werden sie zu Bebi Bette Blanche und Krista Kool Kraftwood (Text: Milena Michalek und Ensemble), in deren Rollen Schauspielerinnen abwechselnd schlüpfen. Wenngleich die Feindschaft demaskierende Grundhaltung des Stücks als Ebene immer wieder mitschwingt, erschrecken manch eskalierende Szenen dann doch (Suse Lichtenberger, Michaela Schausberger, Johanna Wolff). Als vierter im Bunde hat der Livemusiker Karl Börner neben eingespielten Keyboard-, Gitarren- und Akkordeonstücken immer wieder Live-Auftritte auch als Schauspieler auf der Bühne mit ihrer Alk-Regal-Drehtür, marmorierten Podesten und einem geheimnisvollen Schrank (Bühne, Kostüme: Andrea Simeon).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Fest der Feinde“ im theater Drachengasse (Wien)

Wort- und Spielwitz

Trotz aller Drastik sorgen die Inszenierung (Regie: Florian Haslinger) immer wieder für so manche Lacher im Publikum – „geschuldet“ so manchem Wort- und viel Spielwitz. Beide gehen weiter über den Konflikt der beiden Hollywood-Stars hinaus – hinein in „kalten Krieg“ und andere politische Konflikte. Kann Konkurrenz sogar Fortschritt, Weiterentwicklung bedeuten? Oder wie es die Autorin Milena Michalek in einem Text zum Stück formulierte: „/vielleicht besteht der versuch von fest der feinde ja darin, aus dem material der coolen und kalten Kräfte etwas – ja: warmes und uncooles zu machen. weil dann irgend- wie doch die hoffnung besteht, dass es diese kräfte sind, die so etwas wie zukunft versprechen.“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Fest der Feinde“ im theater Drachengasse (Wien)

Feindschaft vs. Kooperation

Könnte aber auch so interpretiert werden, dass die „Anbetung“ der Feindschaft als der Mensch ist von Grund auf böse, „Konkurrenz belebt das Geschäft“ das speziell durch den Neoliberalismus verbreitete Menschenbild befördert. Und konnte nicht die Menschheit insbesondere in ihren Anfängen nur durch Zusammenwirken, Kooperation überleben? Braucht sie diese nicht heute mindestens genauso? Und wäre es nicht genau eine „Sabotage“ an dieser Notwendigkeit?

Genauso gut kann es sein, dass gerade dadurch, dass es kein Happy End in diesen Richtung gibt, die gefeierte Feindschaft als These abgelehnt und verworfen wird. Auch das ist eine hintergründige Ebene in diesem Stück, das noch bis Ende Mai zu erleben ist.

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Fest der Feinde“ im theater Drachengasse (Wien)
Auszug aus „Die Reise“ von James Norbury, Seite 35 (erschienen bei WUNDERRAUM; 18,50 €)

Große Reise und viele Veränderungen sind kein glatter Weg

Dieses Mal lässt Autor und Illustrator James Norbury sein doch recht ungewöhnliches Duo, das auch Titel seines ersten Bandes war – „Großer Panda und Kleiner Drache“ – über die fast 160 Seiten eine durchgängige Reise erleben. Der flauschig-kuschelige, fast kugelrunde Panda und der zarte, fast zerbrechlich wirkende, insektenähnliche Drache, die im ersten Buch – Link zur Besprechung samt Interview des Verlags mit ihm am Ende des Beitrages – viele einzelne Momente erlebten, machen sich hier auf die Reise.

Sie verlassen ihr Zuhause, was dem kleinen Drachen viel schwerer fällt als seinem Kompagnon. Wobei die Reise vielleicht auch „nur“ eine tiefgreifende gedankliche sein könnte. Oder einfach für eine mehr oder minder große Veränderung steht. Der Torii-Bogen auf dem bereits zweiten Bild des Buches, der aus der japanischen Architektur stammt, symbolisiert den Übergang vom Weltlichen zum Spirituellen.

Wie auch immer, das Duo begibt sich auf Wanderschaft und ihr Schöpfer lässt sie immer wieder über die jeweils gerade erlebten Situationen sinnieren – und bei Zweifel am Sinn des eben Durchgemachten einander zum Weitergehen motivieren, animieren – wobei diese oft große Hilfe so scheinbar klein sein kann.

Auszug aus „Die Reise“ von James Norbury, Seite 127 (erschienen bei WUNDERRAUM; 18,50 €)
Auszug aus „Die Reise“ von James Norbury, Seite 127 (erschienen bei WUNDERRAUM; 18,50 €)

Du hilfst mir …

So sagt Kleiner Drache auf Seite 24 – einer der nicht allzu vielen auch bunt illustrierten Bilder, die ansonsten fast ausschließlich mit tuschähnlichen Schwarz-Weiß-Zeichnungen auskommen -: „Ich würde dir immer helfen.“ – „Du hilfst mir jeden Tag“, sagte Großer Panda, „indem du einfach du selbst bist.“

Und natürlich will James Norbury (Übersetzung ins Deutsche: Sibylle Schmidt) wieder den Leser:innen Weisheiten für ihren eigenen Alltag mit auf die verschiedensten Wege geben, etwa: „Je weniger ich versuche, die Welt zu beherrschen, desto leichter fällt es mir, ihre herrlichen Wunder zu bestaunen.“

Besonders herrlich – nicht nur, aber gerade im schulischen Zusammenhang wären die Panda’schen Erkenntnisse auf die Frage vom Kleinen Drachen nach der Weisheit des Weggefährten: „Großer Panda überlegte ein Weilchen. „Weisheit ist in uns allen, mein kleiner Freund. Doch sie spricht mit so sanfter, leiser Stimme, dass wir sehr still sein müssen, um sie zu hören.“ – „Aber du scheinst auf alles eine Antwort zu wissen.“ – Großer Panda grinste. „Weil ich viel mehr Fehler gemacht habe als du.“

Ach ja, die Reise endet nicht wie bei „Oh, wie schön ist Panama“ von Janosch wieder zu Hause, wie es einige Seiten vor dem Ende vielleicht scheinen könnte, sondern sie hat ein offenes Ende – siehe die vom Verlag uns zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellte Seite 153: „Dort draußen gibt es so viel Unbekanntes und so viele Möglichkeiten…“ – siehe Bild unten.

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Auszug aus „Die Reise“ von James Norbury, Seite 153 (erschienen bei WUNDERRAUM; 18,50 €)
Auszug aus „Die Reise“ von James Norbury, Seite 153 (erschienen bei WUNDERRAUM; 18,50 €)
Titelseite des Buches
Titelseite des Buches „Die Reise – Großer Panda und Kleiner Drache“ von James Norbury
Proben-Szenenfoto aus "Es zieht!", Theaterwild-Werkstatt "Wildwuchs" im Dschungel Wien

Plastikfutter und Luft-Spray

Schon im Hintergrund eine Art Schnürl-Vorhang – aus lauter aneinander geknüpften Plastikflaschen und an einem seitlichen Bühnenrand stehende aufblasbare Sitzmöbel deuten das Problem an, um das sich „Es zieht!“ drehen wird. 14 Kinder und junge Jugendliche bespielen – eingebettet in eine Geschichte rund um eine Party – das Thema Plastik(müll).

Die jungen Darsteller:innen haben mit ihrer Regisseurin die ganze Saison in einer der vier Theaterwild:Werkstätten – wie die anderen drei – das Stück gemeinsam erarbeitet. In dieser Werkstatt namens „Wildwuchs“ haben sie sogar für das Bühnenbild und die Requisiten gesammelt – die Flaschen – im Laufe der rund 50 Minuten werden fast Unmengen von solchen auf die Bühne rollen und fallen.

Party zum (Welt-)Untergang

Auswirkungen dieser Vermüllung auf die Welt(meere) spielen sie in verschiedenen Szenen, die – durch Blacks getrennt – ins Party-Spiel eingebaut sind. So schwimmen die meisten der jungen Theaterleute als Fische über die Bühne und beißen sich an Plastikstücken – von anderen gespielt – tot.

Aber auch die Party selbst – mit Freund- und Feindschafften, dem Auftreten unterschiedlichster Typ:innen – einer Hilfsbereiten ebenso wie zweier reicher Schwestern, die allen zeigen wollen, was sie sich alles leisten und sozusagen auch die Welt kaufen könnten – hat einen bitterbös-sarkastisch-witzigen Höhepunkt: Eine der Gäst:innen bietet Luft in Sprayflaschen an, dafür gibt’s kein Trinkwasser mehr und das regionale Bio-Buffet bleibt praktisch unangetastet.

(Spiel-)Witz

Trotz der Schwere der Themen ist „Es zieht!“ – der Titel klärt sich erst am Ende und soll hier natürlich nicht verraten werden – wird das Stück recht witzig werden – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte eine der letzten schon durchgängigen Proben sehen, weil zur Aufführungszeit nicht anwesend. Für den Humor sorgen einerseits der Spielwitz der jungen Darsteller:innen als auch die überspitzt präsentierten zugespitzten Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Erde, von der es keinen Ersatz also keinen Planeten B gibt. Dass sich das Publikum aber nicht nur gedanklich damit auseinandersetzen soll, dafür sorgt ein aktionistisches Ende – das natürlich nicht gespoilert werden soll.

(Um-)Welt

Auch die anderen drei Theaterwild:Werkstätten im Theaterhaus für junges Publikum haben sich intensiv mit der Klimakrise auf Menschen und Natur auseinandergesetzt. Die szenischen Ergebnisse der monatelangen Workshops sind nun beim Festival – bis 12. Mai 2023 (manche aber nur bis 6. bzw. 9. Mai) zu erleben – siehe Info-Box.

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Szenenfoto aus "Café Populaire" auf der Studiobühne des Linzer Landestheaters

Selbstironie über die Bobo-Blase

Zu Varieté-Musik präsentiert sich die im Hintergrund rot gestrichene Theaterlandschaft (Bühne und Kostüme: Dominik Freynschlag) mit „Zauberkasten“ aus dem Füße herausschauen. Soll da in „Café Populaire“ die klassische Nummer des „Zersägens“ einer Person stattfinden? Darunter und dahinter kugeln noch weitere Menschen auf dem Boden herum bevor’s so richtig losgeht. Nach und nach werden die vier Protagonist:innen auf der Studiobühne des Linzer Landestheaters lebendig, tauchen in einer Art altmodischer, überdimensionaler weißer Unterwäsche als Art Weiß-Clowns auf.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Café Populaire“ auf der Studiobühne des Linzer Landestheaters

Doch „zersägt“

Zentral erleben wir – hin und wieder mit roter Nase – Spitals-ClownIn Svenja, gespielt von Jonatan Fidus Blomeier. Das Einsatzgebiet, in dem er aufheitern soll, ist ein Hospiz, aus dem wir ausschließlich die älteste Insaßin kennenlernen, eine quicklebendige alte linke Kämpferin namens Püppi (Alexandra Diana Nedel). Für alle Arbeiten, die im Hospiz und im ganzen Ort namens Blinden anfallen ist der Dienstleistungsproletarier Aram zuständig, ihn verkörpert Joël Dufey. Nummer vier im eineinhalb-stündigen selbstironischen Stück von Nora Abdel-Maksoud (Inszenierung: Lisa-Katrina Mayer) ist „Der Don“ (Hanna Kogler – alle vier sind Schauspiel-Studierende des 3. Jahrgangs der Anton Bruckner Privatuniversität). Dies ist sozusagen eine fiktive Figur, das Alter Ego oder vielmehr die Gedanken von Svenja.

Und damit sind wir fast wieder bei der in Zirkusmanegen und auf Varieté-Bühnen „zersägten“ Person.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Café Populaire“ auf der Studiobühne des Linzer Landestheaters

Humornismus

Dieser Don schlägt Svenja, die so gut und völlig korrekt die Welt verbessern will, immer wieder ein Schnippchen. Und zunehmend mehr. Svenja versteht sich als Aufklärerin, die ihren Witz unbedingt einsetzen will, um Diskriminierungen aufzuzeigen – und zwar solche, die sich aufgrund sozialer-gesellschaftlicher Stellungen ergeben. Sie will den „Klassismus“ aufs Korn nehmen, das Runtermachen ärmerer Menschen durch sich besser fühlende reichere.

Dafür schafft die Clownin sogar einen eigenen Begriff: Humornismus – eine Wortschöpfung aus Humor und Humanismus.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Café Populaire“ auf der Studiobühne des Linzer Landestheaters

Die wahren Gedanken

Doch immer wieder kommen ihr Wörter und Sätze über die Lippen, die solchen Klassismus genau bedienen. Das bin nicht ich, das ist der Don – ist ihre Ausrede. Doch der ist genau ihre innere Stimme – nur in einer externen Figur auf der Bühne verkörpert. Und kann nicht nur aus einem herauskommen, was innen drinnen ist? Damit nimmt das von viel Wort- und einigem Spielwitz durchzogene Stück das aufs Korn, was landläufig oft Scheinheiligkeit genannt wird, oder Wasser predigen und Wein trinken. Und es bringt ihrem Vlog (Video-Blog)viel mehr Follower – was die entsprechende Dynamik weitertreibt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Café Populaire“ auf der Studiobühne des Linzer Landestheaters

Konkurrenz

Krasser wird der Widerspruch in sich, in Svenja, als es um das Veranstaltungslokal „Zur Goldenen Möwe“ geht. Das gehört Püppi und sie sucht einen Betreiber/eine Betreiberin. Svenja, die Aram in Filmen für ihren Vlog („gedreht“ in dem eingangs genannten „Kasten“) dazu nötigt, ihr Gut-Sein, ihre Aufklärungsarbeit zu unterstützen, sieht sich nun in Konkurrenz zu Arma, der sich selbst um die „Möwe“ bewirbt. Und da ist’s auf einmal mit der Solidarität mit dem Arbeiter, der im Hospiz und in der Stadt für alle niederen Jobs zuständig ist, aus. Ja, da deckt Svenja sogar auf, dass Aram gar kein Proletarier, sondern ein Studierter ist. Und nochmals gibt es eine Wendung im Stück, die hier ausgespart werden soll, hat sich die Aufführung doch auch einiges mehr als Zuschauer:innen verdient als beim Besuch von Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…

Verraten werden darf ein entlarvender Gag, der im Stück gegen Ende vorkommt – weil er ohnehin auch in der Ankündigung des Landestheaters schon zu lesen ist: „Warum kann man im Theater so gut Witze über Arme machen? – Weil sie sich die Karten eh nicht leisten können.“

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Doppelseite aus dem bebilderten Buch "Benno, Fred und das Geschenk"

Zwei Vogel-Freunde und Regenwürmer, die Blumen spielen

Fred und Benno – den beiden Vögeln widmet Cataharnia Valckx Valckx (Übersetzung aus dem Französischen: Julia Süßbrich) mehrere Bücher mit kurzen – gezeichneten – Erlebnissen, in die sie – sowohl von den Bildern als auch von den kurzen Texten witzige Pointen einbaut. Eine der jeweils sechs Episoden gibt dem jeweiligen Buch dann auch den Titel. In „Benno, Fred und das Geschenk“ besuchen die beiden, die gemeinsam in einem kleinen Erdhügelhaus an einem Teich wohnen, ihre Freundin Ursula, eine Eule.

Auf dem Weg, den sie hüpfend und watschelnd zurücklegen, kommen sie auf die Idee, vielleicht ein Geschenk mitzubringen. Doch natürlich – die meisten Geschichten und ihre Leser:innen lieben spannende Höhe- und Tiefpunkte – geht dabei was schief – mit dem ersten Geschenk – gepflückten Blumen und dem „Ersatz“, den ihnen ein Pferd mitgibt. Das Hufeisen, das als altes Symbol Glück bringen soll, gefällt Ursula schon, aber… – Nein, was da passiert sei sicher nicht gespoilert.

Doppelseite aus dem bebilderten Buch
Doppelseite aus dem bebilderten Buch „Benno, Fred und das Geschenk“

Rollenspiele

Schon ein wenig was verraten möchte ich vom Kapitel „Das Brett“, in dem Benno sich flach – Kopf auf einem Baumstumpf, Füße auf einer Kiste – hinlegt und auf Freds verwunderte Frage, was er da mache, antwortet, dass er eben ein Brett spiele. Andauernd trifft der kleine schwarze Vogel an diesem Tag auf Tiere, die in verschiedene Rollen schlüpfen. Am lustigsten wirken wohl zwei Regenwürmer, die eine Blume spielen. Und was wird Fred wohl machen? Lässt er sich von diesem Spiel anstecken?

Gerade dies ist dann sogar ein bisschen mehr als ein (Vor-)Lesebuch, es könnte auch dich animieren zu verschiedensten (Rollen-)Spielen.

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Titelseite des bebilderten Buchs
Titelseite des bebilderten Buchs „Benno, Fred und das Geschenk“
Szenenfoto aus "Menschenfeind" im TAG, dem Theater an der Gumpendorfer Straße (Wien-Mariahilf)

Worthülsen aufgeblasen bis zum – Lachen

„Kreativität, die bewegt. Es ist uns ein persönliches Anliegen, mit Ihrem Content die Menschen zu bewegen. Wir haben die Erfahrung, die Leidenschaft und die Inspiration, damit Ihre Botschaften zu unverwechselbaren Geschichten werden.“ Diese mit vorgeblicher Bedeutung gefüllten Sätze, die Menschenfeind Alceste zum Besten in sarkastisch-ironischer Weise zum Besten gibt werden damit zum prall gefüllten Luftballon. Statt Platzen kommt das erste herzhafte Lachen aus dem vollbesetzten Publikumsraum im TAG, dem Theater an der Gumpendorfer Straße (Wien-Mariahilf). Frei nach Molières Komödie „Der Menschenfeind“ wird hier 1 ¼-Stunden lang die „bessere Gesellschaft“ aufs Korn genommen – vor mehr als 350 Jahren adelige Kreise, heute sich elitär fühlende Typ:innen rund um eine Werbeagentur.

Wort- und Spielwitz

Zum Lachen bietet die frei nach Molière verfasste Version von Fabian Alder, der auch Regie führte, an diesem Abend ziemlich viel – aus Situationskomik, Wortspiel, Spielwitz der Akteur:innen und nicht zuletzt so manchen Anspielungen – nicht zuletzt auf Zitate aus den wohl bekanntesten Chat-Nachrichten des Landes – u.a. „Hure der Reichen“.

Alceste, als süffisanter Durchblicker, der sich damit ins Abseits manövriert, von Jens Claßen dargestellt, kommt mit seiner messerscharfen Analyse allerdings allerdings deutlich überheblich daher, lässt die anderen spüren, dass er der Gscheitere und sie die Dummen sind. Lisa Schrammel spielt die Über-Drüber-Agentur-Chefin Célimène, die sich ihren Kund:innen anpasst. Ein großer Etat winkt von der Generalsekretärin der GÖP, der grün-ökonomischen Partei, (sozusagen das Besten aus beiden Welten). Ida Golda verkörpert diese schon äußerlich als Gegensatz, denn sie ist fast völlig in Plastik kostümiert (Kostüme: Katia Bottegal). Ida Golda schlüpft übrigens zwischendurch einmal in eine andere Rolle samt anderem Kostüm, in die von Arsinoé, die sich als Konkurrentin gern mit Célimène zusammentun würde.

Scheinheilig

Das Schauspiel-Sextett wird noch von der auf sehr dümmlich und gegenüber Alceste anlassig gepolten Éliante (Michaela Kaspar) und den auf scheinbar freigeistig angelegten Orente (Markus Hamele) und Clitandre (Georg Schubert) im Umfeld der Agenturchefin komplettiert.

Zwecks Dramatik (Dramaturgie: Tina Clausen) lässt der Autor ein geheimes Video auftauchen, das die Scheinheiligkeit der Agentur-Chefin enthüllt – und das, sollte es öffentlich werden, den Auftrag der GÖP-Chefin verhindern könnte. Was und wie sei hier sicher nicht verraten.

Bubbles angestochen

Außerdem ist die mögliche Intrige bzw. das Auseinanderklaffen von salbungsvollen Reden und gegensätzlichem Handeln nur ein zusätzliches Element im sehr witzigen, klugen Zerlegen von Bubbles, ihrer Sprache und ihrem Gehabe, das sich auf einer auch recht amüsant wirkenden Bühne – einer Art über- und ineinander gestapelter Enzis samt Rutsche – also Aufstieg, entspanntes Verweilen, Absturz inklusive – abspielt mit Grünzeug-Teppich an der Wand im Hintergrund (Bühne: Thomas Garvie).

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Doppelseite aus dem Bilderbuch "Wie ist es eigentlich, erwachsen zu sein?"

Wenn ich groß bin, dann …

„Wenn ich groß bin, kann ich Eis essen, wann ich will, darf ich selber bestimmen und … vieles mehr!“ Ist das so, oder doch ganz anders? Oder irgendwo dazwischen?

Auf fast 80 Seiten – mit vielen Bildern und wenigen Worten – widmet sich Anna Fiske, eine norwegische Autorin und Illustratorin in einer Person der Frage: „Wie ist es eigentlich, erwachsen zu sein?“ Ausgehend von Dutzenden Kinderfragen dazu hat sie viele kleine Bilder und große Szenen gezeichnet und beschrieben. Gleich auf der ersten Doppelseite sind viele ganz unterschiedliche Gesichter zu sehen – rechts Kindergesichter und ihre Vorstellungen, wie sie wohl erwachsen aussehen würden/könnten; links Erwachsene, die sich noch erinnern können, wie sie als Kinder ausgesehen haben.

Er-wachsen

Aber können Erwachsene wirklich immer mehr als Kinder? Schon nach ein paar Doppelseiten thematisiert Fiske etwas auf der Hand Liegendes: Kinder wachsen, Erwachsene nicht mehr – höchstens in die Breite 😉

Aber, nennt die Autorin und Illustratorin ein weiteres mögliches, unsichtbares Wachstum: „innerlich“.

Dass Menschen ab bestimmten Altersgrenzen mehr dürfen wird in diesem umfangreichen großformatigen Bilderbuch auch thematisiert – leider ist Österreich insofern nicht berücksichtigt, als hier schon ab 16 – nicht erst ab 18 Jahren – gewählt werden darf.

Gemeinsamkeiten

Dass es bei Menschen-(Gruppen) nicht immer um Unterschiede geht oder die ins Zentrum gerückt werden sollen, kommt immer wieder so „nebenbei“ bei Fiske heraus. Erstens finden sich in den meisten Szenen ganz unterschiedliche sowohl Kinder als auch Erwachsene und zweitens auch zwischen den verschiedenen Alterskategorien setzt das Buch immer wieder auf Gemeinsamkeiten – siehe Beispiele auf der oben abgebildeten Doppelseite. „Erwachsene habend die gleichen Gefühle wie Kinder, sie haben sie nur schon oft erlebt.“ Womit sie sich (vielleicht) leichter tun, damit umzugehen 😉

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