Sein Name und die Zeichnung auf der Titelseite deuten schon darauf hin: Die hellste Kerze auf der Torte ist dieser König nicht. Simplicius Maximus und weil es davor noch keinen solchen Namens gegeben hat, der Erste, nannten die Eltern – König und Königin – ihren Neugeborenen. Natürlich riefen sie ihn nie in voller Länge, sondern meist Simpl oder Simpelchen.
So beginnt Brigitte Endres „Die fast ganz wahre Geschichte von König Simpl“ zu der Corinna Jegelka die bunten lustigen Zeichnungen beisteuerte, die jedenfalls Tollpatschigkeit des heranwachsenden Prinzen und späteren Königs nahelegen.
Die Autorin beschreibt ihre Hauptfigur als freundlich und ängstlich. Ob die zuletzt genannte Eigenschaft dafür verantwortlich ist, dass er nicht wirklich was lernen konnte/wollte? Jedenfalls meinte der Hauslehrer zum König: Der kleine Simpl ist sehr begabt, vor allem darin, rein gar nichts zu begreifen.“ Was den Vater offenbar wenig störte. Er meinte lediglich: „Ein König muss vor allem eines können: Befehlen.“
Und so unterrichtete der Lehrer seinen Schüler nur in diesem Fach, was seine Umgebung, die vor allem aus Dienerschaft bestand, fast zur Verzweiflung brachte. Der sehr junge Prinz fand es ur-lustig, anzuschaffen, dass die einen wie Frösche hüpfen, die anderen wie Hähne krähen sollten und so weiter.
Schlauer wurde Simpl mit zunehmenden Jahren nicht und so kam’s, dass er als König einmal in den Schlossteich plumpste und weil er nicht schwimmen konnte, befahl, dass alle Menschen dauernd mit einem Schwimmreifen rumrennen mussten.
Schon davor, als allererstes, hatte Simpl alle Messer verbieten lassen. Er hatte sich beim Schneiden einer Wassermelone – seiner Lieblings-Nachspeise – verletzt. Und weil er allen anderen keinen vorsichtigeren Umgang mit Schneidewerkzeugen zutraute, also das Verbot; er wolle nur seine Untertan:innen schützen…
War das hier zuerst Genannte äußerst unpraktisch, so hatte das Messerverbot unter anderem zur Folge, dass es beispielsweise nur mehr Suppen, Brei und ähnliches zu essen gab. Wie das Kartoffelpüree, das die Autorin mit aufzählt, zustande kam, ohne die Erdäpfel vorher zu schälen und danach im Idealfall auch klein zu schneiden???
Wie auch immer, alles wurde immer schlimmer.
Natürlich dachte sich die Autorin eine Wende aus. Die hängt mit einer klugen Prinzessin namens Sapperlotta zusammen. Warum ausgerechnet die sich auf den Simpl einlässt – das ist nicht wirklich schlüssig, aber…
… immerhin wird am Ende sie regieren und er sich um die Kinder kümmern. Denen kann er – ein bisschen gelernt dürfte Simpl haben – vermitteln: „Merkt euch Kinder: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht…. Vor allem aber: Angst ist ein schlechter Berater.“
Wer Kind war oder mit solchen zusammenlebt, kennt diese Tierchen mit unangenehmen Begleit-Erscheinungen: Jucken am Kopf – sofern sich dort Haare und nicht eine Glatze befinden. Scharfes Mittel zum Erst-Einreiben, spezielles Shampoo danach und Metallkamm mit eng stehenden Zähnen, um die Kopfläuse wieder los zu werden. Und in der Zeit des Befalls, ja nicht die Köpfe mit anderen zusammenstecken…
Das Bilderbuch „Luki Laus“ setzt die Reihe, die mit „Gerda Gelse“ begonnen hat und der „Willi Virus“, Susi Schimmel und „Klarissa von und zu Karies“ gefolgt sind, fort. Jeweils andere Autor:innen und Illustrator:innen (außer Leonora Leitl, die zwei Mal zuschlug) beschäftigten sich mit diesen (wunzig-)kleinen äußerst unangenehmen Mit-Bewohner:innen. Stets eingebettet in eine Geschichte aus der Sicht – nein, nicht der Menschen, sondern hineinversetzt in die Lage der Genannten – aber auch ergänzt und erweitert um Sachinformationen.
Dieses Mal war Lena Raubaum am Zug, die sich auch gleich Haare raufend als hätte sie Läuse gehabt fotografieren ließ. Sie legt Luki, einer Kopflaus, Sätze und Gedanken in den Mund. Und aus diesen ebenso wie den Sachtexten erfahren wir, was uns das Jucken verursacht, dass ihre Verwandten in Pflanzen und jene in Tieren schon zu Dinosaurier-Zeiten die Erde bevölkerten…
Und wir sehen dank der Illustrationen von Laura Momo Aufderhaar, die echt so heißt und sich keinen Künstlerinnen-Namen für dieses Buch ausgedacht hat, wie unsere Kopf- aber auch andere Läuse ausschauen. Auch in ihren verschiedenen „Nymphen“-Stadien in denen sie sich nach dem Schlüpfen aus den Eiern (Nissen) zu ausgewachsenen Läusen entwickeln. Viele ihrer Bilder schuf die Illustratorin mit Pflanzendruck.
Und obwohl vielleicht dank des liebevollen Textes und der spannenden Bilder Luki und seine Kumpan:innen vielleicht ein bisschen sympathisch rüberkommen, können wir nur froh sein, wenn sie unser Haupthaar oder ihre Verwandten, die Filzläuse, andere Körperbehaarungen nicht befallen. Auch wenn wir jetzt vielleicht noch besser wissen, wie wir sie wieder loswerden!
Achja, als Beilage gibt’s ein Blatt mit „Lausmalbild“ und auf der Rückseite – oder umgekehrt – „Lausige Redewendungen und Witze“; Beispiel gefällig: „Was hat Batman, wenn er sich andauernd am Kopf kratzt?“
„Flederläuse“.
Ein neues Buch ohne Worte – aber mit Torte! Vor 17 Jahren schuf Thé Tjong-Khing, damals schon an die 80 Jahre das erste der nunmehr auf fünf Bände angewachsenen „Torte“-Serie. Merkmal dieser seiner – neben vielen anderen – Bilderbücher: Der Illustrator wird zum Autor ohne Worte, er erzählt die Geschichten rund um die Torte(n) ausschließlich in Bildern.
Die Tiere versammeln sich zu einem Picknick auf einer Wiese. Da kommt ein Adler geflogen, fährt seine Krallen aus, schnappt sich die Picknick-Decker zu einem Bündel und ab die Post. So schnell können die anderen Tiere gar nicht schauen.
Nach wenigen Metern füllt das Bündel auseinander, Lebensmittel und Spielsachen fliegen durch die Luft in Richtung Boden. Weit verstreut. Die Party-Runde hetzt zu den Fundorten, wo die Dinge auf der Erde landen. Dabei müssen sie unter anderem über einen Baumstamm balancieren, um über den Fluss zu kommen…
Plötzlich taucht aus einem Busch ein Affe auf, der manchen der Tiere die gefundenen Gegenstände ab„luchsen“ will. In der Zwischenzeit hat sich eines der Tiere nicht aus der Ruhe bringen lassen und aus Zutaten auf dem Tisch vor sich Teig und daraus „Torte(n) für alle“ gemacht.
Alle?
Nicht ganz, Adler und Affe sind offenbar nicht eingeladen. Schaaade eigentlich.
Der in Indonesien geborene Sohn einer chinesisch-stämmigen Familie wanderte als junger Erwachsener in die Niederlande aus, wurde Lehrer und Comic-Zeichner, später freischaffender Illustrator von Kinderbüchern und noch später Schöpfer eigener Bilderbücher – für die der heute 90-Jährige schon etliche Preise bekommen hat.
Der heftige Titel dieses bebilderten knapp mehr als 100-seitigen Buches wird zunächst auf dem Cover durch das strahlend lächelnde Kind in einem Karton erträglicher, weil es schon auf Ironie hindeutet. „Kind zu verkaufen“ von Hiroshi Ito (gezeichnet und geschrieben, ins Deutsch übersetzt von Ursula Gräfe) dreht sich also nicht um Kinderhandel, den es leider noch immer auf der Welt gibt.
Die Geschichte handelt von einem – das ganze Buch über namenlos bleibenden Mädchen – das plötzlich für die Eltern Luft zu sein schein. Grund ein kleines Geschwisterchen. Das hat übrigens sehr wohl einen Namen. „Was ist denn so toll an Daichi! Der ist ein nerviges Äffchen“, klagt die Hauptfigur des Bilderbuch-Romans. Was die Mutter der beiden mit „Aber ein süßes Äffchen“, kommentiert. Übrigens die einzige echte Antwort auf den ersten Seiten.
Zuvor lässt sie jeweils nur ein „Ja, ja“ aus. Egal ob das Mädchen bittet, ja bettelnd fragt: „Du brauchst mich wohl nicht mehr, Mama, oder?“ Auch auf der nächsten Seite kriegt die Tochter auf den Satz: „Ich haue ab. Ich such mir ein neues Zuhause!“ keine andere Antwort.
Auch wenn’s offenkundig eher als provokative Drohung gemeint war, um doch endlich Aufmerksamkeit zu kriegen – Versuch gescheitert. Und so packt sich das Kind zusammen. Mit einem kleinen Rucksack macht es sich auf den Weg, findet einen Karton beim Mist, leert ihn aus, nimmt ihn mit und schreibt in schönster Schrift: „Kind zu verschenken“ drauf. Dann malt es sich aus, welche netten Menschen es mitnehmen in ein neues Zuhause, wo es geschätzt wird.
Allerdings… – wie wahrscheinlich zu erwarten, da wird nix draus. Dafür gesellt sich ein verlaufener Hund, ein Kätzchen und eine Schildkröte zu dem Mädchen in der Papp-Schachtel.
Wie’s ausgeht wird hier sicher nicht gespoilert. Das Wichtigste an der Geschichte ist ja wohl das durchaus bitterböse humorvolle Schildern, wie es allzu vielen Kindern geht, wenn ein Baby als Geschwisterchen in die Familie kommt und wie sich das verletzend anfühlen kann…
Natürlich suchst du – so wie es sicher alle tun werden -, ob der Titel dieses Bilderbuches wirklich stimmt: „Es gibt keine Drachen in diesem Buch“, das Mitte August 2023 erscheint. Wahrscheinlich gibt es Millionen von Büchern, auf die das zutrifft, aber würde irgendwer so etwas auf die Titelseite schreiben?
Klar macht das erst recht neugierig. Genau geschaut. Könnten das nicht Beine von einem… – bevor du diesen Gedanken vielleicht fasst, nachdem du etwas entdeckt hast, das, ja genau nach Drachenfüßen ausschaut, schreibt die Autorin: „Ach, die! Die kannst du ignorieren… Sie gehören wahrscheinlich der Katze. Sie ist riesig. Übertrieben riesig.“
Ähnlich spinnen Donna Lambo-Weidner und Carla Haslbauer die Geschichte Doppelseite für Doppelseite weiter. Du meinst das eine oder andere Körperteil eines Wesens zu sehen, das dich doch sehr stark an einen Drachen erinnert. Auch wenn es solche in echt nicht gibt – in Büchern, Filmen, Comics, als Spielfiguren usw. existieren sie in hunderterlei Bildern. Aber schon, hat die Autorin sich irgendeine Erklärung einfallen lassen, was das sonst sein könnte. Funken zum Beispiel aus dem Kamin oder was auch immer. Klar, irgendwann heißt’s über das Durcheinander in der Wohnung: „Das waren bestimmt die Kinder!“
Du siehst gemalte Kinder, die offenbar sehr wohl Drachen-Körperteile sehen – der Text wirkt, als wären es die zurechtweisenden Sätze erschreckter, fantasie-befreiter Erwachsener 😉
Und so schwingt zwischen den wenigen prägnanten Zeilen und vor allem in den Bildern mit, irgendwie halten sie dich am Schmäh – nein, keine Fake News, sondern Aufbau eines Spannungsbogens sozusagen. Auch wenn hier sicher nicht alles verraten wird, ein „Trick“ sei gespoilert: Ungefähr nach zwei Drittel des Buches schaut dich – ein wenig ängstlich – ein Drache an: Eben nur einer …
Ob dann doch noch weitere auftauchen? Nun, das bleibt dir überlassen zu ergründen, entdecken, erforschen, schauen, lesen und so weiter – einige Seiten vom Anfang – findest du übrigens in der Lese- und Schauprobe, die in der Info-Box am Ende des Beitrages verlinkt ist.
Ach ja, und selbst wenn du das Ende dann kennen wirst, laden vor allem die Bilder, in denen sich noch so manches Detail versteckt, zum immer-wieder-Anschauen ein, dann fällt dir vielleicht noch nicht Gesehenes auf.
Die Illustratorin ist mit diesem Buch übrigens für den Serafina Nachwuchspreis nominiert, der von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur in Kooperation mit dem Börsenblatt und der Frankfurter Buchmesse vergeben wird. Die Jury begründet die Nominierung übrigens so: „Carla Haslbauers Illustrationen zeigen den ganz normalen Familienwahnsinn in großer Dynamik und Vielschichtigkeit. Diversität ist integraler Bestandteil der Geschichte, wie zufällig hingezeichnete Gegenstände auf Boden, Sofas und Tischen bieten immer wieder neue Entdeckungen und beschreiben sehr realistisch das kreative Chaos eines Kinderzimmers. Erwachsene spielen eine Nebenrolle, Hinweise auf eventuelle Drachen im Buch gibt es in vielfältiger Weise und am Schluss gibt‘s neue Nachbarn.“
Übrigens mit einem vergleichbaren Dreh arbeitete Klaus Baumgart in seinem allerersten Bilderbuch (1989, vor drei Jahren neu erschienen). Der Autor, vor allem für seine Serien „Lauras Stern“ und „Tobi“ berühmt, ließ in „Ungeheuerlich“ einen kleinen Drachen Annas Kakao verschütten. Der kleine grüne Drache sorgte für so manches Chaos am Frühstückstisch.
Na geh, das warst sicher du, Drache ist nur Ausrede meinte die Mutter. Bis es an der Tür klopft und ein großer Drache nach seinem Kind fragt.
Etliche Jahre bevor Klaus Baumgarts „Stern“ vor allem mit den „Lauras Stern“-Büchern so richtig aufging, startete er mit „Ungeheuerlich“, Geschichten über einen kleinen Drachen. Sein allererstes Bilderbuch, damals nur mit diesem Titel, ist vor 34 Jahren erschienen. 1989 veröffentlichte er nach diversen Jobs, einem Jahr in Nepal und Indien zum Abschluss seines Studiums der visuellen Kommunikation in Berlin (Hochschule der Künste) die Geschichte über Anna am Frühstückstisch. Die Cornflakes-Packung fängt an zu ruckeln und zuckeln, ein kleiner grüner Drache krabbelt raus, führt sich am Tisch auf, platscht in den Kakao. Und als die Mutter das Chaos sieht und mit der Tochter schimpft, glaubt sie dieser – natürlich – nicht, dass ein Drache das angerichtet hat.
Doch dann klopft’s an der Tür: Draußen ein großer Drache: „Guten Morgen“, sagte er höflich. „Haben Sie vielleicht meinen Sohn Tobi gesehen?“
Viele Kinder kennen aus eigener (leidvoller) Erfahrung, dass ihnen Erwachsene oft nicht glauben. Diese „Bekehrung“ in diesem damals handlichen kleinen Bilderbüchlein, in der Neuauflage im Großformat (ca. A4), war so erfolgreich, dass der damalige Verlag (Breitschopf) den Autor und Illustrator glich danach bat, einen Folgeband zu schreiben und zu zeichnen. Ein bisschen unlogisch als Fortsetzung lebt Tobi, der in dem zweiten Band nur im Klappentext namentlich genannt wird, in „Ungeheuerlich – Ein kleiner Drache bleibt wach“ nur in Annas Bilderbuch. Lediglich wenn Anna schläft, kommt er heraus, spielt und schaut sich im Kinderzimmer um – und nimmt einige der Dinge mit ins Buch. Worüber Anna am nächsten Morgen klarerweise mehr als staunt.
Vor drei Jahren hat der Annette Betz Verlag die Bücher neu – und wie schon erwähnt in größerem Format – aufgelegt und offenbar nach Verkaufserfolgen den Auftrag für einen dritten Band gegeben, der im Vorjahr erschienen ist. In diesem warten Anna und Tobi auf Weihnachten – und was da allerhand passiert, das ist in „Ungeheuerlich – Ein kleiner Drache wartet auf Weihnachten“ zu sehen und zu lesen.
Das jüngste Bilderbuch von Marcus Pfister, der vor allem für seine Regenbogenfisch-Serie berühmt ist, dreht sich um Pinguine. Das hatte er ja schon im Vorjahr im Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… bei der Buch Wien verraten. Sogar einzelne der Bilder – vom Anfang und vom Schluss sowie einige der Charaktere hatte er dabei schon genannt – zu diesem Interview geht es hier unten.
Nun ist also „So und so – Einfach Pinguin sein“ erschienen. Und beinhaltet dennoch so manche Überraschung. Die Vielfalt dieser – auf den ersten Blick vielleicht so einheitlich erscheinenden Vögel im (hoffentlich noch lange) ewigen Eis der Antarktis. Schon auf dem Cover ist die erste Zeile des Buchtitels bunt – praktisch jeder Buchstabe in einer anderen Farbe. Blätterst du um, findest du auf der ersten Innen-Doppelseite, noch bevor das Buch so richtig beginnt, nicht ganz zwei Dutzend (22) Pinguine in Grau-Weiß-Tönen mit gelben Füßen und Schnäbel – und doch alle schon verschieden. Obendrein stechen ein rötlicher sowie ein bläulicher Schopf auf den Köpfen zweier dieser Charaktere hervor.
Und dann, nochmals weitergeblättert die innere Titelseite – hier ist die Schrift „nur“ schwarz-weiß, aber jeder der Buchstaben von „So oder so“ in einem anderen Grau-Ton. Und dabei ist das nur der Einstieg, denn von nun an nimmt dich der Autor und Illustrator in Personalunion mit in eine ganze Pinguinkolonie, die zunächst als schwarz-graue Masse erscheint, um gleich danach einzelne Individuen vorzustellen. Da ist zunächst der Neue – Luca ist aus einer anderen Kolonie hier gelandet und fällt mit rotem Schnabel, goldenem Haarschopf und lila schillerndem Federkleid auf.
Du triffst aber auch die drei Freundinnen Mila, Hanna und Emilie, die genauso BFF sein können wie heftig zerstritten. Oder Ida, die so gerne fliegen könnte, den Spaßmacher Timo, der aber innen drinnen ziemlich traurig ist. Alle Charaktere, die sich Marcus Pfister ausgedacht, beschrieben und gezeichnet hat, seien hier sicher nicht verraten, du mögest dich ja noch durch das Bilderbuch selber überraschen lassen.
Nur eine sei noch genannt, die der Autor und Illustrator ja schon im Interview im November 2022 Preis gegeben hat – damals noch namenlos. „Lena ist verwirrt. Die anderen Pinguin-Mädchen schwärmen alle für irgendwelche Pinguin-Jungs. … sie ist verliebt in Ida… Wie kann das sein? Was stimmt nicht mit ihr? Bald wird sie merken, dass mit ihr alles stimmt, hundertpro.“
Denn die Natur ist ganz wirklich vielfältig. Es ist Tatsache, dass es neben der großen Mehrheit von Hetero-Sexualität auch im Tierreich die Liebe zu Geschlechtsgenoss:innen gibt – und sogar die Verwandlung von einem Geschlecht in ein anderes – das und mehr von tierischer Vielfalt beschreibt das wunderbare Bilderbuch „Wer ist die Schnecke Sam?“ – Link zur Rezension am Ende dieses Beitrages. Insofern ist das Wettern so mancher gegen Kinderbuchlesungen queerer Menschen oder das Pochen auf „Normalität“ sachlich völlig falsch: Denn normal ist die Vielfalt. Dafür ist „So oder so – Einfach Pinguin sein“ insofern ein optimales Plädoyer, weil es völlig unverkrampft und gar nicht „lehr-reich“ mit erhobenem Zeigefinger daherkommt.
Umkränzt von einem flauschigen Kreis lächelt der volle Mond auf die Erde und bewundert die Spaziergänger:innen – vor allem deren bunte Gewänder. „Gibt es hier einen Schneider oder eine Modedesignerin?“ lässt die Autorin und Illustratorin in Personalunion, Linda Wolfsgruber, ihre Hauptfigur auf der zweiten Doppelseite rufen, auf der sie schon ein klassisches Schneider:innen-Maßband sehr zentral im Zick-Zack platziert hat.
Inspiriert von dem rund 150 Jahre alten Märchen „Der Schneider im Mond“ in der wenig bekannten Sammlung von Ludwig Aurbacher, schneiderte die bekannte, vielfach preisgekrönte Illustratorin und immer wieder auch Autorin das nun erscheinende Bilderbuch „Ein Kleid für den Mond“.
Während natürlich allen Leser:innen und Betrachter:innen von Anfang an klar ist, das werde ein unmögliches Unterfangen, geht der Schneider pflichtbewusst aber naiv an die Bitte/den Auftrag heran. Er vermisst den Kunden, schneidert aus bunten Stoffen – und: Natürlich passt’s dann nicht. Verändert der Mond doch seine Gestalt – auch wenn’s „nur“ für unsere Augen ist und er in Wahrheit immer gleich rund bleibt 😉
Der Bilderbuch-Schneider hat gerade die abnehmende Phase erwischt, also enger machen, und das von Mal zu Mal. Und dann – das kannst du dir schon denken… Linda Wolfsgruber fand in ihrem Bilderbuch – im Gegensatz zum Märchen, von dem sie sich inspirieren hatte lassen und das sie öfter als Figurentheater in Südtiroler Kindergärten bei Workshops aufgeführt hatte, ein wahrhaftes Happy End, denn schließlich… – aber nein, das soll eine Überraschung bleiben.
Verraten aber sei die Mach-Art der vielen bunten Stoffe auf den Bilderbuch-Seiten mit denen der Schneider arbeitet und die wie echte aussehen, insbesondere auch der flauschige Ring um den Mond oder die ebensolchen Wolken. Dachte ich, das seien wirklich echte Stoffe, eventuell langfaserige Filz und dann zusammengeschnipselt, fotografiert oder gescannt, antwortete Wolfsgruber auf die entsprechende mailige Anfrage: „Also es ist alles viel einfacher, keine echten Stoffe, kein langhaariger Filz und auch keine eingefärbte Watte, sondern… Origami-Papiere für das Kleid und der Mondschein ist aus Japanpapier (Reispapier) gerissen. Wenn man mit Wasser und Pinsel die Konturen auf das Japanpapier zeichnet, kann man es in jede Form reißen. Und wenn man das Papier nach außen wegzieht, so entstehen diese schönen Ränder.“
Und: Ist der Mond nicht wunderschön so wie er ist? Auch wenn er immer gleich bleibt und nur durch die astronomischen Lichtspiele für uns sein Aussehen ständig verändert?!
kreis-dreieck-und-quadrat -> Bilderbücherbesprechung damals noch im Kinder-KURIER
Ich möchte wieder spitz sein… „Na ja!“ Buchbesprechung zu Jutta Treiber – damals noch im KiKu
Wölfe sind derzeit in unseren Breitengraden wieder die Ur-Bösen. Während es als völlig normal verteidigt wird, dass Menschen Tiere töten, um sie zu essen, sollen die Hunde-Vorfahren, die ihren Hunger stillen, gleich zum Abschuss freigegeben werden. Dabei sind Wölfe intelligente und soziale, in Rudeln lebende Tiere, die in West-, Mittel-Europa und Japan im vorvorigen Jahrhundert fast ausgerottet worden waren. In den vergangenen Jahrzehnten wurden sie unter Schutz gestellt und wieder angesiedelt.
Und schon wurden sie wieder zu den Bösen schlechthin, in den meisten Märchen sind sie’s, in manchen greifen sie sogar zu verschiedensten Listen – so verkleidet sich in Rotkäppchen der Wolf, der die Oma verschlungen hat, als solche, um auch noch die Enkelin zu verspeisen. Bei den sieben Geißlein, taucht er das Fell in weißes Mehl und frisst Kreide, um die Stimme zu erhöhen und so die Ziegenkinder zu verspeisen. Für die Verkleidungen, Verstellungen hat sich der Begriff vom „Wolf im Schafspelz“ eingebürgert. Er geht auf sowohl auf Fabeln des altgriechischen Dichters Äsop als auch eine Jesus-Predigt im Neuen Testament zurück.
Nun ist ein üppiges Bilderbuch, eigentlich schon eine Graphic Novel erschienen, die die Kern-Idee umdreht: „Der Wolfspelz“, geschrieben und gemalt von Sid Sharp, vom Englischen ins Deutsche übersetzt von Alexandra Rak.
Bellwidder Rückwelzer heißt das Schaf, das ziemlich einzelgängerisch und eher menschlich lebt, in einem Haus, in dem es sich zu Beginn aus dem Bett räkelt und sich selbst genügt. Nur die Brombeeren, die neigten sich zu Ende. Und so wollte die Hauptfigur dieser nicht ganz 130 Seiten in den Wald, um welche zu holen. Wenige Sätze pro Seite auf – meist – in düsteren, und doch nicht wirklich Angst erzeugenden Farben (viel davon ist schwarze Tinte) bilden die Hintergründe für die stark an Comichafte Zeichnungen erinnernden Figuren. Von letzteren gibt es außer dem Schaf nicht allzu viele.
Den Wald mochte unser Schaf auch sehr gern, an den Blumen reichen, die Vögel zwitschern hören. Nur, es hatte fürchterliche Angst vor dem bösen Wolf. Da Bellwidder Rückwelzer aber sehr geschickt war und äußerst gut nähen konnte, da – dachte es sich aus: Ein Wolfskostüm zu schneidern und in dieses zu schlüpfen!
Nun fühlte sich das Schaf im Wald sicher, allerdings konnte es wegen der unter der Wolfsschnauze versteckten eigene Nase die Blumen nicht mehr riechen und die Ohren waren auch nimmer frei, weswegen der Protagonist der Geschichte auf die geleibten Gesänge der gefiederten, fliegenden Waldbewohner:innen verzichten musste. Und überhaupt war’s nicht so angenehm in dem Vollkörperkostüm, das auch noch da und dort zu reißen begann…
Aber sicher war’s trotzdem. Und Bellwidder Rückwelzer stieß auf andere Wölf:innen, von denen manche von der Form her schon ein bisschen, naja… – alles sei sicher nicht verraten, höchstens so viel, wie auch in der Verlags-Ankündigung schon steht: „Keiner der anderen Wölfe ist, was er zu sein vorgibt.“
Also eine Art Plädoyer, zu sich und seinen Eigenheiten zu stehen und sich nicht zu verstellen, um sich an- und vorgeblich sicherer zu fühlen.
Angeblich ist Sid Sharp übrigens die erste Idee, die später erst zu diesem Kinderbuch geführt hat, im Traum erschienen, wie they im Interview mit dem Verlag erzählt: „Absolut! In meinem Traum war ich ein Schaf, das versuchte, den Tag zu überstehen, ohne gefressen zu werden. Es war schrecklich! Danach habe ich viele Zeichnungen und Comics dazu gemacht.“
Und als Schlussfolgerung heißt es später in dem Interview – Link zum gesamten am Ende des Beitrages: „Bellwidder leidet ziemlich unter seinem Wolfsanzug, auch wenn er ihm vermeintlich Sicherheit gibt. Der Anzug passt einfach nicht, obwohl er sehr gut gemacht ist. Sich zu verstellen funktioniert also nie. Und trotzdem tun wir es so oft. »Sich anpassen« und »sich nicht anpassen« ist also nicht so einfach, wie es manchmal scheint. Das ist ein zentraler Punkt, den wir in meiner Geschichte untersuchen.“
Zum Interview auf der Verlagsseite
Mücke liebt es, wild zu schaukeln. Nicht nur das. Und Mücke heißt irgendwie anders, wie das verrät das ausgedehnte Bilderbuch (60 Seiten) gar nicht, weil das Mädchen den eigenen Namen gar nicht mag. Aber Mücken findet sie faszinierend – so klein diese Tierchen auch sind, so können sie sich gegen viel, viel Größere zur Wehr setzen. Naja, (Tot-)Schlägen mit Hand, Zeitung, Fliegenpracker oder Insektensprays fallen sie schon oft zum Opfer – das verheimlicht Autorin Katherine Rundell (Übersetzung aus dem Englischen: Nadine Mannchen).
Aber darum geht’s auch gar nicht wirklich. Hier ist sie eben Mücke. Und die fällt beim wilden Schaukeln eines Abends kopfüber in ein Gebüsch, nachdem sie zuvor von einer langen Zunge abgeschleckt wurde. Und so landet Mücke bei einem Zebra-Kind, das sich später als Gabriel vorstellt.
Auf Anhieb kann Mücke verstehen, was Gabriel sagt, naja, sie kann’s fühlen und vor sich in bunten Farben sehen. Mücke kann auch andere Tiere verstehen – und umgekehrt mit ihnen reden.
Gabriel ist traurig, er vermisst seine Eltern. Und die sehen wir schon in einer Art Parallel-Handlung davor. Ein Mann hat zwei ausgewachsene Zebras gefangen und eingesperrt. Und genau die sind Gabriels Eltern – lässt sich vermuten. Hier darf’s deswegen auch schon verraten werden.
Mücke aktiviert nun tierische Freunde, die wiederum die Information weiterreichen und letztlich … genau: Happy End.
Die Illustrationen von Sara Ogilvie, einerseits in naturalistischen Bildern und andererseits in fantasievollen, farbenfrohen Elementen für die Kommunikation zwischen Mücke und den Tieren, ergänzen die in knappen Sätzen erzählte Geschichte eines Kindes, das sich für Tiere einsetzt und durch nichts vom durchaus schwierigen Unterfangen abhalten lässt.
„Warum können Skelette so schlecht lügen?“
„Weil sie so leicht zu durchschauen sind!“
Dieser „gruselige Witz“ ist das zweite Bild samt Sprechblasen im jüngsten – übersetzten – Buch von Deborah Marcero. Wieder lässt sie die Leser:innen und natürlich nicht zuletzt Schauer:innen – es ist ja ein sehr üppig illustriertes Bilderbuch mit wenigen Textzeilen – eintauchen in das (Gefühls-)Leben von Leander, einem hasenartigen Wesen.
Wie schon in ihrem vorigen Werk „Freunde“ – Link zu dieser Buchbesprechung unten am Ende des Beitrages – spielen auch Gläser mit Schraubverschluss eine große Rolle. Sammelte er im ersten alle möglichen Gegenstände, die so auf dem Weg lagen und ihm zumindest ein Schmunzeln ins Gesicht zauberten, so sind hier die Inhalte nicht so greifbar.
Zurück zum Beginn dieses neuen Buches – das übrigens im Original „Out of a jar“ (Raus aus einem Glas) heißt: Leander liebt – das hat sich die Autorin und Illustratorin eben so ausgedacht – Gruseliges: Bücher, Witze, Filme. „Aber“ – so findet es sich gleich auf der zweiten Seite neben seinen geschilderten Vorlieben – „Leander mochte es überhaupt nicht, selbst Angst zu haben.“
Er versuchte dieses Gefühl unter seinem Bett zu verstecken, unter den Teppich zu kehren und so weiter. Nach zwei Seiten, in denen er die Angst wegzupacken trachtete kam er – natürlich, eh klar – auf die Idee, sie in ein Glas zu verfrachten.
Ab dem Moment war er angst-los. Dann aber tauchten andere Gefühle auf, die ihm Sorgen bereiteten: Traurigkeit, Aufregung, Wut, Einsamkeit und noch viele mehr. Aber Leander wusste sich ja zu helfen: Ab damit in das eine, ein anderes und noch ein weiteres Glas… Bis er „fast nichts mehr fühlte“.
Klar, dass die Autorin, die ihre Bilderbücher mit Bleistift, Wasserfarben, Tinte und digitalen Werkzeugen zeichnet und malt, es dabei nicht bewenden lässt. Und so zerbrechen eines Tages alle Gläser – und all die weggesperrten Gefühle überrollten Leander. Natürlich war das in diesen Augenblicken alles andere als leicht für ihn, aber er lernte rasch, den Mut zu haben, zu fühlen…
Die Eltern finden es gar nicht so toll, dass die Hauptfigur in diesem Bilderbuch sich mit dem Kind aus dem Nachbarhaus anfreunden. Mika heißt dieses Kind. Die Eltern des namenlos bleibenden Vögelchens aber können nur ihre Köpfe schütteln. „Naja, das ist eben ein Mensch!“
Und das mit den Menschen sei „so eine Sache“, sie seine jung auf der Erde, was Vögelchen kommentiert: „Naja, nur dass sie jung sind, spricht doch nicht gegen sie, oder?“
Aber was die alles aufführen, verbauen Wiesen, holzen Wälder ab. Fast jede Idee, die sie hatten und haben zerstört Natur, Lebensraum von Tieren… – in „Aaah, diese Menschen! – Und wie sie mit ihren Ideen fast alles versaut hätten…“ von Miro Poferl, die sich die Geschichte sowohl ausgedacht als auch getextet UND illustriert hat.
Vögelchen versteht, ist aber trotzdem traurig, Mika scheint doch so nett zu sein. UND das Kind hat auch viele Ideen – die in eine ganz andere Richtung gehen – Blumen und andere Pflanzen setzen. Andere folgen und pflanzen Bäume… worauf die Eltern zwitschern: „Du, da tut sich gerade was – die kriegen ja glatt noch die Kurve“ und den eigenen Nachwuchs bitten, doch das befreundete Menschenkind kennenlernen zu wollen.
Dieses Bilderbuch vermittelt – und das ganz und gar nicht belehrend – das wohl drängendste Problem, vor dem die Menschheit steht. Klimawandel, vielmehr -krise – das weltweit insgesamt drängendste Problem. Für die Erde? Ja und Nein, auch wenn die Menschheit den Planeten krass zerstört, wenn es kein Umdenken und vielmehr -handeln gibt, werden die Menschen viele Tier- und Pflanzenarten vernichten und sich selbst ausrotten. Die Natur wird sich danach erholen und sehr wohl überleben.
Wobei das mit der Hoffnung auf Änderung, weltverträglichem Verhalten der Menschheit so eine Sache ist. Schon vor fast 90 Jahren hat der jung im Konzentrationslager Buchenwald an Typhus verstorbene scharf analysierende und formulierende Schriftsteller Jura Soyfer in „Der Weltuntergang oder die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang“ bei einer Zusammenkunft unseres Planetensystems mit der Sonne geschrieben, das Problem der Erde sei, dass sie Menschen hat. (Übrigens ab 12. September 2023 im Theater Arche in Wien-Mariahilf.)
Und im „Lied des einfachen Menschen“ schrieb Soyfer: „Wir sind das schlecht entworf’ne Skizzenbild/ Des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt…“
Zwischen der großen Außenrunde in der das Publikum auf Pölstern und manche dahinter auf Sesseln sitzen und einem acht-eckigen Kobel mit metallenen Querstreben bewegen sich zwei Tänzerinnen- Christine Maria Krenn und Jolanda Lülsdorf -, klauben mal da dann wieder dort schmale, biegsame Metallstreifen auf, ordnen sie neu an, beginnen damit zu spielen, basteln Gürtel, Schnäbel, Vogelflügeln, vieles mehr und einen Geigenbogen – just in dem Moment als die dritte im Bunde (Judith Koblmüller) tatsächlich einen Geigenbogen in dem Gefängnis oder Baumhaus (?) in der Mitte bedient und damit auf der Violine zu spielen anfängt.
Zu dieser sowie zu Musik aus einer Blockflöte verwandeln sich die Tänzerinnen in spielende Kinder, wobei Christine Maria Krenn, die auch für Regie und Choreografie verantwortlich ist, immer die Prinzessin spielen will – im Bilderbuch, auf dem dieses Stück basiert, heißt sie Lamia. Die andere darf höchstens Räuber sein, obwohl sie auch so gern einmal gekrönt wäre. Irgendwann biegen die beiden zwei Metallstreifen zu länglichen Ovalen und platzieren dazwischen eine lange runde Stange.
Da das Stück – so wie das Bilderbuch von Lisa Aigelsperger – „Panzerschloss“ heißt, liegt nahe, was das gebastelte Objekt darstellt. Nun schiebt die Musikerin aus ihrem „Bunker“ ein noch längeres Rohr über die Oberkante und zitiert aus dem Buch, das die Künstlerinnen sehr frei umsetzen konnten: „Ihr lieben Kinder, das hier macht BUMM BUMM, und dann fallen alle Um“ (Buchbesprechung am Ende des Beitrages verlinkt).
Krieg. Bedrohung in wenigen, einfachen Mitteln dargestellt schon für sehr junge Kinder. Bedrohung von außen? Helfen da Zäune und Mauern? Also werden die Umsitzenden eingeladen, aufzustehen, eine menschliche Mauer zu bauen, gemeinsam aus den herumliegenden Metallteilen – es sind die Elemente von Rollos wie sie auch den „Bunker“, das Baumhaus (?) verbarrikadieren – eine Art Zaun zu bilden.
Aber kam nicht die Bedrohung von innen? Dort rollten doch die Panzer, aus dem Zentrum kam das ganz große Kanonenrohr. Und sind nicht die stilisierten „Soldat:innen“ aus den Metallgestellen für große Mistkübel auch von innen gekommen?
Diese sich szenisch aufdrängenden gar nicht ausgesprochene Fragen sowie aus dem Off eingespielte Gedanken von Kindern, die im Probenprozess in Theater-, Musik- und Bau-Workshops von den Bühnenkünstlerinnen eingebunden worden sind, und natürlich die Grundgeschichte des Bilderbuchs lassen aus dem Bunker, dessen Teile nun zu Toren werden, und dem Panzer ein Schloss werden, in dem gemeinsam gefeiert und gespielt wird. Gemeinsam lassen sich sozusagen Mauern und Zäune niederreißen und ein fröhliches Miteinander entstehen…
Die Arbeit der Künstlerinnen mit den Kindern in den genannten Werkstätten führten nicht nur zu aufgenommenen und eingespielten Sagern über Regeln, Mitsprache und den Umgang der Menschen mit der Natur, sondern führte zu vielen Inspirationen für Szenen und nicht zuletzt auch Bühnenbild. Übrigens, die Metallstreifen – Lamellen der Rollos – stammen ebenso aus dem Gebäude der alten Linzer Kunstuni, sozusagen einem Abbruchhaus wie die feuerfest imprägnierten Vorhänge, die sowohl zu Umhängen für die Prinzessin als auch zu Soldatenröcken werden (Bühnenbau: Birgitta Kunsch). Die Rollos in den hölzernen Türrahmen des anfänglichen Bunkers ergeben somit variable Situationen: Blickdicht verschlossen, dann wieder wenigstens Blicke freigeben, die Kipp-Elemente in den Rahmen lassen die im ersten Teil verschanzte Musikerin später doch den Kontakt mit der Umgebung aufnehmen. Diese Lamellen sind aber auch die Elemente für die Prinzessinnen-Krone bzw. Blumen rund um das doch irgendwie auch heimelige Ambiente im Foyer des ersten Stocks im Linzer Musiktheater, wo „Panzerschloss“ beim Schäxpir-Theaterfestival für junges Publikum gespielt wurde/wird.
Wenngleich das Musiktheater bei Vermietung von Räumlichkeiten vielleicht darauf achten könnte, nicht zeitgleich im Stock darunter eine private Hochzeit einzubuchen, wo Jubel aufbrandet, während einen Stock drüber sich gerade eher ruhige Szenen abspielen.
Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für die ersten vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.
Nachhaltigkeit – davon reden viele. So manche tun auch was dafür – so präsentierten bei zwei großen Bewerben (Jugend Innovativ und Junior Companys) ältere Schüler:innen – Oberstufe – ganz handfeste, konkrete Projekte, mit denen sie Müll vermeiden bzw. Dinge recyclen: Zweites Leben für alte Akkus beispielsweise (ReCell), ein schulübergreifendes Netzwerk zum Kleidertausch und mehr, Verarbeitung von Brotrestln, die weggeworfen worden wären zu köstlichen Crackers (Scherzl mit Herzl)… – Links zu Ersteren unten am Ende des Beitrages, die Reportage über die Junior-Firmen von Schüler:innen folgt am 8. Juni 2023.
So wichtig der Gedanke der Nachhaltigkeit gerade heute ist, einige Menschen haben schon vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, etwa die (leider längst verstorbenen) Kinderbuchmacherinnen Mira Lobe und Susi Weigel (bekannt nicht zuletzt für „Das kleine Ich bin ich“ oder „Die Geggis). In „Lollo“ – das noch, vertont und mit interaktiven Workshops für Kinder – am 7. Juni 2023 im Dschungel Wien läuft. Dort ist auch schon kurz das Bilderbuch erwähnt, auf dem die Geschichte aufbaut.
Es ist übrigens ein für Bilderbücher ganz schön dickes – 72 Seiten Inhalt mit – wie es für die Bilderbücher dieses Duos praktisch immer der Fall war Reimen. Lollo ist eine – auch das eher für die Entstehungszeit ungewöhnlich in Österreich (1987) schwarze Puppe mit der damals üblichen N-Wort-Bezeichnung, die in der Neuauflage 2013 erklärt wird, weshalb dieses Wort eigentlich vermieden werden sollte, weil es für die Betreffenden abwertend verwendet wird.
Also, diese Lollo kämpft sich aus der Müllhalde heraus, sucht sich dort Stoff, aus dem sie sich ein Kleid anfertigen kann. Stoff verwendet sie sozusagen als Puppendoktorin nun auch, um anderen Spielzeugfiguren und -tieren zu helfen, sie zu verarzten. Aus Weggeworfenem, weil da und dort was fehlt, wird wieder vollwertiges Spielzeug.
Neben diesem Re- oder Upcycling spielt Zusammenhalt und Freundschaft – wie in praktisch allen Mira-Lobe- und Susi-Weigel-Büchern eine große Rolle. Sogar die kleinen Mäuse, die zu Dieben werden und den wertvollen Stoff stehlen, der als Bandagen bei den Verletzungen dient, werden zwar gestellt, aber nicht ausgeschlossen, sondern einbezogen – sozusagen resozialisiert 😉
Es muss nicht alles weggeschmissen werden. Selbst wenn dem Kuschelhasen ein Ohr, dem Spielzeug-Elefanten der Rüssel oder einfach der Puppe ihr Kleid fehlt. So könnte sich kürzest zusammengefasst die Geschichte „Lollo“ beschreiben lassen. Vor mehr als 35 Jahren erschien sie als Bilderbuch vom berühmten Duo Mira Lobe und Susi Weigel, deren bekannteste Werke wohl „Das kleine Ich bin ich“ und „Die Geggis“ sind.
Die Puppe Lollo klettert aus einer riesigen Müllhalde am Rande der Stadt, davor aber – sie entdeckt, dass sie nackt ist, sucht sie sich hier ein passendes Stück Stoff, aus dem sie sich in Kleid macht. Und sie findet ein Maxerl, dem fehlt ein Haxerl, einen Spielzeug-Elefanten, der seinen Rüssel vermisst, einen Kuschelhasen mit nur einem Ohr… Lollo wird sozusagen zur Chirurgin, verarztet die Spieltiere und -Figuren – mit lauter Zeug aus dem Mist. …
Das und den späteren Bau einer Schachtelstadt gibt es nun in einer knapp mehr als 1 ½ -stündigen Bühnen-Mitmachversion für Kinder zwischen 5 und 9 Jahren. Gespielt, gesungen und musiziert wird im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier – und zwar in einer Kooperation mit dem im selben MQW-Hof angesiedelten Kindermuseum Zoom. Dort gab’s schon vor einigen Jahren eine kleinere Version von „Lollo“ vom Verein Metterschling. Elisabeth Naske hat sich gemeinsam mit Ela Baumann (Regie) die Umsetzung mit Musik und Workshops ausgedacht und die Reime Mira Lobes vertont.
Eingebettet ins Stück bauen die Kinder Musikinstrumente – knapp nach Beginn in rund einer halben Stunde – und gegen Ende aus Kartons eine Schachtelstadt. Dabei werden sie von ZOOM-Vermittler:innen – Perihan Seifried, Werner Moebius, Johannes Franz Figeac, Sepehr Sarabchi – angeleitet und unterstützt, um aus Schachteln, Röhren, Flaschen, Gummiringern und anderen Utensilien Gitarren, Trommeln, Xylophone usw. zu basteln.
Die Opernsängerin Marie-Christiane Nishimwe singt die Geschichte – im Wesentlichen die Reime von Mira Lobe – und wird zur Dirigentin für das Kinder-Orchester mit seinen neuen Instrumenten aus altem Zeug. Florian Fennes auf verschiedenen Klarinetten unterstützt die Sängerin und die musizierenden Kinder. Für die Ausstattung und die visuelle Livegestaltung zuständig ist Raimund Pleschberger, der vor allem im Müllberg gräbt und der Reihe nach die verletzten Spielsachen herauskramt sowie den Haufen später zu einem Fantasiebaum für die Schachtelstadt umbaut. Uta Knittel gestaltete die Kostüme – unter anderem als Art Logo einen Teil des Buchcovers von Lollo auf den T-Shirts der Zoom-Vermittler:innen und das Kleid für die Sängerin – ebenfalls sehr angelehnt an die Titelzeichnung des Bilderbuchs.
Wissenschafter:innen waren seit Jahrzehnten, dass die Menschheit die Ressourcen des Planeten zu rasch verbraucht, das Klima kippen könnte…, Künstler:innen greifen immer wieder recht früh solche – und andere Themen auf. Nachhaltigkeit, Re- und Upcycling ist seit Jahren ein boomendes Thema. Wie Felix Mitterer in seiner „Superhenne Hanna“ schon 1977 Legehennen-Batterien in einer Kinderbuchgeschichte thematisiert, so griffen auch schon früh Mira Lobe und Susi Weigel in ihrem Bilderbuch „Lollo“ (1987, Verlag Jungbrunnen) Müllberge und Wegwerfen – in dem Fall vor allem von Spielzeug – auf.
Seit mehr als 50 Jahren wandert ein kleines, buntes Wesen in Reimform durch eines der wohl bekanntesten Bilderbücher Österreichs und sucht – auch in vielen verschiedenen Sprache – wer es ist: „Das kleine Ich bin ich“ (Verlag Jungbrunnen). Vor einigen Monaten ist ein anderes Bilderbuch erschienen, das auch damit endet, dass du sozusagen du bist – sprich, die Hauptfigur ich!
Davor aber schlüpft sie in die verschiedensten (Tier-)Rollen und Stimmungen bzw. Gefühle, ist sozusagen jeden Tag anders. Klein und schnell auf der ersten Doppelseite, die dem Buch auch den Titel gab: „Heut, da bin ich eine Maus“ (Edition 5Haus), Giraffe, Affe, Flamingo – als das fühlt sich die Hauptfigur auf den folgenden jeweils Doppelseiten – immer mit sechs Gedichtzeilen und bunten computergenerierten Illustrationen. Später mal ein Wal ebenso wie danach ein kleines Fischlein und gegen Ende ein Elefant. Doch halt, nicht ganz.
Denn auf der letzten Doppelseite versammelt die Autorin und Illustratorin in Personalunion, Franziska Höllbacher noch einmal alle zuvor aufgetauchten Tiere, in die sich ihre Hauptfigur – ein Kind mit lila Leiberl und roter Brille -, verwandelt, um zu enden „Heut, da bin ich ich allein.“
Wobei die gereimten Zeilen hier leider damit beginnen „Heut, da will ich niemand sein…“ Und der Schluss, „ich bin niemand“ scheint ja doch nicht in der Absicht der Autorin und Illustratorin zu liegen – da wurde wohl dem Reimen zuliebe nach „niemand“ so etwas wie „anderer“ geopfert worden zu sein.
Höllbachers Bilderbuch regte die Kinderliedermacherin Kiri Rakete an, daraus einen eigenen Song zu machen. In den baut sie nicht nur die Gedichtzeilen und Geschichten aus dem Buch ein, sondern erweitert das Lied noch um andere Geschichterln. „Gleich beim ersten Lesen und Staunen hörte ich ein Lied – nein, eigentlich einen Beat! Ein Buch, das tanzt und singt: Probier dich aus!“, zitiert der Verlag sie.
Von mirmirrok (grantig auf Kurdisch) über le latsche gondi hi (einfallsreich, Romani) lekful (tierisch, Schwedisch) bis niezapomniany (unvergesslich, Polnisch) kannst du dich in diesem fast 100-seiigen Bilderbuch lesen – und vor allem schauen. Linda Woldsgruber, vielfach ausgezeichnete Kinderbuchillustratorin und oft auch -autorin, hat ihr Buch „wir“ nach mehr als einem halben Jahrzehnt ergänzt, erweitert. Und wie!
2017 standen nur deutschsprachige Adjektive (Eigenschaftswörter) bei ihren gezeichneten Gesichtern. Womit schon die Sichtweise auf eine Zeichnung verändert werden konnte. In der neuen, brandaktuellen Version wurden den 44 gemalten Porträts verschiedene Sprachen zugeordnet. Wobei das zuletzt genannte Wort so nicht ganz stimmt. Um möglichen Klischee-Fallen zu entgehen – Österreicher:innen sind so, Nigerianer:innen so… -, wurden die Sprachen den Bildern und ihren deutschen Adjektiven zugelost. Diesen Vorgang filmte der Verlag und stellt ihn als Video ins Internet (Link dazu in der Info-Box am Ende des Beitrages).
Es tauchten noch weitere Fragen auf, denen sich Autorin/ Illustratorin und Verlag stellten. Nicht jedes Eigenschaftswort lässt sich einfach 1:1 übersetzen, bzw. hat in manchen Sprachen eine andere, vielleicht negativere Bedeutung. Umgekehrt gibt es ja in den verschiedensten Sprachen auch (fast) unübersetzbare Begriffe, natürlich auch bei Eigenschaften. So würde das Finnische „humalassa syntymästä asti“ auf Deutsch „seit meiner Geburt betrunken“ heißen, was aber mit Saufen gar nichts zu tun hat, sondern ungefähr so viel wie kreatives Ver-rücktsein von Anfang an bedeutet.
Um „Fettnäppfchen“ zu vermeiden, kontaktieren die Verleger:innen einerseits Menschen, für die die entsprechende Sprache ihre Erstsprache ist und andererseits auch Wissenschafter:innen. Anhand einer speziellen Herausforderung schildert der Verlag (Tyrolia) die Vorgangsweise: „Da es für Gebärden kein standardisiertes, schriftliches Darstellungssystem gibt – vom Fingeralphabet allerdings schon“, entschlossen sie sich, zickig mit den sechs Buchstaben-Gebärden des Wortes darzustellen – und ein Video der dazugehörigen Gebärde aufnehmen zu lassen – der entsprechende QR-Code im Buch führt zu diesem. Wobei’s noch ein bissl komplizeirter war, aber das lässt sich im pädagogischen Begleitmaterial im Detail nachlesen – Link in der Infobox.
Dem Internet sei Dank, finden sich auf der Verlags-Homepage zum Buch darüber hinaus auch Kopiervorlagen, u.a. für Burgenlandkroatisch. Die lassen sich ergänzen – möglicherweise um weitere Sprachen oder solche, die sich aus Anregungen und vielleicht auch Kritik ergeben, so wurde „übersehen“, dass manche Sprachen in mehreren Schriften existieren, etwa Serbisch oder Kurdisch – bzw. bei letzterem es sogar mehrere kurdische Sprachen gibt. Und Alphabete, die nicht von links nach rechts, sondern umgekehrt geschrieben werden, hätten vielleicht auf den Seiten auch rechts statt links beginnen können.
Und cool wäre es auch noch: Begriffe in anderen Schriften vielleicht dort entweder in Lautschrift oder per QR-Code oder Audio-File zum Anhören zu platzieren. „Das Buch soll aber ja auch anregen, Leute zu suchen, die diese Sprachen können und es dann vorsagen“, heißt es auf die entsprechende kijuku.at-Anregung. Also auf zum Sprachen-Sammeln 😉
Wie auch immer – das Buch kann vor allem in Kindergärten und Volksschulen einen Gutteil der Sprachen, die Kinder aus ihren Familien mitbringen, zur Sprache bringen, zur Weiterarbeit anregen, zum Diskutieren und Spielen, wie mit Gesichtsausdrücken – oder auch Körperhaltungen – Gefühlen dargestellt werden können. Und „Wir“, das auf der Rückseite des Buches um „…sind da“ ergänzt ist, zeigt die Wertschätzung über vorhandene Vielfalt und den natürliche Umgang damit – und kann somit Einfalt verhindern.
„Simma bald da?“, tönt’s in einer Sprechblase aus dem Kleinbus der Familie Köpenick. Und das ist nicht der einzige Satz, der die lange Urlaubsfahrt charakterisiert. „Ick muss Pipi!“, deutet darauf hin, dass die Familie aus einer Gegend Deutschlands anreist. Und sie landet irgendwo in den Bergen wo gejodelt wird – und dem Dialekt nach irgendwo in Österreich liegen könnte: „Da drüben san Fremde.“
Ein Missverständnis in der gemeinsamen deutschen Sprache wächst sich zur zentralen Geschichte des Bilderbuchs „Monsteraffen gibt es nicht!“ aus. Leonora Leitl lässt ihre Figuren – die Urlauber:innen und die Einheimischen – in Wort und Bildern in Angst und Schrecken versetzen. „Voi soark soll’s sein“, das kleine Äffchen, das die mitgebracht haben. Dabei hatte Vaddi doch nur gefragt: „Ham se mal ‚n Käffchen für uns?“
Einmal als Wort in die kleine Welt gesetzt, wird das Äffchen immer größer und wilder, Menschen und Tiere meinen sich, fürchten zu müssen. „Die wilde Nachricht rollt weiter über die Gipfel. In der Burgruine Schreckenstein mit ihren dicken Mauern findet sie besonders schaurigen Widerhall“, schreibt die Autorin und Illustratorin in Personalunion und lässt in Bildern die Gespenster der Ruine zittern.
Ein paar Seiten weiter ist das Äffchen schon „ein wüster Monsteraffe mit Krallen so spitz wie Stricknadeln. Ein Pratzenschlag und du blutest wie nix. Ur-arg!“ Alarmistische Radiomeldungen, Hubschraubereinsatz zur Suche nach dem Monster, „nur der Adler Horst, der versteht die Welt nicht mehr“, denn durch seine Höhenflüge hat er den Überblick und obwohl sonst zurückhaltend teilt er den Menschen mit: „Leute! Das ist gequirlter Blödsinn! Ein Monsteraffe auf unsern Bergen?? Der Heimat von Gämsen, Steinböcken und Murmeltieren? Denkt doch mal ein bisschen nach! Was für ein Schwachsinn!“
Damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende, aber Spannung soll ja wohl ncoh bleiben in dieser leicht fasslichen und bunt fast im Stil von Kinderzeichnungen bebilderten Geschichte über eine Art wie Fake News sich verbreiten (können).
„Hörst du etwa wieder das Gras wachsen?“ Dies Frage stellt Papa seiner Tochter Minu. Und er meint es liebevoll. Meist wird der Spruch im Alltag verwendet, um anderen der Spinnerei zu bezichtigen, etwas zu sehen oder hören, das es gar nicht gibt.
Aber der Vater in dieser fantasievollen, einfühlsamen Bilderbuchgeschichte „Minu un der Geheimnismann“ – ausgedacht und verfasst von Andrea Karimé und illustriert von Renate Habinger – hat selbst seinen Arbeitstisch auf dem er am Computer schreibt, in die Wiese gestellt. Zwischen bunten, fantastischen Blumen, Käfern, Insekten und Vögeln fühlt sich Minu wohl. Hier kann sie auch mit der Oma, die weit weg lebt, gedanklich und gefühlsmäßig in Kontakt treten.
Jenseits der Mauer entdeckt Minu ein kleines Männlein, das ähnlich tickt wie sie, den Geheimnismann. Mit dem freundet sie sich an, der lädt sie und ihren Papa ein, nachdem sie ihm eine wunderbare, mysteriöse Handtasche, die er verloren hat, zurückbringt.
Was es mit dieser Tasche auf sich hat, sei hier nicht verraten, höchstens so viel, sie treibt Karimés Wortspiellust an, den sie veranlasst den Geheimnismann Minu von einer Wunschblume und Feen zu erzählen, die Wünsche in den „Schick-Saal“ tragen.
Fred und Benno – den beiden Vögeln widmet Cataharnia Valckx Valckx (Übersetzung aus dem Französischen: Julia Süßbrich) mehrere Bücher mit kurzen – gezeichneten – Erlebnissen, in die sie – sowohl von den Bildern als auch von den kurzen Texten witzige Pointen einbaut. Eine der jeweils sechs Episoden gibt dem jeweiligen Buch dann auch den Titel. In „Benno, Fred und das Geschenk“ besuchen die beiden, die gemeinsam in einem kleinen Erdhügelhaus an einem Teich wohnen, ihre Freundin Ursula, eine Eule.
Auf dem Weg, den sie hüpfend und watschelnd zurücklegen, kommen sie auf die Idee, vielleicht ein Geschenk mitzubringen. Doch natürlich – die meisten Geschichten und ihre Leser:innen lieben spannende Höhe- und Tiefpunkte – geht dabei was schief – mit dem ersten Geschenk – gepflückten Blumen und dem „Ersatz“, den ihnen ein Pferd mitgibt. Das Hufeisen, das als altes Symbol Glück bringen soll, gefällt Ursula schon, aber… – Nein, was da passiert sei sicher nicht gespoilert.
Schon ein wenig was verraten möchte ich vom Kapitel „Das Brett“, in dem Benno sich flach – Kopf auf einem Baumstumpf, Füße auf einer Kiste – hinlegt und auf Freds verwunderte Frage, was er da mache, antwortet, dass er eben ein Brett spiele. Andauernd trifft der kleine schwarze Vogel an diesem Tag auf Tiere, die in verschiedene Rollen schlüpfen. Am lustigsten wirken wohl zwei Regenwürmer, die eine Blume spielen. Und was wird Fred wohl machen? Lässt er sich von diesem Spiel anstecken?
Gerade dies ist dann sogar ein bisschen mehr als ein (Vor-)Lesebuch, es könnte auch dich animieren zu verschiedensten (Rollen-)Spielen.
„Wenn ich groß bin, kann ich Eis essen, wann ich will, darf ich selber bestimmen und … vieles mehr!“ Ist das so, oder doch ganz anders? Oder irgendwo dazwischen?
Auf fast 80 Seiten – mit vielen Bildern und wenigen Worten – widmet sich Anna Fiske, eine norwegische Autorin und Illustratorin in einer Person der Frage: „Wie ist es eigentlich, erwachsen zu sein?“ Ausgehend von Dutzenden Kinderfragen dazu hat sie viele kleine Bilder und große Szenen gezeichnet und beschrieben. Gleich auf der ersten Doppelseite sind viele ganz unterschiedliche Gesichter zu sehen – rechts Kindergesichter und ihre Vorstellungen, wie sie wohl erwachsen aussehen würden/könnten; links Erwachsene, die sich noch erinnern können, wie sie als Kinder ausgesehen haben.
Aber können Erwachsene wirklich immer mehr als Kinder? Schon nach ein paar Doppelseiten thematisiert Fiske etwas auf der Hand Liegendes: Kinder wachsen, Erwachsene nicht mehr – höchstens in die Breite 😉
Aber, nennt die Autorin und Illustratorin ein weiteres mögliches, unsichtbares Wachstum: „innerlich“.
Dass Menschen ab bestimmten Altersgrenzen mehr dürfen wird in diesem umfangreichen großformatigen Bilderbuch auch thematisiert – leider ist Österreich insofern nicht berücksichtigt, als hier schon ab 16 – nicht erst ab 18 Jahren – gewählt werden darf.
Dass es bei Menschen-(Gruppen) nicht immer um Unterschiede geht oder die ins Zentrum gerückt werden sollen, kommt immer wieder so „nebenbei“ bei Fiske heraus. Erstens finden sich in den meisten Szenen ganz unterschiedliche sowohl Kinder als auch Erwachsene und zweitens auch zwischen den verschiedenen Alterskategorien setzt das Buch immer wieder auf Gemeinsamkeiten – siehe Beispiele auf der oben abgebildeten Doppelseite. „Erwachsene habend die gleichen Gefühle wie Kinder, sie haben sie nur schon oft erlebt.“ Womit sie sich (vielleicht) leichter tun, damit umzugehen 😉
„Oma, wie ist das, alt zu sein?“, fragt das sehr junge Kind, das irgendwie eingeklemmt zwischen Ellenbogen und Schulter getragen wird. Nicht von der Oma, sondern – wahrscheinlich/möglicherweise der Mutter. Die fröhlich dreinschauende, bunte Großmutter auf der gegenüberliegenden Seite dieses Bilderbuchs sagt: „Ach, das ist genauso wie jung sein. Nur ein bisschen anders.“
Die Idee und Texte für „Wie anders ist alt“ stammen von Bettina Obrecht, die bunten – oft mit verschwimmenden Hintergründen – immer wieder auch dazwischen mit skizzenhaften Zeichnungen (als Wünsche einer- und Erinnerungen andererseits?) gemalten Bilder von Julie Völk. Die eingangs beschriebene, erste, Doppelseite hätte vielleicht besser an den Schluss gepasst – als Schlussfolgerung. Nun, so steht die Erkenntnis also am Anfang und es folgen immer wieder parallele Szenen von Gleichheit und dabei doch Anderssein.
Vielleicht noch ein eindrückliches Beispiel: „Wenn du klein bist, ärgerst du dich über alles, was du noch nicht kannst. Wenn du alt bist, ärgerst du dich über alles, was du nicht mehr kannst.“
Ein Bilderbuch zum im Idealfall gemeinsamen Anschauen und Weiter-Erzählen und Philosophieren von Enkelkindern mit Großeltern oder einfach auch Kindern und Älteren und zum Weiterspinnen – an Beispielen, aber auch an anderen Menschengruppen, wo allzu oft die Unterschiede hervorgehoben werden und es natürlich genauso Gemeinsamkeiten gibt.
Nach eine Reihe von wortlosen Bilderbüchern – u.a. „Die Vulkaninsel“ – veröffentlichte der US-amerikanische Kinderbuchautor/-illustrator John Hare wieder eines mit einer geschriebenen Geschichte: „Alfonso geht angeln“.
Die Hauptfigur ist aber kein Fischer, sondern eine Geierschildkröte, die zur Gattung der Alligatorschildkröten zählt. Und ein wenig Krokodilartig sieht er aus der Alfonso (die Art kann übrigens fast einen Meter lang und 100 Kilo schwer werden). Das Besondere an seiner vorwiegenden Ernährung: Er und seinesgleichen legen sich ins Wasser, öffnen den Mund und bewegen ihre Zunge. Die hat Ähnlichkeiten mit einem Wurm – und locken so Fische an. Die schwimmen ins geöffnete Maul. Und schwupp…
Natürlich muss sich in so einer Bilderbuch-Geschichte etwas Ungewöhnliches abspielen. Und dazu hat sich John Hare einfallen lassen, dass ihn der erste Fisch, eine kleine Elritze nicht interessierte – zu mickrig. Aber dann hört er, dass das Fischlein über den großen Wurm staunt und laut denkt, auch Freunde zu holen, um sich da Leckerbissen zu holen. Und die wieder wollten noch weitere holen und…
Knapp bevor Alfonso – übrigens ist sein Name auf dem Buchcover aus Buchstaben gemalt, die alle wie Würmer aussehen – zuschnappen und sich damit den Bauch vollschlagen könnte, vernimmt er wie eines der kleinen Fischlein sagt: „Hört her! Vielleicht sollten wir den ersten Bissen Oma Bertha überlassen. Sie ist dick und langsam, aber vergluckst noch mal, sie hat heute Geburtstag!“
Also wieder einmal: Noch nicht zubeißen, warten auf die fette Beute. Und als die Oma und alle Fischlein sein ganzes Maul füllen, sich Bertha so freut, alle um sich zu haben, und sich den fetten Wurm teilen zu können…
… ist die Schildkröte ganz gerührt… Also frisst er den Schwarm nicht, lässt die Fischlein aber auch nicht von seiner Zunge abbeißen. Die finden einen anderen Wurm, aber…
… Nein, alles sei hier sicher nicht verraten, wenngleich es sich sehr auszahlt, dieses Bilderbuch – selbst wenn du die ganze Geschichte dann schon kennst – sogar mehrmals zu lesen/ vorlesen zu lassen und die Bilder aber schon ganz genau anzuschauen und selbst kleine Details zu entdecken.
Diese Astronomin mit der coolen roten Brille war Fachfrau für den Mond. Aus ihren Beobachtungen auf ihrer Sternwarte kannte sie alle Berge und Krater. Natürlich nur die auf jener Seite, die uns dieser Erd-Begleiter zuwendet – später im Verlauf dieses Bilderbuchs wird sie auch die Rückseite – the dark side – erkunden, weil sie selber auf dem Mond landet.
Aber die Hauptgeschichte des polnischen Künstler:innen-Duos ist die aus dem Titel: „Der Elefant im Mond“. Und das kam so: Eines Abends, als sie wieder einmal ihr Lieblings-Forschungsobjekt ins Visier ihres Fernrohrs nahm, „entdeckte die Astronomin Außergewöhnliches. >Das ist ja nicht zu fassen! Ein Elefant auf dem Mond!<“
Diese Sensation musst verbreitet werden, wobei ihr kaum wer glauben wollte. So lud sie ihrer Kolleg:innen ein, aber ausgerechnet als die durchs Teleskop schauten – nichts. Endlich tauchten die großen Ohren auf… in der Hektik ging der vielen Astronom:innen ging allerdings das Fernrohr zu Bruch. Außerdem glaubten sie ihr dennoch nicht, lachten sie aus und verspotteten sie.
Doch die Wissenschafterin ließ sich nicht beirren, von ihrer ersten Erkenntnis abbringen. Dafür kaufte sie nicht ein neues Fernrohr, sondern baute eine Rakete, sie wollte vor Ort selber nachschauen…
Natürlich – es handelt sich ja um eine ausgedachte Geschichte mit wunderbaren sehr graphisch gezeichneten Bildern – landet sie auch auf ihrem Zielobjekt und trifft den Elefanten. Einen ungewöhnlichen noch dazu, denn er entpuppt sich als Sammler – aller möglichen Dinge, die Menschen auf der Erde verschwenden – Wasser in einem See, Lebensmittel in einer riesigen Vorratskammer und Regale mit Schachteln voller nicht gehaltener Versprechen und Gläsern vergeudeter Zeit sowie – vielleicht am traurigsten – „verkümmerter Talente“.
Die Forscherin blieb sehr lange und – siehe die Andeutung im ersten Absatz…
Auch wenn es in echt auf dem Mond kein Leben gibt, so macht das fantasievolle Bilderbuch doch Mut, Entdeckungen und Ideen zu Erfindungen nicht (gleich) aufzugeben, wenn alle anderen dir nicht glauben, dich sogar dafür verspotten. So ging’s in Wahrheit so manchen Erfinder:innen und Wissenschafter:innen auch im wirklichen Leben, deren Leistung nicht selten erst nach ihrem Tod gewürdigt worden. Ein solchen verkanntes Genie war beispielsweise Nicolai Tesla, der den Wechselstrom erforschte.
„Kracks“ machte es als sich der kleine Fuchs langsam anschleichen wollte. Er war auf ein trockenes Asterl gereten, nein eher getapst. Denn dieser kleine Fuchs, den sich die Autorin Anu Stohner ausgedacht und Henrike Wilson in Bildern lebendig werden ließ, ist ziemlich Tollpatschig.
Mal stolpert er über Maulwurfshügel, dann bleibt er in Dornenhecken hängen und ein anderes Mal – genau, da knickt er lautstark Holzstückchen. Und erschreckt damit allerlei andere Tiere im Wald, die meinen, es drohe Gefahr. Von ihm dich nicht, dem kleinen Fuchs. Der entschuldigt sich auch noch für seine Missgeschicke. „Das war doch nicht mit Absicht“, heißt das Bilderbuch der beiden schon genannten Künstlerinnen.
Und wie natürlich auch so ein Bilderbuch einen dramatischen Höhepunkt braucht, so beginnt der damit, dass der Fuchs einmal als er stolpert gegen etwas Großes, Weiches tuscht. Und das ist ein Bär. Ein sogar eher unangenehmer Zeitgenosse.
Könnte also ganz schön gefährlich werden. Schaut anfangs auch so aus. Aber natürlich endet auch diese Bilderbuchgeschichte glücklich. Dabei hilft dem Fuchs sogar seine Tollpatschigkeit – wie genau? Nein, nix wird da gespoilert.
Ein Blick, der verliebt sein könnte eines kleinen Schweinchens in Richtung eines über ihm flatternden Schmetterlings ziert die Innenseite mit der Titelschrift „vielleicht“. Die beiden kommen in diesem Bilderbuch mit dem Untertitel „Eine Geschichte über die unendliche vielen Begabungen in jedem von uns“ auf vielen weiteren Doppelseiten vor. Im Zentrum aber steht, sitzt, klettert und vieles mehr eine kindliche Figur mit einer Art Haube aus Laubblättern. Die wirken als könnten sie Federn sein. Ein – auf dem Buchcover sogar golden glänzender Vogelschnabel über der Stirn des menschlichen Gesichts lädt schon symbolisch zu Gedanken- und Höhenflügen ein.
Knappe, punktgenaue Sätze und Fragen von Kobi Yamada (übersetzt von Gerda M. Pum) begleiten die Bilder von Gabriella Barouch. Den Auftakt macht: „Hast du dich jemals gefragt, warum du hier bist?“
Solltest du Zweifel hegen, dann beruhigen dich Autor und Illustratorin: „Du bist du. So jemanden wie dich hat es noch nie gegeben und wird es ach auch nie mehr geben. In dir steckt so viel.“
Die 21 Doppelseiten bestärken nicht nur dich, sondern besonders alle Erwachsenen in deinem Umfeld, dich so zu akzeptieren, wie du bist: Und dir selber alles aber auch wirklich alles zuzutrauen.
Dieses Bilderbuch ist ein wunderbares Gegenbeispiel zu einschränkenden oder gar demütigenden (Groß-)Eltern oder Pädagog:innen-Sager, dass du nicht diesen oder jenen Anforderungen entsprechen könntest oder dir deine Ziele, Wünsche. Träume „aus dem Kopf schlagen“ mögest.
Bevor die Geschichte noch beginnt, findest du auf den sogenannten Vorsatzseiten (erste innere Doppelseite) handgezeichnete Skizzen von einem Elefanten, einem Affen, einem Krokodil und weiteren Tieren – und vergrößerte Details, etwa vom Rüssel-Anfang (oder Ende), das weit aufgerissene Maul des brüllenden Affen…
Die alle – und noch einige – kommen vor. Und das in Darkos Zimmer. Dabei liegt dieses im achten Stück eines der Häuser, die in den Himmel wachsen.
Und das kam so: Darko wollte eigentlich runter und rausgehen, um einen Regenwurm – oder mehrere – zu fangen. Nix da, sagt die Mutter zum jungen Tierforscher, weil es draußen fürchterlich schüttet.
Das ärgert Darko sehr, vor lauter Wut schmeißt er sein bebildertes Tierlexikon aus dem Fenster, bastelt sich mit einem Ast und einer langen Schnur eine Angel. So will er trotz alledem einen Regenwurm eben fangen.
Natürlich klappt das nicht auf Anhieb. Dafür fliegt ein kleiner Pelikan in Darkos Zimmer, gibt ihm Tipps, besser zu zielen. Doch … stattdessen klettert ein Brüllaffe ins Zimmer. Auch er will beim Angeln helfen. Und … – Autor Jonny Bauer und Illustrator Stephan Lomp setzen in „Fang – Eine Tiergeschichte aus dem achten Stock“ der Fantasie keine Grenzen. Doppelseite für Doppelseite taucht ein weiteres Tier auf. Genau, auch der schon oben erwähnte Elefant. Der ist übrigens blau.
Und? Fängt Darko irgendwann einen Regenwurm?
Das wird hier sicher nicht verraten 😉
Welcher Hut steht dir gut? Wobei in Hut mehr steckt als „nur“ eine Kopfbedeckung, gibt es doch „behütet“ im Sinn von beschützt. Neuerdings wird sich die Bedeutung erweitern, denn kürzlich ist ein Bilderbuch (nicht nur) für Kinder erschienen, das Hüten weiter auflädt. Tessa Sima hat mit ihrem ersten, im März 2023 veröffentlicht: „Wär‘ Verantwortung ein Hut“ spielt mit dem Gedanken, ob und welche Verantwortung zu wem passt, zu Gesicht steht und vieles mehr.
So findest du auf einer Seite zwei gemalte Figuren – alle mit speziellen Buntstiften, die fast wie Ölkreiden wirken –, die ihre Hüte, sprich ihre Verantwortungen tauschen, weil sie aus ihren zuvor getragenen schnell rausgewachsen sind. Die Seite daneben könnte eine Art Vorgeschichte darstellen. Die eine Figur (blau) wird niedergedrückt, geht auf allen Vieren, während die zweite (gelb) federnden Schrittes fast dahinschwebt. Bild-Unterschrift: „Dieselbe Verantwortung ist für mich unerträglich, aber für dich federleicht.“
Übrigens: Vor dem „aber“ ist ein Wort kräftig vielfach durchgestrichen – so wie an vielen Stellen des handschriftlichen Textes quer über das ganze Buch. „Wenn Fehler passieren, dann will ich die auch herzeigen“, sagt die Illustratorin und Autorin im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr in ihrer Atelier-Wohnung – mehr dazu und über ihre Arbeit und sie selbst in einem eigenen Interview – am Ende dieses Beitrages verlinkt. Nur eins noch zu den durchgestrichenen Wörtern bzw. Buchstaben gleich hier: „Außerdem schaut‘s auch lustig aus.“
Nicht immer muss große Verantwortung mit einem ebensolchen Hut einhergehen, manchmal drückt sich diese auch in einer kleinen Kopfbedeckung aus, andere können oder wollen viele Verantwortungen übernehmen – Tessa Sima lässt die entsprechende Person mit vielen Hüten jonglieren. Nicht alle Figuren tragen sie/ihn (die Verantwortung/den Hut) nur für sich, manche der Figuren kümmern sich sozusagen um Natur, andere verteilen die Last(en) und tragen gemeinsame einen Hut.
Neben den großen, Seiten-füllenden Bildern lässt Sima noch von der ersten, der Vorsatz-Seite weg eine kleine fast zu übersehende Taube mitspielen. Die findet eine Scheibe Toastbrot, die sie sich – einmal umgeblättert – auf den Kopf setzt 😉 Um auf der vorletzten Doppelseite, der knallbuntesten, wieder – unbe-hütet – aufzutauchen.
In einem weiteren Bild – einem, das sich über eine Doppelseite des querformatigen Buches erstreckt, wird Verantwortung über Generationen weitergegeben – übrigens sieben. Auf diese Zahl sei gekommen, berichtet die Autorin und Illustratorin, weil ihre Mama, eine klinische Psychologin, erzählt habe, dass (seelische) Traumata mitunter bis zu sieben Generationen „vererbt“ werden, also weiterwirken. Bei der Recherche im Internet wird diese 7-Generationen-Folge übrigens mehrfach im Zusammenhang mit indigener Medizin bzw. Schamanismus genannt.
Vielleicht kommt daher auch, dass indigene Völker, die enger mit der Natur verbunden sind und Menschen als viel integraleren Teil der Welt, des Universums sehen, mehr darauf geachtet wird, was ihre heute gesetzten Maßnahmen in der Zukunft bedeuten (könnten).
So berichtete Felix Finkbeiner, der im Alter von zehn Jahren (2007) die längst weltweit aktive Initiative „Plant fort he Planet“ (Pflanzen für den Planeten) gegründet hat, weil Bäume DIE Maschinen gegen den Klimawandel sind, vor rund zehn Jahren von einem Treffen mit Chief Shaw, einem Häuptling eines First-Nation-Stammes in Nordamerika: Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, muss der Ältestenrat immer prüfen, ob das was sie beschließen auch noch für die Menschen in der siebenten Generation (!) gut sein würde!
Wie Tessa Sima Verantwortung mit Hüten verband – ursprünglich hatte sie im Sinne von Last an Steine gedacht – und über verschiedene Auslandsaufenthalte erzählt sie in dem oben schon erwähnten ausführlichen Interview – zu dem geht es in einem Link am Ende dieses Beitrages.
Kinder-Kurier -> Dixi-Kinderliteraturpreise u.a. für Tessa Sima
Kinder-KURIER -> kinder-pflanzten-baeume-fuer-klimaschutz
Ostern steht sozusagen vor der Tür. Doch die Geschichte beginnt schon wenigstens ein bisschen früher. Klein Häschen hat noch viel zu tun, bereitet Farbtöpfe und Pinseln vor und … Bevor es Eier zu bemalen beginnt, läuft Osterhäschen erst einmal in den Wald, um den Tieren „vom Läuten der Osterglocken zu erzählen“. Und sieht ein kleines blaues Ei.
Soweit der Inhalt der ersten paar Seiten des Bilderbuchs „Das blaue Ei“. Mit diesem schon gefärbten Ei macht sich der Hase zurück nach zu Hause, um sein Werk zu beginnen. Gleichzeitig herrscht im Wald große Aufregung, denn die Singdrossel vermisst eines ihrer Eier – deren Schale tatsächlich bläulich gefärbt sind.
Die Aufregung spricht sich bis zum kleinen Osterhasen durch, der das aber sicher nicht hergeben möchte… Aber natürlich kommt es zu einem Gesinnungswandel, Häschen kann gar nicht richtig einschlafen und entschließt sich zur Rückgabe des Fundes – was auch mit Schwierigkeiten verbunden ist – muss er doch die richtigen Vögel finden und dann noch auf einen Baum klettern, mit einem Ei in den Pfoten noch dazu…
Aber wie kommt Osterhäschen nun zu Eiern – solche will er ja zum Fest verstecken. Es nimmt sich ein Beispiel am Vögelchen, setzt sich hin und presst. „Einmal presst es noch und dreht sich dann erwartungsvoll um. Es reibt seine Augen und mustert sein Werk: Die kleinen, braunen Böhnchen riechen zwar nicht besonders gut, aber eine schöne Form haben sie schon mal. Vielleicht sind sie etwas klein… „Ich hab‘s!“, ruft das Hasenkind und …“
Nein, natürlich verschenkt Osterhäschen keine „Bemmerl“, wie im ostösterreichischen Dialekt seine Verdauungsprodukte heißen. Aber das bringt das junge Osterhaserl auf die Idee was nur in der Form Ähnliches zu fabrizieren: Schokolade schmelzen lassen, in Nussschalen gießen lassen und die dann hart gewordenen Hälften mit Zuckerguss zusammenkleben: Schoko-Eier!
Dieses Bilderbuch hat aber noch einen ganz anderen Anfang, den die Autorin Katharina Bacher in ihrer Medieninformation so beschreibt: „Als vegan lebende Autorin war es für mich besonders schön, eine vegane Osterhasengeschichte gemeinsam mit der Verlegerin Moïra Himmelsbach auszuarbeiten und diese mit der griechischen Künstlerin Theda Mimilaki zu verwirklichen.“
Vor Weihnachten des Vorvorjahres (2021) hatte die Chefin des „veganen Kinderbuchverlags Next Level“ die Idee zu einem Osterbuch. „Von der ersten Idee zum fertigen Buch gab es allerdings unzählige verschiedene Versionen, bis uns klar war, was wir mit dieser Geschichte aussagen wollten: Ein schönes Fest kann gefeiert werden, ohne einem (anderen) Tier seine Eier wegzunehmen. All das wollten wir in eine freudvolle Geschichte verpacken“, so schreibt Bacher.
Und auf KiJuKU-Nachfrage, was einen veganen Verlag auszeichnet, schreibt die Autorin zurück: „Beim herkömmlichen Drucken werden tierische Inhaltsstoffe hergenommen, die bei unseren Büchern eben nicht verwendet werden. Kleber, Leim, Papier, Farben, ja sogar Klammern (die durch tierisches Öl gezogen werden) sind bei uns also vegan – und die Bücher dadurch auch mit dem V-Label-zertifiziert.“
Bleibt nur noch: Es muss sich um vegane – also jedenfalls keine Milch-Schokolade handeln. Und die Frage, ob nicht Hasen, die so viele Schoko-Eier zubereiten müssen, zu viel Stress zugemutet wird 😉
Ein Buch – von zwei Seiten zu lesen und anzuschauen. „Vertragt euch“ hat zwei Titelseiten – einmal sind die beiden Wörter rot, im anderen Fall blau unterlegt. Beim folgenden Untertitel „Zwei kleine Bären schlichten einen großen Streit“ ist das genau andersrum.
Bei den einen ist Jaro, bei den anderen Juli die Hauptfigur. Beides sind Bärenkinder, die mit ihren Familien und Freund:innen an den gegenüberliegenden Ufern eines Flusses leben. Glücklich und zufrieden. Bis sich die Anzahl der Fische, die sie im Fluss fangen, verringert.
Ab dann wird gehetzt. Schuld sind die da „drüben“. Bei Jaros Bären behaupten sie, die anderen hätten Stinkwarzen am Po. Am gegenüberliegenden Fluss lernt Juli, die anderen hätten sitze Hörner. Hass wird gesät, die Idee, Zäune zu bauen entsteht…
Katja Reider und Almud Kunert erzählen – die eine in Texten, die andere in Bildern – zunächst auf je sieben Doppelseiten einmal von vorne, dann das Buch gewendet von hinten, was sich wie bei Jaro bzw. Juli und ihren Mit-Bär:innen abspielt. Wobei du auch genau umgekehrt anfangen kannst; mit Ausnahme vom Strichcode und den Preisinformationen sind auch die Titelseiten gleich – nur mit der anderen Farb-Unterlegung wie eingangs beschrieben.
Beide Kinder kommen mit ihrem jeweiligen Floß in einen Sturm, landen auf der gegenüberliegenden Seite – und kommen drauf – ja worauf wohl? Genau, und aus dieser Erkenntnis, die andern sind gar nicht so, wie ihnen die Alten einreden wollen, kommen sie zum Schluss, sie wollen die Verfeindeten wieder versöhnen. Happy End in der Mitte des Bilderbuchs.
Erinnert stark am Mira Lobes und Susi Weigels Klassiker „Die Geggis“, nur dass diese dort erst im Gerangel draufkommen, dass die einen nicht stinken und die anderen gar nicht blöd sind.
Aribute hat Geburtstag. Das Fest wird alles andere als was so umgangssprachlich als „Kindergeburtstag“ bezeichnet wird, das dann immer für eine recht leichte Aufgabe steht. Zwar kommen all die anderen Monster – Aribute ist auch ein solches, gekennzeichnet durch eine goldenen Papierkrone – mit kleinen und größeren Geschenken, alles ist für die Party bereit, sogar die Eltern haben sich zurückgezogen.
„Der schreckliche Knut, die wilde Gruseluch und das giftige Wurmel“ sind schon mit ihren Packerln angekommen, fragen nach der duftenden Torte. Da kommt „der fürchterliche Rapippe“ und schleppt eine große Holzkiste an. Die trägt er auf dem Kopf, sie verstellt ihm die Sicht, ungeschickt – und unabsichtlich – tritt er auf den langen, dünnen Schwanz von Wurmel und – holter di polter ein Schmerzensschrei, hinfallen, übereinander purzeln, das reinste Chaos.
Natürlich findet die Autorin und Illustratorin in Personalunion, Helga Bansch, wie in vielen ihrer Bücher eine friedliche Lösung, die sich so gar nicht aufs Erste aufdrängt. Schließlich will sie ja eine Geschichte in Worten und Bildern erzählen.
Wie aber aus dem missglückten Beginn des Geburtstagsfests der Monsterkinder eine mehr als gelungene Party wird – nun, das sei hier jetzt wirklich nicht verraten; genauso wenig wie die Geschenke, die die anderen Monsterkinder mitgebracht haben – nur so viel: Die reimen sich auf ihre jeweiligen Vornamen
Im Sachbilderbuch „Schau wie schlau“ ging die Autorin menschlichen Erfindungen nach (Illustrationen Kukas Vogl, Tyrolia Verlag), die diese sich von Tieren abgeschaut haben (Bionik). Im Jahr darauf dachte sich Melanie Laibl fast ein umgekehrtes Szenario aus. Ein Glitzerding landet mitten im Wald. Eine – eh kloar – Elster ist völlig spitz darauf.
Du weiß natürlich spätestens auf der zweiten Doppelseite von „Superglitzer“, dass es sich um das handelt, was wir Handy nennen. Zu dem angeblich auf glänzende und glitzernde Dinge abfahrenden Vogel gesellt sich hier ein neugieriger Fuchs – knallig, fast neonrosa gezeichnet von Nele Brönner.
Die Geschichte beginnt nicht nur schräg, sie wird immer ver-rückter als noch weitere Tiere auftauchen, rätseln, worum es sich bei dem Ding handeln könnte. Es plötzlich „Kuck Kuck Kuck“ zu „rufen“ und später zu „schauen“ beginnt. Die zu Hilfe gerufenen Ameisen – damit sie es transportieren sollen – wissen angeblich alles. Und stoßen auch die Frage an, darf die Elster, nur weil sie „Superglitzer“ gefunden hat, dieses auch behalten.
Vielleicht werden aber auch Diskussionen oder Weiterspinnen angeregt, ob – siehe Beginn des Beitrages – umgekehrt auch Tiere etwas von menschlichen Erfindungen lernen können oder die für die Natur weniger brauchbar sind, sogar eher das Gegenteil?
Übrigens: So wie „Schau wie Schlau“ ausgezeichnet worden ist, so bekam „Superglitzer“ kürzlich einen der vier Österreichischen Kinder- und Jugendbuch-Hauptpreise.
„Ich bin aber noch nicht müde!“, „Ich kann gar nicht einschlafen!“ – Auf den so oder ähnlich gesagten Satz eines Kindes kommt nicht selten die elterliche Anregung, sich Schäfchen vorzustellen und sie zu zählen, beispielsweise wenn sie über einen Zaun springen.
Wie aber ist dies nur für Schafe, bzw. Lämmer wie die Kinder der wolligen Verbeiner genannt werden?
Lucy Ruth Cummins hat sich dazu eine Geschichte ausgedacht, die Pete Oswald gezeichnet hat – „Schlaf Schaf“ heißt das Bilderbuch das daraus entstanden ist; das heißt vielmehr heißt es im US-amerikanischen Original „Sleepy Sheepy“ (Übersetzung Gerda M. Pum). Quietschmunter turnt und spielt Klein-Schäfchen und in großen Buchstaben sehen wir: „war nicht müde!“ – und das über viele Doppelseiten hinweg mehrmals. „Null Bock“ sich nach der elterlichen Vorgabe und einer Uhrzeit zu halten, die Schlafenszeit anzeigte.
Was natürlich nicht so bleibt, denn irgendwann wird auch einmal ein kleines energiegeladenes Schaf müü…, wenigstens ein bisschen 😉
Spaziert ein Kreis mit Gesicht und bunten kurzen Haaren durch die „Süße Straße“… Nein, so beginnt kein Witz, sondern dieses Bilderbuch. Der Kreis ist nicht nur ein solcher, sondern wie schon der Titel und die Illustration auf dem Buchcover nahelegt, auf dem der Kreis einen Bleistift in einer Hand hält, ein Keks.
Dieser Keks – dem Bilderbuchtitel zufolge noch dazu ein kluger – war nicht immer schlau. Oder eigentlich schon. Nur hat er’s nicht geglaubt.
Wie es dazu kam, dass er weniger verunsichert, mutiger geworden ist und Selbstvertrauen gewonnen hat, – das erzählen Autor Jory John (Übersetzung: Luise Richter) und Illustrator Pete Oswald auf den drei Dutzend bunt bebilderten Seiten. Die Welt ist sozusagen eine Bäckerei. Unser Keks hält alle für viel schlauer, weil sie in der Schule in einem Lebkuchenhaus viel schneller die Fragen von Lehrerin Biscotti beantworten konnten. Manchmal wusste Keks es, war aber mit seinen Gedanken ganz woanders – verträumt fantasierte sich die Hauptfigur in ganz andere Szenarien.
Und genau das kam Keks zugute als die Lehrerin die neueste Aufgabe verteilte: „Ich möchte, dass ihr heute Abend etwas erschafft, das total einzigartig ist… Bitte bringt es morgen mit in den Unterricht.“
Und damit die Geschichte nicht so schnell zu Ende geht, lässt das Duo von „Der kluge Keks“ den Protagonisten mit einigem, das er erschaffen möchte, vorerst noch scheitern. Doch dann… – ja dann fiel Keks ein, ein Gedicht zu verfassen: „Meine krümeligen Tage“.
Noch hatte Keks richtig Angst, als Frau Biscotti ihn bat, sein Gedicht vorzutragen. „Schluck!“ Ich seufzte. Ich dachte, ich würde wahrscheinlich unter dem ganzen Druck zerkrümeln.“
War natürlich nicht so, schließlich neigt das Bilderbuch sich schon seinem Ende zu. Applaus. Erfolg. Selbstvertrauen. „Schule war danach ein bisschen anders.“ Davor gab’s sozusagen eher immer wieder „Brösel“ – wie ein Wiener Dialektausdruck für Wickel, Zoff, Streit heißt. Solchen hatte Keks mit sich selbst. Und drohte daran soagr zu zerbröseln.
Ein wahrhaftes „Lehr“-Buch – vor allem für Lehrer:innen. Aber auch du kannst daraus Mut schöpfen, solltest du dich fühlen wie Keks zu Beginn. Denn sicher findest auch du etwas, worin du gut bist! Oder wie es in diesem Bilderbuch auf der vorvorletzten Seite heißt: „Du musst nicht die Antwort auf jede Frage haben oder plötzlich perfekt in allem sein. Du brauchst nur eine Chance, alle möglichen Dinge auszuprobieren, um herauszufinden, wer du bist und was du gerne machst.“
Auch wenn diese Gebrauchsanleitung fast ein bisschen zu zeigefingermäßig daherkommmt – denn darauf wärest du bei dieser Bilderbuchgeschichte sicher selber draufgekommen 😉
Ein kleines, von innen heraus leuchtendes weißes Figürchen namens Danko, das vielleicht aus Glas sein könnte, ein pinkfarbener Hund, der wirkt als wäre er aus einer langen Luftballonschlange geformt worden (Fabian) und das aus bemaltem Papier gefaltete Vögelchen Sirka sind die Hauptfiguren in dem Bilderbuch „Als der Krieg nach Rondo kam“.
Ihre Heimat ist – wie der Name nahelegt – kreis- oder auch kugelrund und bunt. Viele Pflanzen, sogar solche, die in einem Gewächshaus fröhlich singen, kennzeichnen die Landschaft dieser Stadt. Sirka, das Vögelchen, zieht es in die weite Welt hinaus und bringt für seine Freund:innen viele Geschichten mit.
Die jüngsten Erzählungen Sirkas sind – niederschmetternd. Die nächste Doppelseite grau bis schwarz, düster, Panzer rollen und eine furchterregende Schrift: „Der Krieg kommt in die Stadt“. Obwohl klein, zart und zerbrechlich versuchte das Trio sich dem Ungeheuer entgegenzustellen, mit ihm zu reden, doch „ein Stein traf Danko in der Brust, genau da, wo sein Herz war, und sein Körper überzog sich mit Rissen. Feuerfunken flogen gegen Sirka, und die Ränder ihrer Papierflügel verbrannten. Direkt vor Fabian wuchs eine schwarze Blume und durchbohrte seinen Fuß. Der Krieg verschonte niemanden“.
Nun versuchten die drei Freund:innen mit gleicher Münze heimzuzahlen, mit Steinen und Nägeln auf den Krieg zu schießen… Das beeindruckte diesen genau gar nicht. Da hatte Danko eine Idee: Er ging zum Gewächshaus, strahlte die letzten noch nicht verwelkten Blumen mit der Lampe seines Fahrrades an. Die Pflanzen reckten und streckten sich, wuchsen schnell und als Danko kräftig in die Pedale trat, um das Licht ja nicht ausgehen zu lassen immer höher und stärker. Und als ein Lichtstrahl auf den Krieg fiel, erstarrte der kurz.
„Plötzlich ging Danko ein Licht auf: Der Krieg bekam Angst, weil er und die Blumen trotz allem gesungen hatten, weil selbst der kleinste Lichtstrahl die Dunkelheit vertreiben konnte…“
„Als der Krieg nach Rondo kam von Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ist bereits 2015 in der Ukraine erschienen. Obwohl als Reaktion auf den ein Jahr zuvor begonnen Krieg Russlands – Krim und Ostukraine – „handelt es nicht vom Krieg in der Ukraine“, sagen die beiden Künstler:innen in einem Interview, das auszugsweise übersetzt vom Gerstenberg Verlag veröffentlicht wurde. „Es geht um Krieg als Volkskrankheit der Welt. Es sagt Kindern, wie wichtig es ist, keine Angst zu haben, stark zu bleiben, mit Freunden und deinem eigenen Volk zusammenzubleiben und die Hoffnung zu bewahren.“
Bewussten haben sie die drei Hauptfiguren – so weiter in dem Interview – „aus empfindlichen Materialien gefertigt. Es ist leicht, sie zu verletzten – ihre Welt zu zerstören“.
Darin erläutern sie auch ihr Farbkonzept: „Es beginnt mit hellen Farben, mit viel Licht, zeigt das friedliche Leben der Stadt… Dann ändert es sich unerwartet; die Farben werden dunkler; das Licht ist ausgeschaltet. Wir haben sogar weißen Text diagonal auf dunklen Hintergründen platziert, um das Lesen unbequem zu machen, so wie der Krieg unser Leben unbequem macht.
Und am Ende des Buches, wenn der Krieg vorbei ist, kehrt das Licht zurück. Hell und dunkel sind hier die Hauptsymbole; die Dunkelheit des Krieges wird durch das Licht besiegt, das von der Bevölkerung von Rondo erzeugt wird. Das Licht ist ein Symbol für Bildung, Kultur und gute Ideen.“
Neue Kinder in der Klasse. Solche für die Deutsch völlig neu und fremd, mitunter sogar die dritte oder vierte Sprache ist. Die noch dazu mit schweren unsichtbaren Rucksäcken gekommen sind, weil sie vielleicht Krieg erlebt, Verwandte und Freund:innen verloren oder zumindestens verlassen musste und nur ganz wenig mitnehmen konnten. Zwar in Sicherheit, aber nicht immer auch nur nett und freundlich aufgenommen – Sorgen, Nöte, Ängste…
Vielleicht kommt’s sogar zu Missverständnissen beim Versuch von Kindern sich an die neuen Mitschüler:innen in der Klasse anzunähern.
Das sind die Hintergründe für einige der Geschichten in „Bunte Hände – Geschichten über das Zusammenfinden“ des bekannten Viel- und Schnellschreibers Thomas Brezina. In der ersten Geschichte, die letztlich auch zum Titel des ganzen rund 170-seitigen Buches wurde, ist der Ausgangspunkt ein Klassenchor. Das Lied, das sich die Lehrerin ausgedacht hat, finden viele Kinder fad. Langweilig finden viele auch ihre neuen Mitschüler:innen Anastasia und Nazar. Natürlich gibt’s einen Wendepunkt – beim gemeinsamen Malen – und wie? Na, das legt schon der Titel nahe.
Der Autor stellte sein jüngstes Buch – von rund 600 Werken – küzrlich in einer Wiener Volksschule vor, wo er die Schüler:innen der 4. Klasse zum Mitdenken und -machen bei einer der Geschichten einlud. Zum Bericht über diese Aktion in der VS Kleistgasse (Wien-Landstraße) geht es hier im Link unten.
Streits und sogar Raufereien sind der Ausgangspunkt für Direktor Grübchen in der zweiten Geschichte. „Das Kochfest“ lässt auch schon erahnen, was sich der Schulleiter für einen wichtigen Schritt zum Miteinander überlegt hat.
In der dritten Geschichte haben Samira einer- und Tim andererseits jeweils ein Geheimnis vor allen (anderen) Kindern in der Klasse. Nur du als Leserin/Leser kennst Basima und Rexi, die Puppe und den plüschigen Saurier von Anfang an. Auch da ist die Annäherung keine glatte, einfache Sache. Wie in Wirklichkeit – und für eine Geschichte braucht’s erst recht einen Spannungsbogen.
Die vierte Geschichte geht das Über-Thema wenige offensichtlich an und erinnert stärker noch fast an Brezinas mitunter sehr fantasievolle Krimis. In „Im Turnsaal steht ein Rätseltor“ wirst du selbst in die Story reingezogen, triffst auf einen Adler, ein Pony, einen Tiger und einen Pinguin. Immer wieder bittet der Autor die Leser:innen, sich mal in die Rolle des einen, dann eines der anderen Tiere hineinzudenken und fühlen. Und es geht letztlich darum, vier verschiedene – auf der Welt verstreute – Schlüssel zu finden, um das zugefallene Tor wieder von innen öffnen zu können.
Bunt illustriert sind die vier unterschiedlichen Geschichten alle von Anna-Mariya Rakhmankina, die als Illustratorin und Grafikdesignerin in Wien arbeitet, wohin sie vor drei Jahren aus der Ukraine gekommen ist. Schräges Highlight der Zeichnungen ist vielleicht die zu Brezinas Idee, dass sich der Tiger als Elefant verkleidet, um in den Tempel der grauen Riesen zu gelangen, wo er einen der Schlüssel vermutet. Und „versteckt“ in dieser Verkleidung die Botschaft: Wenn du vorgibst, wer anderer zu sein, kommst du erst recht nicht ans Ziel – der Tiger kann seine Stärken – beispielsweise sich leise anzuschleichen – gar nicht mehr ausspielen. Erst als er die ablegt und auch – wieder – hoch hinaufspringen kann, klappt’s…
Letztlich passt natürlich auch diese Geschichte zum Motto miteinander, denn nur wenn alle vier Schlüssel – von den vier Tieren – gefunden sind…
Seinesgleichen schlafen im Schnitt gut den halben Tag, nicht selten sogar bis zu 18 Stunden. Nur Arlo schaffte es gar nicht und nicht auch nur einzuschlafen. „Das Gras war zu stoppelig, die Erde zu hart. In den Bäumen war es zu laut und in der Wüste zu still…“ Und das sind nur die Sätze auf der dritten Seite, wo Catherine Rayner, die Autorin und Illustratorin, einige der Gründe anführt, die den Löwen am Einschlafen hindern. Es folgen noch fünf weitere Zeilen, die Arlo verunmöglichen, sich auszuruhen.
Sein Jammern und Seufzen hört eine Eule – die beginnt für ihn zu singen – mit Textzeilen, die Arlo in einen Zustand der Entspannung versetzen. Und siehe da, es klappt.
Damit ist die Geschichte (aus dem englischen Original übersetzt von Tatjana Kröll) mit sehr künstlerischen Zeichnungen noch lange nicht zu Ende. Denn in seinem Jubel über den erholsamen Schlaf weckt er die tagsüber schlafende Eule auf. Doch Arlo weiß ja nun, was zu tun ist…
Und vielleicht damit auch Kinder – und Eltern 😉
Püttchen ist die Hauptfigur dieses Bilderbuchs. Ist das die Koseform eines Namens? Nein, das Wesen das über die Seiten flattern will, noch nicht so gut im Fliegen ist und deswegen eher klettert ist ein kleines Engelchen. Das neugierig – mit einem Schuss süßer Frechheit – im Himmel auf Entdeckung und der Frage nachgeht, warum der große, alte, weißhaarige Mann, an dessen Haaren es sich hochhangelt, Gott sein sollte.
„Nun ja … ich bin der, der ich bin. Mich gab es schon immer und mich wird es immer geben“, lässt die Autorin Maite Kelly den „Himmelskönig“ sagen.
So leicht gibt sich Püttchen aber nicht zufrieden und fragt zweifelnd „Dich gab’s schon immer?“
Die Antwort des alten Herren, den sich Menschen – wie andere Götter oder Göttinnen in anderen Religionen irgendwann einmal ausgedacht haben (aber das ist nicht Teil des Buches) – sei nicht verraten – weder in Text- noch in Bildform. Wobei die Doppelseite, in der die Antwort zur Sprache und vor allem zu Bildern kommt, die vielleicht beeindruckendste ist; illustriert wurde das Buch von Joëlle Tourlonias und Robert Scheffner.
Püttchen will aber noch mehr wissen, nicht zuletzt, wie – und warum – es selbst entstanden ist…
Übrigens, wahrscheinlich ist dir das Wort Püttchen vorher noch nie untergekommen. Es wird auch heute nur mehr sehr selten verwendet – im Buch ergibt sich vor allem durch die Bilder, dass du es vielleicht erraten hättest. Wobei du vielleicht vermuten würdest, dass das kleine Englchen so heißen könnte.
Aber nein, die vor allem in der Malerei und Bildhauerei für Engelsfiguren in Kindergestalt verwendete Bezeichnung leitet sich vom italienischen „putto“ (Büblein) ab. Sie wird aber sehr oft auch für geschlechtlich gar nicht zugeordnete Englein verwendet.
„Liebe macht dumm“ – ist die erste Lektion, die der kleine Fuchs vom Dachs lernt, nachdem er zuerst meinte „Liebe muss schön sein!“ als er die beiden Turteltauben auf einem Ast so glücklich und zufrieden sah.
Der Dachs will dem kleinen Fuchs seine These beweisen, nimmt ein Eichel schießt sie in Richtung der verliebten Vögel und triumphiert: „Jeder gescheite Vogel würde wegfliegen…“
Natürlich wendet sich das Blatt und der kleine Fuchs – eine Figur mit der die Autorin Ulrike Motschiunig schon Glück, Mut und andere Gefühle ganz jungen Kindern nahebringen wollte/will – erlebt, dass Liebe zwar verletzen, aber auch ganz schön sein kann. Illustratorin Florence Dailleux „zaubert“ den Tieren die zum Text passenden Gefühle in ihre Gesichter – und auf die Titelseite sogar Glitzer in Schmetterlinge, Blumen und die Buchstaben.
Das Bilderbuch „Wie der kleine Fuchs die Liebe entdeckt“ – vor allem zum Schauen und Vorlesen gedacht – gibt es – via QR-Code auf der Innenseite auch als Hörbuch, gesprochen von Dietmar Wunder.
Zirkus wird (fast) immer mit Unterhaltung, Spaß und Witz verbunden. Doch es eine Reihe von (Bilderbuch-)Geschichten, in denen die eine oder der andere ganz dringend raus will aus der Manege und dem ganzen Rummel. Oder einfach „Nein“ sagt.
In diesem Fall ist es ein superkleines Pferdchen namens Otis, das Vorstellung für Vorstellung aus einer Kanone durch die Luft geschossen wird. Das reicht dem PE-O-En-Üpsilon. Eines Tages beschließt es, eine andere, weitere Flugbahn zu nehmen, um aus dem Zelt hinaus und jenseits des Zauns zu landen. Und dann Freiheit – UND Apfel.
Diesen Traum verwirklicht sich Otis tatsächlich. Nur, wie’s weitergeht nach der Landung, das war nicht eingeplant. Und natürlich folgen Überraschungen. Mit Rückschlägen. Auch frei und selbstständig durchs Leben zu gehen, traben, galoppieren ist nicht nur einfach.
Außerdem braucht’s noch mehr zu einer dann doch rund 90 Seiten starken Geschichte, auch wenn die nicht nur von der Story, sondern mindestens genauso von den kunterbunten Zeichnungen, von denen viele wie Wimmelbilder wirken, lebt. Und natürlich muss es ja noch eine Otilie geben, heißt das comicartige Bilderbuch doch „Otis und Otilie. Ein Pony zum Frühstück“.
Alsdann, diese Otilie ist eine ältere, farbenfrohe Frau, die Tiere allerdings nur in der Pfanne oder möglichst weit weg mag. Und genau dort landet Otis. Wird von ihr – zum Glück nicht verzehrt, aber mehrfach vor die Tür gesetzt.
Was aber – siehe Titel und wie damit zu erwarten war – nicht so bleibt. Schließlich findet Otilie, zu zweit frühstücken ist weniger allein…
Bunt, fröhlich, witzig sind nicht nur die Bilder von Nina Dulleck, sondern auch so manche ihrer Formulierungen, nicht zuletzt die ausgeschriebene Schreibweise für das kleine Pferd – wie sie hier schon im zweiten Absatz verwendet worden ist.
Dieses Bilderbuch hat zwei Hauptfiguren: Mara und Milo. Anfangs kennen sie einander noch gar nicht. Ihr Autor, Nils Pickert widmet die ersten beiden Abschnitte – illustriert von Lena Hesse – der Vorstellung von Mara und Milo.
Erstere ist Seeräuberin. Sie spielt fast nichts anderes, taucht voll in diese Welt ein. Von der Oma hat sie zum fünften Geburtstag sogar einen selber geschnitzten Holzsäbel gekriegt. Wo immer sie einen Überfall plant, versteckt sie erst die Waffe. Meistens will sie von ihrem Vater „Goldtaler“ rauben, köstliche Kartoffelpuffer, die er zubereitet. Ach ja, und sie hat drei Enterhaken – für unterschiedliche Zwecke.
Drei von einem Lieblingsding hat auch Milo, und zwar glitzernde Krönchen – auch für verschiedene Anlässe. Überhaupt steht er auf bunt, glitzer, Röcke, Kleider und vor allem Tanzen.
Natürlich ist von Anfang an klar, dass Autor und Zeichnerin die beiden aufeinander treffen. Das passiert auf Maras Spielplatz, wo ihr liebster Platz ein großes hölzernen Schiff ist. Milo und seine Eltern sind neu in die Gegend gezogen und zum ersten Mal auf diesem Spielplatz, dem Begegnungsort der beiden. Die werden rasch so etwas wie ein Herz und eine Seele, beste Freund:innen.
Und damit ein bisschen Spannung in die Geschichte kommt, braucht’s was (fast) Dramatisches. Mara und ihr Papa verreisen für zwei Wochen. Und das führt bei beiden zu Trübsal, Traurigkeit – „eine schreckliche Vermissung“ steht als eines der wenigen doppelseitigen Bildern zwischen den Textseiten wie sich das für Mara bzw. Milo anfühlt – die über Mara sind übrigens immer himmelblau, jene über Milo lila gedruckt.
Und – wie zu erwarten – lassen Pickert und Hesse es natürlich nicht dabei bleiben. Wiedersehen folgt. Aber da wirkt die „Vermissung“ noch einige Tage nach.
„Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“ ist sozusagen gegen noch immer vorhandene Rollenklischees „gestrickt“. Und eigentlich eine Folge dessen, dass der Autor sich schon lange dafür einsetzt, dass Buben auch Gefühle zeigen dürfen und sollen, unter anderem schreibt er seit Jahren gegen Rollen- und Geschlechter-Schubladen auf der Website pinkstinks mit Sprüchen über die eigenen Anliegen wie „Rosa für alle“ oder „Vielfalt ist schön“.
Berühmt wurde er vor rund zehn Jahren mit einem Foto, das er in sozialen Medien gepostet hatte. Es zeigte einen seiner Söhne und ihn von hinten – der Bub im rosa Kleid, der Vater in einem roten Rock. Der Bub mochte das wohl auch weil er seine ältere Schwester gern hat, die er in solchen Gewändern sah. Als der damals Fünfjährige eines Tages daheim klagte, dass er von anderen ausgelacht worden war, ging Nils Pickert – in einem Rock – mit ihm durch die Stadt. Ein Foto davon postete er. Das erregte Aufsehen. Und deswegen schreib er das Buch „Prinzessinnenjungs“ (Beltz Verlag), in dem er sich umfassend mit Erziehung, Rollenklischees, Frauen- und vor allem Männerbildern auseinandersetzt.
Und dann, so verriet er schon im Interview über dieses Buch – damals noch für den Kinder-KURIER (Links unter dem Beitrag) -, dass ihn der Carlsen-Verlag angesprochen habe, ob er nicht zu diesem Thema auch ein Kinderbuch schreiben wolle. Ja, und das ist eben die Geschichte um Mara und Milo sowie deren Hund Landratte und dessen Lieblingspuppe Lulu geworden.
Übrigens, das angesprochene Foto von Pickert und Sohn war Inspiration für den (Film-)Schauspieler Florian David Fitz, ein Drehbuch zu schreiben. „Oskars Kleid“ (Regie: Hüseyin Tabak) läuft derzeit in den Kinos. Oskar, die Hauptfigur mag gern Kleider und will außerdem Lili genannt werden. Was vor allem den Vater und dessen Männlichkeitsbild (über-)fordert.
Sohn und Vater rock-en gegen Rollenklischees -> Kinder-KURIER
Interview mit Nils Pickert -> Kinder-KURIER
Tiere – früher eine der Attraktionen in Zirkussen -, treten heute ganz selten in Erscheinung. Eingezwängt in enge Käfige die meiste Zeit des Tages, kaum wirklich Auslauf. Und die Dressur-Nummern hatten in der Regel genauso wenig mit artgerechtem Leben von Elefanten, Raubkatzen und anderen Tieren zu tun.
In diesem Bilderbuch ist alles aber ganz anders. Denn hier wird der Zirkus ausschließlich von Tieren bevölkert – in der Manege, hinter den Kulissen und im Publikum sind nur Tiere – gezeichnet von Verena Lichtsinn – zu erleben.
Die such(t)en sich ihre Kunststücke – ob Jonglage, Akrobatik in luftiger Höhe, Gewichtheben oder Gedankenlesen – auch selbst aus. Die Ansagerin ist beispielsweise die bunt bebilderte Katze Dora Doro, übrigens Cousine der drei Doros – Michaela, Frank und Bernd. Alle drei – unterschiedliche Tiere – aus dem Heim, bauen eine tierische Pyramide (siehe Bild ganz oben).
Vielfältig sind nicht nur die vertretenen Tierarten – auf der ersten Innenseite (fast) vollständig aufgelistet, aber du kannst noch das eine oder andere nicht dort aufgezählte Tier in den bunten Bildern finden. So ganz nebenbei treten auch ein (fast) blinder Rehbock (Tarek) auf dem schwingenden Reifen und eine gehörlose Katze (Emma – gemeinsam mit Laya) auf.
Durch das Buch führt Puk, ein Hund, der unter anderem Scheinwerfer bedient und eben viel zu erzählen hat, das ihn Autor Dieter Böge schildern lässt.
Nach der Schule sind alle Kinder zu einer Geburtstagsparty eingeladen. Alle? Nein, Traurig steht Mark zwischen allen anderen, den fröhlichen Kindern. Er dafür als einziger mit buntem Haaren. Nachdem alle beim Fest sind, steht er allein im Park. Doch nicht lange. Auch ein Mädchen mit roter Brille namens Jara ist nicht eingeladen und bald kommt noch der rotblonde Adrian. Und der bringt eine aufs erste für die beiden anderen unverständliche Idee mit. Aber sie machen mit, sie klettern auf einen der Bäume.
Und tauchen im Bilderbuch „Geburtstag ohne mich?“ von Susanna Isern (Text) und Adolfo Serra (Illustration) eine abenteuerliche Geschichte ein, in der viel Wasser, ein Wal und eine Reise in ein fantastisches Dorf mit bunt gewandeten Tieren im Zentrum stehen. Und schon ist die Nicht-Einladung kein Thema mehr.
Im echten Leben wird es wahrscheinlich doch nicht immer reichen, in eine Fantasiegeschichte auszuweichen, um den Schmerz darüber wegzustecken, von den anderen ausgeschlossen zu werden – wie die Autorin, die auch Psychologin ist, auf der letzten Seite den „Wal mit Hut“ sagen lässt.
Ida ist ein Igel – und wird auf der ersten Doppelseite dieses Bilderbuchs von ihrer besten Freundin Pippa, einem Eichhörnchen, aus dem Winterschlaf geweckt. Und schon fragt Ida auf der nächsten Seite, um welchen Spiegel es sich handelt – von einem solche war vorher aber noch gar nicht die Rede. Außer im Titel des Bilderbuchs „Ida und der Zauberspiegel“.
Jedenfalls pilgern alle Tiere zu diesem Zauberding – einfach einem kleinen See der sich aus dem in der Sonne dahingeschmolzenen Schnee gebildet hat. Alle betrachten ihre Spiegelbilder. Manche stolz, andere sind mit dem, was sie da zu sehen kriegen äußerst unzufrieden.
Ihnen hilft Ida – nicht durch nette Worte, sondern einfach, indem sie sich in den Teich fallen lässt, schwimmt, Wellen erzeugt und die anderen zum Nach- und Mitmachen animiert. Pfeif auf die Spiegelbilder, lass uns Spaß beim Plantschen, Schwimmen und Spielen haben!
Kinder lieben Reime. Und sie mögen Tiere. Mit beiden hat Erwin Moser zeit seines schriftstellerischen und zeichnerischen Lebens gearbeitet. Mit echten gezeichneten Tieren und Gedichten, aber auch mit schräg ausgedachten tierischen Protagonist:innen, berühmt etwa seine sprachverspielte Schöpfung vom Erdbären, der gemeinsam Abenteuer erlebt mit einem Eis- und einem Mausbären (1984).
Der Nord-Süd-Verlag hat 2022 eine kleine, handliche Trilogie neu aufgelegt bzw. zusammengestellt (der Autor und Illustrator ist 2017 viel zu früh verstorben), die dich durch den Tag begleiten kann: „Guten Morgen, Herr Kater!“, „Guten Tag, lieber Bär!“ und „Gute Nacht, kleiner Igel!“.
Alle drei drehen sich aber nicht in jeweils einer Geschichte um die Titelgebenden Tiere. Auch die haben nur je eine Seite – in Bild und einer Textzeile – der Reim ergibt sich jeweils aus der gegenüberliegenden Seite unter der Zeichnung eines anderen Tieres. Manchmal sind es Verwandte – etwa verschiedene Vögel, sehr oft, nein eigentlich meistens aber gänzlich unterschiedliche Tiere – verbunden „nur“ durch die beiden Zeilen, die sich reimen. Und damit einen ganzen Kosmos eröffnen können. Und auch anregen können, weit über den eigenen Tellerrand zu schauen.
„Schau dir mal deine Füße an. Eigentlich sind sie recht klein und trotzdem tragen sie doch durch den ganzen Tag … schreibt die Autorin auf der zweiten Doppelseite des Bilderbuchs; auf der ersten, auf der es – das ganze Buch hindurch – um deinen, den menschlichen Körper geht. Dass es auch andere Körper gibt – zeigt dir die erste Doppelseite – ein ausgezeichnetes Zusammenspiel von knappem Text und großen, bunten Bildern, die den Horizont immer wieder ganz schön erweitern.
Sara Schausberger (Text) und Valerie Tiefenbacher (Illustration) haben mit „Muskel, Furz und Superkraft“ ein amüsantes, interessantes Sachbuch schon für sehr junge Kinder (angegeben ab 3 Jahren) zum Schauen, (Vor-)Lesen, und zum Überprüfen anhand des eigenen Körpers geschaffen. Wobei der Furz aus dem Titel im Buch selber dann „nur“ am Rande vorkommt – als eine der Zeichnungen über Töne und Geräusche, die du selbst mit deinem Körper erzeugen kannst 😉
Es finden sich aber auch – textliche und bildlich Anregungen, über das rein Körperliche hinauszu„sehen“ – etwa auf der Doppelseite wo es ums Sehen geht und der Satz steht: „Mach fest die Augen zu … – siehst du das Licht tanzen“. Sozusagen noch eine Superkraft, die der Vorstellung.
Und du findest vielleicht auch die eine oder andere überraschende Information über deinen Körper.
Ach, Superkräfte haben nicht nur unsere kleinen Füße, die uns herumtragen, angesprochen wird auch jene, dass kleine Verletzungen ganz von alleine heilen können – also wirklich super – die Körper der Menschen. Und zwar alle, ohne sie zurechtschnippeln zu müssen/sollen, übrigens auch, wenn bei dem einen oder der anderen manches nicht so funktioniert wie bei den meisten – das wäre ein Aspekt, der dem Buch auch noch gut getan hätte.
Flucht, weil krieg herrscht. Du musst weg. Bist noch sehr jung. Und verstehst sozusagen die Welt um dich herum so gar nicht. Kommst zwar in ein friedliches Land, sogar die Leute rund um dich sind nett. Aber dennoch: Was reden die? Und wie? Ich kann denen nicht einmal sagen, dass ich aufs Klo muss und fragen, wo das ist?
All diese Gefühle kennen sicher viele Kinder, die nicht mehr in ihrem Heimatland leben können. Saoussan Askar, die mit ihrer Familie vor dem Bürgerkrieg im Libanon in Kanada Zuflucht gefunden hatte, schrieb und zeichnete über diese ihre Gefühle. Und über so manche Missverständnisse. Beispielsweise als sie sich noch neu in der Schule über ein Papierskelett erschreckte. Als die Lehrerin versuchte, zu erklären, dass es sich um ein Requisit für ein Theaterstück handelt, herumzuhopsen und -tanzen begann, dachte die junge Saoussan, dass die Lehrerin verrückt geworden sei. Aber natürlich endet alles gut – sie fand sich zurecht – und am Ende des Buches ist zu lesen, dass sie Gesundheitswissenschaften und Soziologie studierte und nach wie vor lesen und Sprachen liebt, sogar neue lernt wie Spanisch und Hebräisch.
Mit sieben Jahren schrieb die Schülerin an den bekannten nordamerikanischen Autor Robert Munsch einen Brief. In dem erzählte sie, dass sie eineinhalb Jahre davon nach Kanada gekommen war, kein Englisch konnte und kannte und ihr deswegen eine Reihe, auch lustiger Dinge, passierten. Jetzt, wo sie schon gut Englisch konnte, habe sie immer wieder aus der Bücherei Lektüre ausgeborgt, darunter einige Bücher von Munsch, die sogar ihren Vater zum Lachen gebracht hatten, als sie ihm diese vorlas. Und sie bat ihn, in ihre Schule zu einer Lesung zu kommen.
Er fragte im Antwortbrief speziell nach den lustigen Dingen, die der Schülerin aufgrund sprachlicher Missverständnisse untergekommen wären. Saoussan Askar konnte sich – so ihre Antwort nicht mehr an alle, jedenfalls aber an jenes Erlebnis mit dem Papierskelett erinnern. Robert Munsch mochte den Briefwechsel (damals Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden oft noch Briefe geschrieben, Internet war noch nicht so verbreitet) so sehr, dass er beschloss, aus der Beschreibung der Erlebnisse des Mädchens ein Buch zu machen. „Saoussan und ich sind beide die Autoren“, schreibt er dem Verlag, und dass auch die Lizenzgebühren geteilt werden.
Der kanadische Verlag engagierte die Illustratorin Rebecca Green – das Bilderbuch „From Far Away“ war geboren. Erstmals 1995 in Kanada erschienen – gibt es seit diesem Jahr eine deutschsprachige Version: „Von weit her“ (Orlanda Verlag), übersetzt von Dützmann – kleine Anmerkung: „Ich konnte endlich genug Deutsch, um Freund*innen zu finden“, wirkt dann doch ein wenig komisch. Damit hätte sich Saoussan Askar in Kanada auch nicht gerade leicht getan.
Aber wie einfühlsam das Buch beschreibt und -zeichnet, wie es – am Beispiel von Saoussan Askar – Kindern in einer solchen Situation geht, kann nicht nur solchen Kindern helfen, sondern auch jenen, die sich gar nicht vorstellen können, wie es Kindern auf und nach der Flucht geht.
Eine Reihe von Büchern versucht, das Image von Tieren die meistens als böse oder gefährlich beschrieben werden, zurecht zu rücken. Wolf ist ein solches Tier, das in den allermeisten Geschichten schlecht wegkommt. Mittlerweile gibt’s eine Reihe von umgeschriebenen oder neu gedichteten Märchen, in denen der Wolf dem wirklichen Vorbild als schlaues, soziales Tier nahekommt.
Auf ziemlich witzige Art und Weise lässt Leo Timmers in ganz wenigen Worten und Sätzen, oft nur Laut-Schreien „Das liebe Krokodil“ in neuem Licht betrachten. Die Schreie wie etwa GRRRRRRR! (7 R sind’s hier) gelten dem Geparden. Ihn versucht das Krokodil in die Flucht zu schlagen. Immerhin haben sich schon drei Tiere auf seinem Rücken aus Angst vor der gefleckten Raubkatze in Sicherheit gebracht.
Aber Halt! Wie geht’s der Echse, wenn sich auch noch das Nashorn ängstlich aufs Krokodil stellt?
Nun, in diesem Bilderbuch mit starken Kartonseiten wird nicht nur das Krokodil zum lieben, schützenden Freund für viele Tiere, sondern auch ein bisschen humorvoll mit Ängsten gespielt.
Wenn du winzigklein wie eine Maus bist, dann wirkt ein ausgewachsener Baum ganz schön riesig. Und „Autsch!“ sieht sich der kleine Titu genötigt zu schreien. Schon wieder ist ihm da was auf den Kopf gefallen.
Den Mäuserich ärgert nicht nur das. Auch Pflaumen (Zwetschgen), die er gesammelt hat, sind auf einmal verschwunden. Wer macht denn so etwas? „Die da oben!“ Aber er sieht Flugzeuge nur noch weiter oben über den Himmel fliegen. So etwas bräuchte er, um da hinauf zu kommen. Oder?
Aus lauer Ärger, weil ihm schon wieder was auf den Kopf gefallen ist, beginnt Titu den Stamm hinauf zu klettern. Ob Marienkäferchen oder Eule – wen auch immer er trifft, schon beschuldigt er das Gegenüber, böse zu sein und ihm Zeugs auf den Kopf geschmissen zu haben. Das weisen die Tiere im Baum nicht nur zurück, sie fragen Titu, ob er glaube, dass sie nichts Besseres zu tun hätten.
Wer’s dann letztlich wirklich war? Und ob Titu es bis ganz hinauf schafft? Neieiein, nicht verraten. Selber „He, ihr da oben“ lesen/ vorlesen lassen und schauen – so „nebenbei“ kannst du entdecken, was sich so in den Ästen eines Baumes finden lässt 😉
Zählen spielt eine große Rollen in diesem Bilderbuch. In der Er-zähl-ung über die Begegnung mit der Angst vorm Fremden, Unbekannten. Etwa. Oder im Tipp, kommt dir ein Gepard nahe, bleib ruhig und fang an, die schwarzen Punkte auf seinem Fell zu zähl-en.
Na, nicht so ganz wirklich. Der Gepard steht hier als Sinnbild für alles – oder wenigstens vieles, das dir Angst bereitet, weil es fremd und gefährlich scheint oder vielleicht auch ist. Schau’s dir genau an – wollen die kurzen, knappen Texte und die üppigen, bunten, farbkräftigen Bilder von Magda Hassan und Raffaela Schöbitz dir sagen. Das tun sie in den kurzen Sätzen auch direkt.
Je mehr du den Gepard und seine Flecken kennen lernst, umso weniger gefährlich kommt dir dieses fremde Wesen vor. Und vielleicht entdeckst du ja sogar auf oder in dir ähnliche Punkte?
Jedenfalls kannst du in diese Bilder richtiggehend versinken. Und am Ende gar mit der beigelegten Papier-Gesichtsmaske zum Ausschneiden selber zur Raubkatze werden 😉
Ach ja, noch ein „zählen“ gibt’s – gleich auf der Titelseite, denn das Bilderbuch heißt: „Was zählt, bist du“.
PS: Wobei Autorin und Illustratorin auch gut und gern auf ihre Geschichte in Bildern und Worten vertrauen hätten können – auch mit etwas weniger „pädagogischer“ Einleitung und Nachwort, wie das buch zu verstehen sei.
„Der Hase frisst Klee,
die Tante trinkt Tee,
im Winter fällt Schnee;
und bald
sehr bald
tut das Knie nimmer weh.“
Einerseits heilen solche Reime nicht ganz wirklich Schmerzen. Andererseits aber doch. Auf Umwegen. Sie lenken die Aufmerksamkeit vom akuten Schmerz weg, entlocken das eine oder andere Schmunzeln. Vielleicht sogar Lachen. Und sie bringen vor allem Zuwendung zum verletzten Kind.
Zumindest sind die Reime von Gerda Anger-Schmidt – und die bunten, oft noch lustigeren, Bilder von Renate Habinger – im Buch „Tut nimmer weh!“ vor allem für Kinder gedacht. Und für Erwachsene, die sie vielleicht vorlesen. Oder das eine oder andere Gedicht auch auswendig gelernt bei passender Gelegenheit – hoffentlich kommen dennoch nicht allzu viele vor – aufsagen (können).
Das Buch ist erstmals schon vor mehr als 30 Jahren (damals im Verlag St. Gabriel, Mödling) erschienen, mehr erhältlich gewesen und nun – im Oktober 2022 – neu gestaltet veröffentlicht worden.
Manche Reime passen nicht mehr ganz so – das mit dem Schnee im Winter gilt in vielen Regionen Österreichs (fast) nicht, andere wären vielleicht zu überdenken – wie im Gedicht „Konrad“ der von Claudia einen Kuss fast erzwingen will. Aber insgesamt versammelt das Buch amüsante kurze und längere Gedichte, die – wenn schon nicht heilen, so doch trösten wie es im Untertitel auch heißt – können. Und gleich das erste erstreckt sich sogar über zwei Doppelseiten – mit Hasen, Ziegen, Kröten, Stieren, Katzen und neben einigen Vögeln kommt sogar noch ein Schwein vor.
„Geboren“ als Missgeschick in der Autofabrik, wurde Fips, die kleine Feuerwehr von den großen Löschfahrzeugen eher geringschätzig belächelt. Eines Tages wurde sie dann doch von einer der Gemeindevorständinnen des Ortes Oberbach gekauft, aber „nur“ als Zugabe zu einem großen Feuerwehrauto. Und so wurde noch immer auf „Fips Feuerwehr“, geschrieben von Michael Engler und gezeichnet von René Amthor, herabgeschaut.
Brannte ein Mistkübel oder war ein Kätzchen zu retten, dann durfte sie ran, aber Großes traute ihr niemand zu. Natürlich haben sich die Macher:innen dieses Bilderbuchs was überlegt, wie das eines Tages anders würde.
Und es wurde. Als dunkle Rauchwolken über dem Ort hingen, weil der Wald in Flammen stand, rückten alle Feuerwehren aus. Der kürzeste und damit schnellste Weg zum Brandort führte über eine kleine, schmale, alte Holzbrücke. Da konnten die dicken, fetten Brummer nicht drüber, aber… genau. Und so wurde Fips, die natürlich auch draufkam, dass sie Wasser aus dem Fluss pumpen könnte, zur Heldin.
Womit das Bilderbuch auch allen Mut machen kann, die sonst als „dafür bist du noch zu klein“ abgekanzelt werden.