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Newroz - kurdisches Neujahrsfest in der Volkshalle des Wiener Rathauses

Frühlingsbeginn bringt Neujahr für rund 300 Millionen Menschen

Aus dem Rathauskeller hinauf zu ebener Erd – in die große Volkshalle des Wiener Rathauses – wanderte in diesem Jahr die traditionelle Feier von Newroz, dem kurdischen Neujahr. Kurdischen Klängen von einem Buzuq-Spieler (Langhals-Laute), zu denen spät aber doch einige der Festgäst:innen zu tanzen begannen, verbreiteten Feststimmung. Kopien gemalter Bilder des Künstlers Doğan unter anderem über die Zerstörung der kurdischen Stadt Nusaybin  durch türkisches Militär, verbreiteten aber auch die nicht-festlichen Hintergründe von Newroz.

Kurd:innen verknüpften das Neujahrsfest zu Frühlingsbeginn seit ewig mit ihrem Kampf gegen Tyrannen und für ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes Leben in Freiheit.

Schmied gegen Tyrann

Der Legende nach soll an diesem Tag im Jahr 612 v. u. Z., also vor 2636 Jahren, ein Schmied namens Kava (Kaveh) sich dem Tyrannen Dehok widersetzt haben. Feuer auf Berggipfeln gaben das Signal zum Aufstand gegen die Willkürherrschaft. Und weil Kurd:innen auch heute noch in den meisten Ländern ihres Siedlungsgebietes (Türkei, Syrien, Irak, Iran, Aserbeidschan…) unterdrückt sind (nur im Irak Autonomie haben), ist für sie auch heute noch Newroz ein Tag des politischen Widerstandes (Anmerkung: dieser Absatz entstammt einem – eigenen – Artikel aus dem Vorjahr, Link unten).

Und so fanden auch die – von der Weltöffentlichkeit kaum beachteten – ständigen Angriffe und Bombardements türkischer Militärs gegen die in demokratischer Selbstverwaltung befreiten Gebiete in Nordsyrien (Rojava), die Inhaftierung demokratisch gewählter Abgeordneter und Bürgermeister:innen in der Türkei, Handshakes westlicher Politiker, auch des Wiener Bürgermeisters mit dem Autokraten Recep Tayyip Erdoğan Eingang in die Reden im Wiener Rathaus – unter anderem von Ewa Dziedzic-Ernst (Menschenrechtssprecherin der Grünen im Nationalrat), Andreas Schieder (EU-Parlamentarier, SPÖ), Walter Baier (Vorsitzender der Europäischen Linken und Spitzenkandidat bei der kommenden EU-Wahl).

Frau – Leben -Freiheit

„Jin îyan, Azadî“ (Frau – Leben – Freiheit), die Demonstrations-Losung, die nach dem Tod der kurdischen Iranerin Jîna Mahsa Amini weltweit bekannt wurde, war und ist schon jahrzehntelang eine Kampfparole in kurdischen Gebieten, wo auch stets bei Wahlen Frauen und Männer gleichberechtigt als Doppelspitze antreten.

300 Millionen Menschen feiern nun Neujahr

Newroz, Nouruz, Nawriz, Nevruz – in den verschiedenen Regionen und Ländern des kurdisch-persischen Kulturbereichs – feiern rund 300 Millionen Menschen mit Beginn des Frühlings auch ihr neues Jahr.

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Bild-Montage aus vier Ausschnitten von Fotos aus Junior-Companies in diesem Beitrag: KU()rsiv, magic mische, Sip N Shot und Pandaccino

Nahrhafte und vitaminreiche Getränke von Schüler:innen-Firmen

So manchen der Jungunternehmer:innen aus Schulen fällt auch immer wieder kreatives für ihren Firmennamen ein. In kleinen papierenen Becherchen – im Gegensatz zu anderen, die auf Kunststoff setzten – bietet KU(H)rsiv naheliegenderweise milchige Getränke an. Trinkbare Joghurts in Sorten, die 10 Jugendliche der HBLA Ursprung (Salzburg), einer berufsbildenden Schule mit Landwirtschafts- und Umwelt-Schwerpunkt, selber kreiiert haben wie Heidelbeer-Ingwer-Zitrone oder Erdbeer-Holunder und andere. Diese Sorten – in Gläsern – gibt es in 15 nahegelegenen Filialen einer großen Supermarktkette zu kaufen. Und am Stand bei der internationalen Handelsmesse der Junior Companies in einem Wiener Einkaufszentrum am letzten Winter-Wochenende (laut Kalender) eben zu verkosten.

Magdalena Mascher, Philipp Schnaitl, David Pfeffer und Johan Brotzge offerieren aber auch kleine Brotstücken mit eigenen Butter-Kreationen – Shiitake-Pilz und Bärlauch, an dem sich wie immer die Geister scheiden – die einen leiben, die anderen hassen diese essbare Grünpflanze.
Regional, biologischer Anbau und obendrein abgefüllt in natürlich wieder verwendbaren Gläsern mit Schraubdeckel – das Achten auf die Umwelt haben die Junior-Company-Mitglieder aus Ursprung auch schriftlich verbreift, „biologisch zertifiziert sind unsere Produkte“, deuten sie auf die Kopie des entsprechenden Zeugnisses an einer der Wände, als Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… auch ihren – wie alle anderen 35 Stände – bei der besagten Messe besucht. Und sie auf die Nachfrage den zweiten Teil des Firmennamens so erklären: „Wir sind neben innovativ und nachhaltig auch schräg!“

KU(H)rsiv räumte bei der Messe den Sales Award ab.

Ingwer-Shots

Von einem ganz anderen schulischen Schwerpunkt kommt „Sip N Shot“ – von der Tourismusschule Am Wilden Kaiser (St. Johann in Tirol).  Langer Schul- oder Arbeitstag – ein Energieschub gefällig? Das war die Grundüberlegung – oder ist es „nur“ die Werbemasche? Wie auch immer, 13 Jugendlichen vom Aufbaulehrgang dieser Schule begannen zu tüfteln und erwählten Ingwer als Basis für erfrischende und höchst gesunde Power-Shots, Getränke in kleinen (Glas-)fläschchen. Außerdem bereiten die Schüler:innen auch noch einen Ingwer-Sirup zu und füllen in ½-liter-Flaschen ab.

Schälen, mixen, pasteurisieren – lässt sich in ihrer Schulküche bewerkstelligen – und mit anderem mischen. So gibt es die Shots mit Beeren, Zimt, Zitrone-Mango sowie als Highlight mit Kurkuma – und das nicht nur Geschmack. Wir verwenden sicher keine künstlichen Aromen, nicht einmal Konservierungsmittel. Wir stellen selbst immer frisch her!“, sagen die fünf Vertreter:innen der 13 Jungunternehmer:innen Sarah, Tobias, Sebastian, Jessica und Lena – alle elegant und doch einladend in schwarzen Hosen und Hemden/Blusen, orangefarbenen Hosenträgern und ebensolchen Mascherln (Fliegen).

Gefriergetrocknet

Auf gefriergetrocknete Früchte setzten zwei Junior Companies bei dieser Verkaufs-Schau. Aus dem Schweizer Aarau reisten Sorin Lababidi und Jakob Hochler an, um „Fruit Aven“ zu vertreten. In ihrem Gymnasium gibt es neben den Schwerpunkten Biologie, Kunst oder Naturwissenschaften auch einen, den die beiden und ihre Kollegen wählten: Wirtschaft und Recht. „Zu acht haben wir dieses Unternehmen gegründet. Wir holen die meisten unserer Früchte bei Bauernhöfen in der Nähe, einen Gutteil machen wir selbst, die Pulverisierung übernimmt eine Stiftung (Töpferhaus), die das Früchtepulver dann auch mit Haferflocken mischt und alles in Papiertüten abfüllt.“

Das vitaminreiche Früchtepulver habe gegenüber frischem Obst den Vorteil, dass es sich lange lagern und gewichtsmäßig leichter transportieren und ideal mit Joghurt mischen lässt. Apfel-Zimt, Beerenmix sowie Banane-Kiwi sind die Sorten, die das Schüler:innen-Unternehmen anbietet. „250 Packungen haben wir, viel davon auch schon verkauft.“

„Magisch“

Ebenfalls Vitaminpulver verkauft die Junior Company „magic mische“ aus dem (Real-)Gymnasium Mössinger in Kärntens Landeshauptstadt Klagenfurt. Ebenfalls acht Schüler:innen – aus unterschiedlichen Klassen dieser AHS – misch(t)en gefriergetrocknetes, pulverisiertes Obst und/oder Gemüse verschiedenster Sorten und damit Geschmäcker mit geriebenem Hafer, Kürbis- oder Sonnenblumen-Kernen mitunter auch Nüssen. Und füllen das Pulver in kleine, handliche Döschen, um damit Müslis, Joghurt oder was auch immer aufzupeppen. „magic mische“ setzt mit dem Marketing-Gag magisch auf Spielkarten als Werbemittel und bei der Präsentation auf Kartentricks. „Unsere Spezialität ist eine Mischung mit von einem Kollegen selbst angebauten Chili“, preisen Gabriel Karner und David Bostijančić „spicy mische“ an.

Süß

„Wegen schwarz wie Kaffee und weiß wie Milch sind wir auf unseren Firmennamen Pandaccino gekommen“, erklärt Sina Spitzer Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Gemeinsamit mit Julia Kanzler und Anna Katić aus der 3. Klasse der Handelsakademie Liezen (Steiermark) lädt sie die am Messestand Vorbeikommnden ein, das eine oder andere Becherchen ihrer Eiskaffee-Sorten zu testen.

Das Trio vertritt in Wien die insgesamt zehn Jugendlichen der Junior Company, die Eiskaffee in vier verschiedenen süßen Sorten herstellt. „Wir haben Sirups bestellt, kochen selber den Kaffee mischen ihn mit Milch und dem jeweiligen Sirup. ES hat schon eine Experimentierphase gebraucht, bis wir zum richtigen Mischverhältnis gekommen sind“, gesteht das Trio. Und ergänzt am Ende noch die Erklärung für den Namen: „Außerdem sind Pandas so süß – und unsere Eiskaffeesorten auch.“

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Weitere Berichte über die Schüler:innen-Firmen bei der kürzlich abgehaltenen internationalen Junior-Companies-Handelsmesse – meist thematisch zusammengefasst – erscheinen in den folgenden Tagen.

Stavros Papageorgiou, Andreas Christou, Kirill Eni, Christos Loizou, Aris Pitsillides und Petros Loizou aus der Stavros Grundschule in Nikosia (Zypern) mit ihren Pinien-Nadel-Natur-Leim-Behältnissen

Schüler:innen machen Re- und Up-Cycling zu ihrem Business

Re- war die häufigste Vorsilbe für Produkte der Schüler:innen-Firmen bei der internationalen Handelsmesse in einem Wiener Einkaufszentrum am letzten (kalendarischen) Winter-Wochenende. Re- für RE-Cycling, was oft nicht (nur) wiederverwertet, sondern von den Jugendlichen sogar zu höherwertigen Produkten gemacht worden war, also Up-Cycling.

Zwar kein Re- im Titel aber PLANt Be deutet auch schon das Prinzip der Junior Company der Allerjüngsten bei dieser Handelsmesse an. Stavros Papageorgiou, Andreas Christou, Kirill Eni, Christos Loizou, Aris Pitsillides und Petros Loizou aus der Stavros Grundschule in Nikosia (Zypern) sind jeweils elf Jahre jung. Sie begannen vertrocknete Pinien-Nadeln zu sammeln, sie zu waschen, desinfizieren, trocknen, zerkleinerten sie und mischten sie mit einem „Kleber“, den sie selber aus Mehl, Wasser und Essig mischten. Dieses Gemisch füllten sie in Formen und produzierten so Schüsseln, Häferl, Flaschen, Löffel, Behälter mit Deckel. Manche davon bemalten sie mit ökologischen Farben. Die Teile sind somit lebensmittelecht und obendrein wärmedämmend.

Mit ihren Produkten schlugen sie sozusagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: „Erstens wollten wir was herstellen, das Plastik vermeidet, weil das ein großes Umweltproblem vor allem für die Meere und ihre Tiere ist“, erklären sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Außerdem sind die vielen trockenen Nadeln auf dem Boden und an den Pinien eine große Gefahr für Waldbrände. Wenn wir die einsammeln und nur die frischen Nadeln an den Ästen bleiben, breiten sich bei einem Feuer die Brände nicht so leicht aus.“

Die Jury belohnte übrigens die Bühnen-Präsentation der Jungs aus Nikosia mit dem „Pitch Award“.

Tascherln bis Rücksäcke

Ebenfalls einen Preis mitnehmen durften Jugendliche der Höheren Berufsbildenden LehrAnstalt (HBLA) Ferrarischule in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck. 17 Schüler:innen schneiderten aus übrig gebliebenen Reststoffen für Markisen und Jalousien Reise-behälter – von der Passhülle über kleine Täschchen, Kulturbeutel in beachtlicher Größe bis zu großen Rucksäcken, die sich leicht in Umhängtaschen verwandeln lassen, wie Dina Elsawaf, Theresa Schlenker und Lena Kraler dem Reporter erklären und teilweise vorführen. Für einen Rucksack, der so konzipiert ist, dass beispielsweise ein Anzug so eingepackt werden kann, dass er nicht zernknittert, brauchen die Jugendlichen im Schnitt schon so sechs bis acht Stunden, schildern die drei Vertreterinnen von „mar.kess“ wie die 17 Jugendlichen ihr Unternehmen nannten.

Dafür bekamen sie den „Alumni-Award, vormaliger Junior-Company-Betreiber:innen.

Taschen aus Werbebannern

Ebenfalls Taschen aus Alt- bzw. Wegwerf-Material verkaufen 15 Jugendliche aus dem tschechischen Hradec Králové in ihrer Junior Company „ReBan“. Lucie Fiedlerová, Daniela Kulhanková und Apolena Hejná vertraten ihre Kolleg:innen bei der internationalen Handelsmesse in dem Einkaufszentrum in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk). „Wir verwenden alte Werbebanner, aber wir hatten nur die Idee, organisieren alles und verkaufen die Taschen. Wir lassen sie aber herstellen von Menschen mit Behinderung in einer Werkstätte.

Alte Blumen

Ausgangspunkt für die Gründung des Unternehmens „ReBloom“ von elf Jugendlichen der alternativen Oberstufenschule W@lz (Wien-Penzing; 14. Bezirk) waren einige Mitschüler:innen, die an Wochenenden in Blumengeschäften gearbeitet haben. Und miterleben mussten, wie am Ende des Tages so manche Blumen drohten in den Mist zu wandern. Die Jugendlichen wollten den Pflanzen ein Weiterleben ermöglichen, baten darum, jene Blumen haben zu dürfen, die weggeschmissen worden wären. „Wir haben uns im Internet informiert, was und wie wir damit machen könnten, haben dann beschlossen sie zu trocknen und zu neuen Sträußen für Veranstaltungen zu binden.“ Stellvertretend für ihre Kolleg:innen, die einander am Messetag schichtweise abwechselten, berichten Julius Boesch, Emma Kulnigg und Wenzel Richard den Journalisten die Vorgangsweise. Und auf Nachfrage schildern sie, „dass wir in zwei Stunden so 14 oder 15 solcher üppigen Sträuße schaffen.“

ReBloom wurde mit dem Sustainability Award, also dem Nachhaltigkeitspreis, ausgezeichnet.

Papier zum Anpflanzen

Als erstes fiel einigen der Gründer:innen von „Paperi²“ in ihrer Schule, der Chemie-HTL in der Wiener Rosensteingasse auf, „dass Unmengen von Fehldrucken im Chemie-Labor anfallen, Labor- und Experiment-Berichte und so weiter. Also wollten wir irgendwas mit papier-Recycling machen“, schildern Maya Knsut, Ekaterina Mazets, Sophie Willinger und Dorian Jarosch den Ausgangspunkt für diese spezielle Wiederverwertung. „Wir haben aber nicht nur das Altpapier zerschnipselt und mit Wasser vermengt, um es dann handzuschöpfen und zu verschiedenen Formen als Geschenkanhänger zu schneiden. Wir haben auch Blumensamen – Katzengras, Vergissmeinnicht und andere – und Naturdürfte wie Zimt, Zitrone, Rosen oder Lavendel hinzugefügt.“

Dieses Papier wird somit – hochwertig – wiederverwendet. Wenn die Grußkarte, der Geschenkanhänger oder was auch immer nicht mehr erwünscht ist, kann dieses Ding in kleine Futzerl zerrissen, in einem Topf mit Blumenerde geschmissen werden und – genau… Und deshalb fügten die insgesamt zehn Schüler:innen dem Namen ihrer Junior Company einen hochgestellten 2er hinzu – weil gleich noch ein Weiterleben in dem Fall im wahrsten Sinn des Wortes mit dem Altpapier verbunden ist. Und „Paperi“ selber ist das finnische Wort für Papier, und das hatte eine der Beteiligten mit in die Namensfindung eingebracht.

Eierschalen …

… verwendeten Jugendliche aus einer weiteren Schule in Zypern als Zusatz für Reinigungs-Schwämme – sowohl für Geschirr als auch für menschliche Haut. Bei Letzterer kombinieren wir die – natürlich gereinigten und sterilisierten Eierschalenteile mit einer Aloe Seife und einem naturschwamm“, erklären Aleksandra, Gerasimos und Konstantin für ihre Junior-Company „EGGSclusive“, ein Wortspiel, das in dem Fall nur im Englischen (Egg = Ei) funktioniert 😉

Lampenfieber…

… ein Wortspiel, das in dem Fall im Deutschen eine ganz andere Bedeutung als das Produkt selbst hat, aber jedenfalls mindestens so auffällt wie die Verkleidung eines der Schüler für die Präsentation als wandelnde sozusagen Geh-, und fallweise Steh-Lampe. Acht Jugendliche der schon bei „Re-Bloom“ vorgekommenen alternativen Oberstufenschule W@lz (Wien 14) sammelten alte, formschöne Flaschen aus Bars ebenso wie alte Lampenschirme. Jeweils zwei solcher Teile kombinier(t)en sie, brachten sich vorher bei, wie sie da die Elektrik hineinbringen, wie Laurids Corti und Paul Fellner Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… erklären und zeigen. Und schon bringen Produkte von „Lampen-Fieber“ Licht ins Dunkel.

Zerschnittene Flaschen

Verwenden die zuvor genannten Jugendliche ganze Flaschen, um sie als Teil eines Re- bzw. eigentlich Up-Cycling-Produkts einzusetzen, so zerschneiden Dima, Natalia, Krishna, Uliana – sie waren in Wien – und ihre Kolleg:innen im westukrainischen Ternopil fein säuberlich Flaschen. Die unteren Teile mit dem Boden verwenden sie als Gefäße für Kerzen, die sie aus natürlichem Soja-Wachs mit einem dünnen hölzernen Docht befüllen. „Svitochary“ (ukrainisch für Kerzenhalter) nannten sie ihre Junior Company und bewerben ihre Produkte, dass sie Licht ins Dunkel des Lebens bringen, was in ihrem Fall ja noch eine tiefere Bedeutung hat.

Zerbrochene Flaschen

Nicht nur, aber viele Flaschen sind das Material für die Produkte von „Reborn Art“. Die wiedergeboren Kunst kommt aus dem italienischen Milano (Mailand) 18 Schüler:innen machten vor allem aus Falschenteilen und Scherben Kunstwerke in Bilderrahmen. „Wir mussten schon vorsichtig arbeiten, aber wir wollten von Anfang an etwas kreatives aus Trash (Mist) gestalten“, gestehen Matteo Maldis, Gian Pablo Andrade, Andrea Merlad und Marco Bassi dem skeptischen Journalisten angesichts der vielleicht doch hohen Verletzungsgefahr.

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Weitere Berichte über die Schüler:innen-Firmen bei der kürzlich abgehaltenen internationalen Junior-Companies-Handelsmesse – meist thematisch zusammengefasst – erscheinen in den folgenden Tagen.

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Ebenfalls aus Treber (Abfall bei der Bier-Herstellung) sind diese Müsli-Riegel - made by Jugendlichen aus der HTL Anichstraße (Innsbruck, Tirol)

Schmackhaftes aus geretteten Abfällen – von Obst, Gemüse und Bierproduktion

Apfelchips und andere Snacks sowie Suppen im Glas – das stellen die Jugendlichen von „ReSnacked“, einer Junior-Company, her. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die von Jugendlichen für nicht ganz ein Schuljahr gegründet werden, um – im Gegensatz zu Übungsfirmen in Handelsschulen und -akademien – mit echten Waren oder Dienstleistungen zu handeln (mehr dazu in der Info-Box ganz am Endes des Beitrages). Die „ReSnacked“-Firma kommt aus dem (Real-)Gymnasium Billrothstraße 26 (Wien-Döbling; 19. Bezirk).

Amelie Stepper, Helena Müller (vorne) sowie Marianne Stockreiter, Clara Lohi und Clarissa Komondi von
Amelie Stepper, Helena Müller (vorne) sowie Marianne Stockreiter, Clara Lohi und Clarissa Komondi von „ReSnacked“ mit ihren Produkten aus geretteten Lebensmitteln…

„Einmal im Monat können wir bei Supermärkten gerettetes Obst und Gemüse abholen wie Karotten, Zwiebeln, Äpfel und andere. Daraus machen wir Mus, Suppen oder dörren Obst zu Chips“, erzählen Amelie Stepper, Helena Müller, Marianne Stockreiter, Clara Lohi und Clarissa Komondi Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… bei der großen internationalen Juniorfirmen-Handelsmesse am letzten (kalendarischen) Winter-Wochenende in einem bekannten Einkaufszentrum im 15. Wiener Bezirk.

Sie gehören zu einem Team von 13 Schüler:innen, die im Wahlpflichtfach Junior-Company in der schuleigenen Küche die genannten Produkte herstellt.

Chifru

Chips aus Obst, das sonst ebenfalls im Müll landen würde, stellen 13 Jugendliche der 2. Klasse Handelsakademie im Salzburger St. Johann im Pongau her. Im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleg:innen bekommen sie die Früchte, die sie damit retten und zum Verzehr zubereiten, nicht kostenlos. „Aber pro Kilo müssen wir nur 3 Euro bezahlen“, berichten jene sechs Jugendlichen, die gerade zum Zeitpunkt des Reporter-Besuchs den Verkaufsstand von „Chifru“ betreuen. „Und wir verpacken unsere Obst-Chips, die wir in der Schulküche selber herstellen, in nachhaltige (Papier-)Sackerln.

Bierig

Bei der Herstellung von Bier bleibt unter anderem „Treber“ übrig – ein Gemisch aus Hefe, Weizen und/oder Malz. Im besten Fall wird dieser Abfall an Tiere verfüttert, landet er im (Bio-)Müll. Da ließe sich doch was draus machen – auf diese Idee kamen in diesem Schuljahr (mindestens) zwei Junior-Companys.

Treberei“ nennt sich das Schüler:innen-Unternehmen aus dem (Real-)Gymnasium Stainach in der Steiermark. „Wir dürfen uns von einer Brauerei in Schladming, in der Nähe, den feuchten, dampfenden Treber abholen, trocknen ihn in unserer Schulküche, mahlen ihn dann fein zu Mehl, mischen das mit Ei und stellen daraus unterschiedliche Nudelsorten her“, berichten Ceren Sümbül, Sarah Lux und Flora Mayer dem Reporter bei

Das Trio vertrat die insgesamt 14 Schüler:innen, die an diesen Produkten arbeiten – drei Sorten mit fantasievollen Namen für bekannte Arten: Strudelnudel für Spiralen (Fusilli, Spirelli), Kuddelnudel für Bandnundeln (Tagliatelle) und Rotundelnudel (die an Orecchiette erinnern. Und den Jugendlichen ist es gelungen, Haubenköch:innen zu animieren, ihnen exklusive Rezepte mit diesen Nudeln zur Verfügung zu stellen – die via QR-Code auf den papierenen Verpackungen abzurufen sind.

Obendrein geben sie ihr unternehmerisches Wissen an Kinder der Volksschule Gröbming weiter, die sich am recht neuen Programm Junior Mini Company beteiligen.
Übrigens für die Präsentation auf der Bühne stülpte sich die erstgenannte Schülerin eine Perücke mit Locken in Spiralform über den Kopf nachdem sie ohnehin schon die ganze Zeit in einem Überhang, der an ein Papiersackerl erinnert am Messestand informierte.
Die „Treberei“ konnte übrigens den Gesamtpreis – „Overall Award“ (es gab insgesamt sieben verschiedene Spartenpreise) einheimsen.

Müsli-Riegel

Ebenfalls von einer nahegelegenen Brauerei beziehen die Jugendlichen aus der HTL Anichstraße (Innsbruck, Tirol) für ihre Firma „AlpenPro“ ihren Treber. „Wir haben zuerst versucht, daraus Kekse zu backen. Das hat nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben. Jetzt machen wir Müsli-Riegel daraus“, verraten Lucas, Kai, Flo, Luca, Moritz und Tobias Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Mit Tablets mit kleinen Kostproben wandert immer einer aus dem Team quer durch die Gassen der Messestände bzw. Besucher:innen dieser Konsum-City.

Bier selber brauen

Auf der anderen Seite dieser Herstellungskette, also nicht beim Abfall, sondern bei der Produktion sind Jugendliche der HTL Braunau (Oberösterreich) gelandet. „Bier + +“ nannten sie ihre Junior-Company. „Die Theorie haben wir uns angeeignet und dann aber doch sieben verschiedene Sorten zu brauen versucht, bis wir unser jetziges Bier hatten – ein süßes-fruchtiges it einer exotischen Geschmacksnote“, schildern Lukas Daxecker, Simon Schrems, Manuel Schober und Fabian Mairböck dem Journalisten. Die vier vertraten ihr insgesamt sieben Mitarbeiter umfassendes Team, das bisher einen halben Hektoliter des „Pale Ale“ in der Brauerei Pfesch – nach dem experimentell im Chemie-Labor der Schule erfundenen Rezepts – herstellen hat lassen.

Da Junior Companys ja nur für ein Schuljahr existieren, wollen sie – mit Hilfe der Schule – eine Schüler:innen-Genossenschaft gründen, um diese und vielleicht auch andere Produkte dauerhafter vermarkten zu können.

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Weitere Berichte über die Schüler:innen-Firmen bei der kürzlich abgehaltenen internationalen Junior-Companies-Handelsmesse – meist thematisch zusammengefasst – erscheinen in den folgenden Tagen.

Doppelseite aus dem Bilderbuch "Kommst du mit?"

Auf dem Weg in eine bunte, vielfältige Welt voller Geschichten

Ein Buch, das bei Büchern endet – zu dieser Reise lädt dich „Kommst du mit?“ ein. Ein Kind mit dunkelhaarigem Wuschelkopf stellt diese Frage auf der ersten Doppelseite an eines mit hellen kurzen Haaren, das gerade im Garten buddelt. Ersteres verspricht einen Ausflug zu einem „tollen Ort, ganz in der Nähe. Dort reicht es sehr gut“.

Doch es ist nicht die Bäckerei, auch nicht die Schule, der Park und so weiter – wo sie Doppelseite für Doppelseite hinkommen – mit immer mehr Kindern in der Wandergruppe. Von Station zu Station werden alle erst neugieriger, raten und schön langsam doch enttäuscht. Irgendwann sind einige sogar ziemlich verärgert, fühlen sich angelogen, auf den Arm genommen…

Nachbarschaft

Natürlich kann das Bilderbuch – geschrieben von Cristina Petit (Übersetzung aus dem Italienischen: Anne Brauner) und gezeichnet von Chiara Ficarelli so nicht enden, sie gelangen an das versprochene Ziel – mit anfangs einigen enttäuschten Gesichtern. Was sich dann doch legt. Der Ort sei hier aber sicher nicht gespoilert.

Verraten sei hingegen: Das Buch ist im Achse-Verlag in der Reihe „Creating neighbourhood“ (Nachbarschaft schaffen) erschienen. Übersetzungen von Kinderbüchern aus Österreichs Nachbarländern Italien, Slowenien, Slowakei und Ungarn werden darin von der EU finanziell unterstützt.

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Kommst du mit?“
Doppelseite aus dem neuen "Jivan"-Magazin zum persischen Neujahrsfest Nouruz

Sieben Sachen zum (persischen) Neujahr

Das, oder viel mehr ein neues Jahr beginnt nicht für alle Menschen am 1. Jänner. Neben dem chinesischen – und vietnamesischen – Neujahr jeweils am zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende (Winterbeginn) und damit zwischen 21. Jänner und 21. Februar, ist vor allem der Frühlingsbeginn (das jüdische Neujahr startet im Herbst) für viele Kulturen der Start zu einem neuen Jahr. Dazu zählen die persische (Nouruz) und kurdische (Newroz) Kultur, wobei in letzterer der Jahreswechsel auch einen historisch-kämpferischeren Hintergrund hat – dazu weiter unten.

Doppelseite aus dem neuen
Doppelseite aus dem neuen „Jivan“-Magazin zum persischen Neujahrsfest Nouruz

Dem persischen Neujahrsfest Nouruz (neuer Tag) widmet das in Wien erscheinende bunte Magazin „Jivan“ für Kinder (3 bis 10 Jahre) und Eltern auf Farsi sein neues, das zweite, Heft. Herausgeberin und Gestalterin ist Mercede Ameri, ausgebildete Elementarpädagogin und kreative Kinderbuchmacherin (Dixi-Kinderliteraturpreisträgerin im Bereich Illustration 2010). Mit ihrem Magazin will sie vor allem die erst-/muttersprachliche (Früh-)Erziehung von Kindern in Diaspora-Familien fördern. Viele Menschen wurden aus dem Iran vertrieben oder mussten wegen Repressionen flüchten.

In dem Magazin werden Themen wie Naturwissenschaften (Jahreszeitenwechsel, Pflanzenwachstum, Vogelzug), Bekanntschaft mit der iranischen Kultur und den Bräuchen, Speisen, familiäre Aktivitäten, sowie iranische Kinderlieder und Geschichten präsentiert. Außerdem lernen Kinder Vokabeln im Zusammenhang mit dem jeweiligen Thema, in Ausgabe Nr. 2 eben dem Nouruz-Fest kennen.

Doppelseite aus dem neuen
Doppelseite aus dem neuen „Jivan“-Magazin zum persischen Neujahrsfest Nouruz

Brücke zwischen Her- und Ankunfts-Kultur

Zur Unterstützung der Vermittlung von Sprache und Kultur an die Kinder, hat Ameri „Jivan“ erfunden. „Ziel ist es, eine Brücke zu schlagen zwischen der Bewahrung unserer kulturellen Identität und der erfolgreichen Integration in die Gesellschaften, in denen wir leben. Jivan spricht besonders Familien an, die Wert auf eine mehrsprachige Erziehung legen und ihre Kinder in einer weltoffenen, kulturell bewussten Weise aufziehen möchten. Die Inhalte

sind sorgfältig darauf abgestimmt, nicht nur zu unterhalten, sondern auch zu bilden, indem sie ein positives Bild der traditionsreichen persischen Kultur vermitteln und gleichzeitig die Werte des Ziellandes hoch halten. Wir wollen ein lebendiges Gefühl der Zugehörigkeit in den Herzen junger Menschen wecken, um dadurch die Eltern-Kind-Beziehung zu stärken und ein positives Selbstbild bei Kindern zu fördern. Eine solide Kenntnis der Erstsprache fördert zudem die Sprachentwicklung generell und erleichtert es Kindern, sich weitere Sprachen anzueignen.“

Bestandteile des jeweiligen Magazins sind einerseits (Bilder-)Geschichten, andererseits Rätsel – unter anderem mit leeren Sprechblasen zum selber Befüllen – und Anleitungen zum Malen, Basteln und anderen kreativen Tätigkeiten. Via QR-Codes geht es auch zu (musikalischen) Hörbeispielen – Weg zum Magazin, siehe Info-Block ganz am Ende des Beitrages.

Doppelseite aus dem neuen
Doppelseite aus dem neuen „Jivan“-Magazin zum persischen Neujahrsfest Nouruz

Leben

„Jivan“ steht für Leben – und hat in einer leicht veränderten Version auch bei uns einige Bekanntheit erlangt durch die Losung „Jin Jiyan Azadi – Frauen – Leben – Freiheit“ als Protest nachdem die junge kurdische Iranerin Jîna Mahsa Amini vor rund eineinhalb Jahren in Teheraner Polizeigewahrsam gewaltsam zu Tode gekommen war.

Sieben Sachen mit S

Zum persischen Neujahr spielen sieben Dinge, die mit S beginnen eine große Rolle. „Haft Sin“ (Sieben Sīn – persisches S): Sekke – Münzen; Sib – Apfel; Somach – ein persisches Gewürz (Sumach); Sombol – Hyazinthen; Sir – Knoblauch; Sabseh – ‚Grünzeug‘, typischerweise keimender Weizen, Gerste, Kresse oder Ähnliches; und Serke – Essig.

Ebenso wichtig ist das aus sieben Früchten bestehende Neujahrsgetränk „Haft Mewa“. Es werden sieben Speisen zubereitet, die möglichst mit dem Buchstaben „S“ beginnen sollten und die sieben Tugenden des Zoroastrismus symbolisieren, und zusammen mit Samanak (Keimlinge aus sieben Getreidesorten), einem Spiegel, einer Kerze und einem heiligen oder wichtigen Buch (dem Koran bei Muslimen, der Bibel bei Christen, der Avesta oder einem Bild Zarathustras bei Zoroastriern oder einem Gedichtbuch) auf einem Tisch gedeckt.

300 Millionen feiern Newroz/Nouruz

Die UNO nennt rund 300 Millionen Menschen, die seit mehr als 3000 Jahren – von der Balkanhalbinsel über die Schwarzmeerregion, den Kaukasus, bis Zentralasien und im Nahen Osten den Beginn des Aufblühens am 21. März feiern. Für viele, wenn nicht sogar die meisten der auf 30 bis an die 50 Millionen geschätzten Kurd:innen ist das Newroz-Fest aber nicht nur Feier-, sondern auch Kampftag. Das übers Feuer springen besiegt bei ihnen mehr als „nur“ die kalte Jahreszeit.

Schmied gegen Tyrann

Der Legende nach soll an diesem Tag im Jahr 612 v. u. Z., also vor fast 2650 Jahren, ein Schmied namens Kava (Kaveh) sich dem Tyrannen Dehok widersetzt haben. Feuer auf Berggipfeln gaben das Signal zum Aufstand gegen die Willkürherrschaft. Und weil Kurd:innen auch heute noch in den meisten Ländern ihres Siedlungsgebietes (Türkei, Syrien, Irak, Iran, Aserbeidschan…) unterdrückt sind (nur im Irak Autonomie haben), ist für sie auch heute noch Newroz ein Tag des politischen Widerstandes (Anmerkung: die letzten drei Absätze stammen aus einem – eigenen – Artikel aus dem Vorjahr, Link unten).

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Titelseite des neuen
Titelseite des neuen „Jivan“-Magazins zum persischen Neujahrsfest Nouruz
Szenenfoto aus "Kassandras Geheimnis" von Theater Delphin Basis 2

Trojanischer Krieg plus KI aus der Galaxie Starfish

Die Göttinnen – in langen weißen Kleidern, Aphrodite (Julia Gassner, die später zur Helena wird), Athene (Andrea Mačić) und Hera (Gabriele Weber, auch Co-Regie) – stehen beisammen, kleine Kelchlein in die Höhe gereckt. Sie warten aufs Anstoßen. Knapp daneben ein junger Mann mit metallen wirkendem Oberkörper-Panzer (Romanelli Alessio). Ein paar Treppen darunter ein langer schwarzer Laufsteg.

Gegenüber hängen zwei senkrechte Projektionsflächen mit eingeblendeten Statuen. Dazwischen – noch im Hintergrund – ein Mann im Rollstuhl, der später hin und wieder weiter nach vorne fährt und mit blinkendem Techno-Tablett agiert (Marcell Vala). Auf seiner Seite kommt wütend eine Frau hervor: Was die Göttinnen gegenüber feiern wollen, ist die Hochzeit von Thetis und Peleus. Und sie, Göttin Eris (Anna Fellner, später tritt sie immer wieder als Mundschenkin auf), ist als einzige nicht eingeladen. (Hat da das Märchen Dornröschen mit der 13. Fee die Inspiration her?)

Apfel der Zwietracht

So, da habt ihr einen goldenen Apfel! Den rollt Eris über den Laufsteg. Na also, gar nicht so böse! Oder vielleicht doch? Auf dem Apfel klebt, dass er der Schönsten gehören möge. Also Streit des Göttinnen-Trios. Und wer soll – und wonach – urteilen? Genau, der junge Mann, genannt Paris…

Soweit die Ausgangs-Szene von „Kassandras Geheimnis“, einer inklusiven Produktion von und im Theater Delphin (Wien-Leopoldstadt; 2. Bezirk). Die Theatergruppe hat diesen antiken griechischen Stoff um die Entstehung des zehn Jahre dauernden Kriegs zwischen Griechen und Trojanern um so manch eigene sehr fantasievolle Geschichten zu erweitern.

Weder Weisheit noch Macht…

Zunächst zurück zur mythologischen Story: Paris entschied sich weder für die von Athene im Gegenzug angebotene Weisheit, noch die Macht, die Hera ihm als Bestechung in Aussicht stellte, sondern für Aphrodites Versprechen, die Liebe der schönsten (irdischen) Frau der Welt. Doch blöd, dass diese Helena schon mit dem griechischen König Menelaos verheiratet war. Und Paris ein Trojaner.  Und so – zumindest der mythologischen Legende nach – kam’s zur Belagerung Trojas, natürlich Unmengen von Toten, Verletzten, Leid und was sonst noch alles zu Kriegen dazugehört.

Blinde Seherin

Eine große tragische Person in dieser bekannten Geschichte: Kassandra (Iris Zeitlinger), die später zur sprichwörtlichen Figur wurde. Sie hatte zwar die Gabe, vieles vorauszusehen, aber als Rache von Gott Apollon dafür, dass sie sich von ihm nicht verführen ließ, sollte niemand ihren Weissagungen glauben…

Künstliche Intelligenz

Diese weithin bekannte Geschichte / Legende mischten die Schauspieler:innen des Inklusiven Theaters Delphin mit einer eigenen Fantasie /Utopie. Das Universum ist weitgehend kriegsfrei, nur da in irgendeiner Ecke des Alls, auf der Erde herrschen noch bewaffnete Auseinandersetzungen, stellt der Chef der Galaxie Starfisch fest. Mittels Künstlicher Intelligenz regiert Zeurelius (der schon oben genannte Marcell Vala). Um auch dort für Frieden zu sorgen, schickt er Möskin Odur (Judith Czerny) aus der Spezialeinheit von Melva auf die Erde.

Auch wenn aktuelle Kriege vielleicht oder wohl mitgemeint sein könnten, landet die Spezialperson inmitten des Trojanischen Krieges, versucht sich Vertrauen zu erwerben – vor allem beider Kurtisane Neaira (Hanna Schnitt), die halt alle und jeden gut „kennt“ und kommuniziert in unbeobachteten Momenten hin und wieder mit dem Chef via Leucht-Smart-Armband…

Künstlicher Mensch

Gleichzeitig trachtet Kassandra auf einem anderen Weg den Krieg zu beenden – durch Sieg mittels einer Achilla, einer künstlichen Person, die sie aus einer Leiche mittels Zaubertinkturen zum Leben erwecken will. Wobei das Zusammenspiel mit Sklave Werwolf Fenris (Bianca Brucker) recht humorvoll, fast kabarettistisch angelegt ist und immer wieder für Lacher im Publikum sorgt, das in dem kleinen Theater in Wien-Leopoldstadt (2. Bezirk) links und rechts des Laufstegs sitzt.

Konsum-Pferd

Für mindestens ebenso viele Schmunzler bis Lacher sorgt das berühmte Trojanische Pferd, das hier auf einem Einkaufswagerl mit Holz, Drahtgitter und einem Kunststoff-Ross-Kopf in die Szenerie gefahren wird. Und sich zeitweise sozusagen als Figuren-Konkurrenz der aufrecht an einem Seil baumelnden Achilla gegenübersieht.

Möskin Odur entledigt sich letztlich der Verbindung zu Zeurelius und damit der totalen Kontrolle durch die KI – und großer Jubel für alle Mitwirkenden (Co-Regie, Bühnenbild, Visuals, Technik: Georg Wagner) nach knapp 1¼ Stunden.
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Vorsatzseite des Bilderbuchs "Alia Astronautin"

Windel-Alarm und andere Hindernisse, aber niemals aufgeben!

Alia setzt sich auf den Boden ihres Zimmers, zieht sich die Stiefel an, setzt den weißen Helm mit ihrem Namen auf, und besteigt ihr Raumschiff. Scheint aus einem großen Karton selbst gebaut. Damit wandert sie durch die Stadt, weicht Asteroiden auf der Straße aus und landet wieder zu Hause. Mission Pluto notiert sie handschriftlich in ihr „Logbuch. Der soll wieder in den Kreis der Planeten aufgenommen werden. Außerdem will sie das Weltall von herumfliegendem Mist befreien…

Und dann: Einerseits lässt Autorin Mahak Jain (Übersetzung aus dem Englischen Birte Spreng) die Titelheldin des Bilderbuchs „Alia Astronautin“ es ziemlich cool finden, die einzige ihrer Art zu sein. Andererseits, alles alleine machen zu müssen…? Also sucht sie auf den nächsten Doppelseiten nach Unterstützung. Der Hund als Assistent erweist sich nicht als hilfreich, auch der kleine Bruder – da gibt’s Windel-Alarm…

Alia, gezeichnet von Andrea Stegmaier in einer Art, die an Collagen erinnert – und vor allem in jedem Bild durch die einfachen und doch aussagekräftigten Blicke der handelnden Kinder beeindruckend, gibt niemals auf und … – ach, nein, das wird nicht verraten. Wobei, der Untertitel „Mission Freundschaft“ deutet doch schon einiges an. Vielleicht hilft keine Assistenz, sondern ein gleichberechtigtes Spiel auf Augenhöhe?

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Alia Astronautin“
Szenenfoto aus der Erich-Kästner-Revue im Theater Forum Schwechat

„Nur wer hat, kriegt noch geschenkt…“

50 Jahre tot und so manches so aktuell! Die Rede, pardon hier natürlich Schreibe, ist von Erich Kästner. Ende Juli (29.) jährt sich sein Todestag. Das Theater Forum Schwechat nahm dies zum Anlass, aus vielen seiner Texte Szenen und Lieder zu einer „historischen Revue“ zu bauen. Ein Quartett – zwei singende Schauspielerinnen auf und zwei Musiker vor der Bühne – bringt vieles in Erinnerung und für viele im Publikum auch so manch Unbekanntes zu Gehör.

Szenenfoto aus der Erich-Kästner-Revue im Theater Forum Schwechat
Szenenfoto aus der Erich-Kästner-Revue im Theater Forum Schwechat

Von den bekannten Kinderstücken kommen vor allem Szenen aus „Emil und die Detektive“ vor und die Botschaft aus „Pünktchen und Anton“. „Das doppelte Lottchen“ wird nicht direkt – aber auf einer anderen Ebene immer wieder sichtbar, wenn Gudrun Liemberger und Manuela Seidl in so manchen Szenen gleichsam zwillingshaft auftreten. Ansonsten schlüpfen die beiden in der Revue, die über Inserts, Audio-Aufnahmen aus dem Off und Zwischentexten Stationen von Kästners Leben erzählen, mehrmals in die Rollen zweier Frauen, die in seinem Leben eine große Rolle – neben seiner Mutter – spielten: Seidl spielt die Lebensgefährtin Luiselotte Enderle und Liemberger jene Geliebte Friedl Siebert, mit der er einen gemeinsamen Sohn (Thomas) hatte.

Neben literarischen Texten zitiert die Revue an mehreren Stellen auch aus Kästners Briefen, holt ihn von eventuellen Denkmal-Sockeln und zeigt ein realistisches Bild des Menschen im bekannten Dichter.

Szenenfoto aus der Erich-Kästner-Revue im Theater Forum Schwechat
Szenenfoto aus der Erich-Kästner-Revue im Theater Forum Schwechat

Vierte Wand durchbrochen

Genial ist das Zusammenspiel der beiden mit Gabor Rivo am elektrischen Klavier (und musikalische Gesamtleitung) und Christoph Burko, der vor allem Kontrabass, aber auch viele andere kleine Instrumente und Klanggeräte spielt und damit Atmosphärisches erzeugt. Womit auch die Barriere zwischen Bühnen- und Publikumsraum – die Musiker sitzen vor der Bühne – überwunden wird.

Leider zeitlose Themen

Ob Pazifismus – satirische gereimte Zeilen gegen Kriegswut – oder immer wieder auch den Gegensatz zwischen Arm und Reich – Kästner, vor seinen Kinderbüchern als Lyriker berühmt und heute dafür oft kaum bekannt: Die Revue bringt’s über die Rampe. Zusammengetragen und -gestellt sowie inszeniert hat Marius Schiener.

Vielleicht am Sarkastischsten auf den Punkt bringt das zuletzt genannte Thema „Weihnachtslied, chemisch gereinigt“:
„Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man’s bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist’s noch nicht so weit…“

Aber auch im „Knigge für Unbemittelte“ ließ sich der Dichter bitterböse aus:
„Ans deutsche Volk, von Ulm bis Kiel:/ Ihr esst zu oft! Ihr esst zu viel! / Ans deutsche Volk, von Thorn bis Trier: / Ihr seid zu faul! Zu faul seid ihr! / Und wenn sie euch den Lohn entzögen! / Und wenn der Schlaf verboten wär! / Und wenn sie euch so sehr belögen, / dass sich des Reiches Balken bögen! / Seid höflich und sagt Danke sehr.“

Aber auch „an Millionäre“ dichtete Kästner eine „Ansprache“, die drastisch beginnt und als Conclusio folgende Zeilen beinhaltet:
„Ihr helft, wenn ihr halft, nicht etwa nur ihnen.
Man kann sich, auch wenn man gibt, beschenken.
Die Welt verbessern und dran verdienen –
das lohnt, drüber nachzudenken.“

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Foto vom Konzert "Brennholz.Rocks: Tuu Tuu Feuerkrone" im Kabarett Niedermair (Wien)

Feuerkrone und viele mitsingende Kinder auf der Bühne

Amando und sein Vater „Frenk Lebel“ proben gerade kurz vor dem Konzert im Kabarett Niedermair (Wien-Josefstadt; 8. Bezirk) den Song „Feuerkrone“. Von draußen tönen die Sirenen von Feuerwehrautos, die durch die Josefstädter Straße rasen. (In einem Restaurant Ecke Blindengasse zu einem Brand gekommen.)

Fix nicht geplant. Fix jedoch ist das Lied, einer der Fixpunkte im Kinderkonzert von „Brenholz.Rocks“, noch dazu hieß der Nachmittag: „Tuu Tuu Feuerkrone“.

Foto vom Konzert
Foto vom Konzert „Brennholz.Rocks: Tuu Tuu Feuerkrone“ im Kabarett Niedermair (Wien)

Junge Text-Ideen

Kultur- und Musikvermittler Reinhold Siebert, seit vielen Jahren auch Musiker – mit der internationalen Band „No-where Train“ für Erwachsene und eben „Brennholz.Rocks“ (nicht nur) für Kinder. Und nicht nur für, sondern vor allem immer wieder mit Kindern. Und so füllt sich die Bühne bald mit jungen Fans, die die Songs schon kennen, aber auch anderen, die solch mitreißen lassen – mitsingen, tanzen, sich bewegen – und bei dem einen oder anderen Lied ständig neue Ideen einbringen.

Was bei „Pizza Pizza“ auf diese Teigflade draufkommt – das lassen sich die jungen und jüngsten Mitsänger:innen spontan einfallen – und wird natürlich Teil des Liedes. Oder auch was die schwarze Katze auf dem Dach so alles mit der Maus und die mit ersterer macht.

Geige, Schlagzeug, Sänger-Animateur

Neben dem Musiker selber, der an diesem Nachmittag zwischen einer zwölf- und einer sechs-saitigen Gitarre wechselt und mit seinen Füßen einen Synthesizer bedient und damit weitere Klangfarben einbringt, agiert von Anfang an der schon eingangs genannte Amando (9) als Animateur, Mitsänger und vor allem Bewegungstalent auf der Bühne.

„Seit einem Jahr spiel ich Schlagzeug, aber noch nicht für die Bühne“, verrät er Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zwischen Probe und Konzert. „Außerdem hab ich früher auch schon ein Jahr lang Geige gespielt, dann hab ich zu Schlagzeug gewechselt.“

Reinhold – Brennholz

Als „Brennholz.Rocks“ ist sein eigener Künstlername Frenk Lebel, wiewohl Brennholz selbst ja schon – eher aus Zufall – ein künstlicher Name für Reinhold Siebert ist. „Oft haben Kinder, aber auch Erwachsene Reinholz statt Reinhold gesagt und dann Reinholz, Brennholz…“, erklärt er dem Journalisten.

Nächste – laufend aktualisierte – Konzerttermine auf der Homepage – siehe Info-Block.

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Doppelseite aus dem Bilderbuch "Die Giraffe, die nicht in ihr Buch passte"

Mila ist angefressen, dass sie nicht in ihr Buch passt – oder doch?

Schon das Format des Buches und sein Titel deuten die darin enthaltene Geschichte an: „Die Giraffe, die nicht in ihr Buch passte“ ist nicht in einem hoch-, sondern in einem querformatigen Bilderbuch erschienen. Nicht nur auf die Titelseite passen da zwei Beine – und der Kopf nur, weil die Giraffe ihren Hals offenbar nach unten gestreckt hat und zwischen den Haxen verkehrt herum rausschaut 😉

„Mila war eingequetscht. Sie passte nicht auf die Seiten ihres Buches“, lauten dann die ersten beiden Sätze. Doppelseite für Doppelseite hat Yohali Gutiérrez Estrada Teile des Körpers dieses großen Tieres namens Mila gemalt – mal ein Stückerl Hals, dann wieder Bauch, Schwanz usw.  Mittendrin immer eine kleine menschliche Figur, die Autorin. Ihr will Mila eine Idee verklickern, wie sie doch ins Buch passen könnte.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Die Giraffe, die nicht in ihr Buch passte“

Hähhh? Wie kann eine Giraffe sprechen? Lässt die Autorin Haydée Zayas Ramos (Übersetzung aus dem Spanischen:  Jennifer Michalski) ihr kleines, gedrucktes Ebenbild fragen. Und gibt sich – in Person der Giraffe die logische Antwort: „Das hier ist ein Buch, und in einem Buch kann alles vorkommen. Nur ich nicht. Zumindest nicht ganz…“

Und dann erzählt die Giraffe die höchst logische Idee – die sei hier nicht verraten, du könntest ja vielleicht selber draufkommen 😉 Und wenn nicht, so soll dir das Buch doch noch Überraschendes bringen.

Möglicherweise ziehst du dann ja den Schluss, dass es auch bei Menschen so sein könnte, dass sie nicht in vorgegebene Formate passen, aber statt diese Menschen zurecht zu quetschen könnten eventuell ja Formate verändert bzw. angepasst werden 😉

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Die Giraffe, die nicht in ihr Buch passte“
Szenenfoto aus "Der Froschkönig Quak!"

Sehr witziger (Frosch-)König im Bällebad

Eine Riesenhetz – das sind die verwurschteten Märchen in der Reihe Classics for Kids im Wiener Rabenhof Theater und zwar noch mehr als die ebenfalls recht witzigen Bearbeitungen antiker Stoffe. Sowohl vom Buch und Regie (in beiden Fällen wie immer: Roman Freigaßner-Hauser) als auch von Schauspiel, Bühne und Kostümen samt Musik und Licht.

Nun also „Der Froschkönig“ mit Zusatz „Quak!“. Einiges an der Grundgeschichte bleibt: Zum Beispiel, dass der Prinzessin die goldene Kugel in den Brunnen fällt und ein Frosch sie wieder rausfischt. Ansonsten ist aber ganz schön viel anders.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der Froschkönig Quak!“

Zunächst einmal ist die Prinzessin, hier heißt sie Amalia (Elena Hückel), vom Vater oft liebevoll Mali genannt, keine arrogante Tussi, sondern die einzige mit Empathie, wenngleich nicht für Frösche, die hasst sie. Selbstbewusst hinterfragt sie die vorgegebenen Regeln, das höfische Zeremoniell und vieles mehr.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der Froschkönig Quak!“

Der Herr König, hier namens Friedbert, hat außer den hin und wieder – oft fast eher aus schlechtem Gewissen hingeworfenen liebevollen Bemerkungen nicht wirklich viel übrig für seine Tochter. „Ein Königreich regiert sich nicht von alleine…“ – vertieft in seine Amtsgeschäfte – und nicht einmal zuhören kann/will er ihr. Für ein Gespräch – wo denkst du hin.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der Froschkönig Quak!“

Zurückgesetzte Schwester

Außerdem gibt es neu erfundene Konstellation: Der König, der unter seiner weniger großen Körpergröße leidet und gern ein, zwei Köpfe größer wäre, ist der jüngere Bruder von Sieglinde. Die wäre gerne Königin und kann es nur deshalb nicht sein, weil – genau, ein Mädchen. Doch knapp nachdem Sympathie mit ihrem berechtigten Ärger über diese Zurücksetzung aufkommt, verspielt sie diese. Ihr Ehemann Maximillian (Bernhard Majcen wunderbar zwischen Ja-Sager und ein bisschen begriffsstutzig changierend), gleichzeitig königlicher Hüter der Wiesen und Wälder, solle mit dem König in den Wald gehen, ihn dort erschießen (Schneewittchen schau oba /herunter!), die Leiche vergraben und sagen, der Bär hätte ihn gefressen.

Dass es einen solchen gar nicht gibt – dem Volk einen „Bären aufbinden“ sozusagen als alten Spruch für neudeutsch Fake News verbreiten.

Überraschungen

Maximillian will das nicht – da stellt ihm seine Ehefrau die Rute ins Fenster: Wenn er’s nicht tue, werde er verbannt. „Was verbrannt?“ Vielleicht das eine oder andere Mal in den rund 1 ¾ Stunden zu oft kommt dieses Missverständnis vor, aber…

Was soll und darf schon verraten werden? Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… würde ja nicht so gern alles spoilern, wenngleich die Ankündigung auf der Website des Rabenhof Theaters schon mehr verrät…

Klar ist, der Frosch taucht auf und holt die in den Brunnen – ein wunderbares Bällebad, das beim Auftauchen so manche der kleinen Kugeln auch in Richtung Publikum „verspritzt“ – gefallene Kugel. Und der Frosch kann reden, allerdings ist er kein verwunschener Prinz, sondern – ach, im Absatz davor ist ja schon versprochen, dass dies – zumindest hier – ein Geheimnis bleibt. Wie auch immer dieser Frosch wird ebenso von Sebastian Pass gespielt wie der untergroße – zeitweise aus dem Weg geräumte – König.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Der Froschkönig Quak!“

Der Autor – und Regisseur – bringt noch die Hexe, pardon schwarze Magierin Solanathea, ins Spiel. Sowohl diese als auch die erst verhinderte, dann zwischenzeitlich doch Königin spielt Leila Müller ziemlich schön fies.

Und all das wie schon eingangs geschrieben voller (Spiel-)Witz – in einer Bühnen-Landschaft aus riesigen Bauklötzen. Da zum Glück auch die Premiere schon voller Kinder im Publikum war, kann eindeutig festgestellt werden: Großer Spaß, übrigens genauso für erwachsene Zuschauer:innen und zurecht langanhaltender, tobender Applaus.

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Szenenfoto aus "Balzen" im Dschungel Wien

Getanzte tierisch-menschliche Verhaltensweisen

Ein Wald aus bunten von der Decke hängenden Stoffbahnen, einer runden Tonne mit Luftlöchern, runden Scheiben… – Plötzlich klingt irgendwo noch aus dem Verborgenen tierähnliche Geräusche. Natürlich sind die von Menschen – schließlich spielt „Balzen“ auf einer Theaterbühne, der großen im Dschungel Wien (MuseumsQuartier). Nach und nach tauchen vier schauspielende Tänzer:innen oder tanzende Schauspieler:innen – wer weiß es zu sagen – auf, in (fantasie-)tierischen Posen und ebensolchen Geräuschen.

Abgeschaut und -gehört von echten Tieren, aber eben doch eigens künstlerisch verarbeitet, ziehen Michael Haller, Sarah Zsivkovits, Kajetan Uranitsch und Emmy Steiner, die erst nach ziemlich langer Zeit aus der schon genannten Tonne auftaucht, das Publikum in „Balzen“ in den Bann.

Gespannt – oft von Schmunzeln, manchmal auch von herzhaftem Lachen unterbrochen – verfolgen die Zuschauer:innen (am Besuchs-Vormittag von KiJuKU viele Kinder und teils Jugendliche mit ihren Klassen) das Verhalten der „Tiere“. Das im Übrigen in vielen Situationen auch nicht so anders ist als das von Menschen. Und das bei Weitem nicht nur in Balz-Phasen wo es um die Werbung zwecks Paarung geht.  

Beachte mich doch (endlich)!

Schau, was ich kann. Oder ich bin so groß und stark, beachte mich doch. Nachahmen von Bewegungen und Stimmen, Geräuschen anderer oder Druck, dass andere das eigene Verhalten kopieren. Bis hin zu Kämpfen um Reviere, den Bau einer heimeligen Wohnstatt mit Einladung an andere. Die dann vielleicht doch eher von außer- oder ungewöhnlichem Agieren eines anderen Wesen fasziniert sind…Vorsichtige, schüchterne Auftritte wechseln sich ab mit selbstbewussteren, die beeindrucken. Oder solchen, die vielleicht starkes Auftreten nur vorspielen…

Das schon genannte Quartett, das nicht ganz eine Stunde auf der Bühne agiert wurde bei der gemeinsamen Entwicklung von „Balzen“ noch von Sarah Gaderer bei der Stückentwicklung unterstützt, die auch für die Dramaturgie der Performance sorgte. Die wunderbar passende Bühne samt den fantasievollen Kostümen schuf Helene Payrhuber und das in dem Fall besonders wichtige Sound-Design und sowie das musikalische Coaching steuerte Elina Lautamäki bei, für die wechselnden Lichtstimmungen ist Christo Novak verantwortlich. (Künstlerische Mitarbeit: Tara Luger; Balz-Coach: Martina Rösler).

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Szenenfoto aus "A Handbook for the Israeli Theatre Director in Europe" von Théâtre Majâz, Frankreich/Israel beim Wortwiege-Festival in den Wr. Neustädter Kasematten

Unglaublich witzige (selbst-)ironische Performance zum Nahostkonflikt

So super wäre unser Stück gewesen, aber leider – Sie wissen ja, 7. Oktober 2023, jetzt mussten wir alles kübeln… Das ist sozusagen die Ausgangsthese von Ido Shaked & Hannan Ishay (Théâtre Majâz) für ihre rund einstündige Performance „A Handbook for the Israeli Theatre Director in Europe“. Und die vermittelt schon eine ordentliche Portion von (selbst-)ironischem Humor. Zu sehen, nein zu erleben, ist das „Handbuch für israelische Theaterregisseur:innen in Europa“ beim „Wortwiege“-Festival in der zum Kultur- und Veranstaltungsort umgebauten ehemaligen Wehranlage von Wr. Neustadt, den Kasematten (keine zehn Gehminuten vom Bahnhof entfernt übrigens).

Fußball?

Jetzt sei alles noch komplizierter, aber das was sie gehabt hätten samt einer großartigen „Metapher des Konflikts“, einfach jetzt nicht spielbar. Noch dazu, wo keine/r weiß, ob das Ausgedachte auch nur 1 ½ Minuten später noch richtig und aktuell ist…

Aber was machen wir jetzt? Sind doch schon eingeladen von einem großen – in der Performance (fiktiven) – Festival. Lass uns doch was völlig jenseits des Konflikts spielen. Zum Beispiel über Fußball.

„Ido: Fußball?
Hannan: Ja, Teams, Nationalhymnen, Stadien, die Europameisterschaft… Fußball ist eine großartige Möglichkeit, über Identität zu sprechen!
Ido: Also fangen wir damit an, gemeinsam die Nationalhymne im Stadion zu singen.
Hannan: Ja.
Ido: Und dann merkt das Publikum nach und nach, dass alles eine nationalistisch-faschistische Energie ist, und das Ganze ist eigentlich eine Metapher für den Konflikt.
Hannan: Ja – nur ohne den Konflikt!“

Nicht darüber reden und doch…

In ähnlicher Ton- und Spielart geht’s dahin – immer den Konflikt vordergründig aussparen und auf einer anderen Ebene doch sozusagen zu Wort kommen lassen. Trotz der Tragödie des realen Hintergrundes bringen die beiden das Publikum immer wieder zum herzhaften Lachen – nicht selten auch zu solchem, das dann doch irgendwie im Hals steckenbleibt.  Hannan Ishay, Reinhardt-Seminar-Absolvent (2011), lebt seit fünf Jahren wieder in Tel Aviv, sein kongenialer Bühnenpartner und Co-Stück-Entwickler Ido Shaked in Paris. Auch dieses Hier- und Dort-Sein wird zum Thema.

Sie beginnen ihre natürlich doch gespeilte Performance mit der Kommunikation (Telefon und eMail) mit dem schon genannten fiktiven Festival, um dann ein Jahr ablaufen zu lassen – mit handschriftlichen Tafeln mit Datums-Angaben. Start: 7. Oktober 2022, ein Jahr vor den koordinierten Angriffen und Morden der Hamas samt Entführung von damals mehr als 200 Geiseln. Das Duo bespielt aber genauso die breite Demokratie-Bewegung gegen den Versuch der rechtsrechten israelischen Regierung, das Justiz-System auszuhebeln. Aber die Minderheit an Demonstrant:innen, die auch auf Besatzung (palästinensischer Gebiete) aufmerksam machten kontert der eine dem anderen: „Dafür ist jetzt keine Zeit…“

Es gibt keine Worte, oder doch?

Hier noch ein Zitat zum ironischen Wechselspiel zwischen heikle Themen umschiffen und dann doch so „nebenbei“ anzusprechen:
„Hannan: … Aber wir haben noch nichts gesagt: Massaker, Geiselnahmen, Vergewaltigungen, Bombardierungen, Kinder…
Ido: Wir haben es gerade gesagt.
Hannan: Und was ist mit dem Krieg? Wir haben noch nicht einmal etwas über den Krieg gesagt?!
Ido: Okay, hier hast du es; wir haben auch den Krieg erwähnt.
Hannan: Was haben wir gesagt? Wir haben nichts gesagt! Wir gehen auf eine militärische Operation ohne absehbares Ende und ohne echte Ziele. Es werden 3-jährige Kinder im Gazastreifen entführt, wir bombardieren eine Zivilbevölkerung, die nirgendwohin fliehen kann… Ganze Familien, auf beiden Seiten, werden zerstört und weiter ausgelöscht.
Ido: Wir können nicht darüber sprechen. Es gibt keine Worte, um es zu beschreiben.“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „A Handbook for the Israeli Theatre Director in Europe“ von Théâtre Majâz, Frankreich/Israel beim Wortwiege-Festival in den Wr. Neustädter Kasematten

Die beiden spielen nicht nur voller (Spiel-)Witz und vermitteln Empathie – so wie sie die aktuell explosive Lage in Nahost thematisieren schwingt eine gewisse Allgemeingültigkeit unabhängig vom Ort des Geschehens mit. Detail-Info: Die beiden spielen auf Englisch – es gibt bewusst keine Übertitel, weil das Mitlesen zu sehr vom beeindruckenden Schauspiel sowie Mimik und Gestik ablenken würde; aber es gibt die deutsche Übersetzung der gesprochenen Texte auf der wortwiege-Homepage zum Download. Absolute Anschau-, nein Miterleb-Empfehlung – und an Veranstalter:innen, das Duo unbedingt einzuladen.

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „A Handbook for the Israeli Theatre Director in Europe“ von Théâtre Majâz, Frankreich/Israel beim Wortwiege-Festival in den Wr. Neustädter Kasematten
Doppelseite aus dem Bilderbuch "Gig Gürtelmull machts anders"

Ein kleiner Gürtelmull sucht seine Stärken

Sie gehören ja nicht gerade zu den tierischen Dauergästen in Bilderbüchern, kommen nur ganz selten vor, aber in diesem spielen sie die Hauptrolle: Gürteltiere. Viel mehr die kleinsten Vertreter:innen dieser Art, die Gürtelmulle. Und da – laut Wikipedia – wenig mehr bekannt ist als dass sie unterirdisch leben und sich von Insekten ernähren, bleibt natürlich auch viel Raum für Fantasie. Wobei das ja für Literatur im Allgemeinen und für Geschichten mit Tieren im Besonderen auch sonst meist gilt 😉

Wie auch immer, Nicole Pirker hat sich für ein Bilderbuch eine Familie Gürtelmull ausgedacht, die sozusagen Rampensäue sind. Alle möglichen Tiere strömen herbei, um zuzuhören und zuzuschauen wie Onkel, Mama, Oma und Cousin auftreten, spannend und/oder lustig erzählen und das Publikum unterhalten bzw. begeistern. Nur der kleine Gig, der ist traurig, weil ihm keine Auftritte gelingen wollen. Er hat zwar Ideen, aber auf der Bühne kriegt er keinen Ton raus.

Natürlich bleibt das nicht so. In „Gig Gürtelmull machts anders“ (müsste es nicht macht’s heißen?) findet die Hauptfigur schließlich ihre eigene Ausdrucksweise. Und die hat mit Musik zu tun. Nein, er singt nicht – mehr sei aber nicht verraten. Ein bisschen Überraschung soll schon bleiben – finde ich, auch wenn auf der Verlagsseite schon alles vorweg gespoilert wird ;(

Aber, selbst wenn, in Wirklichkeit geht’s in dieser – fantasievoll und wunderbar von Clara Frühwirth illustrierten, von der Autorin gereimten (auch wenn manche der gedichteten Zeilen ein wenig holpern) – Geschichte im Wesentlichen ja darum, dass nicht alle alles gleich gut können müssen oder sollen, sondern jede und jeder die eigenen Stärken erkennen und fördern möge.

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Gig Gürtelmull machts anders“
Szenenfoto aus "Sei kein Mann"

Versuch, tanzend Rollenbilder zu hinterfragen

Unbeschwert, voller Leichtigkeit spielen sich die drei Tänzer durch den Raum und mit ihren Papierfliegern. Da sind Petr Nedbal, Emanuel Rüfenacht und Flamur Shabanaj sehr junge Buben, einfach Kinder, die (noch) nicht auf Rollen fixiert, in Schubladen gesteckt, wurden. Doch damit ist’s recht bald vorbei.

Schnell und stark sein, obendrein immer mehr und besser als die anderen… – Konkurrenz als patriarchalisches Prinzip noch immer mit Männlichkeit engstens verbunden. Und das trotz jahrzehntelanger intensiver Diskussionen, in mehreren Wellen erstarkter Frauenbewegung und davon ausgelöst doch auch Debatten um neue Männerbilder, insgesamt Rollen jenseits altbackener Klischees…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Sei kein Mann“

Kollektiv F Bern ließ sich von dem Buch „Sei kein Mann“ von JJ Bola für das jüngste Stück inspirieren. Unter dem selben Titel zeigte es das Tanzstück am Abend des internationalen Frauentages beim „jungspund“ Theaterfestival für junges Publikum. Der (lyrische) Schriftsteller in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) geboren und ab seinem 6. Lebensjahr in London aufgewachsen, arbeitete nach seinem Masterabschluss in Kreativem Schreiben einige Jahre als Sozialarbeiter für Jugendliche mit psychischen Problemen. Doch schon als Jugendlicher hatte er sich in Tagebüchern und Gedichten mit männlichen Rollen-Zuschreibungen auseinandergesetzt.

Recherchen bei Jugendlichen und den eigenen Tänzern

Von dem 2019 (auf Deutsch ein Jahr später) erschienenen Buch ausgehend, arbeitete Kollektiv F Bern einerseits mit Jugendlichen in der eigenen Stadt und andererseits mit den drei Tänzern an der Verarbeitung eigener Erfahrungen sowie deren Reflexionen. Konzept, Recherche und Vermittlung stammen von Luzius Engel, die Choreografie von Vanessa Cook. Luz Gonzàlez als Live-Musikerin im seitlichen Bühnen-Vordergrund treibt sozusagen das Tanz-Geschehen an. Mirjam Berger steuerte nicht nur das Lichtkonzept zur rund einstündigen Performance bei, sondern agiert ebenfalls seitlich im Vordergrund der Bühne und setzt den jeweiligen Fokus.

Das Tanz-Trio „erinnert“ sich teils an eigene Jugend-Szenen, so bekennt einer sich schuldig, gegenüber seiner Schwester bevorzugt worden zu sein…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Sei kein Mann“

Me Culpa, Konkurrenz und Kampf, Reflexionen, Versprechen zur Besserung, Ansätze diese auch im Umgang miteinander zu versuchen… – noch immer ein Minderheitenprogramm. Vielleicht aber auch nicht der ideale Ansatz, um Jungs oder Männer zu einem Umdenken bzw. noch wichtiger einer Änderung von Verhalten zu bewegen?

Neu definieren

Möglicherweise ist schon der Titel nicht ideal, lautet die wörtliche Übersetzung des englischen Originals doch „Maske ab: Männlichkeit neu definiert“, und selbst der deutsche Untertitel (Übersetzung: Malcolm Ohanwe) gibt weit mehr her als der Stück- und Buchtitel, nämlich „Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist“.

Und das ist vor allem JJ Bolas Ansatz, eigenes Erleben, Erkenntnis in der Arbeit mit männlichen Jugendlichen und der Tenor des Buches: Klassisch männliche Rollenbilder als gewaltige Einschränkung für Buben und Männer – kaum bis keine Gefühle zulassen dürfen … – das kommt in so manchen der Szenen zwar ansatzweise vor – aber insgesamt wirkt die Performance ein wenig stark pädagogisch durchzogen von erhobenem Zeigefinger.

Da hätte wenigstens ein Spur vom Zugang zur „Greulichen Griselda“ des Vorstadttheaters Basel ganz gut getan – Rollenklischees mit einem kräftigen Schuss Humor zu durchbrechen und damit in Frage zu stellen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Sei kein Mann“

Blicke weiten, öffnen

Wobei es auch einen kulturell eingeschränkten Blick gibt, verblüfft doch Bola in seinem Buch schon im Vorwort mit folgender Frage, die er aus eigenen Erfahrungen ableitete: „Wie konnte es sein, dass es in einem Teil der Welt völlig normal war, wenn zwei Männer sich an den Händen hielten, während die Menschen in einem anderen Teil der Welt stehen blieben und starrten?“

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Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.

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KiJuKU-Interview mit der Festival-Leiterin –
aber schon bei der vorigen „jungspund“-Ausgabe

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Sei kein Mann“
Szenenfoto aus "Greuliche Griselda" vom Vorstadttheater Basel (Schweiz)

„Bääääh, sicher nicht!“ – ein bärinnenstarkes Mädchen pfeift auf Regeln

In die Schlussphase des diesjährigen (vierten) „jungspund“ Theaterfestivals für junges Publikum im Schweizer St. Gallen fiel der internationale Frauentag am 8. März. Den fulminanten Schluss- und für viele sogar Höhepunkt setzte anderntags „Greuliche Griselda“ vom Vorstadttheater Basel. Ausgehend von dem Bilderbuch gleichen Namens von Edna Mitchell Preston (1973) entwickelten Regisseurin (Gina Durler) und Spieler:innen gemeinsam eine lustvolle und spielfreudige Version dieser „greulichen“ Variante einer Art Pippi Langstrumpf, also eines bärinnenstarken Mädchens – und einer ebenfalls sehr selbstbewussten schrägen Tante. Etliche Stücke beim Festival thematisierten andere Buben- und Männerbilder – alle von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… besprochenen Stücke am Ende des Beitrages verlinkt, „Sei kann Mann“, das direkt am Abend des Frauentages getanzt wurde, folgt erst noch.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Greuliche Griselda“ vom Vorstadttheater Basel (Schweiz)

Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden. Da können die Eltern noch so bemüht, liebevoll sein und versuchen, auf die Wünsche der Tochter einzugehen. „Bääääh! Sicher nicht!“ schallt es ihnen entgegen. Viel mehr noch als Ohnmacht und Verzweiflung bereitet ihnen Sorge, dass die reiche Tante des Vaters, nach der sie aus Erbschleicher-Gründen ihre Tochter benannt haben, sei enterben könnte. Da wollen sie Vanillje, das nette Mädchen aus der Nachbarschaft, beim Tante-Besuch als ihr eigenes Kind ausgeben. Doch die durchschaut den Trick und will die echte junge (Namens-)Großnichte sehen. Und genau deren aufmüpfiges, freches, unbekümmertes Wesen gefällt ihr – sehr sogar!

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Greuliche Griselda“ vom Vorstadttheater Basel (Schweiz)

Not- wurde Super-Lösung

Erst aus der Not der abhanden gekommenen Schauspielerin geboren, wie Dramaturgin und Produktionsleiterin Ronja Rinderknecht im Inszenierungsgespräch verriet, erwies sich die Entscheidung die junge Griselda mit einer Puppe (erstmals in dieser Theatergruppe) zu besetzen als absoluter Glücksgriff. In ihrem auf hässlich designten, gleichzeitig große Sympathie ausstrahlenden Gesicht (Puppenbau und -spiel: Priska Praxmarer) be- und verzaubert sie das Publikum, zumindest den Großteil 😉 Außerdem kann sie als Puppe Dinge, die eine menschliche Spielerin nicht so leicht zustande brächte – etwa auf einem Luster turnen.

Praxmarer, die die Puppe führt, schlüpft anfangs in die Rolle einer Bediensteten in Livree. Ihr Partner als „Personal“ ist Tobias Schulze, der allerdings vor allem in der Rolle der Tante Griselda auf andere Art aber doch „griseldisch“ wirkt.

Grandioses Ensemble

Den Reiz dieser nicht ganz 1 ¼-stündigen Produktion macht nicht zuletzt das bewusst disharmonische und doch in seiner Spielfreude harmonische Ensemble aus. Neben den schon Genannten agieren Bea Nichele-Wiggli als liebe- wie verständnisvolle, aber doch verzweifelte Mutter ebenso wie Florian Müller-Morun als gleichwertiger Vater – mit kleinen doch eher klischeehaft zugeordneten Tätigkeiten. Beide schlüpfen aber noch in andere Rollen. Sie wird zur lieblichen, oberg‘scheiten, superbraven Vanillje. Er verschwindet in einem Fell, das zu Beginn ein Mammut im Museum, später einen Teppich „spielt“ und schließlich zu einem Monster namens Gruselfies wird, pardon Griselfuß wie Griselda es gezähmt nennt.

Abgerundet wird diese Inszenierung nicht zuletzt durch die Bühne (Fabian Nichele), auf der die meisten Einrichtungsgegenstände zunächst irgendwo weit oben unter der Decke hängen, von den Spieler:innen im Bedarfsfall per Seilzug heruntergeholt und auch wieder nach oben verfrachtet werden. Ebenso überzeugen die jeweiligen Kostüme (Benjamin Burgunder).

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KiJuKU-Interview mit der Festival-Leiterin –
aber schon bei der vorigen „jungspund“-Ausgabe

Szenenfoto aus
Die Puppe und ihre Spielerin – und Schöpferin
Szenenfoto aus "Spring doch"

Zum Trotz ein Mut-Anfall mit Zweifeln

„Ich gump hüt vom grosse Schprungbrätt!“ – auf Hoch- oder Standarddeutsch „ich spinge heute vom großen Sprungbrett!“ Und zwar von 3 Metern. Darum dreht sich das knapp mehr als ¾-stündige Tanzstück.

Eine Schülerin – ziemlich einsam auf dem Spielfeld. Zwölf große Kunststoff-Kanister mit jeweils rund einem Fünftel Wasser befüllt, eine Kreide und ein Handtuch. Mit den beiden Objekten „zaubert“ sie Licht bzw. Musik herbei. Ansonsten sind kurzzeitig – aus dem Off – Kinderstimmen zu hören, wen sie jeweils für ein Teamspiel wählen; viele Namen fallen. „Natürlich“ bleibt unsere Protagonistin als Allerletzte übrig.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Spring doch“: Tanz auf und mit Objekten

Und wie Tina Beyeler (Tanz und Choreografie) tänzerisch, von der Körperhaltung und mimisch agiert, sicher nicht zum ersten Mal, wahrscheinlich immer wieder.

Denen wird sie’s zeigen – und sie tätigt den oben zitierten Spruch in einem der Deutsch-Schweizer Dialekte in „Spring doch“ von Kumpane Schaffhausen (Text, künstlerische Mitarbeit: Andri Beyeler; Komposition: Sandro Corbat). Zum ersten Mal fährt sie, die offenbar sehr jung ist, allein mit dem Bus. Ziel: Schwimmbad.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Spring doch“

Aber so easy ist das alles doch nicht. Da schwingen ganz schön viel Bammel, Angst und Zweifel mit – neben dem Trotz und Mut. Und genau dieses Hin und Her lässt die Tänzerin – in ihren teils akrobatischen Bewegungen – ob mit oder ohne die Objekte, vor allem die genannten 12 Kanister spüren, miterleben – wenngleich es vor allem jüngeren Kindern ein wenig zu lang wurde bei der Aufführung im Rahmen von „jungspund“, dem Theaterfestival für junges Publikum in der Lok-Remise von St. Gallen (Schweiz).

Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Rita“ von Heinz Janisch (Idee und Text) und Ingrid Godon (Illustration)

Rita: Ein anderer Mut am 3-Meter-Brett

Ein wenig erinnert die Geschichte an das Bilderbuch von Heinz Janisch (Illustration: Ingrid Godon; Verlag: Bloomsbury K & J), das vor elf Jahren mit Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet worden ist.

Rita, ein Mädchen mit roter Badekappe, schickt sich an, vom 3-Meter-Brett zu springen. Schaut hinunter. Lange. Kehrt dann aber um, und steigt die Leiter hinunter – zum 1-Meter-Brett. Doch auch da springt sie nicht. Was ein Junge im Schwimmbad lautstark mit „Feigling“ kommentierte.

„Fische springen nicht von Türmen“, konterte Rita schlagfertig, schwamm davon und tauchte dazwischen. Das beeindruckte einen anderen Jungen, der am Beckenrand saß und überlegt hatte, welch beeindruckende Dinge und Menschen er schon in seinem Leben gesehen hatte. Doch nichts von dem, das vor seinem geistigen Auge dahinhuschte reichte an diesen Mut Ritas heran!

In „Spring doch“ endet die Geschichte dann doch anders – das sei aber nicht gespoilert.

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KiJuKU-Interview mit der Festival-Leiterin –
aber schon bei der vorigen „jungspund“-Ausgabe

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Spring doch“
Szenenfoto aus "Urknall"

Neue Stücke: Wie geht’s der Erde und den Menschen auf ihr?

„Erde, wie geht’s dir?“ fragen Nora Vonder Mühll & Stefan Colombo (Theater Sgaramusch) die Kugel, die sie an einem langen von der Decke baumelnden Seil aufgehängt haben. Zuvor haben sie per Schnur und Kreide einen großen Kreis auf den Boden gezeichnet, aus einer Tasche verschieden große Bälle und so manch anderes Zeugs herausgeholt – ein Universum „erschaffen“. In und mit diesem spielen sie in „Urknall“. Das heißt eigentlich zeigten sie nur zehn Minuten daraus. „Schaufenster“ nennt sich das Format, das am „jungspund“-Abschlusstag des Theaterfestivals für junges Publikum im Schweizer St. Gallen einen Einblick in aktuelle – teils erst entstehende – Produktionen für Kinder bzw. Jugendliche geben will.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wir sind dann mal weg“

Ebenfalls – aber auf ganz andere Art und Weise laden Bharathi Mayandi Franaszek, Stephanie Müller, Matthias Nüesch von pulp.ooo auf eine Zeitreise zum Beginn wenigstens des Lebens auf der Erde ein: „Wir sind dann mal weg“ ist ein Wechselspiel zwischen menschlichen Schauspieler:innen, Figuren und der Zeitmaschine Solveig, einer Art Licht-Puppe, sowie physikalischen Experimenten mit Wasser, flüssigem Stickstoff und vielem mehr (Letzteres bei der Präsentation als Video-Einspielungen). Und der Titel deutet an, dass vielleicht auch die Frage verhandelt wird, wieweit die Menschheit mit ihrem Tun oder Unterlassen an ihrer eigenen Abschaffung und der so manch anderer Arten arbeitet.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Bestiarium – Varieté der vergessenen Tiere“

Sehr großen Anklang fand die Performance von Annina Mosimann über das Zusammenleben von anfangs nur als Hände oder Füße auftauchenden menschlichen Körperteilen aus kleinen Klappen einer großen senkrecht aufgestellten Kiste mit Tieren wie einer Fliege, Ratte, Spinne usw. und dazu noch der Bedienung einer Loopstation und eines kleinen Tasteninstruments. „Bestiarium – Varieté der vergessenen Tiere“, nennt sie ihre Show.

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Szenenfoto aus „Echo Echo“

An Beppo, den Straßenkehrer in Michael Endes Momo, erinnert der erste Moment in „Echo, Echo“ von theater salto&mortale. Doch hier geht’s um das Zusammenleben in einem abgeschiedenen Dorf – und das als „Eindringen“ empfundene Auftauchen eines Fremden sowie um Warnungen der Raben vor einem drohenden Bergrutsch – und das nicht-zuhören der Einheimischen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Giraffenblues“

Apropos Aufkehren und Putzen – in „Giraffenblues“ (kuckuck-Produktion) entert ein Reinigungstrupp das Museum (entstanden in Kooperation mit dem Zoologischen Museum der Universität Zürich) oder den jeweiligen Spielort. Eigentlich sollte hier ein Theaterstück stattfinden, aber… – ein Trick, den so manche Theatergruppe schon angewandt hat: Die Putzbrigade spielt einfach ein, nein DAS Stück. Und dieses nimmt Anleihe bei einer wahren Begebenheit: 1935 wurde eine in Giraffe  damals in Tanganjika (heute Region zwischen Tanzania und Kenia) gefangen und in die Schweiz transportiert, wo sie in den Züricher Tiergarten kam.

„Giraffenblues“ (Regie: Roger Nydegger) rückt allerdings den Einreiseversuch unter die Lupe: Giraffe keein Problem, die lassen Mira Frehner und Andreas Peter als Grenzbeamt:innen durch. Doch den menschlichen Begleiter und Betreuer Mokassa, gespielt von Robert Achille Gwem, den wollen sie nicht reinlassen. Was vielleicht heute nicht viel anders sein könnte, oder?!

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Red“

Natürlich spielen Themen wie Umgang mit Social media, Influencer:innen-(Möchtegern-)Dasein usw. in so manchen Stücken eine wichtige Rolle. Red von Merge Dance Collective ist so ein (Tanz-)Stück – noch dazu mit viel Humor. Linda Heller & Audrey Wagner tauchen in typische TikTok-Posen ein: Zack, Boom, Bäm – 100.000 Follower – oder doch nicht. Nein, wir sind doch ganz anders, wir sind ehrlich, authentisch und so weiter – oder auch das wiederum nur ein Marketing-Gag?

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das ist die Moral der Geschichte, Liebling“

Noch krasser – selbstironisch und doch fast nichts anders als die Wirklichkeit so mancher TV- und Online-Shows aufnehmend, agiert Linda Hügel (Text: Fiona Schreier; Regie: Johanna Benrath) in „Das ist die Moral der Geschichte, Liebling (netzwerk wildi blaatere). Erst mit Riiiiesen-Mikro über die Auflösung der Moral philosophierend, wandelt sie sich zur Show-Masterin, die das Publikum auf Teufel-komm-raus animiert – und manipuliert.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Unter Drachen“

Auf ganz andere Art animiert Nadja Rui als Kind Ira das Publikum – durch die Reihen spazierend, einzelne Zuschauer:innen ansprechend verwandelt sie diese beispielsweise abwechselnd vor allem in ihren Opa. „Unter Drachen“ (Text: Hanna Röhrich; Regie: Patricija Bronić) ist eigentlöich konzipiert, um in einem eigenen großen Kuppel-Zelt gespielt zu werden – auf engem Raum mit dem Publikum. Und es geht um den Tod des Großvaters bzw. die Erinnerung an ihn und seine nach und nach verloren gegangenen Erinnerungen als er noch gelebt hat.

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Szenenfoto aus „Die Geschichte von Lena“


Um (analoges) Mobbing, vor allem im Zusammenhang mit dem Vertrauensbruch einer engen Freundin dreht sich „Die Geschichte von Lena“ (Theater Spielfeld/theater fabula!), gespielt von Lisa Gartmann und Eliane Blumer.

Szenenfoto aus
Foto zu „Encylopedia“

Den humorvollen Abschluss des Schaufensters – die echte Reihenfolge unten im Info-Block (nicht hier in diesem Beitrag) performten (abwechselnd Tanz und Sprache) Lucia Gugerli und Christophe Rath von der Cie Nicole Seiler, von der auch das Konzept und die Choreografie stammt. „Encyclopedia“ versteht sich als eine solche – von Gesten, Begriffen und Bezeichnungen. So wird die eine zum Strich, Winkel, einer Statue, gleich danach zu einer gestürzten Statue, der andere zum Äffchen, einem Disco-Move on repeat, einem Hochhaus und Godzilla, der ein solches zerstört…
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KiJuKU-Interview mit der Festival-Leiterin –
aber schon bei der vorigen „jungspund“-Ausgabe

Szenenfoto aus "Souhung"

(Sau-)hündische Liebes-Suche

Der Solist, Darsteller des 15-Jährigen Protagonisten Benni, switcht in Sekundenschnelle in die Rollen seines strengen, auf Militärdrill programmierten Vaters, der überfürsorglichen Gluckhennen-Mutter ebenso wie in die des von ihm zunächst angehimmelten Stars, des Musikers Fögi. Gleich nach dem mittlerweile Rolling-Stones-urgesteins Mick Jagger siedelt er ihn an. Und es wird mehr daraus – eine Beziehung – anfangs von beiden Seiten auf Liebe aufgebaut.

„Souhung“ heißt das Stück, das beim „jungspund“-Festival für junges Publikum in der Lok-Remise von St. Gallen (Schweiz) zu sehen war. Es basiert auf dem Roman „ter fögi ische souhung“ von Martin Frank. Im Jahr 1979 als er ihn veröffentlichte, wollte ihn kein Verlag drucken, zu skandalträchtig schien die Liebesgeschichte eines schwulen Paares. Die doch mehr als problematische Konstellation eines Jugendlichen mit einem Mitt-20-Jährigen schien weniger Thema gewesen zu sein. So publizierte der Autor damals im Eigenverlag – übriggebliebene Originalausgaben gibt’s rund um die Vorstellungen. Im Vorjahr veröffentlichte der Menschenversand Verlag das Buch neu.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Souhung“

„Wär meint sig wohr ische spinnsiech, s’isch aus erfunge.“ Dies ist eines der Zitate aus „Souhung“ – in der Originalsprache. Der schon genannte Spielort ist ein Hinweis – doch kein hinreichender. Der Satz – und all die anderen im Stück ebenso wie in dem Roman, auf dem es basiert – ist in Bern-Deutsch. Es handelt sich um einen der vielen, teils sehr unterschiedlichen Dialekte des schweizerischen Deutsch. Schwyzerdütsch wird von vielen als Begriff rundweg abgelehnt: „Das gibt es nicht, es gibt nur die verschiedenen regionalen Deutsch-Varianten, Hoch- oder Standard-Deutsch empfinden viele als die erste Fremdsprache, die sie mit Schuleintritt lernen.

Sprache und Story

Die Originalsprache war ein wichtiges Element für den Schauspieler Max Gnant, um dieses Stück mit der vanderbolten.production Zürich zu verwirklichen (Regie, Dramaturgie: Maria Rebecca Sautter, David Koch). Noch wichtiger aber war ihm die Story und wie sich der Autor in die Gefühlswelt eines Heranwachsenden, seine Ängste, Zweifel, Ausbruchsversuche aus den elterlichen und gesellschaftlichen Vorgaben hineindenken konnte. Durchaus auch die fast anarchistische Scheiß-dir-Nix-Sprache, die die Grundstimmung unterstreicht – auch wenn des Berndeutschen nicht mächtige Zuschauer:innen wie der Rezensent von dieser bestenfalls etwas erahnen konnte 😉

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Souhung“

Vom Aufblühen bis zur Toxizität

Im stark tänzerischen, teils sogar akrobatischen Schauspiel verkörpert Gnant zunächst einen verschlossenen, fast verstockten Jungen, der in Liebe – allen Anfeindungen zum Trotz – aufblüht und dann doch an der toxisch werdenden Beziehung zerbricht. Machtgefälle zwischen Star und Anhimmler einerseits, der Altersunterschied spielt dann doch eine Rolle. Aber auch der ständige Drogenkonsum, die Suche nach Sinn und Leben-wollen des Jungen (mittlerweile 17 Jahre) auf der einen und das „es hat eh alles keinen Sinn“ des zehn Jahre Älteren endet tödlich – für Letzteren. Und der nunmehrige Leere Bennis.

Das alles spielt sich in einer dichten Stunde voller Emotionen auf einer aus mehreren flexiblen Elementen ständig veränderbaren Bühne (Szenografie, Bühnenbau: Lea Niedermann) ab – und ist nicht vor fast einem halben Jahrhundert angesiedelt. Über die konkrete Story hinaus vermittelt das Schauspiel und die Inszenierung durchaus zeitlos und von handelnden Personen und Konstellationen unabhängig hautnah Suche nach Anerkennung und Liebe einerseits und die Qualen von Beziehungen mit Machtgefälle.

Ach, übrigens der oben zitierte Satz – aus dem Stück – „Wär meint sig wohr ische spinnsiech, s’isch aus erfunge“ – bedeutet übersetzt: „Wer meint, es sei wahr gewesen, spinnt, es ist alles erfunden.“

Tönt recht ähnlich

PS: Im Vorjahr erschien in Deutschland ein zwischenzeitlich auch gehypter Roman unter dem Titel „Sauhund“. Geständnis: Kenne ihn (noch) nicht, aber Sätze des Verlags (Hanser) über Lion Christs Debütroman machen schon stutzig: „München, 1983. Flori kommt vom Land und sucht das pralle Leben, Glanz und Gloria, einen Mann, der ihn mindestens ewig liebt. Er ist ein unverbesserlicher Glückssucher und Taugenichts, ein Sauhund und Optimist. … und so weiter“ Da erinnert doch so manches vom Plot her an Martin Franks „ter fögi ische souhung“;(

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aber schon bei der vorigen „jungspund“-Ausgabe

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Souhung“
Titel des Eröffnungs-Vortrages "Sprache pas de Problema?!"

„Sprache pas de Problema?!“

Die Schweiz – auf den ersten Blick und in vielen Köpfen wohl DAS Land der Vielsprachigkeit in Europa. Französisch, Italiens und Rätoromanisch (wobei es da mehrere Sprachen gibt) neben Deutsch – und letzteres vor allem in verschiedenen Dialektausprägungen. „Hochdeutsch ist für viele im deutschsprachigen Teil des Landes die erste Fremdsprache“, sagte ein Teilnehmer des Symposiums „Theater für junges Publikum in einem vielsprachigen Land“. Dies fand am vorletzten Tag des Festivals „jungspund“ (nicht nur) für junges Publikum statt.

Grenzen und Gräben

Aber ist es wirklich so? Die verschiedenen Sprachen in der Schweiz seien eher strikt getrennt, voneinander abgegrenzt. Zweisprachige (Deutsch und Französisch) Städte und Orte wie Biel würden beispielsweise von St. Gallen aus „exotisch“ betrachtet und „Röschti-Graben“ wäre tatsächlich eine Art Graben zwischen Landesteilen unterschiedlicher Sprachen (die selben zwei) tönte es mehrfach.

Luxemburg

Und so holten sich die Organisationen – neben dem Festival noch die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur in Kooperation mit dem Institut für Theaterwissenschaft der Uni Bern und die Pädagogische Hochschule St. Gallen – zum interessanten Eröffnungsvortrag eine führende Mitarbeiterin von Rotondes: aus Luxemburg. Sie ist in dieser ehemaligen Lok-Remise – eine solche ist auch in St. Gallen Hauptspielort des genannten Festivals – für die Sparten Bühnenkunst und partizipative Projekte zuständig.

Gelebte Mehrsprachigkeit

Luxemburgisch, Deutsch und Französisch seien überall im Land allgegenwärtig, auch in der Schule präsent, wenngleich da und dort die eine oder die andere Sprache dominiere. Mit Englisch sei eine vierte Sprache weit verbreitet, außerdem würden Erst- oder Muttersprachen mittlerweile auch gefördert. Die Hälfte er Bevölkerung komme aus anderen Ländern, in der Stadt Luxemburg sogar mehr als zwei Drittel (70%). Diese Vielsprachigkeit und Multikulturalität werde gelebt und gefördert, dennoch achte sie bei der Progammierung darauf, immer wieder auch Produktionen ohne Worte einzuladen, um gar keine sprachlichen Barrieren aufkommen zu lassen. Inklusion und sprachliche Brücken seien sozusagen die Zauberwörter, weshalb sie auch „Sprache pas de Problema?!“ zum Titel ihres Referats wählte – das sich Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… auch für diesen Beitrag ausgeborgt hat. Sie selbst habe sich dazu vom Slogan des Export/Import-Kulturfestivals im belgischen Brüssel (von La Montagen Magique und Bronks) inspirieren lassen „Language – no problem!“

Vielsprachige Kinderbücher

Zurück zur Schweiz: Dabei hat diese nicht nur vier verschiedene Landessprachen, sondern eine Pionierin der Förderung von Mehr- und Vielsprachigkeit im elementarpädagogischen Bereich. Silvia Hüsler begann selber als Kindergärtnerin vor Jahrzehnten Kinder zu bitten, Gedichte, Lieder und Geschichten aus ihren Herkunftssprachen mitzubringen. Vor allem Reime sind immer für praktisch alle Kinder spannend – oft egal in welcher Sprache. Seit „ewig“ veröffentlicht sie mehrsprachige Bilderbücher – zuletzt hat KiJuKU „Besuch vom kleinen Wolf“ besprochen – im Buch sind acht Sprachen versammelt – über die Website kann der Text in weiteren fast zwei Dutzend Sprachen downgeloadet werden.

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"Drehereien" - die diesjährige hölzerne Installation von Kollektiv hochhinaus fürs jungspund-Festival

Drehereien nach Loichtgehoier

Künstlerisch verspielte Gebilde erinnern an eine Art von Zahn-, andere an Spinnräder. In Sonnenstrahlen- und anderen Formen, teils aus bunt bemalten Holzstäben sind sie neben dem Schriftzug des Festivals vor der „Lok-Remise“ angebracht. Mit Schnüren verbunden lassen sie sich an zwei verschiedenen Kurbeln zum Drehen bringen. Andere stehen in dem Halbrund der einstigen Garage für Lokomotiven.

Seit vielen Jahren beherbergt die Lok-Remise gleich neben dem Bahnhof St. Gallen (Ost-Schweiz) Zwei Theater- bzw. Veranstaltungssäle, ein Kino, einen Restaurantbetrieb. Dort gehen die meisten der Stücke beim vierten „jungspund“-Festival (nicht nur) für Kinder und Jugendliche über die Bühnen.

Die hölzernen Installationen stammen vom „Kollektiv hochhinaus“. Bei der vorigen Ausgabe, zu der Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… ebenfalls für einige Tage eingeladen war, werkten Künstler:innen des Kollektivs an einem (Leucht-)Turm und luden Besucher:innen dazu ein, mitzubauen. Dieses Mal nennen sie ihr Werk „Drehereien“ und baute dafür die eingangs getriebenen „Maschinen“-Teile.

Mit echtem Werkzeug!

An einem Tag – Pech, es war jener an dem es schneite – durften Besucher:innen aus Holz und Schrauben bzw. Nägel „Roboter“ bauen. Die beiden Buben Liam und Joel ließen sich von dem nicht einladenden Wetter nicht abhalten, unter einer Zeltplane erfreuten sie sich daran, mit echtem, ungehobeltem Holz zu arbeiten und mit einem Akku-Schrauber Leisten zusammenzubauen. Beide verraten, dass „wir gerne basteln, aber bisher nur mit Papier oder Karton. Das hier ist das erste Mal mit Holz und richtigem Werkzeug.“

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Doppelseite aus "Mit Felix durch Österreich"

Habidere, lieber Felix in Österreich

Felix, der wohl berühmteste Plüsch-Hase, urlaubt mit Sophie und ihrer Familie (aus dem deutschen Münster) in Bregenz am Bodensee – in Vorarlberg, dem westlichsten Bundesland Österreichs. Am Abend besuchen sie den Seebühne und mitten in der Aufführung kriegt Felix einen riesigen Schrecken, springt über den Rand der Publikums-Tribüne und landet auf einem offenen Lieferwagen.

Schreck, der Hase ist weg

Schreck für beide – das Kind Sophie und ihr Kuscheltier. Doch dies ist nur der „Trick“ von Autorin Annette Langen für eine neue Reise – dieses Mal eben durch Österreich – natürlich wieder mit Zeichnungen von Constanza Droop. Übrigens lassen die beiden ihren Reise-Hasen heuer seit genau 30 Jahren Briefe an seine junge Besitzerin schicken. Im Namen von Felix verfasst die Autorin Briefe von einigen der Stationen auf der jeweiligen Reise. Im Buch kleben auf Seiten Briefkuverts, in denen diese Nachrichten in einer handschrift-ähnlichen Computerschrift stecken – zum Rausnehmen und Auffalten. Und ja, du darfst sie gerne lesen – oder dir vorlesen lassen, hier wird kein Briefgeheimnis verletzt 😉

Fliegen mit Adele

Aus Österreich – das Felix nun von Vorarlberg über Tirol, Salzburg und so weiter durchreist – kriegst du über den Umweg an „meine liebe Sophie“ ein halbes Dutzend Briefe, eine Postkarte und den gezeichneten Stadtplan von der Wiener Innenstadt. Felix fliegt mit Adele, der Adlerin aus dem Österreich-Wappen, fährt per Schiff, Fiaker und nicht zuletzt in Wien auch im Kreis mit einer Gondel auf dem Riesenrad im Prater. Apropos Wien – die bekannten, jedes Jahr neu eingefärbten, Sitz und Liegemöbel im MuseumsQuartier (genannt Enzis nach der damaligen Geschäftsführerin der MQ-Gesellschaft) sieht Felix als überdimensionale Telefonhörer an.

Ein bisschen verwirrend ist, dass die Gletscher-Mumie, die liebevoll Ötzi genannt wurde, aus dem italienischen Südtirol fast nach Österreich eingemeindet wird – auf der Landkarte auf der Vorsatzseite ist’s allerdings richtig eingezeichnet.

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Mit Felix durch Österreich“

Regionale Wörter

Aus Wien sendet Felix ein paar regionale Bezeichnungen für Lebensmittel – samt Erklärung von Palatschinken (Pfannkuchen) bis zu Himbeerkracherl (Saft/Limonade). Die Zuordnung für den Gruß „Habidere“ nach Kärnten ist allerdings ein wenig… – sagen wir verpeilt, ist das zusammengezogene für Habe die Ehre doch eher im Osten und Norden Österreichs ebenso wie im bayrischen Süddeutschland üblich.

Apropos Sprachen – fein wäre gewesen, wenn Felix entweder in Kärnten oder im Burgenland wenigstens auf die eine oder andere in Österreich anerkannte Volksgruppensprache – Slowenisch, Burgenlandkroatisch, Ungarisch, Romanes – gestoßen wäre 😉

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Titelseite von
Titelseite von „Mit Felix durch Österreich“
Szenenfoto aus "Stereo-Typen - From Zero to Hero"

Rausgeflogen – und doch gelandet ;)

Vor der Garderobe mit einigen Jacken und Kappen treffen sie zufällig aufeinander. Robert Suter, der lieber nur Robi heißt. Wieder einmal aus der Klasse geschmissen, weil er so schnell denkt und das auch lautstark zum Besten gibt. Freut die Lehrer:innen gar nicht. „I bin dus, rausgeflogen“ beginnt er halblaut vor sich hin zu dichten und das noch dazu rhythmisch – es wird zum Song.

Da landet auch Rico Hernandez auf dem gemeinsamen Gang – er aus einer anderen Klasse und weil er als Neuankömmling wenig bis nichts versteht, voll verzweifelt ist.

Beide sind Außenseiter. Und nicht nur das. Beide haben wenig, naja ehrlicherweise jeweils gar keine Freund:innen. Und noch etwas verbindet sie: Liebe zur Musik – und zwar nicht nur solche zu hören, sondern auch selber zu machen.

Und das tun Gustavo Nanez (Rico) und Dominik Blumer (Robi) auch live – mit E-Gitarre (Letzterer), E-Bass bzw. Schlagzeug der zuerst Genannte. Mehrmals im Verlauf des rund einstündigen Stücks für Menschen ab 8 Jahren beim Theaterfestival „jungspund“, dieses Stück im FigurenTheater St. Gallen (Schweiz), die meisten finden in der umgebauten ehemaligen Lok-Remise neben dem Bahnhof statt. Der Stücktitel von „Kolypan und Teatro Lata“ sei hier erst – aus guten Gründen – gegen Ende verraten.

Freundschaft mit Mutproben

Die Liebe zum Musikmachen (neben Computerspielen) ist die beste Voraussetzung, die andere Gemeinsamkeit der beiden zu beenden: Sie werden Freunde. Sogar durch Dick und Dünn. Heimlich schleichen sie sich in den Proberaum der Schule, der ohnehin praktisch nie genutzt wird. Außerdem schwänzen sie einen Tag die Schule und weil sie nach der Übernachtung im Proberaum hungrig sind, klaut Robi – Rico steht Wache, „weil mich aus Ausländer haben sie ohnehin immer im Auge – Lebensmittel im Supermarkt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Stereo-Typen – From Zero to Hero“

Intensiv üben sie Songs für das Abschlusskonzert in der Schule – und machen groß Werbung für die nun von ihnen gegründete Band. Deren Namen (der auch der Stücktitel ist – Geduld noch!) sprayen sie groß unter anderem auf die Turnsaalwand. Das allerdings gibt Zoff. Vorladung in die Direktion.

Verrat, Bruch und …

Ärger aber noch als der Zusammenschiss und die Kosten fürs Entfernen des Schriftzuges sind die nun auftauchenden gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die neue Freundschaft zerbricht.

Natürlich doch nicht. Bei der Wendung (Regie: Meret Matter; Textmitarbeit neben den beiden Spielern: Julia Kubik) zu einem doch noch Happy End schlüpfen die musizierenden Spieler in die Rollen ihrer beiden Väter – leicht anderes Gewand, andere Körperhaltung, veränderte Sprachfärbung. Doch so glatt geht’s dann doch nicht.

Wenn der Ton von beiden Seiten kommt 😉

Sehens- und vor allem hörenswert sind die entfesselten Band-Auftritte zwischendurch und vor allem am Ende. Noch spannender – und wichtiger – ist die Entwicklung der beiden Protagonisten wie es im Untertitel heißt „From Zero to Hero“ (Von Null bis zum Helden). Und die immer wieder recht witzige Zerlegung klassisch männlicher/bubenhafter Klischees, denn heldenhaft ist unter anderem sich zu entschuldigen. Genialer Einfall für den Band- und Stücktitel: Stereo-Typen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Stereo-Typen – From Zero to Hero“

Game-Figuren werden lebendig

Hervorzuheben ist auch die recht einfallsreiche Ausstattung (Ausstattung: Sara Giancane; Bühne: Gustavo Nanez) und da wiederum vor allem die gepimpten Bikes – die hier auf der kleinen Bühne allerdings nicht ausgefahren werden konnten. Die stärksten Emotionen im vollbesetzten Publikumsraum löste die Übernachtung im Proberaum aus. Im Traum versinken beide in ihre Lieblings-Computerspiele und tauchen verwandelt als Art Zombie-Ritter auf, die einander heftig bekämpfen. Hier spielt aber auch Angst der ach so starken Jungs eine nicht unerhebliche Rolle.

Blickfeld ;(

Einziges Manko – das für viele Stücke in vielen Theater gilt: Wenn Spieler:innen ganz nah am Bühnenrand sehr bodennah – hier liegend – agieren: Zuschauer:innen in den hinteren Reihen sogar dieses schräg ansteigenden Publikumsraums mit – einzigartig – höhenverstellbaren Sitzen sieht dennoch (fast) nichts davon.

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Szenenfoto aus "Was macht ds Wätter?"

Bezaubernde, verspielte Wetter-Show

In der sehr verspielten Art einer „Wettershow“ verschafft der Schauspieler Moritz Alfons dem Publikum – ob sehr jungen Kinder oder Erwachsenen – viele Wowh-Momente. Staunen. Verzauberung.

Zu Beginn im zweiten Raum der Lok-Remise in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes St. Gallen (Schweiz), dem Hauptspielort des Festivals „jungspund“, liegt er schlafend auf dem Boden unter einer dunklen Decke. Der Morgen naht, die Decke zieht sich zurück. Komm bleib noch ein bisschen, liebe Nacht, sagt er in etwa – auf Bern-Deutsch. Weshalb der Rezensent es nur erahnen kann 😉

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Was macht ds Wätter?“

Schlafenszeit für die Nacht

Aber bald ist’s dann doch Zeit aufzustehen, er verstaut die „Nacht“ in einem Schrank und wünscht ihr angenehme Schlafenszeit. Er selbst zieht sich hektisch an, das Radio schaltet sich ein. Der Wetterbericht für diesen Tag hält alles bereit – vom strahlend blauen Himmel mit Sonnenschein über bewölkt bis Regen und sogar Schnee.  Also notiert sich der Spieler in „Was macht ds Wätter?“ alles, um die entsprechenden Kleidungsstücke vorzubereiten.

Sonne aus dem Koffer

So liebevoll wie er die Nacht in Form der dunklen Decke zur Ruhe legt, so überraschend holt er aus einem metallenen Koffer einen gelben Sitzball und pumpt ihn auf, um daraus zunächst mit der Sonne zu spielen bevor er sie hoch oben auf der Leiter platziert. Einer Kiste lässt er eine große blaue Decke entsteigen, die in seinen Händen zur Tänzerin wird und dann auf der Wäscheleine als der strahlende Himmel erscheint.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Was macht ds Wätter?“

In ähnlicher Manier und doch immer wieder verblüffend erweckt der Spieler Objekte zu lebendigen Elementen verschiedener Wettersituationen – bis hin zu Sturm, Blitz und Donner. Watteähnliche Dinge schweben als Mobile an Angel-ähnlichen Stäben als Wolken über dem Geschehen. Nur der Regen, der will – obwohl im Radio angesagt – nicht in Erscheinung treten. Da scheint die Heimat des Regens, eine Gießkanne Schabernack mit dem Spieler zu treiben, zieht ihn kreuz und quer über die Bühne, verwandelt sich in eine Spritzkanne und … – nein alles sei nicht verraten – vielleicht, ja hoffentlich landet diese wunderbare, be- und ver-zaubernde 3/4 -stündige Show ja auch einmal in deiner Nähe – es gibt, so wurde Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… anvertraut – auch eine standard- oder hochdeutsche Version. Das verrieten Emily Magorrian und Luzius Engel nach der vielumjubelten Show.

Gemeinsam entwickelt

Die beiden hatten die Idee und auch Regie geführt. Entwickelt haben die beiden das Stück gemeinsam mit dem oben schon genannten Schauspieler, der auch für die Musik(auswahl) sorgte. Den immer wieder auch verspielten Text steuerte Matto Kämpf bei. In die Passagen mit den Wetternachrichten baute er immer wieder skurrile scheinende Werbespots ein wie „das Wasser widmete ihnen…“ Nach der Vorstellung wurde dem Reporter versichert, solche seien „nur“ aus der Wirklichkeit Schweizer Privatradios entliehen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Was macht ds Wätter?“

Als wär’s ein Kinder-Spiel

Bühne und Objekte, die anfangs wie eine Art unaufgeräumtes Zimmer wirken und zu einem ganzen Tag im Freien mit unterschiedlichsten Witterungen werden, schuf – ebenso wie die Kostüme – Linda Rothenbühler. Fast die ganze Dauer hindurch lässt das Stück die Zuschauer:innen in ein Spiel eintauchen, wie es Kinder sich durchaus auch ausdenken können, wo aus Laden, Kisten, Tüchern ganze Fantasiewelten entstehen.

PS: Als hätten die Festival-Organisator:innen einen „Draht nach oben“ gab’s am ersten Tag als gespielt wurde Sonnenschein und am zweiten Schneefall!

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Was macht ds Wätter?“
Szenefoto aus "Ciao, Ciao"

Clownesker Aufstand gegen den „Zampano“

Atemberaubend – der Begriff wird vielleicht zu oft und leichtfertig eingesetzt. Bei dieser Show, die beim aktuellen Festival „jungspund“ im Schweizer St. Gallen ablief, trifft sie jedenfalls zu. In einem Mix aus Highest-Level-Akrobatik und akrobatischem (Ballett-)Tanz stark gewürzt mit clownesken Elementen stockt immer wieder der Atem des Publikums. Vor allem bei Kunststücken von Eline Guélat. Wenn sie den auf ihrem bevorzugten Turngerät, einem Lichtmast mühelos und fast ohne Anhalten raufspaziert und dann vermeintlich runterfällt – kollektives Luftanhalten im Publikum. Sie scheint sogar die Schwerkraft zu überwinden. Vorgegebene Regeln sind ihre Sache nicht.

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Fellinis „La Strada“ als Inspirationsquelle

Inszeniert hat Martin Zimmermann, Choreograf, Theater-Regisseur, Bühnenbildner und selber Performer, der aus dem Zirkus kommt, die Show „Ciao, Caio“ (für das Ballett Theater Zürich entwickelt). Er ließ sich dabei, wie er nach der fulminanten, begeistert aufgenommenen – schier never ending Applaus – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… anvertraute von Federico Fellinis vielleicht berühmtestem Film „La Strada – Das Lied der Straße“ (1954) inspirieren lassen.

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Frühe Befreiung

Die schon genannte umwerfende Zirkuskünstlerin nimmt Anleihe bei der Figur der Gelsomina, der Assistentin des brachialen Jahrmarkt-Schaustellers Zampanò – der Name hat sich seit Fellinis Film als Begriff verselbstständigt. Obwohl sie so viel kann, wird sie von ihm auf Hilfsdienste reduziert. In „Ciao, Caio“ befreit sie sich schon früh und er (Aimé Morales), der die einstündige Performance eröffnet, wird nur zum hin und wieder Side-Kick. Passt doch gut zum Internationalen Frauentag am 8. März!
Sie dominiert, aber doch eher bescheiden in clownesker Manier mit Erinnerungen an Charlie Chaplin das Geschehen.

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Wesen aus verschiedenen Welten

Es bleibt nicht bei dem Duo. Nach und nach kommen teils wie aus dem Nichts aus dem Bühnenpodest von unten, aus irgendeinem Kasten oder sonst woher noch Tänzerinnen – vielfältige Figuren manche mit Freak-Anwandlungen. Sie alle vereinen perfekte Körperbeherrschung, verbinden Clownerie mit Ballett. Und so wechselt die Szenerie ständig, wir erleben die weiß gekleidete Baum-Fee-artige Léna Bagutti, einen alten immer wieder buckligen Mann (Jesse Callaert), eine zwergenhafte Übermama (Neil Höhener) sowie Valeria Marangelli (Harlekin) und Sandra Salietti (fast klassisches Ballett).

Mit all ihrer fantastisch körperlichen Kunst erzählen die sieben in vielen immer wieder auch Staunen erzeugenden Szenen, etwa einem Riesen-Hütchen-Spiel mit auftauchenden und verschwindenden Chaplin-behüteten Menschen, kleine und doch so große Geschichten unterschiedlichster Gefühle. Von freundschaftlichen und verliebten bis zu aggressiven, befreienden…

Szenefoto aus
Szenefoto aus „Ciao, Ciao“

Nicht nur wie Tschau…

Ach, übrigens: Im deutschsprachigen Teil der Schweiz wird „Ciao“ ebenso wie in Italien – im Gegensatz zu Österreich und Deutschland (wo es sich oft zum tschau gewandelt hat) – sowohl für Abschied als auch Begrüßung verwendet. Laut Wikipedia stammt es übrigens aus der venezianischen Sprache, wo sčiao [ˈst͡ʃao] (Diener) dem italienischen schiavo [sˈkjaːvo] entspricht. Und dieses steht für „ich bin Ihr Diener“ – wie die dem Lateinischen entlehnte Grußformel „Servus“.

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Compliance-Hinweis: Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil das Festival „Jungspund“ Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … für fünf Tage nach St. Gallen eingeladen hat.

Zu 100 Liegestütz verdammte Soldaten und der Regisseur auf dem Spielfeld

Wie würden wir in so einer Lage miteinander umgehen?

Drei Stockbetten, ein metallener Spind stehen hier auf der Spielfläche des Proberaums im Keller des Renaissancetheaters in der Wiener Neubaugasse. Sieben Männer – sechs, die Soldaten spielen, und der Regisseur – sitzen um einen Tisch an der Seite und besprechen die beiden folgenden, die ersten, Szenen von „Biloxi Blues“.

Bevor die Schauspieler in ihre Rollen schlüpfen, schieben sie eines der Stockbetten nach vorne – ins Zentrum. Zu Beginn des Stücks wird dieses in ein Abteil des Zuges nach Biloxi (US-Bundesstaat Mississippi) umfunktioniert. Unten drängen sich Curdin Caviezel als Soldat Roy Selridge, Clemens Ansorg (er spielt Joseph Wykowski), Christian Dobler (Don Carney) und Robin Jentys. Er verkörpert Eugene Morris Jerome, der irgendwie ein Alter Ego des Stück-Autors Neil Simon ist. Auf dem oberen Bett liegt Ludwig Wendelin Weißenberger, der den Rebellen Arnold Epstein spielt.

Übermüdet, beengt, neu aufeinander treffend, pendeln sie zwischen neuer Kameradschaft und Konkurrenzkampf, wechselseitige Beschimpfungen, auch rassistischer Art fliegen durch den Raum.

In der nächsten Szene wird das „Zug“-Abteil wieder zum Stockbett – neben den beiden anderen in der neuen Unterkunft. Die Rekruten treffen auf ihren Ausbildner, den Sergeant Toomey. Mathias Kopetzki schikaniert mal den einen, dann einen anderen der Jungs und scheint seine wahre Freude am Sadismus zu haben. Dann wieder kommt er auf die freundliche Tour – da mal echt, dann wieder als Falle, um einen der Soldaten gegen andere auszuspielen.

Erfolgsstück als kurzfristiger Ersatz

„Biloxi Blues“ ist ein Stück des US-amerikanischen Erfolgs-Theaterautors Neil Simon (1927 – 2018), auf der englischsprachigen Wikipedia-Seite heißt es, es wäre semi-autobiographisch. Das Stück wurde vom Theater der Jugend gleichsam aus dem Hut gezaubert, weil die geplante Produktion „Johanna, Gotteskriegerin“ in der Regie von Thomas Birkmeier „aus dispositorischen Gründen … in dieser Spielzeit entfallen“ muss – wie es auf der Homepage heißt.

Kurzfristig gelang es den renommierten Regisseur Folke Braband aus Deutschland, „erfolgreicher Pendler und Grenzgänger zwischen E- und U-Theater“ (auf seiner eigenen Homepage) zu gewinnen, um dieses Stück, das vor fast 40 Jahren im englischen Original uraufgeführt wurde, zu inszenieren. Er selbst hat es – wie er im Interview mit KiJuKU erzählt (unten verlinkt) – schon einmal, vor 32 Jahren, in Berlin inszeniert.

Die Story

Junge Soldaten rücken – manche zum allerersten Mal – 1943 in die US-Armee ein. Die USA haben beschlossen, sich den Alliierten anzuschließen – im Kampf gegen den Nazi-Faschismus, der Europa seit vier Jahren mit dem 2. Weltkrieg unterjocht, vernichtet, Millionen vor allem Jüd:innen ermordet. Der Kampf gegen den Faschismus ist allerdings „nur“ ein Hintergrund, der durchschimmert – nicht zuletzt durch Antisemitismus gegen einen Rekruten und dessen widerständigen, jüdischen Humor und Witz. Alles dreht sich eher darum, wie die neu ankommenden, bunt zusammengewürfelten Soldaten miteinander umgehen, wie ihr Kommandant sie schikaniert. Der das aber für notwendig hält, um ihnen Disziplin für den Ernst-Einsatz beizubringen.

Dass Anbrüllerei nicht nur in solch autoritären Systemen wie dem Militär vorkommen, musste KiJuKu auf dem Weg zur Theaterprobe miterleben, wo nahe der U3-Station eine Lehrerin Schüler sehr heftig verbal niedermachte. Den Versuch des Reporters, dieses durch karikierendes lautstarkes Nachahmen in Frage zu stellen, ignorierte sie – aber immerhin sorgte es für Erheiterung und damit Erleichterung der betroffenen Schüler und ihrer Kolleg:innen.

Sanfte Spielführung

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte eine Probe besuchen – rund eineinhalb Wochen nach Probenbeginn mit dem Regisseur. Davor hatten die Schauspieler – es ist ein fast ausschließliches Männerstück – zwei Frauen spielen nur kleine Nebenrollen, es spielt sich alles in dieser kleinen US-Armee-Einheit ab – schon ein paar Tage mit dem Regie-Assistenten Text gelernt.

Das Spiel flutscht dafür schon erstaunlich rund. Der Regisseur hat nichts mit der Figur des Sergeants gemein. Brüllerei und Kommandoton sind seine Sache nicht. Nur hin und wieder hält Braband an, kommt mitten auf die Probebühne, nahe an die handelnden Figuren heran, schlägt die eine oder andere Änderung vor allem der Körperhaltung vor – damit diese mehr im Einklang mit dem Gesagten stehe. Die eine oder andere Passage wird mehrfach in kleinen Variationen gespielt, der Regisseur schreibt kurze Notizen in sein Heft – und bespricht sie mit den Schauspielern anschließend der Reihe nach, um sie danach eine nach der anderen durchzustreichen. Regie-Assistent Florian Pilz hat ein genaues Auge aufs Text-Heft, ruft mitunter Licht für geplante Stimmungswechsel in die Szene und Hospitant Lukas Spring hat den Laptop-Monitor mit Notizen im Blick. Zeitweise sitzt noch Kostümbildnerin Irmgard Kersting hinter dem Regietisch.

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… bat die genannten Mitwirkenden zu kurzen Interviews, die hier der leichteren Lesbarkeit wegen in einzelnen Beiträgen veröffentlicht werden – Links hier unten am Ende dieses Beitrages.

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Hier geht’s zu den Interviews

Regisseur Folke Braband

„Es geht darum, wie verhalten wir uns in einem autoritären System“

KiJuKU: Waren Sie bei der Auswahl des nun ersatzweise eingeschobenen Stücks „Biloxi Blues“ anstelle der auf die kommende Saison verschobenen „Johanna“ mit dabei, involviert?
Regisseur Folke Braband: Als ich erfahren habe, dass ich hier übernehmen soll, haben wir schon überlegt, welches Stück wir machen sollen, aber Thomas (Birkmeir, Direktor des Theaters der Jugend, Wien) kam auf die Idee. Er hat auf meiner Website geschaut, was ich schon gemacht hatte.

KiJuKU: Hast du das Stück schon einmal inszeniert?
Folke Braband:Das hab ich vor 32 Jahren schon einmal gemacht, das eine meiner ersten Produktionen – damals in Berlin, 1992 am Ku-Damm in Berlin mit in der Zwischenzeit relativ bekannt gewordenen Kollegen.

KiJuKU: Und du hattest es damals ausgesucht oder wurdest auch dazu geholt?
Folke Braband: Wir haben damals das Studiotheater des Ku-damm-Theaters gehabt, ein kleines 99-Plätze-Theater. Das Spannende war, dass damals gleichzeitig im großen Haus, also dem Theater am Kurfürstendamm der erste Teil der Trilogie, die Brooklyn-Memoiren von Neil Simon lief. Der René Heinersdorff hat in diesem Stück den Eugene gespielt – um 20 Uhr und dann um 23 Uhr bei uns im Magazin in Biloxi Blues, oder sonntags um 16 Uhr.

KiJuKU: Was war damals der Grund für die Wahl dieses Stückes?
Folke Braband: Neil Simon, weil der ja zu den großen angelsächsischen Theaterautoren neben Alan Ayckbourn gehört. Und wir haben eben versucht, Unterhaltungstheater zu machen mit sehr ernstem Hintergrund – wo der Witz immer aus der Not heraus entsteht. Biloxi ist einer seiner härtesten Stoffe, aber durch diesen jüdischen Witz imGrauen ist es sehr, sehr unterhaltsam.

KiJuKU: Was ist für dich der große Unterschied zwischen 1992 und heute bei der Art wie du es inszenierst?
Folke Braband: Es sind 32 Jahre vergangen. Themen wie Homophobie und Rassismus stehen heute ganz anders im Fokus als es damals war. Ich weiß zwar, dass es historisch falsch ist – es gab in der US-Army ja noch Segregation, also getrennte weiße und schwarze Kompanien -, dass wir eine Person of Colour im Ensemble haben – hatte ich damals interessanterweise auch. Und das Thema Homophobie wird in der jetzigen Inszenierung nochmal deutlicher ausgestellt als damals.

Hin und wieder kommt der Regisseur nahe an die Szenerie und erklärt, wie's vielleicht besser gespielt werden könnte
Hin und wieder kommt der Regisseur nahe an die Szenerie und erklärt, wie’s vielleicht besser gespielt werden könnte

KiJuKU: Wobei dies, gerade in der Kulturszene in unseren Breitengraden sicher deutlich offener und weniger diskriminierend oder Tabu ist als vor 32 Jahren.
Folke Braband: Ja, aber es findet immer noch statt. Und natürlich ist das Thema Krieg heute näher dran an uns als damals. Aber im Zentrum steht, was passiert mit jungen Menschen in einem autoritären System wie es Armeen sind. Das ist gerade für Jugendliche auch interessant zu sehen, wie verhalten wir uns in so einer Situation.

Es ist nicht nur eine Coming-of-Age-Geschichte eines jungen Mannes, der auch seine erste große Liebe kennenlernen möchte, der nicht sterben, sondern Schriftsteller werden will. Und wir erleben ihn und seine Kameraden in diesem System. Eine Armee ist kein Ponyhof – und Krieg und damit Militarisierung rückt näher.

KiJuKU: Ich sehe in dem Stück ja nicht nur autoritäre Systeme wie es eine Armee ist. Solche Elemente erleben Kinder und Jugendliche ja immer wieder beispielsweise auch in Schulen. Das führt dort ja oft auch zu dieser Haltung oder dem Gefühl: Hoffentlich trifft die aggressive Wut einer Lehrerin/eines Lehrers wen anderen und nicht mich.
Folke Braband: Klar, Militär ist vielleicht ein Paradebeispiel für ein autoritäres System, aber Elemente davon finden in Schule, in Familie, im Beruf, auch im Theater. Das ist das Spannende an dem Stück. Und dazu das Tolle, wie diese Figur immer wieder diese vierte Wand zum Publikum hin durchbricht. Und aus seiner Erinnerung heraus die Sache dann auch leichter macht, darüber zu lachen, obwohl er unter großem, großem Druck steht.

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Szenenfoto aus "XZehn" im Dschungel Wien

Krikus der Vogel friert, weil der Frühling streikt

Der Frühling will nicht kommen. Aber warum? Das sind die Ausgangsthemen, auf die sich acht junge Theaterbegeisterte in den ersten Gesprächsrunden geeinigt haben. Sie treffen einander samstags um die Mittagszeit im Studio 1 des Theaterhauses Dschungel Wien im MuseumsQuartier. In dieser Stadt leben sie – vorübergehend. Gekommen in den vergangenen beiden Jahren aus Charkiw, Dnipro, Kyjiw, Odessa, Lviv (Lemberg) und einer kleinen Stadt in der Region Saporischschja, also der Ukraine – aus den traurigen bekannten Gründen nicht in ihrer Heimat.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „XZehn“ im Dschungel Wien

In kleineren Gruppen überlegen sie mögliche Szenarien, weshalb der Frühling nicht kommen will. Oder wie er doch dazu bewegt werden könnte, dies sehr wohl zu tun. Anschließend werden erste Szenen ausprobiert. Weil immer noch nicht Frühling ist, friert Krikus Ptach, ein Vogel (der zweite Name ist übrigens das ukrainische Wort für Vogel!). Und alle wollen helfen – den Vogel wärmen und den Frühling doch zu seinem Erscheinen zu bewegen.

Die 14-jährige Uliana übersetzt einiges von dem, was sich die Kinder ausgedacht haben für Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… – und erzählt, dass „ich schon mit sechs Jahren in der Ukraine begonnen habe in der Schule Theater zu spielen. Aber da haben wir immer nur etwas gespielt, das Lehrerinnen und Lehrer vorgegeben haben. Hier können wir mit Oksana unsere eigenen Geschichten und Szenen erfinden.“

Szenenfoto aus

DramaLab

Oksana Maslova leitet dieses „DramaLab“ im Rahmen von „The Young Drama. Eхploring new meanings Laboratory“. Krieg und Flucht sollten von vornherein nicht das Thema sein – obwohl diese (natürlich) immer mitschwingen bzw. hinein interpretiert werden könn(t)en.

Kürzlich haben einige der Kinder und Jugendlichen dieser Gruppe (9 bis 14 Jahre) und andere damals zu zehnt schon eine Stunde lang auf Bühne 3 im Dschungel Wien das Ergebnis des ersten DramaLabs vor Publikum gezeigt – Titel der Einfachheit halber „XZehn“ (das X steht als römische Ziffer für 10).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „XZehn“ im Dschungel Wien

Dafür hatten sich Sofia Vdovenko Anna-Mariia Kharkina, Anna Bakai, Uliana Bilono, Yelyzaveta Stoianova, Uliana Buzinska, Artem Zhmudenko, Demyan Ivanov, Artem Polishchuk und Lev Polishchuk magische Wesen ausgedacht. Aus welchem Grund auch immer sind sie zunächst alle in einem Raum eingesperrt, alle mit (Tier-)Masken über den Gesichtern. Warum auch immer. Darüber sinnieren sie beim Aufeinandertreffen – mal freundschaftlicher, mal gegensätzlicher. Irgendwie wollen sie – zumindest die meisten – raus. Doch da sitzt Olga, die Visa-Stellen-Beamtin – streng gespielt von Uliana Buzinska – an der Grenze. Außerdem befindet sich unter ihnen der Robo-Saurier Tritanosaurus (gespielt von Yelyzaveta Stoianova). In dem Fall scheint die Bezeichnung Saurier gar von Säure zu kommen, einer todbringenden, mit der er die Menschheit vernichten will. Das hat sich sein Schöpfer, ein Wissenschafter ausgedacht, aus Rache dafür, dass er selbst an einer unheilbaren Krankheit leidet…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „XZehn“ im Dschungel Wien

König und Niemand

Neben den beiden schon genannten Figuren tummelten sich in der szenischen Lesung noch ein Kätzchen mit Flügelchen (Sofia Vdovenko), ein nachdenklicher Blaufuchs (Artem Zhmudenko), die HühnerwächterIn (Anna-Mariia Kharkina), die Rebellin Raya (Uliana Bilonoh), die Buchliebhaberin und ganz junge Schriftstellerin Anna (Anna Bakai) in den Begegungen der Eingesperrten. Dazu pendelt Marcus (Demyan Ivanov) ständig zwischen realer und magischer Welt. Relativ spät macht sich in kleinen Schritten Schach-König Chester (Lev Polishchuk) aus seiner Ecke auf ins Geschehen. Dafür taucht immer wieder unvermittelt und meist hinter anderen Figuren Artem Polishchuk als Herr Niemand auf – aus dem Nirgendwo ins Nirgendwohin…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „XZehn“ im Dschungel Wien

Theatermagische Brücke zum vorigen Leben

Die schon oben genannte Leiterin und Dramaturgin Oksana Maslova hielt vor der Aufführung eine Rede, in der sie Beweggründe und Rahmenbedingungen dieser Theaterarbeit schilderte: „Ich wollte einen Raum schaffen, in dem wir alle neuen Bedeutungen finden könnten.

Schließlich ist das Erwachsenwerden nicht einfach. Und besonders schwierig ist es, in der Zeit des Krieges erwachsen zu werden, in Bedingungen eines neuen Landes, dessen Sprache und Traditionen man nicht kennt. Man findet sich eines Tages in einem neuen Raum wieder, und das Einzige, was man tun muss, ist weiterzuleben. Unter vorgegebenen Bedingungen. Ohne alte Freunde, bekennte Spielplätze, vertraute Schule und Lieblingsvereine. Alles bei Null anfangen. So, wie man ist. …

Ein Mädchen schrieb, dass das Theater eine Brücke zu diesem vorherigen Leben sei. … Ich kann Kinder in ihr normales Leben nicht mehr zurück bringen, aber ich kann ihnen die Möglichkeit geben, Theatermagie zu erleben. Ja, ich bin vierzig, aber ich glaube an Magie, an die Theatermagie…“

Und diese strahlte die knapp mehr als einstündige Aufführung aus – und das für die zehn Kinder obendrein in einer für sie neuen Sprache.

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Mathias Kopetzki als Sergeant Toomey

„Er sieht einen Sinn darin, brutal zu sein – um Leben zu retten“

Sergeant Toomey, gespielt von Mathias Kopetzki: Ich hab im Vorjahr bei „Moby Dick“ den Captain Ahab gespielt, vielleicht hatte das etwas damit zu tun, weil ich da ja auch schon der Böse war und eine Crew angeführt und ins Verderben gebracht habe. 

KiJuKU: Ist das deine Spezialität, der Böse zu sein?
Mathias Kopetzki: Ich bin 26 Jahre im Beruf, hab in mehr als 80 Inszenierungen gespielt – da war alles darunter – Bösewichter genauso wie ganz Nette. Aber der Tomey ist ja nicht nur böse, er ist ja eigentlich eine ganz arme Sau.

KiJuKU: Das sind ja vielleiht viele Bösewichte – auch im echten Leben?
Mathias Kopetzki: Das mag sein, aber es wird halt hier sehr gezeigt. Einer, der eine sadistische Freude daran hat, die Leute zu quälen, zu erniedrigen, zu demütigen, zu brechen.

KiJuKU: Das kommt ja auch direkt im Stücktext vor, wo Epstein das anspricht: „Er versucht, meinen Willen zu brechen.“
Mathias Kopetzki: Ja, aber er will damit ja auch seinen Leuten das Leben retten. Am Ende wo es um die Wette geht sagt der Sergeant, wenn er noch eine Woche zu leben hätte, dann würde er den schlimmsten, schwächsten, rebellischsten, unfähigsten Soldaten zu einem disziplinierten, guten, gehorsamen Rekruten machen – nicht zu brechen.

KiJuKU: Was ja eigentlich ein Brechen ist, oder?
Mathias Kopetzki: Er sieht das nicht so. Er will keine Individuen, er will, dass die Leute gehorchen, weil er meint, das ist die einzige Möglichkeit, den Krieg einigermaßen heil zu überstehen. Seine wir doch einmal ganz ehrlich: Wenn da lauter so Zivildiener rumrennen und der Vorgesetzte sagt: Rückzug! Und keiner macht’s – dann hat keiner eine Chance da rauszukommen. Das ist sein Denken. Wenn einer renitent ist, dann gilt’s den zu disziplinieren.

Der Sergeant macht abwechselnd alle zu Opfern seiner Schikanen
Der Sergeant macht abwechselnd alle zu Opfern seiner Schikanen

KiJuKU: Hin und wieder schwenkt er ja auf Freundlichkeit um. Ist das dann nur ein Mittel zum Zweck – um die Leute dazu zu bringen, das zu tun, was er anordnet. Oder ist das ein Widerspruch in ihm selber?
Mathias Kopetzki: Er sagt’s ja, er hat ja diese Metallplatte im Gehirn, weil er den anderen Teil im Kampf eingebüßt hat. Dieser Verletzung ist es zuzuschreiben, dass er auch ein wohlmeinender, gutmütiger, verständnisvoller Lehrer sein kann, oder aber der sadistischste, brutalste und verrückteste Hund.

KiJuKU: Klar, die Aufgabe von Schauspieler:innen ist es, die jeweiligen Figuren glaubhaft zu verkörpern. Aber ist es innen drinnen unangenehm, so arsch zu den anderen zu sein?
Mathias Kopetzki: Also mir?

KiJuKU: Ja, dir als Mathias.
Mathias Kopetzki: Vielleicht auch. Aber er sieht es ja nicht so. Natürlich weiß er, dass er brutal ist, aber er sieht einen Sinn darin.

KiJuKU: Aber der Typ merkt, der Rekrut muss dringend aufs Klo und er schikaniert ihn.
Mathias Kopetzki: Das hat er sich zu verkneifen. Wenn er im Einsatz ist und er muss aufs Klo, kann es sein, dass ihm das Gehirn weggepustet bekommt. Das gehört dazu, sich selber zu disziplinieren. Das ist jetzt nicht die Freude daran, ein Arschloch zu sein, sondern ich hab einen Grund, warum ich zu dir fies bin. Du musst verdammt noch mal lernen, diese Dinge zu unterdrücken – Hunger, essen, Schlaf, pissen, kacken. Und solange du nicht die Terminologie der Armee kennst, hast du sowieso keine Chance. Das ist das System.
Als Schauspieler musst du Momente finden, wo du dir selber etwas verkneifst, weil es jetzt so sein muss.

Wenn ich seh, wie diese Gurkentruppe da ankommt, dann muss ich zu deren und unser aller Überleben, Disziplin reinbringen. Das angenehme an der Figur ist, dass sie nicht wie in vielen Army-Filmen nur herumbrüllt, sondern der Seargent auch hin und wieder ganz freundlich ist – Hauptsache, ihr macht die Sachen, die ich euch sage. Was eigentlich ja noch perfider ist.

Nachtrag

Mathias Kopetzki schickte eine nachträgliche (7. März 2024) Klarstellung, weil seine Antworten möglicherweise missverstanden werden könnten: „Das ist selbstverständlich nicht meine private Ansicht. Ich verteidige hier lediglich die Figur, die ich spiele. Das ist ja die Aufgabe und der Reiz des Schauspielens, sich das „System“, die „Logik“ einer Rolle anzueignen, so „oarsch“ sie auch sein mag. Denn im echten Leben sagt ja kein „Arschloch“ von sich: „Ich bin ein Arschloch“. Das sagen immer nur die anderen..“

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Robin Jentys als Eugene Morris Jerome

„Man will einfach nicht dort sein“

KiJuKU: Wie ist das in der Figur dessen, der zwangsweise drinnen, aber geistig draußen ist – in einer anderen, seiner Welt.
Eugene Morris Jerome, gespielt von Robin Jentys: Eine interessante Frage, ich hab mir darüber noch nicht Gedanken gemacht. Wenn man’s spielt: Man will einfach nicht dort sein. Seine Gedanken schweifen oft so ab – er flüchtet innerlich. Schreiben hat ja auch so etwas. Er schreibt ja seine Memoiren.

KiJuKU: Ist das schwieriger zu spielen als eine eindeutige Figur, weil sie in sich ja zwei gegensätzliche Haltungen hat und zum Ausdruck bringen muss?
Robin Jentys: Ja, es existiert beides, aber es ploppt mal das ein und dann wieder das andere mehr auf.

KiJuKU: Sind Sie alle von vornherein für die jeweilige Rolle besetzt worden?
Robin Jentys: Ja genau, ich hab das Textbuch bekommen und wusste schon, wen ich spielen werde. Und der Jerome Morris Eugene ist ja zu einem gewissen Grad auch Neil Simon, das ist ja auch irgendwie autobiographisch.

KiJuKU: Das ist ja auch ganz witzig, auf der englischen Wikipedia-Site steht gleich eingangs, dass Biloxi Blues ein semi-autobiographisches Stück von Neil Simon ist, auf der deutschsprachigen Seite steht das übrigens nicht.
Robin Jentys: Ich finde ja generell, etwas Historisches zu spielen, immer spannend und beschäftige mich dann mit der jeweiligen Zeit. Ich hatte mal eine Regisseurin, die hat gesagt, du musst immer die Zeit, in der das spielt, durchschimmern lassen.

KiJuKU: Ist aber nicht ein Zugang für die Stück-Auswahl, dass es nicht nur historisch zu sehen ist?
Robin Jentys: Wir spielen’s schon in der Zeit, weil hoffentlich gewisse Dinge aus dem Stück heute so nicht mehr passieren würden. Aber natürlich erzählt es auch was für heute. Für mich sind die grundsätzlichen Themen dieses Stücks: Zusammenhalt, wie geh ich mit Menschen um, die ich nicht kenne – wie bei uns am Anfang. Wie begegnen wir uns, wie wollen wir mit- und zueinander sein. Und das geht total durch jegliche, durch jede Zeit.

KiJuKU: Aber durch dieses extrem hierarchische, autoritäre System wird ja eigentlich jedwede Solidarisierung untereinander verhindert, oder?
Robin Jentys: Stimmt, es geht eher darum, wer wird jetzt das Mobbing-Opfer, auch wenn das ein moderner Begriff ist, aber im Prinzip geht’s doch stark darum. Auf wen wird draufgehaut, wen trifft’s. Und das wird ja auch thematisiert – wie Rassismus und so weiter.

KiJuKU: Wobei das ja auch in deutlich sanfteren Umfeldern passiert, nicht selten auch in Schulen.
Robin Jentys: Klar, das gibt’s überall.

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Werner Mössler bei einigen der musikalischen Schwingungen für Gehörlose

Musikalische Schwingungen für Gehörlose

Die Lehrerin Sarah Harvey Porter (1856-1922) brachte zusammen mit anderen Lehrkräften Musik in die Gehörlosenpädagogik ein. Porter lehrte u.a. an der Gallaudet University in Washington D.C., der einzigen Universität der Welt für Gehörlose, an der Vorlesungen in Gebärdensprache gehalten werden.

Berühmt wurden Sarah Harvey Porters „Musikalische Schwingungen für Gehörlose“. Bei fast jeder Übung für die gesamte Klasse werden in jedem Unterrichtsraum des New Yorker Instituts für Gehörlosenbildung folgende Elemente verwendet: Rhythmus der Augen, der Ohren, des Körpers und der Bewegung, sie werden gebraucht als Lehrbehelfe im Unterricht. Insbesondere wird dabei vom musikalischen Rhythmus Gebrauch gemacht.

1912, am rechten Ufer des Hudson im großen liberalen Staat New York in hübschen, perfekt ausgestatteten Gebäuden, umgeben von einer attraktiven und wunderschönen Landschaft, leben und lernen täglich rund 500 gehörlose Buben und Mädchen und stimmen sich – im wahrsten Sinne des Wortes – „rhythmisch auf ihr Leben ein“.

Diese „musikalischen Schwingungen für Gehörlose“ werden am diesjährigen internationalen Frauentag video-gestreamt. Der gehörlose Schauspieler Werner Mössler und sein hörender Kollege Markus Rupert, der auch die Gebärdensprache beherrscht, spielen diese Aufführung, die Herbert Gantschacher (Gesellschaft für Musik und Theater) für die Friedenswerkstatt des Visuellen Theaters inszeniert (und auch vom Englischen ins Deutsche übertragen) hat.

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Die Vorstellung wird am 8. März 2024 um 20 Uhr online gestreamt; Link zum Stream hier

Ludwig Wendelin Weißenberger spielt Arnold Epstein

„Ganz spannende Figur, weil er Widerstand leistet“

Ludwig Wendelin Weißenberger spielt Arnold Epstein und stellt gleich einleitend fest, dass er mit seiner Rolle sehr zufrieden ist. „Ich finde, der ist ein ganz, ganz spannende Figur, weil er der ist der Widerstand leistet in diesem Militärkontext. Er stellt sich nicht nur gegen den Sergeant, sondern auch gegen die Mit-Rekruten, die ihn auch immer versuchen, niederzudrücken. Der Epstein hält von seiner Grundeinstellung Ungerechtigkeit einfach nicht aus.

KiJuKU: Das ist zwar einerseits angenehm heldenhaft, aber andererseits wird diese Figur ja ständig niedergemacht. Ist das nicht manchmal unangenehm, das auszuhalten, zu spüren. Klar aus Schauspielerin, als Schauspieler musst du alles verkörpern können. Aber diese Situation, wo du spielst, dass du dringend aufs Klo musst, zusammengeschissen wirst und nicht darfst…?
Ludwig Wendelin Weißenberger: Klar, schwierig, aber dafür machst du ein Studium, dass du so etwas lernst. Ich persönlich aus meiner Geschichte kenn so etwas nicht, wurde anders erzogen, hab eine Schule und eine Uni besucht, wo das – meistens – nicht der Fall war, runtergemacht zu werden. Es ist dies halt meine Aufgabe, mich da hineinzuversetzen. Das ist heftig und auch bedrückend, weil man ja weiß, dass es ganz vielen Leuten in der Realität so geht.

KiJuKU: Wie schwierig ist es, sich in solche Situationen hineinzuversetzen, wenn du solche selber nie erlebt hast?
Ludwig Wendelin Weißenberger: Vielleicht ist es einfacher, vielleicht aber auch schwieriger, wenn man solches selber erlebt hat, weil’s dann sehr nah an einem dran wäre. Ich mach das so, wenn man da fertig gemacht wird, dann löst das ja in einem Sachen aus wie Wut, Angst, Trauer, Unsicherheit. Und das sind Gefühle, die ich selber ja sicher schon erlebt hab in verschiedenen Situationen. Diese Stückchen stückle ich mir dann zusammen und füll damit die Figur.

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Christian Dobler schlüpft in die Rolle des Soldaten Don Carney

Will immer interessante Rollen spielen

Christian Dobler spielt Don Carney „wäre nicht abgeneigt gewesen, einen der anderen Soldaten zu spielen, aber auch meine Rolle ist interessant.“
KiJuKU: Was ist das Interessante an deiner Figur?
Christian Dobler: Er ist halt dieser Soldat mit Migrationshintergrund, der sich immer zurückzieht und anfangs jedem Konflikt aus dem Weg geht, weil er schon vorher oft diese Diskriminierungen erlebt hat. Das Interessante an Carney ist, dass er sich mehr wehren könnte als er es tatsächlich tut. Solange bis er dann einmal bloßgestellt wird – durch die Aufzeichnungen von Eugene in seinem Buch – und es dann zu dieser entscheidenden Szene kommt, in der er mehr aus sich rausgeht.

KiJuKU: Wirst du eigentlich (fast) immer für Rollen mit Migrationshintergrund besetzt?
Christian Dobler: Meistens, ich hab auch einmal die Hauptrolle gespielt in „Ziemlich beste Freunde“ – nach dem bekannten Film auf Plattdeutsch in einem Theater. Ich habe halt kubanische Wurzeln und das sieht man.

KiJuKU: Ist das aber nicht mitunter schon recht nervig, es sagt ja auch niemand, Hamlet muss von einem Dänen gespielt werden?
Christian Dobler: Ich versuch schon, dem entgegenzusteuern indem ich mich einfach für interessante Rollen bewerbe, wo der Fokus nicht auf Herkunft liegt, wo die Rollenbeschreibung viele Facetten hat – auf das will ich einfach hinaus. Für mich ist aber am wichtigsten, dass ich keine langweiligen Rollen spielen muss, sondern interessante – unabhängig vom Erscheinungsbild. Im englischsprachigen Raum ist das mittlerweile schon anders in Sachen Type-Casting.

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Szenenfoto aus "So forsch, so furchtlos" im Theater Drachengasse (Wien)

Zwei Mädchen scheißen sich nichts…

Eine Hälfte der Publikumstribüne im Wiener Theater Drachengasse wird für dieses Stück zur Bühne – für die entfesselten Schauspielerinnen sowie ganz oben für die Livemusikerinnen  von ZINN. Zu Beginn trennt ein durchscheinender Vorhang Bühne von Publikum – er ist, auch zwischendurch mehrmals Projektionsfläche für eingespielte Videos. Zu Beginn für eine Lesung aus dem spanischen Original, das mehr als nur Vorlage für das freche, offene, tabulose Spiel rund um zwei sehr junge pubertierende Mädchen auf Teneriffa ist. „So forsch, so furchtlos“ von Andrea Abreu (Übersetzung ins Deutsche: Christiane Quandt) wirkt, als könnte es aus Tagebüchern oder noch eher sogar aus unbelauschten Gesprächen Jugendlicher stammen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „So forsch, so furchtlos“ im Theater Drachengasse (Wien)

Die Erzählerin aus der Ich-Perspektive, von ihrer besten, vielleicht sogar einzigen Freundin Isora liebevoll „Shit“ genannt, startet gleich einmal mit der eindrücklichen bis hin zur lautmalerischen Schilderung, wie diese kotzt. Fressen – kotzen, um schlank zu werden. Das – nicht das Kotzen, aber das Letztere postuliert die Oma als Schönheitsideal. Zum Ausgleich reden ihr die beiden Mädchen ein, „Bitch“ heiße Oma auf Englisch 😉

Rhythmisch-poetische Sprache

So wie die einleitende Kotz-Schilderung durch die rhythmisch-poetische Sprache der Autorin alles andere als einen „wäääh“-Reflex erzeugt, so zwanglos kommt Scheiße, Kacke usw. über die Lippen – nicht nur im Buchtext, sondern auch den drei Schauspielerinnen: Ida Golda, die die Scheiß-mir-nix-Isora lebt, Olivia Marie Purka als Shit(i) und Naemi Latzer, die meist nur aus den Seiten-Türen auftritt, mal als Isoras Oma, dann wieder als Doña Carmen – und da am ehesten noch im Spiel mit den beiden anderen als Juanita Banana, wie der Junge Juanito im Dorf genannt wird.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „So forsch, so furchtlos“ im Theater Drachengasse (Wien)

Mimi und Muschi

Mindestens genauso offen wie über Ausscheidungen oben und unten, unterhalten sich die beiden Mädchen über die erwachende Sexualität, über Rubbeln, ihre Mimi bzw. Muschi wie sie die Vulven unterschiedlich liebevoll benennen. Und irgendwie schwingt mit, dass Shit in Isora vielleicht mehr sieht als eine beste Freundin und Vorbild. Weswegen sie sich auch zutiefst verletzt fühlt, wenn Isora etwas unternimmt und Shiti nichts davon erzählt…

„Nebenbei“ erzählt die Geschichte auch von den beiden getrennten Welten zwischen den Tourist:innen und den einheimischen Dienstleister:innen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „So forsch, so furchtlos“ im Theater Drachengasse (Wien)

Genial in Spiel übersetzt

Das was so modern als authentisch bezeichnet wird – ist dieser Roman – und das schon genannte Schauspieltrio (Bühnenfassung nah am Original, Regie: Valerie Voigt) schafft es exzellent dies auf der schrägen Bühne (Thomas Garvie, auch für Kostüme verantwortlich) lebendig werden zu lassen – mit viel Power, Sschwung, Spielfreude und nicht zuletzt auch dem Humor, der dem Text innewohnt. Die Stufen der Tribüne sind mit Pölstern und Kork-Granulat zwischen hölzernen Wänden, die ein wenig an die Form zweier (Ober-)Schenkel erinnern, befüllt. Und werden Strand, Spielplatz und noch vieles mehr.

Das Schauspiel wird unterstützt, betont, untermalt von den Live-Musiker:innen Lilian Kaufmann, Margarete Wagenhofer und Leonie Bramberger. Letztere schuf auch mehrere Animationen, die hin und wieder projiziert werden – darunter Chats der beiden Mädchen in der Computerklasse.

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Titelseite der deutschsprachigen Ausgabe des Romans von Andrea Abreu
Titelseite der deutschsprachigen Ausgabe des Romans von Andrea Abreu „So forsch, so furchtlos“
Curdin Caviezel (spielt Roy Selridge) und Clemens Ansorg (Darsteller von Joseph Wykowski)

Der eine kann freier agieren, der andere strikter – aber mit Doppelbödigkeit

KiJuKU: Seid ihr mit den Soldaten, die ihr spielt zufrieden oder hättet ihr gern andere gespielt?
Curdin Caviezel spielt Roy Selridge: Es wurde sicher nicht ohne Grund so besetzt. Die anderen haben auch sehr spannende Rollen, aber ich bin zufrieden.

KiJuKU: Warum?
Curdin Caviezel: Es ist so eine Rolle, die ein bisschen freier agieren kann; einer, der sich auch mal ein bisschen austoben kann. Er ist sicher nicht der hellste der Truppe. Das macht dann schon Spaß, so einen zu spielen.
Joseph Wykowski gespielt von Clemens Ansorg: Der kann sich relativ viel erlauben.

KiJuKU: Du aber eben nicht.
Clemens Ansorg: Der Wykowski ist ein bisschen enger gestrickt.

KiJuKU: Hättest du gerne eine nicht so disziplinierte Figur?
Clemens Ansorg: Da denk ich nicht darüber nach. Ich würde dafür besetzt. Das wurde sicher sehr gut überlegt vom Haus. Ich nehme meine Aufgabe an und gucke, dass ich diese Figur möglichst reich und stringent spiele. Jede Figur hat ihre Herausforderungen.

Curdin Caviezel: Jede Figur hat auch ihren Reiz.
KiJuKU: Was ist der Reiz deiner Figur?
Clemens Ansorg: Meine Figur ist ja verkappt homosexuell. Das heißt, ich gebe mich als sehr männlich, heterosexuell und lass nichts zu, dass jemand rauskriegen wie’s wirklich ist. Das ist die Herausforderung, dass ich eine Doppelbödigkeit spiele. Einerseits stringent spielen, wie eine Wand, andererseits doch die Doppelbödigkeit durchschimmern lassen.

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Doppelseite aus "Huch, ein Buch"

Lies dich selbst und andere – mit /von vielen Seiten ;)

Ein Buch über ein Buch? Ja, gibt’s so manche. Die einen beschreiben, wie ein Buch entsteht, die anderen über die Bedeutung und Wichtigkeit von Büchern und manches mehr.

„Huch, ein Buch!“ beginnt hingegen damit, dass die Hauptfigur, ein Mann namens Hubert, eines Tages munter wurde und „war ein Buch“. Aber nicht so wie Gregor Samsa in Franz Kafkas „Die Verwandlung“, der „eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte“ und „sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt“ gefunden hat. Denn während Kafka seine Figur in dieser Erzählung tatsächlich als Käfer und noch dazu auf dem Rücken liegend und mit den Beinen in der Luft zappelnd wiederfand, belassen Kai Lüftner im Text und Wiebke Rauers in den dazupassenden Zeichnungen Hubert B. in Menschengestalt.

Viel-seitig

Der Untertitel dieses bebilderten gereimten Buches deutet schon an, worum’s wirklich geht: „Oder die anderen Seiten des Hubert B.“. Darum, dass – mit Hubert B. – Leser:innen viele Seiten an sich und anderen suchen, finden, entdecken (können). Und an ziemlich viel Vergnügen auf die verschiedensten Anspielungen des Autors draufzukommen. Und mit Hubert B., nicht nur sich selbst mehr zu erkennen, sondern auch in anderen Menschen zu „lesen“: „Bei dem kleinen Alexander / sind die Seiten durcheinander… er hat so vieles zu berichten / unendliche Geschichten“.

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Huch, ein Buch“

Die eine oder Anspielung auf Buch- oder Filmtitel richtet sich (eher) an Erwachsene wie „denn da sind zwischen Mann und Frau / 50 Schattierungen in Grau“ – mit aber durchaus eindeutig jugendfreien Zeichnungen!

Lebensweisheiten ohne erhobenem Zeigefinger

So manche Lebensweisheit, die sich aus den Wort- und Gedankenspielen – im Wechselspiel mit den Illustrationen – ergibt, kommt hier ganz ohne Lehr-/Leer-Formel aus. So sind – unter anderem – Menschen genauso wie Bücher nicht unbedingt am Einband zu erkennen. Oder der Schlussreim auf der vorletzten Doppelseite: „Es lässt sich wirklich nicht bestreiten, / wir alle haben tausend unterschiedliche Seiten. / Weiß am Anfang noch und leer, / wenn da nicht jeden Tag die Chance, das zu ändern, wär… – und folgerichtig auf der nächsten Doppelseite Platz, was eigenes hineinzuschreiben für dein eigenes Buch, das rechts unten am Ende ein kleines Hündchen im Maul davonträgt 😉

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Titelseite von
Titelseite von „Huch, ein Buch“
Szenenfoto aus "Schlachthof - Wir essen nur Karfiol" in den Wr. Neustädter Kasematten beim Wortwiege-Festival

Tötet Schlachten Musik und Kunst?

Die an sich schon absurde Geschichte „Schlachthof“ von Sławomir Mrożek wird in der Regie von Ira Süssenbach beim Wortwiege-Festival in den Kasematten von Wiener Neustadt noch einmal überdrehter – in eine Art Zirkus-Setting mit clownesken Figuren in Szene gesetzt. Und zur kurzweiligen Demaskierung von herr-schaftlichen Unterdrückungssystemen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“ in den Wr. Neustädter Kasematten beim Wortwiege-Festival

Fast wie eingesperrt – trotz zweier Wände, die nur leere Rahmen, also offen sind – fidelt der junge Geiger (der ) in seinem Zimmer (Bühne: Andreas Lungenschmid). Hier als Weißclown und auf einer singenden Säge – mit vor zu viel Kolophonium staubendem Geigenbogen. Erstmals ist er an diesem Nachmittag nicht allein, eine Flötistin aus der Nachbarschaft leistet ihm Gesellschaft – die hier folgerichtig nicht dieses Instrument spielt, sondern ein blechernes Kazoo bläst – Dolly Partons in der Version von Whitney Houston weltberühmt gewordenes „I will allways love you“.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“

Zum Künstler zurichten

Sein Liebesgeständnis und ihre Nicht-Reaktion müssen aber ganz heimlich erfolgen, denn hinter der Tür lauert und lauscht die Mutter. Einerseits ist sie Ernährerin, Versorgerin des jungen (Möchtegern-)Künstlers, andererseits totale Herrscherin. Außer Geige-spielen soll der Sohn nichts dürfen, nur ein großer Künstler werden, auch wenn die Mutter von seinem Talent gar nicht so viel halten dürfte. Würde er dennoch berühmt, dann eher zur höheren Ehre und zum Ruhm der Mutter.

Schon dieses Eröffnungsbild des ursprünglich als Hörspiel geschriebenen Dramas (1973) von Sławomir Mrożek (1930 – 2013) kann wohl kaum anders als die Parabel auf einen Staatskünstler in einem autoritären System gehört/gelesen/gesehen werden. Wäre aber noch lange nicht Mrożek, da müssen noch weitere ganz absurd erscheinende Wendungen, um einen großen dramaturgischen Bogen zu schaffen einerseits sowie differenziertere, tiefgreifendere Themen andererseits anzusprechen/-spielen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“

Teufelspakt

So wird der Violinist – alle Figuren übrigens namenlos – einerseits doch gleichsam über Nacht zum Virtuosen – im Austausch mit einer Niccolò-Paganini-Staute in seinem Zimmer, die sich wünscht lebendig zu werden. Der Deal: Raus aus der marmornen Starre, dafür wird der Geiger zum Virtuosen – eine Art Seelenverkauf an den Teufel (Paganini wurde/wird oft als Teufelsgeiger bezeichnet). Und noch schräger: Ein Schlachter mit einer blutigen Leber in der Hand taucht auf. Der Geiger, der zuvor – ob zuerst ohne und dann mit viel Talent – leidenschaftlich für die Kunst brennt, beginnt den Sinn derselben zu hinterfragen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“

Kunst über Bord werfen

„Geiger: Aber stellen Sie sich vor, dass Sie diese Musik bei sich im Schlachthaus hören. Würden Sie dann keine Zweifel bekommen, sagen wir an der moralischen, ethischen Seite Ihres Berufes, würde Sie das nicht hindern … zu töten?
Schlachter: Wieso? Schlachthof ist Schlachthof. Ob man Geige spielt oder nicht. Musik hat damit nichts zu tun, obwohl sich das ja ganz nett anhört. Musik kann’s geben oder nicht. Schlachten muss sein.
Geiger: Merkwürdig, darüber habe ich nie nachgedacht.“
Und mir nichts dir nichts wirft er seine Kunst, sein ganzes bisheriges Lebensmodell über Bord, wird selber zum Schlachter. Und die Direktorin (im Original ein Direktor), die zuvor so auf den Auftritt des Geigers gedrängt hat, dient sich als Teilhaberin des Schlachthofs an. Der produziere ja Lebensnotweniges.
„Wir werden öffentlich töten, auf der Bühne im hellen Licht der Scheinwerfer. Offen und vorsätzlich. Wir schaffen eine Philharmonie der Instinkte, der ursprünglichen Gefühle und fundamentalsten Erlebnisse“, legt der Autor dem Philharmonie-Direktor – hier natürlich der Direktorin – in den Mund.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“

Gebär-Neid

Und der Geiger meint: „Ich werde töten. Nur auf diese Weise habe ich an der endgültigen Wahrheit teil. … Ich werde töten, und das wird sein wie gebären.“
„Flötistin: Du kannst nur fremdes Leben oder fremden Tod verursachen, zeugen oder töten. Aber aus dir selbst kannst du weder Leben noch Tod gebären. Du bist ein ewiger Vater, immer nur zur Vaterschaft verurteilt. Du hattest recht: Du bist nur ein Werkzeug, ein Instrument, ein Diener … außer wenn …“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“

Mann – Frau

Außerdem lässt Sławomir Mrożek (Deutsch von Christa Vogel) durch die Flötistin einen weiteren sehr klassische Männlichkeitsbilder zum Einsturz bringenden Gedanken äußeren: „Er vergisst dabei, dass wir Frauen gebären und mehr über das Blut wissen als ein Heerführer. Deine Schlachterei imponiert uns nicht, mein Junge, du kannst soviel Innereien ausreißen, wie du willst. Die Frauen werden dich immer nur als erbärmlichen Karrieremacher betrachten. Und selbst wenn du pausenlos tötest – es ist nie dein eigenes Blut, weder dein Leiden noch dein Leben.“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“

Töten kann jeder, immer und überall

Direktorin: „Töten ist eine Kunst für alle, eine Kunst für die Massen. Töten kann jeder, immer und überall…“ Und sie endet mit des Geigers Todessturz mit einer Art The Show must go on: „Meine Herrschaften, die Vorstellung geht weiter! Und daher: Wer vertritt ihn? Wer ist der nächste? Wer meldet sich freiwillig?“

Überdreh von Sławomir Mrożek ist in all dem Gemetzel jedoch zwischendurch der Satz: „Wir essen nur Blumenkohl.“ – In weiten Teilen Österreichs Karfiol genannt. Was die Wortwiegen-Version auch zum Untertitel machte: „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“

Zirkus?!

Ganz kurz zu Beginn Skepsis beim Rezensenten: Braucht ein an sich schon absurdes Theaterstück noch eine Zirkus-Inszenierung, wird da zu wenig auf Stück und Text vertraut? Doch die Inszenierung und vor allem das Spiel des Quartetts lässt den Gedanken bald verschwinden. Die Figuren werden damit nur auch optisch (Kostüme: Elena Kreuzberger; Maske: Henriette Zwölfer) unterstützt. Nico Dorigatti, das mehr als Talent aus der Umgebung von Wiener Neustadt spielt den clownesken Geiger als unaufgeregten, punktgenauen erst Künstler, dann genauso leidenschaftlichen Schlachter. Im Vorjahr spielte er am gleichen Ort in Václav Havels „Audienz“ den in eine Brauerei strafversetzten Schriftsteller Vaněk, dem ein Spionage-Deal angeboten wird. Dabei musste er in fast Strömen von pickigem Bier akrobatisch auf und um einen Tisch agieren. Diesmal – im Schlachthof – besteigt er ein kunstvoll aus Altmetall zusammengeschweißtes Pferd (Christoph Wölflingseder), übergießt sich mit klebrigem Kunstblut, um hernach gekonnt vom hohen Ross zu fallen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schlachthof – Wir essen nur Karfiol“ – Mutter und Sohn

Eine Entdeckung ist der aus dem deutschen Hanau stammende Roberto Romeo, der sowohl die diktatorische Frau Mama als auch die lebendig gewordene Paganini-Statue und obendrein noch den Schlachter in blutiger Schürze gibt. Die Zirkus-, pardon Philharmonie-Direktorin gibt Petra Staduan und in die Rolle der Flötistin schlüpft Saskia Klar – präzise je nach Situation zwischen distanziert und leidenschaftlich. Sie ist heuer die einzige, die auch noch im zweiten Wortwiege-Festival-Stück „Medea – Alles Gegenwart“ spielt; dort die Korinthische Königstochter Kreusa.

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Titelseite jenes Bandes aus den gesammelten Werken von Sławomir Mrożek in dem sich auch das Hörspiel
Titelseite jenes Bandes aus den gesammelten Werken von Sławomir Mrożek in dem sich auch das Hörspiel „Schlachthof“ findet
Taisa Abdulkadyrova, Fotografin im Stimm*Raum, Maynat Kurbanova, Firdous und Fariza Bisaeva, Rayana Cany, Sara Bisaeva und Zulmira Edieva, ebenfalls eine Teilnehmerin im Kunst- und Kulturprojekt Stimm*Raum – und um eine der Ausstellungstafeln

Marsha Yogliyla, Nochtschiyschö – Kommt Frei, Tschetschenien!

„Wir lachen auch sehr gern über uns selber“, sagte die in Österreich wohl bekannteste Austro-Tschetschenin Maynat Kurbanova unter anderem im Rahmen der Ausstellungseröffnung „Stimm*Raum“ Freitagabend (1. März 2024) im IFP (Institut für Freizeitpädagogik) von wienXtra).

Über Sprache, den mehrmaligen Wechsel der Schrift von Kyrillisch auf Lateinisch und wieder retour, die Zurückdrängung der Landessprache zugunsten der Amtssprache Russisch, was zur Folge hat, dass Tschetschenisch mittlerweile zu den vom Aussterben bedrohten Sprachen wurde, Bräuche, Witze und natürlich auch Folgen der zwei Kriege Russlands gegen das unabhängig gewordene Land, Flucht, Diaspora, Pendeln zwischen den Kulturen, Gemeinsamkeiten mit Österreich ebenso wie viele Unterschiede auch unter den hier lebenden Tschetschen:innen … gibt es mehrere Kartontafeln einer Ausstellung.

Literarische Texte

„Stimm*Raum“ lautet der Titel. Unter diesem laufen seit mehreren Jahren Kulturprojekte mit Jugendlichen. In Schreibwerkstätten verfassten junge tschetschenische Österreicher:innen oder österreichische Tschetschen:innen literarische Texte. Gemeinsam mit künstlerischen Fotos entstand daraus ein zweisprachiges Buch (Deutsch und Tschetschenisch – in kyrillischer Schrift). Im Vorjahr erarbeiteten Jugendliche ein gemeinsames Theaterstück und in diesem Jahr haben sie begonnen, an einem Film zu arbeiten.

Maynat Kurbanova leitete Schreibworkshops, drei der jungen Teilnehmer:innen – Rayana Cany, Sara und Fariza Bisaeva – lasen vor der offiziellen Ausstellungseröffnung Auszüge aus den jugendlichen literarischen Texten aus dem erwähnten Buch. Fariza Bisaeva las einen neuen Text – der in Band 2 erscheinen wird – und sich mit dem Leben in Österreich beschäftigt, das ihr die schönsten ebenso wie die schmerzhaftesten Momente beschert hat

Fariza Bisaeva las aus einem Text, der in Band 2 des Kunst-Buches von Stimm*Raum kommt
Fariza Bisaeva las aus einem Text, der im Theaterstück am Ende stand und in Band 2 des Kunst-Buches von Stimm*Raum kommt

Vertrauensbrüche

Zwei kurze Text-Auszüge hat sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für die schriftliche Veröffentlichung hier zur Verfügung gestellt: „Ich bin österreichische Tschetschenin. Also tschetschenische Österreicherin. Ich meine Österreicherin mit tschetschenischen Wurzeln. Oder doch muslimisch-tschetschenische Wienerin?…
… Gleichzeitig ein Land (Tschetschenien, Anm. d. Red.), das du Österreich, zu oft mit paar Schlagzeilen abtust, dessen Leid du nach Gebrauch instrumentalisierst, dessen Komplexität du zu selten würdigst. Und Stück für Stück, mit jedem Mal, indem du das machst, bricht mein Vertrauen in dich…“

Ein bisschen mehr ist Fariza Bisaeva im Originalton in dem am Ende des Beitrages verlinkten Video von der Veranstaltung zu hören und sehen. Wobei so manche dieser Gedanken, die auf ihren Erfarhungen und Erlebnissen beruhen für viele Menschen mit Wurzeln in vielen anderen Ländern ähnlich sind – konfrontiert mit Vorurteilen, nicht selten auch Rassismus.

Höher als die Alpen

Kurbanova würzte mit schwarzhumorigen Witzen, die dort auch im genannten Buch – siehe Info-Block – zu finden sind. Als Fun Fact nannte sie noch, dass Tschetschen:innen nicht ungern darauf hinweisen, dass der höchste Berg (Dakoh Kort) ihres kleinen Landes (1,3 Millionen Einwohner:innen, weniger als 16.000km2 (kleiner als die Steiermark) 4.493 Meter hoch ist – immerhin fast genau 700 Meter höher als Österreichs höchster Gipfel, der Großglockner (3.798 Meter).

Barkal – Danke für die Infos an die jugendlichen Autor:innen und ihre Mentorin!
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Schüler:innen vertreten in Rollenspielen beide Seiten im Verfahren beim zweiten Moot Court

„Allein die Erfahrung ist extrem wertvoll“

„Das ist natürlich eine tolle Belohnung“, freut sich Annabelle Benesch-Fries, Mitglied des Sieger:innen-Teams beim zweiten Moot-Court im Wiener Handelsgericht bei Wien-Mitte-Landstraße. „Aber allein die Erfahrung ist extrem wertvoll, und die haben wir alle gesammelt“, stellt sie den viel größeren Gewinn – nicht nur für ihr eigenes Team, sondern für alle Teilnehmer:innen – ins Zentrum.

Transparenz-Info

Moot-Court steht für Simulation von Gerichtsverhandlung – ursprünglich „nur“ für Studierende gedacht, wurde dieses Format im Vorjahr in Österreich erstmals auch für Schüler:innen der Handelsakademien mit einem Jus-Schwerpunkt geöffnet – Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… berichtete damals ausführlich in einer Reportage – am Ende dieses Beitrages verlinkt. Da in diesem Jahr die Information darüber zeitlich zu knapp kam und der Kalender übervoll war, kann dieses Mal nur auf die Medien-Aussendung samt Fotos des Fonds der Wiener Kaufmannschaft zurückgegriffen werden – als Transparenz-Info für diesen Beitrag.

Schüler:innen vertreten in Rollenspielen beide Seiten im Verfahren beim zweiten Moot Court
Schüler:innen vertreten in Rollenspielen beide Seiten im Verfahren beim zweiten Moot Court

Der Fonds betreibt mehrere private Handelsschulen und -akademien namens Vienna Business School in Wien und Mödling (Niederösterreich). Deshalb kommen in dieser Information auch lediglich diese Schulen vor – im Gegensatz zur eigenen Reportage im Vorjahr. In Österreich gibt es elf HAK in neun Städten (Eisenstadt, Graz, Innsbruck, Linz, Mödling, Salzburg, St. Pölten, Weiz und Wien) mit JUS-Schwerpunkt, wobei nicht aus allen Standorten Gruppen teilnahmen, weil manche erst vor weniger als vier Jahren damit begannen und nur Schüler:innen der jeweiligen vierten Klassen an diesem Rollenspiel teilnehmen. Die ersten Klassen wurden vor fünf Jahren eingerichtet, so dass es in diesem Frühjahr die ersten Absolvent:innen geben wird.

Den Vorsitz der Verhandlung im Finale führte Den Vorsitz führte die Präsidentin des Wiener Handelsgerichts, Maria Wittmann-Tiwald
Den Vorsitz der Verhandlung im Finale führte Den Vorsitz führte die Präsidentin des Wiener Handelsgerichts, Maria Wittmann-Tiwald

„Immens wertvoll“

Zurück zum siegreichen Team aus der VBS Schönborngasse (Wien-Josefstadt; 8. Bezirk). Neben der eingangs zitierten Annabelle Benesch-Fries gehörten Laurenz Köckeis, Philipp Mandl und Fabian Retzlaff dem Team an. „Allein die Richter in Aktion zu sehen, welche Fragen sie stellen und wie sie auf vorgebrachte Argumente reagieren, ist immens wertvoll“, erklärt Laurenz Köckeis. Während Schüler:innen in die Rolle von Anwält:innen sowohl der Klags- als auch der gegnerischen Beklagten-Seite schlüpften, wurden die Verfahren von tatsächlichen Richter:innen geleitet. Im Finale um Platz 1 führte die Präsidentin des Handelsgerichts, Dr.in Maria Wittmann-Tiwald, wie schon im Vorjahr die Verhandlung, ihr zur Seite saß Peter Martschini.

Den Vorsitz der Verhandlung im Finale führte Den Vorsitz führte die Präsidentin des Wiener Handelsgerichts, Maria Wittmann-Tiwald gemeinsam mit dem Richter Peter Martschini
Den Vorsitz der Verhandlung im Finale führte Den Vorsitz führte die Präsidentin des Wiener Handelsgerichts, Maria Wittmann-Tiwald gemeinsam mit dem Richter Peter Martschini

Lob von Profis

Letzterer gab den Schüler:innen im Vorfeld wertvolle Tipps und Hinweise und zeigt sich beeindruckt von der akribischen Vorbereitung der Teams: „Man konnte erleben, wie die Teams im Vorfeld nachdachten, was ihnen vor Gericht nützen würde. Da will man sagen: Hier wäre das Vorlegen eines neuen Dienstzeugnisses des Klägers gut – da hat einer es auch schon hervorgezaubert. Die Teams haben sich professionell vorbereitet, da war nicht viel Unterschied zum echten Gerichtsalltag“, spendete er das wohl höchste Lob.

Dass Moot Court – wieder unter der Patronanz von Justizministerin Alma Zadić – im Vorjahr sozusagen keine Eintagsfliege geblieben ist, veranlasst den Initiator dieser praxisbezogenen Simulation, Daniel Baier, Jurist und Lehrer an der JusHAK der VBS Mödling, zu diesem zitierten Statement: „Damit haben wir den Moot Court als wertvolles Bildungselement der JusHAK etabliert. Wir wollen damit jungen Menschen die Möglichkeit geben, die Justizwelt früh kennenzulernen.“

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Doppelseite aus "Hugo, der Mistkäfer"

Ein Loblied auf den Sch…-haufen-Sammler

Nach dem „Kompostfranzi“, dem spannend-informativen Bilderbuch über vor allem Regenwürmer und ihre wichtige Arbeit im Erdreich – aber eingebettet in eine Geschichte -, holt die Autorin und Illustratorin Simona Smatana im Folge-Buch im selben Stil und Format Mistkäfer vor den Vorhang. Und gibt der Hauptfigur ebenfalls einen Namen: Hugo.

Und diesem schreibt Smatana gar menschlichen Eigenschaften zu. Ein kleiner Gierald ist dieser Käfer, der Kot aller möglichen Tiere zu Kügelchen formt, er kann nicht und nicht genug kriegen. Erst als ihm der Regen sozusagen eine Strich durch die Rechnung macht, den ganzen Wald stark befeuchtet, sieht „Hugo, der Mistkäfer“ beim Kotkügelchen rollen die Landschaft mit neuen Augen. Er nimmt sich Zeit, die Schönheit zu betrachten – und mit anderen Tieren zu kommunizieren…

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Hugo, der Mistkäfer“

Die Autorin und Zeichnerin aus der Slowakei – übersetzt hat den Text wieder der Autor Michael Stavarič – hat der Geschichte um Hugo wie schon bei den Regenwürmern einen informativen Teil angehängt. In dem ist zu erfahren, dass es mehr als 5000 Mistkäfer-Arten gibt – praktisch überall auf der Welt (außer in der Antarktis im ewigen Eis) verarbeiten sie das, was andere Tiere als Verdauungsprodukt ausscheiden, also Kot. Wie sie leben und arbeiten wird auf diesen Anhang-Seiten ebenso beschrieben wie Bilder unterschiedlichste Haufen und Häufchen zeigen. Schließlich gibt’s noch ein Rezept für „Naschkügelchen“ – bei denen du hoffentlich die Bilder von den anderen aus dem Kopf kriegst, wenn du sie zubereitest oder verzehrst 😉

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Hugo, der Mistkäfer“
Infso beim Stand über Ernährungskrisen

Schüler:innen informieren und wollen „helfen wo es geht!“

Höchstens drei Finger passten durch die Öffnung des MUAC-Bandes. Und das schockt dann recht heftig. Wenn der Oberarm eines Kinds auch nicht dicker ist als drei Finger von Jugendlichen, bei Erwachsenen mitunter sogar nur von zwei Fingern, dann ist ein Kind (1/2 bis 5 Jahre) schwer mangel-, also unterernährt. Die Abkürzung steht für Mid-Upper Arm Cicumference (Mittlerer-Oberarm-Umfang). Und ist der erste/einfachste Hinweis für Mitarbeiter:innen von „Ärzte ohne Grenzen“, ob ein Kind unter Mangelernährung leidet. Das Band ist dann – bis höchstens 116 Millimeter (also allerhöchstens 11,6 Zentimeter) – im roten Bereich.

Gruppenarbeiten

Über Hunger und Mangelernährung einerseits, wo beide am häufigsten in der Welt aktuell auftreten und diesen eingangs beschriebenen Test informierten Rafael, Stefan und Fırat im Festsaal der privaten Handelsakademie Hamerlingplatz (Wien-Josefstadt, 8. Bezirk) am letzten Februartag (Schaltjahr 2024). Es war dies einer von fünf informativen Ständen, die Schüler:innen der 1SBK (S für den Zweig Social Business hier an der VBS – Vienna Business School). Alle Jugendlichen dieser Klasse hatten sich für ein gemeinsames Projekt zu „Ärzte ohne Grenzen“ entschieden, in Gruppen aufgeteilt – „wie wir gut zusammenarbeiten konnten“, wie eine Schülerin Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr erklärt. Neben dem Ist-zustand in Sachen Ernährungskrise, Frauengesundheit, Flucht & Krieg, Medikamenten-Zugang und Naturkatastrophen & Klimakrise stand natürlich im Zentrum auch, wie und wodurch diese weltweit agierende NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) vor Ort helfen kann und es auch tut.

Die genannten Gruppen hatten sich zwei Wochen lang im Unterricht – mit jeweils zwei Wochenstunden – vorbereitet, recherchiert, Präsentationen zusammengeschrieben und Plakate gestaltet. Verteilt über den Schultag kamen die Schüler:innen der anderen Klassen und informierten sich an den Ständen zu den genannten Themen.

Samanour, Lara und Meltem informieren über Einsatzgebiete bei Kriegen und Flucht-Quartieren
Samanour, Lara und Meltem informieren über Einsatzgebiete bei Kriegen und Flucht-Quartieren

„Vergessene“ Krisen

Immer wieder holten die Jugendlichen dabei in „Vergessenheit“ geratene Katstrophen-Einsatzgebiete in Erinnerung. Dass in Syrien bereits ununterbrochen seit 2011 Krieg herrscht, kommt in Medien kaum mehr vor. Aber auch dies sind Einsatzgebiete für „Ärzte ohne Grenzen“ ebenso wie aktuell viel bekanntere kriegs- und Flucht-Schauplätze. Samanour, Lara und Meltem weisen aber auch darauf hin, dass von derzeit weltweit rund 100 Millionen Menschen, die aus ihrer unmittelbaren Heimat flüchten müssen, etwa 60 Prozent Zuflucht in anderen Gegenden ihres Landes suchen und finden.

Naturkatastrophen udn Klimakrisen waren die Themen über die Asa, Sandro, Fatima und Alina informierten
Naturkatastrophen udn Klimakrisen waren die Themen über die Asa, Sandro, Fatima und Alina informierten

Asa, Sandro, Fatima und Alina haben sich Naturkatastrophen und Klimakrisen gewidmet. Und auch da kommen neben den durch das große Erdbeben vor knapp mehr als einem Jahr bekannten Gegenden in der Türkei und Syrien so manche Regionen der Welt – und damit Tausende Menschen – in der Präsentation vor, die von der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommen werden – etwa das Erdbeben in der Provinz Herat in Afghanistan vor nicht einmal einem halben Jahr.

Anabella, Samantha, Jan, Sara und Leonardo machten sich - und an diesem Tag die Besucher:innen über Medikamentenversorgung unter schwierig(st)en Bedingungen schlau
Anabella, Samantha, Jan, Sara und Leonardo machten sich – und an diesem Tag die Besucher:innen über Medikamentenversorgung unter schwierig(st)en Bedingungen schlau

Aktions-Stationen

Wo und wie Ärzte ohne Grenzen dafür sorgt, dass Medikamente zu Menschen kommen, die vor Ort keine haben, das haben Anabella, Samantha, Jan, Sara und Leonardo recherchiert – und präsentiert. Vor ihnen auf dem Tisch lagen weiße Papiersackerln. Die Besucher:innen können daran riechen und versuchen draufzukommen, welche Kräuter sich da drinnen befinden – die oft Basis für helfende Tees sein können. Aktionistische Stationen, die mit ihrem jeweiligen Schwerpunktthema zu tun haben, ließen sich auch die anderen Teams einfallen. So durfte im Vorraum zum Festsaal eine Wasserschüssel mit Sand und Spülmittel verunreinigt werden – als Symbol dafür, dass in Katastrophengebieten die Menschen oft kein sauberes (Trink-)Wasser haben – Videos von drei der Action-Stationen in diesem Beitrag verlinkt.

Lara A., Arthur, Selin und Elisabeth informieren über Frauengesundheit
Lara A., Arthur, Selin und Elisabeth informieren über Frauengesundheit

Dass Frauen noch immer auch in der medizinischen Forschung zu wenig berücksichtigt werden, war der Ausgangspunkt für Lara A., Arthur, Selin und Elisabeth, sich dem Thema Frauengesundheit und wie und was Ärzte ohne Grenzen in ihren Einsatzgebieten sehr wohl berücksichtigen, zu widmen. Die symbolische Aktion hier: eine Baby-Puppe sowie ein Stück Stoff. Wie aus dem eine Windel gebunden wird, zeigte Arthur für die Kamera vor – siehe Video.

Ideenfabrik

Neben den Informationen und Aktions-Ständen hatten die Jugendlichen der 1SBK der VBS-Hamerlingplatz für die Besucher:innen aber noch eine weitere interaktive Station vorbereitet. Unter dem Titel Ideenfabrik wurden alle eingeladen, auf Zettel, Vorschläge, Ideen und Gedanken aufzuschreiben, wie Frieden gesichert/geschaffen werden könnte. Die entsprechende Tafel wurde dicht gefüllt. Alisha, Enobong und Hana hatten das auf ihre Zettel geschrieben: „Helfen wo es geht“, „Love your neighbour as you love yourself“ (Liebe deine Nachbarn wie dich selbst) sowie „Durch Kommunizieren und verstehen“.

Nachtrag: 854,37 € gespendet

Rund zwei Wochen nach dem Informations-Aktionstag wurde Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… informiert, dass in einer Spendenbox an diesem Tag insgesamt 854 Euro und 37 Cent gelandet sind, die nun an „Ärzte ohne Grenzen“ übergeben werden.

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Suse Lichtenberger als Solo-Kabarettistin

Von der „Lockdown-Linde“ zur Solo-Kabarettistin – mit viel (Selbst-)Zweifel

Bevor sie ab 9. März im Theater am Werk/Kabelwerk im Anti-Musical „Horses“ bei der Wiederaufnahme in die Rolle der esoterisch angehauchten Pferdehof-Erbin Birgit schlüpft, spielt und singt Suse Lichtenberger in Wien, Ober- und Niederösterreich noch mehrmals ihr erstes Solo-Kabarett „Willkommen Zuhause“. Der Untertitel „aus der Vorhölle zum Erfolg“ ist durchgängiges Motto der rund eineinhalb Stunden.

Zwischen einem Barhocker neben dem Mikrofonständer und einem Piano klagt sie im fiktiven Telefonat mit der Mutter ihr Leid, dass diese sich ständig mehr und größere Erfolge weniger für als von der Tochter wünscht – eher um bei ihren Freundinnen angeben zu können, dass es die Suse ins Burgtheater geschafft hätte statt in kleinen Theatern auftreten zu müssen…

Die Vorhalte der Mutter verinnerlicht die Tochter, auch schon Mitte 40, als Selbstzweifel. Aber auch als Kritik an noch immer herrschenden Klischees bei Besetzungen für Filme. Dünn schlägt Schauspielkunst sozusagen.

Suse Lichtenberger als Solo-Kabarettistin
Suse Lichtenberger als Solo-Kabarettistin

Themen-Strauß

Suse Lichtenberger, die in der Pandemie als Theater mehr als alles andere geschlossen blieben, das Videoformat „Lockdown Linde“ erfand, das vor Witz und Energie sprühte, ließ sich davon inspirieren, danach auch ein eigenes Kabarettprogramm zu schreiben – Co-Autor, dramaturgische Beratung und Komposition einiger Lieder: Michael Smulik). Die Erfolgs-Erwartung der Mutter, die sie in ihrem schwäbischen Herkunftsdialekt akustisch auf der Bühne erscheinen lässt, ist das Eröffnungsthema.

Es folgen der Autorin und gleichzeitig Spielerin wichtige persönliche Themen vom Klimawandel, dem Fleischkonsum, Biologische Produkte, Mann-Frau-Verhältnis was di Bewältigung des Alltags betrifft, Elternschaft von Teenies, Expert:innen und als Gegensatz das Absondern von Meinungen, wenn man ziemlich genau gar nichts weiß, geschönten, inszenierten Insta-Fotos und einiges mehr.

Suse Lichtenberger als Solo-Kabarettistin
Suse Lichtenberger als Solo-Kabarettistin

Solistin lässt zwei „Mitspieler:innen“ erscheinen

Neben der Mutter lässt die Kabarettistin in ihrem Premierenprogramm noch mehrmals einen „Günther“ auftreten, der insbesondere bei den Themen rund um Umwelt ständig kontert – was ihr wiederum die Gelegenheit gibt als Suse dagegen zu argumentieren. Das Switchen in andere Personen mit anderem Dialekt, Tonfall, Mimik, Körperhaltung und unterschiedlichem Tempo zeigt auch die schauspielerische Vielfalt. In praktisch jeder Passage baut Lichtenberger so manchen Wortwitz ein, der die kabarettistische Demaskierung zum jeweiligen Bereich humorig unterstützt.

Und sie kann singen, auch wenn sie gleich einmal ihr Klavierspiel runtermacht, weil sie nicht auswendig, sondern nur vom Blatt spielen kann. Mit im Programm das – zumindest von der Melodie und der ersten Textzeile – bekannte Volkslied „Auf der Schwäbischen Eisenbahn“. Erst durch ihre Zwischendurch-Übersetzung aus dem Dialekt wird bekannt, wie absurd Story und Text sind. Dazu bringt sie eigene getextete Lieder wie den leider immer wieder noch aktuellen „Nein“-Song und jenen, dass der Mann oft das Hirn ausschaltet, wenn er weiß, dass seine Frau ohnehin dran denkt – was im Alltag eigentlich zu erledigen wäre.

Suse Lichtenberger als Solo-Kabarettistin
Suse Lichtenberger als Solo-Kabarettistin

Gegen „Selbst-Optimierung“

Der Abend, der ein offenen Plädoyer gegen den Trend zur dauernden Selbstoptimierung darstellt, endet mit dem „Mittelmaß-Song“, in dem es im Refrain heißt: „Die Mitte ist die Hälfte und die Hälfte ist schon viel/ Das Halbe ist der Weg, das Ganze nur das Ziel/ Mittel hier, mittel da, / mit der Mitte komm ich klar. / Mittelschön, mittelalt / Das ist mein Sachverhalt / Die Mitte ist das Maß und da bin ich zuhaus…“

Auch wenn Suse Lichtenberger damit spielt, vielleicht lässt sie ein bisschen zu viel mitschwingen, dass ihr das eigene Können nicht genug ist. Auch wenn das fast ständige sich-in-Frage-stellen durchaus sympathisch ist, hat sie es nicht notwendig, an ihrem Können zu zweifeln, nur weil (noch) nicht die Massen ihr Programm stürmen.

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Suse Lichtenberger als Solo-Kabarettistin
Suse Lichtenberger als Solo-Kabarettistin
Szenenfoto aus "Medea - Alles Gegenwart"

Überirdisches Schauspiel in unterirdischem Raum

Böse Kindsmörderin – so die einen. Opfer von Rassismus und Ausgrenzung, das zu einer Verzweiflungstat getrieben wird – so die anderen. Das sind die extremen Pole der Sichtweise auf die Figur der antiken Medea. Und beim „Nachgraben“ stellt sich heraus, in ursprünglichen griechischen Fassungen hat Medea gar nicht Mermeros und Pheres, die Söhne, die sie mit dem Argonauten Jason hatte, selber umgebracht.

Wie auch immer, unzählige Male wurde der mythologische Stoff in Bühnenversionen erzählt, war Ausgangspunkt für Bilder, Filme, Bücher usw. Aktuell wird er in einer sehr bewegenden psychodramatischen Form im Rahmen des Wortwiege-Theater-Festivals in den Wiener Neustädter Kasematten hinreißend gespielt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Medea – Alles Gegenwart“

Plus Bachmann-Text

Basis für diese Version (Regie – und Spielfassung: Anna Maria Krassnigg) ist Franz Grillparzers dritter Teil der gereimten Trilogie „dramatisches Gedicht“) „Das goldene Vlies“ (Der Gastfreund, Die Argonauten und eben Medea). Im Wesentlichen wurde der Originaltext verwendet – angereichert um das Gedicht „Liebe: Dunkler Erdteil“ von Ingeborg Bachmann, das mit den Zeilen „Der schwarze König zeigt die Raubtiernägel, zehn blasse Monde jagt er in die Bahn“ beginnt.

Aus Liebe eigene Familie verraten

Nina C. Gabriel, die in dieser unterirdischen Wehranlage wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt seit Jahren überirdisch die unterschiedlichsten komplexen Figuren verkörpert, lässt teilhaben an der Entwicklung der Liebenden. Für den Fremden namens Jason, in den sich die Königstochter von Kolchis unsterblich verliebt, stiehlt sie – entgegen der eigenen Vernunft – das mit allen Macht- und Ruhm-Fantasie aufgeladene Stück Schafffell, verrät die eigene Familie und flieht mit ihm. Nach abenteuerlichen Zwischenstationen landen sie in Korinth, wo Jason seine Jugend verbracht hat. König Kreon nimmt die Familie – Jason, Medea, Mermeros und Pheres – zunächst auf, ist aber eher auf das Beutestück erpicht. Jason und die Söhne will er samt dem Goldenen Vlies, hätte gern, dass der Mann seine Frau verlässt, und stattdessen des Königs Tochter Kreusa heiratet.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Medea – Alles Gegenwart“

Schmierig skrupelloser Herrscher

Irgendwie scheint Jason (Jens Ole Schmieder) Medea schon stark zu lieben, aber der Deal! Und mit Kreusa (Saskia Klar), die sich anfangs freundschaftlich mit Medea versteht, verbindet ihn die Erinnerung an die jugendliche Gemeinsamkeit mit doch auch mehr. In wenigen Momenten lässt er noch die Liebe zur Angetrauten aufblitzen, doch mehr zieht es ihn zum Angebot der neuen Macht hin. Peter Scholz verleiht König Kreon eine schmierige Skrupellosigkeit, die an so manch aktuelle Politiker in unterschiedlichsten Ländern der Welt erinnert.

Als sich die beiden Söhne – in projizierten voraufgenommenen Videos (Film sowie Musik: Christian Mair) Nico Dorigatti, Flavio Schily – gegen Medeas Bitten, mit ihr, die nun verbannt wird, mitzukommen, entschließen, zerbricht die Hauptfigur psychisch. Getrieben von Angst und Sorge, sie könnten als Söhne der Fremden, Wilden, Zauberin vielleicht Opfer rassistischer Attacken werden, wenn Jason und Kreusa dann „heimische“ Kinder hätten, oder sie würden – zu Helden erzogen – selbst zu Mördern werden, „befreit“ sie die beiden von solch möglichen Schicksalen von deren Leben und befördert sie in den Tod. Und will damit aber auch dem nun Ex-Mann Schmerzen zufügen, die an ihre eigenen (vielleicht) herankommen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Medea – Alles Gegenwart“

Die Kinder?

Ob der Mord an den Kindern durch die „Erlösungs“-Fantasie nicht nur ein Schönreden ist? So viele verschiedene Medea-Interpretationen es auch gibt, meines Wissens gibt es nur eine einzige, die versucht, die sich aufbauende Tragödie aus der Sicht der Kinder zu beleuchten. Suzanne Osten und Per Lysander schufen vor rund einem halben Jahrhundert Medeas Barn (Medeas Kinder), das 1975 vom Unga Klara Theater in Stockholm uraufgeführt wurde.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Medea – Alles Gegenwart“

Liebes-Fell und Projektionsfläche

Die Version in den Neustädter Kasematten hat übrigens noch einen spannenden „Mitspieler“: Zentral auf der Bühne, die fast immer an eine Kaimauer erinnert (Andreas Lungenschmid) hängt tatsächlich ein riesiges Vlies, ein Schafffell von der in Thessaloniki (Griechenland) lebenden und schaffenden aus Salzburg stammenden Künstlerin Evelyn Wallner Papadopoulou. Und dieses wird im Verlauf der Aufführung immer wieder zur Projektionsfläche – manchmal für die Videoeinspielungen und oft auch für Lichtspiele, die die jeweilige Stimmung widerspiegeln (Licht: Lukas Kaltenbäck). „Guardian Sheep“ (Wächter-Schafe) nennt die Künstlerin, die seit Jahren mit diesem Material arbeitet, ihre Installationen. „Wolle symbolisiert für mich bedingungslose Hingabe und Liebe“, erklärt sie Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… am Rande der Premiere. Die Zusammenarbeit mit der bildenden Künstlerin, die auch österreichische Honorarkonsulin in Griechenland ist, ergab sich zufällig mit der Wortwiege im Rahmen von deren „Sea Change“-Tour.

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wikipedia -> Medea

Ali Saykhan Khazaev (Darsteller des jugendlichen Mo) und Abdulsattar Qasimi (Darsteller des jugendlichen Yousef)

Für beide Jugendlichen der erste Filmdreh: „Wollen jedenfalls weitermachen!“

Die meisten – begeisterten – Premieren-Besucher:innen von „Im Schatten von Wien“ (Filmbesprechung in einem eigenen Beitrag – Link unten am Ende) haben den großen Saal im Gartenbaukino schon verlassen, befinden sich im Foyer im Small-Talk, da setzen sich Yousef-Darsteller Abdulsattar Qasimi und Ali Saykhan Khazaev, der den Mo spielt, auf den Rand der Bühne vor der riesigen Leinwand. Davor steht der KiJuKU-Journalist und befragt die beiden Hauptdarsteller – von Yousef und Mo.

KiJuKU: Wie alt sind Sie, was machen Sie und war dies Ihr erster Film?
Abdulsattar Qasimi (jugendlicher Yousef-Darsteller): Ich bin 16, besuche die Lernwerkstatt und es war mein erster Film.

KiJuKU: War das so, wie Sie es sich vor dem Dreh vorgestellt haben?
Abdulsattar Qasimi: Nein, ich dachte davor, es wäre einfacher, würde schneller laufen. Wir haben manches Mal viele Versuche gebraucht, um eine Szene fertig zu drehen.

KiJuKU: Haben Sie da dazwischen dann einmal gedacht, boah, ich geb auf?
Abdulsattar Qasimi: Das war nie ein Thema. Ich hab immer gedacht, okay, ich nutz jetzt diese Möglichkeit, die ich bekommen habe und bau mir damit vielleicht was auf.

Abdulsattar Qasimi spielte den jugendlichen Yousef
Abdulsattar Qasimi spielte den jugendlichen Yousef

KiJuKU: Haben Sie schon vorher einmal als Kind gedacht, Sie würden gern einmal in einem Film mitspielen?
Abdulsattar Qasimi Immer schon. Das war schon ein Kindheitstraum von mir, aber gleichzeitig hab ich immer gedacht, das wäre unmöglich für mich.

KiJuKU: In der Lernwerkstatt, was mögen Sie gerne lernen und was vielleicht weniger?
Abdulsattar Qasimi: Ich geh dort erst seit Kurzem hin. Ich mag’s einfach so, alte Themen, wo ich schon einiges vergessen habe, wieder neu lernen, gerade jetzt bei Mathematik. Es ist so eine Art, altes Wissen ein bisschen aufzufrischen.

KiJuKU: Was interessiert Sie in Ihrer Freizeit?
Abdulsattar Qasimi: Eigentlich Kampfsport.

KiJuKU: Machen Sie selber Kampfsport?
Abdulsattar Qasimi: Bis vor Kurzem, dann hab ich abgebrochen, weil ich mich jetzt mehr auf die Lernwerkstatt konzentriere.

KiJuKU: Zurück zum Film: Sie haben ja auch selber einiges für die Story eingebracht, oder?
Abdulsattar Qasimi: Wir alle haben in den Workshops viel an eigenen Erfahrungen erzählt, das dann Teil der Geschichte geworden ist.

KiJuKU: gilt das auch für das, was Sie dann im Film sagen?
Abdulsattar Qasimi: Aus dem, was wir alle erzählt haben, haben die Profis dann das Drehbuch geschrieben – auch die Sätze, die wir sagen sollten. Aber Sie haben uns beim Dreh immer wieder gesagt, wir sollen es dann in unseren eigenen Worten sagen, so rüberbringen, wie’s für uns wirklich gut passt.

Mathematisch begabter Bank-Lehrling

KiJuKU: Zuerst an Sie die selben Fragen: Wie alt sind Sie, was machen Sie und war dies Ihr erster Film?
Ali Saykhan Khazaev (Darsteller des jugendlichen Mo): Ich bin auch 16, bin Lehrling – im ersten Lehrjahr Bankkaufmann bei der Bank Austria und ja, auch für mich war es der erste Film.

KiJuKU: War Bankkaufmann schon immer Ihr Wunschberuf?
Ali Saykhan Khazaev: Zumindest schon seit der 2. Klasse Mittelschule. Damals hab ich mir überlegt, was ich als nächstes mache. Und entschieden, eine Lehre als Bankkaufmann anzufangen was auch sehr interessant ist. Die dauert drei Jahre

Ali Saykhan Khazaev (Darsteller des jugendlichen Mo), Abdulsattar Qasimi (Darsteller des jugendlichen Yousef), May Garzon (Darstellerin einer Pflegerin, vor allem aber Schauspiel-Coach) und die Moderatorin des Nachmittags, Asja Ahmetović
Ali Saykhan Khazaev (Darsteller des jugendlichen Mo), Abdulsattar Qasimi (Darsteller des jugendlichen Yousef), May Garzon (Darstellerin einer Pflegerin, vor allem aber Schauspiel-Coach) und die Moderatorin des Nachmittags, Asja Ahmetović

KiJuKU: Sind Sie mit Ihrer Berufswahl zufrieden?
Ali Saykhan Khazaev: Ja, ich bin sehr zufrieden.

KiJuKU: Können Sie also gut mit Zahlen umgehen und mögen Mathe?
Ali Saykhan Khazaev: Ich bin und war immer sehr gut im Rechnen, mathematisch begabt.

KiJuKU: Haben Sie auch schon als Kind davon geträumt, einmal in einem Film mitzuspielen?
Ali Saykhan Khazaev: Bei mir war das sehr spontan. Ich hab mir nie vorher einen Kopf darüber gemacht, ob ich überhaupt gut im Schauspielen bin. Dann haben wir uns in dem Workshop getroffen, darüber geredet und wir haben dann entschieden, okay, wir probieren’s. Jetzt gefällt mir das Schauspielen. Wir haben danach auch entschieden, weiterzumachen und freuen uns natürlich auf jede Art von Filmen, in denen wir mitspielen dürfen.

KiJuKU: Es gäbe ja auch die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Jugendlichen selber Filme vielleicht mit dem Handy zu drehen und für die Video- und Filmtage einzureichen?
Ali Saykhan Khazaev: Könnten schon, das wäre aber nicht so professionell. Wir möchten wenn schon, dann lieber mit Profis zusammen arbeiten – so wie mit denen von „Demokratie, was geht?“

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Still (STandfoto) aus dem Film "Im Schatten von Wien"

„Wir waren schon tot, bevor wir überhaupt geboren worden sind“

Auch wenn der Sozialarbeiter freundlich und empathisch die beiden Buben zu fragen beginnt – die Szene in dem kahlen Büro mit kräftiger Schreibtischlampe vermittelt schon, die beiden haben Angst. Verstehen offenbar die Sprache nicht. Just als Fabian – der Einfachheit halber hat er im Film seinen echten Vornamen – versucht zu erfragen, welche Sprache die beiden mitbringen, stürmen zwei Polizisten in den Raum und nehmen die Jungs gewaltsam mit.
So beginnt der knapp mehr als 20-minütigen Film „Im Schatten von Wien“, entstanden im Projekt „Demokratie, was geht?“.

Still (Standfoto) aus dem Film
Still (Standfoto) aus dem Film „Im Schatten von Wien“

Gedreht von Profis hinter der Kamera, gespielt zum Großteil von Jugendlichen aus den beiden großen Wiener Gemeinde-Wohnhausanlagen Am Schöpfwerk (Meidling, 12. Bezirk) und Rennbahnweg (Donaustadt; 22. Bezirk). Diese Jugendlichen waren es auch, die in Workshops ihre Ideen für die Story sowie für viele der Szenen einbrachten. Aus den Inputs der Jugendlichen schrieben Ibrahim Amir und Mahir Yıldız das Drehbuch; Letzterer führte auch Regie.

Still (STandfoto) aus dem Film
Still (Standfoto) aus dem Film „Im Schatten von Wien“

Erstmals gespielt – sehr überzeugend

Yousef und Mo – so die beiden Buben im Film – sind beide geflüchtet – und so manches aus der Story hat auch mit den jugendlichen Darstellern zu tun. Abdulsattar Qasimi, der den späteren jugendlichen Yousef überzeugend und ganz und gar nicht laienhaft spielt, obwohl dies seine erste Arbeit vor der Kamera war, hat afghanische Wurzeln. Die Familie seines Kollegen Ali Saykhan Khazaev, ebenso hervorragender Darsteller des jugendlichen Mo, kommt aus Tschetschenien. Zu Interviews mit diesen beiden geht es in einem eigenen Beitrag.

Die beiden eingangs geschilderten Buben – die Protagonisten im Kindesalter – wurden natürlich von anderen gespielt, von Yasir Arman sowie Valerian Vallant. Auch sie beeindrucken – insbesondere wie sich die Angst in ihren Augen, in ihrer Mimik spiegelt.

Die beiden Jungs im Film, schon kurz nach der Flucht trotz der dabei aufgesammelten Traumata brutal be- bis misshandelt, werden im Verlauf der Story Kleinkriminelle. Zentral dreht sich die Story trotz der Action-Szenen aber um die Frage von Ver- und Misstrauen.

Still (STandfoto) aus dem Film
Still (Standfoto) aus dem Film „Im Schatten von Wien“

Versuch, Freunde gegenseitig auszuspielen

Der Polizist in Zivil, der seinen Namen auf Antonio geändert hat, versucht erst im Verhör Mo dazu zu bringen, Yousef zu verraten. Als der sich nicht darauf einlässt, besucht der Polizist jene Moschee, in der er Yousef trifft und dessen Vertrauen gewinnen möchte. Er sei ja selber vor 35 Jahren nach Österreich geflüchtet…

Still (STandfoto) aus dem Film
Still (Standfoto) aus dem Film „Im Schatten von Wien“

Doch Yousef lässt sich darauf nicht nur nicht ein, er erkennt und sagt, dass Antonio ja zu einer ganz anderen Zeit geflüchtet wäre, wahrscheinlich sogar mit dem Zug angekommen sei und die Lage von Yousef, Mo und den anderen gar nicht verstehe. „Weißt du, wir haben keine Chance, wir waren schon tot, bevor wir überhaupt geboren worden sind…“

Respekt

Apropos Antonio und Namensänderung. Als Yousef mit Mo neben den Abstellgleisen eines Bahnhofs dahingeht und sich über die „Drecksratten da“ beschwert, meinte Mo: „Ein bisschen Respekt, du bist zu Gast bei den Ratten, immerhin schauen sie nicht so komisch, wenn sie deinen Namen hören!“

Im Bühnengespräch nach dem Film erläuterte Mo-Darsteller Ali Saykhan Khazaev, dass es zu diesem Satz kam, weil er immer wieder erlebe, dass Leute komisch reagieren, wenn sie seinen Namen oder den so mancher Freunde zum ersten Mal hören… – Erlebnisse von Alltags-Rassismus.
Und das bezieht sich dann nicht nur auf die Namen – sondern auf das Gefühl, nicht dazugehören zu dürfen.

Die große Filmpremiere mit Hunderten begeisterten Kino-Besucher:innen bildete da übrigens ein Gegengewicht – ebenso wie schon die Arbeiten mit den Profis an dem Film.

Nächstes Mal dreht sich’s um Mädchen

Großer Jubel des vollbesetzten Saals für den Film und die darstellerische Leistung der Jugendlichen, die fast ausnahmslos zum ersten Mal vor der Kamera spielten. Immer wieder jedoch gab’s Bedauern, dass sich praktisch alles um Burschen drehte. Der Grund: Für die Workshops hatten sich fast ausschließlich solche gemeldet. „Demokratie, was geht?“ ließ jedoch anklingen, der nächste Film solle sich vor allem um Mädchen drehen.

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Fotos aus einigen dre nominierten Produktionen für junges Publikum: Unisono (li.o.), Pixelzimmer (li. unten), Schön und gut (re. o.), Erwachsenenbeschimpfung (re. unten), Obstacles in our Sky (Mitte, unten) sowie dem Logo für die diesjährigen Stella*24, Darstellene.Kunst.preise für junges Publikum

Die nächsten Sterne winken den Theaterleuten für junges Publikum

Tatatata – die Nominierungen stehen fest, die Preise werden im November vergeben. Die vier Juror:innen, die 126 Stücke und Performances für junges Publikum in ganz Österreich angeschaut und bewertet haben, gaben ihre Urteile ab. Die 24 Nominierungen in fünf Kategorien wurden am Beginn der letzten Februarwoche (2024) von der ASSITEJ-Austria, der heimischen Sektion der internationalen Kinder- und Jugendtheatervereinigung bekanntgegeben. Stella*24 findet dieses Mal – wieder mit einem Festival (18. bis 22. November 2024) – in Kärnten statt, vor allem auf Bühnen in Villach und Klagenfurt sind die meisten nominierten Produktionen zu sehen. Und dazu noch Spot-Ons von Kärntner Gruppen sowie einem Slowenischen Themenschwerpunkt. Ergänzt wird das Festival durch ein Rahmenprogramm aus Workshops, Diskussionsveranstaltungen unter anderem zu den Themen Small Size Theater und New Generations at Theater for Young Audiences sowie weitere Veranstaltungen, die die ganze Bandbreite des Theaters für junges Publikum aufzeigen soll.

Sodala, jetzt aber zu dem Wichtigsten, den Nominierungen. Einige der Produktionen hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schon gesehen – dort sind gleich die Links zu den Stückbesprechungen dabei.

Herausragende Produktion für Kinder

Hände
Theater.nuu, WUK Wien, 2+
Wenn Schnecken hausen
Tiroler Landestheater;  4+
Pixelzimmer
Kompanie Freispiel, Wien; 7+

Schön und Gut
Material für die nächste Schicht, Kärnten; 8+

Herausragende Produktion für Jugendliche

Unisono
makemake produktionen, Wien; 12+

Erwachsenenbeschimpfung
TaO! Theater am Ortweinplatz Graz, Steiermark; 14+

Verfallen
Theaterfabrik Weiz, Steiermark; 14+
Obstacles in our Sky
 Johanna Heusser (CH), Roxy Birsfelden (CH), Dschungel Wien; 15+

Herausragende darstellerische Leistung / Ensembles

Maartje Pasman, Futurelove Sibanda und Joseph Tebandeke
in „KINGX & QWEEN“, Unusual Beings, Dance Revolution East Africa, Dschungel Wien

Daniela Bjelobradić, Juliana Haider, Viktoria Obermarzoner
in „Schokololade“, Tiroler Landestheater
Coco Brell, Mara Romei, Simon Schofeld
in „Über Nacht“, Burgtheaterstudio Wien

David Kopp und Nico Raschner
in „Von Mäusen und Menschen“ Vorarlberger Landestheater

Herausragende Ausstattung

Elda Gallo und Luciana Bencivenga
für Livezeichnung, Animation und Bühne in „A Forrest to Grow People“, Elda Gallo, Dschungel Wien

Till Krappmann und Michael Zweimüller
für Szenografie & Licht in „Ancestors‘ Gift“, ATASH contemporary dance company, Dschungel Wien

Rebekah Wild/Henry Mason/Anna Katharina Jaritz
für Raum, Kostüme & Firgurenkonzepte in „Die Konferenz der Tiere“, Theater des Kindes, Linz, Oberösterreich

Flavia Schwedler
für das Bühnenbild in „Herr der Diebe“, Burgtheaterstudio Wien

Herausragende Musik

Imre Lichtenberger Bozoki mit dem Ensemble
in „Das Leben macht mir keine Angst“, VRUM Performing Arts Collective, Wien

Jorg Schellekens
für Soundscape & Musik in „Matta Matta 2.0“, 100hands (NL), VRUM Performing Arts Collective u.v.m., Wien
Gudrun Plaichinger/Anna Kinschel (Barockgeige), Yoko Yagihara (Spinett und Schlagwerk)
in „Nebelweich“, Toihaus Theater, Salzburg
Marc Bruckner und Ensemble
in „Super Zero Baby“, Musiktheater an der Wien

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Assitej-Austria
Doppelseite aus der mehrsprachigen Version des Bilderbuchs "Guten Morgen, schöner Tag!"

Günaydın, iyi günler! / Dobro jutro, Lijepi dane! / Welcome, welcome, lovely day! / sabah alkhayri, yawm jamil!

Vor einer großen gelben kreisrunden Scheibe strahlt ein Kind übers ganze Gesicht, aber deutlich mindestens genauso aus vollem Herzen. „Guten Morgen, schöner Tag!“ ist zwar schon vor zwei Jahren als Papp-Bilderbuch erschienen, nun aber gibt es diese (Bilder-)Geschichte um den fröhlichen Tag, nicht zuletzt den Beginn desselben eines Kindes – auf dem Weg in den Kindegarten, dortselbst und zurück zu Hause bis zum Schlafengehen – in einer mehrsprachigen Version – als Hardcover- sowie als Papp-Bilderbuch. (Link zur Besprechung des Buches unten am Ende dieses Beitrages.)

Noch gibt es hierzulande nicht viele, aber doch ein paar Bilderbücher in mehrsprachigen Ausgaben – auch größerer Verlage. Kleine darauf spezialisierte produzieren schon lange (Bilder-)Bücher in vielen verschiedenen, oft auch mehrsprachigen Ausgaben. Eines der ersten in einem bekannten Verlag war Mira Lobes und Susi Weigels wohl bekanntestes Werk: „Das kleine Ich bin ich“ (Jungbrunnen Verlag) – schon vor 13 Jahren mit Ausklapp-Flappe neben dem Original auf Deutsch noch auf Kroatisch, Serbisch (in kyrillischer Schrift), Türkisch (2011), mit Arabisch und Farsi (2016) sowie mit Ukrainischer Übersetzung (Mai 2022).

Doppelseite aus der mehrsprachigen Version des Bilderbuchs

Aufmunternder Tag

Im Vorjahr brachte der Tyrolia Verlag Linda Wolfsgrubers „wir“, in dem sie anhand von gezeichneten Gesichtern unterschiedlichste Gefühle portraitierte, in einer überarbeiteten, vielsprachigen Ausgabe heraus. Nun ist die Hymne an einen schönen Tag neben Deutsch auf Türkisch, Bosnisch / Kroatisch /Montenegrinisch /Serbisch (in lateinischer, nicht kyrillischer) Schrift, sowie auf Arabisch erschienen. Diese vier Sprachen finden sich unter den Bildern auf weißem Hintergrund. Wobei das Arabische in dem Fall dem Verlauf der anderen Sprachen folgt/ folgen muss. (Eigentlich müsste da ja das Buch von der anderen Seite her gelesen/geblättert werden.)

Doppelseite aus der mehrsprachigen Version des Bilderbuchs
Doppelseite aus der mehrsprachigen Version des Bilderbuchs „Guten Morgen, schöner Tag!“

Die spontane Anregung – wie schon bei den Sprachen in anderen Schriften bei „wir“ – wäre natürlich: zur arabischen Schrift noch die lateinische Umschrift dazu zu stellen – oder via QR-Code zu einem Audio-File zum Anhören zu führen. Aber da sei die Antwort auf die damalige entsprechende Anregung von Verlagsseite aus dem entsprechenden Beitrag – ebenfalls unten verlinkt – zitiert: „Das Buch soll aber ja auch anregen, Leute zu suchen, die diese Sprachen können und es dann vorsagen.“

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Titelseite der mehrsprachigen Ausgabe des Bilderbuchs
Titelseite der mehrsprachigen Ausgabe des Bilderbuchs „Guten Morgen, schöner Tag!“
Bildmontage aus einigen Fotos, auf denen Kinder und Jugendliche ihre Projekte vorstellen

Klos in Parks, viel mehr Grün und Bunt, Kultur-Balkon und vieles mehr…

Die Renovierung einer- und Erweiterung eines großen Skaterparks in Hütteldorf in der Nähe der U4-Endstation, stabiles Gratis W-LAN in den Parks, öffentliche Baumhäuser, öffentlich zugängliche Gratis-Hausübungs- und Lernplätze, mehr Grünflächen und -pflanzen, mehr Farbe an grauen Wänden, mehr Klos in Parks und an öffentlichen Orten (und das gratis), kostenlose Schwimmkurse, Freiluftklassen, mehr autofreie Straßen, Handylade-Stationen in Parks, Notfallknöpfe ähnlich wie in U-Bahnstationen auch in Parks – die direkt die nächste Polizeistation alarmieren…

Und das ist nur eine kleine Auswahl jener 220 Ideen, die Kinder und Jugendliche bis Mitte November des Vorjahres (2023) für die zweite Wiener „Jugendmillion“ eingereicht haben. wienXtra und Mitarbeiter:innen der jeweils betroffenen Abteilungen der Stadt Wien haben diese durchforstet, 148 blieben übrig. Diese wurden am Freitag (23. Februar 2024) vor Kindern und Jugendlichen – und Stadt-Wien-Mitarbeiter:innen – in der Volkshalle des Wiener Rathauses vorgestellt. Dies ist übrigens auch jene große Halle im Erdgeschoß, in dem seit rund zwei Jahrzehnten – mit Ausnahme von Corona-Jahren – Kinder bei „Rein ins Rathaus“ eine Woche lang ihre eigene Stadt regieren.

Die jungen Besucher:innen, die selbst Ideen eingereicht hatten, konnten andere Vorschläge kommentieren, miteinander diskutieren oder sie unter anderem Medienleuten vorstellen wie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

Alma stellt KiJuKU ihre Idee von Lern- und Lese-Häuschen vor
Alma stellt KiJuKU ihre Idee von Lern- und Lese-Häuschen vor

Lern- und Lese-Häuschen

Eines der wenigen Einzelprojekte – die meisten wurden von Gruppen, Klassen oder gar (fast) ganzen Schulen eingereicht, stellt die zehnjährige Alma dem Journalisten vor: „Lern- und Lese-Häuschen“ vor allem in Wiener Parks. „Es gibt viele Kinder, die zu Hause zu wenig Platz oder zu wenig Ruhe haben – bei vielen, lärmenden Geschwistern. In Parks könnte es so kleine Holz-Hütten geben mit Tischen und Bänken, wo Kinder dann in Ruhe lernen oder einfach lesen könnten.“

Eine Klasse – mehrere Ideen

Kinder der Mehrstufenklasse der Offenen Volksschule Prückelmayrgasse (Liesing; 23. Bezirk), die bald auch einen Teil der Volkshalle als möglichen Spielplatz entdeckten, hatten gleich mehrere Ideen für die Jugendmillion eingebracht, „um unsere Stadt bunter und lebenswerter zu machen. Wir hätten gerne mehr Bushaltestellen deren Überdachung mit Pflanzen und Grünflächen bedeckt sind. Schön wäre es auch wenn es an verschiedenen Stellen Hochbeete gibt, die wir selbst gestalten und bepflanzen dürfen.“ Kinder könnten/sollten bei den Begrünungen selber mithelfen, so die jungen Grünraum und Bunt-Fans. Außerdem wünschen sie sich – nicht nur – für ihre Schule mehr Bewegungsräume im Schulhaus und mehr Klos in Parks und auf Spielplätzen.

Schulvorplatz

„Sogar der Weg von der Straßenbahn (Linie 6) zur Schule ist immer wieder gefährlich. Da hätten wir gern einen Zebrastreifen. Außerdem wäre eine 30er-Zone in der Neilreichgasse gut“, beginnen Erza Qengay und Berina Ahmeti das Projekt für einen größeren Vorplatz der großen Handelsakademie Pernerstorfergasse (Favoriten; 10. Bezirk) zu schildern. Nach und nach gesellen sich Anja Misić, Zaineb Shihab, Rama Kheimis, Almas Leković und Christian Savković dazu, um ergänzend die Projektidee zu erläutern: „Damit wir in der Pause vor die Schule gehen und uns dort aufhalten können, hätten wir gern genug Platz, der auch begrünt werden sollte. Ein Brunnen oder/und Wasserspender wär auch gut.“

Die Verkehrsberuhigung in der Neilreichgasse wäre nicht nur zwecks ungefährlicherer Überquerung der Straße gut, sondern würde auch den Lärm verringern. „So könnten wir die Fenster in den Stunden aufmachen.“ Und das sollten sie ja oft, denn diese Schule hat – seit Jaaahren – neben jeder Klassentür eine Ampel-Anzeige was den Sauerstoffgehalt betrifft. Bei Rot sollte unbedingt gelüftet werden. Was dann an dieser einen Seite oft nicht geht, weil’s von draußen zu laut – und obendrein nicht gerade frische Luft – reinkommt.

Kultur-Balkon

Gleichsam ebenfalls einen erweiterten Schulvorplatz wünschen sich die Jugendlichen der 7. Klasse mit Kunstschwerpunkt aus dem Gymnasium Am Augarten (Brigittenau; 20. Bezirk); allerdings nicht zu ebener Erde, sondern in luftiger Höhe! Die Schule liegt – wie schon der relativ neue Name (vorher firmierte sie unter Karajan- und noch früher unter Unterbergergasse) sagt – neben dem Augarten. Allerdings getrennt durch eine Straße, die Wasnergasse. „Damit wir in den Pausen auch in den Augarten gehen könnten, sind wir auf die Idee einer Brücke gekommen“, beginnen Ibtisam und Michelle Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… einen Teil der Idee des „Kulturbalkons“ er erklären. So eine Brücke als Verbindung in den Augarten sollte aber dann auch gleich begrünt werden – und nicht nur für die Schüler:innen da sein, sondern auch gleich so breit, dass sie auch eine grüne Erweiterung des Augartens darstellt. Und weil es in dieser AHS unter anderem einen Kunst- und Kultur-Schwerpunkt gibt, sollte auch Raum für Ausstellungen oder auch kleine Aufführungen sein.

„Unser Kulturbalkon soll so auch zum Begegnungsort – unter anderem für Menschen aus dem Altersheim im Augarten sein, wir wollen aber auch andere Schulen aus der Nähe einladen, dass sie den Raum dann auch für die Präsentation ihrer Kunstwerke nutzen können“, ergänzen nach und nach noch Amy, Mia, Kiara, Noah und Alesia, als sie dem Journalisten noch ergänzende, bunte, eigens gestaltete Plakate und Videos auf Tablets zeigen. „Außerdem könnten auf dieser Brücke zum Beispiel dann auch Biologie-Unterricht stattfinden.“

Der Kulturbalkon in dieser Form würde sicher den Rahmen der Jugendmillion sprengen, aber da AHSen Bundesschulen sind, könnte vielleicht auch das Bildungsministerium, die Bezirksvorstehung oder noch andere Abteilungen in ein derartiges Vorbild-Projekt miteinsteigen, oder?!

Umsetzungs-Fahrplan

Zwischen 21. Mai und 14. Juni können alle Kinder und Jugendlichen Wiens online über diese 148 Projekte abstimmen. Jene mit den meisten Stimmen werden verwirklicht. Dafür steht eine Million Euro zur Verfügung. Bis dahin wird auch berechnet, was die jeweilige Umsetzung kosten würde – und wie viele der Projekte mit den meisten Stimmen sich realisieren lassen. Die Jugendmillion ist Teil der Wiener Kinder- und Jugendstrategie. Ziel: Wien soll die kinder- und jugendfreundlichste Stadt der Welt werden. Es geht aber weniger um das internationale Ranking, sondern eben darum, dass die jungen und jüngsten Bürger:innen – übrigens egal welcher Staatsbürgerschaft – ein gutes, ein besseres Leben haben – und dabei selber gefragt, gehört und einbezogen werden. Dies ist eine Dauer-Aufgabe. Neben der schon genannten einwöchigen spielerischen Kinderstadt geht’s auch um wirkliche Veränderungen. So haben schon im Jahr vor Corona rund 22.500 Kinder und Jugendliche in Hunderten Workshops im Rahmen der Aktion „Werkstatt Junges Wien“ Ideen, Vorschläge, Projekte, Kritikpunkte usw. eingebracht. Aus diesen wurden 45 Maßnahmen in neun Themenfeldern erarbeitet – Link zu dem entsprechenden Beitrag – damals noch im Kinder-KURIER – unten.

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junges.wien -> Eingereichte Projekte

Reportage über eine der Werkstatt-junges-Wien-Workshops <- noch im KiKu

Abschluss des Mitbestimmungsprojekts mit 22.500 beteiligten Kindern und Jugendlichen <- noch im Kinder-KURIER

Szenenfoto aus "Wo-Man A Revolutionary Rave"

Rave-olution verleiht Kraft und Mut

Just an jenem Abend, an dem in Wien fünf Frauen ermordet wurden – so viele Femizide wie noch nie zuvor in weniger als 24 Stunden in Österreich – rissen sieben Performer:innen das Publikum mit in eine kraft- und lustvolle Utopie gleichberechtigten Miteinanders. Mit „Wo-Man A Revolutionary Rave“ im Dschungel Wien vermitteln die sieben Tänzer:innen Donna & Rosa Braber; Marko Jovanović, Una Nowak, Maartje Pasman, Grischka Voss und Magdalena Wolfmayr hoffnungsvollen Optimismus auf eine bessere Zukunft.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo-Man A Revolutionary Rave“

Auf die wir alle – hoffentlich – nicht bis in 365 Jahren warten müssen, wie es am Beginn der rund 80 minütigen wilden Show – mit manch leisen, vor allem aber schrillen Momenten befürchtet wird – wenn’s so weitergeht wie bisher. Auch wenn es wissenschaftlich „nur“ 297 Jahre beim aktuellen Tempo in Richtung Gleichstellung von Löhnen bzw. Gehältern wären 😉 Aber allein heuer arbeiteten Frauen in Österreich die ersten 45 Tage sozusagen gratis – sprich um so viel Tages-Einkommen differieren die Bezahlungen (Equal Pay Day).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo-Man A Revolutionary Rave“

Feministisch optimistsch

Damit es nicht so bleibt, muss viel dagegen sowie für Veränderung gekämpft werden. Die Weltlage im Allgemeinen, so manches im Land – nicht zuletzt die unrühmliche Rolle bei der Anzahl von (tödlichen) Gewalttaten – kann einerseits wütend und andererseits lähmend wirken. Da braucht’s viel Kraft und Ansporn zu Optimismus. Am Tag vor der Premiere feiert die Podcasterin Jeanne Drach den fünften Geburtstag ihrer mutmachenden Oh Wow-Plattform – Motto „feministisch optimistisch“.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo-Man A Revolutionary Rave“

Die „Rave-olution“ von Wolf Collectives (Konzept Rosa Braber, die vor allem als Master of Ceremony und DJane agierte; Choreo Donna Braber und Maartje Pasman) spielt sich auf der im Dschungel Wien in diesem Fall umgedrehten großen Bühne ab. Dort wo üblicherweise die Sitzbänke auf der steil ansteigenden Tribüne stehen, tanzen, springen, spielen die sieben schon genannten Performer:innen – sechs Frauen und ein „Mann aus der Zukunft“. Die Bandbreite reicht von szenischer Kritik an überkommenen Rollenbildern in einer Schneewittchen-Szene – samt deren Umkehrung bis zu hoffentlich nicht nur utopischen Bildern von vollständiger Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit – jenseits zugeschriebener Geschlechterbildern bzw. Sprengung solcher noch immer existierender Normen hin zu einer Welt jenseits solch einschränkender Vorgaben (Ausstattung: Devi Saha).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wo-Man A Revolutionary Rave“

Mit-ravende Techniker:innen

Die Umkehr der Bühne – die Sitzbänke standen auf einer flacheren Tribüne dort, wo sonst die Bühne ist – ermöglicht aber nicht nur den Blick auf die Performer:innen, sondern ganz oben auch in die Technik-Kammer, wo Jana Resetarits und Luka Bosse für die sehr wesentlichen Lichtstimmungen und den kraftvollen Ton sorgen – und dabei fast die ganze Zeit selber mit-raven!

So trist die Realität, so entmutigend es oft ist, dass so wenig weitergeht, ja sogar in den vergangenen Jahren in manchen Bereichen Rückschritte zu erleiden waren/sind, so viel Kraft und hoffentlich auch Mut macht die Show, (wieder weiter) zu kämpfen für Fortschritte – nicht nur in Bezug gleiche Rechte für alle Menschen.

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Flott und freundlich servieen Dutzende Schüler:innen

„Lächeln, weil es unser Ding ist!“

Samstag, 7.30 Uhr früh. Einige der Schüler:innen waren sogar schon früher da. Und (fast) alle ein Lächeln – nicht nur auf den Lippen, sondern im Gesicht. Echtes. Nicht aufgesetzter Smilie. Die einen sind unterwegs in die Küchen, andere platzieren sich hinter der neuen Kaffeebar im Foyer des großen Veranstaltungssaals im Hotel Savoyen am Rennweg – einst Sitz der Redaktion der Wiener Zeitung sowie der Staatsdruckerei.

Die 50 Tische sind längst voll gedeckt mit blitzblanken Gläsern, Besteck, Tellern, kunstvoll gefalteten Stoff-Servietten… Mitarbeiter:innen in dunklen Sakkos checken noch einmal alles, jene in weißen Hemden bzw. Blusen und roten Schürzen warten ebenso gespannt auf die Gäst:innen. 400 werden es sein, die hier beim Kultur.Lunch des Theaterhotels 2024 fein speisen und ebenso Bühnenprogramm genießen werden. Sämtliche Einnahmen kommen – wie jedes Jahr – sozialen Projekten zugute. Es ist die weitaus größte Schul-Charity – wahrscheinlich gar nicht nur Österreichs. Knapp mehr als 30.000 Euro sind es, die die Jugendlichen der öffentlichen Tourismus-Schule Bergheidengasse dank ihrer Kochkünste und ihres Organisationstalents der Veranstaltung samt hochwertigem Kulturprogramm für ein Dorfprojekt des Entwicklungshilfeklubs (23.000 €) in Indien, das Integrationshaus (5000 €) sowie heuer neu an das inklusive Café Außergewöhnlich (2.500 €) gehen.

12 – 200 – 800

Zwölf Schüler:innen der Maturaklasse checken seit Monaten als Leitungsteam alles im Vorfeld, damit der Tag für insgesamt 800 Gäst:innen – 400 zum Lunch und nochmals so viele zum Abendprogramm – zur vollsten Zufriedenheit ablaufen kann. Rund 200 Schüler:innen aus fast allen Klassen sind am Veranstaltungstag selber im Einsatz. Die halbe Woche schon wurde in der Schulküche vorgekocht, am Samstag selbst dürfen Küchen des Hotels zur Endfertigung genützt werden.

Im ersten Stock kochen die einen in großen Wannen die mit Pilzen gefüllten Teigtaschen in heißem Wasser, die anderen – in dem Fall der zweiten Klasse der Fachschule – schneiden verschiedenste Weckerl auf, befüllen sie mit Lachs, „pflücken“ Burrata (Mozzarella-Art), schneiden kleine, verschiedenfärbige Paradeiser (Tomaten)…

Leitungsteam, Künstler:innen, Schulleitung

Julia Wagner und Felix Müllner, zwei aus dem Leitungsteam, präsentieren die beiden auch optisch kunstvollen Vorspeisen – vegan und nicht-vegan: Tatar von der Ochsenherzkarotte mit Erbsencreme, Topaz und Sonnenblume bzw. geräucherter Waller (Fisch) mit Rote-Rüben-Würfelchen, Topaz, Karfiol und Wasabi. Sie halten die Teller vor dem großen Theaterhotel in die vielen Kameras – gemeinsam mit den Künstler:innen des (Vor-)Mittags: Karl Markovics und einem Quartett der Neuen Wiener Concert Schrammeln, Anna Mabo & Clemens Sainitzer: Mit dabei fürs Gruppenfoto: Schuldirektorin Anita Petschning und jener ehemalige Lehrer Helmut Kuchernig-Hoffmann, der vor rund 1½ Jahrzehnten die Idee zum „Theaterhotel“ hatte – mit dem ehemaligen Burgtheater-Schauspieler und immer sozial engagierten Aktivisten Otto Tausig.

Darum lächeln sie…

„Hospitality“-Managerin Julia Wagner kann Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr auch – wie übrigens immer wieder auch viele andere der an diesem Tag rund 200 im Einsatz befindlichen Jugendlichen – das herzliche fast durchgehende Lächeln erklären, das die meisten an den Schultagen – zumindest in der Früh nicht so drauf haben: „Das hier ist unser eigenes Ding, das freut einfach, mitzuerleben, dass wir das alles selbst auf die Beine gestellt haben – und es ist so eine Freude zu sehen und spüren, wenn die Gäste zufrieden sind und damit unsere Arbeit schätzen.“ Zur Erinnerung ans Lächeln steht dieses übrigens in großen Buchstaben auf der Innenseite jener flexiblen Wand, die den Koch- und Service-Bereich vom Veranstaltungssaal trennen 😉

Ex-Schülis unterrichten heute

Übrigens haben einige der heutigen Lehrer:innen als Schüler:innen die Bergheidengasse besucht, so hat Adriana Paunović in den ersten Jahren des Theaterhotels noch selbst mitgearbeitet – und unterrichtet heute Englisch und Französisch. Kristijan Bačvanins Schulzeit liegt länger zurück – einige Jährchen vor dem Projekt, das sich zur größten Schul-Charity entwickelte. Nach Jahren in der Gastro – unter anderem in Zürich (Schweiz) und später als Küchen-Chef in der Labstelle in Wien, und obwohl er „lange nie Lehrer werden wollte, weil meine Mama Lehrerin war, hab ich vor ein paar Jahren in Erinnerung an meinen ehemaligen Kochlehrer gefühlt, ich möchte da was zurück- und weitergeben.“ Seit vier Jahren unterrichtet er Kochen in der Bergheidengasse und hat für diesen Tag 45 Kilo Brot für das morgendliche Gedeck gebacken.

Kulturgenuss

Professionell und launig moderiert von Stella Pink und Marie Wori, begeisterten Anna Mabo (Gitarre) & Clemens Sainitzer (Cello) mit Songs der Singer-Songwriterin selbst. Den zweiten Programmteil bestritt Karl Markovics mit Lesungen von Texten von vor allem Karl Kraus sowie Erzählungen über Otto Tausig (1922 – 2011), der als Kindertransportkind, sozusagen als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling, in England der Verfolgung durch die Nazi-Faschisten entkam. Nach der Befreiung Österreichs wurde er im Nachkriegsösterreich Schauspieler und war zeitlebens sozial und politisch engagiert – und gemeinsam mit dem oben schon genannten ehemaligen Lehrer Helmut Kuchernig-Hoffmann Erfinder und Begründer des Projekts Theaterhotel. Bei diesem können die Jugendlichen in der Schule erlernte Fähigkeiten im Kochen, Service, Organisation, Management usw. konkret in die Praxis umsetzen – in großem Rahmen – und mit Öffentlichkeit.

Markovics bettete seine Lesungen und Erzählungen in das Spiel eines Quartetts der Neuen Wiener Concert Schrammeln ein – an diesem Tag: Peter Uhler, Johannes Fleischmann (Violine), Walther Soyka (Akkordeon) und Peter Havlicek (Kontragitarre).

Am frühen Abend stand unter dem Motto „A Tribute to Otto Tausig“ noch Erwin Steinhauer & Klezmer reloaded extended (Maciej Golebiowski – Klarinetten, Alexander Shevchenko – Akkordeon, Christoph Petschina – Kontrabass und Peter Rosmanith – Percussion – auf dem Programm.

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Weitere Schnappschüsse vom Theaterhotel 2024

Interview über die Projekte vor Ort – > noch im Kinder-KURIER

dastheaterhotel

bergheidengasse.at

entwicklungshilfeklub

integrationshaus

aussergewoehnlich

Szenenfoto aus #Glückspilze! im Theater Akzent

Da streckt sogar der „Gott des Geldes“ die Patschen

So eine Geburt ist ganz schön schwer – durch den engen Kanal hindurchzwängen, viel Schreien und Stöhnen. Und was machen diese Neugeborenen als Erstes: Sie vergleichen ihren Zeiten, ein paar Zehntelsekunden war das eine schneller. Angeblich.

So startet das rund einstündige Stück #Glückspilze! Im Theater Akzent – erarbeitet von einem Team angehender Theaterpädagog:innen (mit einer Ausnahme) gemeinsam mit Regisseurin Claudia Bühlmann.

Szenenfoto aus #Glückspilze! im Theater Akzent
Szenenfoto aus #Glückspilze! im Theater Akzent

Zufall, Glück, Pech, Erfolg, Misserfolg, Reichtum, Armut – wovon hängen diese ab bzw. was machen diese aus? Wenige Tage nach der Premiere von Erich Kästners „Pünktchen und Anton“ – in dem das Mädchen aus überreichem Haushalt auf den Jungen in bitterer Armut trifft (Link zur Stückbesprechung unten am Ende des Beitrages) – in einer Fassung des Theaters der Jugend im Renaissancetheater, feierte #Glückspilze! am Vormittag vor Hunderten Schüler:innen umjubelte Premiere. Viele der Jugendlichen meldeten sich im anschließenden Publikumsgespräch zu Wort. Und fanden’s nicht nur gut gespielt („Respekt!“), sondern mindestens so wichtig, dass diese Themen mit ihnen besprochen werden.

Szenenfoto aus #Glückspilze! im Theater Akzent
Szenenfoto aus #Glückspilze! im Theater Akzent

Unterschiedliche Rucksäcke

Die Theaterleute haben monatelang recherchiert, Interviews geführt – und daraus das Stück gebaut. Adis – als Akronym aus Anna, Daisy, Irem und Sara – und Abeba (weil sie angeblich in der äthiopischen Hauptstadt gezeugt wurde) treffen aufeinander und treten eine Reise durch die Welt rund um Geld an. Jede kriegt zum Start einen Rucksack: Erstere mit einem Euro, Zweitere mit vielen Geldscheinen und u.a. einem Handy. …

Melanie Mussner und Andrea Thill spielen diese beiden Hauptfiguren, die unter anderem Begegnungen mit Klugscheißerchen (Irmi Wyskovsky), dem Gott des Geldes (Daniele Bräuer), dem drittreichsten Mann der Welt (Sylvia Kreuz) haben und in einer Art TV-Quiz-Show auf eine Umweltaktivistin (Stephanie Strasser) und „Majestät“ (Nadine Hillebrand-Abler) treffen.

Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Missverhältnis zwischen Arm und Reich, verzweifelt stirbt Gott des Geldes beim Blick auf diese Zustände auf der Welt – und stirbt. Briefe wesen den beiden Protagonist:innen die nächsten Ziele, der erste von einem echten Postler – in einem Video – überbracht. Eine überraschende Wendung gibt es gegen Schluss – die hier nicht verraten werden soll, auch wenn vorläufig (noch?) nicht auf dem Programm, vielleicht wird #Glückspilze! ja irgendwann irgendwo wieder aufgenommen und auf einer Bühne gespielt.

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Live-Interview auf der Bühne: Jeanne Drach (rechts) mit Leonie-Rachel Soyel

Von der Piratin zur Helferin – feministisch optimistisch

Glitter, ein bisschen Glamour, Bühnenshows, Walking bzw. Cycling Acts mitten unter den Party-Gäst:innen und kurze Live-Interviews. Motto und Stimmung: Feministisch optimistisch. Jeanne Drach, die seit fünf Jahren Frauen aus unterschiedlichsten Lebens- und Wirkungsbereichen – von Schauspiel bis zu Fußball, von Musik bis Journalismus – als „Heldinnen“ bzw. Role-Models vor das Mikrophon ihrer „Oh Wow“-Podcasts holt, lud nicht nur zu diesem Geburtstagsfest ein. Gleichzeitig feierte sie mit ihren Gäst:innen die Geburt eines neuen, zusätzlichen Formats: Jeannes Varieté.

Und ein solch buntes Programm wurde der Abend selbst. Da spielte Violetta Parisini einige ihrer Lieder – samt einem noch unveröffentlichten, begeisterte die Dragqueen The Unfabulous Clitterella  mit einer wunderbaren Stimme und dem Song „That’s me!“ Und das war nur eines der Statements, zu sich zu stehen und sich nicht irgendwelchen Diktaten von außen zu unterwerfen – wie es vor allem Nunu Kaller im Live-Bühnen-Interview auf den Punkt brachte.

Mental Health

Locker-launig moderiert von Anna Mabo, die vor der DJane-Line – Dalia Ahmed und Claire de Foucauld – jedoch weg musste, um rechtzeitig zum Publikumsgespräch im Kosmos Theater zu sein, wo das von ihr inszenierte Stück „Keeping up with Penthesileas“ gespielt wird, wechselten Interviews und künstlerische Acts ab. In einem weiteren Gespräch Jeanne Drachs – mit Leonie-Rachel Soyel – erzählte diese davon, dass sie als Kind Piratin werden wollte, in Wien zwar weit weg vom Meer sei, aber mit ihrer eigenen unabhängigen Arbeit doch auch so etwas wie das romantische Ideal der Piraterie erreicht habe. Mental Health sei ihr ein besonderes Anliegen, das sie als Influencerin in Sozialen Medien propagiere – und hoffe, damit anderen helfen zu können. Dies sei ihr Lebenszweck geworden. Und echt zu sein!

Für Schmunzeln bis Lachen sorgte die Boob-Tube-Performance von Anna Riess und immer auch wieder die anfänglichen artistischen und akrobatischen Waldking bzw. Cycling Acts einer Einradfahrerin, eines King-Kongs usw. – alle aus dem „Oh Wow“-Team bzw. persönlichem Umfeld von Jeanne Drach. Einblicke ins Programm in drei Videos – unten verlinkt – und den hier eingestreuten rund drei Dutzend Fotos.

Ach ja, „Jeannes Varieté“ gibt es nun einmal wöchentlich ab Donnerstag – auf der Oh-Wow-Homepage – Links unten in der Info-Box; dort sind übrigens noch weitere schlaue Podcasts zu finden, u.a. „Philosophieren mit Hirn“ (mit Lisz Hirn) oder „Du bestimmst. Punkt.“ Mit Delna Anita-Tatić, die Chefredakteurin beim Magazin „biber“ war, als es das noch – bis vor Kurzem – gab.

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Weitere Schnappschüsse von der Geburtstags- und Geburts-Party

Doppelseite aus dem Buch "Ein Zimmer für mich allein" von Frauke Angel - mit Feinheiten wie mitten im Buch Kapitel "Minus Eins"

„Wenn ich kein eigenes Zimmer krieg, zieh ich aus…“

Zwei Tage umfasst das (Tage-)Buch der Elli Lohrengel. 363 Tage und neun Jahre ist sie alt/jung als das Buch „Ein Zimmer für mich allein“ beginnt. Und am Ende nach knapp mehr als 130 Seiten feiert sie Geburtstag – das heißt sie wird gefeiert – ihr Zimmer geht über. Nein, nicht ihr eigenes, sondern jenes, das sie mit den Brüdern Otto und Willi teilen muss. Mit dem eigenen Zimmer, das sie sich zum Geburtstag wünschte und als Ultimatum stellte, wenn nicht, „dann ziehe ich aus“ wurde es nichts. Oder doch irgendwie?

Obwohl die Spannung – insgesamt und immer wieder dazwischen – auch nicht schlecht ist, geht’s darum gar nicht – zumindest in erster Linie. Die Autorin Frauke Angel schildert das ganze Buch aus der Sicht der noch Neun- und eigentlich ja fast wirklich schon Zehnjährigen. Leben in einer großen Wohnhausanlage, unterschiedlichste Typ:innen – sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen, Diversität in Bezug auf Sprachen, Herkünfte, soziale Hintergründe, aber auch (politische) Ansichten…

Kapitel Minus Eins…

Und sie lässt Elli und ihre Zwillingsfreundin Nursemin immer wieder über die Träume, Schriftstellerinnen zu werden, reden, reflektieren und das „Tagebuch“ sozusagen als erstes Werk Ellis, benannt nach der verstorbenen britischen Queen Elizabeth benannt, vor den Augen der Leser:innen entstehen. Mit vielen Tipps der vielbelesenen „Nursi“. Und so Kniffen wie mittendrin Kapitel Null, Minus Eins und sogar Minus Zwei. Mit Geschichten, die schon vorher passiert sind -anstelle von Rückblenden. Oder solchen, die Elli erlebt und noch gar nicht mit ihrer Schwester im Geiste geteilt hat. Die Mädchen sind übrigens die Checkerinnen der Story – und im offenbar riesigen Bau.

Dieses Buch ist eine äußerst kurzweilige Lektüre – mit so manchen tiefergehenden Ebenen als Einblicke in unterschiedliche Familien und Gesellschaftsschichten; Letzteres so „nebenbei“. Gemeinsam mit den beiden Mädchen erlebst du aber auch ganz schön spannende Abenteuer. Und rätselst wahrscheinlich über eine früh angedeutete geheimnisvolle Erika, die als Geburtstagsgeschenk winkt – ältere Leser:innen können sich’s wahrscheinlich bald denken 😉

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Titelseite des Buches
Titelseite des Buches „Ein Zimmer für mich allein“ von Frauke Angel
Szenenfoto aus "Pünktchen und Anton" im Wiener Theater der Jugend: Jonas Graber als Anton Gast, Katharina Stadtmann als Pünktchen

Arm trifft auf reich – mit Happy End

Reich trifft Arm. Zwei Kinder, jeweils Angehörige zweier voneinander getrennter Welten treffen aufeinander. Beginnen ihre anfänglichen Vorurteile zu überwinden, werden am Ende sogar dickste Freund:innen oder mehr? Nach abenteuerlichen Missverständnissen Happy End. Das ist wohl kürzest zusammengefasst „Pünktchen und Anton“ von Erich Kästner.

Zum Glück eher von der jüngsten (auch schon mehr als 20 Jahre alten, der dritten) filmischen Adaption (1999, Regie: Caroline Linke) als vom Buch selbst – mit doch sehr überkommenen Frauen- und Männerrollen – ausgehend (Fassung von Nicole Claudia Weber und Sarah Caliciotti), erzählt ein äußerst spielfreudiges Ensemble derzeit im Wiener Renaissancetheater (dem größeren der beiden Häuser des Theaters der Jugend) in knapp zwei Stunden (eine Pause) diese Story. Da ist zum einen die fantasievolle Luise Pogge, genannt Pünktchen (mit Pippi-Langstrumpf-Anwandlungen: Katharina Stadtmann), und zum anderen der sozial kompetente, aufopfernde Anton Gast (überzeugend: Jonas Graber).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Pünktchen und Anton“ im Wiener Theater der Jugend: Frank Engelhardt als Herr Pogge, Katharina Stadtmann als Pünktchen, Ursula Anna Baumgartner als Frau Pogge

Materielle vs. soziale Armut

Er jobbt als Rieseneis verkleidet, um Rechnungen seiner schwerkranken Mutter (Claudia Waldherr), die deswegen nicht arbeiten kann, zu bezahlen, organisiert weggeworfene Lebensmittel aus dem Mistkübel, kümmert sich liebevoll um seine Mutter. Sie, aus urreichem Haushalt, leidet darunter, dass ihre fast ständig abwesenden Eltern – Mutter Anwältin und Charity-Organisatorin – „wenn Kameras dabei sind“ – (Ursula Anna Baumgartner), Vater renommierter, weltweit tourender Dirigent (Frank Engelhardt) – ihr nicht einmal dann zuhören, wenn sie selten zu Hause sind. Und jedes Versprechen, hin und wieder Zeit miteinander zu verbringen, prompt brechen.

Antons Initiative, selber eigenes Geld zu verdienen, animiert Pünktchen, die immer wieder neue Wörter erfindet, maskiert auf der Straße altes Spielzeug von ihr Flohmarkt-artig zu verkaufen. Sie bewundert Anton um sein Engagement und beneidet ihn um sein liebevolles Verhältnis zu seiner Mutter (was bei Kästner ja von deren Seite nicht so unbedingt der Fall ist).

Szenenfoto aus
Claudia Waldherr als Sabine Gast, Jonas Graber als ihr Sohn Anton, Katharina Stadtmann als Pünktchen

Verwicklungen

Natürlich kann nicht alles glatt gehen. Da hat sich schon der Dichter ein paar abenteuerliche Wendungen einfallen lassen: Das Kindermädchen – dort noch Andacht, hier namens Ines (Shirina Granmayeh), fast so abwesend wie Pünktchens Eltern selber – verliebt sich in Robert (Haris Ademović), den Eiswagen-Betreiber bei dem Anton arbeitet. Robert pumpt Ines ständig um Geld an; er ist einem zwielichtigen, irgendwie mafiösem Geldgeber die Kohle für sein Gewerbe schuldig. Und kommt auf die Idee, sich im ur-reichen Haushalt zu bedienen…

Szenenfoto aus
Frank Engelhardt als Herr Pogge, Petra Strasser als Köchin Bertha, Katharina Stadtmann als Pünktchen, Ursula Anna Baumgartner als Frau Pogge

Boxende Köchin

Bevor noch die Polizei eintrifft, haben Anton und vor allem die boxende Köchin Bertha (Petra Strasser) den Einbrecher erledigt. Letztere mit der – aus vielen Filmen bekannten uralten Bratpfanne, die – ein Stilbruch -, so gar nicht in diesen noblen, hypermodernen Haushalt passt 😉 Die dreh- und wandelbare Bühne (Daniel Sommergruber; Kostüme: Nina Holzapfel) ist ansonsten sehr stilsicher: Riesengroßes Speisezimmer der Pogges, klein, gedrängt, aber doch irgendwie herzlicher die Küche = Aufenthaltsraum der Gasts.

Szenenfoto aus
Stefan Rosenthal als Gottfried Klepperbein, Katharina Stadtmann als Pünktchen

Differenzierterer junger Bösewicht

Den bei Kästner noch eindeutig nur bösen Gottfried Klepperbein gibt der oft im Theater der Jugend auch Hauptrollen ausfüllende Stefan Rosenthal differenzierter. Böse sein wollen und doch auch irgendwie arm dran – und immer wieder für Situationskomik gut. Keinesfalls vergessen werden darf auf den wandelbaren Uwe Achilles, der sowohl den strengen Lehrer Bremser als auch den mafiösen Drago und den eher patscherten Polizisten spielt.

Szenenfoto aus
Uwe Achilles als Drago, Haris  Ademović als Robert

Köstliche Nebenszene

Ein wenig zu kurz fallen die Flohmarkt-Szenen Pünktchens aus – mit sehr skurrilen Passant:innen, in die – mit Ausnahme der beiden Darsteller:innen von Pünktchen und Anton – alle anderen Schauspieler:innen schlüpfen. Klar, ist nur eine kleine Episode, aber von diesen fast karikaturhaften Figuren würd’s ein paar Minuten mehr vertragen. Dafür vielleicht ein wenig weniger vom Kampf mit dem Einbrecher, der so heftig ausfüllt, dass bei der Premiere einige jüngere Kinder lauthals weinen mussten.

Szenenfoto aus
Jonas Graber als Anton, Katharina Stadtmann als Pünktchen

Kinderarmut

Auch wenn „Pünktchen und Anton“ eine noch dazu doch schwarz-weiß-gezeichnete Arm-Reich-Geschichte ist – emotional vernachlässigte Reiche, herzlich warme arme Familie – wird in vielen Szenen konkrete Auswirkung von Armut immer wieder angespielt. Nicht zuletzt die -Beschämung. Und das krasse Missverhältnis zwischen arm und reich. Im Programmheft ergänzt das Theater der Jugend auch die Fakten: Jedes fünfte Kind ist im reichen Österreich von Armut betroffen bzw. stark bedroht. Und Österreich gehört zu einem der ganz wenigen Länder, die noch immer nicht den eigenen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Kinderarmut im Rahmen der Europäischen Kindergarantie erstellt haben.

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Doppel-Vorsatzseite mit Wolf in 54 Sprachen

Kurt, Lupo, Lang – ein kleiner Wolf in vielen Sprachen

Ein kleiner, freundlich und neugierig dreinschauender Wolf – aufrecht gehend – schleicht sich am Sonntag in das „Kinderhaus“, einen Kindergarten, schnuppert an Spielzeug, fühlt sich wohl und entschließt sich: „Hier will ich bleiben“.

Selbst als er auf der nächsten Doppelseite von einem Turm aus Bauklötzen auf den er klettert, runterfällt. Er bleibt. Und erlebt an den Tagen der folgenden Woche die Kinder bei unterschiedlichsten Spielen – stets aus einem Versteck heraus…

Achtsprachig im Bilderbuch

Die Geschichte „Besuch vom kleinen Wolf“, die sich die Autorin Silvia Hüsler einfallen hat lassen – und auch selber dazu bunte Bilder gezeichnet hat – weist noch eine Besonderheit auf. Spezialität der gelernten Elementarpädagogin ist seit Jahrzehnten die Förderung von Mehrsprachigkeit. Und so gibt es diese Geschichte vom kleinen Wolf im Kindergarten gleich auf jeder der Doppelseiten in acht verschiedenen Sprachen. Immer wieder wird die Reihenfolge von Albanisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Serbisch (in lateinischer Schrift), Tamilisch und Türkisch verändert. Jede der Farben ist schon zu Beginn mit einer anderen Farbe eines Wolfs-Pfoten-Abdrucks gekennzeichnet – und so im Buch auf den 17 Doppelseiten auch für all jene, die die jeweiligen anderen Sprachen nicht kennen zu verorten 😉

Screenshot der Homepage von Silvia Hüsler
Screenshot der Homepage von Silvia Hüsler

Zum Hören

Für jene, die lieber hören, als (vor-)lesen gibt es auch eine Audio-CD, die „nebenbei“ den Vorteil hat, auch die Melodien jener Sprachen vernehmen zu können, die einer/einem nicht geläufig oder ganz fremd sind; Wobei als „Bonustrack“ auf der CD die Geschichte zusätzlich auf einer „neunten“ Sprache erzählt wird, auf Schweizerdeutsch.

Auf der ersten und letzten Innenseite (üblicherweise auch als Vorsatzseiten bezeichnet) findest du das Wort für Wolf sogar in 54 Sprachen – und in jenen, die in anderen Schriften geschrieben werden steht es sozusagen in lateinischer Transkription (Umschrift) daneben. Und so stößt du vielleicht auf Verblüffendes: Kurt (Türkisch), Lang (Mandarin-Chinesisch), Ulv (Norwegisch), Hunt (Estnisch), Lupo (Italienisch) – sie alle stehen für Wolf in den in Klammern angegebenen Sprachen.

Text-Download in 22 weiteren Sprachen

Der Verlag bietet übrigens auf der Homepage – Link unten in der Info-Box am Ende des Beitrages – zusätzlich als (kostenlose) Download-PDF die Texte des Bilderbuchs in weiteren 22 (!) Sprachen an: Arabisch, Mandarin-Chinesisch, Englisch, Finnisch, Hebräisch, Kapverdisches Kreol, Kroatisch, Kurdisch Kurmanci, Kurdisch Sorani (in arabischer Schrift), Luxemburgisch, Farsi (Persisch), Polnisch, Romanisch, Rumänisch, Russisch, Schwedisch, Serbisch (Kyrillisch), Somali, Spanisch, Thai, Tigrinya (Äthiopien und Eritrea), Ukrainisch.

Umschlag - Titel- und Schlussseite des Unterrichtsmaterials
Umschlag – Titel- und Schlussseite des Unterrichtsmaterials

Pädagogisches Material

Die Autorin, die gleichzeitig auch Illustratorin hat – gemeinsam mit Ursina Gloor – auch umfassende Unterrichtsmaterialien erarbeitet. Diese reichen von Kopiervorlagen über Bastelanleitungen bis zu Vorschlägen für pädagogische (spielerische) Einheiten, Rätsel, Gedichte, Lieder, Hinweise für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache, (weiterführende) Literaturtipps und nicht zuletzt Inputs über Wolf in Mythologien, Sagen und Märchen verschiedener Sprach- und Kulturräume.

Tag der Muttersprachen

Diese Buchbesprechung erscheint übrigens nicht zufällig heute, am 21. Februar (2024). Seit dem Jahr 2000 wird immer am 21. 2. Der Internationale Tag der Muttersprache begangen. Die Unesco, die Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen (UNO), hat den ins Leben gerufen, weil rund die Hälfte aller weltweit verwendeten Sprachen vom Aussterben bedroht ist.  Dies betrifft die sogenannten Minderheiten-Sprachen, die von weniger als 10.000 Menschen (noch) gesprochen werden. Die Unesco will mit diesem Internationalen Tag aber auch Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenunterricht ins Rampenlicht rücken. Noch immer gibt es ja (politische) Tendenzen, Mehrsprachigkeit als „Problem“ und nicht als Bereicherung zu sehen, dabei ist „Einsprachigkeit heilbar!“

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Besuch vom kleinen Wolf“ in acht Sprache
Szenenfoto aus "Keeping up with Penthesileas" im Wiener Kosmos Theater

Im Clinch mit Vermarktung von (Pseudo-)Feminismus

Popcorn-Verteilung an die Zuschauer:innen. Ein großer Boxring mit weichem, flexiblem Boden. Publikum auf zwei Tribünenhälften. Kampf eher im Stile gescripteter Wrestling-Showkämpfe. Und das mit so manch tiefgründigem, ernsthaftem Inhalt. Das spielt sich derzeit im Wiener Kosmos Theater bei „Keeping up with the Penthesileas“ ab. Schon der Titel deutet – für Eingeweihte – an, dass hier ein Mash-Up geboten wird.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Keeping up with Penthesileas“ im Wiener Kosmos Theater

Thomas Köck & Mateja Meded mixten die klassische antike Geschichte über die Anführerin eines Frauen-Heeres mit den Kardashians. Der erste Teil des Titels dieses Stücks, vielmehr dieser turbulenten, mitreißenden, immer wieder umwerfenden Show bezieht sich auf diese berühmte Celebrity-Familie. Eineinhalb Jahrzehnte lief in den USA die Reality-Show „Keeping up with the Kardeshians“. So manch schräge Szene, über die der Rezensent als überdrehtes Auf-die-Schaufel-Nehmen lachte, wurde ihm von Auskenner:innen nachträglich als fast 1:1. nachgespielt erklärt – etwa das mehr als patscherte (sehr ungeschickte) Schneiden einer Gurke für den gemeinsamen kalorienärmsten Verzehr.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Keeping up with Penthesileas“ im Wiener Kosmos Theater

TV-Show

Moderiert von „Letterman“ (Martin Hemmer) im Bademantel, betreten die Kämpfer:innen den Ring=Bühne; wobei die Bühne sich immer wieder auch auf die Räume rund um den Ring erstreckt. Die Angehörigen des Kardashian-Clans haben neben ihren eigenen Vornamen noch solche aus der antiken Mythologie um Penthesilea und ihre Kriegerinnen, die in die Kämpfe zwischen Griechen und Trojanern eingriffen. Und spielen auf dem „Klavier“ des Feminismus – den (nicht nur) die Kardeshians irgendwie zum neoliberalen Geschäftsmodell mach(t)en. Der Kapitalismus vermarktet alles – vom A im Kreis als Anarchismus-Zeichen auf sauteuren Sneakers bis zu Che Guevaras berühmtes Porträt auf T-Shirts und wo auch immer.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Keeping up with Penthesileas“ im Wiener Kosmos Theater

Und so wird die zweistündige fulminante Show (Regie: Anna Marboe) zu einer immer wieder witzigen Auseinandersetzung zwischen inhaltlichen Ansprüchen und Missbrauch durch Geschäftemacherei damit. Ein Pendeln zwischen Lachen und Im Hals stecken bleiben desselben. Anstöße zum Nachdenken ganz ohne Belehrung. Bei real gespielten körperlichen Kämpfen kam – zumindest bei der Premiere – Ausrasten wie bei wohl echten Ring- oder Boxkämpfen auf. Fast ein wenig zum Fürchten.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Keeping up with Penthesileas“ im Wiener Kosmos Theater

Shitstorms

Pilar Borower, Nina Fog, Edwarda Gurrola, Hannah Joe Huberts, Isabella Knöll, Christoph Radakovits schlüpfen jeweils in Rollen von Penthesilea(s Kämpferinnen) sowie Mitglieder des Kardeshian-Clans. Samt Konkurrenz-Attacken untereinander, Aufgreifen so mancher Episoden, die auch zu mächtigen Shitstorms geführt haben – natürlich nur der Letzteren, nicht der antiken Amazonen 😉

Die Vermarktungs-Genies spielen nicht nur mit Feminismus, sondern auch mit Diversität, machen allerdings aus Black Lives Matter, der antirassistischen Protestbewegung, eher ein „Attractive Lives Matter“ samt auf cool inszeniertem Werbe-Shooting für ein koffein-haltiges Dosen-Getränk. Und sorgen sich in erster Linie „Was ist jetzt mit meiner Brand?“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Keeping up with Penthesileas“ im Wiener Kosmos Theater

Werbung verkauft mehr

Kendall Asteria (gespielt von Christoph Radakovits) klagt an einer Stelle: „So stressig / einfach nur stressig / alle haben eine Meinung, niemand denkt an meine mental health und / an meine wirklich großen / wichtigen Fragen / die mich umtreiben“.

Und Kylie Meroe (Nina Fog) spricht die „Philosophie“ an: „Werbung verkauft doch viel mehr als das Produkt. Werbungen verkaufen Lebenskonzepte.“ Und noch weitergehend postuliert Kim Penthesilea (Edwarda Gurrola): „Wir haben die doch alle erfunden und jetzt wollen sie uns steinigen. Dabei wissen die doch gar nicht, wer sie sein wollen ohne uns!“
Kendall Asteria (Christoph Radakovits): „Wir Penthesileas Kardashians haben auf Bildern nie Falten, Haare, einen Mittagsessenbauch, Cellulite oder überhaupt Poren…“
„… weil wir gar keinen Körper besitzen, sondern eine Brand“ (Kris Otrera = Isabella Knöll).
„Diese Form der Makellosigkeit ist einfach im realen Leben nicht zu erreichen“ (Kourtney Antiope = Hannah Joe Huberts) – „Deshalb begehren uns ja auch alle!“ (Kendall Asteria).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Keeping up with Penthesileas“ im Wiener Kosmos Theater

Rassismus

Der kapitalistischen Vermarktung des „neoliberalen Feminismus“ treten die Schauspieler:innen in noch einer ganz anderen Rolle – weiß gekleidet – als historische Suffragetten entgegen. Und werden gekontert, dass sich die wiederum nur für Weiße Frauen eingesetzt haben und ziemlich rassistisch agierten.

Alle gemeinsam als Chor merken gegen Ende dann den Grund-Gedankenanstoß an: „Das hier ist für die Mythen, die diese Welt einfach nicht erträgt, all die unerzählten Geschichten, all die fehlenden Seiten, all die durchgestrichenen Blankverse, all die Perspektiven die jetzt einfach aufstehen, ihre Gitterstäbe beiseite schieben und sich sagen fuck off, no more!“

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Doppelseite aus dem Bilderbuch "Das Nachtkind"

Nachts, allein, oder? Das Kind und die Katze

Mit strubbeligen Haaren schaut ein, nein DAS Kind dieses Bilderbuchs auf der linken Hälfte der ersten Doppelseite in einer Mischung aus Neugierde und Traurigkeit in die Welt. Umrankt/umrahmt von Blumen und Pflanzen, da ein kleines Vögelchen, dort ein Marienkäfer, dominiert die rechte dieser Doppelseite eine schwarze Katze mit verschmitzt, verführerischem Blick in Richtung dieses Kindes und miaut/sagt: „Immer, wenn es Nacht ist, fühle ich mich einsam. Besuch mich doch einmal!“

Das Kind wirkt ebenfalls recht einsam – und findet den Vorschlag offenbar gut. „Ja, gerne“, sagt es – und handelt auch danach. Auf der Folgeseite kriecht es durch die Katzenklappe ins Haus des Stubentigers. Lange sprechen sie darüber allein zu sein und schlafen – aneinander gekuschelt – ein.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Das Nachtkind“

Daraus ergibt sich keine dauerhafte Zweisamkeit. In der Früh entfernte sich das Kind wieder. Wo auch immer hin. Um aber andernabends wieder zu kommen… So geht das einige Nächte, bis Kätzchens Frauerl das Kind entdeckt und offenbar die Katzenklappe dich macht, aber… – die nächsten Wendungen sollen doch Überraschung bleiben.

In „Das Nachtkind“ schafft Illustratorin Sabine Rufener Doppelseite für Doppelseite bildliche kleine, große Welten, die diese Einsamkeit der beiden, ihre Annäherung und dennoch bleibende Distanz spürbar werden lassen. Und liefert damit noch weit mehr als „nur“ die Illustration zur Geschichte von Armin Kaster, in der die beiden Einsamen ihre jeweiligen Ängste vor dem Dunkel der Nach gemeinsam überwinden, aber auch mehr als andeutet, dass es durchaus möglich ist, selbst dann einsam zu sein, wenn wer nicht allein ist – wie die Katze, die ein Frauerl hat, oder das Kind, das doch irgendwo anders wohnt.

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Das Nachtkind“
Szenenfoto aus einer der Generalproben für "Lysistratæ" von der /D des BORG Hegelgasse im Theater Arche (Wien)

Make Love, Not War!

Sicher fiel die Wahl auf dieses Stück nicht zufällig. DIE Anti-Kriegs-Komödie schlechthin – fast 2.500 Jahre alt/jung wird derzeit von Jugendlichen des BORG (BundesOberstufenRealgGymnasiums) mit künstlerischem Schwerpunkt in der Hegelgasse 12 (1010 Wien) im Theater Arche (1060 Wien) gespielt: Lysistrata/e von Aristophanes (411 vor unserer Zeitrechnung im antiken Griechenland uraufgeführt.

Wer die Geschichte nicht kennt, hier kürzest zusammengefasst: Die Frauen Athens und Spartas – jener Stadtstaaten, die ständig im Clinch und oft auch im Krieg liegen – tun sich zusammen: Sex-Streik. Erst wenn die Männer Frieden schließen, gibt es wieder Zärtlichkeiten, Erotik und Sexualität.
Da braucht es keine aktuellen Text-Änderungen – die Bezüge liegen auf der Hand. Kriege kommen (wieder) näher. Nicht nur – Stichwort Ukraine und Nahost – real, sondern auch allumfassend: höhere Militär-Budgets, Kriegsrhetorik, zunehmender Hass… – bleibt da noch Raum und Zeit für Liebe?

Lysistrata mal zwei

Die große Klasse (30 Schüler:innen) spielt in zwei verschiedenen Bestzungen (A und B – ohne Bewertung – siehe Info-Box), wobei es nur in den zentralen Rollen unterschiedliche Spieler:innen gibt. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… konnte lediglich der Generalprobe einer – noch dazu aus Krankheitsgründen – gemischten Besetzung zusehen. Und kann den Besuch empfehlen. Trotz Hektik und sehr verzögertem Probenbeginn flutscht die knapp mehr als eine Stunde nur so dahin – mit dramatischen überzeugend gespielten Momenten, viel Musikalität und Rhythmus, Tanz und auch manch szenischem Witz.

Szenenfoto aus einer der Generalproben für
Szenenfoto aus einer der Generalproben für „Lysistratæ“ von der /D des BORG Hegelgasse im Theater Arche (Wien)

Hirn und Herz

Diese Version der Aristophanes-Komödie weist einige Besonderheiten auf. Auffälligste: Es gibt jeweils zwei – unterschiedlich angelegte – Lysistratas, eine die eher aus dem Kopf und die andere, die mehr aus dem Bauch/Herz heraus agiert sozusagen – die Denkerin mit den Ideen und die (emotional) Handelnde, die auch alle anderen zu überzeugen versucht. Denn so leicht wie der Gedanke klingt ist es nicht. Auch die Frauen sehnen sich nach der Zärtlichkeit ihrer Männer. Oder sie trauen sich nicht (zu), gegen die vorgegebenen Rollen aufzubegehren. Und selbst wenn, können sie das durchhalten?

Und so ließen sich die Macher:innen dieser Stückversion (Dramaturgie: Lehrerin ute Bauer) den Trick einfallen, die beiden verschiedenen Schreibweisen der Transkription des letzten griechischen Buchstabens im Namen a bzw. e zu verschmelzen: Lysistratæ.

Zwei Richtungen

Apropos doppelt: Die Inszenierung (Regie führte mit Jakub Kavin der Co-Leiter von Theater Arche) setzt auch auf zwei Sichtweisen – ein Teil des Publikums sitzt an der sonst üblichen Bühnen-Rückwand. Womit die Jugendlichen in beide Richtungen spielen. Außerdem treten die Männer (einige auch von Mädchen gespielt) von der einen, Frauen von der anderen Seite auf – stehen einander sozusagen im Konflikt gegenüber. Die Mitte der Bühne ist der Raum der ausgetragenen Streits ebenso wie der Verhandlungen. Oder in einer Szene für Kinesias und Myrrhine und ihr Spiel zwischen Aufreizen und dann doch nicht – wenn du nicht für den Frieden bist. „Make Love not War!“ weltberühmt geworden durch die „Bed-Ins“ von John Lennon und Yoko Ono und als Protestslogan vor allem gegen den Vietnamkrieg der USA gegen Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts, verknüpft mit den „Hippies“.
Auch bekannt wurde der Slogan „Stell dir vor, es ist Kreig und keiner geht hin!“ Er wird oft dem (Theater-)Dichter Bertolt Brecht (1898 – 1956) zugeschrieben, wurde aber – im englischen Original vom Dichter Carl August Sandburg (1878 – 1967) in „The people, yes“ verfasst: „Sometime they’ll give a war and nobody will come.“

Platz für jede:n

Die Darsteller:innen der genannten Rollen werden hier nicht erwähnt, weil erstens keine Beurteilung der anderen Besetzungen abgegeben werden kann. Und aus einem zweiten, sogar noch wichtigeren Grund: Was in der knapp mehr als einen Stunde auffällt – in Wahrheit gibt es kaum Nebenrollen, selbst 1., 2., 3…. (alte) Frau haben ihre großen Auftritte, auch wenn es quantitativ weniger und kürzere sind als die der zentralen Figuren. Doch die Inszenierung gibt praktisch allen Mitwirkenden auf der Bühne Raum und Zeit, die Rolle und sich in Szene zu setzen.

Übrigens haben die Jugendlichen, von denen einige auch live musizieren (Klavier vs. Schlagzeug sozusagen), auch die wenigen aber markanten Bühnenelemente in „Kunst und Gestaltung“ geschaffen: auf Karton gemalte altgriechische Säulen, die auf dem flachen Material bestechende 3D-Effekte vermitteln.

Praxagora

Natürlich läuft nicht alles glatt – gemeint ist nicht die Inszenierung, sondern das Stück selbst, aber letztlich doch. Zumindest auf der Bühne! Aristophanes schrieb übrigens rund 20 Jahre später „Die Weibervolksversammlung oder Frauen in der Volksversammlung“. Zuerst als Männer verkleidet übernehmen Frauen – angeführt von Praxagora die Macht, um die Stadt ohne Korruption, Krieg und Bereicherung zu regieren.

Gegen Resignation

So einfach wär’s also? Natürlich könnte dem Dichter vorgehalten werden, seine Idee wäre naiv. Und hat seit fast 2.500 Jahren nicht funktioniert. Wurde sie aber je angewandt? Und ist sie nicht zu vereinfachend? Gibt es nicht auch Frauen, die als Staatenlenkerinnen Kriege initiierten – erinnert sei an Margret Thatcher, die als britische Premierministerin Krieg um die Malvinas (Falkland-Inseln) mit Argentinien führen ließ? Steckt nicht mehr und weitergehendes – Stichwort Interessen – hinter Kriegen? Aber braucht es nicht wenigstens Utopien und gehörige Portionen Humor, um nicht völlig zu resignieren?

Übrigens: Das griechische Lysis steht für Auflösung und stratós für Heer!

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Foto des aufgeklappten Bilderbuchs - mit zwei Anfängen "Mein kleiner/großer Herzensmensch"

Mein kleiner bzw. großer Herzensmensch

Noch immer sind Väter, die sich (mindestens) gleich viel um Kinder kümmern wie Mütter eine kleine Minderheit. Dieses dicke Papp-Bilderbuch mit vielen Ausklapp-Seiten (seitlich aber auch senkrecht), Löchern zur Durchsicht auf andere Seiten und anderen verspielten Elementen, feiert die Beziehung zwischen einem Kind und dessen Vater.

Und das aus beider Sicht. So heißt das Buch auch von einer Seite gelesen und betrachtet: „Mein großer Herzensmensch“ und umgedreht von der anderen Seite begonnen „Mein kleiner Herzensmensch“.

Zu einer guten Beziehung gehört nicht nur Sonnenschein und Spiel, sondern auch Ärger, Zorn, Wut oder Situationen, wo Hilfe, Fürsorge usw. gebraucht wird. Und das „spielt“ sich hier auf den bunten Seiten, auf denen es auch viele Details zu entdecken gibt, ab. Übrigens braucht – aus Kindersicht – hier auch der Papa Aufmunterung beim Erlernen von Neuem, in dem Fall Skaten.

In der Mitte stoßen die beiden Sichtweisen zusammen – womit jeweils eine der Seiten sozusagen Kopf steht 😉

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Szenenfoto aus "Daphnes Garten"

Banken, Gauner, Blüten – die Aufdeckerin und der Chor

Der Titel klingt zwar eher nach einer Wohlfühl-Performance, doch schon die Ankündigung von „Daphnes Garten“ verbindet die Oper mit dem dazugehörigen ganzen Namen Daphne Caruana Galizia. Da klingelt doch was, oder?  Sie war jene „maltesische Investigativ-Journalistin, die am 16. Oktober 2017 mittels einer Autobombe ermordet“ wurde.

Nach einer Auftrittsserie in Klagenfurt, Oberwart, Großwarasdorf / Veliki Borištof und Eisenstadt feierte die genannte Produktion, eine mitreißende, bewegende Oper mit Live-Musiker:innen und natürlich Sänger:innen, ihre vielumjubelte Wien-Premiere einer leider nur sehr kurzen Aufführungsserie im Off-Theater. Just am Abend jenes Tages, an dem Stunden zuvor der aktuell wohl bekannteste russische Oppositionelle, Alexej Nawalny, der auch journalistisch tätig war, im sibirischen Straflager „zu Tode kam“. Und „nebenbei“ nicht einmal einen Kilometer Luftlinie vom Theater entfernt, Rechtsextreme sich am „Akademikerball“ vernetzten.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Daphnes Garten“

Gauner überall

Gegen Korruption aber auch rechtsextreme Politik schrieb Daphne Caruana Galizia an. Der letzte Satz in ihrem Blog „Running Commentary“, der im Jahr nach dem Mord an ihr wieder online gestellt wurde und nach wie vor ist, lautete: „Gauner gibt es jetzt überall, wo man hinschaut. Die Situation ist verzweifelt.“ Nicht einmal eine halbe Stunde später explodierte ihr gemietetes Auto – per Fernzündung via SMS – so heftig, dass es über eine Mauer flog. Immer wieder hatte sie Morddrohungen erhalten und deswegen mehrfach Anzeigen erstattet, auch kurz vor dem tödlichen Attentat.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Daphnes Garten“

Vielschichtiges, dichtes Libretto

Die Schriftstellerin (und Lehrerin) Katharina Tiwald hat aus dem Mordanschlag und noch viel mehr den umfangreichen Aufdecker-Stories der maltesischen Journalistin, die Teil des internationalen Netzwerks International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zur Auswertung der Millionen von Dokumenten der Panama Papers war, ein dichtes und doch gut verdauliches Libretto geschrieben: Und immer wieder poetische Passagen eingewoben – die bauen auf dem zweiten schreiberischen Standbein Galizias auf; sie gab das Magazin „Taste & Flair“ (Geschmack & Geruchssinn) heraus – was wohl auch zu „Daphnes Garten“ führte.

Und so bringen die Sänger:innen etwa in den letzten Minuten der knapp 1 ¾ Stunden einen Mix aus Pflanzen und Namen ermordeter Journalist:innen in verschiedenen Gegenden der Welt zu Gehör: Anna Politikowskaja, Ján Kuciak, Jamal Khashoggi, Viktoria Marinowa zwischen Zypressen, Orchideen, Kreuzblütengewächsen, Feuerlilien und anderen Blumen. Den Abend widmete das Ensemble Nawalny, dessen Name und Bild wohl in – hoffentlich – späteren Aufführungs-Serien auch noch gesungen und auf eine der sechs verschieb- und drehbare Wände projiziert werden wird.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Daphnes Garten“

Musik aus Kalifornien

Erling Wold aus Kalifornien komponierte zu diesem Libretto in wenigen Wochen die Musik, die das Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffnung und Verzweiflung hör- uns spürbar macht. Daphne Caruana Galizias Investigativ-Geschichten – ihre Blogbeiträge erreichten nicht selten mehr Reichweite als alle Medien Maltas zusammen – animierten so manche Whistle-Blower:innen die Journalistin mit weiteren Informationen zu versorgen. Und sie führten immerhin zu zeitweisen Politiker-Rücktritten. Und dennoch – das Ende ist ja leider bekannt.

Szenenfoto aus

Vielstimmiges Ensemble

Peter Wagner, kulturengagierter Tausendsassa, der selber schon viele brisante Stücke geschrieben hat, inszenierte diese wuchtige und doch gefühlvolle Oper. Die Sänger:innen dafür wurden gecastet. Janina Schweitzer singt und spielt die Daphne, Michaela Khom gibt „die Stimme“, eine Art Erzählerin. Marika Rainer, Johanna Stacher, Martin Ganthaler und Fernando Hernandez schlüpfen mit ihrem Gesang und Schauspiel in die unterschiedlichsten Rollen, meist der korrupten auch namentlich genannten maltesischen Politiker:innen und Wirtschaftsleute. Oft agieren sie in der Art des klassischen griechischen Chors der Antike, um Galizias Geschichte zu verstärken, untermauern, mitunter aber übernehmen sie auch Gegenparts.

Meist großteils hinter den genannten verschiebbaren Wänden spielt das kleine Orchester: MusikerInnen der Camerata Sinfonica Austria: Violoncello (Charlotte Lang bzw. Aurelia Kegley), Kontrabass (Miha Firšt), Trompete (Martin Schuster bzw. Elias Domschitz), Posaune (Daniel Mascher bzw. Markus Wonisch), Schlagwerk (Marko Jurečič) und Akkordeon (Matjaž Balažic); die musikalische Leitung samt Dirigat übt Davorin Mori aus. Zeitweise projiziert eine Live-Kamera einige Musiker:innen auf die genannten Wände, auf denen ansonsten der Text ebenso eingeblendet wird wie Fotos und Videos (Bühnenoptik: Florian Lang).

Für die üppigen Kostüme zeichnet Markus Kuscher und für das Lichtdesign Alfred Masal verantwortlich. Eine nicht nur inhaltlich äußerst wichtige Oper, sondern als rundum Gesamtkunstwerk auch ein künstlerisch wertvoller, anregender, berührender und bewegender Abend.

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Szenenfoto aus "Wir töten Stella" im Theater Spielraum

Alle sehen das Unheil kommen – und schauen weg

Minutenlang sitzt sie wie eine Statue da. Und drückt schon aus was sie als ersten Satz sagen wird. Und was sich die 1¼ Stunden durchziehen wird – auch wenn er äußerlich nicht stimmen mag. Aber innen drin in ihr, in der Hauptfigur. In Anna, der Erzählerin, der Schreiberin von „Wir töten Stella“, einer dichten, oft atem-beraubenden und sogar parabelhaften rund 50 Seiten-Novelle (je nach Ausgabe) von Marlen Haushofer.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wir töten Stella“ im Theater Spielraum

Reduziert auf den Hauptstrang und mit einer Figur weniger (Annas Tochter Annette) ist eine dramatisierte Version dieser Erzählung nun im Theater Spielraum (Wien-Neubau) zu erleben. Wahrhaft zu erleben – das macht die Bühnenfassung, das Schauspielensemble sowie nicht zuletzt die Bühne, die Kostüme und die Ausstattung sowie das Lichtkonzept.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wir töten Stella“ im Theater Spielraum

„Ich bin allein.“ Das ist auch der erste Satz der Novelle. Getreu dem Motto dieses kleinen, feinen Theaters im ehemaligen Erika-Kino „Wir nehmen Texte beim Wort“ hält sich die Bühnenfassung praktisch ausschließlich an die Worte Marlen Haushofers. Die Co-Chefin des Theaters, Nicole Metzger, die hier auch Regie führte, hat sie „nur“ in Dialoge der handelnden Personen aufgeteilt – manchmal mit Wiederholungen, bzw. ganz wenigen Hinzufügungen. So wiederholen im Stück Annas Ehemann Richard und ihr Sohn Wolfgang den Satz – aus der Außenperspektive „Du bist allein.“

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Szenenfoto aus „Wir töten Stella“ im Theater Spielraum

Bürgerliche Fassade

Egal ob allein auf der Bühne oder mit den beiden Familienangehörigen und der später vorübergehend bei ihnen wohnenden Stella – Alice Schneider lässt diese Einsamkeit auch mitten unter den anderen spüren. Aber auch ihr Grübeln, ihr Nachdenken – immerhin schreibt diese Anna gerade rückblickend über die Katastrophe, die getötete Stella. Und hält nicht einmal das Leben in Form eines kleinen piepsenden Vogels im Garten vor ihrem Fenster aus. Ist innerlich, emotional auch irgendwie tot.

Eingebettet in diese Familie ist sie auch mittendrin allein. Der Ehemann liebt sie, „weil du mir gehörst“. Der Sohn, den sie mit Liebe überschütten will, wendet sich ab, weil er als einziger die bürgerliche Fassade nicht aushält und auch körperlich Unbehagen über die Verlogenheit verspürt.

Rücksichtsvolles „Unglück“

Und dann ist da noch die Tragödie rund um die titelgebende Stella. Die jugendliche/jung erwachsene Tochter einer Freundin der Mutter, die nun für einige Monate bei Anna, Richard, Wolfgang (und in der Novelle Annette) wohnt. Richard, erfolgreicher Anwalt (fast unanagreifbar teflonartig kalt und gefühllos Peter Pausz), hat stets Affären – über die Anna „hinwegsieht“, wenngleich wegriechen über verschiedene Parfums nicht funktioniert. Und so kommt es wie es kommen muss, trotz anfänglicher Abscheu der neuen Mitbewohnerin gegenüber – natürlich! Und schwanger wird sie obendrein. Aber sie ist so feinfühlig, das Fassaden-Konstrukt der heilen, bürgerlichen Familie nicht zu zerstören, tritt vom Gehsteig auf die Straße, lässt sich von einem LKW überrollen… „Es war so rücksichtsvoll von Stella, wie zufällig vom Gehsteig zu treten, so dass man ein Unglück annehmen kann… Stella konnte sich nicht anpassen und musste untergehen.“

Ein besonderer Kniff Metzgers: Sie lässt Stella (Isabella Kubicek vermittelt die Achterbahn ihrer Gefühlswelt in diesem Haushalt) immer wieder sich selbst kommentieren.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wir töten Stella“ im Theater Spielraum

Sich selbst aus dem Weg geräumt

„Wir haben Ursache zur Dankbarkeit. Wie peinlich wäre es gewesen, hätte sie Schlafpulver genommen oder sich aus dem Fenster gestürzt. Sie hat uns allen die Möglichkeit geschenkt, an ein sinnloses Unglück zu glauben“, sagt Anna. Klagt aber anschließend „Aber was nützt mir das, wenn der Einzige, der es wirklich hätte glauben müssen…“ – „…es nicht glaubt und niemals glauben wird.“ (Wolfgang stets mit einer dicken Komplettausgabe von Homers Ilias und Odysee – Edward Lischka lässt seine körperliche Abneigung gegen die Fassadenfamilie stets spüren).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wir töten Stella“ im Theater Spielraum

Alle hätte alles wissen können

Vor dem Hintergrund dieser vordergründigen bürgerlichen Fassaden-Familien-Tragödie malte Marlen Haushofer das sozusagen zwischen den Zeilen immer wieder hindurchschimmernde – auch (gesellschafts-)politische Bild des Wegschauens. Alle spüren, ahnen, ja wissen, worauf die Konstellation hinauslaufen wird, machen sich selber und allen anderen rundum vor, niemand weiß, welches Drama da wirklich abläuft. „Wir töten Stella“ (1958 veröffentlicht) kann auch viel weitergehend interpretiert werden. „Im jungen Mädchen Stella nämlich gestaltet die Autorin eine poetische Konkretion sowohl der Situation der Frau in der patriarchalischen Gesellschaft wie des Juden im faschistischen System. Auf das Judenschicksal verweisen außer ihrem Namen (Stern) ihr Dasein als Fremde in der Familiengemeinschaft sowie ihr Tod“, heißt es im Text von Irmgard Roebling über diese Novelle (Landesverlag Linz 1991). Dieser ausführliche – und doch gekürzte – Text findet sich in dem – wie immer umfangreich-hintergründigen – Programmheft des Theaters, in dem sich u.a. auch Elfriede Jelineks für die Demo „Demokratie verteidigen“, „gegen Rechts“ geschriebenen Rede „Ich höre ein Ungeheuer atmen“ findet.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Wir töten Stella“ im Theater Spielraum

So duchsichtig

Und diese tiefere, weitergehende Dimension spiegelt sich vielleicht am Stärksten in der Bühne und Ausstattung, die – wie fast immer im Theater Spielraum – ausgetüftelt von Anna Pollack stammt. So liest Richard andauernd in einer Zeitung aus einigen durchsichtigen völlig unbedruckten Folien. Die Vorhänge, die Spielfläche auf einem Podest und das Außen trennen sind voll durscheinend. Alle hätten zu jeder Zeit alles sehen können, nein sogar müssen. Haben es nicht sehen wollen, weil sie trotz offener Augen weggeschaut haben. Selbst die beiden Sessel und der Hocker sind aus durchsichtigem Kunststoff – und werden erst durch das Wegwischen teilweise blutrot!

Unterstützt wird das Spiel des Quartetts, das an manchen Stellen des Textes auch Raum für Humor gibt, dessen Lachen mitunter im Hals stecken bleibt, nicht zuletzt auch durch die Lichtstimmungen (wie fast immer von Tom Barcal programmiert). Was dem heftigen Stück, dass alle Beteiligten praktisch sehenden Auges Stella in den Tod treiben – oder wenigstens nichts gegen die sich anbahnenden Katastrophe unternommen haben – noch einen Gänsehaut-Schauer aufsetzt war der Satz eines Besuchers (ein Sohn der Autorin): „Sie konnte nichts schreiben, was sie nicht selbst erlebt hat.“

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Doppelseite aus "Als mein Vater ein Busch wurde"

„Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor…“

Im Süden des Landes war schon Krieg, doch er breitete sich aus und so musste das Mädchen, aus dessen Sicht die Autorin die Geschichte erzählt, das Land verlassen. Ohne Vater und ohne Oma – sie sollte zur Mutter, die „woanders“ in Frieden und Sicherheit lebte. Der Vater musste Soldat werden – und er erklärt seiner Tochter das unter anderem, dass er sich tarnen muss, beispielsweise als Busch versteckt. Und so nannte Joke van Leeuwen, die das Buch (auf Niederländisch) geschrieben und mit vielen Schwarz-Weiß-zeichnungen versehen hat, dieses „Als mein Vater ein Busch wurde“ („Toen mijn vader een struik wird“; Übersetzung: Hanni Ehlers). Das erste Kapitel bekommt diesen Titel als Überschrift und dazu noch „und ich meinen Namen verlor, wohnten wir woanders.“

Und das beginnt so: „Ich dachte zu der Zeit nie, dass dort woanders war. Überall sonst war woanders, nur nicht dort, wo wir wohnten. Dort konnten alle ohne Mühe meinen Namen aussprechen. Wo ich jetzt wohne, können die Leute das nicht. Sie können nämlich kein K sagen. Der Erste, der hier meinen Namen aussprechen wollte, hat sich fast die Zunge abgebrochen. Deshalb sage ich jetzt erst mal, dass ich Toda heiße. Das sind die letzten Buchstaben von meinem langen Vornamen, in dem vier Ks vorkommen.“

Humor macht’s erträglicher

Wie traurig, schrecklich und auch sehr mühsam es für Toda ist, in das sichere Land auf der anderen Seite der Grenze zu kommen, ja was überhaupt so eine Grenze ist, beschreibt die Autorin auf knapp mehr als 100 Seiten trotz all des Ernstes immer wieder auch mit einer Portion Humor. Die ergibt sich aus dem seltsamen Verhalten von Menschen, die komische Fragen an das Kind stellen und einfach nicht und nicht glauben wollen, was Toda erzählt. Aber auch aus Situationskomik. Oder aus Überlegungen Todas. Was, wenn jetzt der Vater als Soldat mitten in der Stadt ist? „Vielleicht müsste er da so tun, als wäre er ein Briefkasten oder ein geparktes Auto. Oder ein Baum am Straßenrand.“

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Als mein Vater ein Busch wurde“

Überlebensmittel-Liste

Und als eines der vielleicht wichtigsten psychischen Überlebensmittel ließ sich die Autorin eine „Liste von allem, was ich sonst noch im Kopf behalten könnte“ einfallen: Schöne Erinnerungen wie die Torten und Kuchen, die ihr Vater, von Beruf (Zucker-)Bäcker, gebacken hatte, „wie wir gelacht haben, wie wacklig Oma Lieder singt…“ Diese Liste hat die Autorin und Illustratorin in Handschrift geschrieben und als Bild ins Buch getan.

Auch Gutgemeintes kann böse sein

Dass es auf der Flucht mitunter gefährlich und auch immer wieder sehr ungut zugeht, spart Leeuwen nicht aus – von Schleppern, die Toda alles Geld abknöpfen und sie dann doch nicht über die Grenze bringen oder von Menschen, die mit Kindern ins Flüchtlingslager kommen und böse reagieren, wenn die Flüchtlingskinder nicht in untertänigsten Jubel ausbrechen über die ramponierten Stofftiere mit Schmutzflecken, halb kaputten Spielsachen und zerlesenen Bücher…

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Als mein Vater ein Busch wurde“ – mit Bild-Wörterbuch in der neuen (Fantasie-)Sprache

Die Autorin wollte das Buch bewusst nicht in irgendeinem Land oder einer Region verorten – Kriege und damit ausgelöste Fluchtbewegungen gibt es leider immer wieder in den verschiedensten Gegenden der Welt zu unterschiedlichsten Zeiten. Und so hat sie für Todas neues „woanders“-Land, das sowohl da als auch dort ist – der Wegweiser mit dieser Ortsbezeichnung zeigt in beide Richtungen (S. 43) – eine Fantasiesprache erfunden, die zwar offensichtlich vom Niederländischen inspiriert ist.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Anderswo“ von Lutkovno Gledališče Ljubljana (Slowenien)

Inspiration für (Puppen-)Theaterstück

Noch ganz schön viel arge Situationen muss Toda überstehen, bis sie irgendwann am Ende des Buches doch bei ihrer Mutter landet – und dort auch schon Briefe von Oma und Papa sind.

Das erstmals vor eineinhalb Jahrzehnten (im Niederländischen original 2010) erschienene Buch ist eine, eigentlich über weite Strecken sogar die zentrale Inspirationsquelle für das (Puppen-)Theaterstück der slowenischen Gruppe „Lutkovno Gledališče Ljubljana“, die derzeit (Mitte Februar 2024) mit der deutschsprachigen Version ihres halbstündigen Stück „anderswo“ im Dschungel Wien gastiert – Link zur Stückbesprechung am Ende dieses Beitrages.

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Titelseite des Buches
Titelseite des Buches „Als mein Vater ein Busch wurde“
Szenenfoto aus "Anderswo" von Lutkovno Gledališče Ljubljana (Slowenien)

Nach Flucht vor dem Krieg in neuer Klasse gelandet

In einer sehr dichten halben Stunde vermittelt die Schau- und Puppenspielerin Asja Kahrimanović Babnik – mit Unterstützung schlauer fast wie Zaubertricks funktionierender Videoprojektionen – in „Anderswo“ (Nekje drugje) tiefe Gefühle. Da ist zunächst einmal die Verwirrung als Neuankömmling in der Klasse, in einem anderen Land mit anderer Sprache. Wo sie auch nur mehr Mina heißt, weil alle ihren wirklichen Namen für zu schwierig halten und sich dabei sogar „die Zunge brechen“. Und doch ist es eine gewisse Erleichterung, die das Mädchen erlebt. Immerhin ist sie dem Krieg in ihrer Heimat entkommen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Anderswo“ von Lutkovno Gledališče Ljubljana (Slowenien)

Wechselbad der Gefühle

Gleichzeitig lässt die Spielerin von Lutkovno Gledališče (Puppentheater) Ljubljana (Slowenien) derzeit bei einem Gastspiel im Dschungel Wien aber auch die Traurigkeit der Hauptfigur miterleben – ihr Vater musste im Krieg bleiben. Und ihr geliebter Hund Runo wurde von einer Bombe getötet. Das hat sie live noch selbst im Park miterlebt, bevor sie fliehen konnte.

Mit Hilfe einer in alle Richtungen drehbaren metallenen Doppel-Tafel (Ausstattung: Matija Medved) in einer Art Rost-Design, auf der sie mit echter Kreide malt, aber auch mit einer „Fake“-Kreide Strich für Strich die Projektionen von Zeichnungen (Video: Matija Medved, Lea Vučko) erscheinen lässt, „beamt“ sich Mina in ihre Erinnerungen an die glücklichen Jahre vor dem Krieg zurück – immer wieder vor allem die Spiele mit ihrem Hündchen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Anderswo“ von Lutkovno Gledališče Ljubljana (Slowenien)

Einfache Dinge – große Magie

Wie einfach es ist, mit wenigen Mitteln große Magie auf die Bühne zu zaubern, zeigt die Performerin etwa, als sie auf der zum Schultisch gewordenen Tafel zwei Stifte nimmt, sie senkrecht über das Heft trippeln lässt und damit das Herankommen der Lehrerin spielt. Dies und noch ein paar andere Kniffe gibt sie nach dem Stück im intensiven Publikumsgespräch mit Volksschulkindern diesen mit auf den Weg. Die hatten sich gut auf das Thema vorbereitet und eingestellt, durchlebten das Stück mit Weinen und Lachen, Trauer und Fröhlichkeit – immerhin hat Mina nun in der Klasse rasch eine Freundin gefunden – sogar eine, die lernt, ihren Namen auch ganz auszusprechen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Anderswo“ von Lutkovno Gledališče Ljubljana (Slowenien)

Kann leider überall sein

Der wirkliche Name aber auch danach nicht verraten wird – denn das Stück und der entsprechende Krieg soll gar nicht lokalisiert werden – er kann leider überall auf dieser Welt stattfinden, wie auch aktuelle Entwicklungen zeigen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Anderswo“ von Lutkovno Gledališče Ljubljana (Slowenien)

Bücher als Inspirationsquelle

Inspiriert wurde das Theater, das viele harte Themen – von Tod, Trennung, Depression und eben auch Krieg zu Stücken macht, unter anderem von dem Kinderbuch „Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor“ von Joke van Leeuwen (Text und Illustration) in dem es unter anderem „Woanders“ heißt – Buchbesprechung unten verlinkt. Außerdem ließen sich die Erfinder:innen dieses Stücks – Zala Dobovšek, Nina Šorak, Tin Grabnar (führte auch Regie) sowie die Spielerin selbst Asja Kahrimanović Babnik von einem Bilderbuch über Hiroshima anregen. Dies ist die japanische Stadt, in der am 6. August 1945 die USA die erste Atombombe abwarfen – mit Zehntausenden Toten sofort und vielen Tausenden in den folgenden Jahren an den Folgekrankheiten. Die Gruppe spielt das Stück seit sechs Jahren, mittlerweile neben ihrem Slowenischen Original auch auf Deutsch, sowie Englisch, Serbisch/Kroatisch und beginnt es nun auch auf Französisch einzustudieren, wie die Künstler:innen Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… verrieten.

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Szenenfoto aus „Anderswo“ von Lutkovno Gledališče Ljubljana (Slowenien)
Szenenfoto aus "Eine Woche voller Samstage" im Theater Akzent

Aufgewecktes, freches, fremdes Wesen bringt Schwung in fades Leben

Auf einmal ist es da, dieses fremde Wesen. Affe nennen es die einen, Schwein, die anderen. Obwohl es mit diesen beiden Tieren eigentlich gar nichts gemein hat – im entferntesten könnte die clownartige Nase an das schlaue Haustier erinnern. In Wahrheit ist es am ehesten ein aufgewecktes, nicht auf den Mund gefallenes, schlagfertiges Kind: Das „Sams“ ist die wohl berühmteste Erfindung des erfolgreichen Kinderbuchautors Paul Maar.

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Szenenfoto aus „Eine Woche voller Samstage“ im Theater Akzent

„Eine Woche voller Samstage“ (eigentlich ja Sams-Tage!) hat er vor 51 Jahren veröffentlicht. Wege des großen Erfolges verfasste er später noch so manche Folge-Bände rund um Sams.

Nun ist die „Woche“, die Maar selbst zu einem Theaterstück dramatisiert hatte, in einer schwungvollen Inszenierung (Kulturverein Auf den Punkt; Regie Florian Wischenbart, der bei einer Vorstellung auch als Erzähler einspringen wird) bis fast Ende Februar (2024) im Wiener Theater Akzent zu erleben. Im mit Volksschulkindern voll besetzten großen Theatersaal ging das junge Publikum Mittwochvormittag vor allem bei Musikeinlagen voll ab – klatschte spontan im Takt mit.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Eine Woche voller Samstage“ im Theater Akzent

Buch-getreu

Wer die Story nicht kennt, erlebt sie in dieser Inszenierung ziemlich buch-getreu: Der brave, biedere, durchaus fade Herr Taschenbier (glaubhaft verkörpert von Clemens Lüer) steht mit in der Runde jener Menschen in der Eingangs-Szene, wo alle rätseln, was oder wer das Wesen sei. Und nennt es spontan „Sams“ – weil gerade Samstag ist. Und schon ruft dieses springlebendige, freche unbekannte lebendige Etwas (energiegeladen Johanna Mucha) ihn spontan „Papa“. Was diesen ziemlich aus der Bahn wirft. Was tun mit Sams. Na, ich muss natürlich mit dir nach Hause gehen. Problem mit der Vermieterin, Frau Rotkohl, die der Autor leider recht eindimensional kinder- und lebensfeindlich geschrieben hat (Birgit Linauer).

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Szenenfoto aus „Eine Woche voller Samstage“ im Theater Akzent

Situationskomik

Taschenbier schmuggelt Sams in die Wohnung und will es aber bald loswerden – bei einem Ausflug in den Wald. Während er doch noch Gewissensbisse auf dem Heimweg hat, ist Sams schon da… Und verursacht in der Folge etliche heikle Situationen – ob beim Einkaufen von Gewand oder in der Schule. Neben der aufgeweckt-frechen Art ist es noch die Ernährung – Sams isst alles – egal ob Holz, Metall oder Stoff… Und so kommt es zu urkomischen Situationen, die immer wieder für herzhaftes Lachen im sehr jungen Publikum – aber auch bei einigen der erwachsenen Zuschauer:innen führen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Eine Woche voller Samstage“ im Theater Akzent

Mitspieler:innen in vielen Rollen

Stefan Krismann als unter anderem Verkäufer, Manuela Gnadenberger u.a. als Mitschülerin, die als einzige sich auf Sams‘ Seite stellt, Simon Heidegger (Lehrer Groll und andere) sowie Raffael Fritz als (Di-)Rektor spielen ihre meist perplexen Contra-Rollen entsprechend.

Neben den Mitspieler:innen findet sich auf der Bühne auch noch ein Live-Erzähler der verbindenden Geschichte, dargestellt von Adria Just-Font.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Eine Woche voller Samstage“ im Theater Akzent

Wunschpunkte

Für die Bühne, die zum Großteil aus Projektionen von Zeichnungen und Animationen besteht, zeichnet Vanessa Eder Messutat verantwortlich und für die Musikauswahl (aus etlichen Filmen) der Regisseur, der auch die Produktion leitete.

Ach ja, die blauen Punkte verschwinden einer nach dem anderen – mit jedem Wunsch – denn Sams regiert nicht auf Befehle, nur auf Wünsche – kann aber auch andere Wünsche erfüllen. Ohne allzu viel zu spoilern: Natürlich freundet sich vor allem Herr Taschenbier mit dem nicht nur aufmüpfigen, sondern von Beginn an ja auch liebenswürdigen Sams so an, dass er ganz traurig ist, als es nach einer Woche, wieder am Samstag, verschwinden muss.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Eine Woche voller Samstage“ im Theater Akzent

Umweg

Paul Maar hat übrigens das freche Wesen mit den blauen Punkten im Gesicht ursprünglich für das Theaterstück „Der König in der Kiste“ erfunden. Dort gefiel es dem Regisseur nicht, es flog aus dem Stück – und so dachte sich der Autor bald danach die eigene Geschichte für dieses Sams aus – ein halbes Jahrhundert vor der aktuellen Woke-Debatte um Geschlechter ein Wesen jenseits von Mädchen oder Bub!

Laut Wikipedia-Eintrag haben Maars Kinder das Aussehen von Sams mitbestimmt, „die erst nach mehr als zwanzig Entwürfen mit dessen Aussehen einverstanden waren“ (Link zum Wikipedia-Artikel am Ende des Beitrages.

Zufällig blau

Die Wunschpunkte hatte er ursprünglich als Sommersprossen geplant, aber „wenn ich eine Figur erfinde, male ich sie mit Wasserfarbe und hänge sie auf. Ich hatte gerade den blauen Taucheranzug gemalt, als das Telefon klingelte und ein Buchhändler mich zu einer Lesung überreden wollte. Als ich wieder an den Platz kam, dachte ich, dass das Sams vielleicht mit ein paar Sommersprossen frecher aussehen würde. Ich tauchte also meinen Pinsel in Ocker und begann Sommersprossen zu malen. Die ersten waren ockerfarben, doch dann setzte sich das Blau durch – ich hatte vergessen, den Pinsel auszuwaschen. Und ich dachte: Warum soll es keine blauen Sommersprossen haben? Das wurden dann die Wunschpunkte. Wenn mich nicht in einer bestimmten Sekunde meines Lebens ein Buchhändler angerufen hätte, dann hätte das Sams keine blauen Wunschpunkte. Verrückt.“ (aus dem Interview mit den „Welt-Online“-Redakteur:innen Philip Cassier und Britta Stuff; 11. Mail 2007; – Link zum ganzen Interview ebenfalls unten am Ende dieses Beitrages.

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wikipedia -> Paul_Maar

welt.de -> So-kam-das-Sams-zu-seinen-Punkten

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Doppelseite aus "König & König"

„Es wurde eine ganz besondere Hochzeit“

„Ich hab’s satt!“, poltert die alte kunstvoll gemalte aber nicht besonders sympathisch dreinschauende Königin. Sie will in Pension gehen, nicht mehr regieren, ihr Sohn soll übernehmen. Dafür aber, so die Noch-Königin, müsse der Prinz heiraten. „jeder Prinz in der ganzen Gegend ist verheiratet. Nur du nicht! Als ich so alt war wie du, war ich schon zweimal verheiratet!“, wirft sie dem Sohn an den Kopf.

Betretet lassen ihn die beiden niederländischen Künstlerinnen Linda de Haan und Stern Nijland an der langen Tafel dreinschauen, wenn die Mutter so dahinschimpft. Schließlich willigt er ein, klagt aber, gar keine Prinzessin zu kennen. Worauf die Mutter zum Telefon – einem alten Festnetzapparat – greift und „alle Prinzessinnen auf der ganzen Welt anrief“.

Bis das Wahre kommt…

Gut, alle lassen die kunstvollen Illustratorinnen und Texterinnen nicht antanzen, aber einige – von Aria aus Österreich, die ein Lied vorsingt über Dolly aus dem US-Bundesstaat Texas, die jongliert, einer lustig-grünen aus Grönland – in die sich der Kammerdiener verliebt und so weiter. „Das Wahre war dies alles nicht“, lautet die Erkenntnis.

Doch, dann kam Prinzessin Liebegunde und ihr Bruder Prinz Herrlich. „und endlich begann das Herz des Prinzen wie wild zu pochen.“ Angesichts Letzterem.

Happy End. Hochzeit. Sogar die alte Königin war gerührt. Die nun angesichts von „König & König“ Zeit für sich selbst hatte 😉

Das Vorbild sozusagen

Dieses Bilderbuch inspirierte so manche Theatergruppe zu einer Dramatisierung, als es vor mehr als 15 Jahren auf dem Spielplan im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier stand, gab es heftigste Attacken von rechter Seite und Boulevardmedien – noch bevor überhaupt jemand das Stück gesehen hatte. Linda de Haan und Stern Nijland schufen vor fast ¼ Jahrhundert „König & König“ im niederländischen Original gemeinsam – jede Seite gemeinsam gestaltet. Dieses Buch stand sicher auch so etwas wie Pate/Patin für so manche spätere Kinderbuchmacher:innen, nicht zuletzt jene von „Prinzessin Pompeline traut sich“, wo aber die Liebe zwischen Pompeline und Hedwig den Eltern zunächst einmal Probleme bereitet, während es im Vorbild schon viel offenere zugegangen ist. Link zur Besprechung dieses unten am Ende dieses Beitrages.

Mittlerweile musste das Buch – in der deutschsprachigen Version (Übersetzung ins Deutsche: Edmund Jacoby) – schon gut ein halbes Dutzend Mal nachgedruckt werden. Und da in dem Buch ja vielfältige Arten der Liebe vorkommen, ist es der KiJuKU-Buchtipp zum heutigen Valentinstag!

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sohn-und-vater-rock-en-gegen-rollenklischees <- noch im Kinder-KURIER

Interview mit Nils Pickert <- noch im KiKu

Über Martin Auers Prinzessin mit Bart <- auch nch im KiKu

Besprechung eines weiteren Schnecken-Kinderbuchs – von Thomas Schmidigner <- ebenfalls noch im Kinder-KURIER

Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „König & König“
Szenenfoto aus "Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause" von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Jahrzehnte alt, aber leider brand-aktuell

Wäre nicht so manch unfreiwillig komische Passage – in den Texten, aber noch viel mehr im Schauspiel der Mitwirkenden – könnte es einem die 1 ¼ Stunden des organischen Mixes zweier alter Elfriede-Jelinke-Texte („Das Lebewohl“/ 2000 und „Wolken.Heim“/ 1988) fast nur kalt den Rücken runterlaufen. Und leider nicht nur als historische Erinnerung, obwohl die Ausgangs-Originaltexte 24 bzw. 36 Jahre alt sind. Das ist wohl das Erschreckendste an den analytisch sezierenden, rhythmisch, teils chorisch, mit Wiederholungen arbeitenden Texten der Literatur-Nobelpreisträgerin: Ausgehend von konkreten jeweils aktuellen politischen Ereignissen oder Sagern, legt sie das jeweils Strukturelle im Hintergrund offen. Und das überdauert nicht selten den aktuellen Anlass.

Ansonst könnte ja gelächelt werden über das seinerzeitige „Bin schon weg“, „bin wieder da“ Jörg Haiders, der den Rechtspopulismus (nicht nur in Österreich) schon vor der Jahrtausendwende zu einer Hochblüte getrieben hatte. Bezogen auf seinen Rückzug auf Kärnten, um die erste Schwarz-Blaue Regierung 2000 zu ermöglichen der Drittplatzierten ÖVP das Kanzleramt überließ, um die eigene Politik durchsetzen zu können, beispielsweise.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Indirekt aktuelle Bezüge

Solches sprechen Jelinek-Texte aber auf einer Art Meta-Ebene und damit auch noch allgemeingültiger an. „Warum bitte sind all diese fremden Leute, die wir nicht persönlich kennen, weil sie sich selber mitsamt den Wurzeln ausgerissen haben, warum bitte sind die überhaupt noch da? – Die sollten doch längst weg sein, als Entwurzelte.“ Und schon schießt dem rezensierenden Zuschauer „Remigration“ oder „Leitkultur“ ein – weit über die seinerzeitigen Rechts-Extremen hinaus von der einstigen politischen Mitte gefordert.

Theater-Geburtstage

Die beiden Texte verwob Karl Baratta, der schon früh Jelinek-Texte auf Bühnen inszenierte, für das Theater Arche in Wien-Mariahilf. Mit „Das Lebewohl.Wolken.Heim
Und dann nach Hause“ begeht dieses Theater seinen eigenen fünften Geburtstag, aber auch gleichzeitig den 40. Gründungstag des Vorläufers „Theaterbrett“ – von Nika Brettschneider und Ludvík Kavín, den Eltern des heutigen Arche-Co-Leiters Jakub Kavín; der übrigens schon als Kind auf dieser Bühne den Kleinen Prinzen gespielt hatte.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Unterläufel als Antreiber

Nun schlüpft er, Haare frisch geschoren, in eine der „Buberl“-Rollen des „Schattenkanzlers“ J.H. Den Hass gegen Fremde, Andere und nicht zuletzt Journalist:innen – „geschirrt gehören sie unters Joch“ übersetzt Jelinek Haiderisches „Aufräumen in den Redaktionsstuben“ ins Literarische. Sein Co. in der Rolle der Handlanger/Vollstrecker des Anführers: Eckart Schönbeck. Gegenseitige Stichwortgeber einer-, Aufgansler andererseits. In der Rolle des irgendwie zwischen Diabolischem, multipler Persönlichkeit, scheinbar Chaos stiftendem aber mit zielgerichtetem Plan Agierenden glänzt mit immer wieder aufgesetztem Lächeln Manami Okazaki (Co-Leiterin von Theater Arche).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Be-greifbarer

Die beiden dichten, tiefschürfenden, die hintergründigen politischen Strukturen freilegenden Texte werde durch die Aufteilung auf die Schauspieler:innen und ihr szenisches Spiel viel (be-)greifbarer und können so in ihrer Dichtheit leichter aufgenommen werden.

Ergänzt werden die beiden genannten zwei bzw. drei Jahrzehnte alten und doch so erschreckend aktuellen Texte durch einen aus dem Vorjahr, vorgetragen von der 13-jährigen Amelie Kanon, die schon davor Tanz-Auftritte in unterschiedlichen Stilen im Hintergrund bei den vier Türen an der Bühnen-Rückwand hatte. „Dieses Land braucht junge Männer und Frauen, die das Herz am rechten Fleck haben, die sich trauen, oft gegen den Strom zu schwimmen, die sich auch trauen, etwas auszusprechen, wofür man vielleicht nicht von allen geliebt wird“, heißt es da unter anderem. Und was wie ein Offenlegen von Elfriede Jelinek sein könnte, stammt original von „Österreichs Jugend, die vorangeht“ vom Bundesjugendtag de RFJ (Ring Freiheitlicher Jugend) 2023.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Ausgebreitet

Wie auch schon zu Haiders Zeiten ging’s – und geht’s heute genauso – nicht nur um Rechtspopulismus, sondern – durchaus auch offenen – Rechts-Extremismus. Nur heute schon weiter verbreitet. Ob heute in Österreich ein Landeshauptmann noch zurücktreten würde, wenn er von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik im 3. Reich“ sprechen würde?

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Das Lebewohl.Wolken.Heim Und dann nach Hause“ von Elfriede Jelinek im Theater Arche (Wien)

Aus der Geschichte lernen?

Dazu fällt der oftmals – mitunter abgewandelt – zitierte Satz von Ingeborg Bachmann aus ihrem Roman „Malina“ (derzeit dramatisiert im Wiener Volkstheater) ein: „Die Geschichte lehrt, aber sie hat keine Schüler.“ Den sie sich übrigens bei Antonio Gramsci ausgeborgt hat, der schon 1921 in „Ordine Nuovo“ schrieb: „Die Illusion ist das zäheste Unkraut des Kollektivbewusstseins; die Geschichte lehrt, aber sie hat keine Schüler.“

Der trotz des Ernsts der Texte und noch mehr der Lage immer wieder auch von Humor aus Texten und Schauspiel durchzogene Abend ist ab 1. März wieder – mehrmals bis fast Mitte Mai (siehe Info-Block) im Theater Arche zu erleben.

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Doppelseite aus dem Papp-Bilderbuch "Wie schön wär fliegen"

Fisch will Krake sein…

„Wie schön wär fliegen“ – ein uralter Menschheitstraum ist der Titel dieses Papp-Bilderbuchs für Menschen ab geschätzt zwei, drei Jahre – und altersmäßig nach oben so ziemlich unbegrenzt. Doch es geht gar nicht um – diesen – Traum. Nicht um die in der antiken griechischen Sage von Ikarus und seinem Vater Daedalus, dem Eingesperrt-Sein auf einer Insel durch selbst gebastelte Flügel zu entkommen.

Das Bilderbuch mit seinen zwölf Doppelseiten beginnt mit dem frei fliegenden Vogel, der beim Blick nach unten, ins Wasser, „denkt, er wär… eigentlich ganz gern ein Fisch. Würd schwimmen, tauchen und noch mehr…“ Und – Spoileralarm – es handelt sich dabei nicht um eine Ente oder einen anderen Schwimm-Vogel 😉

Doppelseite aus dem Papp-Bilderbuch
Doppelseite aus dem Papp-Bilderbuch „Wie schön wär fliegen“

Wer anderer sein wollen…

Und dieser Fisch, den der Vogel sieht, wäre gern auf der danach folgenden Doppelseite eine Krake und die wiederum… Und so lässt Autorin und Illustratorin Hemma Bergner jeweils die Gedanken eines Tieres lebendig werden, lieber wer anderer zu sein, was anderes zu können, das es selber nicht zustande bringt. Um am Ende ein in der Wiese liegendes Kind sehnsüchtig nach dem Vogel vom Beginn des Buches schauen zu lassen. Diese Schluss-Seite ganz ohne Text. Vielleicht will das Kind gar nicht fliegen können, sondern genießt fasziniert die Blicke in den Himmel?

Wer weiß, möglicherweise macht es sich auch Gedanken wie das „Kleine Ich-bin-ich“ von Mira Lobe und Susi Weigel und hat vorher all die Tiere dieses Papp-Bilderbuchs genau betrachtet, um draufzukommen, dass es nicht wie diese ist, sondern einfach es selbst? Und dass es auch gut sein kann, dass jede und jeder auch Unterschiedliches kann!

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Titelsetie des Papp-Bilderbuchs
Titelsetie des Papp-Bilderbuchs „Wie schön wär fliegen“
Szenenfoto aus "Auf der Palme"

Was brodelt unter der Oberfläche…

Wuuuut – Lust an dieser. Sie auszuspielen, auszurasten, auszuzucken, mit dem Kopf durch die Wand oder aus der Haut fahren zu wollen, die Wände hochzugehen … kurz und gut „Auf der Palme“ nannte das siebenköpfige Kollektiv – Bianca Bauer, Flora Besenbäck, Janina Lenauer, Nadine Mathis, Naima Rabinowich, Jana Resetarits, Viviane Tanzmeister – die lustvolle, mitreißende Viertelstunde im Dschungel Wien.

Die Performance war eine von fünf sozusagen Stück-Entwürfen, die gegen Ende der (Wiener9 Semesterferien im Theaterhaus für junges Publikum im Wiener Museums-Quartier zu erleben waren. Drei der Kurzversionen waren für ein Kinder- (und Familien-), zwei für ein jugendliches Publikum gedacht.

Suche nach Neuem

Auf der Suche nach neuen Stücken für Kinder bzw. Jugendliche hat der Dschungel Wien das vorige Format für Nachwuchskünstler:innen verändert. Nach mehreren Jahren „Try Out!“, bei dem bestehende Gruppen Kurzversionen vorspielten und eine professionelle Jury auswählte, was zu nachmittags- oder abendfüllenden Stücken werden soll, startete unter der neuen künstlerischen Leitung (Anna Horn) „Magma“, inspiriert von dem vulkanischen Begriff heißen schmelzenden Gesteins, das an die Oberfläche dringen kann und sich dort wieder verfestigt, beginnt die Entwicklung neuer Stücke nun schon früher. In Kooperation mit dem Drama Forum (Graz) werden Autor:innen, Schauspieler:innen, Performer:innen zu realen, analogen Treffen eingeladen. Dort bilden sich aufgrund der vorgebrachten Ideen und Konzepte Produktionsgruppen, die – unterstützt von Mentor:innen eben ¼-stündige Szenen jeweils künftig möglicher Stücke erarbeiten.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Auf der Palme“

Auf die Palme gebracht…

„Auf der Palme“ war eines von drei sozusagen „Teasern“ für mögliche Stücke für Kinder, angegeben ab 6 Jahren, eher aber schon für Vorschulkinder und ihre Familien geeignet – Lust und Recht auf Wut – sozusagen der sprichwörtliche Vulkanausbruch -, aber auch Umgang mit ihr und Übergang vom Aus- und Abreagieren zu Entspannung. Und schöne gespielte Szenen aus Wortbildern rund um Wut. Apropos Spannung – diese Gruppe platziert auf der Bühne eine „Insel“ mit Palme, die von hinter dem Publikum von diesem mit erhobenen Armen Reihe für Reihe nach unten weitergereicht wird. Die Palme selbst hängt da noch schlaff nach unten und wird von einer der sieben Performerinnen – alle im MA48-orangen Monturen – mit einem lautstarken Kompressor mit Luft befüllt. So laut, dass die auf der Insel entspannende „Urlauberin“ wütend wird 😉

Ober und unter Wasser

Eine völlig neue Sprache bringt Stefanie Altenhofer in „Donaustadt“ ins Spiel: Gurgelisch. Als „Donauweibchen“, Figur einer Sage und Statue im Wiener Stadtpark verbindet sie die Welt über und unter Wasser. Letztere, auf deren Spuren sich die junge Forscherin Frieda Fischer (Sarah Zelt), die für ihre Leidenschaft sogar die Schule verlässt, spielt sich in auf der Bühne platzierten kleinen Modellen ab, die per Handykamera auf die große Wand projiziert werden. Die im Programm angekündigte „feministische Neuschreibung einer Donausage“ ist allerdings offenkundig erst für die Weiterentwicklung gedacht (Text: Natalie Campbell; Modelle für die Unterwasserwelten und Kostüme: Petra Schnakenberg.

Neue Regeln für die 64 Felder?

Weiße Linien ergeben 64 Felder – genau Schach. Die weißen Felder sind jeweils von kleinen weißen Quadraten in der Mitte dieser Felder des Spielbretts gekennzeichnet. Vier Figuren stehen – und warten auf ihren Einsatz. Aller gehören zum Team Schwarz: Dame (Pooneh Mojtaba, die auch für die Bühne verantwortlich zeichnet), Turm (Marie-Theres Auer; Text), Läufer (Ivan Strelkin; Regie) und Pferd bzw. Springer:in (Rebekka Pichler; Choreografie). Und dann steht da auf Feld e8 ein mit schwarzem Samt verhülltes Ding. Lange Zeit unbeachtet, zeihen die genannten Figuren ihrer Wege. Der Läufer beklagt, dass er nie weg kommt von seinen diagonal zu ziehenden Feldern. Er ist derjenige auf den schwarzen Feldern, kann also nie auf ein weißes. Irgendwann bemerken die Vier, dass es da auch noch die – als Figuren wirklich stehenden Bauern gibt, aber dass der König fehlt, drehen das scheinbar verhüllte Ding um: Thron, Korne, aber kein König. Und so krönen sie sich reihum zur herrschenden Figur, beginnen die Sinnhaftigkeit der – bestehenden – Regeln zu diskutieren…

Komische Bewegungen und Geräusche…

Da hängen zwei in senkrecht zu Art Kuschelsitzen baumelnden Hängematten. Zögernd kommt ein Dialog zustande – „wie war Mathe?“. Und irgendwie lassen die beiden Schauspieler:innen von Anfang an aber mitschwingen – es geht doch um mehr. Rika (Selina Rudlof) übernimmt den aktiveren Part, Tom (Marko Jovanović) ist der Verschlossenere, der sich in dem Tuch fast verkriecht. Langsam spricht Rika an, worum’s wirklich geht – um Videos, die sie anderntags am Handy angeschaut haben. Mit so „komischen Geräuschen und Bewegungen“… In „Zunder“ spielen die beiden – an der Schwelle zwischen Kind und Jugendlichen die Verwirrtheit an, die es auslöst wenn sie zum ersten Mal (online) Pornos sehen. Und dass sie eigentlich, obwohl Rikas Mama das sagt, damit mit niemandem wirklich darüber reden können. Und schaffen es, trotz der peinlichen und sprachlosen Momente, die sie miterleben lassen, so manche Passage mit Humor und Witz einzubauen. (Text: Rachel Müller; Regie: Manuel Horak; Bühne/Kostüme: Sophie Eidenberger; Requisite: Fabian Tobias Huster).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Eurydike & Persephone“

In der Unterwelt und in Social Media

Eurydike, von einer Schlange gebissen, landet in der Unterwelt. Tot sein will sie (Nora Wahl) noch lange nicht. Und da trifft sie auf Jasmin Weißmann als Persephone (oft auf Kore oder Kora genannt) mit Pfeil und Bogen. Sie, die oft weniger bekannte Göttin des Totenreiches – Hades hatte sich in sie verliebt und sie von Zeus sozusagen zugesagt bekommen. Wer fragt schon eine Frau, selbst wenn sie Göttin ist – übrigens Tochter von Zeus und dessen Schwester Demeter und vom eigenen Vater geschwängert.

„Eurydike & Persephone“ lässt die Männer eher außen vor, nur Orpheus kommt via eingespielter TikTok-Videos (Marco Jovanović) kurz vor. Im Zentrum steht die Begegnung der beiden Frauen – beide unfreiwillig hier. Doch während Eurydike mit ihrem Schicksal hadert, hat sich Persephone damit abgefunden. Gelingt es Ersterer die Zwangsverheiratete Mit-Herrscherin über die Unterwelt (Regie und Konzept: Sophie Berghäuser; Text und ebenfalls Konzept: Sebastian Galyga) zum Widerstand zu bewegen? Das deutet sich in der ¼ Stunde an – wäre dann aber gegebenenfalls Aufgabe für die Weiterentwicklung. Und – so die Ankündigung – würde wohl noch die in Social Media inszenierte Trauer Orpheus ein ausbaufähiges Thema sein.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Eurydike & Persephone“

Live-Feedback

Nach jeder dieser Performances hatte das Publikum die Möglichkeit für kurzes Live-Feedback, was eher zögerlich genutzt wurde. Dschungel Wien und Drama Forum (Graz) boten aber mehrfach an, auch nachträgliche Rückmeldungen liebend gern entgegenzunehmen. Diese Rückmeldungen sollen mit die Basis für die Auswahl sein, welche der – in diesem Fall – fünf Projekte zu Vollversionen weiterentwickelt werden sollen.

Dramatiker:innen-Börse

Übrigens: Das Internationale Theaterfestival für ein junges Publikum im Westen Österreichs, in Vorarlberg „Luaga & Losna“ (Übersetzung: schauen und hören) lädt zum 28. Mal Autor:innen zur Dramatiker:innenbörse ein. Bis 31. März 2024 können Autor:innen sowohl fertige Stücke, als auch Szenen in Rohfassung einreichen und sich damit um eines von zehn Stipendien (Festival-Aufenthalt plus Taggeld) bewerben.

Wer ausgewählt wird, stellt dann beim 36. Festival im Juni (18. bis 22.) in Nenzig Text-Auszüge in szenischer Lesung vor – mit Diskussion und Feedback der anwesenden Theatermacher:innen.

Die Dramatiker:innen-Börse geht auf Diskussionen bei einem der ersten „Luaga & Losna“-Festivals (1988 gegründet) zurück, wo Theaterleute klagten, es gäbe zu wenig neue Stücke und Autor:innen, sie würden schreiben, und keine/r wolle die Texte spielen. Was Erstere konterten, viele der Texte seien nicht spielbar. Und so entstand diese Begegnung mit Austausch…

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luagalosna -> dramatiker-innenboerse

Szenenfoto aus "Muttertier" im Vestibül des Wiener Burgtheaters

(Sprach-)spiele rund um möglichen Untergang von Mutterrolle

Ein schwerer Brocken: Drei Töchter rund um das Bett der sterbenskranken Mutter. Und doch sind die eineinhalb Stunden „Muttertier“ – die natürlich immer wieder vor dem Hintergrund von Ernst und Schwere spielen, von Verspieltheit getragen – schon von der rhythmisch-musikalischen Sprache der Autor:in Leonie Lorena Wyss mit so manchen Sprach- und Gedankenspielen und noch viel mehr vom verspielten Schauspiel von Laura Dittmann, Claudia Kainberger und Lara Sienczak (Regie: Mia Constantine).

Szenenfoto aus

Das Stück feierte Samstag (10. Februar 2024) die vielumjubelte Premiere in der kleinsten Spielstätte des Burgtheaters, im Vestibül. Der Text – unter dem Titel „Wie von Mutterhand“ -gewann im Vorjahr den renommierten Nachwuchsbewerb Retzhofer Dramapreis. Neben dem Geldpreis (5.000 €) ist der wahrscheinlich sogar noch größere Lohn die Uraufführung durch das Burgtheater.

Die Mutter, von der die Rede ist und um die sich viel dreht, ist nur in Worten, in Gedanken, im Spiel präsent. Das aber – na hallo. Das war für die seinerzeitigen Kinder, die nun am Krankenbett schon erwachsen sein dürften, nicht nur Honiglecken. Nett war sie schon irgendwie. Aber durchaus auch – naja anstrengend. Ist sie auch jetzt noch, wo sie auf Betreuung angewiesen ist.

Hallenbad und „Titanic“

In erster Linie erinnern sich die drei – zu Beginn als Klein (Laura Dittmann), Mittel (Lara Sienczak) und Groß (Claudia Kainberger) vorgestellt, erst irgendwann mittendrein fällt mehrmals der Name Rosa (für Klein) und der Begriff „Die Bestimmerin“ für Groß – an einen Ausflug in ein Hallenbad, noch viel mehr und öfter aber ans TV-Schauen und da an den Film „Titanic“. Natürlich fällt da mehrfach das vielleicht berühmteste Filmzitat „ich bin der König der Welt“ von Jack (Leonardo DiCaprio) aus dem Drama um den Untergang des unsinkbaren Schiffs. Nur den Jack, den fanden die drei eher lächerlich. Die Rose (Kate Winslet) aber, die wollten sie alle drei spielen. Balgen sich lustvoll darum, um zu beschließen, dann sind wir halt alle drei „die Königinnen der Welt“.

Witz im Ernst

Immer wieder tauchen sie in unterschiedlichste, teils körperliche Spiele ein, rufen heftige Lacher hervor, wenn sie sich beim „Film-Schauen“ Flips in den Mund stecken, mehr und immer mehr, wodurch ihre Worte immer unverständlicher werden – ohne sich wirklich was in den Mund zu schieben.

Den an sich sehr kleinen Bühnenraum im Vestibül lässt Johann Brigitte Schima (auch für Kostüme verantwortlich) durch vier an Bilderrahmen erinnernde sozusagen ineinander passender verschachtelter Rahmen, die damit verschiedene Ebenen eröffnen, überraschend groß wirken – mit viel Platz in der Mitte.

In die geschilderte „Rahmenhandlung“ bauen Autor:in und Spielerinnen diese in Rückblenden angesprochenen Erinnerungen an ihre Erziehung sowie die Beziehung zur Mutter und untereinander ein. Liefern in einer Szene aber auch die Muttersicht – sei es die der eigenen oder hat eine von ihnen selber schon ein Kind geboren? Und so ein Kind das ist dann immer da. Also auch kein Entkommen der Mutterrolle – um doch wieder die „andere“ Seite des Trios anzusprechen. …

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Louis Fegerl und Vater Stefan

Dem besten U11-Spieler der Welt auf den Schläger geschaut

Wenige Gehminuten von der Station Wiener Neudorf der Badner Bahn entfernt liegt ein großes Sportgelände mit riesiger Halle. Im Keller trainieren unter anderem junge Tischtennis-Spieler:innen. Es handelt sich um eines der fünf Bundesleistungszentren (NÖ, Wien, OÖ; neben zwei weiteren von Landesverbänden in Klagenfurt und Salzburg).

Hier trifft Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Louis Fegerl. Der Zehnjährige ist seit wenigen Wochen Nummer 1 der U11 (Unter 11-Jährige). Und das nicht nur in Österreich, sondern in der Weltrangliste! Fokussiert betritt er die Halle, ruck-zuck ist er umgezogen, Schläger in der Hand, bereit fürs Training. Davor beantwortet er noch einige Fragen des Journalisten – das Interview in einem eigenen Beitrag – Link am Ende dieses Artikels.

Voll fokussiert

Kurzes Aufwärmen und dann spielt Louis gegen/mit seinem Vater Stefan. Da ist aber nix mit locker einspielen. Voll konzentriert, hin und wieder Hinweise des Trainers: „Beinarbeit“ und schon fliegt ein Ball nach dem anderen hin und her auf der blauen Platte – „Grün gibt’s schon lange nicht mehr, auf Blau, in manchen Ländern sogar auf Schwarz ist der Ball besser zu sehen – für die Zuschauer:innen, aber auch kein Nachteil für die Spieler:innen“. Mal knapp beim Tisch, dann wieder weit weg davon, fast an der Wand um gaaaaz lange Bälle zu spielen. So schnell kannst du meist gar nicht schauen, wie die beiden den Ball hin und her fetzen – und das immer voll fokussiert. Häufiges hörbares Stöhnen, hin und wieder die verschwitzte Hand kurz auf der Tischplatte abwischen. Und weiter. Zehn Minuten. Kurze Trink- und Verschnaufpause und wieder ran an die Platte.

Bruder lernt schreiben

Währenddessen malt sein kleiner Bruder, der erst im Herbst in die Schule kommt, die Buchstaben von A bis Z – die Groß sowie die Kleinbuchstaben der Reihe nach auf ein Blatt. Hin und wieder korrigiert ihn Mutter Li Qiangbing. Chinesische Schriftzeichen kann er noch viel besser. Drei zeigt er dem Journalisten und versucht dem beizubringen, wie diese halbwegs brauchbar ausgesprochen werden, und dass nix in Pang „Du bist der Beste“ bedeuten. Etwas das für seinen Bruder im Tischtennis gilt.

Erfolgreiche Eltern

Und für die Eltern auch vielfach. Li Quiangbing war schon als Juniorin Silbermedaillengewinnerin der Asienmeisterschaften im Einzel und holte mit ihrem Team – damals noch China – Gold. Alle späteren Erfolge erspielte sie bereits für Österreich – 7. Bei den Olympischen Spielen in Peking (2008), 6. Bei den Weltmeisterschaften in Guangzhou (2008), weitere Top-Ten-Plätze bei Welt- und Europameisterschaften bzw. im World-Team-Cup.

Ihr Ehemann, Stefan Fegerl, gewann sowohl im Doppel als auch im Team die Europameisterschaft 2015 in Jekaterinburg, war zehnfacher WM-Teilnehmer – davon zwei Mal im Team 5. Den selben Platz erreichte er 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio. Mit Borussia Düsseldorf – im Tischtennis so etwas wie Real Madrid im Fußball – erspielte er im Team so manche Siege und im Einzel war er vielfacher österreichischer Meister. Nach seiner aktiven Karriere wurde er Vizepräsident und vor zwei Jahren Sportdirektor des Österreichischen Tischtennisverbandes. Als Sportdirektor ist er für Vieles zuständig, Highlight – und natürlich entsprechende Herausforderung – ist die Europameisterschaft, die heuer vom 15. bis 20. Oktober in Linz ausgetragen wird.

Nachwuchs-Arbeit, Erfolge

„Ein Schwerpunkt ist aber sicher die Nachwuchsarbeit, auf die ungefähr zwei Generationen lang zu weniger Wert gelegt worden ist“, nennt Stefan Fegerl KiJuKU gegenüber großen Auf- und Nachholbedarf. Und dabei denkt er sicher nicht nur an die eigenen Kinder. Neben dem Weltranglistenplatz 1 für Louis Fegerl kann der Verband auch etliche weitere Erfolge allein in den vergangenen Wochen vorweisen:

So holte Julian Rzihauschek in der letzten Jännerwoche in Doha (Katar) die Silber-Medaille bei den U17-Weltjugendspielen (WTT Youth Contender). Er ist übrigens bereits dreifacher U15- Medaillengewinner bei Europameisterschaften, gewann im November des Vorjahres beim WTT Youth Star Contender mit Tiago Abiodun im U15-Doppel. Petr Hodina (OÖ) landete dort im Einzel auf Platz fünf und erreichte auch im Doppel mit Benjamin Girlinger das Viertelfinale.
Julian Rzihauschek hatte vor knapp mehr als drei Jahren international aufhorchen lassen als er im Alter von 12 Jahren in einem Champions-League-Match einen erwachsenen Profi besiegte. Der Vorläufer von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, der Kinder-KURIER, hatte ihn damals in seiner Trainingshalle besucht – Link zu dieser Geschichte weiter unten; außerdem ein Interview auch mit dem hier genannten Petr Hodina.

Ende Jänner erspielte sich Anastasia Sterner gemeinsam mit ihrer ukrainischen Doppelpartnerin Veronika Matiunina Platz fünf in der U21-Europameisterschaft. Im Viertelfinal scheiterten die beiden nur knapp am Einzug ins Seminfinale und damit einer Medaille.

Übrigens: Österreich stellt noch immer im Herren-Einzel mit Werner Schlager den letzten Nicht-chinesischen Weltmeister im Tischtennis (2003) – was eigentlich weit mehr zählen müsste als „Córdoba“, das seit mehr als 45 Jahren zelebriert wird, weil das Herren-Fußballteam bei der WM in Argentinien Deutschland 3:2 besiegt hat. Bei den Frauen hat China seit 1995 das TT-WM-Abo (im Damen-Doppel sogar bis 1989 zurück). Mandarin-Chinesisch hat Stefan von und mit seiner Frau gelernt, „jetzt kann ich’s schon leidlich sprechen!“ – was Li Quiangbing lächelnd bestätigt.

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oettv.org

Louis Fegerl in Aktion

Trainiere täglich, mein Ziel ist Olympia-Teilnahme

Seit wenigen Wochen ist Louis Fegerl (10) der weltbeste Tischtennis-Spieler in der Altersgruppe U11. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte ihn am Rande eines Trainings in der Halle Wiener Neudorf interviewen.

KiJuKU: erst einmal: Graaatulaaation zur Nummer 1 der Welt.
Louis Fegerl: Vielen Dank.

KiJuKU: Wann hast du mit Tischtennis-Spielen angefangen?
Louis Fegerl: Da war ich fünf Jahre.

KiJuKU: Und wie alt warst du, als du erste Bewerbs-Matches gespielt hast?
Louis Fegerl: Da war ich acht.

KiJuKU: Wie oft und wie viel trainierst du?
Louis Fegerl: Jeden Tag zwischen ein und drei Stunden, hier aber auch zu Hause.

Louis Fegerl in Aktion - und ein Korb vieler Tischtennisbälle
Louis Fegerl in Aktion…

KiJuKU: Tischtennis ist offenbar deine Leidenschaft, aber macht das viele Training immer Spaß?
Louis Fegerl: Meistens schon, natürlich, manchmal nervt’s ein bisschen.

KiJuKU: Kommst du neben Schule und Training noch zu etwas anderem und wenn ja, was machst du sonst gerne in der Freizeit?
Louis Fegerl: Ich spiele gern Fußball – mit meiner Familie oder mit Freunden, mag schwimmen und auch Computerspiele.

KiJuKU: Was magst du in der Schule am liebsten?
Louis Fegerl: Ich mag gern Deutsch, Englisch, Sport und Mathe.

KiJuKU: Zurück zum Tischtennis – zuerst zum Training. Du spielst sicher nicht nur, sondern musst ja wahrscheinlich auch laufen, Ausdauer, Muskel und so weiter trainieren. Arbeitest du nach einem genauen Trainingsplan?
Louis Fegerl: Ja, meine Eltern (die waren Weltspitzenspieler:innen – siehe dazu …. – Link am Ende des Interviews) machen mir Vorschläge, aber das ist nicht so streng wie ein Schul-Stundenplan.

KiJuKU: Was ist dein sportliches Ziel?
Louis Fegerl: Ich möchte jedenfalls bei Olympischen Spielen teilnehmen.

KiJuKU: Danke für das Interview, ich bin sicher, du wirst dieses Ziel erreichen!

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Doppelseite aus dem Bilderbuch "Auf dem Weg"

Wenn der spannende Weg zum Ziel jeder Doppelseite wird

24 Seiten – 20 Wörter, davon allein zehn auf den beiden letzten Doppelseiten, begleiten eine kleine aufrechtgehende Maus auf Wanderschaft. Im Tiergarten zwischen Nashorn, Zebra und Vogel Strauß unter heißer Sonne, fragt sie nach dem Weg. „Feuerball“ ist hier das Wort.

Umgeblättert erlebst du das Mäuschen in einem Boot auf See, Meer oder Fluss bei strömendem Regen: „Wasserfall“. Weiter geht’s. Sofern du dich schon von den Bildern losreißen kannst. Denn in „Auf dem Weg“ hat Helga Bansch wieder einmal viel Liebe auch in Details der Landschaft im Hintergrund – ob Himmel oder unter Wasser – gelegt.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Auf dem Weg“

Und so kannst du eigentlich Doppelseite für Doppelseite mit den knappesten Texten (jeweils ein Wort) in die jeweilige Wander-Station der auf zwei Beinen gehenden Maus richtiggehend versinken. Was Heinz Janisch mit den beiden schon zitierten beispielhaften und jeweils ähnlich einfachen und doch den Blick so weit machenden Worten mehr als unterstützt.

Dass die Maus aber nicht nur einfach so dahin wandert, sondern offenbar sehr zielstrebig – das siehst du auf den beiden letzten Doppelseiten, da sogar mit den oben schon erwähnten mehr Wörtern. Und da es überraschend ist, sei es hier sicher nicht verraten. Vielleicht nur so viel: Es ist keine Mäusefamilie!

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Titelseite des  Bilderbuchs
Titelseite des  Bilderbuchs „Auf dem Weg“
Doppelseite aus Band 2 des Kinderkrimis "Ein Fall für Martha & Mischa", "Aufregung im Hühnerstall"

Kinder„bande“ wieder auf detektivischer Tierrettungs-Mission

Martha und Mischa, die Zwillinge, habe sich mittlerweile in dem kleinen Dorf Krähfeld wunderbar eingelebt, was sie sich nach der Übersiedlung mit ihren Eltern aus der Großstadt Wien gar nicht vorstellen konnten. Gemeinsam mit Boris, Benji, Kerstin, Natalie (die nun Natty genannt wird) und Simon haben sie in Band 1 der neuen Kinder-Krimi-Serie eine ganze Reihe von Hunden aus einem für diese unerträglichen „Heim“ befreit. Und auch im neuen „Fall für Martha und Mischa“ steht die Rettung von Tieren im Zentrum der spannenden, leicht und flott lesbaren rund 160 Seiten.

„Glückliche“ Eier?

Dass es sich dieses Mal um Hühner dreht, deutet schon der Titel an „Aufregung im Hühnerstall“ nannten Hubert Flattinger und Petra Hartlieb ihre jüngste Detektiv-Geschichte. Und auch der „Klappentext“ auf der Rückseite verrät – vielleicht sogar ein bisschen zu viel. Spätestens beim Einkauf auf dem Wochenmarkt wäre es aber ohnehin klar geworden. Die angeblichen „glücklichen Eier“ stammen also vielleicht von ganz anders gehaltenen Hühnern.

Doppelseite aus Band 2 des Kinderkrimis
Doppelseite aus Band 2 des Kinderkrimis „Ein Fall für Martha & Mischa“, „Aufregung im Hühnerstall“

Natürlich kriegen die „glorreichen Sieben“ raus, wie’s wirklich um die Hennen steht. Passend dazu kommt auch DER passende Kinderbuch-Klassiker „Superhenne Hanna“ vor. In diesem Buch schildert Felix Mitterer (wäre übrigens fair gewesen, den schon zu nennen) vor fast 50 Jahren (erstmals erschienen 1977, mittlerweile fast drei Dutzend Auflagen) das Leid von Hühnern in Legebatterien aus der Sicht dieser „Superhenne“ – und die Befreiung mit Hilfe zweier Kinder (Theresa und Sebastian).

Amüsante „Neben“geschichten

Aber auch, wenn von Anfang an zu vermuten ist, dass Martha und Mischa – wieder wird die Geschichte kapitelweise abwechselnd aus der Sicht der einen und des anderen geschildert – mit ihren fünf Kolleg:innen Erfolg beim Kampf ums Tierwohl haben, bleibt es spannend. Die Autor:innen haben sich so manches Hindernis einfallen lassen, damit es spannend bleibt, „nebenbei“ Sachinformationen verpackt und wieder – wie auch schon in Band 1 – diverse „Neben“geschichten einfallen lassen. Manche von diesen sorgen für den einen oder anderen Schmunzler.

Aufgelockert werden die 160 Seiten erneut durch kleine Zeichnungen von Ulrike Halvax – über jedem Kapitelanfang Portraits der beiden Protagonist:innen mit den vorherrschenden Stimmungen dieses Abschnitts, sozusagen Smilie-Gesichtern. Dazu gesellen sich – ebenfalls in schwarz-weiß-grün mitunter auch größere Bilder – von Mischas Zeichnungen bzw. einigen Situationen, wenngleich das Bild von Frau Obkircher, die mit ihren fünf Hundewelpen in die tierärztliche Ordination von Martha und Mischas Mamma, Leyla Aslan-Jeschek, kommt doch anders aussieht als sie im Text beschrieben wird.

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Titelseite von Band 2 des Kinderkrimis
Titelseite von Band 2 des Kinderkrimis „Ein Fall für Martha & Mischa“, „Aufregung im Hühnerstall“
Doppelseite aus dem Bilderbuch "Raffi & Juli - Ein neues Zuhause"

Raffi muss ein Zimmer räumen – und gewinnt dann dabei…

Der farbenfrohe, glitzernde Moderator deutscher Fernsehsendungen und Autor Riccardo Simonetti hat im Vorjahr sein zweites Kinderbuch veröffentlicht. In eine einfach erzählte Geschichte verpackt er auch dieses Mal das Thema Menschlichkeit, Toleranz und offene Arme bzw. einen ebensolchen Geist rund um seine Hauptfigur Raffi.

Dieses Mal – in „Raffi & Juli – Ein neues Zuhause“ bitten ihn seine Eltern, vorübergehend sein Zimmer zu räumen und zu seiner Schwester zu ziehen. Sein Zimmer wird gebraucht, um eine Familie, die flüchten musste, unterzubringen. Das gefällt Raffi anfangs so gar nicht wirklich. Wohin mit all seinem Zeugs. Und dann soll er sich noch ein bisschen um Juli, die Tochter der neuen Mitbewohner:innen kümmern – sie auf dem Weg zu seiner und nun auch ihrer Schule zu begleiten und so weiter…

Natürlich Wende zum Guten

Natürlich wendet sich das Blatt, irgendwann kriegt Raffi in der Schule erst Mitleid mit Juli, weil sie zu weinen beginnt, nachdem sie sich gar nicht auskennt und zurechtfindet. Sie kann ja noch nicht seine und die Sprache seiner Mitschüler:innen. Und dann wird daraus eine richtige Freundschaft und er ist sogar traurig, als die Familie ihr neues Zuhause bei Raffi und seiner Familie gegen eine eigene Wohnung tauscht…

Bub im Rock

Im ersten Buch – „Raffi und sein pinkes Tutu“ – erleben wir den Fußballbegeisterten Buben, der am liebsten sein rosa Tutu anhat und mit einer Puppe spielt, wie er dafür in der Schule von fast allen ausgelacht wird. In seiner Trauer hilft ihm, dass ihn der Vater in einem ebensolchen rosa Tanz-Röckchen abholt. Und noch viel mehr, dass nach und nach immer mehr Kinder seiner Klasse aufhören ihn zu mobben und nichts dagegen haben, dass er eben das anzieht, was er gerne mag….

Neben den beiden Hauptgeschichten baut der Autor noch weitere kleine Toleranz-Elemente ein – alles soll hier nicht gespoilert werden. Aber so viel schon: Beide Büchern leben nicht nur vom Text, sondern mindestens ebenso von den farbenfrohen, Illustrationen von Lisa Rammensee. Die verpackt so manch weitere Vielfalt ausstrahlende Figur in ihren Zeichnungen.

Simonetti hat übrigens bisher auch zwei Bücher für Erwachsene geschrieben: „Mein Recht zu funkeln“ und „Mama, ich bin schwul“ – gemeinsam mit seiner Mutter.

Anregung, sollte er noch weitere Bilderbuchtexte rund um Raffi verfassen: Vielleicht könnte seine (Raffis) Schwester vielleicht nicht weiter namenlos bleiben müssen 😉

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sohn-und-vater-rock-en-gegen-rollenklischees <- noch im Kinder-KURIER

Interview mit Nils Pickert <- noch im KiKu

Über Martin Auers Prinzessin mit Bart <- auch nch im KiKu

Besprechung eines weiteren Schnecken-Kinderbuchs – von Thomas Schmidigner <- ebenfalls noch im Kinder-KURIER

Szenenfoto aus "D.A.R.K. – Das All im Reiskocher" im Zirkus des Wissens in Linz

KI-Stimme aus ungewöhnlichen Orten irritiert in Sachen Zukunfts-Dystopien

Befinden wir uns in einer Wohnung? Georg kocht gerade Schwammerl-Erdäpfel-Gulasch. Oder doch eher in einem Labor? Viele kleine Pilzkulturen in mehreren Behältern auf einem Regal im Hintergrund, dazu Blumentöpfe, die auch eher nach Zuchtpflanzen wirken, Metallfolien, Wannen, Kübel, verschiedenfärbige Lichter, mehrere Monitore. Gut, die spielen nur – nach Sprachbefehl – Nachrichten ab; von einer KI-geführten Landwirtschaft, von einem bevorstehenden Prozess gegen einen Autofahrer, der eine Klima-Kleberin totgefahren hat, von  geklonten Menschen in China…

Miranda kommt abgespannt von der Arbeit nach Hause. Schiebt den vorbereiteten Teller weg, klappt den Laptop auf, um nur noch schnell eine eMail schreiben zu müssen, und bittet ihren Lebenspartner genervt, diese grauslichen Nachrichten abzudrehen. Sie hatte ohnehin einen stressigen Tag, arge Verhandlung als Staatsanwältin und dann wurde ihr noch ausgerechnet der oben genannte Prozess entzogen, um ihn eher einem alten männlichen Staatsanwalt zu überantworten…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „D.A.R.K. – Das All im Reiskocher“ im Zirkus des Wissens in Linz

Dies ist das Ausgangsszene für „D.A.R.K. – Das All im Reiskocher“. Dies ist ein schräges, satirisches Stück rund um Klimakrise, Künstliche Intelligenz und mögliche dystopische Zukunftsszenarien der Welt, viel mehr der möglichen Vernichtung der Menschheit. Gespielt wird es nun – bis 13. Februar 2024 – im Zirkus des Wissens in Linz. Auf dem Gelände der JKU (Johannes Kepler Universität) spielt sich in diesem umgebauten ehemaligen Stadel ein Mix aus Kunst und Wissenschaft ab, meist in theatraler Form.

Schwammerl-Forschung

Georg (Max J. Modl) nennt irgendwann am Beginn als aktuelles Datum 24. August 2026. Dabei bleibt es im Lauf des Stückes nicht – wir hören als weitest in der Zukunft liegendes Datum das Jahr 2120. Was Miranda (Julia Frisch) schon ziemlich anzweifelt, ist sie doch 1995 geboren, wäre dann also 125 Jahre alt/jung (?). Und wir hören Stimmen aus dem Reiskocher. Aber nicht dieser spricht, sondern „Das All“, das sich zweitweise dort niedergelassen hat, aber auch schon mal aus Mirandas Tasche, dem Kühlschrank oder wo auch immer her ihre Sprüche loslässt (Eszter Hollosi – live in jeder Aufführung und nicht voraufgenommen eingespielt).

Achja, Georg ist Forscher an Pilzkulturen (die höchst interessante, liebevoll bis ins kleinste Detail gestaltete Ausstattung stammt von Nora Scheidl). Am Tag mit dem das Geschehen beginnt, hat er eine spezielle Kreuzung erfolgreich gezüchtet, die er für DIE Abhilfe gegen den Klimawandel hält…

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „D.A.R.K. – Das All im Reiskocher“ im Zirkus des Wissens in Linz

Schafft KI zum Schutz des Klimas Menschen ab?

Dieser ist zentrales Thema der knapp 1 ¼ Stunden – aber immer wieder in einer fast kabarettistisch-paradoxen Variante – Details seien nicht gespoilert (Text und Regie: Michael Scheidl). So viel aber schon, dass zwecks Überleben der Menschheit die KI, die mehr oder minder die Macht übernommen hat, der (Selbst-)Zerstörung ein Ende setzen, oder sie wenigstens beschränken will und dafür eine eigene Sorte „Homo Utilis“ gezüchtet hat – ein solches Exemplar tauch auf (Eric Lingens). Und bringt das Leben des Paares noch mehr durcheinander als es ohnehin schon angesichts des Streits darum, Kinder in die Welt zu setzen oder nicht, der Fall ist.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „D.A.R.K. – Das All im Reiskocher“ im Zirkus des Wissens in Linz

Schauspiel, Musik, Ausstattung

Schon verraten wird hier: Neben dem Schauspiel im durchaus skurrilen Ambiente runden noch Musik und Klang (Komposition: Martin Kaltenbrunner, Klangskulptur: Michael Kramer) und Visuals im „großen Fenster“ nach draußen (Max Scheidl) „D.A.R.K.“ ab – ein Stück, das so gebaut ist, dass es keine Antworten geben will, sondern definitiv Fragen und Beschäftigung damit richtiggehend anstößt.

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Jugendliche, die intensiv auf SmartPhones schauen

Geschönte und gefakte Schönheitsbilder setzen Jugendliche stark unter Druck

Mehr als die Hälfte der befragten 400 Jugendlichen würde gerne etwas am eigenen Aussehen ändern, mehr als 100 der 11- bis 17-Jährigen in dieser Studie (Dezember 2023) hat sogar schon einmal über eine Schönheitsoperation nachgedacht. Großen Einfluss auf das eigene Selbstbild, das sie zu Veränderungswünschen veranlasst, haben vor allem Influencer:innen und generell Social-Media-Plattformen im Internet. Dies sind die zusammengefassten Ergebnisse der aktuellen Jugend-Medien-Studie mit stets wechselnden Schwerpunkt-Themen. Anlass ist der alljährliche Safer Internet Day am ersten Februar-Dienstag, dieses Mal bereits der 21., Thema in diesem Jahr: „Schönheitsideale im Internet“. Präsentiert wurden die Umfrage-Ergebnisse am Vortag, dem 5. Februar 2024, vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und der ISPA – Internet Service Providers Austria gemeinsam mit der Jugendstaatssekretärin in der Bundesregierung, Claudia Plakolm.

Studienergebnisse
Wie beeinflussen Fotos in Social Media die eigene Selbstwahrnehmung – Studienergebnisse „Schönheitsideale im Internet“ von Saferinternet.at, durchgeführt von jugendkultur.at

Vertiefend zur Online-Umfrage unter den schon genannten 400 Jugendlichen (durchgeführt vom Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung; Studienleitung: Natali Gferer) kamen 56 weitere Jugendliche (zwischen 13 und 19 Jahren) in vier Fokusgruppen intensiver und detaillierter im Gespräch mit saferinternet.at zu Wort. Die Ergebnisse zeigen, dass der Druck auf Jugendliche, unrealistischen Körperbildern zu entsprechen, hoch ist. Gleichzeitig wird die wichtige Rolle der Eltern und anderer Bezugspersonen beim Umgang mit Schönheitsidealen deutlich.

Digitale Bilderwelten verstärken Druck auf Jugendliche

Der Druck, von außen vorgegebenen Idealvorstellungen zu entsprechen, ist nicht neu, gibt es doch schon seit „ewig“ die Formulierung, jemand ist „bildschön“ oder „bildhübsch“. Auch nicht, dass solch ein Druck über Bilder in Medien erfolgt – erinnert sei an (retuschierte) Fotos in Zeitschriften. Im Zeitalter von Social Media, in denen Jugendliche täglich oft mehrere Stunden verbringen, ist er allerdings allgegenwärtiger geworden.

Wobei die Studie nicht nur sozusagen Abgründe zeigt, immerhin sind mehr als zwei Drittel (rund 70 Prozent) der Befragten mit ihrem Aussehen zumindest „eher zufrieden“. Das eigene Aussehen ist übrigens sowohl für Mädchen als auch Burschen von großer Bedeutung – sowohl offline als auch online. So posten 61 Prozent aller Befragten Fotos bzw. Videos, auf denen sie selbst zu sehen sind, und legen dabei großen Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild. Wichtig ist es ihnen vor allem, schön (68 %), gestylt (64 %) und schlank (54 %) auszusehen. Sich sexy darzustellen, ist für 34 Prozent von Bedeutung, wobei Burschen (40 %) darauf deutlich mehr Wert legen als Mädchen (27%). Hier zeigt sich, dass der Fokus auf das eigene Aussehen entgegen der weitverbreiteten Annahme längst kein reines Mädchenthema mehr ist. Um möglichst gut auszusehen, nutzen die Jugendlichen Licht, Posen und/ oder Handywinkel (54 %) und bearbeiten die Fotos und Videos, zum Beispiel mit Filtern (41 %).

Studienergebnisse
Welche Hilfs-Strategien sehen die befragten Jugendlichen – Studienergebnisse „Schönheitsideale im Internet“ von Saferinternet.at, durchgeführt von jugendkultur.at

Social Media sowie Influencerinnen und Influencer haben großen Einfluss auf Selbstwahrnehmung

Soziale Netzwerke wirken sich auf die Selbstwahrnehmung aus und beeinflussen, ob man sich selbst schön findet oder nicht – dieser Meinung sind zwei Drittel der Jugendlichen (65 %). Insbesondere Mädchen (76 %) und Befragte ab 15 Jahren (78 %) stimmen dieser Aussage zu.

Vergleiche mit anderen spielen eine große Rolle – und diesen sind Jugendliche gerade im Internet stark ausgesetzt. Fast drei Viertel (71 %) der Jugendlichen bestätigen, dass die in sozialen Netzwerken konsumierten Bilder dazu führen, dass man sich mit anderen Personen vergleicht. Mehr als ein Viertel (27 %) betont die negativen Folgen und gibt an, sich nach dem Scrollen durch die diversen Social-Media-Feeds schlecht zu fühlen. Vor allem Influencerinnen und Influencer aus den Bereichen Beauty und Fitness haben einen Einfluss auf Kinder und Jugendliche, meinen drei Viertel der Befragten (74 %). Rund die Hälfte (53 %) gibt an, aufgrund entsprechender Bilder schon einmal etwas am eigenen Aussehen geändert zu haben. Ebenso viele Jugendliche haben bereits Produkte gekauft, die von Influencerinnen und Influencern empfohlen wurden. 28 Prozent haben sogar schon einmal über eine Schönheitsoperation nachgedacht.

Studienergebnisse
Welche Hilfs-Strategien sehen die befragten Jugendlichen – Studienergebnisse „Schönheitsideale im Internet“ von Saferinternet.at, durchgeführt von jugendkultur.at

Beleidigungen bezüglich des Aussehens auch online an der Tagesordnung

Im Internet haben Jugendliche nicht nur mit unrealistischen Schönheitsidealen zu kämpfen, sondern müssen auch befürchten, Beleidigungen bezüglich ihres Aussehens ausgesetzt zu sein. Fast ¾ (74 Prozent) haben eine solche Situation schon einmal beobachtet. Vor allem Mädchen (84 %) berichten von abwertenden Äußerungen im Internet und in sozialen Netzwerken. Vielleicht spielen auch deshalb Avatare in der digitalen Welt eine zunehmend wichtigere Rolle. Immerhin gibt fast ein Drittel (30 %) an, ein solcher Avatar sollte möglichst gut aussehen.

Strategien gegen den Schönheitswahn: Reality Check, Social-Media-Pausen und gegenseitige Unterstützung

Jugendliche nennen unterschiedliche Strategien, um sich von Schönheitsidealen im Internet nicht negativ beeinflussen zu lassen. Dazu zählt zum einen die Beschäftigung mit der Selbstwahrnehmung: Als hilfreich wird empfunden, an der Selbstakzeptanz zu arbeiten (67 %), aktiv zu versuchen, sich nicht unter Druck setzen zu lassen (60 %) und zu hinterfragen, warum die konsumierten Inhalte einen selbst stressen oder Druck erzeugen (55 %).
Von den Jugendlichen in den Fokusgruppen wurde als weitere Möglichkeit ein „Reality Check“ genannt – also „rausgehen und schauen, wie die Leute wirklich sind“. Dadurch werde einem die Diskrepanz zwischen der verzerrten Online-Darstellung von Menschen und deren tatsächlichem Aussehen bewusst.
Als weitere Strategie nennen die Jugendlichen einen bewussten Umgang mit sozialen Netzwerken. Dazu zählt vor allem, weniger Zeit in sozialen Netzwerken zu verbringen (63%), Social-Media-Pausen einzulegen (60 %) und gezielt solchen Influencer:innen oder Inhalten zu folgen, die einem gut tun (60%).
Auch gegenseitige Unterstützung wird als relevant empfunden: Sich im Freundeskreis immer wieder Komplimente zum Aussehen zu machen finden 59 Prozent hilfreich, während 38 Prozent dafür plädieren, sich gemeinsam über stressige Inhalte lustig zu machen und darüber zu lachen.

Studienergebnisse
Antworten zur Frage nach Gestaltung von Avataren

Wäre gut, aber…

Auch wenn sich die Jugendlichen dieser Strategien bewusst sind, können sie diese in der Praxis zum Teil nur schwer umsetzen. Während beispielsweise 63 Prozent der Jugendlichen in der Umfrage angeben, dass weniger Zeit in sozialen Netzwerken eine gute Vorgehensweise wäre, zeigte sich im Rahmen der Fokusgruppen, dass sie sich der Sogwirkung von Online-Angeboten oft nur schwer entziehen können.

Kritischen Umgang mit Schönheitsidealen erlernen – Eltern, Pädagog:innen und Plattformen sind gefordert

Um Jugendliche bei einem kritischen Umgang mit Schönheitsidealen im Internet und bei der Entwicklung eines gesunden körperbezogenen Selbstbildes zu unterstützen, sind neben Pädagog:innen und Onlineplattformen vor allem Eltern gefordert. 57 Prozent der Befragten sind dieser Ansicht.

„Eltern spielen eine Schlüsselrolle dabei, Jugendliche im Umgang mit Schönheitsidealen im Internet zu unterstützen und ein gesundes, körperbezogenes Selbstbild zu fördern“, erklärt Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Saferinternet.at. „Die Jugendlichen selbst sehen die Familie als entscheidenden Ort der Aufklärung und betonen, dass der Umgang mit diesen Idealen primär von den Eltern erlernt werden sollte.“
Allerdings verfügen die Eltern oft selbst nicht über ausreichend Medienkompetenz. Sie benötigen nach Meinung der Jugendlichen ebenfalls Unterstützung, damit sie ihre Kinder bei der kompetenten Mediennutzung begleiten können. Den Schulen fällt dabei die Schlüsselrolle zu, auch die Eltern zu erreichen und ihnen Aufklärungsmaterial anzubieten. Gleichzeitig wird die Schule von 47 Prozent auch als wichtiger Ort gesehen, um die Jugendlichen direkt anzusprechen. Möglichkeiten, den Umgang mit Schönheitsidealen im Unterricht zu thematisieren, sehen die Jugendlichen viele. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema anzuregen und die Medienkompetenz junger Menschen zu fördern, ist demnach eine entscheidende Aufgabe von Lehrer:innen.

Aus der Broschüre
Aus der Broschüre „Schönheitsideale im Internet“ – Tipps zum Umgang damit

Aber auch die Plattformbetreiber sind gefordert, ein möglichst vielfältiges Angebot für die Nutzer:innen zu schaffen.  Die Befragten sehen aber auch hier Verbesserungspotential:  Fast zwei Drittel (63 Prozent) wünschen sich, dass bearbeitete Bilder gekennzeichnet werden.
„Die Plattformbetreiber sind sich bewusst, dass unrealistische Schönheitsideale in sozialen Netzwerken die Selbstwahrnehmung von Jugendlichen negativ beeinflussen können. Sie bemühen sich daher laufend, das Nutzungserlebnis für jeden einzelnen positiv zu beeinflussen, zum Beispiel durch die Möglichkeit, persönliche Präferenzen für Inhalte zu treffen. Gleichzeitig sind alle gefordert, zu Bewusstseinsbildung und einer verantwortungsvollen Nutzung beizutragen“, so Stefan Ebenberger, ISPA-Generalsekretär.

Titelseite der Broschüre
Titelseite der Broschüre „Schönheitsideale im Internet“ – Tipps zum Umgang damit

Staatssekretärin für Kennzeichnungspflicht bei Fotos

„Es braucht mehr Realität statt Fake-Fotos in den sozialen Medien, um das Selbstbewusstsein junger Menschen zu stärken. Ob Pickel, Cellulite oder Speck an den Hüften – alle sind gefordert, ehrlicher mit dem eigenen Aussehen umzugehen“, meinte Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm. Aktuell strömen nicht nur bearbeitete Bilder das Internet, sondern auch von Künstlicher Intelligenz hergestellte Fotos auch junger Menschen. „KI-Bilder von Menschen, die nicht einmal existieren, halte ich für eine Gefahr, wenn wir über Schönheitsideale junger Menschen reden“, so Plakolm. Sie werde sich daher für eine EU-weite Kennzeichnungspflicht von KI-Fotos von Fake-Menschen in sozialen Medien starkmachen, versprach die Politikerin.

Foto mit vielen Jugendlichen, die zur Beteiligung am Safer Internet Day aufrufen
Foto mit vielen Jugendlichen, die zur Beteiligung am Safer Internet Day aufrufen

Saferinternet.at-Angebote

Um Jugendliche bei allen Herausforderungen rund um das körperbezogene Selbstbild zu unterstützen, bietet Saferinternet.at zahlreiche Maßnahmen und Informationsmaterialien an. Im Rahmen von Workshops und Elternabenden, mithilfe einer FAQ-Sammlung zum Thema Selbstdarstellung, diversen Unterrichtsmaterialien und vielem mehr erhalten Interessierte konkrete Hilfestellung und Anregungen auch zu diesem Thema – neben vielen anderen im Umgang mit und im Internet und zwar das ganze Jahr, verstärkt aber im Februar rund um den Safer Internet Day (SID) Auch die neue ISPA-Broschüre „Schönheitsideale im Internet: Tipps für selbstbewussten Umgang mit Schönheitsidealen in virtuellen Welten“ informiert über das Thema und unterstützt mit Tipps für einen selbstbestimmten Umgang mit körperlichen Idealvorstellungen im Internet und auf sozialen Medien.

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saferinternet -> aktionsmonat-2024

ispa -> Broschüre Schönheitsideale… -PDF zum Download

Szenenfoto aus der Performance "Who wants to be the mum?" von Planetenparty Prinzip

Kinderwunsch oder nicht? Und wenn, wer übernimmt welche Elternrolle?

Zwei Paare – ein reales sowie ein schauspielendes – betreuten vor rund einem Jahr für mehrere Tage High-Tech-Baby-Puppen, die auch weinen und ähnliches simulieren können. Kinder haben wollen oder nicht und wenn ja, wie dann umgehen mit elterlichen Rollen – das sind Fragen, die in der Live-Performance „Who wants to be the mum?“ (Regie: Miriam Schmid) gipfelten. Nach einer Aufführungsserie im Herbst in Graz ist die Produktion vom Performance Kollektiv „Das Planetenparty Prinzip“ (Theaterstücke, Performances, hybride interaktive Spiele) nun in Wien im Theater am Werk/Petersplatz zu erleben – Details siehe Info.

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus der Performance „Who wants to be the mum?“ von Planetenparty Prinzip

Auf der Bühne – komplett in der Einheitsfarbe gräulich-bläulich gehalten, andere empfinden’s fast als türkis, – spielen Alexander Benke, Victoria Fux, Nora Köhler (alphabetisch nachnamensmäßig sortiert; in den Videos als Vierter im Bunde: Jakob Kolb) Familie der 90er Jahre mit Wählscheibentelefon und so. Abwechselnd schlüpfen die drei in die Rollen eines auf dem Boden knieenden, malendes Kindes, einer kochenden Mutter, und des freudig von der Arbeit nach Hause kommenden Vaters. Das Trio hebt sich in der Kleidung von der Wohnzimmerlandschaft mit integriertem Küchenblock ab: Knallpink und orange (Bühne und Kostüm: Lisa Horvath).

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus der Performance „Who wants to be the mum?“ von Planetenparty Prinzip

Rollenwechsel

Immer wieder wechseln die Schauspieler:innen die Rollen. Und doch bleibt der Ablauf mehr oder minder der Gleiche – lange Zeit. Immer und immer wieder. Was wechselt ist das „Gekochte“, stets aber fischig. Und vor allem die Zeichnungen des Kindes – nicht zu sehen, wie alles sind auch Zeichenblätter, ja selbst Zeitungsseiten in der nämlichen Einheitsfarbe, sogar die senkrechten Jalousien, die die drei Wände bilden.

Dass es nicht immer so weitergehen kann, ist klar – eine bricht aus. Ist es eine oder einer? Wie sich das Stück – in dem es immer wieder Video-Rückblenden (Kamera: Vincent Seidl, David J. Wimmer) auf die Phase mit und rund um die Simulationspuppen und deren Betreuung gibt – weiterentwickelt, sei hier nicht gespoilert.

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus der Performance „Who wants to be the mum?“ von Planetenparty Prinzip

Das Private ist politisch

„Kinder oder keine – entscheiden wir alleine!“, war schon ein Slogan bei Demos der Frauenbewegung in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Nach erkämpftem Wahlrecht nach der vorvorigen Jahrhundertwende, wurde nicht zuletzt im Gefolge der 68er-Bewegung der Zusammenhang zwischen privatem und politischem Verhalten intensiv diskutiert. Gleichberechtigung wurde zum Thema auch in Bezug auf Beziehungen, „halbe – halbe“ zur Forderung, zum Ziel. Und dennoch hat sich trotz einiger Änderungen in diese Richtung (noch) nicht allzu viel getan. Abgesehen davon, dass gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit – in Österreich beispielsweise – noch in weiter Ferne sein dürfte, liegt der Anteil von Männern in Karenz bei 2 von zehn Paaren.

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus einem der Videos aus der Phase der Proben für die Performance

Und auch in der Performance ist der Mann, wenn er sich die Schürze umbindet und kocht, „Mom“ und nicht „Dad“. Und selbst als Vater einmal Mutter anbietet, selbst nach dem Essen abzuräumen, um ihr Freizeit zu gönnen, meint sie: „Du weißt ja gar nicht, wo alles hingehört“. Das jeweilige „Kind“ hingegen ist schon viel weiter. Auf die Frage von „Mom“, was es denn da gezeichnet habe, zählt es jedes Mal unterschiedliche Familien auf – beispielsweise einmal eine mit drei Papas.

Szenenfoto aus der Performance
Szenenfoto aus der Performance „Who wants to be the mum?“ von Planetenparty Prinzip

Ironie

Die gängigen Rollenklischees – trotz jahrzehntelangen Diskussionen, Forderungen, Versprechen bleibt der überwiegende Anteil unbezahlter „Care“-Arbeit an Frauen hängen – durchbricht dies das Trio vor allem durch leicht überdrehtes, ironisch-parodistisches Schauspiel – das damit immer wieder für Lacher in den rund 1 ¼ Stunden führt.

Was vielleicht ein wenig abgeht – Ausgangspunkt in den Videos war die Frage: Kinderwunsch oder nicht – ist ein vor allem unter Jugendlichen sehr wohl diskutierter Aspekt: Kinder in diese Welt angesichts von Kriegen, Klimakrise, Perspektivlosigkeit?

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Das vielleicht genialste "Werkzeug" für Großgruppenspiele: Kunterbuntes Segeltuch

Bezaubernd, tierisch und märchenhaft: Faschingsumzug im Wiener Prater

Harry Potter, eine Prinzessin und ein Pokémon sichtete Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schon in der Schnellbahn zum Praterstern. Feuerwehrleute, ganz viele Tiere – eine Familie ging als drei Bär:innen tummelten sich auf dem Platz zwischen Riesenrad, Autodrom und Madame Tussauds ebenso wie eine ganze Affenbande. Die mit Vollmaske vor dem Gesicht ausgestatteten Äff:innen erkletterten einen Traktoranhänger, um während des fast einstündigen Umzugs durch den Prater zu Tanz und Gesang zu animieren.
Märchenfiguren wie ein Froschkönig oder Fabelwesen wie Einhörner marschierten ebenso im Zug wie Kämpfer:innen und Polizist:innen.

Zum zweiten Mal luden die Wiener Kinderfreunde zu einem Faschings-Umzug durch den Wurstelprater ein – und selbst der starke Wind, der es ziemlich kühl werden ließ – hielt Verkleidungswillige nicht davon ab, in den Prater zu kommen. Und schon lange vor dem Umzug bei Spiel- und Aktivitätsstationen den Feriensonntag-Nachmittag zu genießen.

Daniel Schemy Bohmann, Geschäftsführer der Kinderfreunde in Wien, blieb dem Obst treu – im Vorjahr als Banane Baniel, tanzte er heuer als Ananas an und auf. Und er war nicht der einzige verkleidete Erwachsene. Geschupft wurde der Umzug – sowie Spielstationen knapp nach dem Prater-Eingang zum Großteil von ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen aller Altersstufen.

Trommler:innen heizten ein

Begleitet wurde der laaaaaange Umzug durch die Gassen vorbei an wenigen offenen und vielen geschlossenen fahrenden, durch die Luft wirbelnden Praterattraktionen, von der mitreißend trommelnden internationalen Percussion Band Batala Austria. Sie heizten richtiggehend ein, so dass so manche den kalten Wind vergaßen.

Kinderlieder-Konzert

Nach der Rückkehr auf den Platz nach dem Eingang spielte der bekannte Kinderliedermacher Bernhard Fibich auf der Bühne auf. Sehr viele der Kinder kannten seine Songs, so dass er immer wieder das Mikrophon in die Menge oder – von der Bühne heruntergestiegen – einzelnen jungen Verkleideten vor den Mund hielt – und die den Text weitersangen.

Fröhliche, ausgelassene Stimmung zu Beginn der Semesterferien – mit der einen oder anderen Botschaft: Eigene Gefühle zulassen: „Manchmal bin ich traurig, manchmal bin ich froh…“ oder dass durchaus auch Papas kochen könn(t)en – und zwar richtig!

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Weitere Faschingsfeste

Zu Infos über weitere Faschingsveranstaltungen der Wiener Kinderfreunde, u.a. die große Familienparty im Wiener Rathaus am 11. Februar 2024 geht es hier

Bildmontage aus drei Fotos mit Cili Marsall an ihrem e-Piano voll in Aktion

Ihre Finger tanzen, rasen, fliegen über die Tasten

Ihre Finger rasen, fliegen, springen, tanzen über die Tasten des elektronischen Pianos. Aber nicht nur. Obwohl sitzend, tanzen zumindest die Beine, ja der ganze Körper schwingt. Im wahrsten Sinn des Wortes. Denn beschwingt und beschwingend sind die Melodien, die sie aus dem Tasteninstrument zu zaubern scheint – Boogie Woogie in erster Linie. Das ist die Spezialität der 23-jährigen Cili Marsall. Die tatsächlich so heißt, wie die Nachfrage ergab, denn irgendwie hört sich das fast nach einem Künstler:innen-Namen an.

Cili Marsall an ihrem e-Piano voll in Aktion
Cili Marsall an ihrem e-Piano voll in Aktion

Mehrmals begonnen

Und obwohl sie so virtuos spielt, ist sie keine jener Musikerinnen, die von ganz klein auf schon auf den weißen und schwarzen Tasten spielte. „Ja, mit sechs Jahren hab ich zwar begonnen, aber auch wieder aufgehört und drei Mal wieder angefangen“, verrät sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… in der Pause ihres Konzertes im Theater Forum Schwechat im Rahmen des Satirefestifals. Für dieses programmiert die Intendantin Manuela Seidl immer wieder neben bekannten und noch zu entdeckenden Kabarettist:innen auch junge Musiker:innen. Und Cili Marsall, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Budapest geboren und aufgewachsen, die jetzt in Wien lebt und in Linz (Anton-Bruckener-Uni) Jazz-Klavier studiert, ist so eine Entdeckung. Eine Wucht. Eine Welle geht von ihr – allein mit dem ePiano auf der Bühne aus und schwappt in den Saal. Mitreißend – auch wenn wie in Österreich üblich, dann eher nur ganz wenige Menschen im Publikum sich trauen, vom Sitz zu erheben und mitzutanzen; aber wenigstens im Sitzen ließen sich doch mehr als die drei Tänzer:innen zum Mitschwingen hinreißen.

Cili Marsall an ihrem e-Piano voll in Aktion
Cili Marsall an ihrem e-Piano voll in Aktion

Wien-Reisen

Neben den mehrmaligen Klavier-Anfängen, begann sie dazwischen auch Klarinette zu lernen. „Ab 14 kehrte sie dann intensiv zu dem Tasteninstirument zurück, fuhr zwei Mal im Monat auch nach Wien, um bei Andreas Sobczyk Boogie-Klavier-Unterricht zu nehmen, den sie in Ungarn bei Balázs Dániel ergänzte. Wollte in der Schule eine Boogie-Woogie-Band gründen, eher ein Außenseiter:innen-Unterfangen.

Gesang

Neben Boogies gab sie auch Blues-Nummern sowie – schon mit dem erwähnten Studium angedeutet – Jazz zum Besten. Klassische, weltbekannte Stücke waren da ebenso dabei wie eigene Kompositionen. Und auch Songs. In der Pandemie – so erzählt sie vor ihrem ersten gesungenen Lied – habe sie eine Sehnenscheidenentzündung gehabt, was Klavier-Üben verhinderte, und so kam der Entschluss, Singen zu erlernen.

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Cili Marsall an einem Klavier
Cili Marsall an einem Klavier

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Szenenbild aus dem Animationsfilm "Feuerwehrmann Sam - Tierische Helden"

Fünf Episoden mit Feuerwehrleuten lehren Gefahren zu vermeiden und sich zu entschuldigen

Segelboote fahren mit Kindern und der Meeresbiologin Jodie Phillips aufs Meer, um Kegelrobben zu beobachten. Immer wieder taucht sie auf. Doch nicht alle haben sie schon gesehen. James Jones gelingt es vor allem deswegen nicht, weil er immer stolz das große Fernglas von seinem Vater vor die Augen hält. Und schon verpasst er die sogar ganz nah ans Boot heranschwimmende Robbe. Schön langsam wird es dunkel, Zeit zur Umkehr. Doch nein, James ist der letzte, der die Robbe noch nicht gesehen hat. Also dreht die kleine Crew mit dem Buben noch eine Runde am Wasser. Und – wie fast zu erwarten – kommt’s zu einem Unfall. James kippt mit dem schweren Fernglas über Bord, schwimmt aus Leibeskräften, aber… Also Notruf.

Szenenbild aus dem Animationsfilm
Szenenbild aus dem Animationsfilm „Feuerwehrmann Sam – Tierische Helden“

Dieser geht in der Einsatzzentrale des kleinen, ausgedachten Ortes Pontypandy in Wales (neben England, Schottland und Nordirland Teil von Großbritannien) ein. Dort schupfen fast rund um die Uhr die beiden Feuerwehrleute Sam Jones und Penny Morris das Geschehen. Bevor sie selbst mit dem Rettungsboot losdüsen, aktivieren sie noch die Rettungs-Hubschrauberpilotin Krystyna Kaminski. Natürlich wird James gerettet.

Szenenbild aus dem Animationsfilm
Szenenbild aus dem Animationsfilm „Feuerwehrmann Sam – Tierische Helden“

Doch das ist nicht das Ende der ersten von fünf Episoden des Kinofilms „Feuerwehrmann Sam – Tierische Helden“, der am 8. Februar 2024 in österreichischen Kinos startet. Wie alle anderen kleinen Abenteuer auch steht am Schluss die große Entschuldigung nach der Erleichterung über die jeweilige Rettung. Sry, sorry, sorry, hätte(n) nicht so unvorsichtig sein sollen, denn Sicherheit geht immer vor.

Dies ist die pädagogische Botschaft, zwar mit einem kleinen Augenzwinkern, aber doch mit stark erhobenem Zeigefinger.

Szenenbild aus dem Animationsfilm
Szenenbild aus dem Animationsfilm „Feuerwehrmann Sam – Tierische Helden“

Serie seit fast 40 Jahren

Die Geschichten rund um die Feuerwehrzentrale in Wales (auf walisisch, der Sprache in diesem Westteil des Vereinigten Königreiches, heißt das Land übrigens Cymru) laufen als Trickfilm- und Animationsserien seit fast 40 Jahren (ab 1985). 2010 kam der erste Film ins Kino, vier weitere folgten bis 2021, nun ist der sechste am Start – knapp bevor die 15. Staffel im TV ausgestrahlt wird. Wobei Film – naja, es handelt sich – zumindest dieses Mal, die anderen kenne ich nicht – in den nicht ganz 50 Minuten schlicht und ergreifend um fünf Episoden hintereinander – jeweils sogar mit dem nur leicht abgewandelten Intro dazwischen, was ein bisschen nervt.

Tiere, aber Helden?

Nach der „Kegelrobbe“ erleben die Zuschauer:innen – gedacht ist an Vorschulkinder – eine „gefährliche Strömung“, in die Mandy Flood und Norman Stanley Price geraten. Letzterer kommt auf die Idee, einen Tisch umzudrehen und als Floß zu benutzen, um das Pfadfinder-Tagebuch seines Freundes zu retten, das mit den Zelten von dem über die Ufer getretenen Fluss überschwemmt worden ist.

Im „Dinoknochen“ geraten ausnahmsweise zwei Erwachsene in eine Notlage, beim „Wildtier-Fotowettbewerb“ sitzt das von Hannah Sparkes gelenkte U-Boot nun ohne Energie-Antrieb auf dem Meeresgrund fest, weil ihr Vater Joe es lange Zeit nicht und nicht geschafft hat, die Robbe zu fotografieren.

In der fünften und letzten Episode „Normans witzige Welt der Erwachsenen“ will der Titelheld endlich ein Video drehen, mit dem er mehr Clicks in der Online-Welt erreicht als Derek. Hannahs Vater Joe, der immer Dinge erfindet, die irgendwie dann doch nicht funktionieren, würde sich dafür sich sehr gut eignen. Beim ersten Versuch sitzt allerdings Katze Samtpfötchen genau vor der Handy-Kamera. Und der nächste…
Genau – immer braucht es Rettung durch die Feuerwehrleute.

Szenenbild aus dem Animationsfilm
Szenenbild aus dem Animationsfilm „Feuerwehrmann Sam – Tierische Helden“

Warum nur Sam im Titel?

Wenngleich die Feuerwehrleute stets gleichwertig im Einsatz sind, heißen Serie und Filme jeweils nur nach dem Mann Sam, auch wenn die Serie sonst auf Diversität der Figuren Wert legt. In den fünf Episoden kommen neben den im Zentrum stehenden Kindern und einigen Erwachsenen immer wieder Tiere zentral vor – Robbe und Katze wurden schon genannt, Biber, Fuchs und Hund spielen auch wichtige Rollen. Dass sie im Kinofilm-Titel der fünf Serienteile allerdings „Helden“ genannt werden, erschließt sich nicht wirklich. Da wäre doch zu vermuten (gewesen), dass sie die in Not geratenen Menschen retten. Tun sie – so viel darf schon verraten werden – nicht.

Szenenbild aus dem Animationsfilm
Szenenbild aus dem Animationsfilm „Feuerwehrmann Sam – Tierische Helden“

Ein bisschen simpel gezeichnet erscheinen die Animationen außerdem – verglichen mit anderen digital gezeichneten Filmen jedenfalls. Nachträglich kamn doch noch Informationen über Drehbuchautor:innen, Sprecher:innen usw – die sind nun in der Info-Box unten. Außerdem unten als Link die Wikipedia-Seite mit Infos zu den meisten Charakteren.

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de.wikipedia -> Feuerwehrmann_Sam

Doppelseite aus dem Bilderbuch "Menschen brauchen Menschen"

Was wären Menschen ohne andere Menschen?!

Jede Doppelseite spielt woanders – auf einem Spielplatz, im nächtlichen Wald, auf einem Flughafen, in einem Kindergarten, auf dem Wasser, bei einer riesigen Familienfeier, mit Blicken in Fenster verschiedener Wohnungen. Und die Bilder sind mehr als nur Illustration der jeweils wenigen teils gereimten Zeilen. Jedes Tableau zeigt oft viele einzelnen kleine Szenen und Situationen, in denen das Motto dieses Bilderbuchs, anschaulich lebendig wird: „Menschen brauchen Menschen“; so heißt auch dieses Hoffnung gebende, von kunterbuntem Optimismus getragene Buch, das bewusst, aber so ganz „nebenbei“ Vielfalt transportiert – ob in Haar- oder hautfarben, gehend, laufend, springend oder im Rollstuhl düsend.

Doppelseite aus dem Bilderbuch

Dass es natürlich im Zusammenleben nicht immer nur friedlich und fröhlich zugeht, zeigt vor allem der Text auf der jener Doppelseite wo der Text so lautet: „Manchmal gibt’s Streit, aber so ist halt das Leben. / Die Sonne scheint auch nach dem stärksten Regen. / Komm wir wollen zusammen essen! / Komm, wir wollen den Streit vergessen!“

Das Gesamtbild, aber auch die allermeisten Details zeigen übrigens schon sozusagen den Sonnenschein nach dem Gewitter: praktisch nur mehr lachende Gesichter.

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Menschen brauchen Menschen“
Lena Kalisch in "Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten" von Maya Arad Yasur in der Inszenierung von Sapir Heller

Intensives körperliches und geistiges Ringen um Menschlichkeit

Die wohl intensivste halbe Theaterstunde tourt seit Wochen über deutschsprachige Bühnen, derzeit – leider nur bis 2. Februar 2024 – macht sie Station im Hamakom (Theater Nestroyhof in Wien-Leopoldstadt). Der Titel legt schon den aktuellen Bezug nahe – wenngleich in der Diskussion nach den knapp 30 Minuten die via Online-Video zugeschaltete Autorin Wert darauf legt, dass sie den Text bewusst frei von Zeit und Verortung gehalten hat und universell versteht: „Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten“.

Lena Kalisch in
Lena Kalisch in „Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten“ von Maya Arad Yasur in der Inszenierung von Sapir Heller

Ausgehend von eigenen persönlichen inneren Kämpfen

Eineinhalb Wochen nach dem 7. Oktober hat Maya Arad Yasur, die in Tel Aviv lebt und deren bisherige Stücke in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt wurden, den Text – ausgehend von den ureigensten Gefühlen und Ängsten geschrieben. Furcht, einzuschlafen vor weiteren unvorhersehbaren Attacken, Sorge um die eigenen Kinder, die sie mit ihrem Körper schützen will und mit ihnen in deren Betten schläft. Angst aber auch, verliert sie die eigene Humanität, Empathie, droht sie die Menschen auf der anderen Seite – wie es manche Politiker machten – als Tiere zu betrachten? Daher immer wieder der Satz „Mütter auf der anderen Seite haben auch Kinder“.

Lena Kalisch in
Szenenfoto

Spürbarer Text aus dem Körper

Inszeniert von Sapir Heller performt die Schauspielerin Lena Kalisch diesen Text – wobei die gesprochenen Worte aus dem Off eingespielt werden. Kauert sie – anfangs sozusagen Schutz suchen unter einem Tisch, so wird dieser und ein daneben stehender Sessel mit Schnüren weggezogen. Pur und schutzlos steht sie in einer Art fast Sitzhaltung in der Luft. Quält sich die Gedanken aus dem Körper. Neben den Ängsten ums eigene und vor allem das Leben der Kinder machen sich bald jene breit: Was macht das mit mir. Und meinem Verhältnis zu den Menschen auf der „anderen Seite“.

Die Tier-Metapher wird schon im Vorspiel nahegelegt, in dem Tierdokus über einen Screen laufen: Ein Hai der Robben frisst, eine Riesenschlange, die Beute erdrückt…

Gedanken an Rache, Zynismus, Vernichtung… – die an- und ausgesprochen – und extrem berührend körperlich zu spüren sind. Fast unaushaltbar diesem inneren Ringen zuzuschauen. Pendelnd zwischen Verständnis für de-humanisierende Gefühle und Sichtweisen und der Hoffnung, es mögen doch die Elemente der Empathie, der Humanität die Oberhand gewinnen…

Lena Kalisch in
Szenenfoto

Podiumsdiskussionen

An die kurzen Performance-Abende schließen sich jeweils Podiumsdiskussionen an, die jeweils schwerpunktmäßig einem Thema gewidmet sind. Nach „Trauma“ nach der Wien-premiere am letzten Jänner-Abend, folgen „Humanismus – Wie bleiben wir humanistisch angesichts der Massaker und des Krieges?“ (1.2.24) sowie „Versöhnung – Ist ein Tag danach möglich?“ (2.2.24)

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Gheorghe schreibt das Wort für Quelle auf Rumänisch

Sprachen ziehen für „Language of the day“

Bevor der Englisch-Unterricht mit Lehrer David losgeht, steht noch die Aktion „Language oft he Day“ (Sprache des Tages) auf dem Programm. Klassenvorständin Sladi hält die hölzerne Schüssel mit 14 zusammengefalteten Zettel Umut hin. Er war in der vorigen Stunde dran, ein Wort aus seiner mitgebrachten Sprache …. Vorzustellen und darf daher jetzt den nächsten Zettel mit einer der 14 Sprachen ziehen, die die Schüler:innen der 1B neben Deutsch mitbringen.

Rumänisch ist dran. Gheorghe meldet sich, geht zur Tafel, überlegt ein wenig und schreibt dann Fântână und darunter, dass dies auf Detusch Quelle bedeutet. Danach spricht er es – mit den beiden unterschiedlich klingenden „a“ aus. Dann zählt er – auf Rumänisch – bis drei (unu doi trei) und alle in der Klasse stimmen in den Chor mit ihm ein, Quelle nun auf Rumänisch zu sagen.

Zur „Feier“ des Tages, weil die Klasse Besuch von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… hat, wird die Aktion noch zwei Mal wiederholt. Nun zieht Gheorghe. Somali ist dran, Sundus schreibt Iskool an die Tafel – und praktisch alle erraten schon, dass dies Schule bedeutet. Nach ihrem 1/2/3 (hal, lába, sáddex). Auch sie darf nun ziehen. Ungarisch ist der nächste Zettel und Laszlo sucht ebenfalls ein Wort aus, von dem sofort alle mehr als ahnen, wofür es steht. Radir = Radiergummi, also „Egy, kettő, hárum…“ und schon schallt es im Chor „Radir“ durch die Klasse.

Englisch könne er neben Rumänisch auch sehr gut, erzählt Gheorghe in der Pause dem Journalisten, „weil ich viele englische Videos schaue und noch mehr in Games lerne“. Für „Iskool“ habe Sundus sich entschieden, „weil es so ähnlich ist wie School auf Englisch“. Moamal, der dieses Mal nicht dran war, erinnert sich, „ich hab damals auch das Wort für Schule auf meiner Sprache, die ich neben Deutsch und Englisch kann, geschrieben und gesagt: Madrasa – das ist Arabisch“. Fatema fällt sogar der Satz ein, dass sie die Schule so gar nicht möge, den sie gesagt hatte, „aber das stimmt nicht, ich mag diese Schule schon sehr, aber ich wollte damals einfach diesen Satz sagen!“

Überraschungs-Sprache

In der nächsten Stunde darf der Journalist auch noch die 3A besuchen, in der Sladi die Englisch-Stunde hält. Auch hier noch die von ihr eingeführte Aktion „Language oft he day“, die damit allen Sprachen, die die Kinder und Jugendlichen mitbringen und somit auch ihnen, Respekt und Anerkennung entgegenbringt. Hier zieht Lehrerin Sümeyye einen Zettel aus einem Becher. Und es ist das höchstwahrscheinlich einzigartig von einem Schüler gesprochene Klingonisch. Alexander hat diese Sprache über YouTube-Videos vor zwei Jahren gelernt erzählt er. „Da war ich Star Wars und Star Trek-Fan, gelernt hab ich damals ungefähr ein Monat, manches hab ich schon vergessen.“ Unter den vielen Völkern des Universums gelten die Klingonen (vom Planeten Qo’noS) als besonders kriegerisch, weshalb ihr „Hallo“ eigentlich bedeutet: „Ich trinke dein Blut – Qual GAN Blug“, malt Alexander an die Tafel.

„Die Kinder und Jugendlichen merken sich oft viele der Wörter in den anderen Sprachen ihrer Mitschüler:innen, auch wenn das normalerweise nur so eine kleine 3-Minuten-Einheit am Beginn der Stunde ist“, freut sich Sladi, auf welch fruchtbaren Boden diese Wertschätzung all der Sprachen ihrer Klassen fällt.

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nms-cob.schule.wien.at

Bild-Montage aus einem Foto eines physikalsichen Experiments (Rauchringe) sowie einem der Beispiele aus dem Fake or Real-Quiz bei der Bühnen-Show der Fake Hunter in der VHS Floridsdorf (Angerer Straße)

Fake oder Real? 500 Schüler:innen im analogen Online-Quiz

Ist das kreisrunde Loch, das Wirbelsturm Agatha in Guatemala City in den Boden gerissen hat, Real? Oder Fake? Hat der kanadische Astronaut Chris Hadfield wirklich ein Kilo Cannabis auf die Raumstation ISS mitgenommen? Ist TikTok-Influencerin Cameron_cam mit 70.000 Followern echt oder nicht? Haust in dieser Metallröhre ein Geist, der singt oder vielmehr irgendwie quietscht? Kann ein Kunststoffring über einem Heliumballon schweben?

Mehr als 500 Kinder und Jugendliche aus vor allem Floridsdorfer Schulen verfolgten Dienstagvormittag im größten und wahrscheinlich auch schönsten Volkshochschul-Saal Österreichs eben in Wien Floridsdorf begeistert eine Show mit physikalischen Experimenten sowie Fotos und Videos aus der Online-Welt. Bei Letzteren klinkten sie sich in kleinen Teams via SmartPhones und der Quiz-App Kahoot ein, um auf Fake oder Real zu setzen. Dabei kam fast Fußballplatz-Stimmung auf – mit Rufen für die eine oder andere Variante wie für Verein A oder B.

Physik und Quiz-App

„Fake Hunter Show“ nennt sich das Format, mit dem der Physiker Bernhard Weingartner (u.a. bekannt aus der ORF-Sendung „Fakt oder Fake“ aber auch schon seit gut zwei Jahrzehnten mit seinem Physikmobil – mit Fahrrad und Anhänger unterwegs in Wiener Parks) Experimente aus seinem Fachgebiet in den vergangenen Wochen und Monaten in Jugend- und Einkaufszentren oder Veranstaltungsräumen vorführte. Und den „Geist“ im Metallrohr als „Kamin-Effekt“ entlarvt. Metallgitter im Rohr – über eine Flamme gehalten erhitzen sich die Gitterstäbe, neben der Flamme erzeugt die von unten nachströmende kühlere Luft durch die Abkühlung diese Geräusche…

Nadine Mund vom Projekt vista  des ISTA (Institute of Science and Technology Austria) ist die Spezialistin für die Online-Fotos und Videos – und damit Quizmasterin. Sie hat einen Mix aus gar nicht so leicht zu entschlüsselnden (bewegten) Bildern zusammengesucht. Manche schauen aufs erste wie Fake aus und sind Fakt, andere Videos wirken wieder echt und sind – genau, das Gegenteil.

Die für Kultur aber auch Wissenschaft zuständige Stadträtin Veronica Kaup-Hasler – aus dem Budget dieses Ressort wurde die Tour finanziert – rief den Schüler:innen zu, dass sie ja, die den Umgang mit sozialen Medien beherrschen lernen, zur Lösung der anstehenden Herausforderungen dieser Stadt und dieses Landes beitragen.

Wissenschaft vs. Fake News

Unausgesprochen schwebt im Raum natürlich auch der berühmte Spruch von Marie von Ebner-Eschenbach, den sich die Science Busters ausgeborgt haben, die auch physikalische Experimente und damit Fakten verbreiten wollen: Wer nichts weiß, muss alles glauben. Oder wie ihr vor zwei Jahren erschienenes Jubiläumsbuch heißt: „Wissenschaft ist das, was auch dann gilt, wenn man nicht dran glaubt“.

Fakten-Checker-Tipps

Gegen Ende gibt es noch ein paar Tipps in Sachen Fakten-Checks gegeben wie „Stelle dir Fragen: Von wem ist das Bild/Video? Was möchte das Bild/Video erreichen? Wer soll es sehen? Quelle(n)? Und vor allem: Sei kritisch!
Sowie Hinweise auf Fakten-Checker-Websites – siehe Links am Ende des Beitrages – sowie das Angebot, im Zweifelsfall auch Bilder oder Nachrichten über die Social-Media-Kanäle an die Fake Hunter zu senden.

Die drei Teams mit den schnellsten richtigen Fake or Real-Lösungen wurden mit Schokolade belohnt – wobei hier gespoilert werden muss, dass die Sieger:innen Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… gestehen, „dass wir gar kein Handy mitgehabt haben und Erwachsene uns ihres mit den Auflösungen gegeben haben. Aber wir haben so mitgeraten und auch vieles richtig gewusst.“

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Science Busters for Kids

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Ergebnis eines Experiments: Sushi-Sandwiches

Gesundes, schnelles, schmackhaftes Weltküchen-Essen

Obwohl nur wenige Gehminuten von Wien Mitte entfernt, wo U3, U4, Schnellbahnen – nicht zuletzt zum und vom Flughafen zusammenkommen, ein großes Einkaufszentrum auf der einen, ein Kino-Center auf der anderen Seite thronen, ist der Abschnitt der erste Abschnitt der Landstraßer Hauptstraße irgendwie kein leichtes Pflaster. So manche der Geschäftslokale überleben nicht lange, werden von (häufig) wechselnden Betreiber:innen geführt. Auf Nummer 6 versucht es nach einem kleinen Café und einem koreanischem Streetfood-Take-away seit nicht ganz einem Jahr ein neues Lokal – mit einem Mix aus gesund, gut und schnell – zum Mitnehmen aber auch zum Verweilen: Vi & Vie (Vital und Vienna). Zu Letzterem lädt neben den Imbissen und Getränken – spannende Kaffee- und Tee-Mixes sowie selbstgemachte Limonaden – vor allem die internationale, familiäre Atmosphäre ein. Freundliches, ehrliches Lächeln und offene Arme, aber ohne je auch nur ansatzweise aufdringlich zu werden oder gespielt gekünstelt zu grinsen.

Schnell, gut, gesund

Claudia und Vedran Kordić – sie mit Tiroler und serbischen, er mit kroatischen Wurzeln – kamen bei ihrem mehrjährigen Aufenthalt in der britischen Hauptstadt auf diese Idee. „Als wir nach New York für einige Jahre in London gelebt haben, sind wir an vielen Ecken auf solche Lokale gestoßen: Schnelles, gutes und noch dazu gesundes Essen – für Leute, die wenig bis gar keine Zeit haben, um selber zu kochen bzw. die Zeit für anderes nutzen wollen, ganz ideal“, schildert die studierte Juristin und leidenschaftliche Köchin Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… den Grundgedanken von Vi&Vie in der Küche in Wien Favoriten in der Nähe des Arthaberparks. Schmackhafte Sandwiches mit viel Gemüse, aber nicht nur statt Leberkäs-Semmeln sozusagen.

Spitzenkoch

Bevor das Paar – mit einem elfjährigen Sohn, der in Wien eine internationale Schule besucht – das Lokal mit internationalem Flair, das zählte neben Gut, gesund und schnell zum Konzept, eröffnete, wurde die Küche etabliert. Und ein Profi engagiert. Hubert (52) hat 35 Jahre in der kulinarischen Highlight-Gastro gearbeitet. „Das war dann aber auch genug, ich wollte nicht mehr 14 bis 16 Stunden am Tag in der Küche stehen“, verrät er den Beweggrund für seinen Wechsel. „Die Idee, Take-away auf High-Qualitiy-Level hat mir sehr gefallen.“ Und hier hat er geregelte Arbeitszeiten – meist 6 bis 13 Uhr und eine Fünf-Tage-Woche.

Und so bereitet er – nicht selten auch gemeinsam mit Claudia – in Favoriten die Dinge – von Sandwiches über Suppen über Bowls bis zu Erdäpfelgulasch im Einrex-Glas samt selbst zubereiteten Soßen frisch zu. „Wir arbeiten nicht mit Konservierungsstoffen. Unser Motto ist: Ehrliches Essen oder auch Essen ohne Kompromisse!“

Und so achten Claudia und Hubert auch darauf, wo sie ihre Zutaten einkaufen – möglichst regional bzw. nicht allzu weit weg. „In Sizilien haben wir sozusagen einen Zitronenbauer adoptiert“, schmunzelt Claudia.

Experimente

Weltküche ist übrigens ein weiteres Motto, das zum internationalen Flair des Lokals unerlässlich dazugehört. Und so wird in der Küche in Favoriten immer wieder auch experimentiert, mal mit violettem Reis, dann wieder mit eingelegten Rettichen, gespickten Zitronen, Humus sowieso, einem Mix aus Klassischem und doch irgendwie Neuem, beispielsweise einem Tafelspitz-Salat, Süßkartoffel-Püree, derzeit etwa mit Sushi-Sandwiches. „Wie groß können die sein, um gut unterwegs essbar zu sein?“, fragen sich Claudia und Hubert. Mit Geschmack muss sowieso immer probiert werden. „Fad darf’s auf keinen Fall schmecken, aber was kommt bei Kundinnen und Kunden an?!“ Und recht preiswert sollen die Speisen trotz hochwertiger Zutaten dennoch bleiben, sind sie doch meist wirklich nur für Zwischendurch.

Die Küche ist hochtechnisch ausgestattet, u.a. mit einem Spezialgerät, bei dem Temperatur, Zeit und alles Mögliche sonst noch einstellbar ist, so dass auch jemand schnell angelernt werden kann. Den beiden geht die Ukrainerin Antonia als „gute Fee“ zur Hand.

Claudia ist in Hall in Tirol geboren, wuchs die ersten 13 Jahre ihres Lebens im serbischen Kragujevac auf, studierte Jus in Wien, wo sie Vedran kennenlernte. Der gebürtige Kroate aus Rijeka, promovierte in Wien an der Technischen Uni für Maschinenbau – und Fertigungstechnik, arbeitete danach wissenschaftlich am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik. Bald verließ er die Uni, um einen Verlag für wissenschaftliche Publikationen zu gründen.

Rundreise

In Wien wurde auch Sohn Philipp vor mehr als zehn Jahren geboren. Zu dritte machten sich Familie Kordić erst nach Riejka , dann New York auf, um bald danach nach London zu ziehen, wo sie einige Jahre lebten. Doch Brexit einer- und Corona andererseits ließ das Trio nach EUropa und da nach Wien übersiedeln. Deutlich kleiner als London, weniger Entrepreneuer-Spirit, aber dennoch international, dafür vielleicht auch ein bisschen familiärer. Hier wollten sie ihre Business-Idee umsetzen – und tun dies – eben als Mix aus Welt- und österreichischer Küche. Und mit internationaler Belegschaft. Englisch als Lingua franca – mit Spanisch, Arabisch, Rumänisch sprechenden Mitarbeiter:innen. Wertschätzung für die Mitarbeiter:innen schlägt sich nicht zuletzt auch in der Benennung von Speisen nieder. So heißt ein Sandwich (gegrillter Halloumi-Käse, frischer Rucula, hausgemachte Salzzitrone, Paprika-Aufstrich und knusprige Walnüsse): Nibals Halloumi nach einer Mitarbeiterin der ersten Stunde im Lokal in Wien-Landstraße und das Erdäpfel-Gulasch trägt Koch Huberts Namen.

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viandvie

Bildmontage aus einem Foto von Thomas Maurer im Kafka-Style und von Franz Kafka selbst

Witziger Abend mit Komischem aus Kafkas Texten

»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so weit, dass ich Angst davor hatte, dann lief ich weiter, da stiegen schon rechts und links in der Ferne Mauern auf, und jetzt – es ist ja noch gar nicht lange her, seitdem ich zu laufen angefangen habe – bin ich in dem mir bestimmten Zimmer und dort in der Ecke steht die Falle, in die ich laufe.«
»Du musst die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie auf.“

Diese kleine Fabel – mehr als 100 Jahre alt und doch so voller aktueller gesellschaftspolitischer Assoziationen, die sofort als Bilder im Kopf entstehen, ist eines der Textstücke aus dem Programm „Maurer. Kafka. Komisch“ – einmal im Monat im Wiener Rabenhoftheater.

100 Jahre tot. Und so präsent wie kaum zuvor. Franz Kafka. Neben dem eben erwähnten Abend spielt das Burgtheater „Die Verwandlung“ (im Akademietheater), das Landestheater Niederösterreich „Der Prozess“ (in der Theaterwerkstatt); und schon davor startete das Theater der Jugend mit „Im Panoptikum des Franz K.“ (im kleineren Haus, dem Theater im Zentrum – Links zur Stückbesprechung und der Reportage über einen Probenbesuch hier in den Text eingestreut).

Bildmontage aus einem Foto von Thomas Maurer im Kafka-Style und von Franz Kafka selbst
Bildmontage aus einem Foto von Thomas Maurer im Kafka-Style und von Franz Kafka selbst

Schwarzer Humor

Der Titel des von Thomas Maurer zusammengestellten Abends ist Programm. Kafka demaskiert in etlichen Texten (Der Prozess“, „Das Schloss“ u.a.) überbordende Bürokratie (die er aus seinem Brotberuf als Jurist der Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen kannte), denen Betroffene ohnmächtig gegenüberstehen. Allein das ergibt schon immer wieder absurde, skurrile Situationen, die Kafka genial beschreibt – oft auch überhöht, sodass er ihre Lächerlichkeit – auch ganz ernst – preisgibt.

Darüber hinaus flossen nicht zuletzt oft aus seiner eigenen Zerrissenheit noch so manch komische Szenen – egal ob in literarischen Texten oder in seinen Tagebuch-Aufzeichnungen, mitunter auch in seinen Briefen – aus seinem Kopf mit der Hand aufs Papier.

Mehr-stimmig

Thomas Mauer landete übrigens gleich eingangs mit einer kleinen Realsatire Lacher. Selbst Qualitätsmedien hätten von seinem neuen Programm geschrieben, während es ausschließlich – mit Ausnahme einiger verbindender und überleitender Sätze – Original-Kafka ist. Die er allerdings lebendig werden lässt – unter anderem dadurch, dass er mit unterschiedlichen Sprach- und Stimmfärbungen verschiedene Protagonist:innen der Texte in Dialoge treten lässt.

Wie auch anderen Medien verriet Thomas Maurer Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… (diesfalls nach der heftig umjubelten zweiten Vorstellung), dass er seit gut eineinhalb Jahrzehnten die Idee zu einem solchen Abend hatte (ca. zwei Stunden, eine Pause). Er sei aber immer wieder zu faul dafür gewesen. Das sich am Horizont abzeichnende, nunmehrige, Kafka-Jahr hätte ihn zuerst bewogen, aus „Arroganz schon im Vorjahr mit diesem Programm rauszukommen, aber irgendwie ist sich’s dann doch nicht ausgegangen“.

Übrigens sitzt er ganz pur – genau gar nicht auf Kafka gestylt wie auf den Fotos des Theaters – an einem kleinen quadratischen Tischchen, Tablet, Mikrophon, Wasserkaraffe und -glas. Das war’s, ist’s. Und das wirkt so ausreichend überzeugend. Im zweiten Teil des Abends zwischen den oft recht kurzen Texten einfach Black, damit das Publikum weiß, wann der jeweilige Text zu Ende ist.

Titelseite der Anthologie
Titelseite der Anthologie „Der komische Kafka“

Ein Buch als Basis

Obwohl ihm selbst komische Elemente und Passagen bei Kafka schon früh aufgefallen seien, konnte er – das gesteht Maurer – auf viel Vorarbeit aufbauen – von Günter Stolzenberg und seinem Buch „Der komische Kafka“. Dazu packte der Kabarettist unter anderem noch Szenen aus „Der Prozess“ ein und zitierte nicht zuletzt – dies kein Kafka-Text aus einem Brief von Kafkas Freundin und Verlobter (einer von vier im Laufe seines kurzen Lebens) an Max Brod. In diesem kommt das skurril-komische Zwanglertum ihres Freundes zum Ausdruck – sei hier aber nicht verraten.

So manch – von außen betrachtet und mit Distanz zu lesen oder noch dazu genial vorgetragen zu hören – wirkt auch in so einem Brief höchst amüsant. Für beispielsweise die unmittelbar Beteiligten wie die Autorin und Journalistin Milena Jesenská, die im Nazi-Konzentrationslager Ravensbrück 1944 ums Leben kam, muss es allerdings alles andere als zum Lachen gewesen sein.

Der sprachverspielte, tiefsinnige Autor dürfte als Mensch höchstwahrscheinlich nicht der angenehmste Zeitgenosse gewesen sein – ja, nein, vielleicht, doch nicht oder schon – etwa in der Ver- und Entlobung mit Felice Bauer, Zwanglertum, Manie, in allem eigenen Perfektions-Ansprüchen nie zu genügen… Aber davon sind jene, die Kafka-Texte heute lesen oder hören ja glücklicherweise nicht betroffen. Der von Thomas Maurer zusammengestellte Abend eignet sich neben dem herzhaften Lachen, das mitunter dann doch im Hals stecken bleibt, vielleicht auch dazu, das eine oder andere von Kafka zu lesen – oder Gelesenes leichter zu verstehen. Im Publikum saßen übrigens viele junge Zuschauer:innen, ganze Schulklassen – und das an einem Samstagabend!

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Sujetbild im Rabenhof-Theater-Ankündigungs-Stil - Foto von Thomas Maurer auf Kafka gestylt
Sujetbild im Rabenhof-Theater-Ankündigungs-Stil – Foto von Thomas Maurer auf Kafka gestylt
Doppelseite aus "Lichter um Mitternacht - ein Fall für Jaromir"

Ein sprechender, lesender, denkender Ermittler auf vier Beinen

Krimis gibt es viele. Hunde spielen in der Aufklärungsarbeit von Polizei oder Detektiv:innen ebenfalls immer wieder eine große Rolle – ob sie Spuren oder Drogen oder was auch immer erschnüffeln. Eine österreichische TV-Serie adelte den mitspielenden Hund sogar mit „Kommissar Rex“ zum Titelhelden, belohnt durch Wurstsemmeln.

Aber einen sprechenden, ja sogar (englische) Zeitungen lesenden „Assistenten“, der vielmehr eigentlich ermittelnder Partner ist, den hat sich der bekannte und vielfach ausgezeichnete vor allem Kinderbuch-Autor Heinz Janisch einfallen lassen – und ihn Jaromir genannt. Der aktuelle achte Band „Lichter um Mitternacht“ spielt sich rund um – und teilweise am – Attersee ab. Und vieles dreht sich um Gemälde von Gustav Klimt. Der Künstler (1862 bis 1918) hatte hier im Salzkammergut (derzeit mit fast zwei Dutzend Gemeinden Europäische Kulturhauptstadt) bei 17 Sommer-Aufenthalten viele seiner Bilder gemalt. Und erst kürzlich – Mitte Jänner 2024 – ist ein verschollen geglaubtes Klimt-Gemälde (Bildnis Fräulein Lieser) aufgetaucht.

Das spielt in dem noch im Vorjahr erschienen Krimi von Heinz Janisch – angereichert um einige Schwarz-Weiß-Zeichnungen durch Verena Braun – natürlich noch keine Rolle. Aber gefälschte Klimt-Bilder, Einbrüche in Villen, seltsame knapp über der Wasseroberfläche des Sees tanzende Lichter und ein irgendwie lieblos gedrehter Film sind die Zutaten der spannenden Geschichte – mit überraschendem Ausgang. So „nebenbei“ hat Heinz Janisch noch Schilderungen der Landschaft und so manch interessante Informationen über den berühmt gewordenen Maler ganz organisch ins Geschehen eingebaut.

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Titelseite von
Titelseite von „Lichter um Mitternacht – ein Fall für Jaromir“
Foto aus der interaktiven Ausstellung "Alle neuen Kuchen sind nett" im Dschungel Wien

In Alices magische Welten reinschnuppern

Hokus Pokus, Abrakadabra, Simsalabim – bekannte Zaubersprüche kleben in kleiner Schrift auf dem weißen Boden. Aber nicht nur solch altbekannte, sondern auch vielleicht ungewöhnliche, nicht erwartete wie „amurös“ und … – nein, mehr sei nicht verraten, soll der spielerische Durchgang durch die labyrinthartige erste Station dieser interaktiven Ausstellung im Dschungel Wien doch noch offen sein für Überraschungen.

Studierende der Universität für Angewandte Kunst (Klassen für Transmediale Kunst, Sprachkunst sowie Kunst und Wissenstransfer) haben sich mehrere Wochen lang mit dem Werk des „Vaters“ von „Alice im Wunderland“ beschäftigt. Lewis Carroll, der eigentlich Charles Lutwidge Dodgson hieß (1832 bis 1898) war nicht nur der Autor der fantasievollen, magischen Alice-Geschichten (Wunderland und „hinter den Spiegeln“ sowie der weniger bekannten „Jagd auf den Snark“), sondern unter anderem auch Mathematiker – und ein urschlaues Kind.

Zauberwürfel und Glücksrad

Nun, zurück zur Ausstellung, die allein oder geführt – zu fixen Zeiten – durchspielt werden kann. Ein Zauberspruch sollte gemerkt werden. Und bei einem „Zauberwürfel“ – nein, so viel darf gespoilert werden, es handelt sich nicht um Rubik’s räumlich-mathematisches Spiel, sondern um große nachgebildete Zutaten für Kuchen – geht’s auch darum, sich eines dieser Elemente im Kopf zu behalten. Erst dann geht’s von dieser „magischen“ in die mechanische Welt – mit Versatzstücken aus den Alice-Geschichten – etwa einem weißen Hasenkopf, diversen Hüten und so weiter. Bis zu einem „Glücksrad“, bei dem die eigene Rolle per Zufall er-dreht wird.

Dritte Station ist die „digitale“ Welt mit Matrix-ähnlichen Linien auf dem Boden, Nullen und Einsen fürs binäre System sowie Musik aus einem nagebildeten überdimensionalen Kuchen und als Vortänzer auf dem großen Screen DJ Cakey.
Als kleine Schmankerln finden sich in Vitrinen kleine teils uralte digitale Spielereien.

Zwischen magischer und mechanischer Welt einerseits (Auf Bühne 3) und der digitalen Tanzstation (in den Studios) findet sich einige Spielstationen zur „Übersetzung“ von digital auf analog – etwa ein Quadrat, das über ja und nein-Antworten sich in binäre Felder aus grün und orange „verwandeln“ lässt…

Foto aus der interaktiven Ausstellung
Mikro zum Reinsprechen …

Kuchen

„Alle neuen Kuchen sind nett“ heißt diese spielerische Landschaft der Student:innen im Dschungel Wien. „Den Satz … hat er geschrieben, um die Gesetze der Logik zu testen. Für Carroll sind Absurdität und Logik keine Gegensätze“, heißt es in der Ankündigung. Aus den beiden Alice-Büchern stammt er allerdings nicht. Da kommt Kuchen 21 Mal und nett 12 Mal vor – aber nicht in dieser Kombination. Dafür finden sich folgende Sätze: „Alice bemerkte mit einigem Erstaunen, dass sich sämtliche Kieselsteine, als sie so auf dem Boden lagen, in kleine Kuchen verwandelten, und es kam ihr eine glänzende Idee. »Wenn ich einen von diesen Kuchen esse«, überlegte sie, »wird sich meine Größe bestimmt irgendwie verändern; und da mich das unmöglich noch größer machen kann, werde ich davon wohl vermutlich kleiner werden.« Also schluckte sie einen der Kuchen hinunter und stellte zu ihrer Freude fest, dass sie augenblicklich zu schrumpfen begann.“

Update, Ergänzung: Der Satz „Alle neuen Kuchen sind nett“ stammt aus Carrolls Buch „Spiel der Logik“, Logiklehrbuch für Kinder.

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Dario Zorell als Clown, der ständig (gekonnt) scheitert

Die Lust am Scheitern feiern

Mit einem uralten Wählscheiben-Telefon mit einem Hörer an einem Kabel, einem Ding, das die meisten Kinder wahrscheinlich zum allerersten Mal in ihrem Leben sehen, stolpert der Clown in den Saal. Irgendwie will er da gar nicht her. Spricht scheinbar mit seinem Chef, dem Herrn Direktor. Zittert vor der Aufgabe, die ihm dieser aufträgt. Er soll auf die Bühne und für das Publikum spielen? Das will er eher gar nicht.

Na gut, wo und wie? Schlängelt sich zwischen den Zuschauer:innen umher, klettert von einer Reihe auf die nächste. Irgendwann steht er dann doch auf der Bühne – und hat schon bis dahin fast ein Dutzend Mal für Lachen gesorgt. Erst recht dort oben, wenn er mit den drei Bällen gekonnt nicht jonglieren kann und sich „wundert“, dass die Bälle, obwohl er sie nach oben wirft, hinter ihm auf dem Boden landen.

Dario Zorell als Clown, der ständig (gekonnt) scheitert
Dario Zorell als Clown, der ständig (gekonnt) scheitert

Kurz-Auftritte für Kinder

Gekonnt scheitern – das ist eines der Grundkonzepte vieler Clown:innen. Kinder, die Erwachsene erleben dürfen, dass sie etwas nicht können. Wenngleich die meisten natürlich wissen oder wenigstens ahnen, der Spaßmacher – in anderen Fällen die Spaßmacherin – kann das doch sehr wahrscheinlich schon. Das halten Kinder bei der Vorstellung von Dario Zorell im Clown-Stück „Im Auftrag des Herrn Direktor“ im Niedermair, dem Wiener Lokal, das vor allem für Kabarett-Auftritte bekannt ist, vor. Er schummle, könne gar nicht wirklich zaubern usw.

Immer wieder bietet der junge Clown Dario Zorell (24 Jahre) Kindern die Bühne auch als Auftrittsmöglichkeit für sie selber – nachdem sie ja den Trick mit dem verschwundenen Daumen durchschaut haben, können sie nun auch ihre Zauberkünste unter Beweis stellen 😉

Und natürlich zeigt er – so viel darf durchaus gespoilert werden – am Ende, dass er sehr wohl jonglieren kann – sogar mit vier Bällen auf der niedrigen Bühne im Niedermair.

Dario Zorell als Clown, der ständig (gekonnt) scheitert
Dario Zorell als Clown, der ständig (gekonnt) scheitert

Stück „ge-erbt“

Das Stück ist übrigens – mit nur kleinen Änderungen – gut 40 Jahre alt und noch immer jung. Darios Vater Hubertus Zorell hat es entwickelt, ist damit jahrelang kreuz und quer durch die Lande (nicht nur in Österreich) getourt. Und es funktioniert noch immer. Vielleicht besuchen damalige Kinder heute als Eltern, manche vielleicht sogar schon Großeltern mit ihren (Enkel-)Kindern die sehr lustige ¾-Stunde, gespielt vom Sohn des Erfinders. Der über sich auf seiner Homepage schreibt: „Man könnte fast sagen, dass mir das Clown-Dasein von früh bestimmt war, da ich buchstäblich in eine Clown-Familie geboren wurde. Meine Eltern Verena Vondrak und Hubertus Zorell waren jahrelang bei den CliniClowns Austria tätig – sowohl als Spitalsclowns als auch künstlerische Leiter*innen – und mitbegründeten Wiens erstbestes Clowntheater das „Theater Olé“ vor gut 15 Jahren (in Wien-Landstraße, Anm. der Redaktion).

In einem Workshop meiner Eltern sammelte ich auch meine ersten Erfahrungen als Clown und erbte vor gut 2 Jahren das Stück „Im Auftrag des Herrn Direktor“, das mein Vater jahrzehntelang gespielt hat – und zu dem ich selbst eine große persönliche Bindung habe.“

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Dario Zorell als Clown, der ständig (gekonnt) scheitert
Dario Zorell als Clown, der ständig (gekonnt) scheitert
Angeschnittenes 'Foto einer Doppelseite aus "Der Prinz auf der Erbse und andere umgekrempelte Märchen"

Schneewittich, Zwerginnen, gestiefelte Katze…

Der Schöne und die Bestie“, „Herr Rapunzel“ oder „Die gestiefelte Katze“ – die Titel der zwölf Märchen dieser Sammlung – noch dazu gleich mit dem Titel „Der Prinz auf der Erbse“ sagen praktisch schon alles. Karrie Fransman & Jonathan Plackett haben in ihrem auch märchenhaft illustrierten Buch „nichts anderes“ gemacht, als die Rollen vertauscht. Aus Prinzessinnen wurden Prinzen, aber auch aus Hexen Hexer und so weiter. Und siehe da – mitunter kommt das jeweils altbekannte Märchen sogar ein wenig gewöhnungsbedürftig daher. Gut so.

In einem umfangreichen Vorwort schildern beide, wie sie auf die Idee gekommen sind und wie sie’s – mit Hilfe eines Computerprogramms – gemacht haben.

Jonathan Plackett, unter anderem Programmierer, erinnert sich an seine Kindheit. Sein Vater habe ihm und der Schwester am Abend Geschichten vorgelesen – und einfach die Geschlechter der handelnden Figuren vertauscht. Als Erwachsener, mit der Comic-Autorin und Künstlerin Karrie Fransman verheiratet und gemeinsam Eltern einer Tochter „wollen (wir), dass sie in einer Welt aufwächst, in der kleine Mädchen stark sein und kleine Jungen ohne Zorn zu ihren Verletzlichkeiten stehen dürfen“.

Dafür nutzte er seine Fähigkeit: Es „ist mir schließlich gelungen, ein benutzerfreundliches Computerprogramm zu entwickeln, das in jedem Text, mit dem man es füttert, die Gender-Verteilung umkrempelt“, schreibt er im Vorwort.

Jonathan Plackett und Karrie Fransman,
Jonathan Plackett und Karrie Fransman, „Eltern“ von „Der Prinz auf der Erbse und andere umgekrempelte Märchen“

Neue Technik mit alten Texten

Karrie Fransman schildert dort: „Als Jonathan mir den Algorithmus zeigte, war ich begeistert, und wir überlegten gemeinsam, was wir damit machen könnten. Ich schlug vor, ihn auf Märchen anzuwenden. Uns reizte die Idee, klassische Texte und moderne Technologie zu kombinieren und die Geschichten für zeitgenössische Leserinnen und Leser upzudaten. Auch als Comiczeichnerin war ich gespannt darauf, wie der Algorithmus die weltbekannten Märchen verwandeln würde, und mir dann die neuen Geschichten in Bildern vorzustellen.“

Das Duo entschied sich für Märchen, weil die weit verbreitet sind, viele Kinder damit aufwachsen – und in der Regel fest gängige Rollenklischees einlernen. Fransman und Plackett wählten zwölf sehr bekannte Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm, von Hans Christian Andersen oder nach Gabrielle-Suzanne Barbot de Villeneuve (Schöne und Biest) aus, einige wurden schon eingangs genannt. Dazu gesellen sich noch unter anderem „Schneewittich“, „Rotkäppchen und die böse Wölfin“, „Rumpelstelze“, „Gretel und Hänsel“ sowie „Aschenpeterl oder der gläserne Pantoffel“, „Hanna und die Bohnenranke“, „Dornrösling oder der schlafende Schöne im Walde“ sowie „Däumchen“.

Wobei manche Märchen von den beiden auch noch weiter verändert wurden – was sich nicht immer ganz erschließt. Der Bub mit dem roten Käppchen darf offenbar keinen Wein im Korb zu – in dem Fall – dem Großvater bringen. Und die Wölfin darf sich dafür des Fressens von Opa und Enkel erfreuen. Denn so endet diese Version vom „Rotkäppchen“. Keine Jägerin ;(

Im Märchen ist doch vieles möglich

Und warum auch nicht – Karrie Fransman schreibt im Vorwort unter anderem: „Märchen sind auch voller Magie und Feenstaub. Wenn wir uns eine Welt vorstellen können, in der Harfen singen und Ratten Kutscher werden, können wir uns dann nicht auch eine Welt vorstellen, in der sich Könige Kinder wünschen und alte Frauen keine Hexen sind?“

Und nicht nur „nebenbei“ merkt sie noch an, Wir behaupten keineswegs, dass es nur zwei Geschlechter gibt. … Viele Menschen identifizieren sich als non-binär, queer, transgender, genderfluid, agender, other-gender und vieles mehr. Trotzdem spielt die Unterscheidung in »weiblich« und »männlich« im Denken der meisten Menschen noch eine Rolle, und auch in der Sprache. Indem wir die beiden dominanten Gender-Konstrukte vertauschen, wollen wir ihre Eindeutigkeit aufbrechen und die Menschen dazu bringen, die Annahmen zu hinterfragen, mit denen wir das soziale Geschlecht in unserer Gesellschaft aufladen.“

„Neben“effekte

Jonathan Plackett schreibt weiter: „Als wir ein paar Märchen durch den Gender-Swap-Algorithmus laufen lassen hatten, war uns klar, dass wir auf etwas Interessantes gestoßen waren. Vor unseren Augen entstanden faszinierende neue Figuren, und Stereotypen wurden aufgedeckt. Wir sahen Prinzessinnen in glänzender Rüstung, die zur Rettung schlafender Prinzen eilten… Manche Veränderungen waren vorhersehbar, aber andere offenbarten Feinheiten, die mir bisher nicht aufgefallen waren, zum Beispiel, dass Frauen nun automatisch zuerst genannt wurden, »Schwestern und Brüder« oder »Gretel und Hänsel«. Das Beste aber war, dass Frauen endlich Macht und eine Vielfalt an Rollen zur Verfügung hatten, während Männer die Chance bekamen, zu ihrer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit zu stehen und für ihr gutes Herz belohnt zu werden.“

Vorreiterin

Und vielleicht regt dieses Buch ja auch an, in anderen Märchen, weiteren Geschichten oder möglicherweise sogar einmal in aktuellen Nachrichten sich die handelnden Figuren vertauscht vorzustellen. Was übrigens schon vor Jahrzehnten (1974) die DDR-Schriftstellerin Irmtraut Morgner in dem Kapitel „Kaffee verkehrt“ in ihrem 680 Seiten-Buch „Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz…“ (siehe Buch-Infos; übrigens kein Kiknderbuch!) schon gemacht hat, indem sie die Rollen in einem Kaffeehaus am Alexanderplatz vertauscht hat: „Als neulich unsere Frauenbrigade im Espresso am Alex Kapuziner trank, betrat ein Mann das Etablissement, der meinen Augen wohltat. Ich pfiff also eine Tonleiter rauf und runter und sah mir den Herrn an, auch rauf und runter. Als er an unserem Tisch vorbeiging, sagte ich „Donnerwetter“. Dann unterhielt sich unsere Brigade über seine Füße, denen Socken fehlten, den Taillenumfang schätzen wir auf siebzig, Alter auf zweiunddreißig… Ich ließ ihm und mir einen doppelten Wodka servieren und prostete ihm zu… In der Tür ließ ich meine Hand wie zufällig über eine Hinterbacke gleiten, um zu prüfen, ob die Gewebestruktur in Ordnung war…“

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sohn-und-vater-rock-en-gegen-rollenklischees <- noch im Kinder-KURIER

Interview mit Nils Pickert <- noch im KiKu

Über Martin Auers Prinzessin mit Bart <- auch nch im KiKu

Besprechung eines weiteren Schnecken-Kinderbuchs – von Thomas Schmidigner <- ebenfalls noch im Kinder-KURIER

Demonstration "Demokratie verteidigen" in Wien vor dem Parlament

Mehr als 80.000 * demonstrierten für die Verteidigung der Demokratie

Wenige Minuten nach 18 Uhr war es schon schwierig aus der U3 bei der Station Volkstheater auszusteigen. Der Bahnsteig ging sozusagen über. Nur im Schritttempo drängten sich die Massen die Stufen bzw. Rolltreppe hinauf, um zur Demonstration, um die „Demokratie zu verteidigen“ und „gegen Rechts“ zu gelangen. Aufgerufen hatten unter anderem Black Voices, Fridays for Future, die Plattform für eine menschliche Asylpolitik unterstützt von weiteren zivilgesellschaftliche Organisationen aber auch ÖGB, Caritas, Künstler:innen, der jüdischen sowie der muslimischen Gemeinschaft, den Grünen und der SPÖ – teils mit prominenten Demo-Teilnehmer:innen.

Die Straßenbahnen konnten nicht mehr verkehren – die Wiener Linien ließen das auch schon in den U-Bahnen durchsagen. Die Straße vor dem Parlament war voll – auch die rund um das Gebäude in dem das Herz der Demokratie den Sitz hat. Ständig strömten Menschen herbei – trotz teils starken Regens. Von den Reden war schon bei Straßenbahnstation beim Aufgang der U3 kaum mehr etwas zu hören. Dafür begannen dort Trommler:innen mit Samba-Rhythmen zu musizieren – mit aufgedruckten Sprüchen „Die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen bringen“.

„Aufstehen gegen Rechts“ war schon am Nachmittag das Motto einer Demonstration in Innsbruck mit 3000 Teilnehmer:innen, rund 1500 Menschen demonstrierten unter ähnlichen Losungen in Salzburg. In Wien waren übrigens die meisten Tafeln der letztlich rund 80.000 Demonstrant:innen selber gebastelt und handgeschrieben auf Kartons – Slogans wie „Hass ist keine Meinung“, „Unsere Geschichte ≠ Unsere Zukunft“, „Wann haben wir angefangen zu vergessen?“…

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* Aktualisierte Teilnehmer:innen-Zahl zwei Stunden nach Demo-Start

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Szenenfoto aus "Schön und gut"

Kreativ und magisch für Biodiversität

Eine Art Rumpelkammer wird zur Bühne – die beiden Spieler zaubern daraus einen magischen Raum. Skurrile Gebilde aus Naturmaterialien wie Zweigen, Wurzeln und (gesäubertem) Müll werden unter ihren Händen, mit wenigen Worten – und mit Lichtern aus Taschenlampen – zu zauberhaften Wesen mit Fantasienamen.

In „Schön und gut“ – derzeit im Dschungel Wien – verschaffen Stefan Ebner und Antonio Ramón Luque (Gruppe „Material für die nächste Schicht“) klitzekleinen, aber durchaus auch größeren diese oben genannten Objekte „Live“-Auftritte als Wand-Dramsel, gelbe Seiltanzspinne, Frostkeulenbaum, Flötenmaus, Moorfeuchttanne und noch gefühlt mindestens hundert weiteren Fantasietieren und -pflanzen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schön und gut“

Auf Publikum zugehen, -krabbeln, -kriechen

Erst fast in sich versunken, mit den Rücken zum Publikum, schrauben und drücken sie an technischen Geräten, erzeugen Quietsch-, Rausch- und andere Geräusche, dazwischen das eine oder andere Licht-Geblinke bevor sie Schatten einiger dieser oben erwähnten Kombinations-Gebilde an der Wand tanzen lassen. Um danach mit einigen Kasteln und Regalen als Art offener musealer Vitrinen in den Publikumsbereich vorzudringen. Die Upcycling-Fantasietiere machen sich unter den Händen des Performance-Duos ebenfalls in Richtung Zuschauer:innen auf. Erst zaghaft, dann immer offensiver ersuchen nur mit Blicken einzelne im Publikum sozusagen die Patronanz für das eine oder andere Objekt zu übernehmen und es in den Regalen zu platzieren – wo auch immer sie wollen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Schön und gut“

Alles hängt mit allem zusammen

„Schön und gut“ ist einerseits ein Loblied auf die Kreativität, vielleicht sogar Anregung, aus wenig, meist von 99 Prozent aller anderen nicht beachteten herumliegenden oder gar weggeworfenen Dingen (Bühne und Kostüm: Sophie Schmid), Fantasiegebilde zu bauen, die aus Objekten fast Subjekte entstehen lassen. Die ¾-stündige Performance (ab 8 Jahren, aber sicher auch schon für Jünger – und genauso für Erwachsene) ist aber noch viel mehr. Mit wenigen, teils poetischen, jedenfalls in einer Phase (Dramaturgie: Tanja Spielmann) auch gedichteten Worten erschafft das Duo eine zusammenhängende Welt dieser Kreaturen. Würde eine fehlen, bräche das System zusammen. Damit wird „Schön und gut“ – wie es am Ende sein soll, wenn wir alle achtsam mit Tieren, Pflanzen, der Umwelt umgehen – vermittelt die Wichtigkeit von Biodiversität verspielt und ganz ohne pädagogischem, erhobenen Zeigefinger.

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Julian Rzihauschek (12) bei jedem Training voll in Action

Zu Hause beim 12-jährigen Gewinner eines Tischtennis-CL-Matches

Am Rande der Stadt, dort wo sie schon dörflichen Charakter – von den niedrigen Häusern und den Feldern her – annimmt, findet sich auf dem Grund der Gärtnerei „Rizi“ (der Einfachheit halber, weil sich so manche mit dem echten Namen Rzihauschek ein wenig schwertun) seit August eine Tischtennishalle. Nicht irgendeine.

Der Boden ist jener von der jüngsten Weltmeisterschaft in diesem Sport, die im Vorjahr in der ungarischen Hauptstadt Budapest stattgefunden hat. Fast ein Geburtstagsgeschenk für den Sohn des Hauses. Julian feierte im Oktober seinen 12. Geburtstag. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass er (nicht nur) eines Tages an künftigen Weltmeisterschaften des Spiels mit kleinem Ball und Schläger an der Tischplatte teilnimmt und das erfolgreich.

Julian Rzihauschek (12) bei jedem Training voll in Action
Julian Rzihauschek (12) bei jedem Training voll in Action

Immerhin waren Julian Rzihauschek und Petr Hodina, ebenfalls 12 Jahre, die allerjüngsten Athleten, die je Champions-League-Matches gespielt haben, ursprünglich „nur“ eingesprungen, weil einer der erwachsenen Spieler der SPG Walter Wels Corona-positiv getestet war, Kollegen und der Trainer damit in Quarantäne mussten. Anfangs beim Turnier in Düsseldorf mit dem 1. FC Saarbrücken, AS Pontoise-Cergy aus Frankreich sowie dem dänischen Verein Roskilde Bordtennis BTK, vielleicht noch angesichts der Jugend belächelt, verschafften sich die beiden 12-Jährigen – neben Gabor Böhm als Drittem im Bunde, einem Erwachsenen mit Champions-League-Erfahrung – von Tag zu Tag mehr Respekt. Ihr professionelles, wenngleich viel leichtfüßigeres Auftreten sorgte dafür.

Leichtfüßiger insofern – so SPG Walter-Wels-Präsident Bernhard Humer zum Journalisten: „Die erwachsenen Profis kannst schon gut zwei, drei Stunden vor einem Match nicht mehr anreden. Die beiden Burschen waren locker und gut drauf und gewannen die Sympathien praktisch aller wie im Flug.“

Zweiter 12-jähriger Sensationsspieler übersiedelte extra nach Österreich

Ziel: Einen Satz gewinnen

Mit der fast überfallsartigen Einspringer-Teilnahme an dem Champions-Legaue-Turnier habe er sich ganz und gar nicht überfordert gefühlt, so der 12-Jährige, der nach dem Sonntag – 21.30 Uhr stand der Überraschungssieg fest – vor Selbstbewusstsein strahlt – aber in keiner Sekunde überheblich. „Wir haben uns keine Chancen ausgerechnet. Unser Ziel war, einen Satz zu gewinnen.“

Nachdem alle vorherigen Matches jeweils 0: zu 3 verloren gegangen waren, kam’s im letzten Match Julian Rzihauschek gegen Antoine Doyen vom dänischen Klub Roskilde (bekannt für sein jährliches Musikfestival) drauf an. Die ersten zwei Sätze verlor der Wiener. „Da war ich vielleicht schon nervös, weil’s um dieses Ziel gegangen ist. Nachdem die zwei Sätze verloren waren, habe ich meine Taktik geändert, Vollgas gegeben und bin immer wieder über seine schwächere Rückhand gekommen.“ Dritter Satz gewonnen. Ziel erreicht. Aber offenbar trug dieses Erfolgserlebnis das Ausnahmetalent auf eine Welle – noch ein Satz gewonnen. „Spätestens da hatte dann Antoine Doyen Druck, gegen einen 12-Jährigen müsste er doch gewinnen.“

Julian Rzihauschek (12) mit Trainer Tibor Kun
Julian Rzihauschek (12) mit Trainer Tibor Kun

Von Punkt zu Punkt fokussiert

Er selbst sei durch die Aussicht auf einen möglichen Sensationssieg nicht mehr nervös geworden. Ich hab nur von Punkt zu Punkt gedacht, mich darauf fokussiert.“ Aufgegangen! DIE Sensation.

Fast genauso wie bei der Schilderung des Sieges strahlt Julian aber als er über die Begegnung mit Patrick Franziska, einem der Spieler von FC Saarbrücken, „weil der eines meiner Vorbilder ist. Auch wenn ich 0:3 verloren habe, hat es schöne, lange Ballwechsel gegeben, die auch für das Online-Publikum sicher schön anzuschauen waren“. Seine beiden anderen Vorbilder Timo Boll und Werner Schlager, der einzige nicht-chinesische Weltmeister in den vergangenen mehr als 20 Jahren. „Der ist auch in China sehr berühmt, aber er ist trotzdem auf dem Boden geblieben und ganz natürlich.“

Das wird hoffentlich auch Julian Rzihauschek bleiben, denn er könnte vielleicht einmal in die Fußstapfen Schlagers treten. Eine Besichtigung seiner Pokalsammlung ist ihm nicht wichtig, „bei 80 hab ich aufgehört zu zählen“, sagt er nur so beiläufig.

Besuch in Simmering

Zwei Tage nach dem sensationellen Sieg, der für internationale Aufmerksamkeit sorgte, darf der Journalist den jungen, leidenschaftlichen Tischtennis-Spieler in dieser Halle besuchen. Während des Interviews im Vorraum, hält Julians Trainer online via Handykamera auf einem Stativ eine Fortbildung für Trainer in Kasachstan ab. Dimitrij Levenko selbst ist Chef-Coach des dortigen Nationalteams. In Normalzeiten pendelt der 58-Jährige, der in Österreich selbst noch Bundesliga spielt – bei Baden, – zwischen Österreich und Kasachstan, in Corona-Zeiten alles online. Nicht immer nur einfach, „aber ich hab damit auch viel Neues gelernt“, so der Trainer, der auf das Simmeringer Riesentalent beim nahegelegenen SV Schwechat schon sehr früh aufmerksam geworden ist.

Mühsam war es anfangs im ersten Lockdown auch für Julian Rzihauschek selbst, wie er im Kinder-KURIER-Interview gesteht. „Ganz am Anfang war’s schon schwierig, mich immer zu motivieren. Wozu trainiere ich, wenn’s eh keine Turniere gibt.“ Das hat der damals 11-Jährige rasch überwunden. Da trainierte und spielte er noch für den SV Schwechat, nicht zuletzt seinerzeit bekannt geworden durch die Werner-Schlager-Academy. Der Niederösterreicher Werner Schlager holte sich vor 17 Jahren den Weltmeistertitel im Einzel – und ist seither der einzige Nicht-Chinese, der zur Nummer 1 der Welt in dieser Disziplin geworden ist.

Kaum übern Tisch geschaut, schon Talent

„Mit vier Jahren habe ich begonnen Tischtennis zu spielen“, sagt Julian zum Kinder-Kurier. „Mein Vater war ein Hobbyspieler und er hat mit meiner Schwester und mir gespielt. Im Keller des Hauses unserer Großeltern das nur über der Gasse liegt haben wir oft gespielt.“

Vater Karl ergänzt: „Man hat bei Julian schon mit drei Jahren gemerkt, dass er besonderes Talent hat. Er hat kaum über die Tischtennisplatte raufschauen können und schon lange Ballwechsel gespielt bis zu 10 Mal hin und her.“

Relativ bald begann Julian beim nahegelegenen SV Schwechat regelmäßig zu trainieren so ungefähr vier bis fünf Mal pro Woche. Rasch wurde er dort auch vom jetzigen Trainer in der Werner Schlager Academy entdeckt und gefördert.

Ab 9 Jahren: Tägliches Training

„Ab dem Alter von 9 Jahren habe ich begonnen, täglich zu trainieren – in Schwechat und im Keller des Hauses der Großeltern“. Nachdem Schwechat aber nicht in der Bundesliga spielt, weil sie da einiges investieren müssten, was sie derzeit nicht können, haben sich Julian und vor allem der Vater – „ich überleg immer schon die nächsten möglichen Schritte“ – nach einer Möglichkeit umzuschauen, wie das junge Ausnahmetalent doch in der obersten Liga spielen könnte. Daraus ergab sich das Verleihen des Spielers an die Spielgemeinschaft Wels.

Julian Rzihauschek (12) in Action
Julian Rzihauschek (12) in Action

Sport-Mittelschule

„Die Vorbereitung auf die Bundesliga hat mich dann im ersten Lockdown wieder dazu gebracht, mich motivieren zu können, und täglich vier bis fünf Stunden zu trainieren.“

Julian besucht die Sportmittelschule in der Wittelsbachstraße in Wien Leopoldstadt, die zweite Klasse. Gefragt nach seinen Lieblingsfächern nennt er „Sport“ – dann kommt eine doch recht lange Pause „und Englisch auch noch“.

Das Home-Schooling konnte er ganz gut nehmen, „weil ich da viel mehr trainieren konnte, weil der Schulweg weggefallen ist. Aber die Schule ist mir schon auch sehr abgegangen, vor allem das Treffen mit meinen Freunden.“

Ab so ungefähr fünf oder sechs Jahren wollte er schon Tischtennis-Profi werden. Auf die Frage ob da nicht viele daran gezweifelt hätten, meint Julian: Das habe ich nicht so beachtet, außerdem haben meine Eltern auf jeden Fall an mich geglaubt.“

Motivation

Und auch der Trainer, der allerdings noch hinzufügt: „Talent ist das eine, aber es braucht auch die Motivation, nicht nur junger Spieler, sondern auch des Umfeldes, der Eltern“, streut er den Rzihauscheks Rosen. Nicht zuletzt für diese Halle, die professionelle Bedingungen bietet, was damit auch neben jungen Talenten erwachsene Top-Spieler dazu veranlasst hierher zu kommen. Sparring-partner an denen Julian auch wachsen kann.

Julian ist von einem Top-Coaching-Team umgebe. Neben dem schon genannten Dimitrij Levenko (übrigens auch Vater von Andreas Levenko, Nummer 1 der U21 Weltrangliste) zählen dazu noch Valentina Popova (9-fache Europameisterin, Olympia-Fünfte, ehem. slowakische Nationalteam-Trainerin) und Tibor Kun (langjähriger Nachwuchscheftrainer bei SVS). Seit knapp mehr als einem Jahr hat er auch die Chance, mit der zweifachen Olympiateilnehmerin und Tochter des ehemaligen chinesischen Nationalteam-Trainers Li Quiangbing zu trainieren.

So muss er nicht ständig nach Wels zum Training pendeln. Es spielt die Matches der zweiten Bundesliga hauptsächlich im Osten Österreich in Wien, Niederösterreich, Burgenland, der Steiermark und teilweise schon auch in Oberösterreich.

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Zum Sensationsspiel geht Julian Rzihauscheks gegen Antoine Doyen geht es hier

Erstveröffentlicht im Kinder-KURIER

Petr Hodina, 12, bei einem seiner Champions-League-Matches

Zweiter 12-jähriger Sensationsspieler übersiedelte extra nach Österreich

Der zweite Sensations-Spieler der Spielgemeinschaft Wels beim jüngsten Champions-League-Turnier war der ebenfalls erst 12-jährige Petr Hodina. „Vor dem ersten Champions-League-Spiel war ich schon sehr nervös“, vertraut er dem Kinder-KURIER in einem Telefon-Interview an. „Das war dann schon beim zweiten Match nicht mehr so schlimm und beim dritten gar nicht mehr.“

Petr Hodina kam mit sieben Jahren zunächst zufällig zu diesem Sport. „Mein Opa hat einen Tischtennis-Tisch. In den Ferien hab ich mit meinem Bruder und Cousins gespielt, es hat mir Spaß gemacht. Dann hab ich im Herbst angefangen bei einem Verein in Prachatice zu trainieren – einmal in der Woche war das. Damals hab ich aber auch noch Fußball gespielt und Yoga gemacht.“

Petr wurde im Tischtennis immer besser, „deswegen hat es mir auch noch mehr Spaß gemacht und ich hab zuerst mit Yoga aufgehört. Ich bin dann auch oft zu Turnieren in Nachbarländer gefahren – nach Österreich, Ungarn, in die Slowakei, aber auch nach Dänemark.“

Viel gependelt

Sein tschechischer Heimatort ist nicht weit entfernt von dem viel bekannteren Český Krumlov und das wiederum nahe der Grenze zu Österreich. Richard Györi, sein vormaliger Trainer und Mann an der Seite seiner Mutter, der den jungen Tischtennisspieler überall hin begleitete, knüpfte vor allem in Österreich Kontakte zur heimischen Szene. Immer öfter pendelte Petr Hodina dann auch zu Trainings nach Oberösterreich, wo die Trainer von seiner Hochklassigkeit angetan waren. Nach und nach wurde der Plan einer Übersiedlung geboren.

„Schon im vorigen Schuljahr war ich zuerst zwei, drei Tage in der Woche Gastschüler in Linz im Georg von Peuerbach-Gymnasium. Am Anfang war das schwierig, ich hab zwar auch in Tschechien in der Schule Deutsch, aber das waren nur so Grundkenntnisse.“

Während des ersten Lockdown samt entsprechenden Reisebegrenzungen besuchte Petr Hodina die Schule, samt Home-Schooling nur in seinem – ersten – Heimatland. Seit diesem Herbst lebt er von Montag bis Samstag mit Richard in Linz, Mittwoch spätnachmittags kommt auch seine Mutter, die die erste Wochenhälfte bei Petrs 15-jährigem Bruder in Tschechien lebt, Samstag nach dem Training fahren alle drei nach Tschechien, wo Petr Zeit mit seinem Bruder und den Großeltern verbringen kann.

Tägliches Training, aber auch Schule

Schon lange steht Tischtennis-Training täglich auf dem Plan – „drei Stunden jeden Tag außer Sonntag. Aber an erster Stelle muss die Schule, die Ausbildung stehen, auch wenn ich manchmal nicht so ganz will“, gesteht Petr den doch dringenden Wunsch seiner Mutter und von Richard. Schön langsam ist er in Österreich eingewöhnt, „je besser ich Deutsch kann, desto mehr Freunde habe ich.“

Vom Journalisten nach seinen Zielen gefragt, meint Petr Hodina: „Profi und in der Weltspitze spielen!“

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Erstveröffentlicht im Kinder-KURIER.

Kundgebung und Demonstration der Initiative "Change for the Youth" (Veränderungen für die Jugend

Fehler machen dürfen/sollen als Mut-Spritze

„In unseren kunst-, vor allem theaterpädagogischen Workshops dürfen, nein sollen die Kinder und Jugendlichen Fehler machen dürfen. Wir ermutigen sie dazu und feiern sie dafür. In einer späteren Phase nach der Reflexion der Fehler, des Scheiterns und was daraus entstanden ist oder entstehen kann, sollen sie dazu eigene Kunstwerke gestalten – ob Bilder malen oder Videos drehen…“ So schildert Fabienne Mühlbacher, Geschäfstführerin der BeyondBühne, die vor Jahren aus der schulischen Biondekbühne in Baden (Gymnasium Biondekgasse) hervorgegangen ist, das Projekt „Failstunde“. Es ist eines von zehn Projekten, das Ängste von Schüler:innen abbauen will und soll.

Fabienne Mühlbacher, Initiatorin von
Fabienne Mühlbacher, Initiatorin von „Failstunde“

Die zehn Projekte werden über die „Wiener Mutmillion – Angstfreier Schule“ gefördert, starten ab sofort und laufen bis spätestens Ende kommenden Jahres. Die Projekte werden dem Gemeinderatsausschuss Bildung, Jugend, Integration und Transparenz am 1. Februar 2024 zum Beschluss vorgelegt. Insgesamt wird rund eine Million Euro zur Verfügung gestellt, um Schule zu einem angstfreien Raum zu machen, aus dem Kinder und Jugendliche gestärkt hervorgehen und sich entfalten können.

Prävention

Die zehn Projekte werden über die „Wiener Mutmillion“ gefördert, starten ab sofort und laufen bis ins kommende Jahr. Mit Ende 2025 müssen die Projekte ihre Budgets abrechnen. Mental Health ist – vor allem durch die Folgen der Pandemie (Schulschließungen, nicht rausgehen dürfen…) verstärkt zum Thema geworden. Suizidversuchen Jugendlicher haben sich in den vergangenen Jahren verdreifacht und sind die zweithäufigste Todesursache von 15- bis 24-Jährigen. Diese erschreckenden Zahlen nannte der u.a. für Bildung, Jugend und Integration zuständige Stadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr am Donnerstagmittag in einem Mediengespräch – als Hintergrund für Gegenmaßnahmen. Die verstehen sich nicht als Krisenintervention, sondern als Vorbeugung gegen Mobbing, Ausgrenzung, Diskriminierung, Gewalt…

Im Vorjahr konnten Projekte eingereicht werden. Ein Beirat aus Vertreter:innen der Bildungsdirektion Wien, der Kinder- und Jugendhilfe, des Kuratoriums für Psychosoziale Dienste, der fördernden Abteilung Bildung und Jugend sowie der Geschäftsgruppe Bildung, Jugend, Integration und Transparenz wählte aus den 30 Einreichungen zehn Projekte aus, darunter die eingangs genannte

Dominik Hejzak (Projektleiter von TGW Future Wings), Christoph Wiederkehr (Vizebürgermeister und STadtrat für Bildung, Jugend, Integration...), Fabienne Mühlbacher (
Dominik Hejzak (Projektleiter von TGW Future Wings), Christoph Wiederkehr (Vizebürgermeister und Stadtrat für Bildung, Jugend, Integration…), Fabienne Mühlbacher („Failstunde“-Initiatorin)

Die anderen neun Projekte

Da die Projekte erst noch im Wiener Gemeinderat beschlossen werden müssen – finden sich vor allem auf den Webistes der größeren Träger-organisationen noch kaum bis keine Informationen.

Projektbegleitung

Die Projekte werden mehrere Monate durch ein förderndes Begleitprogramm von TGW Future Wings betreut, dem gemeinnützigen Bereich der TGW Future Privatstiftung, der seit 2007 über 32 Millionen Euro in Bildungsinitiativen investiert hat. Diese Begleitung besteht dabei aus einer Kombination von klassischen Workshops, Mentoring-Programme sowie Supervision. Damit soll, so Dominik Hejzak, Projektleiter bei TGW Future Wings, „auch ein besonderer Fokus auf die persönliche Stärkung der Teilnehmer:innen“ gelegt werden.

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Mediengespräch zur
Mediengespräch zur „Mutmillion“
Doppelseite aus "Prinzessin Pompeline traut sich"

„Einander lieben, das ist es, was zählt“

In zarten schwarz-weiß-Strichen sind die Prinzessin und ihre meisten ihrer Dienerinnen – fast wie Skizzen – vor gemalten flächigen Hintergründen gezeichnet (Illustration: Trui Chielens). Anfangs jedenfalls. Pompeline, so heißt die Tochter des königlichen Paares ist offenbar jung erwachsen, wird von ihren Kammerfrauen aufgeputzt, zum Frühstück gibt es Torte. „Feiern wir irgendetwas?“, lässt Autorin Brigitte Minne die Prinzessin fragen. Die sich sogleich – in großen Buchstaben – an ihrem Tortenstück verschluckt, denn der Vater meint: „Pompeline, es ist Zeit für den Prinzen auf dem weißen Pferd.“

Da zieht sie sich lieber zurück, auch wenn schon ur-viele Prinzen angeritten kommen – die entsprechende Doppelseite geht fast über vor lauter solchen. Vergattert muss Pompeline alle begutachten, doch erst als – einmal umgeblättert – „eine Prinzessin auf einem wunderschönen schwarzen Pferd galoppiert … pocht das Herz von Prinzessin Pompeline wie verrückt…“ Hedwig heißt die Reiterin – und jetzt sind beide auch bunt gezeichnet!

Liebe auf den ersten Blick. Viel gemeinsames Lachen und Verständnis. Aber viel Widerstand im Schloss. „Böse Worte, doch zum Glück auch hin und wieder etwas Nettes … die bösen Worte bleiben hängen und machen traurig.“

Doppelseite aus
Doppelseite aus „Prinzessin Pompeline traut sich“

„Warum denn nicht?“

Auch wenn schon mehr als eineinhalb Jahrzehnte davor „König & König“ – sozusagen das Gegenstück mit einem Prinzen, der sich in einen Prinzen verliebt – erschienen ist und zum Zeitpunkt von „Pompeline“ so erfolgreich war, dass die deutsche Ausgabe schon in der sechsten Auflage verkauft wurde! Und dort – viele Jahre vorher – hatte auch die Prinzenmutter nicht einmal den Anflug von einem Problem damit, dass ihr Sohn sich in einen Mann verliebte.

Natürlich kann’s auch hier nicht bei den bösen Worten bleiben, Pompelines Eltern pilgern zur weisen Sofia, die auf „das geht doch nicht, oder?“ schlichtweg sanft antwortet: „Warum denn nicht, Majestät?“ Weitere Zweifel zerstreut sie mit folgenden Sätzen: „Ein Prinz und eine Prinzessin, zwei Prinzen, zwei Prinzessinnen … Das macht doch nichts! – Einander lieben, das ist es, was zählt.“

Mit diesen Weisheiten reisen Königin und König zurück, haben allerdings im Hofstaat noch so zahlreiche Bedienstete, die „raunen, murren und brabbeln so viele kalte, herzlose Worte hin und her…“ Das Volk aber zeigt sich in „Prinzessin Pompeline traut sich“ glücklich darüber, dass Pompeline und Hedwig glücklich sind…

Das wäre schon ein schöner Schluss gewesen. Doch das Duo setzte dem noch eins drauf: Auf der letzten der Bilderbuchdoppelseiten bekamen sie noch viele Kinder… – um danach auf einer Nachwort-Seite, die dann nicht mehr zum Märchen gehört, zu erklären, dass sie viele Kinder, die keine Eltern haben oder solche, die sie nicht richtig versorgen können, adoptieren und außerdem Pompeline über eine Samenspende eines freundlichen Prinzen auch schwanger wurde.

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Prinzessin Pompeline traut sich“
Szenenfoto aus "Kardia" vom Calla Ensemble

Bauchgefühle und Herzsprache

Vom fast sprachlosen Nebeneinanderstehen über heftigste Auseinandersetzungen bis zu einem Ende, das ein Zusammenwachsen des mehrfach gebrochenen Herzens möglich erscheinen lässt. Und dennoch keinen Funken Kitsch enthält. Ein geniales Zusammenspiel zweier Akteurinnen auf der Bühne mit sozusagen einer dritten, virtuellen – über digitale Live-Zeichnungen – und nicht zuletzt der eigens dafür komponierten Musik. Das ist die 1¼-stündige Performance „Kardia“, eine Produktion des nach Calla-Ensembles, benannt nach einer Blume, die fälschlich oft zu den Lilien gezählt wird. Zu den vier Akteur:innen auf und vor der Bühne zählt noch eine Autorin, die in einem langen Ping-Ping mit dem Ensemble Text(teile) beigesteuert hat. War leider nur zwei Mal jetzt (Jänner 2024) im Dschungel Wien zu erleben.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kardia“ vom Calla Ensemble

Das junge Ensemble: Lara Katharina Bumbacher und Stefanie Früholz als oft tanzende Schauspielerinnen, Astrid Rothaug, die von ihrem Tablet aus über online-Verbindung auf der Leinwand Hintergründe und immer wieder eine Frauenfigur malt, mit der die Live-Performerinnen interagieren sowie der Musiker Josef Rabitsch; die genannte Autorin: Sarah Milena Rendel.

Gefühlsstark

Die beiden Frauen auf der Bühne tanzen in einem Club ab, kommen zufällig beim (Nicht-)Rauchen vor der Tür ins Gespräch. Erst mehr als schleppend, die eine eher abwehrend. Beide haben anderntags Geburtstag und beide sind irgendwie einsam, vor allem aber auf der Suche – nach sich selbst, nach verschütteten oder zerstörten Gefühlen, kämpfen mit gebrochenem Herzen, stellen sich einzeln und teils dann wieder im Dialog eigenen und gesellschaftlichen Ängsten. Und spielen abwechselnd mit- bzw. gegeneinander sowie im Wechselspiel mit der live digital auf die Leinwand gezeichneten dritten Frauenfigur. Aber auch die teils abstrakt, teils figuralen Hintergründe spielen mit den beiden Performer:innen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kardia“ vom Calla Ensemble

Übrigens: Trotz der ernsthaften, tiefgehenden, intensiven Auseinandersetzung mit (eigenen) Gefühlen durchzieht eine gewisse Leichtigkeit, vor allem Verspieltheit und nicht selten auch Humor den Text.

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Die Texte der einzelnen der eineinhalb Dutzend Szenen bestehen vor allem aus vielen Fragen – solchen, die sich nicht nur, aber vor allem Jugendliche stellen. Und so wurde das ursprünglich für ein erwachsenes Publikum gedachte Stück zu einem, das nun vorrangig für 14- bis 18-Jährige gespielt wird, oft in Kombination mit Workshops mit Schüler:innen, in denen diese selber zu Wort, Schauspiel und Tanz kommen.

Und wo sie schon zuvor auf der Bühne erleben – viele Fragen, (fast) alles ist möglich, vieles kann, nichts muss – vor allem gibt es kein richtig oder falsch. Du musst deinen eigenen Weg finden – und davor viel suchen. Auch wenn das Calla-Ensemble selber eine Interpretation der Figuren hat, die es im Nachgespräch auch brühwarm preisgibt, so kannst du es selber doch anders sehen, meinen, fühlen. Ob es dann nur eine oder drei Figuren sind – Weiterentwicklung kommt aus dem Dialog – mitunter auch mit sich selbst.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kardia“ vom Calla Ensemble

Das gilt übrigens auch für den Stücktitel. Das Ensemble verbindet mit „Kardia“ vor allem die in der Medizin gebräuchlichen Begriffe im Zusammenhang mit Herz. Dort bezeichnet es im Übrigen allerdings auch den Mageneingang oder „oberen Magenmund“. Nicht selten sprechen wir doch vom Bauchgefühl!

Die Grenze zwischen Speiseröhre und Mageneingang wird übrigens durch eine gezackte Linie gebildet – die sich als Muster auf der digital gezeichneten Figur mehrfach findet – und letztlich auch auf den Jacken der beiden Schauspielerinnen.

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Kardia“ vom Calla Ensemble
Doppelseite aus dem Bilderbuch "Mina Wirbelfee" (Band 1)

Freche, selbstbewusste, abenteuerlustige neue Fee

Aufgeweckt und süß lächelt sie von der Titelseite – die neue und durchaus ungewöhnliche Fee. Mina Wirbelfee heißt sie und hat für die meisten ihrer bisherigen Artgenossinnen in Bilderbüchern (noch) ungewöhnliche Eigenschaften. Sie verbindet ihren durchaus lieblichen Charme mit frech-witzigem Durchsetzungswillen.

Die Geschichte beginnt mit dem siebenten Geburtstag der Fee. Da bekommen alle Feen von ihrer Königin Mirabella ihre Spezial-Fähigkeiten zugeschrieben. Mina kann es kaum erwarten. Endlich ist der entsprechende Brief da. „Wärst du mal schneller geflogen, Martin!“, ruft Mina und greift sich frech den Brief“, schreibt Zoe Magdalena. Sie hat sich die Geschichte ausgedacht. Schon in ihrer Schulzeit hat sie, die auch Poetry Slammerin ist, ein Jugendbuch geschrieben. Mina Wirbelfee ist aber ihr erstes Kinderbuch. Und wird nicht das letzte sein, denn dieses ist – auch wenn es am und im Buch gar nicht steht, Band 1 einer Serie – findet sich zumindest als Anmerkung im Webshop des Verlags.

Doppelseite aus dem Bilderbuch
Doppelseite aus dem Bilderbuch „Mina Wirbelfee“ (Band 1)

Was ist es jetzt!!!??

Für rund 100 – reich und bunt bebilderte (Illustration: Alexandra Helm) – Seiten braucht’s natürlich eine spannende Geschichte. Und die ist der Autorin gelungen. Ungeduldig lässt sich Mina den Brief von Papa vorlesen – lesen lernen die jungen Feen offenbar erst spät(er). „Blablabla!“, ruft Mina bei den ersten Sätzen wie „heute ist ein schöner Tag…“ und „langweilig“, „Urght“ und „argh“ als der Vater liest, dass Mirabella findet, die Eltern könnten auf ihre Tochter stolz sein und was sie schon alles könne… Sie will doch endlich wisseeeeeen!

Und genau das Wichtigste im Brief – nämlich welche Fähigkeit denn nun diese Hauptfigur kriegt – ist im Brief so krakelig geschrieben, dass es nicht und nicht zu entziffern ist. Und so entschließt sich Mina eben selbst zur Königin zu gehen, um sie direkt zu fragen, was sie da geschrieben hat. Aber zwischen ihrem Zuhause und dem Palast der Königin lauern Gefahren und Schwierigkeiten – das Feld der bösen Blumen, der Wald der wehleidigen Bäume, die starken Meerjungfauen… Alle warnen die Tochter, Enkelin, Freundin…

Auf eigene Faust…

Natürlich – du hast es sicher schon geahnt, vermutet und es ist wohl auch naheliegend: Mina Wirbelfee lässt sich nicht abhalten. Gemeinsam mit Hündchen Rüdiger – und wie sich später herausstellt auch Omas Wanderwarze Wanda – ist sie unterwegs, erlebt die Abenteuer und so weiter. Wie, und welche Fähigkeit sie am Ende bekommt – oder hat sie die ja schon? – Nein, nix wird gespoilert. Selber lesen oder vorlesen lassen (gibt’s übrigens auch als Hör-CD, da allerdings in einer gekürzten Version des Buches) – es sind spannende, abwechslungsreiche Abenteuer.

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Szenenfoto aus "Titanic oder wie tief kann man sinken"

Hin- und herspringend über Untergänge und Höhenflüge

Ein helles schräges aufgemaltes Viereck sticht aus den schwarzen Wänden hervor. Das Licht geht aus, noch aber sind schwätzende Menschen im Publikum zu hören. Die Schauspielerin lugt vorsichtig ums Eck. Als es endlich ruhig ist – tatatata – entert Alicia Peckelsen die Bühne. Freut sich riesig, da zu sein. Zwischendurch stellt sie sich ebenso schräg hin wie das Viereck. „Titanic oder wie tief kann man sinken“ steht nun auf dem Programm. Es ist das siegreiche Projekt des vorjährigen (15.) Nachwuchsbewerbs. Aus den vier 20-Minuten-Performances wählte die Jury – und in diesem Fall auch das Publikum – die Story um das gesunkene „unsinkbare“ Schiff aus. Im Zentrum stand – bzw. steht irgendwie auch noch immer – die Inspiration durch die James-Cameron-Verfilmung 1997 mit dem Liebespaar Rose und Jack.

In meist sehr schrägen – auch in gerader aufrechter Position (!) – Szenen schlüpft die Solistin, eine wahre Rampensau im besten Sinn des Wortes, in teils skurrilen Dialogen in die Rolle der einen und des anderen. Lässt die aufkommende Liebesgeschichte am untergehenden Schiff fast satirisch erscheinen, erobert damit nicht nur die Bühne, sondern die hinter den Publikumsreihen etablierte Bar samt Gläsern mit geknickten Stielen und das an der Wand stehende Piano.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Titanic oder wie tief kann man sinken“

So und so viele Minuten nach Eisberg

Über rein verbale Schilderungen lässt sie vor den geistigen Augen der Zuschauer:innen das dunkle, kalte Meer auftauchen. Zur „Untermalung“, sorgt sie für Geräusche der Schaumkronen der Wellen via Sekt-prickeln direkt vor dem Mikrophon. Ein bisschen Kälte-Feeling verursacht sie durch Öffnen der Tür neben der Bühne, so dass die Winterluft in den Publikumsraum einziehen kann.

Die Tragödie selbst manifestiert sich in Schrifteinblendungen via Diaprojektor: Beginnend von 21 Minuten nach Eisberg bis am Ende mehr als 60 Minuten nach dem Zusammenprall. Alle paar Minuten springt sie in die Liebes-Dialogszenen. Oder ganz, ganz andere.

Szenenfoto aus
Meist voll im Action-Modus

Tauchboot zum Titanic-Wrack

So baut Peckelsen (Regie: Lea Marlen Balzer, Dramaturgie: Sarah Heinzel, Bühne: Henry Boebst) die antike griechische Sage von Daedalus und Ikarus ebenso ein wie die reale Geschichte vom Tauchboot Titan, mit dem im Juni des Vorjahres neben einem Tiefseeforscher vier Superreiche hinunter zum Wrack der Titanic tauchen wollten. Der 19-jährige Suleman Dawood, der mit seinem Vater, einem pakistanisch-britischen Geschäftsmann im U-Boot saß, das letztlich implodierte, wird mittels fiktiver Telefonate vor dem Tauchgang zum Protagonisten für dieses Unglück in der Nähe des untergegangenen als unsinkbar gegoltenen Schiffs vor 112 Jahren.

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Alicia Peckelsen spielt „das einzige Lied, das ich kann“, die Titelmelodie der Serie „Sherlock“

Mögliche angestoßene Fragen

Womit sich der Kreis der „alles machbar“-Tragödien schließt. Und sich – vielleicht – manche danach auch noch Fragen stellen, die im Stück gar nicht angesprochen werden: Wieso sind es immer die Unfälle der eher Reichen, die weltweit bewegen? Ob Titanic – wo die Schicksale der ärmeren Passagiere in den unteren Decks kaum Thema waren? Oder beim Tauchboot im Vorjahr wo es große, aufwändige Suchaktionen gab, während im Mittelmeer sogar Rettungsversuche für Menschen, die aus klapprigen Booten über Bord gehen, kriminalisiert werden?

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